24
Stab Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt, Januar 2019 Arbeitsmarktintegration von Frauen mit Fluchterfahrung: Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis

Arbeitsmarktintegration von Frauen mit Fluchterfahrung ... · Stab Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt, Januar 2019 . Arbeitsmarktintegration von Frauen mit Fluchterfahrung:

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Stab Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt, Januar 2019

Arbeitsmarktintegration von Frauen mit Fluchterfahrung: Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis

Impressum Arbeitsmarktintegration von Frauen mit Fluchterfahrung: Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis Januar 2019 Bundesagentur für Arbeit Stab Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt Regensburger Straße 104 90478 Nürnberg E-Mail: [email protected]

Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit 3

Stab Chancengleichheit am Arbeitsmarkt, Januar 2019 Arbeitsmarktintegration von Frauen mit Fluchterfahrung: Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ............................................................................................. 4

1 Erfolgsgeschichten ................................................................ 5

1.1 Arbeitsagentur Marburg geht mit gutem Beispiel voran und sichert sich Nachwuchs ............................................................ 5

1.2 Zielstrebig in die Zukunft ........................................................... 7

1.3 Eine Hotelfachfrau mit einem Ziel ............................................. 9

1.4 Ausbildung in Teilzeit als Chance ........................................... 11

1.5 Vom Talentsucher entdeckt .................................................... 13

1.6 Stark im Beruf - Die Erfolgsgeschichte von Laila Chebbi ........ 15

1.7. Existenzsichernde Beschäftigung gelungen ............................ 17

1.8. Eine Frau, die es geschafft hat ............................................... 18

1.9. Neustart im öffentlichen Dienst ............................................... 19

2 Gute Ansätze aus der Praxis ................................................ 20

2.1 Frühzeitige Aktivierung / Coaching ......................................... 20

2.2 Empowerment ........................................................................ 21

2.3 Informationsdefiziten entgegenwirken ..................................... 22

2.4 Netzwerke nutzen ................................................................... 23

2.5 Ressourcen fördern ................................................................ 24

4 Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit

Vorwort Der Frauenanteil bei den Asylanträgen stieg in den vergangenen Jahren kontinuierlich an. Es ist fester Wunsch vieler Frauen mit Fluchterfahrung, eine Berufstätigkeit auszuüben. Die gestiegene Aufmerksamkeit für diese Personengruppe ist eine Chance, die Teilhabe Geflüchteter am Arbeitsmarkt nun stärker aus einer geschlechterdifferenzierten Perspektive zu betrachten, sichtbar zu machen und praxisnahe Handlungsansätze zu geben. Ein Grund für uns Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt (BCA), genauer hinzuschauen, welche Arbeitsmarktinstrumente und Programme die Lebenslagen und Bedarfe dieser Frauen gut berücksichtigen. Genau das haben wir im Rahmen eines Workshops zum Thema „Integration von Frauen mit Fluchterfahrung“ gemeinsam mit den BCA der Regionaldirektionen und weiteren Fachexpertinnen und Fachexperten aus der Zentrale gemacht. Unter Einbeziehung der Expertise aller Beteiligten sind Handlungsempfehlungen für eine erfolgreiche Arbeitsmarktförderung von Frauen mit Fluchterfahrung entstanden, die sowohl interne Fachbereiche als auch externe Partnerinnen und Partner zum Handeln anregen. Dank der Unterstützung der BCA haben wir eine Auswahl guter Ansätze für eine gelungene Arbeitsmarktförderung aus den Arbeitsagenturen und Jobcentern zusammengestellt, die bundesweit in andere Dienststellen übertragbar sind und Interesse zum Nachahmen wecken. Die Erfolgsgeschichten der Frauen in dieser Broschüre sollen dazu beitragen, Frauen mit Fluchterfahrung ein Gesicht zu geben und passgenaue Unterstützung für diese Zielgruppe zu befördern. Eine gleichberechtigte Teilhabe am Erwerbsleben ist Voraussetzung dafür, dass Integration in Deutschland gelingen kann. Erwerbsarbeit bedeutet nicht nur ein gesichertes Einkommen und wirtschaftliche Selbstbestimmung, sondern auch die Möglichkeit zur aktiven Teilhabe an der Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die Arbeits- und Fachkräfte dringend benötigt, kann auf die Potenziale von Frauen mit Fluchterfahrung nicht verzichten! Wir bedanken uns bei den BCA für die zur Verfügung gestellten Materialien, wie Fotos, Textbeiträge und Presseveröffentlichungen, die wir für die Broschüre entsprechend angepasst haben. Ihr Stab Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt

Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit 5

1 Erfolgsgeschichten 1.1 Arbeitsagentur Marburg geht mit

gutem Beispiel voran und sichert sich Nachwuchs

Junge Frau aus Syrien startet mit einer Einstiegsqualifizierung (EQ) durch. Ein Beispiel für gelebte Vielfalt ist die Einbindung einer jungen Frau, geflüchtet aus Syrien, in die Arbeitsabläufe der Marburger Arbeitsagentur: Rasha Essa, 31 Jahre, hat ihre berufliche Integration mit einer Einstiegsqualifizierung (EQ) bei der Agentur für Arbeit Marburg gestartet.

Ihre Perspektive: Sie möchte eine Ausbildung zur „Fachangestellten für Arbeitsmarktdienstleistungen“ bei der Arbeitsagentur machen. Zur Vorbereitung auf die Ausbildung - und weil ihre Deutschkenntnisse noch nicht ganz perfekt sind - macht sie zunächst eine Einstiegsqualifizierung (EQ) von sechs Monaten. Dies ermöglicht ihr, den Beruf intensiv kennenzulernen und ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Den vorausgegangenen Test beim Berufspsychologischen Service der Arbeitsagentur hat sie bestanden und eine positive Prognose bekommen. „Eine Einstiegsqualifizierung (EQ) auch geflüchteten Menschen zu unterbreiten, ist eine gute Entscheidung. Wir haben bei einheimischen Jugendlichen viele gute Erfahrungen mit betrieblichen Langzeitpraktika gemacht; und warum sollte das nicht auch bei jungen Migranten gelingen? Viele junge Menschen, Deutsche wie auch Ausländer, benötigen Unterstützung und eine individuelle Chance“, sagt Volker Breustedt, Leiter der Marburger Arbeitsagentur. Volker Breustedt und das Team der Marburger Arbeitsagentur hießen die Einsteigerin Rasha Essa ganz herzlich willkommen.

Rasha Essa (Foto: Andreas Schmidt)

6 Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit

Im vergangenen Oktober ist Rasha Essa aus Damaskus in Deutschland angekommen. Nach kurzem Aufenthalt in der Erstaufnahmeeinrichtung in Cappel ergab sich die Möglichkeit, ein Zimmer in einer privaten Wohnung zu mieten. Sie hat in ihrem Heimatland einen Schulabschluss gemacht, der mit dem deutschen Abitur vergleichbar ist. Sie hat in ihrer Heimat in Syrien ein Chemie-Studium absolviert, dazu im Vertriebsmarketing gearbeitet und Sprachunterricht in Englisch (für Landsleute) und Arabisch (für Ausländerinnen und Ausländer in Damaskus) gegeben. Nun ist sie die „Schülerin“ gewesen: Schon im ersten Sprachkurs in Marburg fiel sie den Lehrkräften auf, weil sie überdurchschnittliche Leistungen erbrachte. Rasha Essa ist verheiratet und wohnt in Marburg; ihr Mann lebt und arbeitet noch in Syrien. Deutsch spricht sie bereits sehr flüssig, und der Alltag in der EQ bestand in den letzten Monaten einerseits aus Sprachtraining (Aufbaukurs) vormittags in Frankfurt (beim Institut Inlingua) und andererseits aus hospitieren und fachlichem Lernen in der Arbeitsagentur Marburg am Nachmittag. Dort durchläuft die junge Syrerin die einzelnen Fachabteilungen, von der Antragsannahme bis hin zur Bewerberinnen- und Bewerberbetreuung und Betreuung von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern sowie Berufsberatung. Begleitet wird sie dabei jeweils von einer Team-Patin oder einem Team-Paten, die/der ihr situativ erklärend zur Seite steht und ihr den Weg in die berufliche Praxis erleichtert. „Für mich ist dieser Einstieg eine große Chance, mich in ein neues Leben hineinzufinden und in der deutschen Lebens- und Arbeitsgesellschaft anzukommen. Ich fühle mich hier gut angenommen, und ich bin auch stolz, diesen Start geschafft zu haben“, sagt Rasha Essa. Angeworben wurde die junge Frau aus Syrien vom Team des Arbeitsmarktbüros für Flüchtlinge in Marburg. Die Kolleginnen und Kollegen im Arbeitsmarktbüro und der Personalabteilung arbeiteten eng mit den Sprachlehrenden, dem Ausländeramt und den Sozialbetreuerinnen und -betreuern zusammen. Die hatten übrigens keinen Zweifel daran, dass Rasha Essa die EQ erfolgreich absolviert. Im Herbst 2016 hat Frau Essa mit der Ausbildung zur „Fachangestellten für Arbeitsmarktdienstleistungen“ starten können. Volker Breustedt betont: „Natürlich war es für uns, wie für alle Betriebe ein Wagnis, aber ich halte es damit wie Clint Eastwood: ‚Willst du Garantien, kauf dir einen Toaster [...]‘. Wir sind gemeinsam mit Frau Essa das Wagnis eingegangen und haben eine hoch engagierte Kollegin kennengelernt, sie wird ein Gewinn für unsere Mannschaft und für unsere Kunden sein. Das ist genau das, was wir allen anderen Arbeitgebern auch empfehlen: Lernt die Menschen erstmal kennen! Ich freue mich, dass die Bundesagentur mit gutem Beispiel vorangeht und zusätzliche Ausbildungsplätze für geflüchtete Menschen anbietet.“ Rasha Essa erhielt am 23. Januar 2019 die Zusage zur Übernahme in ein Angestelltenverhältnis bei der Bundesagentur für Arbeit.

Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit 7

1.2 Zielstrebig in die Zukunft Jobcenter Oberhausen unterstützt junge syrische Familie bei der beruflichen Integration.

„In Deutschland kann man Ziele, wenn man hart arbeitet, auch mit eigener Kraft erreichen“, so umschreibt Razan Alawad ihre Sicht auf die positivste Seite ihrer neuen Heimat.

Aufgewachsen in Aleppo floh die heute 28-jährige zunächst nach Damaskus, beendete dort ihr Pädagogikstudium und arbeitete für ein Jahr als Grundschullehrerin. Mit zunehmender Schärfe des Bürgerkrieges und der drohenden Einberufung des Ehemannes entschlossen sich beide gemeinsam 2014 zur Flucht und erreichten im Dezember 2015 Deutschland. Nach einem vier monatigen Aufenthalt in Mecklenburg-Vorpommern siedelten sie im April 2016 nach Oberhausen um, da sie hier schnell eine bezahlbare Wohnung fanden. Seitdem werden sie auch durch die Fachkräfte des Jobcenter Oberhausen im „Integration Point“ betreut.

„So schnell wie möglich sehr gut Deutsch lernen, hatte für uns oberste Priorität“, so Razan Alawad weiter, „denn die Sprache ist die Basis für die soziale und berufliche Integration.“ Konsequenterweise nahmen beide direkt nach dem Umzug nach Oberhausen an einem Integrationskurs teil, den sie trotz Unterbrechung durch die Geburt ihres Sohnes erfolgreich beendete. Nach weiteren Sprachkursen hat sie mittlerweile auch die C1 Prüfung erfolgreich bestanden und damit ein Niveau erreicht, das zum Studium in Deutschland berechtigt.

Razan Alawad (Quelle: Nattermann, Martina: Zielstrebig zu neuen Berufsperspekiven, in: NRZ 26.07.2018).

8 Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit

Parallel zum Spracherwerb rückte die Frage der beruflichen Zukunft immer stärker in den Fokus. Aufgrund ihres Studiums und der anschließenden Lehrtätigkeit in Syrien stand naheliegend die Frage im Raum, inwiefern eine Tätigkeit als Lehrerin realisierbar sei. Auch hierbei ging Razan Alawad zielgerichtet vor. So informierte sie sich durch mehrwöchige Hospitationen an einer Grundschule und an einem Berufskolleg über den deutschen Schulalltag. Da eine Tätigkeit als Lehrerin trotz der Anerkennung des syrischen Pädagogikexamens ein erneutes Studium in Deutschland mit anschließendem Referendariat erfordert hätte, dachte sie über mögliche Alternativen nach und fand durch die Vermittlung des Jobcenters Oberhausen eine: Seit dem 9. April 2018 ist sie in der Erwachsenenbildung tätig und sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Mit Razan Alawad freut sich auch Uwe Weinand, Geschäftsführer des Jobcenter Oberhausen, über die berufliche Integration: „Es ist schon toll zu erleben, mit welchem Elan sich diese junge Frau eine berufliche Perspektive geschaffen hat, zumal sie als junge Mutter jetzt auch die Familie und den Beruf vereinbaren muss – und dies ist kein Einzelfall“, so Uwe Weinand weiter. „Wir wissen um viele geflüchtete Menschen, die mittlerweile Beschäftigungen aufgenommen haben und ein selbstbestimmtes Leben in Deutschland führen und ich bin zuversichtlich, dass noch viele folgen werden, wie zum Beispiel auch der Ehemann von Razan Alawad, der sich aktuell noch in einer Umschulung zum KFZ-Mechatroniker befindet.“

Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit 9

1.3 Eine Hotelfachfrau mit einem Ziel Eine junge Iranerin, die mit 15 Jahren nach Deutschland floh und nach viel Leid positiv in ihre Zukunft blickt.

Dass es schmerzhaft wird, wusste sie. Am Ende war es weniger schlimm als erwartet. Pegah Shabanpour sitzt in einem Eiscafé in Frankfurt Höchst und schaut nachdenklich auf ihren linken Unterarm. Diesen ziert das Tattoo „Ahmad & Behjat". Es sind die Namen ihrer Großeltern. Das Tattoo steht für weit mehr, als für ein intimes Bekenntnis zu ihren Großeltern. Es zeigt: Pegah Shabanpour ist eine eigenständige und freie Frau. Sie musste lernen, Leid zu ertragen und das Beste aus ihrer Lebenssituation zu machen. Etwas Anderes blieb ihr auch nicht übrig. Mit 15 Jahren floh sie aus dem Iran und kam 2012 nach Deutschland.

„Das Leben hat mir bereits einige Aufgaben gestellt", resümiert die 21-jährige nachdenklich, um kurz darauf hinzuzufügen: „Sie haben mich aber auch weitergebracht." Es ist sicher auch ihre positive Lebenseinstellung, die es ihr leichter machte, in Deutschland anzukommen. Nachdem ihre Mutter sie aus dem Iran in die Türkei brachte, reiste sie ohne Familie weiter nach Deutschland. Dass ihr Onkel bereits in Deutschland lebte, beruhigte sie ein wenig auf dem Weg ins unbekannte Land. Ihren Onkel sollte sie allerdings erst sieben Monate nach der Ankunft in Gießen sehen. Zunächst besuchte sie sechs Monate lang einen Sprachkurs und schloss anschließend die Hauptschule erfolgreich ab. Schulisch sollte es für sie genauso erfolgreich weitergehen: Der Besuch der zweijährigen Berufsfachschule ermöglichte ihr den Realschulabschluss.

So rosig und einfach, wie es auf den ersten Blick aussehen mag, war es allerdings nicht. „Das erste Jahr war sehr schwer. Ein ganz neues Land, mit Menschen, die ich nicht verstand und einer Kultur, die mir ebenfalls fremd war", erklärt Shabanpour. Erste Freundschaften halfen ihr, die Sprachbarrieren zu überwinden.

Danach gefragt, woher sie ihre Kraft nimmt, wird sie erneut nachdenklich: „Meine Mutter hat mich hierher geschickt, damit ich ein besseres und freies Leben führen kann. Ich möchte sie stolz machen." Ihre Mutter hat sie das letzte Mal vor drei Jahren gesehen. Umso wichtiger sind ihr die regelmäßigen Telefonate, in denen sie „Mutter-Tochter-Gespräche" führen.

Über die Fluchtgründe möchte sie nicht sprechen: „Aus privaten Gründen", erklärt sie dann und schiebt nach: „Es ist doch besser in die Zukunft zu blicken und die Vergangenheit hinter sich zu lassen." Hinter sich lassen musste sie neben ihrer Familie auch den Iran, über den sie sagt: „Im Iran ist

Pegah Shabanpour (Foto: M. Scheffel, RD Hessen)

10 Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit

Gastfreundschaft sehr wichtig. Kommen drei Gäste, kocht man für zehn." Diese gastfreundliche Mentalität hilft ihr nun in ihrer Ausbildung zur Hotelfachfrau, die sie im März 2018 begonnen hat.

Ein abwechslungsreicher Beruf, der, wie sie findet, ganz gut zu ihr passt: „Im Büro sitzen ist so gar nicht meins." Vielmehr genießt sie den Umgang mit den Gästen. Zwischen ihrem Realschulabschluss und dem Beginn der Ausbildung lagen zwei Jahre - viel zu viel verschwendete Zeit, wie sie im Nachhinein findet. „Mir hat eine Bezugsperson gefehlt, die mir das deutsche System erklärt und mir Türen öffnet." Aus diesem Grund jobbte sie nach dem Realschulabschluss erst einmal und spielte mit dem Gedanken, Krankenschwester zu werden. Keine gute Idee, da sie kein Blut sehen könne. „Es gibt so viele Berufe in Deutschland, die ich nicht kannte." Geholfen und eine Tür geöffnet haben ihr schließlich die Beraterinnen und Berater des Jobcenters Frankfurt, die ihr im Herbst 2017 die „Joblinge" vorschlugen.

„Joblinge" ist eine Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit. Seit 2008 unterstützt sie junge Menschen auf dem Weg ins Arbeitsleben, die als nicht oder schwer vermittelbar gelten. Auf die Maßnahme angesprochen, findet Pegah Shabanpour nur lobende Worte. Neben der Berufsorientierung stand in der sechsmonatigen Maßnahme auch ein selbstorganisiertes Theaterstück auf dem Programm: „Das Thema durften wir selbst festlegen. Da gerade Weihnachtszeit war, entschieden wir uns für ein Stück, in dem Jesus ins Jobcenter geht", erklärt sie. Neben ihrer kreativen Ader entdeckte sie dort auch ihr Organisationstalent. In der Maßnahme lernte sie, originelle Bewerbungen zu schreiben. „In die Bewerbung für meine Ausbildung zur Hotelfachfrau habe ich zum Beispiel geschrieben, dass es wichtig ist, dem Kunden ein gutes Gefühl zu vermitteln."

Ein gutes Gefühl vermittelte sie mit dieser Bewerbung auch ihrem heutigen Vorgesetzten, der sie umgehend zum Vorstellungsgespräch einlud. Ein eigenes Hotel möchte sie später allerdings nicht besitzen. Vielmehr verfolgt sie das Ziel, Hoteldirektorin zu werden. Bis dahin möchte sie aber gerne noch Auslandserfahrung sammeln: „Wenn ich meine Ausbildung fertig habe, würde ich gerne für eine gewisse Zeit in Spanien arbeiten", schwärmt sie. Wenn sie eines in ihrem Leben gelernt habe, dann, wie wichtig es sei, sich Ziele zu setzen.

Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit 11

1.4 Ausbildung in Teilzeit als Chance Junge Mutter geht ihren Weg.

Mehr als 130 ABC-Schützen, deren Eltern auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind, wurden in diesem Jahr im Landkreis Birkenfeld eingeschult. Die staatliche Unterstützung wird notwendig, wenn die Eltern arbeitslos sind oder der Lohn nicht reicht, um die Familie zu ernähren.

Eltern wollen Vorbild für ihre Kinder sein und zeigen, dass mit Arbeit und Einsatz ein unabhängiges Leben möglich ist. Eine junge Frau aus Idar-Oberstein, gebürtig in Marokko, hat genau das geschafft. Amal Radouane kam 2013 als alleinerziehende Mutter in den Landkreis. Für sie stand fest, sie möchte was erreichen – für sich und ihren Sohn. In persönlichen Gesprächen mit der Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt vom Jobcenter Idar-Oberstein ergab sich schnell, dass eine duale Berufsausbildung in Teilzeit genau das Richtige für Amal Radouane ist.

Durch eine reduzierte Arbeitszeit im Betrieb und den dazugehörigen Besuch der Berufsschule kann der Weg zur Fachkraft optimal mit den Aufgaben in der Familie vereinbart werden. „Das Berufsbildungsgesetz bietet jungen Müttern und Vätern, aber auch Pflegenden, die Möglichkeit die Arbeitszeit während der Ausbildung zu reduzieren. Eine große Chance für Eltern ohne Berufsabschluss“, sagt Sabine Rektenwald, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt des Jobcenters im Landkreis.

Amal Radouane hat Ende Mai 2018 ihre Ausbildung als Kauffrau für Büromanagement erfolgreich abgeschlossen und wurde von der Elisabeth-Stiftung übernommen. „Es war nicht immer einfach, aber ich habe es doch geschafft.“, freut sich die gebürtige Marokkanerin. Sie ist begeistert von der Möglichkeit der Teilzeitberufsausbildung und kann sie nur weiterempfehlen, allerdings müsse man Organisationstalent mitbringen und immer mal wieder den Mut haben, um Unterstützung zu bitten. Steffen Schopper, Kaufmännischer Leiter der Elisabeth-Stiftung gibt zu, dass er anfangs etwas

v.l.n.r.: Amal Radouane, Elisabeth Heene-Anstett, Ralph Gerntke und Steffen Schopper (Elisabeth-Stiftung) sowie Sabine Rektenwald (Jobcenter Landkreis Birkenfeld) (Foto: Anke Hub, Elisabeth-Stiftung)

12 Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit

skeptisch war. Diese Skepsis legte sich allerdings schnell, denn Amal Radouane brachte sich von Anfang an mit großem Engagement ein und konnte immer wieder von ihrer Berufserfahrung, die sie bereits in Marokko gesammelt hatte, profitieren. Nicht nur als Kauffrau für Büromanagement ist Frau Radouane für die Elisabeth-Stiftung ein Gewinn, sie ist darüber hinaus auch immer zur Stelle, wenn eine Dolmetscherin benötigt wird.

Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit 13

1.5 Vom Talentsucher entdeckt Junge Iranerin im Praktikum bei der Stadt Köln

Junge geflüchtete Menschen unter 25 Jahren sind im Jobcenter Köln keine kleine Gruppe. Momentan betreut der Geschäftsbereich U25 ca. 500 junge Erwachsene (zuzüglich ca. 550 im „Integration Point“) im Alter von 18-24 Jahren, die aus dem Asylbewerberleistungsgesetz in den Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch II übergegangen sind. Zukünftig werden weitere junge Menschen mit Flüchtlingshintergrund folgen.

Um diesen jungen Menschen gezielt Hilfe anbieten zu können, hat das Jobcenter Köln zwei sogenannte „Talentscouts“ eingeführt. Die Aufgaben der Talentscouts sind, neben der Begleitung und einer kultursensiblen Beratung der Jugendlichen, auch eine intensive Potentialanalyse, vor allen Dingen eine nachhaltige Netzwerkarbeit.

Durch das Talentscout Programm konnte auch eine junge Iranerin bei der beruflichen Orientierung unterstützt werden. Im Interview mit dem Jobcenter Köln beschreibt sie ihren bisherigen Werdegang.

Mina A. ist 24 Jahre alt und kommt aus dem Iran. Sie ist im Jahr 2013 zusammen mit ihrer Mutter nach Deutschland eingereist. Zunächst lebte sie in Norddeutschland. Mitte 2015 stellte sie einen Antrag auf SGB II-Leistungen in Lüneburg. Seit Dezember 2015 lebt Mina A. zusammen mit ihrer Mutter in einer Wohnung in Köln.

Warum bist du aus dem Norden nach Köln gezogen?

„Zum einen, weil ich in der Millionenstadt Teheran geboren und aufgewachsen bin. Ich kann nicht in einer Kleinstadt wohnen. Am Anfang war ich in Lüneburg, das war zwar für mich eine schöne Stadt und ich habe auch weiterhin noch viele gute Freunde dort, aber dauerhaft konnte ich nicht dableiben.“

„Zum anderen wollte ich als Mediengestalterin eine Ausbildung machen. Gemäß meiner Recherche habe ich mich entschieden, nach Köln umzuziehen, weil es hier viele Medienbranchen gibt. Doch es hat nicht sein sollen und nach einigen Praktika habe ich mich für den Beruf der Verwaltungsfachangestellten interessiert.“

Mina A. (Foto: Demirtas Meryem, BCA JC Köln)

14 Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit

Wie entstand die Kontaktaufnahme mit dem Talentscout und wie konnte dieser dir helfen?

„Ich bin durch meine Sachbearbeiterin im Jobcenter Köln auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht geworden und sie meinte, dass der Beruf zu mir passen könnte. Mein Talentscout, Herr Lehmann, hat mir dann ganz viel geholfen. Mit seiner Hilfe bekam ich einen Praktikumsplatz bei der Stadt Köln. Einerseits freue ich mich sehr, dass ich durch die viele Hilfe die Chance bekommen habe, andererseits bin ich sehr traurig, dass ich bald 25 Jahre alt werde und nicht mehr mit ihnen zusammenarbeiten kann.“

Wie war dein Praktikum bei der Stadt Köln?

„Ich habe zwei Praktika bei der Stadt Köln gemacht. Als ich im Kundenzentrum in der Innenstadt mein Praktikum gemacht habe, hat es mir sehr gut gefallen. Ich habe gerne Kontakt mit Leuten. Deswegen hat es, glaube ich, mir sehr viel Spaß gemacht.“

War es schwer Deutsch zu lernen und fühltest du dich unterstützt?

„Ja, es war sehr schwer und immer noch fällt es mir manchmal schwer. Als ich in Lüneburg war, gab es keine gute Möglichkeit, um Deutsch zu lernen. Deshalb habe ich ganz autodidaktisch gelernt. Außerdem hatte ich viel Kontakt und deutsche Freunde, mit denen ich sprechen konnte. Das hat auch sehr geholfen. Die ersten zwei Jahre waren sehr schwer und oft unangenehm. Damals habe ich mich nicht unterstützt gefühlt, aber jetzt bin ich zufrieden und ich hoffe, dass ich eines Tages jemanden so unterstützen kann, wie man mich unterstützt hat.“

Worauf freust du dich bei deinem kommenden Praktikum?

„Ich habe die Prüfung des Projekts ‚Jugendliche mit Migrationshintergrund´ bestanden und mache momentan für sechs Monate ein Praktikum bei der Unterhaltsvorschusskasse in Kalk. Ich fühle mich da wohl und ich hoffe, dass ich durch dieses Praktikum viele Erfahrungen sammeln kann und zugleich meine Deutschkenntnisse verbessern kann. Dieses Praktikum ist für mich eine gute Gelegenheit, um eine Ausbildungsstelle zu kriegen und ich freue mich, wenn ich diesen Platz bekomme. Ich bedanke mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mich bis hierher unterstützt haben.“

Pressemeldung / Interview 13/2017, Jobcenter Köln

Im Anschluss an die Praktika hat Mina A. 2017 die Ausbildungsstelle zur Verwaltungsangestellten bei der Stadt Köln erhalten.

Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit 15

1.6 Stark im Beruf - Die Erfolgsgeschichte von Laila Chebbi

ESF-Programm „Stark im Beruf - Mütter mit Migrationshintergrund steigen ein“ Die Leiterin des AWO-Mehrgenerationenhauses in Landsberg Margit Däubler setzt zusammen mit ihrer Kollegin Betina Ahmadyar seit März 2015 das ESF-Programm „Stark im Beruf - Mütter mit Migrationshintergrund steigen ein“ um. 108 Frauen haben sie bereits in sieben Lehrgängen von „Stark im Beruf“ (SIB) auf ihrem Weg in eine Erwerbsarbeit begleitet. Alle Teilnehmerinnen verbindet, dass sie Mütter sind. Jedoch unterscheiden sie sich stark hinsichtlich Herkunft, Alter, Bildungs- und Berufserfahrung sowie Qualifikation und Lebenssituation. Sie nehmen auf eigenen Wunsch, auf Empfehlung der Migrationsberatungsstellen, der Agentur für Arbeit, des Jobcenters, der Volkshochschulen und anderer Bildungs- und Beratungsstellen an dieser Qualifizierungsmaßnahme teil und profitieren von Einzelcoachings, Aufbereitung von Bewerbungsunterlagen oder einem individuellen Praktikum. Vorher erfahren die Mütter Unterstützung und Kompetenzaufbau in der Gruppe. Viele Fragen des Lebens werden geklärt, wie z.B. die zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Mobilität und Zahlungsverkehr. Exkursionen, Netzwerktage und ein Deutschkurs mit Fokus auf Berufssprache sind ebenfalls Bestandteil im sechsmonatigen Kurs. Ende 2018 sollten insgesamt 120 Mütter an dem Projekt teilgenommen haben. Erste Erfolge waren schon bis zum Sommer 2018 sichtbar: 25 Prozent aller Teilnehmerinnen hatten bislang nach dem Kursabschluss einen Arbeitsplatz (einschließlich Selbständigkeit) gefunden, 48 Prozent der Teilnehmerinnen erhöhten ihren Erwerbsfokus, 20 Prozent gingen über in eine berufliche Qualifizierung und drei Prozent mündeten in eine schulische bzw. berufliche Ausbildung ein. Studien belegen, dass die Erwerbstätigkeit der Mutter einen erheblichen Einfluss auf die Armutslagen von Kindern hat.1 Die Erwerbstätigkeit von Müttern verringert das Armutsrisiko von Kindern. Das Projekt „Stark im Beruf“ mit seiner beruflichen Brückenfunktion ist im Landkreis Landsberg ein wichtiges Instrument für die beschriebene Zielgruppe. Für ihre Kinder haben die teilnehmenden Mütter eine Vorbildfunktion und sie sind wichtiger Dreh- und Angelpunkt in der Familie. Das Programm setzt damit nicht nur bei der anvisierten Zielgruppe der Mütter an, sondern wirkt sich positiv auf bestehende und zu erwartende Risikolagen bei deren Kindern aus. Es leistet einen Beitrag zur nachhaltigen Beschäftigung vor Ort und ist damit auch ein Beitrag zur Wirtschaftsförderung. Werden Margit Däubler und Betina Ahmadyar gefragt, ob ihnen bestimmte Teilnehmerinnen in Erinnerung geblieben sind, dann fallen ihnen gleich zwei Mütter ein, die sich besonders engagiert und ihren Platz in Deutschland gefunden haben. Laila Chebbi ist eine der zwei Mütter:

1 Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Nürnberg: Aufwachsen in Armutslagen, Zentrale Einflussfaktoren und Folgen für die soziale Teilhabe, Juni 2018

16 Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit

Sie ist aus den Maghreb-Staaten geflohen, 37 Jahre und hat drei Kinder, die zur Schule gehen. Als gelernte Konditorin aus dem Hotelfach in ihrem Herkunftsland kam sie 2017 zu „Stark im Beruf - Mütter mit Migrationshintergrund steigen ein.“ Durch diese Unterstützung machte sie erste berufliche Erfahrungen im Hauswirtschaftsbereich eines Seniorenheims und fühlte sich dort pudelwohl. Neben ihren Backkünsten konnte sie mit Sprachkenntnissen in Arabisch und Französisch bei den Seniorinnen und Senioren punkten. Deutsch spricht Laila inzwischen auf B1-Niveau. Sie ist sehr bemüht, dass sie ihre Sprachpraxis erweitert. Einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit der Einrichtung hat sie als hauswirtschaftliche Servicekraft in Teilzeit abgeschlossen und verdient seit Juni 2018 ihr erstes eigenes Geld in Deutschland. Das Projekt „Stark im Beruf – Mütter mit Migrationshintergrund steigen ein“ wird im Rahmen des Programms „Stark im Beruf“ durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und den Europäischen Sozialfonds für einen Zeitraum von mindestens vier Jahren gefördert. Seit Juli 2017 gehören auch Frauen mit Fluchthintergrund zur Zielgruppe des Bundesprogramms. Kooperationspartner sind das Jobcenter Landsberg, die Agentur für Arbeit Weilheim, die Diakonie Oberland (Migrationsberatung), die Volkshochschule Landsberg, Frau und Beruf GmbH München und Landmanns.

Laila Chebbi (Foto: Franziska Menter, BCA JC Landsberg am Lech)

Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit 17

1.7. Existenzsichernde Beschäftigung gelungen

Arbeitsmarktförderung einer „langzeitarbeitslosen“ Kundin im Jobcenter Märkischer Kreis

Frau Nuha Haidar ist 34 Jahre alt und hat die syrische Staatsangehörigkeit. Sie ist im November 2015 mit ihrem 10-jährigen Kind und ihrem 36-jährigen Lebensgefährten nach Deutschland eingereist. Sie wurde 2016 vom Jobcenter Märkischer Kreis betreut und hatte zunächst bis Januar 2017 einen Integrationskurs besucht. Nuha Haidar hatte in ihrem Heimatland Architektur studiert, verfügt aber über keine Zertifikate oder Zeugnisse. Da sich die Suche um einen Praktikumsplatz/Ausbildungsplatz sehr schwierig gestaltet hatte, konnte sie in eine individuelle Maßnahme des Förderzentrums einmünden. Ziel der Maßnahme war die individuelle Unterstützung bei der Suche nach einem Praktikums-/Ausbildungsplatz. Zusätzlich hatte Nuha Haidar die Volkshochschule besucht und den B2-Sprachkurs abgeschlossen. Sie bewarb sich bei einem Arbeitgeber in Lüdenscheid und erhielt die Möglichkeit, eine zweiwöchige betriebliche Erprobung bei diesem Arbeitgeber zu absolvieren mit der Option der Festanstellung bei Eignung. Diese wurde aufgrund persönlicher Umstände unterbrochen und im Anschluss auf insgesamt 12 Wochen verlängert. Es erfolgte im Mai 2018 eine Einstellung als Helferin im Architekturbüro. Da diese Beschäftigung positiv verlief, konnte durch das Jobcenter in Absprache mit dem Arbeitgeber für Nuha Haidar eine betriebliche Einzelumschulung ab August 2018 als Bauzeichnerin ermöglicht werden. Der Ehemann von Nuha Haidar hat zwischenzeitlich ebenfalls zunächst eine Helfertätigkeit aufgenommen und wurde dann auch im August 2018 in ein reguläres Ausbildungsverhältnis im IT-Bereich übernommen. Die Familie ist damit nicht mehr auf Grundsicherungsleistungen angewiesen.

18 Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit

1.8. Eine Frau, die es geschafft hat Zielstrebigkeit und engmaschige Betreuung führten zum Erfolg

Frau Lour Eskef ist heute 24 Jahre alt und kam mit 21 Jahren von Syrien nach Deutschland. In Syrien hat sie drei Jahre Ingenieurwesen in der Fachrichtung Informatik studiert und konnte ihr Studium aufgrund des Krieges nicht abschließen. Gemeinsam mit ihrem Freund ist sie 2015 nach Erfurt gekommen. Hier absolvierte sie bereits den B1 Sprachkurs. Um näher bei ihrem Bruder und ihrem Onkel sein zu können, zog sie 2016 gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten nach Mönchengladbach. Betreut wurde Frau Eskef im Jobcenter Mönchengladbach. Von Juli 2016 – Februar 2017 besuchte sie dann den B2 Sprachkurs der Hochschule Niederrhein und schaffte auch die mündliche C1 Sprachprüfung.

Wie sie zum Ausbildungsberuf der Fachinformatikerin für Systemintegration kam? Angelehnt an ihr Studium in Syrien im Bereich Ingenieurwesen, Fachrichtung Informatik, nahm sie einen Termin bei der Berufsberatung wahr. Hier wurde sie über ähnliche Berufszweige beraten und erhielt umfangreiche Informationen. Gemeinsam mit einer Freundin erstellte sie Bewerbungsunterlagen und suchte passende Ausbildungs- und Arbeitsstellen. In der Zeitung fand sie dann die Ausbildungsstelle bei CEWE Stiftung & Co. KGaA und bewarb sich sofort. Daraufhin bekam sie einen Anruf des Arbeitgebers und ihr erstes Vorstellungsgespräch in ihrem Leben. Die Kollegin des „Integration Point“ (IP) bereitete Frau Eskef auf das Vorstellungsgespräch vor und betreute sie auch während des gesamten Integrationsprozesses engmaschig. So konnten Handlungsbedarfe, wie Informationsbedarf zu Unterstützungsangeboten während der Ausbildung und die Verbesserung der Sprachkenntnisse erkannt und angegangen werden. Gemeinsam mit dem Arbeitgeberservice und dem Jobcenter Mönchengladbach wurden Praktika bei CEWE Stiftung & Co KGaA für eine betriebliche Erprobung ermöglicht. Frau Eskef bekam die Einstellungszusage, ab dem 1. August 2017 eine Ausbildung als Fachinformatikerin für Systemintegration bei der CEWE Stiftung & Co. KGaA zu beginnen. Heute ist sie im zweiten Ausbildungsjahr als erste weibliche Auszubildende Fachinformatikerin in diesem Betrieb. Die Berufsschule findet zweimal die Woche statt und wird mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht. Auch hier ist Frau Eskef, bei einer Klassenstärke von 30 Teilnehmenden, nur eine von zwei Frauen in diesem Ausbildungsgang. Eine sympathische, taffe, junge Frau, die es geschafft hat!

Lour Eskef (Foto: Maximiliane Besançon, BCA JC Mönchengladbach)

Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit 19

1.9. Neustart im öffentlichen Dienst Neustart im öffentlichen Dienst

Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Engagement von Kolleginnen und Kollegen sichergestellt. Der Agentur für Arbeit Potsdam ist es gelungen, durch intensive Rekrutierung- und Auswahlverfahren einer 38-jährige Syrerin einen Neustart im öffentlichen Dienst im Land Brandenburg zu ermöglichen. Frau Anaheed Alhaj Husin war bereits mehrere Jahre in ihrem Heimatland als Angestellte in der Personalabteilung des Kulturzentrums in Hama tätig, bevor sie nach Luckenwalde gekommen ist. Nun versucht sie mit ihrem Mann und den zwei Kindern in Deutschland ein neues Leben aufzubauen. In enger Kooperation zwischen dem Jobcenter Teltow-Fläming, der Agentur für Arbeit und dem Berufsbildungswerk in Kreuzberg, ist es gelungen, dass Anaheed Alhaj Husin am 1. September 2017 eine Ausbildung in der Agentur für Arbeit Berlin-Mitte aufgenommen hat. Dem Ausbildungsbeginn war zuvor eine Einstiegsqualifizierung, mit einem Praxisteil in der Kreisverwaltung Teltow-Fläming und in der Eingangszone des JC Teltow-Fläming, vorgeschaltet. Im Rahmen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie absolviert sie den praktischen Ausbildungsteil in Teilzeit. Hierbei erfährt sie viel Unterstützung von ihren Kolleginnen und Kollegen. Der Ehemann hat ebenfalls eine Ausbildung in Frankfurt (Oder) begonnen. Da sich bei der jungen Familie sowohl die berufliche Tätigkeit, als auch die Erziehung der Kinder zeitlich vereinbaren lässt, kann Frau Anasheed Alhaj Husin ihre Ausbildung in der Agentur für Arbeit Berlin Mitte fortsetzen. Sie hat ihre Zwischenprüfung so erfolgreich absolviert und die Möglichkeit bekommen ihre Ausbildung zu verkürzen.

.

Alhaj Husin (Foto: Alhaj Husin)

20 Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit

2 Gute Ansätze aus der Praxis 2.1 Frühzeitige Aktivierung / Coaching NRW, JC Gelsenkirchen und JC Duisburg:

Familienlotsinnen für Frauen mit Status § 10 Abs. 3 Nr. 1 SGB II. Mit den Familienlotsinnen, einer gemeinsamen Initiative der Landesregierung und der Bundesagentur für Arbeit, gefördert von der RAG-Stiftung, erhalten geflüchtete Frauen mit kleinen Kindern erstmals ein Betreuungs- und Beratungsangebot, das es ihnen erlaubt, schon während der Familienzeit den Weg in die gesellschaftliche Teilhabe und Integration in den Arbeitsmarkt zu finden.

BY, JC Neumarkt i.d. Oberpfalz:

LEO (MAT, Vergabemaßnahme, mit Kinderbetreuung); dieses niedrigschwellige Angebot richtet sich insbesondere an Flüchtlingsfrauen in der Erziehungszeit (§ 10 SGB II). Die Kinderbetreuung während der Präsenzzeit wird vom Träger organisiert und findet direkt im Gebäude gegenüber dem Lehrraum statt.

BY, JC Landsberg Lech:

In Landsberg wird das ESF-Bundesprogramm „Stark im Beruf“ in enger Kooperation mit dem Jobcenter durchgeführt und überwiegend von geflüchteten Frauen in Anspruch genommen. Die Mütter absolvieren ein Konversations- und Sprachtraining, beschäftigen sich mit Beruf und Kinderbetreuung, erstellen individuelle Bewerbungsunterlagen und absolvieren ein betriebliches Praktikum. In der ersten Förderphase wurden 108 Frauen erreicht. 50 Prozent konnten für den Arbeitsmarkt aktiviert werden, 45 Prozent haben inzwischen eine Arbeit aufgenommen.

BY, JC Passau-Stadt

Step by Step (MAT, Vergabemaßnahme) Der Kurs „Step by Step“ soll helfen, sich in Deutschland zurecht zu finden und neue Perspektiven zu entwickeln

Hessen, Landkreis Darmstadt-Dieburg - "Gemeinsam Leben und Arbeiten" für geflüchtete Frauen

Ausschließlich für geflüchtete Frauen: Das Modellprojekt „Gemeinsam Leben und Arbeiten im Landkreis Darmstadt-Dieburg (GeLa)“ ist speziell auf die besonderen Bedarfe dieser Zielgruppe zugeschnitten. Schwerpunkte sind Spracherwerb und gleichzeitige berufliche Orientierung. GeLa wird vom „Zentrum für Information, Beratung und Bildung (ZIBB)“ in Groß-Umstadt umgesetzt.

Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit 21

2.2 Empowerment BB, Berlin:

„Erzählsalon“ Arbeiten in Berlin: Wir haben es geschafft! Ziel: Allen zugewanderten Frauen Mut zu machen, einen Job zu suchen, der ihren Qualifikationen und Interessen entspricht. (Rolemodels berichten und empowern)

NSB, JC Emden:

Theaterprojekt lebens:ART®plus für erziehende Frauen. Die Theaterarbeit schult grundlegende Fähigkeiten wie Konzentration, Motorik, Abstraktionsvermögen, Ausdrucksfähigkeit, Spontanität, Kreativität und Kritikfähigkeit, die für das Arbeitsleben von zentraler Bedeutung sind. Im Team entwickeln die Teilnehmenden eine komplette Theaterproduktion, die in feierlichem Rahmen zur öffentlichen Premiere gebracht wird. Jobcoaching und Theatercoaching ergänzen die Theaterarbeit: Gemeinsam werden individuelle berufliche Wege erarbeitet, geplant und umgesetzt. Der Weg zum beruflichen Einstieg wird über Qualifizierungs- und Werkstatteinheiten sowie durch Praktika geebnet.

Hessen, AA Kassel:

Der KOMpetenzPASS dient als Instrument zur Selbsteinschätzung und als Bestandteil der Bewerbung; zukünftigen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern kann der KOMpetenzPASS als Unterstützung bei der Personalauswahl dienen. In Seminaren unterschiedlicher Größenordnung und zeitlicher Gestaltung werden jeweils gleiche Grundbausteine eingesetzt (Selbstexploration, Selbstvermarktung, Wege der Jobsuche, Optimierung der Bewerbungsunterlagen, Vorstellungsgespräch, oftmals mit anschließendem Praktikum). Die Seminarteilnehmerinnen erarbeiten unter fachlicher Anleitung ihren „eigenen“ KOMpetenzPASS. Der KOMpetenzPASS international wurde um Seminarbestandteile erweitert, die auf die besonderen Belange von Frauen mit Migrationshintergrund eingehen.

22 Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit

2.3 Informationsdefiziten entgegenwirken NRW, JC Rhein-Berg:

„Wir unter uns – Frauen untereinander“ – Café für geflüchtete Frauen. Die Veranstaltungsreihe wird durch eine Dolmetscherin begleitet und findet immer 1 x im Monat freitags in der Zeit 10 - 12h statt. Die Inhalte sind mit max. 30 min. geplant aufgrund der Übersetzung. Der Rest der Zeit wird für Austausch, Beratung, Bedarfsmeldungen und Fragen genutzt. Die Veranstaltungen finden in JC-Räumlichkeiten und extern bei Netzwerkpartnerinnen / Netzwerkpartnern statt.

SAT, JC Magdeburg:

Angebot für Frauen, die an keinem Sprachkurs teilnehmen. Yasmin – Ein Mutter Kind Angebot für geflüchtete Frauen. Die Teilnehmerinnen haben z.B. die Möglichkeit: • Kontakt zu anderen Müttern zu finden • Erfahrungen auszutauschen und relativiren zu können • Eigenaktivität zu entwickeln • Neue Informationen zu erhalten • Neue Spiele und krative Ideen für sich und ihre Kinder kenn zu lernen Die Kinder finden Anregungen und werden gefördert.

BY, JC Garmisch-Partenkirchen:

Leitfaden zum Thema Asyl Eine Initiative der KoKi-Projektgruppe Asyl: Netzwerk Frühe Kindheit

Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit 23

2.4 Netzwerke nutzen NRW, JC U25 Köln:

Talentsucher: Die Talentsucher sind im Jobcenter installiert und betreiben neben Begleitung und Beratung, intensive Potentialanalyse und Nutzung alternativer, kultursensibler Beratungsmethoden vor allen Dingen intensive Netzwerkarbeit.

BY, JC Augsburg-Stadt:

Gruppentreffen für somalische Frauen. Es ist ein offenes Angebot (keine Maßnahme) in Kooperation mit zwei sozialen Einrichtungen im Stadtteil. Die Betreuung dieses Angebotes wird inzwischen von Sozialarbeiterinnen dieser Einrichtungen übernommen. Sie haben dafür ein (geringes) Zeitkontingent. Viele Frauen wollen arbeiten und Geld verdienen, allerdings sind ihre Möglichkeiten sehr begrenzt (Sprache, Analphabetismus, fehlende Qualifizierung, begrenzte Kinderbetreuung). Die BCA hat deshalb mit dem Träger bfz eine AVGS-Maßnahme (MIA) speziell mit den spezifischen Themen von Müttern mit Migrationshintergrund entwickelt.

BY, Jobcenter Kelheim:

MC (Mobiles Coaching für Migrantinnen) IFM (Integration von Frauen mit Migrationshintergrund) und PIA (Perspektive, Integration, Arbeit). Das JC Kelheim hat zwei Maßnahmen für Flüchtlingsfrauen. Beide Maßnahmen haben in etwa den gleichen Inhalt (Vorangestelltes Einzelcoaching inkl. aufsuchende Arbeit, im Anschluss Präsenzmaßnahme beim Träger in Teilzeit).

Sachsen, JC Dresden:

„In Dresden ankommen - in Dresden leben“ Informationsveranstaltung für geflüchtete Frauen in Kooperation mit dem Ehrenamtskoordinator der Landeshauptstadt Dresden wurde durch die BCA des JC Dresden ein Veranstaltungsformat entwickelt, welches weiblichen Flüchtlingen im ALGII-Bezug einen Zugang bietet, in einem „geschützten“ Raum (nur für Frauen) mit Hilfe von Dolmetscherinnen Informationen zu erhalten über die lokale Beratungslandschaft, angefangen von Kinderbetreuungsmöglichkeiten über Handarbeitskursen bis hin zum Thema häusliche Gewalt. Das Ziel ist ein uneingeschränkter Zugang zu Informationen, um Teilhabe langfristig sowohl im gesellschaftlichen als auch im beruflichen Kontext zu ermöglichen. BA Aktuell

Sachsen, JC Vogtland:

Vor der Geburt gut vorbereitet und informiert. Syrische Frauen besuchen das Klinikum Plauen und nutzen die Gelegenheit, sich vor der Geburt ihres Kindes über den Klinikablauf und über die umfangreichen Unterstützungsmöglichkeiten für Schwangere sowie für Mütter mit Kind zu informieren.

24 Stab BCA – Erfolgsgeschichten und gute Ansätze für die Praxis | 4. März 2019 | © Bundesagentur für Arbeit

2.5 Ressourcen fördern Kiron Online University Berlin:

Geflüchtete können anfangen zu studieren oder ihr Studium fortführen; die Prüfung der Voraussetzungen kommt danach.

Uni Essen: OnTOP|UDE

ist ein Programm an der Universität Duisburg-Essen (UDE) im Bereich Offene Hochschule und baut auf Erfahrungswerten aus dem Pilotprojekt ProSALAMANDER auf. Am Studienprogramm OnTOP|UDE können auch Flüchtlinge mit einem im Ausland erworbenen Hochschulabschluss teilnehmen, sofern sie die formalen Voraussetzungen hinsichtlich Sprachniveau, Hochschulzugangsberechtigung etc. erfüllen.