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Teilnehmerunterlagen Seminar „Gesund und sicher Führen“ Gesund und sicher Führen Chancen der Führungskraft, gut und effizient zu führen Arbeitsheft und Teilnahmeunterlagen

Arbeitsheft und TeilnahmeunterlagenGesundheit nicht so deutlich mit dem Kohärenzgefühl korrelieren (zusammenhängen). Antonovsky ging davon aus, dass sich das Kohärenzgefühl im

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Teilnehmerunterlagen Seminar „Gesund und sicher Führen“

Gesund und sicher Führen

Chancen der Führungskraft, gut und effizient zu führen

Arbeitsheft und Teilnahmeunterlagen

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Gesund und sicher führenZeit-Themen-Plan

1. Tag 13:30 – 17:00 Uhr

• Begrüßung, Vorstellung und Organisatorisches

• Einführung in das Seminar für Führungskräfte

• Erfahrungsaustausch zum Arbeits- und Gesundheitsschutz

2. Tag 09:00 – 17:00 Uhr

• Positionierung im sozialen Miteinander

• Gesundheitsförderung positiv verankern

Argumente für den Arbeits- und Gesundheitsschutz

• beschäftigte zu sicherem und gesundem Verhalten führen

Führung und Gesundheit

Ursachen für risikoreiches Verhalten

Verhaltensarten der Mitarbeitenden erkennen

3. Tag 09:90 – 12:30 Uhr(Anschließend: gemeinsames Mittagessen)

• Situativ Führen - Qualifikation und Aufgabe berücksichtigen

• Möglichkeiten der Vertiefung

• Abschlussbesprechung:

â offene Fragen

â Seminarauswertung

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Inhalt

2 Das Stakeholder – Modell

3 Führung und Gesundheit

3.1 Das Grundmodell menschengerechter Arbeit nach Hacker und

Richter

3.2 Salutogenese und Kohärenzgefühl

4 Argumente für den klassischen Arbeits- und Gesundheitsschutz

5 Ursachen für risikoreiches Verhalten

6 Verhaltensarten der Mitarbeitenden erkennen

7 Mitarbeiter- und aufgabenbezogen führen

7.1 Zu Situativen Führungsmodellen

7.2 Beispiele für die vier Typen von Führung

8 Reflexion des eigenen Handelns – die kollegiale Beratung

9 Methoden zur interaktiven Gestaltung von Workshops oder

Meetings

Übersicht über Problemlöseverfahren

Welche Problemlösungsverfahren gibt es?

Wie unterscheiden sich die Problemlösungsverfahren?

Welche Vor- und Nachteile kennzeichnen die Verfahren?

Wie können Sie strukturiert durch einen Problemlösungsprozess

führen?

Literaturverzeichnis

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Gruppenarbeit

Erfahrungsaustausch mit dem Thema Gesundheit schützen und fördern

Anweisung für die Gruppenarbeit:

Bitte sammeln Sie Ihre Beiträge zuerst jede und jeder für sich auf den ausliegenden Moderationskarten. Nutzen Sie dann eine Pinnwand, um in Ihrer Arbeitsgruppe die Erfahrungen zu sammeln und kurz zu erläutern.

1. Welche Fortschritte konnte ich in den letzten 12 Monaten im Arbeits- und Gesundheitsschutz erzielen? (Auch und gerade die kleinen, konkreten Schritte und Situationen berichten!)

2. Zu welchen konkreten Fragen/Problemen erhoffe ich mir hier eine Diskussion und Hilfestellung?

Stellen Sie Ihre Ergebnisse dann als Gruppe im Plenum vor; nutzen Sie dafür die Pinwand:

1. Konkrete Fortschritte 2. Fragen und Hilfethemen

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Spielregeln im Seminar:

Eine vertrauensvolle Atmosphäre hat für das angestrebte Seminar mit Workshop-

Charakter einen hohen Stellenwert. Auf einem Flipchart sind Spielregeln

aufgeschrieben, die nach kurzer Diskussion und evtl. Ergänzung von der

Seminargruppe als verbindlich angenommen wurden:

• Wir gehen höflich und wertschätzend miteinander um

• Jede Meinung und Idee hat das gleiche Gewicht

• Fragen sind berechtigt und bekommen Antworten

• Vertrauliche Dinge bleiben hier im Raum

• ...

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2 Das Stakeholder - Modell

Stakeholder (engl.) sind Personen oder Gruppen, die Interesse und Ansprüche an eine Person stellen. Die Ansprüche müssen nicht gleich oder ähnlich sein, sondern können sich widersprechen. Im Kontext des Seminars werden Personen und Gruppen betrachtet, die Ansprüche an das Verhalten der Führungskraft hinsichtlich der Erhaltung und Förderung der Gesundheit der Beschäftigten stellen.

Das Abbilden und Berücksichtigen dieser "Anspruchsgruppen" ermöglicht ein Verständnis des Betriebes als System konvergierender und divergierender Interessen. Auch indifferente Positionen sollten berücksichtigt werden.

Zentral an dieser Sichtweise ist das Einnehmen der Perspektive des Gegenübers: Ziehen Sie sich die Brille des Anderen an und schauen Sie mit seiner Sicht auf die Dinge. Was bringt ihn dazu, eine von Ihnen gewünschte Maßnahme abzulehnen? Welche Interessen verfolgt er und wie würde er entscheiden?

Die Visualisierung der Anspruchsgruppen zeigt die Vielfalt von Kooperationspartnern, mit denen Sie als Führungskraft täglich umgehen. Das Bild erleichtert zu erkennen, welche komplexe Position die Führungskraft einnimmt.

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Solche "Stakeholder" bzw. Institutionen, die unterschiedlichste Anforderungen an die Führungskraft stellen, sind:

1. Beschäftigte/ Beschäftigtengruppen (bspw. Leistungsträger - Spezialisten)2. der/die eigene Vorgesetzte3. andere Abteilungen4. KollegInnen als Führungskraft5. der Betriebs-/ Personalrat6. die Personalabteilung7. Kunden (Patienten, Bewohnerinnen)8. der Gesetzgeber etc.pp

Diese Aufzählung ist keineswegs vollständig. Gemeinsam ist den genannten Stake-holdern, dass sie mit unterschiedlichen Mitteln mehr oder weniger großen Druck auf die Führungskraft ausüben. Es besteht jedoch auch die Chance, die Anforderungen der Interessenten zu Koalitionen zu nutzen und die Verbindung, die die einzelnen Personen miteinander haben – ihre Netze – kreativ für sich zu nutzen.

Es werden "natürliche" Partnerschaften erkennbar, aber auch "gegebene" Antagonis-men. Sie stehen als direkte Vorgesetzte nicht zwischen den (Haupt-)Beteiligten "Leitung" und "Beschäftigte", sondern haben Optionen der Positionierung in einem netzwerkartigen Geflecht sich wechselseitig beeinflussender Gruppen.

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Besonders wichtig ist die Herausarbeitung einer eigenen Position:

Welches sind meine zentralen Aufgaben?Was gehört nicht zu meinen Aufgaben?Wo möchte ich anderen entgegen kommen - wo bin ich zu Kompromissen bereit?Was erwarte ich von meinen Kooperationspartnern?

Diese klare Positionierung und Abgrenzung ist eine wichtige Voraussetzung, um nicht passiv gegenüber KollegInnen, Mitarbeitenden oder Vorgesetzten zu werden. Damit geht eine intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle als Führungskraft einher sowie das Bewusstsein, dass das eigene Handeln neben Widerständen auch Zuspruch bei Anderen auslösen kann.

Wichtig ist der Wechsel der Perspektive, sich in den Anderen hinein zu versetzen und seine Intention verstehen zu lernen.

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Gruppenarbeit

Das Stakeholder – Modell der Anspruchsgruppen

Anweisung für die Gruppenarbeit:

Sie haben im Plenum die wichtigsten Anspruchsgruppen per Punktabfrage gefunden. Erarbeiten Sie für die Anspruchsgruppe _____________________ (die Ihnen zugeteilt wurde) folgende Fragen:

1. Welche konkreten Anforderungen stellt diese Anspruchsgruppe/Stakeholder an mich als Führungskraft?(Halten Sie die Ansprüche einzeln auf Kärtchen fest. Schreiben Sie gut verständliche Halbsätze oder Statements auf.)

2. Wie wirken sich diese auf den Erhalt un die Förderung der Gesundheit der Beschäftigten aus? (Markieren Sie die Anforderung mit einem „ + „ für eine positive Auswirkung, mit „ – „ für eine negative.)

Bringen Sie die Kärtchen einfach mit ins Plenum. Dort werden sie gemeinsam mit den Ergebnissen der anderen Gruppen in ein gemeinsames Schaubild eingepinnt.

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Gruppenarbeit

Alternative Herangehensweise an das Stakeholder – Modell

Fragen zur Gruppenarbeit:

• Was erwartet die Unternehmensleitung bzw. mein Chef von mir?

• Was erwarten meine Mitarbeitenden von mir?

• Welche Probleme/Schwierigkeiten/Konflikte ergeben sich daraus für mich

als Führungskraft?

• Welche Strategien bzw. Lösungswege können mir helfen, die Probleme/

Schwierigkeiten in dieser „Sandwichposition“ zu beseitigen bzw. zu

minimieren?

Bringen Sie Ihre auf Kärtchen geschriebenen Antworten ins Plenum mit. Dort werden sie gemeinsam mit den Ergebnissen der anderen Gruppen in ein gemeinsames Schaubild eingepinnt.

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3 Führung und Gesundheit

Zum Stellenwert der Partizipation

Partizipation definiert allgemein die Möglichkeit zu Beteiligung an Entscheidungen und führt folglich zu einer Verbreiterung der Entscheidungsbasis.

Die Erweiterung der Entscheidungs- und Handlungsspielräume gilt gesichert als Ressource für Gesundheit am Arbeitsplatz. Darüber hinaus ist ein positiver Effekt in der Nutzung des gesamten Problemlösepotenzials der Beschäftigten zu sehen. Partizipation geht des Weiteren mit einer höheren Arbeitszufriedenheit und Effektivität einher.

Die Gefahren, die das Arbeitsleben für die Gesundheit bringt, unterliegen einem ständigen Wandel. In der Gesundheits- und Sozialwirtschaft sind technisch-materielle (Unfall-) Gefahren eher selten, hingegen stellen (multiresistente) Viren oder Bakterien eine ständige Bedrohung dar. Für einzelne Berufsgruppen wie Altenpflegehelferinnen ist sogar Wasser – besser das Arbeiten der Hände in ständiger Feuchtigkeit ein Erkrankungsrisiko.

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Als Erklärung für Erkrankungen wichtiger als die materiellen Bedingungen von Arbeit sind allerdings diejenigen Gefahren, die im weitesten Sinne in der Organisation von Arbeit liegen: Die Aufgabe selbst, damit verbundene Rechte und Pflichten, der Chef und das Team, sowie beispielsweise lange Arbeitszeiten und Wechselschichten.

Die Auswirkungen solcher Faktoren sind nicht sofort zu spüren, vielmehr treten die Folgen ungünstiger Arbeitsgestaltung erst nach Jahren auf. Die Erkenntnisse, auf denen Empfehlungen zu menschengerechter Arbeit basieren, sind jedoch in vielen sozial- undarbeitswissenschaftlichen Studien gut belegt.

Gute und gesunde Arbeit zu beschreiben ist also zu einem komplexen Unterfangen geworden und erfordert eine ständige Weiterentwicklung.

Zudem hat sich das Verständnis von "Gesundheit" gewandelt: Heute reicht uns kaum noch das Fehlen einer (manifesten) Erkrankung, um Gesund-Sein zu bejahen. Stark berücksichtigt wird auch das seelische oder psychische Gleichgewicht sowie die soziale Gesundheit. Die drei Dimensionen von Gesundheit sind somit: stabile und befriedigende soziale Beziehungen, ein seelisches Gleichgewicht und körperliche Gesundheit.

Bewährt haben sich – neben anderen – zwei Modelle, die den Anspruch an Arbeit und das Bild von Gesundheit erklären können: Das hierarchische System zur psycholo-gischen Bewertung von Arbeitsgestaltungsmaßnahmen nach Hacker & Richter sowie das Konzept der Salutogenese nach Antonovsky:

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3.1 Das Grundmodell menschengerechter Arbeit nach Hacker und Richter

Dieses Modell sieht einen hierarchischen Aufbau vor. Das Konzept wurde von handlungstheoretisch ausgerichteten Arbeitspsychologen entwickelt und ist allgemein anerkannt. Es liegt die Annahme zugrunde, dass sich Menschen auch in ihrer Arbeitstätigkeit verwirklichen. Somit ist Arbeit ein Mittel zur Entwicklung der Persönlichkeit.

• Arbeit soll ausführbar sein. Die körperlichen und psychischen Bedingungen, wie Größe oder Wahrnehmungsfähigkeit einer Person müssen bei der Gestaltung seines Arbeitsplatzes und seiner Aufgaben beachtet werden, damit nicht regenerierbare Gesundheitsschäden verhindert werden.

• Arbeit soll nicht schädigen. Die Gesundheit des Beschäftigten darf nicht negativ verändert werden. Arbeit muss ohne gesundheitliche Schäden ausführbar sein.

• Arbeit soll nicht beeinträchtigen. Arbeit muss zumutbar sein, das heißt eine revidierbare Beeinträchtigung der Gesundheit ist möglich, darf aber nicht zu einer dauerhaften Schädigung führen. Die Schwere der Beeinträchtigung lässt sich wiederum in Stufen einteilen (s.u.). Auch gesellschaftliche Normen und Werte von Gruppen müssen beachtet werden, da sie Wohlbefinden mit prägen. Zumutbarkeiten können sich ändern.

• Arbeit soll persönlichkeitsförderlich sein. Damit werden Motivation, Qualifikation und Flexibilität gefördert.

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3.2 Salutogenese und Kohärenzgefühl

Der Begriff der Salutogenese bedeutet wörtlich die Entstehung von Gesundheit (von salus, lateinisch: Gesundheit, Heil und genesis, griechisch: Werden, Entstehen).

Das Modell der Salutogenese geht auf den amerikanisch/israelischen Soziologen Aaron Antonovsky (1923 – 1994) zurück; er ging davon aus, dass bestimmte innere Einstellungen oder Grundorientierungen dazu führen, auch unter (lang anhaltendem) Stress gesund bleiben. Es wurden große Unterschiede zwischen Individuen beobachtet. Er versuchte herauszufinden, welche dies sind, und ob diese Grundorientierung auch die Förderung von Gesundheit bedeutet.

Damit konnte er ab ca. 1979 der gängigen Praxis der Erforschung der Pathogenese (was macht uns krank) eine ganz neue Perspektive entgegen setzen. Nach seinem Verständnis bewegen wir uns auf einem Kontinuum von Krankheit auf der einen Seite, Gesundheit auf der anderen. Den Begriff der Gesundheit jedoch fasst er weiter, sie ist nicht nur die Abwesenheit von körperlicher Erkrankung, sondern besteht aus drei Anteilen: Psyche, Körper und soziale Beziehungen. In allen drei Bestandteilen können wir unterschiedlich stark „gesund“ sein.

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Antonovsky hat mit seinen Arbeiten nicht nur den Begriff der Salutogenese eingeführt, sondern auch eine psychologische Grundannahme getroffen: Es gibt ein überdauerndes Gefühl, das unsere Gesundheit bestimmt: Das Kohärenzgefühl. Es ist als eine Grundorientierung definiert, die das Ausmaß eines umfassenden, dauerhaften und gleichzeitig dynamischen Gefühls des Vertrauens ausdrückt.

Antonovsky arbeitete drei Faktoren heraus, die seiner Meinung nach für ein Mehr oder Weniger an Gesundheit der Menschen – sprich für ihren Platz auf dem Kontinuum von Gesundheit vs. Krankheit verantwortlich sind:das Gefühl der Verstehbarkeit (comprehensibility),das Gefühl der Handhabbarkeit (manageability)und das Gefühl der Bedeutsamkeit oder Sinnhaftigkeit (meaningfulness).

Diese drei Faktoren ergeben zusammen das Kohärenzgefühl ("Stimmigkeit", engl. Sense of Coherence, SOC).

Die drei Faktoren lassen sich etwa folgendermaßen begreifen:

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Antonovsky entwickelte 1987 einen Fragebogen, um dieses Kohärenzgefühl zu messen. Seit dieser Zeit wird intensiv und weltweit mit diesem Instrument geforscht.

Dabei hat sich herausgestellt, dass die psychische Gesundheit erheblich, die physische Gesundheit nicht so deutlich mit dem Kohärenzgefühl korrelieren (zusammenhängen).

Antonovsky ging davon aus, dass sich das Kohärenzgefühl im Laufe der Entwicklung des Einzelnen ausbildet und vor allem von seiner Umgebung abhängt. Er meinte, dass es sich bei Erwachsenen kaum mehr verändert, allenfalls negativ durch Traumata wie Unfälle usw. Heutzutage gehen wir allerdings davon aus, dass auch bei erwachsenen Menschen eine positive Beeinflussbarkeit des Kohärenzgefühl möglich ist; hier setzt die Gestaltung von Arbeit und sozialen Beziehungen am Arbeitspatz an.

Auch wenn die drei Faktoren Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit empirisch nicht eindeutig trennscharf sind, hat sich das Konzept des Kohärenzgefühls weithin durchgesetzt.

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4 Argumente für den Arbeits- und Gesundheitsschutz

Wenn Maßnahmen im Arbeits- und Gesundheitsschutz durchgesetzt werden können, geben nicht nur die humanen Ziele der Sicherheit und Gesundheit den Ausschlag. Häufig muss der Nutzen vielfältig belegt und auch wirtschaftlich/ personell gezeigt werden.

Denn letztlich entscheidet der Adressat darüber, ob er ein Argument als gutes Argument annimmt. Wichtig ist, dass der Adressat einen Nutzen aus den Vorschlägen ziehen kann.

Mögliche Vorteile/Nutzen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes:

- Kosteneinsparung- Qualitätsverbesserung- Optimierung von Prozessen- Störungsfreie Unterneh-

mensabläufe- Sicherheit für das Personal- Vermeidung von Über-

forderungen

- Höhere Motivation der Mitarbeiter- Verbesserung des Betriebsklima- Imageerhöhung- Attraktivität als AG für die

Mitarbeiter- Erhaltung der Arbeitsfähigkeit

Neben dieser sachlichen Ebene gibt es jedoch auch den Beziehungsaspekt. Es kommt entscheidend darauf an, dass Ihr Gegenüber Sie versteht und weiß, auf was es Ihnen ankommt.

Deshalb empfiehlt sich, den Nutzen der gewünschten Maßnahme auch klar und deutlich zu erläutern.

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Hier noch einige Tipps, die Argumente für den Arbeits- und Gesundheitsschutz wirksam werden lassen:

- Günstigen Zeitpunkt suchen- Prinzip der Schriftlichkeit- Diplomatisches Geschick- Den richtigen Tonfall treffen- Nutzen vor Augen führen- Auf das Machbare

konzentrieren- Durch Argumente überzeugen - Sich in den anderen

hineinversetzen- Sache von der Person trennen

- Das Miteinander suchen- Experten zu Rate ziehen- Zunächst mit dem Einfachen

beginnen- Verbündete suchen- Mit Positivem beginnen- Eigene Vorschläge entwickeln- Fakten sammeln- Termin vereinbaren, nicht

überfallen

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Gruppenarbeit

Einüben der bisher vorgestellten Schritte

Wählen Sie in Ihrer Gruppe ein konkretes "Hilfe"-Thema vom ersten Tag aus, das Vorgesetzte/Geschäftsführung betrifft. Der Fallgeber, der gestern das Kärtchen eingebracht hat, schildert das konkrete Problem und die Rahmenbedingungen in seinem Betrieb.

Bearbeiten Sie den dargelegten Fall so genau und konkret wie möglich.

Aufgabe an die Arbeitsgruppe:

1. Im ersten Schritt das Problem kurz skizzieren lassen und durch den Fallbringer beschreiben lassen, wo und wann das Problem auftritt. Außerdem Ursachen vom Fallgeber erläutern lassen. Der Fallgeber schildert außerdem, welche Stakeholder beteiligt sind (10 Minuten).Für die Beschreibung des Falls wird dem Fallbringer eine vorbereitete Metaplanwand zur Verfügung gestellt, anhand derer er seinen Fall beschreiben kann.

2. Zuhörende fragen nach, stellen Verständnisfragen (15 Minuten).

3. In Kleingruppen (2-3 Personen) werden Annahmen über Hintergründe des Falls, mögliche Ziele der Beteiligten, Zusammenhänge und Abhängigkeiten zwischen Einzelaspekten des Falls gebildet. WICHTIG: In dieser Phase werden zunächst nur Hypothesen entwickelt, Lösungen werden in einem separaten Schritt erarbeitet. (20 Minuten)

4. Präsentation der Hypothesen und kurze Reaktion des Fallbringers. Ggf. Ergänzung von Hypothesen (Ursachen) im Kreiseldiagramm. (15 Minuten)

5. Erarbeitung von möglichen Lösungen im Plenum, Ableitung von Maßnahmen. Wichtig ist dabei, dass erarbeitete Lösungsvorschläge nicht mit Killerphrasen in einem frühen Stadium zunichte gemacht werden, sondern Vorschläge auch visionär sein dürfen. Bei der Ableitung von Maßnahmen die Frage nach möglichen Partnern im Stakeholdermodell berücksichtigen! (20 Minuten)

6. Fazit des Fallbringers: „was war neu, hilfreich“, „was nehme ich mit“. (10 Minuten)

Für den Moderator und die Teilnehmer ist es hilfreich, die einzelnen Phasen strikt zu trennen: Zunächst sollte der Fallbringer die Möglichkeit haben, seinen Fall kurz darzustellen. Nach dieser ersten Präsentation erst mit Verständnisfragen beginnen, so dass zunächst die Struktur des Falls deutlich werden kann. Bei den Verständnisfragen hat der Moderator darauf zu achten, dass es zunächst nur um den Fall und noch nicht

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um Hypothesenbildung und die Erarbeitung von Lösungen geht. Um das kreative Potenzial des Verfahrens zu nutzen, sind im weiteren Verlauf insbesondere Hypothesenbildung und Entwicklung von möglichen Lösungen strikt zu trennen.

Beispiel Vogt´scher Kreisel:

Lesebeispiel:

Der dargestellte Problemfall bezieht sich auf den Wunsch der Führungskraft, sukzessive alle Mitarbeiter in Kinästhetik zu schulen; dazu möchte er jemanden als Trainerin fortbilden.

Auf Nachfrage (wo genau) tritt das Problem nur in der Leitungskonferenz zu Tage, sonst sind im Gespräch immer alle dafür. Der Zeitpunkt "wann" ist einmalig, erst bei der Jahresplanung ist die Führungskraft wieder ohne Planung....

Beispiel: Stakeholder-Modell s. vorne

Keine Genehmigung für Kinästhetikausbildung einer Mitarbeiterin

wo genau

wann Ursachen

Leitungs-konferenz

jährlich, wenn FoBi-Plan des BBF

Kein Sperrvermerk in den Verträgen

Plan geht nicht vorher zum GF als TOP für die Konferenz

Unklar, welche Mitarbeiterin

Kosten sehr hoch

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5 Ursachen für risikoreiches Verhalten

Das hier vorgestellte Modell ist eine Vereinfachung menschlichen Verhaltens. Es stellt die vielfältigen Ursachen für risikoreiches Verhalten vereinfacht dar.

Die Anwendung dieses Modells ist eine Hilfestellung, um mögliche Ursachen risikoreichen Verhaltens einzugrenzen und zu systematisieren. Erst eine genaue Analyse der Ursachen und die klare Definition des erwünschten Zielzustands führt in der beruflichen Praxis zur Ableitung geeigneter Maßnahmen.

Wurde z. B. als Ursache ein Wissensdefizit ermittelt, dann könnte eine Unterweisung eine geeignete Maßnahme zur Verhaltensänderung sein. Fehlen dem Mitarbeiter hingegen Kompetenzen (Nicht-Können), dann ist eine Unterweisung in der Regel nicht geeignet. Vielmehr ist in diesem Fall zu überprüfen, ob das fehlende Können durch entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen erlangt werden kann.

Manchmal neigen Führungskräfte dazu, ausschließlich ein Nicht-Wollen von Mitarbeitern für risikoreiches Verhalten verantwortlich zu machen. Dieses Modell macht deutlich, dass risikoreiches Verhalten aber nur eine Ursache ist.

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Der persönliche Nutzen

Die Kategorien Wissen und Können, Dürfen und Wollen finden eine Ergänzung in der Frage:

"Welchen Nutzen hat der Mitarbeiter durch das gezeigte Verhalten?"

Jeder Beschäftigte trifft seine Entscheidung und zeigt ein Verhalten, das für ihn subjektiv richtig ist. Statt einem angenommenen "Fehl"-Verhalten eröffnet die Suche nach dem subjektiv Nützlichen und "Richtigen" ganz neue Möglichkeiten, sich das Verhalten eins Mitarbeiters zu erklären.

Diese Sichtweise auszuprobieren ist schwierig und erfordert erneut einen Perspektivenwechsel (vgl. Das Mehrbrillenmodell weiter oben). Der Grund kann in der Auflösung der Normen von „Richtig“ und von „Falsch“ liegen. Die Auflösung der Normen führt bei uns allen zu Unsicherheit und löst erst einmal Abwehrverhalten aus.Lässt man sich auf die Denkweise ein, gewinnt man dafür aber neue Einblicke.

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6 Verhaltensarten der Mitarbeiter erkennen

Die Verhaltenspsychologie unterscheidet vier grundsätzliche Verhaltensarten:

• Bewusstes Handeln

• Gewohnheiten

• Automatismen

• Reflexe

Welche dieser Verhaltensarten nimmt in unserem Verhalten den größten Umfang ein?

Verhaltensart Beeinflussbarkeit Handlungsanteil

Bewusste Handlungen ++ 15%

Gewohnheitsmäßige

Handlungen+ 55 %

Automatismen +/-

Reflexe -- 30 %

Sehr schwierig beeinflussbar sind Automatismen und Reflexe; hier muss der auslösende Reiz beseitigt werden. So können auch Automatismen beeinflusst werden, wenn auch schwierig - indem Stimulus-Response-Verknüpfungen aufgelöst werden. Bspw.: bestimmte Medikamente werden in einem gesonderten Schrank aufbewahrt, so dass Verwechslungen möglichst ausgeschlossen werden, da automatische Verhaltensprozesse unterbrochen werden und auf eine Ebene des bewussten Verhaltens gehoben werden.

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Schwierig ist, ein gewohntes Verhalten zu verändern – dieses ist zur Gewohnheit geworden, weil es nützlich war und richtig, es hat Erfolg gezeigt und wird tendenziell beibehalten. Die Sozialpsychologie (seit Kurt Lewin) spricht davon, diese „festgefrorene Situation“ aufzutauen, den anderen für das Neue zu „erwärmen“. Wenn dann eine Änderung eingetreten sein sollte, ist das Bestreben ein „Refreezing“: das neue Verhalten zur neuen Gewohnheit werden zu lassen.

Vermeintlich leichter ist bewusstes Verhalten zu beeinflussen, da hier zumeist ohnehin ein Prozess des Abwägens und Herantastens dem Tun voran geht. Diesen Prozess des „bewusst werden“ kann die Führungskraft unterstützen, indem sie als Diskussionspartner zur Verfügung steht und so das Verhalten des Mitarbeiters mit prägt. An dieser Stelle ist auch die reine Wissensvermittlung sehr sinnvoll und effizient, beispielsweise bei einer Erstunterweisung, wenn sich der Mitarbeiter ohnehin noch vorsichtig und bewusst mit der neuen Maschine oder dem neuen Arbeitsverfahren auseinander setzt.

Es zeigt sich also, dass zu einer guten Führung gehört: die konkrete Situation beachten und den Grad der Beeinflussbarkeit. Wir nennen dies "situativ" führen.

Im ersten Schritt ist es wenig relevant, welchen Mitarbeiter die Führungskraft vor sich hat. Wichtig ist, zu unterscheiden und zu erkennen, wie "automatisch" ein Verhalten ist. Danach muss sie die Ansprache und Argumentation wählen.

Im zweiten Schritt soll nun ein Modell der "situativen Führung" eingeführt werden, das auch die subjektive "Reife" des Mitarbeiters berücksichtigt.

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7 Mitarbeiter- und aufgabenbezogen führen

Während einige Mitarbeiter schon bei der ersten Einweisung eine Verrichtung unreflektiert – quasi nach Vorschrift – ausführen, führen andere ihre Tätigkeit "bewusster" aus. Beobachtet die Führungskraft ein solches Verhalten, muss sie also ihre Reaktion darauf entsprechend anpassen.

Im ersten Fall erfordert die Arbeitsweise des Mitarbeiters "Schritt für Schritt" gemäß der Anweisung vielleicht eine noch weitere Detaillierung; Risiken müssen explizit genannt und jeder Handgriff geprüft werden.

Im zweiten Fall bietet sich ein Feedbackgespräch an, in dem partnerschaftlich die gegebenen Anweisungen nachbesprochen werden und ggf. gemeinsam Detaillierungen vorgenommen werden.

Im ersten Fall sprechen die Arbeitspsychologen Hersey und Blanchard von "Telling" ("erzähl es mir"), im zweiten von "Participating" ("beteilige mich").

7.1 Zu Situativen Führungsmodellen

Situative Führungsmodelle gehen vor allem auf die Arbeiten von Reddin, Fiedler sowie Hersey und Blanchard (1969, 1977, bzw. Blanchard 1985) zurück.

Hersey und Blanchard unterscheiden die Führungsstile: Unterweisen bzw. Anweisen („Telling“),Verkaufen („Selling“),Beteiligen („Participating“) undDelegieren („Delegating“).

Situative Führung geht davon aus, dass eine konkrete Situation im Arbeitsprozess primär durch die beiden Merkmale: Sachaufgabe und Mitarbeiterbezug bestimmt wird. Entscheidend für eine Führungskraft ist, zu erkennen, welcher Faktor gerade Vorfahrt hat; steht die Sache im Vordergrund oder geht es gerade um das soziale Miteinander?

Je nach Schwerpunkt ergibt sich vereinfacht eine 4-Felder-Matrix:

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Je nach Situation oder Aufgabe lässt sich als Führungskraft unterschiedlich agieren:

M – / A +

Das soziale Miteinander ist gerade nicht zentral, es geht um die Sache: Die Führungskraft kann autoritär (qua ihrer Funktion) entscheiden und anordnen.

M + / A –

Das soziale Miteinander ist in den Vordergrund getreten; eine wenig an der Sachaufgabe orientierte Anforderung (vielleicht das Zuteilen der Wochenenddienste) fordert die Führungskraft als (karitativen) Kümmerer, Schlichter oder väterlicher/mütterlicher Zuwender.

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M + / A +

Die Situation hat einen stark aufgabenbezogenen Charakter, die Beziehungsaspekte sind aber ebenfalls wichtig. Ohne sie wird es keine Lösung geben. Der geeignete Stil in solchen Fällen ist der (partizipative) Einbezug aller, zumindest der "starken" Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die Führungskraft wird zum Moderator.

M – / A –

Die Aufgabe ist wenig anspruchsvoll und die Mitarbeiter wenig persönlich involviert. In diesen Fällen kann die Führungskraft unsichtbar bleiben und tendenziell die Sache laufen lassen (laissez-faire). Das Risiko eines sachlichen Fehlers oder sozialen Konfliktes sollte allerdings tatsächlich gering sein. Die häufig gemachte Fehleinschätzung führt sofort zu M+ / A – oder M – / A+.

Das Ausmaß der Mitarbeiter - bzw. Aufgabenorientierung wird in der Situation reguliert. Als Situationsvariable wird die Fähigkeit der Mitarbeiter bezüglich der zu realisierenden Aufgabe, d.h. das Maß an Fachwissen, Fertigkeiten und Erfahrung sowie die Bereitschaft bzw. Motivation zur Aufgabenrealisierung einbezogen. Diese Situationsvariablen werden im so genannten Reifegrad der Mitarbeiter zusammen-gefasst. Ausgehend vom Reifegrad der Mitarbeiter wird der tatsächlich geeignete Führungsstil bestimmt.

Es ergibt sich somit folgende Grafik, in der die Variablen „Aufgabe- vs. Mitarbeiterbezug“ sowie der „Reifegrad“ des Mitarbeiters in eins gebracht werden:

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Generell ist nach Hersey und Blanchard bei geringer Fähigkeit und Motivation bezüglich der zu lösenden Aufgabe die Wahl eines stark aufgabenbezogenen Führungsstils angezeigt - Unterweisungen sind das entsprechende Mittel zur Umsetzung. Bei hoher Kompetenz der Mitarbeiter und entsprechender Motivation wird die Wahl eines delegierenden Führungsstils als effizient empfohlen. Die Führungskräfte sollen durch Training in die Lage versetzt werden, die Situation einzuschätzen und den geeigneten Stil auszuwählen. Das Arbeitsergebnis des Mitarbeiters ist entsprechend auszuwerten.

In Abhängigkeit des Ergebnisses ist das eigene Führungsverhalten zu modifizieren: Wird die Aufgabe über die Erwartungen hinaus gut bewältigt, so soll bei einer ähnlichen Aufgabe künftig ein Stil gewählt werden, der den Mitarbeitern mehr Partizipations-möglichkeiten und Freiräume gibt; bei Misserfolgen oder unzureichenden Ergebnissen wird eine Rücknahme der Partizipation und eine stärkere Kontrolle und ggf. Unterweisung für sinnvoll erachtet.

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7.2 Beispiele für die vier Typen von Führung

Unterweisen (telling)

MA anweisen oder unterweisen ist dann angezeigt, wenn es sich um stark aufgabenbezogene Anforderungen handelt; es geht hier um Dinge, die „einfach gemacht“ werden müssen. Der Entwicklungsstand/ Reifegrad der MA scheint hier weniger wichtigIn diesen Situationen ist der Führungsstil autoritär.

Was tut ein Vorgesetzter, der stark aufgabenbezogen, wenig mitarbeiterbezogen führt? Er oder sie:

• formuliert klare Aufträge

• setzt Ziele und legt die Rollenverteilung fest

• entwickelt Aktionspläne zur Problemlösung

• kontrolliert die Entscheidung darüber, wer was wann und mit wem tut

• gibt genaue Anweisungen

• ist verantwortlich für Problemlösungen und Entscheidungen

• gibt Lösungen und Entscheidungen vor

• kontrolliert und bewertet die Arbeit des Mitarbeiters

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Verkaufen (selling)

Mitarbeitern etwas zu verkaufen, ihnen etwas schmackhaft zu machen ist angezeigt, wenn es sich (noch) um eine stark an der Aufgabe bezogene Anforderung an ihn oder sie handelt und seine Kompetenzen zur Durchführung wichtig sind (stark mitarbeiter-bezogene Aufgaben). Also klar umrissene Aufgaben, die nur gute und motivierte MA bewältigen.Eine solche Führung wird oft karitativ genannt.

Was tut ein Vorgesetzter, der stark aufgabenbezogen, stark mitarbeiterbezogen führt? Er oder sie

• erkennt Probleme

• setzt Ziele

• entwickelt einen Aktionsplan zur Problemlösung und bespricht ihn dann mit dem Mitarbeiter

• erklärt dem Mitarbeiter seine Vorstellungen und fragt nach dessen Ideen; kommuniziert verstärkt mit seinem Mitarbeiter

• trifft - ausgehend von den Ideen des Mitarbeiters - eine entgültige Entscheidung über die Lösung und das Vorgehen

• steuert weiterhin die Arbeit des Mitarbeiters

• bewertet die Tätigkeit des Mitarbeiters

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Partizipieren (participating)

Mit recht weit entwickelten MA kann vom Verkaufen zum Partizipieren übergegangen werden; Partizipieren meint, den Mitarbeitenden schon in die Zielfindung und Planung, auf jeden Fall aber in die konkrete Umsetzung einzubeziehen und ihn als Partner ernst zu nehmen.Eine solche Führung heißt meist auch kooperativ oder partizipativ.

Was tut ein Vorgesetzter, der stark mitarbeiterbezogen, wenig aufgabenbezogen führt? Er oder sie:

• bezieht den Mitarbeiter in den Prozess der Problemdefinition und der Zielsetzung mit ein

• ermutigt den Mitarbeiter, Vorschläge zu machen

• bietet Bestätigung, Unterstützung, Hilfe, Anregungen und Ideen

• teilt die Verantwortung für Problemlösungen und Entscheidungen mit dem Mitarbeiter

• hört sich die Problemlösung und Entscheidung seines Mitarbeiters an und fördert sie

• bewertet die Arbeit des Mitarbeiters gemeinsam

• macht dem Mitarbeiter Mut

• klärt Konflikte

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Delegieren (delegating)

Der hier so genannte „Reifegrad“ des MA ist quasi generalisiert auf höchstem Niveau angelangt. Hier ist dann weder der Bezug zu einer konkreten Aufgabe noch eine sorgsame Beachtung der sozialen Anforderungen dieser Situation wichtig. Einzig entscheidend für die Anwendung der Delegation ist die (generelle) Kompetenz des MA, sprich: die generelle Fähigkeit, sich um Arbeits- und Gesundheitsschutz zu kümmern.Eine solche Führung kann zum Laissez-faire abdriften.

Was tut ein Vorgesetzter, der wenig mitarbeiterbezogen, wenig aufgabenbezogen führt? Er oder sie:

• definiert Probleme gemeinsam mit dem Mitarbeiter

• lässt den Mitarbeiter selbstständig einen Aktionsplan entwickeln

• überlässt Kontrolle, Entscheidung und Vorgehen dem Mitarbeiter

• überprüft nur sporadisch die Leistung des Mitarbeiters

• akzeptiert die Entscheidungen des Mitarbeiters

• lässt den Mitarbeiter seine Arbeit selbst bewerten

• überträgt Verantwortung an den Mitarbeiter

• sorgt für eine guten Informationsfluss

• entwickelt für die Tätigkeit entsprechende Anreize; regelt Störungen; fungiert als Puffer

• fördert Teamgeist

• trainiert Mitarbeiter

• lässt sich über die Ergebnisse vom Mitarbeiter berichten

Die wichtigsten Einwände und Kritikpunkte gegenüber den situativen Ansätzen sind:

- normativer Charakter der Modelle

- mangelhafte empirische Überprüfung (bis auf Fiedler)

- abstrakte Begriffe (keine messbaren Faktoren zugeordnet)

- Unschärfen in den Definitionen und Zuordnungen

- Reduktion der Situationsfaktoren auf wenige Kriterien

- Überschätzung der Flexibilität des Verhaltens von Führungskräften

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Gruppenarbeit: "Anwenden der situativen Führung"Arbeitsauftrag für eine selbst gewähltes Beispiel

1. Jemand aus Ihrer Gruppe schildert ein Thema, das er während des Erfahrungsaustausches am ersten Tag als „Hilfethema“ eingebracht hat. Geben Sie möglichst genau die Situation wieder, damit sich die Arbeitsgruppe ein Bild sowohl von der Situation, als auch den beteiligten Mitarbeitern machen kann.

2. Bestimmen Sie den Aufgaben- und Mitarbeiterbezug im geschilderten Problemfall. Verorten Sie (damit) gemeinsam das Problem in der 4-Felder-Matrix nach Hersey & Blanchard. Welcher Führungsstil wäre situationsgerecht? Beschreiben Sie ihn kurz anhand der konkreten Rollensituation ("Ein karitativer Stil sieht hier vor, dass ...").

3. Bestimmen Sie den "Reifegrad" der beteiligten Mitarbeiter; begründen Sie dies durch eine Auflistung der erforderlichen Qualifikationen und der geschätzten Leistungsfähigkeit (bspw.: PC-Kenntnisse / Dokumentationssoftware: schwach; Kommunikationsfähigkeit / mündlicher Ausdruck: sehr gut; etc. pp.).

4. Überprüfen Sie die Passung von Reifegrad der beteiligten Mitarbeiter zum praktizierten Führungsstil. Stimmen reifegrad und Führungsstil gemäß des Modellsüberein?

a) Ja: Beschreiben Sie die nächsten Schritte der Führungskraft.Wie kann die weitere Reife des Mitarbeiters erreicht werden?

b) Nein: Welche Maßnahmen treffen Sie, um die Diskrepanz "erforderlicher Führungsstil" vs. "Reifegrad des Mitarbeiters" zu verringern?

i) Änderungen an der Aufgabe / Situation

ii) Änderung / Entwicklung des Mitarbeiters

5. Welche Unterstützung brauchen Sie als Führungskraft, um die festgestellten Änderungen und Entwicklungen bewältigen zu können?

Bereiten Sie eine kurze Präsentation vor.

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Gruppenarbeit: "Anwenden der situativen Führung"

Arbeitsauftrag für die Bearbeitung des Fallbeispiels:

Bitte lesen Sie sorgfältig das Fallbeispiel auf dem nächsten Blatt (Prävention von Rückenerkrankungen); bearbeiten Sie nachfolgende Fragen:

1. Bestimmen Sie den Aufgaben- und Mitarbeiterbezug in 4 der geschilderten Fälle:

a) Situation auf Station 23

b) Situation auf Station 12

c) Situation der Arbeitskleidung / Schuhe

d) Situation der "Bewegungen" / Leben leichter machen"

e) Situation der baulich-technischen Mängel

f) Situation der kleinen / großen Hebehilfen

2. Verorten Sie für 2 dieser Fälle das Problem in der 4-Felder-Matrix nach Hersey und Blanchard. Welcher Führungsstil wäre situationsgerecht? Beschreiben Sie ihn kurz anhand der konkreten Rollensituation ("Ein karitativer Stil sieht hier vor, dass ...").

3. Bestimmen Sie den "Reifegrad" des Mitarbeiters; begründen Sie dies durch eine Auflistung der erforderlichen Qualifikationen und der geschätzten Leistungsfähigkeit (bspw.: PC-Kenntnisse / Dokumentationssoftware: schwach; Kommunikationsfähigkeit / mündlicher Ausdruck: sehr gut; etc. pp.).

4. Ist der Reifegrad des Mitarbeiters dem Modell gerecht?

g) Ja: Beschreiben Sie die nächsten Schritte der Führungskraft.Wie kann die weitere Reife des Mitarbeiters erreicht werden?

h) Nein: Welche Maßnahmen treffen Sie, um die Diskrepanz "erforderlicher Führungsstil" vs. "Reifegrad des Mitarbeiters" zu verringern?

i) Änderungen an der Aufgabe / Situation

ii) Änderung / Entwicklung des Mitarbeiters

5. Welche Unterstützung brauchen Sie als Führungskraft, um die festgestellten Änderungen und Entwicklungen bewältigen zu können?

Bereiten Sie eine Präsentation Ihrer Ergebnisse vor.

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Fallbeispiel: "Prävention von Wirbelsäulenerkrankungen"Fallbeschreibung

Durch eine Analyse der Arbeitsunfähigkeitstage (AU) der DAK für das Krankenhaus St. Hardi wurde festgestellt, dass die meisten Krankheitstage auf Rückenbeschwerden / Erkrankungen zurückzuführen sind. In einer Mitarbeiterbefragung wurde über hohe Arbeitsbelastungen geklagt. Die Problematik soll nun im Arbeitsausschuss (ASA) diskutiert werden. Aufgrund der Thematik sind die PDL, alle Stationsleiterinnen und der Leiter der Physiotherapie eingeladen.

Ein SiB erläutert, dass die Situation auf Station 23 besonders kritisch ist. Dort sei kein Lifter vorhanden, aber aufgrund der sehr pflegeintensiven Patienten dringend erforderlich.

Der Personalleiter als Vertreter des Arbeitgebers im ASA erwidert, dass Personallifter sehr teuer sind und sowieso nicht benutzt werden, was er an einem Beispiel belegt: Für Station 12 wurde vor 2 Jahren ein Lifter angeschafft, weil auch dort über hohe Rückenbelastungen geklagt wurde. Seitdem steht der Lifter in der Ecke und wird nicht genutzt. "Und dafür sind die Dinger einfach zu teuer".

Ein Vertreter der MAV meint dazu: "Ich habe in Erinnerung, dass dieser Lifter ohne Rücksprache mit der Station vom Einkauf beschafft wurde und bei der Bestellung und Einführung wohl einige Fehler gemacht wurden".

Ein anderer SiB ergänzt, dass die Rückenbelastungen nicht allein auf fehlende Lifter zurückzuführen seien, sondern auch auf die ungeeignete Arbeitskleidung einiger Arbeitskräfte, was die Arbeitsschuhe einschließt.

Zudem wüssten wohl viele Mitarbeiter gar nicht, wie man sich beim Bewegen von Patienten das Leben leichter machen kann. Hier mangele es offensichtlich an Informationen und Schulung, insbesondere bei neuen Kolleginnen und Kollegen.

Der ASA beschließt, dass die SiB mit dem SiFa zusammen eine Analyse baulich-technischer Mängel (inkl. kleine und große Hebehilfen) durchführen. Die PDL und ihre Stationsleiterinnen sollen ein erstes Konzept vorlegen, wie durch gezielte Ansprache der Führungskräfte die Situation für die Pflege verbessert werden kann.

Die nächste ASA-Sitzung ist in genau 6 Wochen.

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8 Methoden zur interaktiven Gestaltung von Workshops oder Meetings

Für die Durchführung eines offenen Workshops als auch für eine normale Problembearbeitung im Team werden folgende Problemlösetechniken vorgeschlagen:

1. Thomann-Schema

2. Wurzelmethode

3. Vogt'scher Kreisel

Ad 1 Das Thomann-Schema

Wozu dient es?

Das Thomann-Schema eignet sich, um Menschen in Problemsituationen bei einer persönlichen Klärung der Situation, ihrer Gefühle und der Lösungssuche zu helfen. Es lässt sich bei Einzelpersonen (z.B. im Coaching, Einzelarbeit im Seminar) sowie bei Gruppen anwenden.

Die Teilnehmer sollen sich eine Problemsituation überlegen, in der sie nicht weiterwissen. Sie sollen nun die vier Felder des Thomann-Schemas für sich ausfüllen. In dem ersten Feld wird von ihnen der situative Kontext ihres Problems abgebildet:

Wer sind die beteiligten Personen?

Wer interagiert wie mit wem?

Wo entsteht der Konflikt?

Auf wen überträgt er sich? usw.

In dem zweiten Feld beschreiben die Personen eine konkrete Situation, in der der Konflikt besonders ausgedrückt wird:

Wie hat sich die Situation entwickelt?

Gab es eine konkrete Aussage einer Person – wie lautet diese?

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In dem dritten Feld sind die Personen aufgefordert ihre emotionale Reaktion auf diese Situation zu schildern. Es ist gut möglich, dass hier sehr widersprüchliche, teilweise auch unklare Gefühle ausgedrückt werden. Deshalb ist es hier auch häufig notwendig, zur Klärung der eigenen inneren Haltung des Konfliktträgers, als Moderator/Trainer zu intervenieren.

Diese Stufe ist sehr wichtig und wesentlich für den gesamten Problemlösungsprozess. Denn wenn ich mir meiner Gefühle, Stimmungen, Reaktionen usw. bezüglich einer Konfliktsituation einigermaßen bewußt bin, kann ich viel zielgerichteter und wirkungsvoller über Lösungsansätze nachdenken.

Im vierten Feld sollen die Teilnehmer ihr eigenes Anliegen formulieren.

Hier ist die Phase, in der am meisten Aufmerksamkeit des Trainers/Moderators erwartet wird. Um das Anliegen einer Person zu präzisieren, gibt es unzählige Vorgehensweisen. Wie eindeutig und wie zielorientiert dieses Anliegen formuliert werden kann, hängt von der Qualität der Klärung in den ersten drei Feldern des Thomann-Schemas ab.

a

f

c

d e

ich

Überforderung Enttäuschung Wut, Ärger

Konkrete Situation:d & e sind sich über dieQualität ihrer Arbeit nicht einig. e erwartet von mir Vorgaben. dbeschwert sich über cbei mir.

Mein Anliegen:Ich will Konflikte mit Kollegen direkt und offensiv angehen!

MeineGefühle:

Situativer Kontext:

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Hinweise für die Praxis

4. Achten Sie darauf, dass das Anliegen deutlich und verständlich in einem Satz formuliert wird.

5. Sie können die Felder im Thomann-Schema auch vorwiegend bildlich gestalten lassen. Besonders geeignet ist dafür das Feld 3. Sie können die Gruppe versuchen lassen etwas über die Emotionen der betreffenden Person herauszulesen.

6. Das Thomann-Schema bietet viele Möglichkeiten die gesamte Gruppe in den Problemlösungsprozess einer Einzelperson einzubinden. Hier sollen nur vier Möglichkeiten skizziert werden:

Ø Aufstellen der Beteiligten in einem Soziogramm ähnlich einer Familienaufstellung (systemisches Arbeiten), um die Funktionen und Gefühle Einzelner in dieser Konstellation transparenter und die Dynamik des Systems erlebbar zu machen.

Ø Sammeln von Assoziationen aller Teilnehmenden in Folge der Schilderung der konkreten Situation. Dies ermöglicht manchmal eine Umbewertung oder eine befreiende Neudefinition der verfahrenen Situation, und erleichtert der betroffenen Person sich neu zu positionieren.

Ø Nachstellen der oft widersprüchlichen Gefühlsanteile der Betroffenen in einem Rollenspiel, um den inneren Dialog einmal aus der Distanz betrachten zu können. Dies ermöglicht häufig mehr Bewusstheit über diese Spannungen bis hin zu einer Klärung innerer Konflikte oder ambivalenter Haltungen in Form einer Entscheidung.

Ø Gemeinsame Suche nach Lösungen für das Anliegen der betroffenen Person in Form von Brainstorming oder anderen Problemlösungsverfahren.

7. Häufig nutze ich das Thomann-Schema, um zu Beginn eines Seminars die Kernfragen bzw. -probleme aller Teilnehmer zu sammeln. Wie in einer Galerie werden die einzelnen Schemata nebeneinander aufgehängt und einzeln kurz diskutiert, so dass ein Überblick über die Themen des Seminars entsteht. Die einzelnen Problemfelder werden dann nacheinander in der Gruppe bearbeitet.

8. Bei meiner Arbeit mit dem Thomann-Schema bin ich häufig auf Grundthemen menschlicher Interaktion gestoßen. Insbesondere bei der Bearbeitung des dritten Feldes im Thomann-Schema stellen mir Seminarteilnehmer Fragen, wie sie Probleme mit anderen Menschen grundsätzlich angehen können. Häufig sind diese Fragen mit dem Wunsch verbunden: „Sag mir, wie kann ich erreichen, dass sich die andere Person ändert?“

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Für viele ist es hilfreich die von mir weiter unten aufgestellten 10 Gebote gezeigt zu bekommen. Sie können dazu dienen, einige dieser Fragen und Vorstellungen selbst zu klären.

Die zehn Gebote des Thomann-Schema

1. Du kannst die andere Person nicht ändern.

2. Du kannst Dein Verhalten, Deine Einstellungen, Deine Gefühle, Deine Erwartungen, Deine Muster erkennen und verändern.

3. Du solltest Deine emotionale Situation vorher genau klären, wenn Du etwas ändern willst.

4. Du solltest Dir Deiner eigenen Anteile im Konflikt bewußt sein.

5. Du solltest Dein Anliegen möglichst präzise formulieren.

6. Du solltest die Situation mindestens einmal aus der Perspektive der/des anderen versuchen zu betrachten.

7. Du solltest die Konsequenzen Deines Handelns bedenken.

8. Du hast für Dein Handeln oder Nicht-Handeln die Verantwortung zu tragen.

9. Jetzt musst Du tatsächlich handeln – gehe in kleinen Schritten.

10.Du solltest bei all dem authentisch bleiben.

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Ad 2 „Wurzel ziehen“

Eine effektive Methode zur analytischen Problembearbeitung stellt die Wurzelmethode dar. 7 Schritte definieren den Prozess.

Die Arbeitsschritte im Einzelnen:

1. Thema kurz und präzise formulieren.

2. Ist-Situation. Kurzbeschreibung der Phänomene, die als unbefriedigend erlebt werden.

3. Soll. Kurzbeschreibung des angestrebten Zustands.

4. Ursachen. Gründe für die Abweichung zwischen Ist und Soll herausarbeiten; Eigen-und Fremdanteile am Problem verdeutlichen.

5. Ursachen bewerten. Welche Ursachen sind besonders für das Problem verantwortlich?

6. Lösungsalternativen entwickeln. Mögliche Optionen entwerfen.

7. Lösungen bewerten. Welche Lösung eignet sich am besten? (Kriterien zur Überprüfung der Lösungsalternativen vorher entwickeln, z.B. Umsetzungsaufwand, Kosten ...).

8. Maßnahmenplan festlegen.

Hinweis für Dozenten: Die Schritte der Methode den Teilnehmern kurz präsentieren; danach ist eine Gruppe gut vorbereitet, das Problem eigenständig zu lösen.Zeitansatz: min. 90 Min. (ca. 12 Min./Schritt), bei komplexen Themen bis zu 120 Min.

2. Soll

1. Ist

3. Ursachen Ist

4. Bewertung Ursachen

7. Vorgehensweise Maßnahmen

6. Bewertung Lösungsideen

5. Lösungsideen

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Ad 3 Vogt'scher Kreisel

Diese Methode ist mit einem Beispiel sehr gut beschrieben in RGM1: Gesundheitsworkshop in Kleinbetrieben (Eigenverlag des BGW).

Die Grundidee des Kreiseldiagramms ist die detaillierte Darstellung einer sehr konkreten Problemlage.

Dazu werden zuerst Detailaspekte des zu analysierenden Problems um dieses herum postiert. Leitfragen können hier sein: "Wann tritt das Problem auf? Wie oft? In welchem Kontext?"

In einem weiteren konzentrischen Kreis werden dann für jeden Problemaspekt die jeweiligen Ursachen gesucht. Im äußeren Kreis stehen dann die einzelnen Maßnahmen dazu.

Beispiel

Keine Genehmigung für Kinästhetikausbildung einer Mitarbeiterin

wo genau wann Ursachen

Leitungs-konferenz

jährlich, wenn FoBi-Plan des BBF

Kein Sperrvermerk in den Verträgen

Plan geht nicht vorher zum GF als TOP für die Konferenz

Unklar, welche Mitarbeiterin

Kosten sehr hoch

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Fragen des Abschlussblitzlichtes

„Was war neu für mich?“

„Was nehme ich mir für die Zeit nach dem Seminar vor?“

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Literaturverzeichnis

Hartmut O. Genz und Ulla Vogt-Akpetou (2001): Gesundheitszirkel in Kleinbetrieben, ersch. als Ratgeber Gesundheits- und Mobilitätsmanagement der BGW

Hartmut O. Genz (2005) Unternehmensleitbild, ersch. als Ratgeber Gesundheits- und Mobilitätsmanagement der BGW

Exner, Alexander: Systemische Intervention. Architekturen und Designs für Berater und Veränderungsmanager, Klett Cotta Verlag.

Antonovsky, Aaron. Was hält den Menschen gesund? (zu beziehen über www.bzga.de)

Tietze, K.-O. (2003). Kollegiale Beratung. Problemlösungen gemeinsam entwickeln. Rowohlt: Hamburg.

Siehe auch: www.kollegiale-beratung.de

R. Lang, Onlinekurs Führungstheorie, TU Chemnitz

Zapf, D. (1999). Psychische Belastung in der Arbeitswelt. In U. Nickel & R. Reiter-Mollenhauer (Hrsg.). Psychische Belastungen in der Arbeitswelt. Theoretische und praktische Modelle. Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW.

Stadler, P., Strobel, G. & Graf Hoyos, C. (2000). Psychische Belastung von Mitarbeitern – die Rolle des Führungsverhaltens, In: Ergomed 2000, 24: 136-142.

Schmidt, K. H. (1996). Wahrgenommenes Vorgesetztenverhalten, Fehlzeiten und Fluktuation. Zeitschrift für A- und O-Psychologie, 40.

Werkzeugkasten interaktiv, Hrsg. von traintool consult, München 2009

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Autor

Dipl. Soz. Hartmut O. Genz

Beratung - Training - EvaluationHospitalstraße 6722767 [email protected]

zuerst erschienen als

Seminar UM 2 „Gesund und sicher Führen - Chancen für die Führungskraft“der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege – BGWHauptverwaltung, „Schulungsreferat“Pappelallee 35-3722089 Hamburg

Redaktion

BGW und H. O. Genz