28
Buss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer Adaptionshaus Kieferngarten Schlößlanger 1 80939 München Tel. 089/318 999-0 [email protected]

Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

  • Upload
    others

  • View
    3

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Buss Jahrestagung 2009

Arbeitsgruppe

Rückfall und Rückfalldynamik– Überlegungen zu einer Klassifikation

Dipl.-Psych. Marcus BreuerAdaptionshaus KieferngartenSchlößlanger 180939 MünchenTel. 089/318 [email protected]

Page 2: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Was ist ein Rückfall?

Page 3: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer
Page 4: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Definition von „Rückfall“ innerhalbeiner Rehabilitationsbehandlung

= jeglicher Suchtmittelkonsum

Page 5: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Unterschiedliche Arten vonRückfällen

Page 6: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer
Page 7: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

U. Büchner:

ErneuteBewältigungsversuche

psychischerNotsituationen mit Hilfe

des Suchtmittels.

Es haben sich vomTrinkwunsch genährte

Zweifel an derNotwendigkeit der

Abstinenz durchgesetzt.

RückfälleIch-syntone vs. Ich-

dystone

Quelle: SUCHT, 48(2), 2002

Page 8: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Quelle: SUCHT, 48(2), 2002

Gefallene vs. Trinken-wollendePatienten

Anmerkung:In der Realität haben wir es wohl häufig mit unterschiedlichen Mischungendieser beiden Aspekte zu tun (als Ausdruck der inneren Ambivalenz).

Zimdars:

Page 9: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Ich trinke, weil …

Page 10: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Einflussfaktoren des Craving und Rückfall

Craving

PositiveErwartungenGrundstimmung

z.B. Angst

AktuelleSituation

best. Auslöser

BiologischeFaktoren Negative

Erwartungen

AlternativeVerhaltens-strategien

Drogenkonsum

WeitererRückfall

Wiederabstinent

Zw. 1% u. 75%gaben Cravingals Grund an

(nach Wetterling et al. 1997)

Page 11: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Psychodynamiken nach Rückfällen

Bagatellisierung („Einmal geht schon“)Selbstüberschätzung („Ich habe es im Griff“)Scham- und Schuldgefühle nehmen Oberhand:

„Ich kann sowieso nichts machen“„Ist ja sowieso egal“

Demoralisierung („Ich werde es nie schaffen“)

Page 12: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Bagatellisierungen nach einemRückfall

• Es ist ja gar nichts passiert.• Es war nur ein Glas Bier….• Es war ja nur ein Joint.• Hauptsache, ich bleibe weg von den

„harten Sachen“.

Page 13: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Rückfallkette

Page 14: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer
Page 15: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Suchtgedächtnis

Page 16: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Die Sucht ist ein MonsterDie Sucht ist ein Monster

Page 17: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

• Die Sucht ist ein Monster mit einemGedächtnis wie ein Elephant(Suchtgedächtnis).

• Jeder Rückfall füttert dieses Monster bzw.hält es wach….

• Ziel muß es sein, dieses Monsterauszuhungern(Herauswachsen aus der Sucht)

Page 18: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Rückfallsituationen und Suchtgedächtnis

Rückfallvorläufer

Aufsuchen von „Hot-Spots“Ansicht von

Schnapsflaschen / Spritzen

Kontaktmit rückfälligen

Personen

Unangenehme Gefühle:LangeweileEinsamkeitÜberlastung

etc.

Gedanken an Rückfall:„Ich könnte jetzt etwas nehmen“

„Wenn ich jetzt etwas trinken würde,würde es mir besser gehen“

Rückfall

Probleme im BereichArbeit

Geld / Finanzenetc.

Dopaminausschüttungin Erwartung der folgenden Belohnung

(…da läuft das Wasser im Mund zusammen…)

AktivierungSuchtgedächtnis

Page 19: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Entwurf einer Typologie von Rückfällen(1/5)

1. „Ausrutscher“ (lapse)

Einmaliger Suchtmittelkonsum eines Stoffes, für den im Vorfeld eineAbstinenzabsicht bestand. Es handelt sich i.d.R. nicht um einestrategisch geplante und gezielte Handlung.Auslöser für den Suchtmittelkonsum sind zumeist entwederVerführungssituationen (d.h. mangelnde Abgrenzung) oder klassischeinterne (z.B. Langeweile) bzw. externe (z.B. Aufsuchen von Hot-Spots)Auslöser.

Anmerkung: Die Einschätzung, zu welchem Typus ein konkreter Rückfall gehört,läßt sich oft erst im Nachhinein beurteilen bzw. verändert sich im Verlauf mehrerer Rückfälle!

Page 20: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Entwurf einer Typologie von Rückfällen(2/5)

2. „Vorfall / Konsumereignis“

Es bestand bereits im Vorfeld keine Abstinenzabsicht bzw. noch keineAbstinenzabsicht in Bezug auf das konsumierte Suchtmittel.Dies ist häufig Ausdruck eines mangelnden Problembewusstseins.

Beispiel: Ein drogenabhängiger Patient konsumiert während einerRehabilitationsbehandlung in einem Ausgang Alkohol, weil er diesensubjektiv nicht als sein Suchtmittel und somit als problematischbewertet.

Page 21: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Entwurf einer Typologie von Rückfällen(3/5)

3. Versuch, kontrolliert zu konsumieren

Das zuvor vorhandene Abstinenzziel wurde verlassen, zu Gunsten desVersuches, Suchtmittel kontrolliert konsumieren zu können.

Fatalerweise scheint dieser Versuch aus der Sicht des Patienten zunächst(kurzfristig) auch zu gelingen, da es häufig bei den erstenKonsumereignissen noch nicht zu einem völligen Kontrollverlustkommt.

Page 22: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Entwurf einer Typologie von Rückfällen(4/5)

4. Suchtmittelkonsum als Ausdruck von fehlenderVeränderungsmotivation

Es besteht (wie beim Vorfall/Konsumereignis) keine Abstinenzabsicht inBezug auf die konsumierte Substanz. Allerdings ist ein solcher Rückfall eherAusdruck einer grundsätzlich geringen oder gar fehlendenVeränderungsmotivation.Die dahinter liegende Dynamik ist z.B. Ausdruck eines generell noch geringenProblembewusstseins (insbesondere bei jüngeren Patienten) oder auch einerdissozialen Persönlichkeitsstruktur eines Patienten. Letzteres ereignet sichdaher bevorzugt in Behandlungssituationen mit externem, insbesonderegerichtlichem, Zwang zur Behandlung. Beispiel: Einige Patienten feiern eineregelrechte „Wodka-Party“ in einer Einrichtung.

Page 23: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Entwurf einer Typologie von Rückfällen(5/5)

5. Schwerer Rückfall (relapse) / erneuter dauerhafterSuchtmittelkonsum

Dieser Typus entsteht meist erst im Rückfallverlauf, d.h. dass es i.d.R.zuvor einzelne Rückfälle aus den Typen 1-4 gab. Häufige Hintergründefür den Übergang zu diesem Typus sind der Abstinenzverletzungseffekt(Marlatt), Hoffnungslosigkeit („Ich werde es jetzt sowieso nicht mehrschaffen“) sowie das schrittweise Überhandnehmen von Problemen alszusätzliche externe Auslöser. Die Suchtdynamik als solche prägt wiederzunehmend das Rückfallgeschehen.

Page 24: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Thesen zurErfassung von Rückfällen

Page 25: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

• In Statistiken werden Einzelfälle gebündelt und in ein gewissesSchema gepresst– nicht immer zur besseren Verständlichkeit.

• In einer Statistik wird aus Längsschnitt-Verläufen einQuerschnitts-Statement.

• Gewissermaßen „darunter“ liegen unterschiedlicheRückfalldynamiken.

• Eine standardisierte Beurteilung der Rückfalldynamik ist schwierigbis unmöglich.

• Dennoch ist es aus meiner Sicht sinnvoll; Rückfallhäufigkeitenzumindest ansatzweise zu erfassen.

Page 26: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Eine mögliche Unterteilung für diestatistische Erfassung von Rückfällen

Mehrere Rückfälle / versch. SuchtmittelTS9

2 Rückfälle / versch. SuchtmittelTS8

Einmal. Rückfall / versch. SuchtmittelTS7

Mehrere Rückfälle / AlkoholTS6

2 Rückfälle / AlkoholTS5

Einmaliger Rückfall / AlkoholTS4

Mehrere Rückfälle / DrogenTS3

2 Rückfälle / DrogenTS2

Einmaliger Rückfall / DrogenTS1

keine Störung / kein RückfallTS0Rückfallvariable (Schlüsselwert STOERUNG in Patfak):

Page 27: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Der Rückfallgeist (1/2)

Ein Geist geht um! Er lässt Leute auf Nimmerwiedersehen aus unserem Kreisverschwinden! Beunruhigt sehen sich die Zurückbleibenden an. Einigen seiner Opfer

gelingt es, nach etwas Zeit dem Phantom zu entkommen.Sie tauchen manchmal wieder auf, verunsichert und verwirrt.

Wir haben es nicht geschafft, klagen sie an. Er hat uns überlistet, der schrecklicheRückfallgeist.

Wir waren ihm einfach nicht gewachsen!Er hat immer neue Tricks gehabt und schien all unsere schwachen Stellen zu kennen!

Niemand ist vor ihm sicher, ist das nicht zum Fürchten?Das Fürchten bringt uns nicht weiter, aber Respekt sollten wir vor ihm haben, denn er ist

tüchtig in seinem Beruf und versteht sein Handwerk sehr gut.Weise ist es aber, ihn kennen zu lernen, zu beobachten, wie er vorgeht. Dann werden wirentdecken, dass er Regeln befolgt, dass er feste Gewohnheiten hat. Er wird berechenbar!

Beobachte seine Gewohnheiten!Er ist überhaupt nicht nett und will Dich ruinieren!

Gehe Wege, auf denen Du ihm nicht begegnest!Wenn Du seine Tricks kennst, kann er Dir nichts anhaben!

Page 28: Arbeitsgruppe Rückfall und RückfalldynamikBuss Jahrestagung 2009 Arbeitsgruppe Rückfall und Rückfalldynamik – Überlegungen zu einer Klassifikation Dipl.-Psych. Marcus Breuer

Der Rückfallgeist (2/2)

Und was sind seine Tricks?Er schleicht sich langsam an! Er holt sich Leute, die Angst vor ihm haben! Er holt sich

Leute, die sich zu sicher fühlen! Er holt die, die unter Langeweile, Wut, Einsamkeit oderanderen Problemen furchtbar leiden und sich nicht aufraffen können, etwas dagegen zu

tun! Er holt sich die, die sich selbst belügen! Er holt sich die, die nie den Mut zurOffenheit haben!

Das Schlimmste, was Du tun kannst, ist Dich zu verkriechen.Allein mit ihm, daheim in einer Sofaecke, verhandelt er am liebsten mit seinen Opfern, da

kann er sie am leichtesten beschwatzen.Und wenn er Dich doch erwischen sollte? Schrei laut um Hilfe, ruf Freunde an, renn in die

Gruppe!Prüfe, wie es zum Rückfall kam, sachlich ehrlich. Übe neue Verhaltensweisen.

Wenn Du willst, kannst Du den Geist fix und fertig machen…

Quelle: unbekannt (Quellenhinweise sind willkommen!)