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Institut für Raumplanung Universität Dortmund IRPUD Arbeitspapier 181 Dirk Bölitz, Johannes Flacke, Heike Köckler (Hg.) Grenzüberschreitende Raumplanung – Beobachtungen in der deutsch-polnischen Grenzregion Dortmund, Mai 2004 Institut für Raumplanung Fakultät Raumplanung, Universität Dortmund D-44221 Dortmund Tel. 0231-7552291, Fax 0231-7554788

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Institut für RaumplanungUniversität Dortmund

IRPUD

Arbeitspapier

181Dirk Bölitz, Johannes Flacke, Heike Köckler (Hg.)Grenzüberschreitende Raumplanung –Beobachtungen in derdeutsch-polnischen Grenzregion

Dortmund, Mai 2004

Institut für RaumplanungFakultät Raumplanung, Universität DortmundD-44221 DortmundTel. 0231-7552291, Fax 0231-7554788

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I

Inhaltsverzeichnis

Dirk Bölitz, Johannes Flacke, Heike Köckler

Einführung: Beobachtungen in der deutsch-polnischen Grenzregion 1

Maximilian Mendel

Sorgen, Ängste und Vorurteile in Deutschland und Polen hinsichtlich des EU-Beitritts Polens 6

Peter Höfer

EU-Programme zur Stärkung der deutsch-polnischen Grenzregion 9

Aniola Hädrich, Dominique Hebebrand

Görlitz und Zgorzelec auf dem Weg zu einer gemeinsamen Stadt? Das Projekt „Stadt 2030“ als Wegbegleiter der Wiedervereinigung 15

Martin Becker, Cordula Feigs, Verena Zorn

Ostritz – Der Wandel zur „Energie-ökologischen Modellstadt“ 22

Katrin Lenz

Die Lausitzer Neiße – schwieriger Grenzfluss oder gemeinsames Element Wasser? Das Projekt „Saubere Neiße“ 29

Tim Geßler, Beate Konieczny

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Spannungsfeld zwischen alltagskultureller und offizieller Ebene: Eine Bestandsaufnahme in der Doppelstadt Guben - Gubin 35

Julia Nierhoff, Anne Thun

Frankfurt (Oder) und Slubice: Ein Garten für zwei Städte 47

Dirk Bölitz

Kooperation, Kommunikation und Vertrauen: Der Hochschulstandort Frankfurt (Oder) - Slubice als Kompetenzzentrum für die deutsch-polnische Zusammenarbeit 53

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II

Stefanie Goedecke

Grenzüberschreitendes Standortmarketing – eine Strategie für Frankfurt (Oder) - Slubice? 60

Anna Fizek

Grenzüberschreitender Naturschutz: Der Internationalpark „Unteres Odertal“ 67

Johanna Schoppengerd, Jörg Schulz, Regina Witter

Die Euroregion Pomerania: Eine polnisch-deutsch-schwedische Zusammenarbeit 75

Norbert Steinkemper

Stettin – Stadtentwicklung im Spannungsfeld von Geschichte und Politik 81

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Exkursion 89

Gesprächspartner der Exkursion 90

Exkursionsprogramm 8. - 15. Juni 2003 (Faltblatt) 91

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1

Dirk Bölitz, Johannes Flacke, Heike Köckler

Einführung

Beobachtungen in der deutsch-polnischen Grenzregion

Polen ist für viele Deutsche auch knapp fünfzehn Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs immer noch ein unbekannter Nachbar. Das Land, das mit 39 Millionen Einwohnern innerhalb der erweiterten Europäischen Union über die sechstgrößte Be-völkerungszahl verfügt, stößt bis heute in der breiten Öffentlichkeit auf nur wenig In-teresse (Bingen 2001: 61). Zum 1. Mai diesen Jahres trat Polen, das immer wieder zum Spielball der europäischen Geschichte wurde und Vorreiter bei der politischen Wende im Ostblock war, der Europäischen Union bei. Bereits 1998 hatte die Europäi-sche Union Beitrittsverhandlungen mit Polen aufgenommen, im Jahr 2003 stimmte die Bevölkerung Polens für den Beitritt zur EU.

Oder und Lausitzer Neiße markieren eine Grenze, die stark vom Wandel Europas ge-prägt wurde und wird: Viele Jahre waren sie keine Grenzflüsse, bis sie nach dem Zweiten Weltkrieg als Grenze zwischen der DDR und Polen festgelegt wurden. Die neue Grenzziehung führte dazu, dass Städte wie Görlitz, Guben und Frankfurt/Oder, die auf beiden Seiten der Flüsse gewachsen waren, nun in zwei Staaten lagen und so-mit geteilt wurden. Außerdem folgten dieser Grenzziehung im Nachkriegseuropa Ver-treibung und Umsiedlung. Die deutsche Bevölkerung musste ihre Heimat ebenso ver-lassen, wie Polen aus den ostpolnischen Gebieten, die nach dem Zweiten Weltkrieg an die Sowjetunion fielen. Die Einwohner Ostpolens wurden in den vormals deutschen Gebieten und somit auch östlich von Oder und Neiße angesiedelt. In dieser Region kam es zu einem annähernd vollständigen Austausch der Bevölkerung (Jajesniak-Quast et al. 2000: 9f.). Da die neuen Bewohner zunächst hofften, ihre Vertreibung sei lediglich eine vorübergehende Umsiedlung, war ihre Bindung an diese Städte lange Zeit sehr gering.

Die Oder-Neiße-Grenze wurde 1950 im Görlitzer-Abkommen von der DDR aner-kannt. Bingen (2001: 57) schätzt dieses Abkommen zwischen der DDR und Polen als „von der Sowjetzone erzwungene Freundschaft (...)“ ein. Trotzdem wird dieses Ab-kommen als ein wichtiger Neuanfang der deutsch-polnischen Beziehungen gewertet (bspw. Jajesniak-Quast et al. 2000: 63). Die BRD erkannte die deutsch-polnische Grenze erst zwanzig Jahre später an. Wiederum zwanzig Jahre später, am 14. Novem-ber 1990, also unmittelbar nach der deutschen Einheit, wurde ein Grenzvertrag zwi-schen Deutschland und Polen abgeschlossen, womit es zu einer endgültigen Anerken-nung der Staatsgrenze durch das vereinte Deutschland kam. Die Grenze zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen war keineswegs eine durchlässige Grenze: „Kaum eine zwischenstaatliche Grenze des sozialistischen Lagers war wohl nach dem Krieg so gesichert wie die Westgrenze Polens“ (Jajesniak-Quast et al. 2000:13). Erst Anfang der 70er Jahre wurde die Grenze geöffnet: „Die DDR-Bürger überschwemmten Strän-de und Gebirgszüge der Volksrepublik, während die Polen in die Kaufhäuser der DDR ausschwärmten.“ (ebd.: 14f.). Dies änderte sich in den 80er Jahren. Von 1980 an be-durfte die Ausreise nach Polen (bzw. der Besuch der anderen Seite des Flusses) einer polizeilichen Genehmigung. Wer diese einholen wollte, benötigte eine Einladung aus dem Nachbarland. Grund für die wieder annähernd geschlossene Grenze war nach Einschätzung von Bingen (2001: 56) und Jajesniak-Quast et al. (2000: 15) die mit der Gründung der Arbeiterbewegung Solidarnosc zunehmende Regimekritik in Polen.

Erst nach der politischen Wende wurde die Grenze wieder geöffnet, was den Grenz-raum grundlegend veränderte. Einerseits wurden viele Industriebetriebe im Transfor-mationsprozess geschlossen (Jajesniak-Quast et al. 2000: 11), was zu einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen auf beiden Seiten der Grenze geführt hat. Andererseits bot die Grenzöffnung unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten: Schon bald sind in den polnischen Grenzstädten so genannte Polenmärkte eröffnet worden, auf denen Waren

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2 angeboten werden, die für Deutsche vor allem aufgrund des Preisgefälles zwischen beiden Staaten günstig sind. Mit der sogenannten „Basarökonomie“ entwickelte sich auf der polnischen Seite des Grenzgebietes seit Anfang der 90er Jahre ein „dynami-scher“ Exportsektor, „dessen Träger tausende von Markthändlern, Zwischenhändlern sowie Klein- und Kleinstunternehmen sind, und dessen Umschlagplätze in Grenzstäd-ten wie Slubice und Gubin und ihren Basaren räumlich konzentriert sind. Die grenz-nahen Handelsplätze ziehen auch massenhaft Verkäufer aus ganz Polen sowie osteu-ropäischen Ländern an“ (Krätke et al. 1997: 201ff.). Die „Polenmärkte“ – Krätke spricht in dem Zusammenhang aus Sicht der Polen von „Deutschen-Märkten“ (Krätke 1997: 201) – erlebten Anfang des neuen Jahrtausends einen Umsatzrückgang, der sich im Jahr 2003 wegen des schwachen Dollar-Kurses und der Konjunkturkrise in Deutschland jedoch wieder umgekehrt hat (Rzeczpospolita vom 10.07.2003).

Spezielle Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen sich der Region neben ihren eigenen Potenzialen auch durch öffentliche Zuwendungen. Denn seit 1994 fließen Fördermittel der Europäischen Union nicht nur in die Mitgliedstaaten, sondern auch in die Beitritts-länder. Dabei spielt gerade auch die Unterstützung der Grenzräume eine große Rolle.

Die Grenzregion ist heute durch Gegensätze geprägt. So besteht ein großes Lohngefäl-le zwischen deutscher und polnischer Seite, auch wenn sich die Verhältnisse seit eini-gen Jahren kontinuierlich angleichen.1 In der insgesamt strukturschwachen Region verlassen auf der deutschen Seite vor allem junge Menschen die Region, wohingegen die polnischen Städte einen Bevölkerungszuwachs zu verzeichnen hatten (ISW 2002: 44ff.). Dies bedeutet einen zum Teil immensen Wohnungsleerstand in den deutschen Städten, dem bereits mit Abbruch begegnet wird. Währenddessen herrscht in den pol-nischen Städten Wohnungsmangel.

Diese Unterschiede bieten Möglichkeiten für einen grenzüberschreitenden Austausch: Einkaufen im jeweils anderen Land (bspw. Lebensmittel und Dienstleistungen in Po-len, Elektrogeräte in Deutschland), Produzieren im Billiglohnland Polen oder Wohnen in Deutschland. Dabei werden die Potenziale bspw. eines grenzüberschreitenden Wohnungsmarktes bislang kaum genutzt. Oft werden hier rechtliche Schwierigkeiten und gegenseitige Vorbehalte in der Bevölkerung als Gründe angeführt. Der EU-Beitritt Polens ist ein Anfang, die rechtlichen Barrieren abzubauen, wenngleich auf-grund von Übergangsregelungen in vielen Bereichen die Harmonisierung und damit die vollständige Freizügigkeit nach dem EU-Recht erst in einigen Jahren erreicht sein wird.2

Polen, ein Land, das vielen Deutschen trotz der gemeinsamen Grenze, Geschichte und Austauschbeziehungen heute noch immer fremd ist, scheint auch vielen Studierenden der Raumplanung an der Universität Dortmund wenig vertraut zu sein. Zu Frankreich, Schweden oder Großbritannien besteht offenbar ein größerer Bezug als zu Polen. Ein Indiz dafür sind die Aufenthalte für ein Studium im Ausland. Nur wenige Studierende nutzen die Möglichkeit, an den Partneruniversitäten Stettin und Danzig zu studieren.3

Um das Interesse der Studierenden an Polen generell und seine aktuellen Planungs-themen im Besonderen zu wecken bzw. zu stärken, hat es in den letzten Jahren ver-schiedene Aktivitäten an der Fakultät Raumplanung gegeben. So konnte eine zwei-semestrige Vorlesungsreihe „Raumplanung und Umweltschutz in Polen“ mit externen

1 Im Jahr 2003 betrug der monatliche Durchschnittslohn (Brutto) in den Neuen Bundesländern, ohne Berücksichtigung der Kaufkraftparität, das 3,6-fache und in den Alten Bundesländern das 4,7-fache des polnischen Niveaus. Vgl. Botschaft der Republik Polen in der Bundesrepublik Deutschland, Wirtschafts- und Handelsabteilung: Wirtschaftsentwicklung in Polen 2003+2004, S. 8 (Entwicklung des Lohnniveaus 1996 - 2003) 2 Vgl. hierzu: Homepage der Kommunalgemeinschaft POMERANIA e.V.: Fragen und Ant-worten zum EU-Beitritt Polens, unter: http://www.pomerania.net/einwohner_news.cfm 3 In den beiden Studienjahren 2002/2003 und 2003/2004 haben drei Studierende der Fakultät Raumplanung in Polen studiert, während in Frankreich insgesamt 21, in Großbritannien 20 und in Schweden 12 Dortmunder Raumplaner studiert haben (Daten aus dem Sokrates-Programm der Fakultät Raumplanung, Universität Dortmund).

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3 Referenten durchgeführt werden. Außerdem wurden Exkursionen nach Nordostpolen und Stettin unternommen. In der Ausstellung „Raumplanung International“ wurden diese Projekte und weitere Anknüpfungspunkte der Fakultät mit Polen zudem der U-niversitätsöffentlichkeit vorgestellt.

In der Pfingstwoche 2003 wurde eine Exkursion in den deutsch-polnischen Grenzraum durchgeführt, die einen Einblick in die bisherige grenzüberschreitende Planung und Zusammenarbeit auf kommunaler und regionaler Ebene gewährte. Im Vordergrund standen Chancen und Barrieren, die sich aus der Grenzlage ergeben, sowie die Poten-ziale, die die EU-Osterweiterung mit sich bringen kann. Innerhalb einer Woche wurde die gesamte Grenze von Süd nach Nord entlang der Grenzflüsse Lausitzer Neiße und Oder bereist und an verschiedenen Stationen erkundet (s. Abb. 1). Im vorliegenden Arbeitspapier dokumentieren Studierende ihre Exkursionsbeobachtungen. Diese wer-den zum Teil ergänzt durch Ergebnisse aus Diplomarbeiten, in denen sich einzelne Exkursionsteilnehmerinnen mit der Grenzregion und verschiedenen, auch im Rahmen der Exkursion bereisten Orten, vertieft beschäftigt haben.

Abb. 1: Die deutsch-polnische Grenze: Stationen der Exkursion

Kartographie: Johannes Flacke

Die Beobachtungen zu den einzelnen Stationen der Exkursion werden von zwei grundlegenden Aufsätzen eingeleitet. Im ersten Beitrag setzt sich Maximilian Mendel mit den Erwartungen und Sorgen der Menschen in der Grenzregion hinsichtlich des EU-Beitritts Polens auseinander, anschließend gibt Peter Höfer einen Überblick über EU-Fördermaßnahmen und Programme in der Grenzregion.

Das Städtepaar Görlitz-Zgorzelec, die erste Station der Exkursion, beschreiben Aniola Hädrich und Dominique Hebebrand hinsichtlich ihres Wandels in den letzten Jahrhun-derten und mit einem Blick in die Zukunft, den die „Europastadt“ – wie sie sich selbst bezeichnet – mit der Teilnahme an dem Projekt Stadt 2030 unternimmt.

Martin Becker, Cordula Feigs und Verena Zorn beschäftigen sich mit den Bestrebun-gen des nahe gelegenen Ostritz, das als ehemals energieexportierende Gemeinde in ei-nem früheren Braunkohlentagebaugebiet eine Kehrtwende hin zu einer energetisch au-tarken Stadt anstrebt und damit eine Zukunft als Kleinstadt im ländlich-peripheren Raum sucht.

Dass die Neiße nicht nur Grenzfluss, sondern auch eine gemeinsam genutzte Umwelt-ressource ist, dokumentiert Katrin Lenz. Sie beschreibt, wie im Projekt „Saubere Nei-ße“ Kommunen aus Polen, Deutschland und Tschechien gemeinsam an der Verbesse-rung der Wasserqualität und am Hochwasserschutz arbeiten.

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4 Der Zusammenarbeit im Städtepaar Guben-Gubin widmen sich Tim Geßler und Beate Konieczny. Hierbei betrachten sie vor allem das Spannungsfeld zwischen gesellschaft-licher und offizieller Ebene. Dieser Beitrag geht über die Inhalte der Exkursion hinaus, da er auch ausgewählte Ergebnisse der Diplomarbeit von Beate Konieczny enthält.

Die beiden Städte Fankfurt (Oder) und Slubice haben in den letzten Jahren die stadt-planerische Zusammenarbeit intensiviert. Anne Thun und Julia Nierhoff erläutern, wie das Städtepaar unter dem Leitbild eines „Europagartens“ über die abgestimmte Ent-wicklung von Grünräumen einen Beitrag zum Zusammenwachsen ihrer Städte leisten will.

Einen beachtlichen Beweis für die deutsch-polnische Zusammenarbeit in der Grenzre-gion liefern die Europauniversität Viadrina in Frankfurt (Oder) und das Collegium Po-lonicum in der Nachbarstadt Slubice. Auf der Grundlage von Erfahrungen des Leiters des Collegium Polonicum am grenzüberschreitenden Hochschulstandort geht Dirk Bö-litz auf die deutsch-polnische Zusammenarbeit vor dem Hintergrund verschiedener Mentalitäten ein. Stefanie Goedecke stellt Ergebnisse ihrer Diplomarbeit zu Ansätzen eines grenzüberschreitenden Standortmarketings in der Doppelstadt vor.

Die deutsch-polnische Grenze ist wesentlich durch ausgedehnte Freiräume geprägt. Am Beispiel des „Internationalpark Unteres Odertal“ beschreibt Anna Fizek die Be-mühungen auf deutscher und polnischer Seite, gemeinsam die ökologischen Qualitäten des Unteren Odertals zu wahren. Auch in diesen Aufsatz sind Ergebnisse der Diplom-arbeit der Autorin eingeflossen.

Den Bemühungen um eine Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Polen und Schwe-den in der Euroregion Pomerania widmen sich Johanna Schoppengerd, Jörg Schulz und Regina Witter in ihrem Beitrag.

Stettin, die letzte Station der Exkursion, liegt zwar nicht direkt an der deutsch-polnischen Grenze, ist aber aufgrund ihrer oberzentralen Funktionen für das nördliche Grenzgebiet bedeutend. Norbert Steinkemper skizziert die Stadtentwicklung Stettins im Spannungsfeld von Geschichte und Politik. In den Beitrag lässt er auch seine Kenntnisse von Stettin, die er als Austauschstudent vor Ort sammeln konnte, einflie-ßen.

Abschließend möchten wir einigen Personen danken, ohne die weder die Exkursion noch die anschließende Veröffentlichung möglich gewesen wäre:

Zunächst danken wir Univ.-Prof’in Dr. Sabine Baumgart, Fachgebiet Stadt- und Regi-onalplanung, und Univ.-Prof. Dr. Hans-Peter Tietz, Fachgebiet Ver- und Entsorgungs-systeme, für ihre Unterstützung. Finanziell haben uns die Fakultät Raumplanung, die Martin-Schmeißer-Stiftung sowie das Akademische Auslandsamt der Universität Dortmund unterstützt.

Dank gebührt den Menschen in der Grenzregion, die uns während der Exkursion will-kommen geheißen und ihre Situation an Oder und Neiße interessant dargestellt haben. Hier sind zu nennen: Herr Georg Salditt (Internationales Bildungszentrum St. Marien-thal), Frau Verena Starke (Leiterin des Umweltamtes Görlitz), Herr Robert Knippschild (Institut für ökologische Raumentwicklung Dresden), Frau Sandra Kositz (Projektleiterin Projekt „Stadt 2030“ der Stadt Guben), Herr Dr. Frank Jost (Sonder-beauftragter des Oberbürgermeisters für die Strategie „Frankfurt (Oder) – Slubice 2003“), Herr Dr. Krzysztof Wojciechowski (Leiter des Collegium Polonicum in Slubi-ce), die Ranger des Nationalparks Unteres Odertal aus Criewen und Herrn Dariusz Dolgoszyja (Stadtplanungsbüro Szczecin). Ein ganz herzlicher Dank gebührt unseren Kollegen von der Partneruniversität in Stettin, Herrn Prof. Dr. Lechoslaw Czernik und seinen Mitarbeitern.

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5 Ein besonderer Dank geht an das Vorbereitungsteam: Lukas Chmielewski, Anna Fi-zek, Stefanie Goedecke, Aniola Hädrich, Beate Konieczny und Anne Thun haben ge-meinsam die Exkursion inhaltlich und organisatorisch mitvorbereitet. Ohne sie wäre die Durchführung der Exkursion nicht möglich gewesen.

Wir hoffen mit diesem Arbeitspapier den „unbekannten“ Nachbarn Polen einigen Deutschen näher zu bringen.

Dirk Bölitz, Johannes Flacke, Heike Köckler

Quellen

Bingen, Dieter (2001): Deutsch-polnische Beziehungen, In: Bundeszentrale für politi-sche Bildung (Hrsg.): Informationen zur politischen Bildung: Polen, Nr. 273, Heft 4/2001, Bonn

Botschaft der Republik Polen in der Bundesrepublik Deutschland, Wirtschafts- und Handelsabteilung (o.J.): Wirtschaftsentwicklung in Polen 2003+2004, http://www.wirtschaft-polen.de/de/polen2003_2004_pliki/frame.htm (Zugriff am 22.04.2004)

ISW-Institut für Stadtentwicklung und Wohnen des Landes Brandenburg (Hrsg.) (2002): Grenzstädte – ein Vergleich, Frankfurt (Oder)(ISW-Schriftenreihe; 1-2002)

Jajesniak-Quast, Dagmara; Stoklosa, Katarzyna (2000): Geteilte Städte an Oder und Neiße: Frankfurt (Oder)-Slubice, Guben-Gubin und Görlitz-Zgorzelec 1945 - 1995, Berlin

Krätke, Stefan; Heeg, Susanne; Stein, Rolf (1997): Regionen im Umbruch: Probleme der Regionalentwicklung an den Grenzen zwischen „Ost“ und „West“, Frankfurt/Main

Rzeczpospolita vom 10.07.2003, http://www.infopolen.de (Zugriff am 20.01.2004)

Service- und BeratungsCentren der Kommunalgemeinschaft Europaregion POMERANIA e.V. (2004): Fragen und Antworten zum EU-Beitritt Polens, http://www.pomerania.net/einwohner_news.cfm (Zugriff am 22.04.2004)

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Maximilian Mendel

Sorgen, Ängste und Vorurteile in Deutschland und in Polen hinsichtlich des EU-Beitritts Polens

Nicht nur zwischen den beiden Nationalstaaten Polen und Deutschland verläuft eine abgesteckte Grenzlinie, auch bei den Bewohnern beider Staaten scheint es Grenzen in den Köpfen zu geben. Beide Seiten stehen der Annäherung durch den EU-Beitritt Po-lens im Mai 2004 nicht nur positiv gegenüber. Befürchtete negative Auswirkungen der Freizügigkeit der europäischen Waren- und Personenverkehrspolitik und unterschied-liche Positionen in Sicherheitsfragen schüren althergebrachte und neue Sorgen, Ängste und Vorurteile.

Gleichwohl steht man der künftigen Realität nicht nur negativ gegenüber. Auf polni-scher Seite war vor dem Beitrittsreferendum im Juni 2003 in den Medien zwar häufig die gut organisierte aber von der Zahl letztlich doch relativ kleine Gruppe der EU-Gegner zu sehen. Nach der Wahl konnte man sich aber anhand der Ergebnisse davon überzeugen, dass die überwiegende Mehrheit der polnischen Bevölkerung der EU po-sitiv gegenüber steht. Mit über 77 % stimmten die Polen für den Beitritt ihres Landes, bei einer Wahlbeteiligung von fast 59 %. Auch seitens der Politik wird der EU-Kurs von allen großen Parteien unterstützt; nur die Partei Leppers (Samoobrona - „Selbst-verteidigung“), die stets in nationalen rot-weißen Krawatten auftritt, sprach sich ve-hement gegen einen Beitritt aus.

Auch aus deutscher Sicht wird der EU-Beitritt Polens zumeist positiv gesehen. Einig sind sich die deutschen Politiker in der historischen Verpflichtung Deutschlands, ein friedliches und integratives Europa zu schaffen, in dem Polen eine wichtige Rolle spielt. So trat Deutschland in der „EU der 15“ immer als Fürsprecher der Polen auf. Aber auch wirtschaftlich gesehen scheint Deutschland als direkter Nachbar Polens und Tschechiens einer der Nutznießer der EU-Osterweiterung zu sein.

Aber worin besteht dann die allgemeine Skepsis? Im Folgenden soll dies aus der pol-nischen und deutschen Sichtweise heraus dargestellt werden.

Sorgen aus polnischer Sicht

Eine der Hauptbefürchtungen vieler Polen ist der „Ausverkauf polnischen Bodens“ an Ausländer, insbesondere an die Deutschen. Vor allem nationalistische Bewegungen im polnischen Lager wissen diese Ängste auszunutzen. Die EU gewährleistet in allen Mitgliedsstaaten die freie Entscheidung über den individuellen Wohnstandort und auch über Landkauf aus anderen Gründen. Nun sind die Grundstückspreise in Polen im europäischen Vergleich extrem niedrig und daraus schließen viele Polen finanz-starke Westeuropäer würden Grund und Boden kaufen wollen. In diesem Zusammen-hang wird in Polen auch gerne ein Vergleich zu den Verhältnissen nach der Wende in Deutschland gezogen. Da Polen im Verlauf seiner Geschichte immer wieder von ande-ren Staaten besetzt wurde, sind die Empfindlichkeiten in diesem Kontext verständli-cherweise sehr groß. Besondere Ängste sind gegenüber ehemaligen Besitzern deutscher Herkunft vorhanden, die im Verlaufe des zweiten Weltkrieges vertrieben wurden und nun „ihr Eigentum“ zurückkaufen könnten. Polen hat während der Bei-trittsverhandlungen eine Übergangsfrist von 12 Jahren beim Landkauf ausgehandelt und, da diese nur eine zeitliche Befristung darstellt, im nationalen Recht den Landkauf außerhalb von Siedlungen – für Ausländer wie für Polen – daran gekoppelt, dass der Käufer einen landwirtschaftlichen Beruf erlernt haben und diesen (im besten Fall) auch ausüben muss. Diese Maßnahmen sorgten schon für ruhigere Verhältnisse in der sensiblen Debatte, aber ob dies endgültig Ruhe in dieser Frage verspricht, wird sich erst in der Zukunft zeigen.

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7 Außerdem haben viele Polen Angst hinsichtlich der Arbeitsmarktpolitik der europäi-schen Union. Zur Anpassung an den europäischen Markt musste Polen seit der Be-werbung 1994 sein Rechtssystem ändern und seinen Markt öffnen. Diesem plötzlichen Wettbewerbsdruck konnten viele polnische Unternehmen nicht standhalten, was viele Millionen Arbeitsplätze kostete. Auch der aus EU-Sicht rückständigen, meist kleinbe-trieblichen Landwirtschaft standen und stehen noch schwerwiegende Änderungen be-vor, während gleichzeitig die Agrarsubventionen nicht dem heutigen EU-Niveau entsprechen werden. Dies schürt gerade bei den Bevölkerungsschichten Existenzängs-te, die schon nach der politischen Wende 1989 zu den Verlierern zählten. Zudem be-fürchten viele Polen einen Abbau der Sozialstandards.

Andererseits werden gerade die Veränderungen im polnischen Wirtschaftssystem von eigenen Experten als grundlegend für die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt und eine positive innere Entwicklung gewertet. Andere Alternativen wie beispielswei-se ale eine Insel am Rande der EU mit stärkeren Bindungen gen Osten erscheinen da-gegen so gut wie keinem Polen erstrebenswert. Auch hier bleibt abzuwarten, wie die Entwicklung verlaufen wird. Nimmt man Portugal, Irland oder Griechenland, die sich in einer ähnlichen Situation zum Zeitpunkt ihres Beitritts befanden, als Beispiele, so erfährt man, dass die unterschiedlichsten positiven wie negativen Entwicklungen ein-setzen können.

Sorgen aus deutscher Sicht

Aus deutscher Sicht ruft Polens EU-Beitritt ganz andere Probleme hervor. Haupt-streitpunkt ist hier der freie Arbeitsmarkt in der EU und die befürchtete Invasion billi-ger Arbeitskräfte auf den binnendeutschen Markt. Dies führte dazu, dass Deutschland in den Verhandlungen eine Übergangsfrist von sieben Jahren für den Zugang polni-scher Arbeiter zum deutschen Arbeitsmarkt durchsetzte. Eine solche Frist ist unter den EU-Mitgliedsstaaten eine Ausnahmeerscheinung. So haben Schweden und Großbri-tannien, die wie Deutschland schon jetzt einen hohen Anteil polnischer Arbeiter auf-weisen, keine ähnliche Frist verlangt. Dies deutet auf positivere Szenarien der Arbeitsmarktentwicklung als die von Deutschland angenommene hin. Allerdings den-ken Mitglieder im Deutschen Bundestag schon über eine Ausnahmeregelung für pol-nische KrankenpflegerInnen nach. Neben dieser hauptsächlichen Angst vor zunehmender Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt wird eine steigende Kriminalitätsrate als zweite große negative Auswirkung befürchtet (bpb 2002: 36ff., 50ff.).

Sicherlich kann man hier, wie auch beim Ausverkauf des Grund und Bodens auf pol-nischer Seite, von Vorurteilen reden. Allerdings werden sich diese nicht sofort in Luft auflösen und es scheint daher eine Kampagne für gegenseitiges Verständnis und wirk-liche Annäherung notwendig zu sein.

Fazit

In obigen Ausführungen konnte und ist bewusst nur eine Auswahl von Sorgen, Ängs-ten und Vorurteilen beschrieben worden, nämlich diejenigen, die im öffentlichen Be-wusstsein beider Nationen in der momentanen Diskussion die größte Rolle spielen. Insgesamt muss man allerdings sehen, dass sie zwar hintergründig existieren, aber si-cherlich nur einige der verschiedenen Szenarien darstellen, die derzeit diskutiert wer-den. Sehr stark spielen dabei alte Vorurteile eine Rolle. Sieht man sich die Ängste und Befürchtungen von Deutschen und Polen an, so erkennt man einen starken Zusam-menhang zu Vorurteilen, die eine tiefe Verwurzelung in der Geschichte des letzten Jahrhunderts erkennen lassen: Hierzu gehört in erster Linie der Nationalsozialismus mit seiner aggressiven Expansionspolitik, die Lebensraum im Osten schaffen sollte, aber auch der Sozialismus Polens, der nach der politischen Wende 1989 ein wirt-schaftlich geschwächtes Polen mit starken Anpassungsproblemen an den neuen Markt entließ. Andere Vorurteile lassen sich dagegen kaum erklären, sind aber dennoch prä-sent und müssen beachtet werden. Vorurteile kann man – so unbegründet sie auch sein mögen – nicht so leicht aus der Welt schaffen, da sie in den Menschen tief verwurzelt

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8 sind. Es ist davon auszugehen, dass diese Vorurteile erst in einem langen Prozess ü-berwunden werden können. Trotz aller Vorurteile überwiegen positive Gedanken die Aufnahme in die Europäische Union. Die Mehrzahl der Deutschen und Polen sieht darin Chancen der Vereinigung der Menschen Europas. Außerdem erhoffen sich viele weiterhin eine positive Entwicklung in wirtschaftlicher Hinsicht, die auch soziale Maßnahmen mit sich bringen wird und somit mit den schon beschriebenen Ängsten in Widerspruch steht.

Momentan kann die Entwicklung der kommenden Jahre lediglich mit Verständnis für die Befürchtungen aller Beteiligten beobachtet werden und gleichzeitig von allen Be-teiligten der Versuch unternommen werden, diese durch gegenseitige Annäherung zu überwinden.

Quellen

bpb - Bundeszentrale für politische Bildung (2002): Mehr Europa – Das Beispiel Po-len. Fluter Nr. 4, 09/2002, Bonn

Schwall-Düren; Lingen (2003): Hälfte des Weges: Deutsch-polnische Beziehungen vor den Herausforderungen einer erweiterten Union. Dialog Nr. 64.

Kerski, B. (2003): Kopenhagen, Irak-Krieg und EU-Referendum: Über die Entwick-lung der deutsch-polnischen Beziehungen. Dialog Nr. 64

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9

Peter Höfer

EU-Programme zur Stärkung der deutsch-polnischen Grenzregion

Die deutsch-polnische Grenzregion ist zunächst ein wenig definierter Raum. Wie könnten nun mögliche Abgrenzungen und Begrenzungen dieses Raumes bezüglich ei-ner regionalen Förderpolitik aussehen? Kann der Grenzraum aus den verschiedenen EU-Förderpolitiken Vorteile ziehen oder fehlt der Förderpolitik ein roter Faden, der auf die spezifischen Probleme einer solchen Grenzregion eingeht? Diese Fragen ste-hen im Mittelpunkt dieses Aufsatzes.

Neben der Bewertung der Förderprogramme der EU müssten für eine umfassende Be-urteilung auch die nationalen Programme und diversen Übergangsfristen der EU-Erweiterung miteinbezogen werden (s. Bundesministerium für Wirtschaft und Tech-nologie 2002). Der vorliegende Text bezieht sich vor allem auf die Gemeinschaftsini-tiativen Interreg und Phare und erhebt damit nicht den Anspruch einer umfassenden Gesamtbewertung der Förderpolitik in der deutsch-polnischen Grenzregion.

Der deutsch-polnische Grenzraum

Bisher verlief zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen ein Teil der östlichen EU-Außengrenze. Mit der EU-Erweiterung am 01.05.2004 ver-schiebt sich diese Außengrenze in Richtung Osten. Die deutsch-polnische Grenze ver-läuft größtenteils entlang der Flüsse Oder und Lausitzer Neiße, nur im nördlichen Teil weicht sie vom Flussverlauf ab. Die entlang dieser Grenze liegenden Gebiete werden durch ihre Lage als Grenzregionen bezeichnet, die auf unterschiedliche Weise defi-niert werden können. Eine allgemeingültige territoriale Definition ist nicht existent (s. Wack 2002).

Nach Wack wird im allgemeinen Sprachgebrauch die Grenzregion im engeren Sinne als ein 50 - 100 km breiter Streifen und in der Einordnung eines erweiterten Grenz-raums als ein 200 bis 300 km breiter Streifen entlang der Grenze beschrieben (s. Wack 2002). Im Zusammenhang mit verschiedenen EU-Programmen (s.u.) werden die Grenzregionen über Verwaltungsgrenzen bestimmt. Diese Einteilung ist durch die polnische Verwaltungsreform im Januar 1999, durch die das Verwaltungssystem von zwei Ebenen (Gemeinde / Wojewodschaft) in ein dreistufiges System (Gemeinde / Kreis / Wojewodschaft) umgewandelt wurde, stark vereinfacht worden (s. Stöber 2002). So befinden sich heute auf polnischer Seite der Grenze drei Wojewodschaften (Zachodno-pomorskie, Lubuskie und Dolnoslaskie) und auf deutscher Seite drei Bun-desländer (Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen). Eine Definition der Grenzregionen über die räumliche Ebene der Wojewodschaften und Bundesländer entspricht der Einteilung der NUTS-1 Ebene, die von der Europäischen Union für sta-tistische und strukturpolitische Arbeit verwendeten wird.

In dem „Joint Programming Document Phare-CBC/Interreg“ wird die Grenzregion als ein die Grenze beidseitig entlanglaufender Streifen aus je einem (deutschen bzw. pol-nischen) Kreis bzw. einer kreisfreien Stadt beschrieben. Eine andere Form der Defini-tion ist die Zugehörigkeit zu einer der vier Euroregionen, die jeweils einen transnatio-nalen wirtschaftlichen Zusammenschluss von Gemeinden darstellt (s. Wack 2002).

Probleme und Chancen der deutsch-polnischen Grenzregion

Die Kommunen und Kreise entlang der deutsch-polnischen Grenze haben alle mit ähnlichen strukturellen Schwächen und Entwicklungsrückständen zu kämpfen. Diese Problemlagen werden im Folgenden beschrieben.

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10 Das größte Problem liegt im Bevölkerungsrückgang und der damit einhergehenden Entvölkerung von Teilräumen. Zusätzlich entstehen starke sozialräumliche Unter-schiede zu den (von der Grenze) abgewandten benachbarten verdichten Räumen. Durch den Verlust der Bevölkerung haben die Kommunen auf deutscher Seite neben einem erheblichen Geburtenrückgang in den letzten Jahren mit immensen Wohnungs-leerständen zu kämpfen. Auf polnischer Seite ist das Gegenteil der Fall. So besteht in den grenznahen polnischen Gebieten erheblicher Wohnungsmangel. Hierdurch eröff-nen sich große Handlungspotenziale zum Ausgleich dieser Missstände, die jedoch auf Grund schwieriger rechtlicher und sozialer Probleme nicht ausgeschöpft, teils nicht einmal angegangen werden können. Durch den Beitritts Polens zur Europäischen Uni-on ergibt sich zumindest mittelfristig die Chance durch Kooperation den „deutschen“ Wohnungsüberschuss mit dem „polnischen“ Wohnungsmangel zu kompensieren. Weiterhin gehen mit dem demographischen Wandel eine gravierende Überschuldung kommunaler Haushalte und eine hohe Jugendarbeitslosigkeit einher.

Die größten Chancen der EU-Osterweiterung werden in der Literatur meist im öko-nomischen Bereich gesehen. Hierbei spielen die Vereinfachung des grenzüberschrei-tenden Handels und des Warenaustauschs eine gewichtige Rolle (s. Stegt 2002). Je-doch ist die Gefahr groß, dass die Potenziale durch die Markterweiterung die Grenzre-gionen als Profiteure „überspringen“, da „der wirtschaftliche Integrationsgrad von Grenzregionen […] generell niedriger als der von Regionen innerhalb nationaler Wirt-schaftsräume“ ist (s. hierzu auch den Beitrag von Dirk Bölitz in diesem Heft; vgl. Krätke 2001). Begründet wird dies durch unterschiedliche räumliche Ausdehnung von Unternehmenskooperationen. So profitiert die Grenzregion vor allem durch regional integrierte Unternehmensbeziehungen nicht aber durch wirtschaftliche Kooperationen, die jeweils jenseits des Grenzraumes Fuß fassen und somit der Grenzregion die Auf-gabe überlässt, das transnationale Transportvolumen zu bewältigen (Krätke 2001).

Jedoch werden durch die Erleichterung des freien Personenverkehrs die Kaufkraftzu-flüsse deutscher Einzelhändler durch Polnische Kundschaft steigen, wie dies bereits jetzt der Fall ist (s. Krätke 2001, Stegt 2002). Ebenso entstehen ein erweitertes Markt-gebiet und somit Wettbewerbsvorteile innerhalb Polens. Deutsche Unternehmen kön-nen dann einfacher Zweigstellen auf polnischem Gebiet etablieren und regionale Wertschöpfungspartnerschaften schließen (s. Krätke 2001). Auch können einzelne Wirtschaftszweige wie beispielsweise der Tourismus durch eine durchlässigere Gren-ze profitieren, wie es die stetige Entwicklung des Fremdenverkehrs am Stettiner Haff (Landkreis Uecker-Randow) zeigt (Wack 2002).

Die EU-Gemeinschaftsinitiativen Interreg und Phare

Da die Kombination der Gemeinschaftsinitiativen Interreg und Phare explizit der För-derung von Grenzregionen dienen, werden diese im Folgenden beschrieben.1

Das Interreg - Programm

Ziel des Interreg-Programms ist die räumliche Entwicklung und Integration Europas voranzutreiben. Um dies zu erreichen ist es nötig, dass die Anwendung von Interreg durch nationale Grenzen nicht behindert wird. Zu beachten ist jedoch, dass für Interreg das so genannte Territorialprinzip gilt, sprich Interreg nur im Raum der EU zum Ein-satz kommen darf und somit keine Fördermöglichkeiten für die Beitrittsstaaten dar-stellt. Das finanzielle Volumen für das dritte Interreg-Programm in der Förderperiode 2000 - 2006 beläuft sich auf insgesamt 5 Mrd. €, auf Deutschland insgesamt entfallen davon knapp 800 Mio. €.

Das Programm kommt in drei verschiedenen Ausrichtungen zum Tragen:

1 Sofern nicht anders gekennzeichnet beruhen die Unterkapitel „Das Interreg-Programm“ und „Phare und Phare/CBC“ auf der Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, 2002

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11 Interreg III A (Grenzübergreifende Zusammenarbeit): Es werden grenzübergreifenden Projekte gefördert. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der strukturellen För-derung von Grenzregionen und ist somit für die deutsch-polnische Grenzregion von Bedeutung. Eine Förderung durch Interreg III A ist unter folgenden Schwerpunkten möglich: „Wirtschaftliche Entwicklung und Unternehmenskooperation“, „Infrastruk-tur“, „Umwelt“, „Ländliche und städtische Entwicklung“, „Bildung, Qualifizierung und Beschäftigung“, „Zusammenarbeit, Kultur, Soziales und Sicherheit“. Derzeit gibt es auf deutscher Seite der deutsch-polnischen Grenze drei Vorhaben, die im Zeitraum 2000 - 2006 gefördert werden (Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg/Wojewod-schaft Zachodniopomorskie 83,1 Mio. €; Brandenburg/Wojewodschaft Lubuskie 96,2 Mio. €; Sachsen/Wojewodschaft Dolnoslaskie 42,7 Mio. €).

Interreg III B (Transnationale Zusammenarbeit) dient der Förderung des Erfahrungs-austausches in so genannten Kooperationsräumen. Hierbei ist es nicht erforderlich, dass die beteiligten Regionen benachbart sind. Ziel ist es gleiche bzw. ähnliche Prob-leme einzelner Regionen staatenübergreifend zu lösen. Neben anderen Staaten befin-den sich Deutschland und Polen gemeinsam in den Kooperationsräumen „CADSES“ und „Ostseeraum“. Projekte, die durch Interreg III B gefördert werden können, sollten u.a. auf folgende Themenschwerpunkte ausgerichtet sein: „Effiziente und umweltver-trägliche Verkehrsnetze“, „verbesserter Zugang zur Informationsgesellschaft“, „Um-welt, nachhaltige Bewirtschaftung des Kulturerbes und natürliche Ressourcen“, und „Raumentwicklungsstrategien einschließlich Zusammenarbeit zwischen Städten sowie zwischen Stadt und Land“.

Interreg III C (Regionale Zusammenarbeit): Der Schwerpunkt von Interreg III C liegt im Erfahrungsaustausch zur Verbesserung der Gestaltung von Instrumenten der Regi-onalentwicklung. Hierbei können Projekte gefördert werden, die „Erfahrungsaus-tausch und Vernetzung im Bereich von Strukturfondsaktivitäten“ oder die „Zusam-menarbeit bei Forschung, technologischer Entwicklung und KMU (Kleinen und Mitt-leren Unternehmen), Informationsgesellschaft, Tourismus, Kultur und Beschäftigung, Unternehmertätigkeit und Umwelt“ zum Thema haben.

Phare und Phare/CBC

Das Phare Programm wurde 1989 ins Leben gerufen, um zunächst für Ungarn und Po-len die finanzielle und technische Zusammenarbeit in der Europäischen Union zu för-dern. 1996 wurde das Phare-Programm auf alle 13 Mittel- und Osteuropäischen Staaten ausgedehnt.

Für die Beitrittkandidaten umfasst das Phare-Programm mittlerweile die Förderung des institutionellen Auf- und Ausbaus sowie die Investitionsförderung. Im Themenfeld des institutionellen Auf- und Ausbaus gilt die Unterstützung den Bereichen „Sektor-spezifische Prioritäten“, „Managementreformen im öffentlichen Dienst“, „Teilnahme an Gemeinschaftsprogrammen“, „Maßnahmen zugunsten der zivilen Gesellschaft“ und „Justiz und Inneres“. Das Themenfeld Investitionsförderung unterteilt sich in die Bereiche „Investitionen in EU-Normen“, „Regionalentwicklung“, „Großinfrastruktur“ und „Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen“ (s. Europäische Kommissi-on 1999).

Um Schwierigkeiten der (Ko-)Finanzierung der Beitrittskandidaten bei grenzüber-schreitenden Projekten aus dem Weg zu räumen, wurde unter Phare das Teilprogramm Phare/CBC (cross-border-cooperation) ins Leben gerufen. Dieses soll als ein Kom-plementärprogramm zu Interreg fungieren. Es ermöglicht somit Regionen, die nicht EU-Mitglieder sind, an Interreg-Projekten teilzunehmen.

Das Volumen von Phare beläuft sich jährlich auf 103 Mio. € für die sieben Beitritts-kandidaten. Auf den Teil der deutsch-polnischen Grenze entfallen davon jährlich 44 Mio. €, in der gesamten Förderperiode von 2000 - 2006 somit 308 Mio. €.

Schwierigkeiten stellt die Koordination mit dem Interreg-Programm dar, da Pha-re/CBC von den Beitrittskandidaten nur als Kofinanzierung von Interreg III A genutzt

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12 werden kann, nicht jedoch als Kofinanzierung der transnationalen und der regionalen Zusammenarbeit (Interreg B und C).

Bewertung

Zur Förderung von Grenzregionen seitens der EU stehen zahlreiche Programme und Initiativen zur Verfügung. Dies zeigt, dass die Europäische Union die spezifischen Probleme der Grenzregionen erkannt hat und Wege geschaffen hat, diesen zu begeg-nen. Um das Kohäsionsziel – Ziel des Ausgleichs des Entwicklungsstandes der unter-schiedlichen Regionen Europas – zu erreichen, ist die Vielzahl finanziell gut ausge-statteter Programme notwendig. Jedoch treten Koordinationsprobleme bei gleichzeiti-ger, sich ergänzender Anwendung unterschiedlicher Programme auf. Diesbezüglich sind Ansätze vorhanden, Schwierigkeiten in der Abstimmung der Programme zu ver-meiden. So wurden mit den Joint Programming Documents für die Gemeinschaftsini-tiative INTERREG III A / PHARE CBC II (2000 - 2006) gemeinsame Ziele definiert. Allerdings gibt es teils erhebliche Probleme in der Abstimmung und der Anwendung der Gemeinschaftsinitative. Deutlich wird dies in einer Veröffentlichung des Bundes-ministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWI) über die „Gemeinschaftsaktion für Grenzregionen“, welche 2001 von der Kommission vorgelegt wurde. Im Doku-ment des BMWI nimmt der Punkt einer Verbesserung der Koordination von Phare CBC und Interreg III eine wesentliche Rolle ein. Die Probleme in der Abstimmung von Interreg und Phare/CBC belaufen sich auf drei unterschiedliche Bereiche, den Anwendungsbereich, die Koordination und Struktur der Akteure und inhaltliche As-pekte (vgl. Riedel et al. 2001).

Anwendung

Für die Programme Interreg und Phare sind unterschiedliche Generaldirektionen (GD) der Europäischen Kommission verantwortlich. Für Interreg ist das die GD XVI (Regi-onalpolitik und Kohäsion), für Phare ist die GD I (Auswärtige Beziehungen) verant-wortlich. Das heißt parallel eingereichte Projektvorschläge werden von unterschiedli-chen Stellen bearbeitet, was im schlimmsten Falle dazu führen kann, dass nur ein Pro-jekt gefördert wird. In der Umsetzung fehlt damit der andere Teil des Gesamtprojek-tes, wodurch die Ziele der kombinierten Projekte mitunter nicht erreicht werden kön-nen. Bildlich gesehen entsteht dann eine Brücke, die nur bis zur Flussmitte reicht. Daneben sind die Strukturen der Umsetzung der Programme unterschiedlich. So wer-den die Projekte von Interreg dezentral verwaltet, die von Phare jedoch zentral. Auch der zeitliche Bewilligungsrahmen für Interreg und Phare CBC unterscheidet sich er-heblich mit mindestens 3 Monaten (Interreg) und bis zu 1,5 Jahren (Phare).

Neben diesen formalen Problemen auf Seiten der EU stellen auch die Sprachunter-schiede und die unterschiedlichen Planungssysteme und -kulturen in Deutschland und Polen selbst häufig ein Problem in der Umsetzung der Programme dar. So ist die deutsch-polnische Grenze eine der härtesten Sprachgrenzen innerhalb Europas (vgl. Rada 2002; Riedel et al. 2001).

Koordination und Struktur der Akteure

Ein gemeinsam geplantes Projekt, das der EU-Förderung bedarf, muss in zwei Teil-Projekte unterteilt werden, die dann aus unterschiedlichen Töpfen gefördert werden können. Der von den Projektantragstellern verlangte Koordinationsaufwand ist eine erhebliche Hürde für die kommunalen Akteure. Sie müssen nicht nur die Projektanträ-ge inhaltlich aufeinander abstimmen, sondern auch den ungleichen zeitlichen Bewilli-gungsrahmen in der Projektplanung berücksichtigen.

Hierbei ist neben dem Koordinationsdruck auch die unterschiedliche Struktur der Ak-teure zu beachten. Diese differieren zum Teil erheblich in personellen Ressourcen dies- und jenseits der Grenze, aber auch in Entscheidungsbefugnissen (Andrzej Wyrfel, 19. - 23.12.2003).

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13 Inhaltliche Ausrichtung

Die bisherige Ausrichtung von Interreg und Phare/CBC bezieht sich hauptsächlich auf Infrastrukturprojekte und auf den Auf- und Ausbau der grenzüberschreitenden Bezie-hungen. Aufgrund der jahrzehntelang hermetisch abgeriegelten Grenze und den daraus entstandenen Problemen ist diese Akzentuierung nachvollziehbar. Jedoch ist bislang unklar, inwieweit für die Grenzregionen spezifischer ausgelegte Programme erforder-lich sind und wie diese aussehen könnten (s. Riedel et al. 2001).

Von allen vorhandenen Strukturmitteln werden heute nur ca. 2/3 abgeschöpft. Dies zeigt, dass es schwerwiegende Probleme in der Wahrnehmung von Fördermöglichkei-ten, aber vor allem auch in der Beantragung von Förderungen gibt. Denn die Beantra-gung ist sehr schwerfällig und die formalen Gegebenheiten erschweren die Ausschöp-fung der Fördermittel. Ein weiterer Grund ist die für Regionen schwierige Kofinanzie-rung der Projekte. Trotz der angesprochenen Probleme hinsichtlich der Umsetzung haben die Programme und Initiativen der EU für die Grenzregionen positive Effekte. Hier sind neben der Umsetzung zustande gekommener Projekte vor allem der Aufbau und die Vertiefung der Beziehungen untereinander hervorzuheben. Durch die Förde-rung der (finanziellen) Attraktivität, gemeinsame Probleme auch gemeinsam beheben zu können, kommen sich die regionalen und lokalen Akteure näher, lernen sich und ihre unterschiedlichen Planungsauffassungen und -möglichkeiten kennen. Es werden Kooperationsstrukturen aufgebaut, die nach dem Beitritt Polens zur EU und damit einhergehender Vereinfachung der Anwendung von Förderprogrammen, genutzt wer-den können. Jedoch ergibt sich hieraus auch die Frage der weiteren Planungen seitens der EU in Bezug auf die Förderungsinstrumente. Es ist bis dato offen, inwieweit Ge-biete Polens ab Mai 2004 z.B. aus EFRE-Mitteln gefördert werden, inwieweit Pro-gramme aus der laufenden Förderperiode (2000 - 2006) auch von den EU-Neumitgliedern genutzt werden können. Hierzu fehlen Aussagen aus Brüssel, genau wie zu der Weiterentwicklung der Strukturförderung generell und zu möglicher finan-zieller Ausstattung der Strukturfonds im Besonderen (Andrzej Wyrfel, 19.- 23.12.2003).

Zumindest nach heutigem Stand greift das Territorialprinzip ab Mai 2004 auch für die dann neuen Mitgliedsstaaten. Somit entfallen für die deutsch-polnische Grenzregion Probleme in der Anwendung von Förderprogrammen. Jedoch sollten daraus auch für nachfolgende Erweiterungen (Bulgarien, Ungarn, Türkei) Schlüsse gezogen werden, um ähnliche Probleme in den zukünftigen Grenzregionen zu vermeiden.

Da bereits eine Fülle an Förderinstrumenten zur Verfügung steht, erscheint eine For-derung nach neuen Förderungsansätzen nicht sinnvoll. Jedoch kann die Effektivität durch schlichte Vereinfachung und Angleichung der formalen Abläufe gesteigert wer-den und damit auch einen Beitrag zur Akzeptanz der Sinnhaftigkeit der EU-Strukturförderung geschaffen werden. Die heutigen Grenzregionen liegen nach der Erweiterung in einer geographischen Mitte Europas. Auf ihnen lastet ein besonderer Umstrukturierungsdruck. Hieraus lässt sich der bevorzugte Bedarf an gezielter Förde-rung im Sinne der europäischen Integration begründen (s. Riedel et al. 2001).

Quellen

Literatur

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie – Referat für Öffentlichkeitsarbeit (Hrsg.) (2002): Förderung der Grenzregionen zu den Beitrittsländern – Die Hilfen von EU, Bund und Ländern. Dokumentation Nr.: 502. o.O.

Europäische Kommission – Generaldirektion Außenbeziehungen (1999): Was ist Pha-re. o.O.

Krätke, Stefan (2001): Regionale Wirkungen der EU-Osterweiterung. In: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) (2001): Informationen zur Raumentwick-lung. Heft Nr. 11/12.2001. Bonn

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14 Rada, Uwe (2002): Härteste Sprachgrenze Europas, taz - die tageszeitung vom 22.Mai 2002)

Riedel et al.(2001): EU-Osterweiterung und deutsche Grenzregionen - Strukturpolitik und Raumplanung in den Regionen an der mitteleuropäischen EU-Außengrenze zur Vorbereitung auf die EU-Osterweiterung. Ifo Dresden Studien 28/I. Dresden

Stegt, Josef (2002): Chancen und Risiken für Grenzregionen nach der EU-Osterweiterung. In: Deutscher Landkreistag (Hrsg.) 2002: Der Landkreis. Nr. 11/2002. Berlin

Stöber, Georg (2002): Polen, Deutschland und die Osterweiterung der EU aus geogra-phischen Perspektiven. Hannover

Wack, Siegfried (2002): Hoffnung auf gemeinsame Zukunft am Vorabend der EU-Osterweiterung – Kommunale Nachbarn bereiten sich auf den Beitritt Polens vor. In: Deutscher Landkreistag (Hrsg.) (2002): Der Landkreis. Nr. 11/2002. Berlin

Gespräche

Andrzej Wyrfel: Botschaftsrat (EU-Angelegenheiten, multilaterale Handelsbeziehun-gen, WTO) der Botschaft der Republik Polen, Wirtschafts- und Handelsabteilung; Ge-spräch im Rahmen des Workshops „EU-Osterweiterung – Was heißt der für die Stadt und Regionalplanung“ im Rahmen des PlanerInnentreffens 2003, vom 19.- 23.12.2003 in Berlin

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Aniola Hädrich, Dominique Hebebrand

Görlitz und Zgorzelec auf dem Weg zu einer gemeinsamen Stadt?

Das Projekt „Stadt 2030“ als Wegbegleiter der Wiedervereinigung

Die Stadt Görlitz wurde erstmals 1071 als „Villa Goreliz“ urkundlich erwähnt. Auf-grund ihrer günstigen Lage an einer Neißefurt und am Kreuzungspunkt zweier bedeu-tender mittelalterlicher Handelswege hatte sie sich bis zum Ende des 16. Jahrhunderts zu einer reichen Kaufmannsstadt und einem Zentrum des Tuchmacherhandwerks ent-wickelt. Ihre Bedeutung zu dieser Zeit spiegelte sich auch in ihrer Bevölkerungszahl wider. Mit rund 10.000 Einwohnern war sie die größte Stadt zwischen Breslau und Er-furt. Während der Industrialisierung ab 1830 bildeten sich zahlreiche Betriebe der me-tallverarbeitenden, Textil-, Lebensmittel- und optischen Industrie, deren Bedeutung weit über die Ländergrenzen hinausging. Um die Jahrhundertwende hatte sich Görlitz dank seiner Lage, den ausgedehnten Parkanlagen sowie seiner milden Steuerpolitik zudem zu einer beliebten und wohlhabenden Pensionärsstadt mit einem breiten Bil-dungsbürgertum entwickelt. Neben einer Vielzahl an Pensionären gab es aber auch ei-nen hohen Anteil junger Menschen. Den größten Bevölkerungsanteil machten die In-dustriearbeiter und deren Angehörige aus. Die Bevölkerung wuchs in dieser Zeit auf 80.000 Einwohner.

Die vielen öffentlichen und kulturellen Einrichtungen, u.a. das Landgericht, elf Amts-gerichte, mehrere höhere Schulen und Fachhochschulen sowie zwei Theater und Va-rietes, machten Görlitz zum administrativen und kulturellen Zentrum in der Region, das durch seine verkehrsgünstige Lage und die Nähe zum Riesengebirge auch zahlrei-che Touristen anlockte (s. Website IÖR et al.).

Abb.1: Bürgerhäuser auf dem Görlitzer Untermarkt

Foto: Cordula Feigs

Nach Ende des zweiten Weltkriegs wurden Oder und Neiße als Grenze zu Polen fest-gelegt und die Stadt somit in das deutsche Görlitz und das polnische Zgorzelec geteilt. Görlitz diente nach dem Krieg als Durchgangsstation für Flüchtlinge, die überwiegend aus Zgorzelec und Schlesien kamen. Dadurch stieg die Bevölkerungszahl kurzfristig auf über 100.000 Einwohner an. Ab 1950 sanken die Einwohnerzahlen jedoch konti-nuierlich. Die Gründe hierfür lagen zum einen im Rückgang der Geburtenrate, zum anderen führte die Vernachlässigung der nun peripher gelegen Stadt seitens der Regie-rung der DDR zu einer Verschlechterung der Lebensbedingungen für die Bevölkerung und zu einer Abwanderung der Bewohner in die überregional bedeutsamen Braunkoh-legebiete um Hoyerswerda.

Trotzdem konnte sich Görlitz einen Teil seines Ansehens erhalten und sich durch den Ausbau des Bergbau- und Energiesektors zu einem regionalen Industriezentrum

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16 entwickeln. Auch die Bedeutung der Stadt als administratives, kulturelles und touristi-sches Zentrum blieb wegen der zahlreichen vorhandenen Einrichtungen und städte-baulichen Attraktionen erhalten.

Der Systemwandel nach der Wende 1989 führte zum Wegbrechen der Industrien. Bis auf drei größere Unternehmen, einen Schienenfahrzeughersteller, das Turbinenwerk und einen Textilhersteller, existieren in Görlitz heute nur noch sehr kleine Betriebe, die von privater Hand übernommen wurden. Der dadurch entstandene hohe Arbeits-platzverlust konnte auch durch den Ausbau des Dienstleistungssektors nicht aufgefan-gen werden. Der Bedeutungsverlust der ehemals einflussreichen Industriestadt nahm zu, was weitere Abwanderungen, besonders von jungen Menschen, nach sich zog. 2002 betrug die Bevölkerungszahl 61.000 Einwohner, die Arbeitslosenquote lag bei etwa 23 %. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung betrug 48 Jahre.

In Zgorzelec wurden ab 1945 Vertriebene aus den ehemals ostpolnischen Gebieten angesiedelt. Mit ca. 40.000 Einwohnern ist die Stadt heute etwa ein Drittel kleiner als Görlitz und die Fläche beträgt ungefähr ein Fünftel der ehemals vereinten Stadt. Da sich das alte Stadtzentrum im deutschen Teil der Stadt befindet, mussten öffentliche Gebäude und Einrichtungen neu errichtet werden. In Zgorzelec wurde – wie auch in Görlitz – der Bergbau- und Energiesektor aus- bzw. aufgebaut. Nach 1991 entwickelte sich die Stadt zu einem Zentrum für Tourismus und Handel (s. Website IÖR et al.).

Zusammenarbeit in Görlitz und Zgorzelec

Erste Annäherungen zwischen Görlitz und Zgorzelec entstanden 1950 mit dem „Gör-litzer Abkommen“. Sie bestanden vorwiegend in politischer Zusammenarbeit, aber auch zwischen Sportgruppen und Künstlern; ab 1958 kamen wirtschaftliche Kontakte hinzu. Nach Schließung der Grenze im Jahr 1980 (s. Beitrag von Dirk Bölitz et al. in diesem Heft) froren die Kontakte jedoch zum Großteil ein und erst nach der Wende entwickelten sich durch viele einzelne grenzüberschreitende Projekte und Aktivitäten formelle und informelle Netzwerke sowie eine Vielzahl an persönlichen Beziehungen.

Das 1991 geschlossene Partnerschaftsabkommen zwischen Görlitz und Zgorzelec um-fasst grenzüberschreitende Zusammenarbeit in vielen Bereichen, u.a. im Schul- und Gesundheitswesen, im Bereich der Kommunalwirtschaft, bei der Wasser- und Ener-gieversorgung, auf dem Gebiet der Umwelt, der Stadt- und Raumplanung, der Sanie-rung und Renovierung der Infrastruktur und von Wohnbauten sowie zwischen Feuer-wehren und Kultureinrichtungen. Um der Sprachbarriere entgegen zu arbeiten, ent-stand 1992 die Idee des "Sprachmobils", ein Projekt für deutsche und polnische Kin-der der Grenzregion, durch das sie spielerisch die Sprache ihrer Altersgenossen von der anderen Seite der Neiße lernen sollten. Durch gemeinsame Teilnahmen an Regio-nalmessen wird das Streben nach Wiedervereinigung auch nach Außen symbolisiert. Zudem sind beide Städte in das Regionale Projekt „Saubere Neiße“ eingebunden (s. Beitrag von Katrin Lenz in diesem Heft).

Eine erste Institutionalisierung der grenzüberschreitende Zusammenarbeit wurde 1994 mit der Einrichtung tragfähiger politischer Organisationsstrukturen in Form von Fach-arbeitsgruppen und einer Koordinierungskommission, die aus Abgeordneten beider Stadtverwaltung bestand, erreicht. Einmal jährlich findet eine gemeinsame Sitzung der beiden Stadträte statt.

Am 5. Mai 1998 proklamierten beide Städte die gemeinsame Europastadt Gör-litz/Zgorzelec. Davon wird eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölke-rung, die Überwindung von Nachteilen aus der Grenzlage, die Auflösung der Dispro-portionen der Stadtstruktur und eine Verbesserung der Chancen der Stadt im europäi-schen Wettbewerb erhofft. Die Europastadt soll eine wichtige Rolle bei der Integration Polens in die europäische Union spielen und sich zu einem geistigen und wirtschaftli-chen Zentrum der Region entwickeln, das als Modell für vergleichbare Städte und Re-gionen dienen könnte (s. IÖR et al. 2003c).

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Das Projekt „Stadt 2030 - Die Europastadt Görlitz/ Zgorzelec“

Um das Zusammenwachsen der Europastadt weiter zu fördern und strategisch auszu-richten, nahm Görlitz/Zgorzelec im Verbund mit dem Institut für ökologische Raum-entwicklung Dresden (IÖR) von Anfang 2002 bis Mitte 2003 am Ideenwettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung „Stadt 2030“ teil.

Ziel des 2030-Projektes war es, durch szenariengeleitete Strategie- und Leitbildentwicklung grenzüberschreitende Kommunikations- und Integrationsprozesse zu stärken und dauerhafte Vertrauensgemeinschaften zu fördern. Die Frage nach der Vorbereitung auf die Unwägbarkeiten im Zuge des EU-Beitritts Polens und nach einem zukunftsoffenen und dennoch strategisch geplanten Umgang mit Unsicherheit und Unerwartetem spielte dabei eine große Rolle. Ebenso zählten die gemeinsame aktive Gestaltung des Wandels, die Überwindung der teilungsbedingten städtebaulichen und infrastrukturellen Grenzen und die Förderung von Vertrauen über die Grenze hinweg zu den wichtigen Ausgangspunkten im grenzüberschreitenden Zukunftsdialog (s. Website BMBF).

Organisationsstruktur des Projektes

Zur Organisation des Verbundprojektes ergaben sich drei Aufgabenfelder, die in einer ständigen Wechselwirkung zueinander standen und folgende Thematiken beinhalteten: Projektkoordination (Modul 1), Grundlagenorientierte Forschung (Modul 2) und Er-probung und Anwendung (Modul 3).

Im Bearbeitungsfeld des Moduls 2 „Grundlagenorientierte Forschung“ wurden wis-senschaftliche Erkenntnisse über die Prozessgestaltung einer szenariengeleiteten Leit-bildentwicklung in einer geteilten Grenzstadt ermittelt. Die Anfertigung von wissen-schaftlichen Studien zu den Forschungsthemen „Szenarien und Strategieentwicklung“, „Kommunikation und Beteiligung“ und „Städtebau und Leitbilder der Stadtentwick-lung“ sollte helfen, den Leitbildprozess der Europastadt zu unterstützen und weiterzu-entwickeln. Die Leitung dieses Moduls lag in der Hand des IÖR. Zwar war eine Zu-sammenarbeit mit dem Niederschlesischen Zentrum für kommunalpolitische Bildung (DCSS) Wrocław angestrebt, da Stadt 2030 allerdings ein deutsches Projekt ist, gestal-tete sich die Beteiligung des polnischen Instituts schwierig. Das DCSS übernahm ü-berwiegend dokumentarische Funktionen und war an der vom IÖR entwickelten Vor-arbeit nicht beteiligt (s. IÖR et al. 2003c).

Der Arbeitsbereich des Moduls 3 „Erprobung und Anwendung“ spezialisierte sich darauf, die gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse aus Modul 2 anzuwenden und zu erproben. Hierfür gründeten sich fünf grenzüberschreitende Arbeitsgruppen (siehe Abb.2), die sich aus Vertretern der Stadtverwaltungen und lokalen Akteuren beider Städte zusammensetzten. Der Diskussionsprozess in den Arbeitsgruppen sollte mögliche zukünftige Entwicklungen sowie die Implementierung dieser aufzeigen. Hil-fe in der Ausarbeitung der verschiedenen Themenbereiche erhielten die Arbeitsgrup-pen durch einen externen Moderator aus der Schweiz.

Als verbindendes Element zwischen Modul 2 und Modul 3, d.h. zwischen wissen-schaftlichen Strategien und praxisorientiertem Handeln fungierte die Projektkoordina-tion (Modul 1). Mit der Bildung einer Kerngruppe als Erarbeitungsgremium, das die Leiter der Arbeitsgruppen aus dem dritten Modul „Erbprobung und Anwendung“ ver-einte, wurde die Steuerung der Projektarbeit gewährleistet. Der Projektbeirat, der sich aus Wissenschaftlern und Politikern aus Görlitz und Zgorzelec zusammensetzte, be-gleitete als Beratungsgremium den Prozess, die Lenkungsgruppe fungierte als Ent-scheidungsgremium. Für den kommunikativen Austausch beider Städte wurde ein Pro-jektbüro mit deutschen und polnischen Mitarbeitern eingerichtet. Es organisierte in Zusammenarbeit mit dem IÖR und den Facharbeitsgruppen den grenzüberschreiten-den Zukunftsdialog (s. ebd.).

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Abb. 2: Organisa-tionsstruktur und Akteure

Quelle: IÖR et al. 2003c: 2

Ablauf des Projektes

Zwischen Mai und August 2002 fand in den Facharbeitsgruppen die Diskussion wich-tiger Themen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Görlitz/Zgorzelec aus deutscher und polnischer Sicht statt. Die Ergebnisse wurden in einem Szenario-Feldworkshop zusammengetragen, in dem sich die vier zentralen Themenfelder „Wirt-schaft“, „Bevölkerung“, „Identität/Einstellung“ und „Grenzregion“ herauskristallisier-ten. Zu diesen vier Bereichen wurden anschließend zehn Expertisen jeweils gemein-sam von polnischen und deutschen Zukunfts- und Grenzraumforschern erstellt. In der nachfolgenden Szenarienkonferenz im November 2002 wurden die Resultate der Ex-pertisen dem praktischen Erfahrungswissen der lokalen Akteure, maßgeblich Mitglie-der der beiden Stadtverwaltungen, gegenübergestellt. In vier Zukunftsforen wurden bestehende und geplante Vorhaben im Hinblick auf mögliche zukünftige Herausforde-rungen betrachtet, wichtige Stadt 2030-Vorhaben benannt und notwendige Verände-rungs- und Ergänzungsbedarfe identifiziert.

In der Perspektivenwerkstatt im Mai 2003 wurden schließlich die Szenarien und Stadt 2030-Vorhaben auch mit der breiten Öffentlichkeit diskutiert. Die Werkstatt umfasste vier thematische Werkstätten, eine Schülerwerkstatt und eine anschließende Diskussi-on mit Politikern beider Städte. Da die Szenarien für die Öffentlichkeit und die lokalen Entscheidungsträger zu lang, zu komplex und zu abstrakt waren, mussten sie für die Perspektivenwerkstatt schriftlich, städtebaulich und graphisch-künstlerisch aufbereitet werden.

Neben verschiedenen grenzüberschreitenden Vereinen und Institutionen wurden Bür-ger durch Postwurfsendungen und Anzeigen im Amtsblatt über die Perspektivenwerk-statt informiert und dazu eingeladen. Die Beteiligung der Bevölkerung sollte bewusst zeitlich versetzt geschehen, um zunächst eine funktionierende Kooperation in den Verwaltungen zu schaffen und anschließend mit konkreten, ausgearbeiteten Vorschlä-gen an die Bürger heranzutreten.

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19 Die letzte Veranstaltung des Projektes war das „Internationale Symposium kooperie-render europäischer Grenzstädte“ im Juli 2003. Hier stand der Erfahrungsaustausch mit anderen Grenzstädten im Vordergrund (vgl. Website BMBF).

Nach Beendigung des Projektes im Juli 2003 sollte eine Weiterentwicklung der Stra-tegien und Leitbilder sowie die Projektevaluierung ohne begleitende institutionelle Hilfe stattfinden. Inwieweit Görlitz/Zgorzelec die Annäherung an die Ziele einer Eu-ropastadt erreicht hat, soll nachfolgend betrachtet werden.

Gestaltungsansätze für die Zukunft der Europastadt

Am 7. Mai 2003 war es endlich soweit: Zwischen Görlitz und Zgorzelec wurde der of-fizielle Baubeginn der Altstadtbrücke über die Neiße begangen. Zehn lange Jahre hat-ten sich Akteure beiderseits des Flusses dafür eingesetzt, dieses Projekt in Angriff zu nehmen und umzusetzen. Nicht nur um einen innerstädtischen Grenzübergang und damit eine völkerverbindende Funktion zu schaffen, auch der symbolische Gedanke des „Brückenschlags“ stand hier im Vordergrund. Zudem liegt die Brücke auf der städtebaulichen Hauptachse zur historischen Altstadt Görlitz und bildet somit nach ih-rer Fertigstellung im Juni 2004 den Hoffnungsträger für eine stärkere Eingliederung des derzeit abgeschnittenen polnischen Teils der Stadt. Die neue Brücke könnte inso-fern Bestandteil eines neuen Zentrums, eventuell das Zentrum einer gemeinsamen Stadt werden (s. NZZ vom 8. April 2003).

Aber nicht nur bauliche Projekte schaffen Ansätze, um die Kooperation und das Zu-sammenwachsen der Zwillingsstädte Görlitz und Zgorzelec voranzutreiben, auch im Gesundheitswesen ist ein grenzüberschreitender Austausch zu verzeichnen. Zwischen den Krankenhäusern der beiden geteilten Städte existieren Verträge, die einen regel-mäßigen Erfahrungsaustausch sowie eine enge Zusammenarbeit gewährleisten. Nut-zen die Polen gerne die modernen medizinischen Gerätschaften in Görlitz, so interes-sieren sich die deutschen Einrichtungen für die jungen, gut ausgebildeten polnischen Ärzte.

Weiterhin bietet eine grenzüberschreitende Buslinie, welche schon seit über zehn Jah-ren existiert und beiderseits unternehmerisch betrieben wird, eine zusätzliche Mög-lichkeit, die Grenzüberschreitung zu erleichtern (s. Chemnitz 2003).

Ebenfalls ist es dem Projekt „Stadt 2030“ zuzuschreiben, dass wichtige Ideen und Vorschläge für eine gemeinsame europäische Stadt Görlitz/Zgorzelec entstanden sind. Unter dem Motto „Träume werden wahr“ konnten städtische Entscheidungsträger so-wie die Öffentlichkeit in der Perspektivenwerkstatt Visionen über grenzüberschreiten-de Zusammenarbeit und damit einhergehend prioritär wichtige Vorhaben entwickeln (zu Schwierigkeiten bei der Bürgerbeteiligung siehe unten). Dabei fielen entscheiden-de Stichworte zu jeglichen Bereichen des städtischen Lebens, angefangen von Stadt-entwicklung über Wirtschaft, Kultur und Bildung bis hin zur Umwelt. Konkrete Er-gebnisse zielen auf eine gemeinsame Stadtentwicklungsstrategie, gemeinsame Ein-richtungen wie Bibliothek, Theater, Museen oder Bildungseinrichtungen und gemein-same Umweltqualitätsziele ab. Die Ideen, einen Ort für eine neue Stadtmitte bei-spielsweise unter dem Namen „Brückenpark“ zu finden und zu gestalten sowie ein Bürgerforum zu errichten, um den Prozess des Zusammenwachsen weiterzuführen, spielten gleichfalls eine wesentliche Rolle (s. IÖR et al. 2003b).

Problemlagen bei der Umsetzung

Der sich nun anschließende weitere Prozessablauf sollte die genannten positiven Ent-wicklungsstrategien und -potenziale verwirklichen und umsetzen, um das Ziel einer vereinten Stadt zu erreichen. Jedoch existieren neben den zuvor beschriebenen positi-ven Beispielen auch verschiedene Problemlagen in der Zusammenarbeit, die sich vor allem auf Unstimmigkeiten zwischen den einzelnen Institutionen beziehen.

Zusammenarbeit zwischen zwei Städten, die auf unterschiedlichen Staatsgebieten lie-gen, gestaltet sich allein durch die sprachlichen, administrativen und kulturellen

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20 Unterschiede schwierig. Auch auf die Kooperation zwischen Görlitz und Zgorzelec trifft dies zu.

Darüber hinaus scheint der grundlegende Gedanke der gemeinsamen Arbeit am Pro-jekt „Stadt 2030“ – eine zusammengehörende Stadt zu schaffen, zusammen darin zu leben, zu wohnen und zu arbeiten, zusammen Entscheidungen treffen, zusammen Dinge entstehen zu lassen – in den Köpfen der Politiker sowie in den Verwaltungen nicht immer präsent zu sein. Zu oft ist die Kooperation bei konkreten Planungen durch Konkurrenzdenken und damit einhergehenden Verlustängsten geprägt.

Die Idee gemeinsame Einrichtungen in Görlitz/Zgorzelec zu schaffen, wurde durch den entscheidenden Punkt unterstrichen, dass es sich dabei um keine Reduktionen auf einen Standort handeln sollte, sondern die Entstehung von grenzüberschreitenden Ein-richtungen. Das oben beschriebene Verlust-/Konkurrenzdenken führte letztendlich da-zu, dass das Projekt einer grenzüberschreitenden deutsch-polnischen Bibliothek mit Standort auf Görlitzer Seite in der Implementierung scheiterte. Ein gemeinsamer Stadtratsbeschluss über die Zusammenlegung der Bibliotheken war bereits gefasst, als zur Besprechung der letzten Einzelheiten Zgorzelec die Verlegung ablehnte. Die Be-gründung, den Verlust der polnischen Arbeitsplätze als auch der Verlust für polnische Bürger, die Bibliothek zu nutzen, war eine traurige Niederlage im Kooperationspro-zess, denn die Arbeitsplätze der polnischen Mitarbeiter sollten übernommen und der Zutritt für polnische Bürger gewährleistet werden (vgl. ebd.; Robert Knippschild am 18.11.2003).

Nicht allein der Konkurrenzgedanke trägt zu solchen Ereignissen bei, auch der man-gelnde Informationsaustausch zwischen den Verwaltungsebenen der jeweiligen Stadt-teile verhindert die Durchführung von Vorhaben. Ein treffendes Beispiel dafür ist der geplante Hochschulbau in Zgorzelec. Es wurden hierfür bereits Flächen erworben, die für die Entwicklung einer polnischen Hochschule vorgesehen sind. Im Bearbeitungs-prozess ist offensichtlich untergegangen, dass auf Görlitzer Seite eine Außenstelle der Hochschule von Zittau bereits besteht, die auch für polnische Studenten offen ist und dringend aufgrund von Kapazitätsschwierigkeiten erweitert werden müsste (s. IÖR et al. 2003a).

Stimmen über eine lediglich symbolische Europastadt-Politik und Zusammenarbeit der Stadträte werden laut und finden durch solche gescheiterten Projekte auch Trag-kraft. Natürlich muss politischer Rückhalt gegenüber der Stadtverwaltung aufgebaut und verstärkt werden. Es sollte möglich sein, dass Verwaltungsangestellte mit ihren ausgearbeiteten Ideen und Vorschlägen ohne Angst sich von kommunalpolitischer Seite angreifbar zu machen, einer breiten Öffentlichkeit gegenüber treten können.

Die Mitarbeiter der polnischen Verwaltung sind oft mit mehreren Ämtern gleichzeitig betraut und verfügen daher nur über ein begrenztes Zeitbudget. Dies führt zu dem Problem, dass Zeitkapazitäten auf polnischer Seite fehlen, um die Abstimmungspro-zesse durchzuführen. Das daraus wiederum eine Dominanz der deutschen Seite im Entwicklungsprozess der Europastadt entstehen kann, ist offensichtlich (Robert Knippschild am 18.11.2003).

Die Einbindung der Öffentlichkeit, d.h. der städtischen Bürger, weist ebenso Defizite auf. Zur Veranstaltung der Perspektivenwerkstatt und der Absicht, hier explizit die Öf-fentlichkeit mit einzubinden, konnten gerade 100 Görlitzer und Zgorzelecer erreicht werden, welche bei der anschließenden Workshop-Arbeit über die zukünftigen Visio-nen der beiden Städte allerdings nicht vertreten waren.

Besonders das Interesse von Bürgern der deutschen Seite am Kooperationsprozess ist sehr gering. Einerseits könnte dies ein Resultat des bewusst späten Einbeziehens der Öffentlichkeit in den Projektablauf „Stadt 2030“ sein. Andererseits erscheint die durchgeführte Öffentlichkeitsarbeit wenig gezielte Wirkung zu zeigen. Vielleicht ist den Bürgern nicht bewusst geworden, dass eine gemeinsame Stadt nur mit und durch die Bürger, die in ihr leben, in die Realität umgesetzt werden kann (s. IÖR et al. 2003b).

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Aussichten

Um bei allen Schwierigkeiten, die sich zwischen Politik, Verwaltung und Öffentlich-keit ergeben, den Protagonisten dieser Zusammenarbeit deutlich zu machen, dass nur partnerschaftliches Teamwork zum Ziel führen kann, kristallisierten sich bei der be-gleitenden Zusammenarbeit des IÖR mit den beiden Städten nachfolgende Regeln für die zukünftige Kooperation heraus: „Nur gemeinsam geht es“, „Nur durch Entschei-dungen geht es“, „Nur durch die Veränderung von Strukturen geht es“ und „Nur mit den Bürgern geht es“ (Robert Knippschild am 18.11.2003).

Sollte es möglich sein, im weiteren Verlauf des Zusammenwachsens von Görlitz und Zgorzelec diese Regeln zu beachten und anzuwenden, könnte die Europastadt im Jahre 2030 ihr Ziel erreicht und ihren jetzigen Wissensvorsprung über das Funktionieren von deutsch-polnischen Beziehungen als Chance und Herausforderung wahrgenom-men haben.

Quellen

Literatur

Chemnitz, Peter (2003): Europastadt ist noch ein sehr abstrakter Begriff, in: Sächsi-sche Zeitung vom 12.Mai 2003, http://www.stadt2030-goerlitz-zgorzelec.de/ dok-stadt2030/presse/SZ%20 Perspektivenwerkstatt%20120503.pdf (Zugriff am 14.11.2003)

IÖR-Institut für ökologische Raumentwicklung, Stadt Görlitz, Stadt Zgorzelec (2003a): Podiumsdiskussion „Visionen und Perspektiven“ mit Politikern aus Görlitz und Zgorzelec am 9./10.5. 2003, http://www.stadt2030-goerlitz-zgorze-lec.de/dokstadt2030/ergebnisse/perspektiven/Politische%20Podiumsdiskussion.pdf (Zugriff am 11.12.2003)

IÖR-Institut für ökologische Raumentwicklung, Stadt Görlitz, Stadt Zgorzelec (2003b): Präsentation der Ergebnisse der Werkstätten im Plenum, 2003, http://www.stadt2030-goerlitz-zgorzelec.de/dokstadt2030/ ergebnisse/perspektiven/Pr%E4sentation%20der%20Ergebnisse% 20der%20Werkst%E4tten.pdf (Zugriff am 11.12.2003)

IÖR-Institut für ökologische Raumentwicklung, Stadt Görlitz, Stadt Zgorzelec (2003c): „Stadt 2030: Gemeinsames Leitbild für die Europastadt Görlitz-Zgorzelec“ (Kurzfassung), http://www.ioer.de/PDF/p136.pdf (Zugriff am 9.11.2003)

NZZ - Neue Zürcher Zeitung vom 8.April 2003: Die EU auf Ostkurs – Görlitz und Zgorzelec eine gemeinsame Stadt? – Neue Perspektiven der Zusammenarbeit an der Neiße, http://www.nzz.ch/dossiers/2002/osterweiterung/2003.04.08-al-article8RRNI.html (Zugriff am 15.12.2003) Internet

Website BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung, http://www.newsletter.stadt2030.de/staedteforum11.shtml (Zugriff am 9.11.2003)

Website IÖR – Institut für ökologische Raumentwicklung; Stadt Görlitz; Stadt Zgorzelec, http://www.stadt2030-goerlitz-zgorzelec.de/deutsch/ergebnisse/ aufbereitung/zukuenfte/index.html (Zugriff am 9.11.2003) Gespräche

Robert Knippschild, Mitarbeiter des Projektes Stadt 2030 – Gemeinsames Leitbild für die Europastadt Görlitz/Zgorzelec am Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) am 09.06.2003 in Görlitz/Zgorzelec sowie am 18.11.2003

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Martin Becker, Cordula Feigs, Verena Zorn

Ostritz

Der Wandel zur „Energie-ökologischen Modellstadt“

Die Stadt Ostritz liegt im Bundesland Sachsen zwischen dem nördlich gelegenen Gör-litz und der südlicheren Grenzstadt Zittau am deutsch-polnischen Grenzfluss Neiße. Ostritz beheimatet heute etwa 3.350 Einwohner und hat sich nach der deutsch-deutschen Wiedervereinigung von einer Industriestadt zu einer energie-ökologischen Modellstadt gewandelt. Ein Grund für diesen Wandel ist, dass die Gemeinde jahrzehn-telang durch die Braunkohle-Großkraftwerke Hagenwerder, Hirschfelde und Turow in unmittelbarer Umgebung versorgt aber auch stark belastet worden ist (s. Abb. 1).

Ostritz wird hier unter dem Focus der Entwicklung zur energieautarken Stadt aber auch als Vermittler umweltrelevanter Themen in grenzüberschreitender Kooperation mit Polen und Tschechien betrachtet. Um die heutige Situation in Relation setzen zu können, wird die Geschichte der letzten 100 Jahre kurz skizziert bevor das Konzept der energie-ökölogischen Stadt vorgestellt und resümiert wird.

Abb. 1: Braunkohlen-tagebaulandschaft bei Ostritz

Foto: Jörg Schulz

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann in Ostritz die Industrialisierung. Von 1873 bis 1875 wurde die Eisenbahnstrecke Zittau - Görlitz gebaut. 1884 erfolgte die Eröffnung der "Oberlausitzer Jutespinnerei in Ostritz“, die ihren Betrieb mit 1500 Arbeitern aufnahm auf dem Grundstück zwischen Ostritz und der Neiße. An der Bahnhofstraße wurde 1886 eine Seidenweberei errichtet und die Lederfabrik „Sohre“ sowie die Mechanische Weberei gingen in Betrieb.

Mit der Errichtung der DDR und der Grenzziehung zu Polen lag die Region wirt-schaftlich am Rande Deutschlands. Sämtliche Betriebe, wie die zahlreichen Textilfab-riken und das Lederwerk, wurden verstaatlicht. Die Bauern mussten sich ab 1961 zu landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften zusammenschließen. Im Novem-ber/Dezember 1989 fanden in Ostritz, wie in vielen anderen Orten der DDR auch, Demonstrationen statt, mit denen gewaltfreie Veränderungen im Land erreicht werden sollten. Diese Demonstrationen wollten als weiteres lokales Ziel die Einrichtung einer Giftmülldeponie in einem alten Basaltsteinbruch verhindern.

Seit dem Wegfall der für Ostritz typischen Industriebetriebe zwischen 1990 und 1992 musste sich die Stadt wirtschaftlich neu orientieren. Die Verkehrsinfrastruktur wurde dazu auf einen modernen Standard ausgebaut. Mit der Weiterentwicklung von Stand-ortvorteilen wurden verbesserte Wettbewerbsbedingungen für Ostritz - St. Marienthal geschaffen. Jedoch konnten aufgrund der Lage der Stadt in einer sehr strukturschwa-chen Region kaum positive Auswirkungen auf die Arbeitsmarktsituation erwirkt wer-den. Ostritz hat im Jahre 2003 eine Arbeitslosenquote von circa 25 %.

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23 Das im Jahr 1234 gegründete Zisterzienserinnenkloster St. Marienthal (s. Abb. 2) ist Zeit seines Bestehens eine wichtige Institution der Stadt gewesen und hat bereits in der Vergangenheit die Pläne der Ostritzer Bürger gefördert. Der Konvent des Klosters St. Marienthal war nach der politischen Wende 1989 gezwungen, die Landwirtschaft aufzugeben, da diese für das Klosterstift wirtschaftlich nicht mehr tragbar war. Der Boden wurde verpachtet und das Kloster war zu einer Neuorientierung gezwungen. In seinen Wirtschaftsgebäuden wurde 1992 das Internationale Begegnungszentrum St. Marienthal (IBZ) gegründet.

Entwicklung eines energieökologischen Konzepts für Ostritz

Die Schließung der ortsansässigen Industriebetriebe sowie die enormen Umweltbelas-tungen mit Ruß und Staub durch die in unmittelbarer Umgebung gelegenen Braunkoh-le-Großkraftwerke Hagenwerder, Hirschfelde und dem polnischen Turow erzwangen eine Neuorientierung im Hinblick auf eine nachhaltige Stadtentwicklung. Der Struk-turwandel, die starken Umweltbelastungen und die Anforderungen des Umwelt-schutzgipfels in Rio 1992 gaben den Ostritzer Bürgern erste Anstöße für eine Verbesserung ihrer Umweltsituation. Die Bürgerinitiative Ostritz (BIO), die im Jahre 1989 gegründet wurde, setzte sich für die Verbesserung der Umwelt ein und sah die Zukunft der Stadt in der Entwicklung und Anschauung regenerativer Energien. Zudem strebte sie eine Förderung des Tourismus im ehemaligen Braunkohlentagebau durch den Ausbau eines Binnengewässers an, welches touristisch erschlossen werden soll.

Dank der Initiative des Kloster St. Marienthal konnte ein Konzept für alternative Energien entwickelt werden. Denn 1992 gründete das Kloster in seinen Wirtschafts-gebäuden das Internationale Begegnungszentrum (IBZ) St. Marienthal. Das IBZ, wel-ches sein Programm besonders im Bereich Umweltbildung konzentriert, gab u.a. den Anstoß für das Projekt der „Energie-ökölogischen Modellstadt Ostritz - St. Marien-thal“ (EMOS), welches 1995 durch die Stadträte beschlossen wurde.

Abb. 2: Das Zisterzien-serinnenkloster St. Marienthal

Foto: Jörg Schulz

Im Zuge der Planungen zur Energieversorgung des Internationalen Begegnungszent-rums wurde eine Energiebedarfsrechnung für die gesamte Stadt Ostritz durchgeführt. Nach den Ergebnissen dieser Studie war die Selbstversorgung der 3.350 Einwohner zählenden Stadt mit regenerativen Energien möglich. In diesem Zusammenhang wur-de entschieden, die Stadt Ostritz mit in das Umweltbildungskonzept des von der Deut-schen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Internationalen Bildungszentrums einzubeziehen. So konnten die theoretische Vermittlung im IBZ und die anschaulichen Beispiele für die zentral/dezentrale Versorgung mit Strom und Wärme durch die E-nergiegewinnung aus erneuerbaren Energieträgern sinnvoll vereinbart werden.

Das Konzept und die Umsetzung der „Energie-ökologischen Modellstadt“ wurden er-folgreich auf der EXPO 2000 in Hannover präsentiert. In Hinblick auf die Aktualität

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24 des Themas Nachhaltigkeit und ressourcenschonender Umgang mit Energie findet die Stadt Ostritz - St. Marienthal mit der EMOS auch nach der EXPO noch nationales und internationales Interesse.

Das Konzept der „Energie-ökologischen Modellstadt“ Ostritz

Die „Energie-ökologische Modellstadt Ostritz - St. Marienthal“ ist mit der Zielsetzung entstanden, die gesamte Stadt einschließlich des Klosters und des Internationalen Be-gegnungszentrums (IBZ) ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen zu versor-gen.

Im Einzelnen besteht das Gesamtkonzept der Modellstadt aus verschiedenen kleineren Projekten im Bereich Bildung und Tourismus und aus bisher sechs Anwendungspro-jekten. Diese Projekte dienen zum einen der Versorgung der Stadt mit Strom und Wärme aus Biomasse, Sonne, Wasser und Wind und zum anderen der Veranschau-lichung und Vermittlung der einzelnen Vorgänge zur Energiegewinnung in den tech-nischen Anlagen, die Besuchern in Führungen näher gebracht werden sollen. Der aus den unterschiedlichen Anlagen ökologisch gewonnene Strom wird zum jeweiligen Ei-genbedarf genutzt, außerdem wird der Überschuss in das regionale Stromnetz einge-speist und nach den Tarifen des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes vergütet.

Mit dem Biomasse-Heizkraftwerk kann sowohl Wärme als auch Strom gewonnen werden. Das Heizkraftwerk liefert den Ostritzer Haushalten Wärme über ein 14 km langes Fernwärmenetz. Diese Art der Energieversorgung wird durch die Verbrennung von dem aus dem nachwachsenden Rohstoff Raps gewonnenen Öl sowie naturbelas-senen Holzhackschnitzeln gewährleistet, die aus einem Umkreis von circa 50 km aus der Forstwirtschaft und als Abfallprodukt aus regionalen Sägewerken geliefert werden (s. Abb. 3).

Abb. 3: Hackschnitzellager des Heizkraftwerkes Ostritz

Foto: Dirk Bölitz

Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlagen sind auf dem Feuerwehrgerätehaus, in dem auch die Polizeistation der Stadt untergebracht ist, und der Ostritzer Mittelschule angebracht. Im Rahmen des Neubaus des Feuerwehrgerätehauses wurden auf dem Dach sechs Sonnenkollektoren auf einer Gesamtfläche von 13 m² installiert, die den jährlichen Warmwasserbedarf des Gebäudes zu knapp 60 % abdecken. Ferner liefert die Photovoltaikanlage auf einer Fläche von 15 m² Strom, um beispielsweise die Warmwasserpumpen zu betreiben. Die auf den Dächern der Ostritzer Mittelschule an-gebrachten Solar- und Photovoltaikanlagen dienen der Versorgung der Schule mit

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25 Strom und Wärme sowie Anschauungszwecken für die Schüler. Weitere Sonnenkol-lektoren und teilweise Photovoltaikanlagen wurden auf einem Ostritzer Kindergarten und auf zahlreichen Eigenheimen installiert.

Die Lausitzer Neiße wird in der Gemarkung Ostritz - St. Marienthal durch mehrere Wehre gestaut und kann somit zur Energiegewinnung aus Wasserkraft genutzt wer-den. Die Anstrebungen gehen dahin, alle Staustufen wieder zur Energieerzeugung zu reaktivieren. In zwei kleinen Wasserkraftanlagen in einer ehemaligen Getreidemühle im Ortsteil Leuba sowie auf dem Gelände des Klosterstifts ist dies bereits geschehen. Im alten Sägewerk von St. Marienthal wird die Wasserkraft zum Antrieb von traditio-nellen Maschinen genutzt, was den Besuchern die frühere Arbeitsweise verdeutlichen soll. Die Menge des gewonnenen Stroms genügt zur Energiebedarfsdeckung des Klos-ters sowie des Internationalen Begegnungszentrums.

Von einem privaten Investor wurden auf dem Ostritzer Hofeberg auf einem 1996 im Flächennutzungsplan ausgewiesenem Vorranggebiet für Windkraftnutzung vier Wind-energieanlagen errichtet. Der Standort ist bezüglich Topographie und Windpotenzial, ferner aufgrund ausreichenden Abstands zu den Wohngebieten, ideal. Der durch die zwei 500 kW- und zwei 1,5 MW-Anlagen jährlich erzeugte Strom entspricht dem durchschnittlichen Verbrauch von 2.000 Vier-Personen-Haushalten, und würde, den doppelten Strombedarf der Stadt Ostritz decken. Zwar produzieren die Windräder nicht so viel Energie wie das geschlossene Großkraftwerk aber sie vermeiden die E-missionen von Schwefeloxid, Kohlendioxid und Staub im Gegensatz zu der Gewin-nung von Strom in Braunkohlekraftwerken und produzieren dennoch mehr Strom als die Stadt Ostritz benötigen würde. In naher Zukunft sollen weitere fünf Windenergie-anlagen in Ostritz installiert werden.

Die Pflanzenkläranlage, die das Abwasser des Ortsteils Bergfrieden, in dem rund 70 Einwohner leben, und des Sägewerks von St. Marienthal reinigt, ist ein weiteres Pro-jekt der „Energie-ökologischen Modellstadt Ostritz“. Die 1997 in Betrieb genommene Anlage besteht aus einer Dreikammerabsetzgrube (aus der im Bedarfsfall abgesetzte Feststoffe zur Weiterbehandlung der Zentralkläranlage zugeführt werden), Schilfbee-ten und einem Schönungsteich, der als Puffer zur endgültigen Versickerung des gerei-nigten Wassers dient.

Eine weitere Idee zur praktischen Demonstration war eine ökologische Siedlung, in der Niedrigenergiehäuser nach ökologischen Kriterien geplant und gebaut werden sollten. Jedoch konnte dieses Vorhaben wegen eines Grundwasserproblems an dem vorgesehenen Standort sowie aufgrund der, durch die starken Bevölkerungsverluste, fehlende Nachfrage nach Wohnraum nicht realisiert werden.

Das Internationale Begegnungszentrum St. Marienthal rundet diese praktischen Ver-anschaulichungen mit theoretischen Hintergrundinformationen ab. Die gewonnenen Erfahrungen der Umsetzung sollen durch Seminare und Bildungsangebote an alle Inte-ressierten weitergegeben werden (s. Abb. 4). Dies können z.B. Einzelpersonen, ver-schiedene Gruppen oder Vertreter anderer an dem Modell interessierter Kommunen sein. Die Erfahrungsweitergabe an die von Umweltauswirkungen noch stärker betrof-fenen östlichen Nachbarstaaten ist ebenfalls ein wichtiges Kriterium der Arbeit im IBZ. Jährlich werden circa 40 Veranstaltungen in den Bereichen „Ökologische Bil-dung“ oder „Natur- und Umwelterziehung“ angeboten. Man bemüht sich um einen Wissens- und Technologietransfer zur Umwelttechnik vor allem nach Osteuropa, aber auch z.B. mit der Universität Zittau. Ein Garten der Bibelpflanzen, sowie eine an-schauliche Dauerausstellung über Energie sind auf dem Gelände des Klosters zu besichtigen. Im 900 ha großen Klosterforst wird in Zusammenarbeit mit dem Institut für Forstökonomie der Technischen Universität Dresden ein Projekt zur Konzeption eines nachhaltig orientierten Waldumbaus durchgeführt um der Diskrepanz zwischen Wirtschaftlichkeit und ökologischer Leistungsfähigkeit vorzubeugen.

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Abb. 4: Umweltbildung in der Multimedia-Ausstellung im Kloster St. Marienthal

Foto: Dirk Bölitz

Die Umsetzung aller Projekte bzw. des Gesamtprojektes „Energie-ökologische Mo-dellstadt Ostritz - St. Marienthal“ ist nur durch Förderungen sowohl von Bund (Deut-sche Bundesstiftung Umwelt), dem Freistaat Sachsen (Ministerium für Umwelt- und Landesentwicklung, Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) und einzelner Stiftungen, sowie Investitionen Privater, möglich geworden.

Umsetzung und Erfolg der „Energie-ökologischen Modellstadt Ostritz“

Durch die in Kapitel zwei vorgestellten Projekte und Einrichtungen sollte den in Kapi-tel eins dargestellten Problemen der Strukturschwäche in der Region nach der deutsch-deutschen Wiedervereinigung sowie den Umweltauswirkungen durch Braunkohle-kraftwerke entgegengewirkt werden. Wie die Umsetzung der Ziele einer energieautar-ken Stadt Ostritz sowie die umweltbildenden Maßnahmen, auch in Hinblick auf die Beteiligung polnischer und tschechischer Nachbarn, vollzogen und das Konzept der „Energie-ökologischen Modellstadt Ostritz“ verfolgt wurde, wird hier im Hinblick auf den Status Quo im Jahre 2003 näher betrachtet.

Die Bereitstellung eines Fernwärmenetzes, an welches sich die Haushalte zunächst kostenfrei anschließen lassen konnten, war gemeinsam mit der Errichtung eines Bio-masse-Heizkraftwerkes mit Kraft-Wärme-Kopplung eines der kostenintensivsten Vor-haben. Insgesamt wurden Fördergelder in Höhe von 16,5 Millionen Euro (4,5 Mio. € Bundesland Sachsen, 12 Mio. € Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)) akquiriert. Die Errichtung des Fernwärmenetzes wäre ohne die Subventionen der DBU nicht möglich gewesen. Bis zum November 2003 sind circa 300 Haushalte angeschlossen, die sich mit diesem System generell zufrieden zeigen. Der Anschluss an das Fern-wärmenetz ist seit dem Jahre 2000 kostenpflichtig, wird aber immer noch zu 45 %, bzw. maximal 2.300 € subventioniert. Seitdem ist die Nachfrage stark zurückgegan-gen, da nur wenige Bürger von Ostritz über die finanziellen Mittel verfügen, die für solch einen Anschluss aufzubringen sind. Das mit diesem Netz in Verbindung stehen-de Biomasse-Heizkraftwerk sollte ursprünglichen Plänen zu Folge ausschließlich mit Holzhackschnitzeln und Rapsöl gefeuert werden. Dies ließ sich aufgrund des hohen Preises für den Brennstoff Rapsöl, der annährend auf dem Niveau des Heizöls liegt, nicht umsetzen. Nachträglich wurden mit den Förderern Gespräche darüber geführt, aus wirtschaftlichen Gründen und entgegen dem Anspruch ökologisch zu arbeiten, Heizöl zu verbrennen. So ist zwar das Ziel der zentralen Versorgung mit Wärme zu einem großen Teil verwirklicht worden. Der umweltschonenden Verbrennung von nachwachsenden Rohstoffen hingegen konnte hier nicht ausreichend Rechnung getra-gen werden.

Andere Maßnahmen, wie die Einrichtung der Sonnenkollektoren und Photovoltaikan-lagen auf dem Feuerwehrgerätehaus, der Mittelschule Ostritz und diversen Eigenhei-men, sowie die kleinen Wasserkraftwerke an der Neiße, dienen der Selbstversorgung der angeschlossenen Einrichtungen bzw. Häuser und erfüllen zudem den für die Mo-dellstadt Ostritz wichtigen Aspekt der Anwendungsbeispiele. Die Energiegewinnung aus Sonne und Wasser wird durch diese Anlagen verdeutlicht und hat nach

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27 anfänglicher Skepsis immer mehr Befürworter und Interessierte unter den Einwohnern von Ostritz gefunden. Allerdings besteht auch in diesem Fall das Problem der Finan-zierung; trotz Förderprogrammen durch Bund und Länder ist es vielen nicht möglich, sich auf eine Energieversorgung durch Sonne technisch einzurichten.

Die Windenergieanlagen auf dem Ostritzer Hofeberg lassen sich im Kontext der Mo-dellstadt mehr als Landmarke, und weniger als tatsächlicher Bestandteil dieser (in Funktion eines Energielieferanten) einordnen. Denn der erzeugte Strom wird direkt in das Verbundnetz des zuständigen Stromversorgers eingespeist. Da die erzeugte Menge an Energie aber das Doppelte des für die Stadt Benötigten ausmacht, wäre hier im Sinne des Zieles der Energieautarkie eine Direktversorgung mit Windenergie wün-schenswert. Der Anschluss an das überörtliche Stromverbundnetz muss aber generell bis zu der Erarbeitung eines Lastmanagementkonzepts wegen auftretender Last-schwankungen im Wind- und Wasserkraftbereich, aber auch bei der Gewinnung von Sonnenenergie aufrecht gehalten werden.

Die für 70 Wohneinheiten eingerichtete Pflanzenkläranlage verdeutlicht in kleinem Maßstab, wie eine dezentrale Entsorgung von Abwässern erfolgen kann. Die ange-schlossenen Haushalte zeigen sich sehr zufrieden mit diesem umweltnahen System der Abwasseraufbereitung.

Das „Herzstück“ der „Energie-ökologischen Modellstadt Ostritz“ ist das Internationale Begegnungszentrum im Klosterstift St. Marienthal. Hier wird das theoretische Wissen über die Versorgung mit erneuerbare Energien aus Sonne, Wind, Wasser und Biomas-se vermittelt. Außerdem werden grenzüberschreitende Projekte, wie z.B. die Wieder-aufforstung von Wäldern in Tschechien unterstützt. Aktuell findet eine enge Kooperation mit der nordtschechischen Stadt Jindrichovice pod Smrkem im Bereich der umweltverträglichen Energieversorgung statt.

Das IBZ kann eine stetig steigende Frequentierung durch verschiedene Seminargrup-pen aus ganz Deutschland sowie den angrenzenden Nachbarländern Polen und Tsche-chien aufweisen. Zurzeit liegen Anmeldungen für gut 16.000 Übernachtungen für das Jahr 2003 vor (2002: 13.985 Übernachtungen). Dies entspricht einer Auslastung von 47,4 %. Gerade mit der „Energie-ökologischen Modellstadt Ostritz“ als Hintergrund nimmt es eine wichtige Position im deutsch-polnisch-tschechischen Austausch bezüg-lich umweltrelevanter Themen ein. Insgesamt beschäftigt das IBZ derzeit 16 Mitarbei-ten, sowie fünf Auszubildende und zwei Zivildienstleistende.

Integration und Akzeptanz der Einwohner

Nach dem Wegfall der Industriebetriebe wie der Textil- und Lederfabriken nach der Wiedervereinigung 1990 und in den Folgejahren kam es zu einer hohen Arbeitslosig-keit in der Stadt Ostritz, aber auch allgemein in der Region der Niederlausitz. Ostritz weist im Jahre 2003 eine Arbeitslosenquote von circa 25 % auf, d.h. dass auch die“Energie-ökologische Modellstadt“ mit ihrem Anspruch der Selbstversorgung mit Energie nicht die Arbeitsplätze ersetzen konnte, die in der postsozialistischen Zeit durch Betriebsstilllegungen und Rationalisierungen verloren gegangen sind.

Die Partizipation der Einwohner an diesem Projekt ist nach Aussage von Herrn Blaschke, Mitarbeiter im IBZ, sehr zurückhaltend. Das Problem ist aber nicht die mangelnde Bereitschaft, sondern vor allem das geringe Angebot an neuen Arbeitsplät-zen im Zuge dieses Modells. So gibt es einen Mitarbeiter, der sich um die Pflege der Pflanzenkläranlage kümmert. Dieser Mitarbeiter ist Frührentner und erfüllt diese Auf-gabe ehrenamtlich. Die anderen zugehörigen Einrichtungen benötigen nur wenige Mitarbeiter, wie z.B. das Bio-Heizkraftwerk mit insgesamt drei Arbeitskräften.

Das Interesse an den bis heute geschaffenen Einrichtungen war zwar zunächst groß, ist aber mit der Zeit einer Gleichgültigkeit gewichen. Im Kindergarten und in der Mittel-schule Ostritz gibt es eine so genannte Familien-Umweltbildung. In diesem Bereich kann in geringem Maße von einer Partizipation gesprochen werden, da zumindest die Ziele der Energie-ökologischen Stadt mit Erwachsenen und Kindern gleichermaßen

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28 aufgenommen werden und so eine Sensibilisierung für den Umgang mit der Natur und ihren Ressourcen geschaffen wird.

Resümee

Die Idee der „Energie-ökologischen Modellstadt“ ist in dieser Region einzigartig und bietet somit einen überregionalen Anziehungspunkt. Somit konnte sich die Stadt Ost-ritz nach dem Niedergang der Industrie zu Beginn der 1990er Jahre den touristischen Sektor zumindest in Ansätzen erschließen. Durch verschiedene Seminarangebote des im Klosterstift St. Marienthal beherbergten Internationalen Begegnungszentrum wer-den jährlich mehr und mehr Menschen in die Stadt gezogen.

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Polen und Tschechien wird ebenfalls zu einem großen Teil vom IBZ organisiert. Delegationen aus den östlichen Nachbar-staaten informieren sich in St. Marienthal über Möglichkeiten im Umweltschutz. Das IBZ bietet im Kontext des Projekts die meistens Arbeitsplätze.

Die angestrebte Energieautarkie wäre möglich, wird aber noch nicht genutzt. Durch den Verkauf aus den Windkraftanlagen erzeugten Stroms wird zwar wirtschaftlich ge-arbeitet, aber nicht im Sinne der Selbstversorgung gehandelt. Der Ersatz des Heizstof-fes Rapsöl im Biomasse-Heizkraftwerk durch normales Heizöl lässt sich als weitere Einschränkung ausmachen.

Der Stadt wurden für ihre Arbeit im Umweltsektor mehrere Auszeichnungen verlie-hen. In den Jahren 1998 und 2000 war Ostritz Gewinner des „Tat-Orte“ Wettbewerbs, der beispielhafte Umweltvorhaben von ökonomischer und sozialer Bedeutung für kleinere Gemeinden in den neuen Bundesländern ermittelt, prämiert und dokumen-tiert. Initiator dieses Wettbewerbs ist das Deutsche Institut für Urbanistik in Zusam-menarbeit mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. 1999 wurde die Stadt mit dem „Europäischen Solarpreis 1999“ für ihr umweltschonendes Energiekonzept ausge-zeichnet.

Drei Jahre nach der EXPO 2000, an der die „Energie-ökologische Modellstadt Ostritz“ teilnahm, scheint aber das Interesse an den damals formulierten Zielen zu schwinden bzw. keine ausreichenden finanziellen Mittel für die weitere Umsetzung mehr vorhan-den zu sein. Es bleibt zu hoffen, dass die Stadt Ostritz den eingeschlagenen Weg der Energieautarkie und dem damit verbunden umweltschonenden Wirtschaften im Ener-giesektor weiterverfolgen wird.

Quellen

Literatur

Grüne/Alternative in den Räten NRW e.V. (Hrsg.): GAR-Rundbrief 2/2000, http://www.gar-nrw.de/Archiv/Gar-00_2.pdf (Zugriff am 26.4.2004)

Internet

Website Deutsche Bundesstiftung Umwelt, http://www.dbu.de/ (Zugriff am 26.4.2004)

Website Internationales Begegnungszentrum St. Marienthal, http://www.ibz-marienthal.de/ (Zugriff am 26.4.2004)

Website Stadt Ostritz, http://www.ostritz-st-marienthal.de (Zugriff am 26.4.2004)

Gespräche

Interview mit Herrn Steffen Blaschke am 12.11.2003 Rundgang mit Herrn Steffen Blaschke in Ostritz/ St. Marienthal am 09.06.2003

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Katrin Lenz

Die Lausitzer Neiße – schwieriger Grenzfluss oder gemeinsames Element Wasser?

Das Projekt „Saubere Neiße“

Die Lausitzer Neiße wurde durch die Grenzziehung nach Ende des zweiten Weltkrie-ges zur administrativen Grenze zwischen Deutschland und Polen. Bevor sie jedoch das Grenzgebiet durchquert, nimmt sie ihren Weg durch das benachbarte Tschechien. In der Arbeitsgemeinschaft „Saubere Neiße“ und als Euroregion „Neiße-Nysa-Nisa“ (s. Abb. 1) kooperieren die im Einzugsbereich der Neiße liegenden Gemeinden und Landkreise der drei Staaten unter anderem im Bereich des Umweltschutzes.

Abb. 1: Euroregion Neiße-Nysa-Nisa

Quelle: Website Euroregion Neiße

Das Gewässer Lausitzer Neiße

Die Lausitzer Neiße entspringt im tschechischen Isergebirge und mündet südlich von Eisenhüttenstadt bei Ratzdorf in die Oder. Ihr Einzugsgebiet erstreckt sich über eine Fläche von 4.460 km² im deutsch-polnisch-tschechischen Grenzgebiet, davon rund 570 km² auf deutschem Gebiet. Die Neiße wird sowohl nach deutschem als auch nach polnischem Recht als Gewässer erster Ordnung (Bundeswasserstraße, Zuständigkeit auf der nationalen Ebene) eingestuft.

Sie ist in den letzten Jahren aufgrund ihrer Rolle als Grenzgewässer wenig verändert worden und wird durch die Schifffahrt nur geringfügig genutzt. Aus diesen Gründen, aber auch wegen ihrer mittleren Strömungsgeschwindigkeit und ihres Fischreichtums gilt die Neiße als sensibles Fließgewässer mit einem hohen Schutzwert (s. MLUR Brandenburg 2002).

Durch die ehemaligen Industriebetriebe auf deutscher und tschechischer Seite gehörte der Fluss zu den am stärksten verunreinigten Flüssen Mitteleuropas. In der Region gibt es aktuell bis auf den Braunkohletagebau kaum Industrie sondern nur Landwirt-schaft, die für die Gewässerverschmutzung mit Stickstoff- und Phosphorverbindun-gen, Schwebstoffen und Fäkalbakterien verantwortlich ist. Hinzu kommen die Abwässer der Einwohner der Region. Von 1992 bis 1994 wies die Neiße unterhalb von Görlitz die Gewässergüteklasse III und schlechter ((sehr) stark verschmutzt) auf. Die Einleitungen der landwirtschaftlichen und privaten Abwässer bildeten die

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30 Hauptgründe für die Verschmutzung. Die Doppelstadt Görlitz/ Zgorzelec (dt/pl) und die Gemeinde Sulików (pl) sind die wichtigsten Einleiter (s. Martin 2002, Grzeszczuk 2003 und Stadt Görlitz 1999).

Abb. 2: Neißemündung bei Ratzdorf

Foto: Website MLUR

Ökologisches grenzüberschreitendes Projekt „Saubere Neiße“

Im März 1994 wurde auf Betreiben der Städte Görlitz und Zgorzelec die Arbeitsge-meinschaft „Saubere Neiße“ gegründet. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, grenzüber-schreitend an der Verbesserung der Wasserqualität des Grenzflusses zu arbeiten sowie sich der Problematik des Hochwassers zu widmen. An der trilateralen Kooperation beteiligen sich die drei Landkreise Löbau-Zittau (dt), Lubań (pl) und Kraj (cz) mit den ihnen angehörenden Gemeinden, insbesondere der Doppelstadt Görlitz/ Zgorzelec. Die Arbeitsgemeinschaft „Saubere Neiße“ stellt eine offiziell vereinbarte Kooperati-onsgemeinschaft dar, besitzt jedoch keine bindenden Beschlusskompetenzen.

Abb. 3: Die Neiße im Städtepaar Görlitz-Zgorzelec

Foto: http://www.tor-alf.de /Gorlitz/body_gorlitz.html

Den Anstoß zur Gründung der Arbeitsgemeinschaft bot die Schließung des Naturba-des auf Görlitzer Seite. Dieses Bad wurde durch Wasser der Neiße gespeist und muss-te wegen des Gesundheitsrisikos aufgrund der zu hohen Wasserbelastung durch Schadstoffe geschlossen werden. Zusätzlich veralgten die technischen Anlagen und Becken zu schnell für eine regelmäßige und finanziell tragbare Reinigung. Grund für die Veralgung sind die landwirtschaftlich bedingten Einleitungen in die Neiße, die das Algenwachstum beträchtlich beschleunigt hatten.

Die Görlitzer konnten ihr Problem nicht im Alleingang bewältigen, da die Neiße ein Grenzgewässer mit Einzugsgebiet in Deutschland, Polen und Tschechien ist. Der Fluss forderte durch seine Belastung die Zusammenarbeit der Nachbarländer, die alle

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31 gleichermaßen auf sauberes Wasser angewiesen sind. Vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung 2004 gewinnt diese Arbeitsgemeinschaft in den letzten Jahren an Be-deutung, da die EU-weiten Standards der Wasserqualität auch in den Beitrittsländern einzuhalten bzw. zu erreichen sind (s. Stadt Görlitz 1999; Verena Starke am 10.06.2003).

Gemeinsames Vorgehen der Arbeitsgemeinschaft „Saubere Neiße“

Die ersten Zusammenkünfte der Arbeitsgemeinschaft „Saubere Neiße“ beschränkten sich aufgrund des aktuellen Problems mit dem Naturbad in Görlitz zunächst auf die deutschen und polnischen Vertreter. Die tschechische Seite wurde später in die Ko-operation eingebunden. In den Arbeitstreffen erfolgte der vorsichtige Prozess des ers-ten Kennen- und Verstehen-Lernens, der auch heute weiter gepflegt werden muss. Die Behördenvertreter, die jeweils in den Kommunen bzw. in den Landkreisen den Be-reich Umwelt oder Wasserwirtschaft betreuen, erörterten die Problematik der Neiße und stellten erste Gemeinsamkeiten, Ziele und Hindernisse heraus. Es fehlten (und fehlen) vor allem vergleichbare Datengrundlagen, Messungen und Qualitätsstandards, was die grenzüberschreitende Arbeit schwierig gestaltet.

Nach dem Diskussionsprozess bildeten eine erste Kartierung der Abwassereinleitun-gen in die Neiße und ihre Nebenflüsse sowie die Auflistung der Maßnahmen, die die Wasserqualität verbessern können, den Anfang der grenzüberschreitenden Aktionen. Es folgten ein erster Datenaustausch und -abgleich, der Aufbau eines kommunalen Meldesystems bei Umwelthavarien und Vereinbarungen zum Hochwasserschutz.

1994 bis 1996 wurde eine umfassende Gewässeranalyse durchgeführt. Altlasten, Di-rekteinleiter (beides auf der deutschen und der polnischen Seite gleichermaßen) und Vorfluter (zumeist polnische Seite) stellen die besonders belastenden Verschmutzer dar. Die technischen Anlagen von Einleitern und Kläranlagen waren und sind zum Teil auch heute noch nicht auf dem Stand der Technik bzw. sind nur unvollständig vorhanden. Außerdem existiert eine Vielzahl diffuser Einleiter. Zur kontinuierlichen Überwachung des Gewässerzustandes werden Kanalbefahrungen durchgeführt und sogenannte Bachpatenschaften (s.u.) vergeben (s. Stadt Görlitz 1999; Verena Starke am 10.06. 2003).

Schwierigkeiten in der grenzüberschreitenden Kooperation an der Neiße

Bei der Suche nach Lösungswegen zur Beseitigung der Emissionsquellen trifft die Ar-beitsgemeinschaft auf Probleme unterschiedlicher Art und Dringlichkeit. Neben der unterschiedlich detaillierten Datenlage zur Wasserverschmutzung treten die Unter-schiede der administrativen und rechtlichen Systeme als Hindernis auf. Es herrschen unterschiedliche gesetzliche Rahmenbedingungen und Grenzwerte für die Abwasser-aufbereitung und den zulässigen Schadstoffgehalt im Wasser: so ist in Deutschland die Wasseraufbereitung gesetzlich vorgeschrieben. Für den ländlichen Raum in Polen gilt diese Vorschrift nicht, weshalb Direkteinleitungen möglich sind. Mit dem EU-Beitritt Polens müssen hier allerdings Anpassungen erfolgen. Die Neiße ist außerdem ein Ge-wässer erster Ordnung, daher liegt die Verantwortlichkeit beim Freistaat Polen und der BRD, was die kommunale Kooperation erschwert.

Des Weiteren stellen der unterschiedliche Stand der Technik, die verschiedenen Antei-le an der Verschmutzung der Neiße und die „Kirchturmpolitik“ der Gemeinden und Staaten Diskussionspunkte dar, die nicht leicht aus dem Weg zu räumen sind. Die zu groß dimensionierte Kläranlage in Görlitz (s. Abb. 4) ist ein Beispiel für Fehlplanun-gen, die es zu korrigieren bzw. aufzufangen gilt. Eine Kooperation der Doppelstadt böte sich an, scheitert jedoch an rechtlichen Restriktionen, die eine solche staatsüber-greifende Zusammenarbeit auf diesem Sektor zurzeit noch unmöglich machen. Hinzu kommt die Angst, Teile der Staatssouveränität zu verlieren. Zgorzelec favorisiert da-her eine dezentrale Lösung seines Abwasserproblems auf eigenem Boden. Hinzu kommen allgemeine Verständigungsprobleme: zum einen durch die Sprachbarriere und zum anderen durch die unterschiedliche Mentalität und Kultur. Der Austausch

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32 läuft außerdem vielfach über personenbezogene Kontakte und so gewonnenes Ver-trauen, was bei einem Personalwechsel zu einem Einbruch der Beziehungen führen kann.

Das größte Hindernis ist jedoch die Finanzierung. Die Maßnahmen zur Reinhaltung der Neiße sowie neue Investitionen in Infrastruktur sowie Personal- und Sachkosten müssen getragen werden, was bei der knappen Haushaltslage der öffentlichen Hand in allen drei Staaten gleichermaßen Schwierigkeiten aufwirft (s. Grzeszczuk 2003; Stadt Görlitz 1999; Verena Starke am 10.06.2003, Website Gmina Zgorzelec).

Abb. 4: Kläranlage Görlitz

Foto: Website PROWA

Lösungsansätze für den Grenzfluss und seine Akteure

Die Treffen der Arbeitsgruppe „Saubere Neiße“ bilden die Grundlage der Kooperati-on, mit der die Kontakte aufrecht gehalten und weitere Schritte geplant werden. Um eine bessere Verständigung zu ermöglichen, wird versucht, arbeitsrelevante Dokumen-te zweisprachig zu erstellen bzw. zu übersetzen, einen gegenseitigen Dialog aufzubau-en und Hemmschwellen und Vorurteile auszuräumen. Gemeinsame Veranstaltungen (unter anderem Ausstellungen und ein Symposium (s.u.) sind ein Schritt in diese Rich-tung (Verena Starke am 10.06.2003).

Mit dem Symposium Saubere Neiße 1999 holte sich die Arbeitsgemeinschaft „Saube-re Neiße“ fachliche Unterstützung in Form von Erfahrungsberichten aus der Region Oberrhein, die einen engen Austausch mit den französischen Partnern über den ge-meinsamen Grenzfluss Rhein pflegt und auf eine lange Tradition grenzüberschreiten-der Arbeit zurückgreifen kann.

Die Arbeitsgemeinschaft „Saubere Neiße“ kann aufgrund ihrer begrenzten personellen Ressourcen und geringen finanziellen Mittel die Probleme der Neiße nicht allein lö-sen. Es wird verstärkt auf Öffentlichkeitsarbeit gesetzt und versucht, die Bevölkerung zur aktiven Hilfe zu bewegen. So finden Informationsveranstaltungen statt und soge-nannte Bachpatenschaften können übernommen werden. Dieses Angebot richtet sich vor allem an Schulen oder Vereine, die für einen Zufluss der Neiße die Patenschaft übernehmen, ihn von Schmutz befreien und seine Wasserqualität überwachen. Durch den Umgang mit dem Fluss soll dieser näher in das Bewusstsein der Menschen rücken und sie für den Umweltschutz sensibilisieren. Bisher konnten neun Patenschaften ver-geben werden (ebd.).

Ein weiterer Vorteil, der aus den Bachpatenschaften erwächst, ist der geringere Kos-tenaufwand für die Kommunen hinsichtlich Pflege, Reinigung und Abwasseraufberei-tung. Somit reduziert sich über geringere Abwassergebühren indirekt auch der Kos-tenaufwand für die Bürger. Die Aufgabe des Gewässerschutzes kann dank der Bach-patenschaften angesichts knapper Haushaltsmittel in höherem Umfang wahrgenommen werden, als es der kommunale Haushalt zulässt. Die Neiße und ihre Nebenflüsse als Ökosysteme und als Lebensraum vielfältiger Flora und Fauna

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33 profitieren ebenso von den engagierten Paten, die die Gewässer regelmäßig kontrollie-ren und pflegen. Die Wasserqualität steigt auch aufgrund solch kleiner Beiträge, die durch Kläranlagen oder andere technische Einrichtung nicht geleistet werden könnten.

Weitere Unterstützung erfährt die Arbeitsgemeinschaft „Saubere Neiße“ durch die Deutsche Bundesstiftung für Umwelt (DBU), die das Forschungsprojekt „Forschun-gen für die Lausitzer Neiße“, finanziell trägt. Hier arbeiten seit 1999 Vertreter des Umweltamtes beim Landratsamt Löbau-Zittau (Projektträger), des deutschen Unter-nehmens IDUS Biologisch Analytisches Umweltlabor GmbH (Ottendorf-Okrilla), der Euroregion Neiße-Nysa-Nisa, der Karls-Universität in Prag und einem tschechischen Unternehmen Ecochem s.r.o. Libereć zusammen. Das Projekt entstand auf Initiative der Arbeitsgemeinschaft „Saubere Neiße“ und soll qualitative und quantitative Verän-derungen und den zeitlichen Verlauf der natürlichen Wiederbesiedlung der Lausitzer Neiße und deren Zuflüsse feststellen und analysieren. Auf Grundlage der zu erarbei-tenden umfassenden Gewässercharakterisierung soll anschließend ein Konzept für die nachhaltige und stabile Bewirtschaftung der Neiße entwickelt werden. Die gewonne-nen Ergebnisse können bei zukünftigen Sanierungs- und Renaturierungsmaßnahmen als Modell dienen. Während des Projektes sollen drei öffentlichkeitswirksame Veran-staltungen, je eine in Deutschland, Tschechien und Polen, organisiert und die For-schungsergebnisse in einer Wanderausstellung präsentiert werden. Hiermit soll der Fluss der Öffentlichkeit näher gebracht, Interessierte für die Neiße gewonnen und die Bevölkerung eingebunden werden (Website Euroregion Neiße).

Der wichtigste Faktor ist jedoch die Hoffnung auf mögliche Finanzierungshilfen von außen. Die größte Rolle spielen hier die Strukturhilfen der EU sowie finanzielle Zu-wendungen von Stiftungen wie der DBU. Ohne diese Hilfe ist es für die Gemeinden unmöglich, die hohen Kosten für die dringend notwendige Modernisierung bestehen-der und den Bau neuer Anlagen zu tragen. Besonders auf der polnischen und tschechi-schen Seite fehlen die Mittel, da beispielsweise in Polen die Abgaben für Wasser gerade die Bereitstellungskosten decken und kein Spielraum für Reinvestitionen bleibt. Höhere Abgaben würden jedoch von der Bevölkerung nicht getragen werden können. So setzt sich der Teufelskreis aus Finanzierbarkeit und Akzeptanz in der Be-völkerung immer weiter fort. Im Zuge der EU-Osterweiterung müssen sich die Bei-trittsländer jedoch an die Standards der EU anpassen, was die Kooperationen noch dringender als heute macht. Die Neiße kann als positiver Anstoß gesehen werden, ge-meinsam Mittel zu akquirieren, die den Menschen beiderseits des Grenzflusses zu Gu-te kommen. So wurde zum Beispiel ein Masterplan für das Einzugsgebiet des Neißezuflusses Czerwona Woda aus PHARE-Mitteln (s. Beitrag von Peter Höfer in diesem Heft) finanziert. Er sah vier neue Kläranlagen einschließlich Kanalisation vor und sollte so die Region auf EU-Niveau bringen. Jedoch stellt allein die Co-Finanzierung durch die Kommunen ein fast unüberwindliches Hindernis dar (s. Grzeszczuk 2003; Stadt Görlitz 1999, Website Gmina Zgorzelec).

Weitere ökologische Erfolge für die Neiße

Die Görlitzer Kläranlage existiert seit 1914 und wurde im Zeitraum 1994 bis 1997 ge-neralüberholt. Sie präsentiert sich heute in modernster Technik mit einer Kapazitäts-erweiterung auf 140.000 bis 160.000 Einwohner (PROWA 2004). Diese Erweiterung bezog die erhoffte Mitnutzung durch Zgorzelec in die Planung ein. Diese kam jedoch aus oben genannten Gründen und dem technischen Problem, dass die Zgorzelecer Abwässer über die Neiße hinweg hätten transportiert werden müssen, nicht zu Stande. Des Weiteren sind die laufenden Kosten von der polnischen Seite als für sie zu hoch beurteilt worden (Starke 2003).

Auch auf der polnischen Seite kann auf erste Erfolge verwiesen werden, da hier eine Analyse zu den Ökosystemen der Gewässer und möglichen Modernisierungsmaßnah-men der technischen Anlagen durchgeführt wurde, die durch die EU-Förderinitiative PHARE unterstützt wurde. Aufgrund dieser Forschung favorisiert die polnische Seite die dezentrale Lösung der Abwasserproblematik durch ein Netz kleiner Anlagen

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34 (Verena Starke am 10.06.2003). Auch auf tschechischer Seite entstehen neue Kläran-lagen bzw. werden alte modernisiert (s. Website PROWA).

Das Bemühen um eine bessere Klärung der Abwässer, die in die Neiße und ihre Zu-flüsse eingeleitet werden, zeigt Wirkung: die heutige Gewässergüteklasse ist II - III (kritisch belastet). Gemeinsames Ziel ist es jedoch, flächendeckend Gewässergüteklas-se II (mäßig belastet) zu erreichen, wozu noch weitere Anstrengungen nötig sind.

Zukunftspläne der Arbeitsgemeinschaft „Saubere Neiße“

Die Arbeitsgemeinschaft „Saubere Neiße“ wird ihre Arbeit fortsetzen und erhofft sich über die EU neuen Schwung für ihr Projekt. Das Projekt ist eine Kooperation, die sich verstetigen soll, da die Pflege der Neiße, Abwasserreinigung etc. langfristige und wie-derkehrende Aufgaben sind. Die Wasserqualität kann für die Region im Länderdreieck überlebenswichtig werden, zumal sie sehr auf die Landwirtschaft und in Zukunft si-cherlich auch auf den Tourismus entlang ihrer Ufer angewiesen sein wird. So wirkt der Grenzfluss, der damals von heute auf morgen die Landschaft und die Städte in zwei Teile trennte, vielleicht doch noch als Ausgangspunkt für ein neues Bewusstsein der Region. Allerdings sind die Unterschiede in Zukunft nicht als Begrenzungen zu verstehen sondern als Bereicherung. Der Willen zur Zusammenarbeit ist auf allen drei Seiten gegeben, nur fehlen oft die nötigen rechtlichen Möglichkeiten zur Zusammen-arbeit und vor allem die finanziellen Mittel. Trotz der Kritik und gebotenen Vorsicht kann die Neiße jedoch in kleinen Schritten, die die konventionellen Pfade der Politik und der langwierigen rechtlichen Prozesse verlassen, vom unzugänglichen Schmutz-wasser zum Naherholungsangebot und naturnahem Gewässer werden.

Quellen

Literatur

Grzeszczuk, J. (2003): Niederschlesiens Gewässer – ein Riesenproblem. In: Gazeta Wrocławska vom 10.04.2003, Wrocław

Stadt Görlitz (Hrsg.) (1999): Arbeitsgemeinschaft Saubere Neiße, In: Amtsblatt Gör-litz, 8. Jg., Nr. 24, Görlitz

Internet

http://www.tor-alf.de/Gorlitz/body_gorlitz.html (Zugriff am 11.01.04)

Martin, L.: „Faltus: Umwelt in der Euregion Neiße hat sich grundlegend gewandelt“ in: Tagesecho vom 04.12.2002; http://www.radio.cz/de/artikel/35194 (Zugriff am 23.10.2003)

Website Euroregion Neiße: „DBU fördert weitere Umweltprojekte in der Euroregion Neisse - 1. Projekt ‚Forschungen für die Lausitzer Neisse’“ http://www.euroregion-neisse.de/info27/27romana.html (Zugriff am 23.10.2003)

Website Gmina Zgorzelec: http://www.gmina.zgorzelec.pl/103589290983986.html (Seiten der Stadt Zgorzelec zum “czysta nysa sympozjum“ 1999 [Symposium Saubere Neiße]) (Zugriff am 02.12.2003)

Website MLUR - Ministerium für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg, http://www.mlur.brandenburg.de/w/Neisse.htm (Zugriff am 06.11.2003)

Website PROWA – Prowa Engineering GmbH, http://www.prowa.net/projekte/ goerlitz.html (Zugriff am 22.01.2004)

Gespräche

Verena Starke, Leiterin des Umweltamtes der Stadt Görlitz, am 10.06. 2003 in Görlitz

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Tim Geßler, Beate Konieczny

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Spannungsfeld zwischen alltagskultureller und offizieller Ebene

Eine Bestandsaufnahme in der Doppelstadt Guben - Gubin1

Guben - Gubin liegt, wie alle Doppelstädte in der deutsch-polnischen Grenzregion, in einem ländlichen, dünn besiedelten und strukturschwachen Raum. Das deutsche Gu-ben befindet sich im Südosten des Landes Brandenburg (Niederlausitz), gehört zum Landkreis Spree-Neiße und ist von den Städten Cottbus, Eisenhüttenstadt und Forst zwischen 25 und 30 km entfernt. Die Bundeshauptstadt Berlin befindet sich etwa 160 km nordwestlich von Guben. Die Stadt hat ca. 22.600 EinwohnerInnen (vgl. Website Stadt Guben) und präsentiert sich als industriell-gewerbliches Entwicklungszentrum; ehemals bekannt für seine Hutindustrie, heute gebeutelt durch den Strukturwandel. Gegenüber von Guben, unmittelbar östlich der Lausitzer Neiße, befindet sich das pol-nische Gubin (s. Abb. 1). Gubin liegt im Landkreis Krosno der Woiwodschaft Lebus (Lubuskie). Etwa 60 km östlich von Gubin befindet sich die kreisfreie Stadt Zielona Góra und 27 km nordöstlich liegt Krosno Odrzańskie. In Gubin, einem Industriestand-ort, der lange Zeit wesentlich von der grenztypischen Basarökonomie profitierte, leben ca. 18.000 BürgerInnen (Herr Sikora am 12.11.2003).

Abb. 1:Die Lausitzer Neiße trennt Guben (oben) und Gubin (unten)

Foto: Stuttgarter Luftbild Elsässer GmbH

Diese an sich schon problematische Randlage in einem ländlichen, strukturschwachen Raum wird noch zusätzlich durch die äußerst schlechte Verkehrsanbindung verstärkt. Die Doppelstadt ist fast mittig zwischen zwei Transeuropäischen / Paneuropäischen Verkehrsnetzen gelegen. Im Norden verläuft die Bundesautobahn A12 von Berlin über Frankfurt (Oder) nach Warschau und im Süden befindet sich die A15, die von Leipzig über Görlitz nach Breslau und weiter nach Krakau führt. Die Entfernungen zu den je-weiligen Schnellverkehrswegen belaufen sich auf ca. 1 Stunde Fahrt nach Norden und ca. 45 Minuten nach Süden. Somit verfügt die Doppelstadt über keine nahegelegene Anbindung an eine Bundesautobahn oder Schnellstraße. Guben ist zwar an die Schie-nenstrecke Berlin – Breslau angebunden. Diese wird jedoch zum gegenwärtigen Zeit-punkt nicht genutzt (Herr Reuter am 02.07.2003). Der Bahnhof in Gubin wurde still-gelegt (Herr Sikora am 12.11.2003). Durch diese relativ ungünstige Lage verstärkt sich die Gefahr, dass sich die Region der Doppelstadt im Zuge der EU-Osterweiterung

1 Der Beitrag basiert auf der Diplomarbeit von Beate Konieczny an der Fakultät Raumplanung, s. Konieczny 2003

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36 weder zu einem Transferraum noch zu einem Entwicklungsraum entfaltet, sondern schlichtweg übersprungen wird.

Stadtstruktur

Die Folgen und Auswirkungen der Teilung nach 1945 sind in der Doppelstadt bis heu-te sichtbar. So ist das historische Stadtzentrum im polnischen Gubin bis auf das in den 80er Jahren wieder aufgebaute, denkmalgeschützte Rathaus, die Ruine der Stadtkirche und Teile der historischen Stadtmauer nur noch als riesige begrünte Brachfläche vor-handen (s. Abb.2). Stellenweise wird es durch vereinzelte Plattenbauten „aufgelo-ckert“. Der restliche Raum wird als Grünfläche, Parkplatz und Marktfläche nachge-nutzt. Im südlichen Bereich der Stadt Gubin befinden sich größere Industrie- und Ge-werbeansiedlungen, im Norden alte Fabrikantenvillen und einige Plattenbausiedlun-gen. Ein richtiges Zentrum ist in Gubin allerdings nicht mehr zu finden, wozu zwei-felsohne die versäumte Rekonstruktion des historischen Stadtgrundrisses beigetragen hat.

Abb. 2: Historischer Stadtkern in Gubin ehemals und heute

Foto: Website Stadt Gubin; Beate Konieczny

Das deutsche Guben dehnte sich im Zuge des Aufschwungs der Nachkriegszeit in ein-zelnen Siedlungsschollen immer weiter nach Westen aus. Die Wohnkomplexe I, II und III wurden in den 1960er Jahren und der Wohnkomplex IV in den 1970er und 1980er Jahren errichtet (s. Abb. 3). Seit 1990 sind des Weiteren mehrere Neubauge-biete, kleinere Gewerbegebiete und großflächige Einzelhandelseinrichtungen entlang der B97 ausgewiesen und bebaut worden. Im Zuge dieser Entwicklung bildeten sich zwei Siedlungsschwerpunkte aus, die durch einen Grünzug voneinander getrennt sind (vgl. Stadt Guben 2002b: 7) – die Altstadt mit den Wohnkomplexen I und III sowie die Neustadt auf dem Reichenbacher Berg mit den Wohnkomplexen II und IV. In je-dem Quartier der Stadt bildete sich ein verhältnismäßig starkes eigenes Subzentrum heraus, so dass sich insgesamt eine polyzentrale Struktur entwickelte (vgl. BTU Cott-bus 2003: 15). Ein richtiges Zentrum fehlt auch Guben trotz mehrerer Planungen und Realisierungsversuche nach wie vor. Außerdem hat die Stadt im Zuge des Struktur-wandels nach der politischen Wende einen erheblichen Bedeutungsverlust als Wohn- und Arbeitsstandort erfahren.

Der Doppelstadt fehlt bis heute allerdings nicht nur ein städtisches Zentrum. Die Nei-ßeinsel zwischen Guben und Gubin war mit der sich damals darauf befindenden Thea-teranlage das kulturelle Zentrum der ehemaligen Gesamtstadt. Das Theater wurde je-doch während und der Rest der Anlage nach dem Zweiten Weltkrieg zerstört. Auf-grund der fehlenden Wirtschaftskraft der polnischen Seite für einen Wiederaufbau und des fehlenden Zugangs von der deutschen Seite aufgrund der Grenzziehung konnte dieses kulturelle Zentrum nicht mehr reaktiviert werden (vgl. ISW 1996: 43). Dieser Umstand und die Lage im unmittelbaren Grenzstreifen führten zu einer starken funkti-onellen und gestalterischen Vernachlässigung der Theaterinsel, auf der sich heutzutage lediglich eine Grünfläche befindet.

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Abb. 3: Stadtteile in Guben

Quelle: Stadt Guben 2002a: 6; verändert

Abb. 4: Theaterinsel ehemals und heute

Quelle: Website Stadt Gubin; Beate Konieczny

Wirtschaftsstruktur

Die Doppelstadt Guben – Gubin liegt in einem ländlichen Raum, der gegenwärtig mit wenigen Industriestandorten ausgestattet ist. Im Laufe der 90er Jahre ist ein Großteil der ehemals prägenden Industriebetriebe geschlossen worden. So hat die Stadt Guben in den letzten 13 Jahren eine 90 %ige Deindustrialisierung erfahren und auch das pol-nische Gubin ist durch starke strukturelle Umbrüche gekennzeichnet. Gegenwärtig ar-beiten in Guben noch ca. 800 Beschäftigte in der vormals prägenden Chemiefaserpro-duktion. Die traditionsreiche Tuch- und Hutproduktion ist gänzlich eingestellt worden (Herr Reuter am 02.07.2003). Die Bevölkerung Gubens sank seit der Wende um über 10.000 Personen, so dass die bestehende Stadtstruktur von immer mehr Leerständen und nicht ausgelasteten Einrichtungen geprägt ist. Darüber hinaus verlor Guben im Zuge der Kreisgebietsreform im Jahre 1993 ihren Status als Kreisstadt, was ebenfalls zur Reduzierung der städtischen Infrastruktur führte. Die Situation Gubins ist wirt-schaftlich ebenfalls stark beeinträchtigt. Nach einer ersten Phase der als Boom begrif-fenen Entwicklung in den 1990er Jahren, die sich hauptsächlich auf die grenztypische Basarökonomie stützte, folgte die Schließung der Schuhfabrik Carina mit ca. 2.300 Beschäftigten und die Aufgabe des Garnisonsstandortes mit 15.000 Angehörigen (vgl. Stadt Guben et al. 2002). Diese Entwicklungen spiegeln sich in den Arbeitslosenzah-len der Doppelstadt wieder. So betrug die Arbeitslosenquote im Jahre 2001 in Guben 22 % (vgl. BTU Cottbus 2003: 2) und lag somit sowohl über dem Landesdurchschnitt

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38 mit 18,8 % als auch über dem Kreisdurchschnitt von 19,9 % (vgl. Website Landesbe-trieb für Datenverarbeitung und Statistik Land Brandenburg). In Gubin ist die Arbeits-losigkeit mit einer Quote von 34 % ebenfalls überdurchschnittlich. So betrug die durchschnittliche Arbeitslosenquote der Woiwodschaft Lebus im Jahr 2002 27,1 %. Der Kreis Krosno, in dem Gubin liegt, erreichte hierbei mit 34,2 % die höchste Ar-beitslosenquote aller Kreise und kreisfreien Städte in der Woiwodschaft Lebus (vgl. Website Urząd Statystyczny w Zielonej Górze). Die Doppelstadt hat darüber hinaus auch noch einen überdurchschnittlich hohen Anteil von Langzeitarbeitslosen. Die vor-genannten Fakten bedeuten somit, dass Guben - Gubin noch höhere Arbeitslosenquo-ten aufweist als die Region bzw. das Land, in der bzw. dem die Arbeitslosenzahlen eh schon überdurchschnittlich hoch sind. Darüber hinaus führen diese enormen Arbeits-losenzahlen vor allem in Guben zu hohen Abwanderungen vorwiegend junger und qualifizierter Menschen, die gerade in den Großstädten und in Westdeutschland auf bessere Chancen bei der Ausbildungs- und Arbeitssuche hoffen.

Bevölkerungsentwicklung

Bereits vor der Wende in den frühen 1980er Jahren sind im deutschen Guben kontinu-ierlich rückläufige Bevölkerungszahlen verzeichnet worden. So zählte die Stadt 1990 ca. 33.200 EinwohnerInnen – etwa 10,9 % weniger als im Jahre 1981 (vgl. BTU Cott-bus 2003: 2-3). Nach der Wende setzte eine extrem negative Wirtschaftsentwicklung ein, im Zuge derer die deutsche Doppelstadthälfte nochmals über 30 % ihrer Bevölke-rung verlor. So lag die Einwohnerzahl Ende April 2002 bei 23.813 Personen und Ende Juli 2003 bereits bei nur noch 22.691 Personen. Zusammengefasst bedeutet dies, dass die Stadt Guben innerhalb von 13 Jahren über 10.000 ihrer EinwohnerInnen verloren hat. Die Ursachen für diesen enormen EinwohnerInnenverlust liegen zu einem eher geringen Teil an der konstant negativen natürlichen Bevölkerungsentwicklung und an den Stadt-Umland-Wanderungen. Hauptsächlich liegt der Grund für die Abnahme der EinwohnerInnenzahlen in den wirtschaftlich bedingten Abwanderungsraten. Gegen-wärtig wandern jeden Monat nahezu 70 EinwohnerInnen aus Guben ab, vorwiegend in Regionen außerhalb des Landes Brandenburg und des Raumes Berlin (vgl. Stadt Gu-ben 2002b: 10). Prognosen, die auf der vierten Bevölkerungsprognose für das Land Brandenburg basieren, gehen für Guben von einem weiteren EinwohnerInnenrück-gang auf 21.350 im Jahre 2015, dann auf 17.600 bis zum Jahr 2030 und auf nur noch 14.600 im Jahr 2040 aus (s. Abb. 5). Diese prognostizierten Bevölkerungsverluste nehmen hierbei sogar im Vergleich zu den allgemeinen Bevölkerungsprognosen für die Städte in den neuen Bundesländern immense Dimensionen an (vgl. BTU Cottbus 2003: 3).

Das polnische Gubin erlebte bislang keine vergleichbare negative Bevölkerungs-entwicklung. Hier betrug die EinwohnerInnenzahl Ende Dezember 2000 18.849 Per-sonen – das Ergebnis eines stetigen Bevölkerungszuwachses seit den 1970er Jahren. So stieg die Anzahl der EinwohnerInnen zwischen 1970 und 1980 um 1.100 Personen (+ 7,3 %), zwischen 1980 und 1990 um 2.500 Personen (+ 15,4 %) und zwischen 1990 und 2000 um 149 Personen (+ 0,8 %) (vgl. ISW 2002: 46). Im Jahr 2001 war die Be-völkerungszahl zum ersten Mal rückläufig und Gubin verlor innerhalb dieses Jahres 478 EinwohnerInnen und somit 2,5 % der Gesamtbevölkerung. Gegenwärtig zählt die polnische Doppelstadthälfte ca. 18.000 EinwohnerInnen. Der leichte Rückgang der BewohnerInnenzahlen in den letzten drei Jahren wird durch die hohe Arbeitslosigkeit in der Stadt und die daraus bereits resultierenden Abwanderungen junger, qualifizier-ter Personen verursacht (Herr Sikora am 12.11.2003).

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39 Abb. 5: Bisherige und prognostizierte Bevölkerungsentwicklung in Guben - Gubin

Quelle: BTU Cottbus 2003: 3

Zusammenarbeit zwischen Guben und Gubin

Unmittelbar nach der Wiedervereinigung Deutschlands begannen beide Seiten der Doppelstadt Guben - Gubin damit, ihre Beziehungen zueinander neu aufzubauen. Nachdem zwischen 1980 und 1990 die deutsch-polnische Grenze geschlossen war und die Kontakte zwischen den Kommunen völlig zum erliegen kamen, wurde 1991 zum zweiten Mal in der kurzen Geschichte der deutsch-polnischen Grenze die Visapflicht aufgehoben. Nahezu zeitgleich wurde zwischen Guben und Gubin ein Partner-schaftsabkommen geschlossen. Der sogenannte Städtepartnerschaftsvertrag sah die weitere Zusammenarbeit in der Doppelstadt im Schulwesen, Gesundheitswesen, zwi-schen den Feuerwehren, im Bereich der Kommunalwirtschaft bei der Wasser- und E-nergieversorgung als auch die gemeinsame Teilnahme an den Regionalmessen, die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Umwelt, Stadt- und Raumplanung sowie die Sa-nierung und Renovierung der Infrastruktur und von Wohnbauten vor. In der wirt-schaftlichen Kooperation wurde u.a. die Absicht zu Kontaktvermittlungen zwischen wirtschaftlichen Unternehmen, zur Zusammenarbeit im Bereich der Energiewirtschaft, zur Bildung von zollfreien Zonen und zur Verbesserung der Infrastruktur der Grenz-übergänge bekundet (vgl. Jajeśniak-Quast und Stokłosa 2000: 102). Die im Partner-schaftsvertrag nicht näher formulierte Zielsetzung der Schaffung eines Städteverbun-des tritt in dem am 19.06.1996 fast einstimmig angenommenen Vorhaben „Gemein-sames räumliches Strukturkonzept“ deutlich zutage. Das von dem deutschen Cottbuser Büro ARCUS und dem polnischen Planungsbüro Jeleniogórskie Biuro Planowania i Projektowania in Zusammenarbeit mit den Stadtverwaltungen Guben und Gubin 1998 fertiggestellte Konzept ist das erste gemeinsame Planungskonzept der Doppelstadt, das für beide Stadtteile grundlegende Stadtentwicklungsziele und ein abgestimmtes städtebauliches Leitbild festschreibt. Weiterhin bildet es die Grundlage für 17 gemein-same Initialprojekte, deren Umsetzung bis heute in der Mehrzahl leider auf sich war-ten lässt (vgl. Euroregion Spree-Neiße-Bober 2001: 21). Die Beziehung zwischen Gu-ben und Gubin gipfelte schließlich in der gemeinsamen Präsentation auf der EXPO 2000 als „Eurostadt Guben - Gubin“.

Des Weiteren bewarb sich die Doppelstadt im Jahr 2000 für die Teilnahme am Ideen-wettbewerb „Stadt 2030“. Mit Hilfe der Forschungspartner – der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus, Lehrstuhl Städtebau und Entwerfen und der Landes-entwicklungsgesellschaft Berlin-Brandenburg mbH – hat Guben - Gubin an diesem Wettbewerb teilgenommen und ist als Modellstadt ausgewählt worden. Der offizielle Projektstart erfolgte im Februar 2002. In den darauf folgenden 18 Monaten

Prognose

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40 erarbeiteten Guben und Gubin einen gemeinsamen Leitbildentwurf für die Doppel-stadt vor dem Horizont der nächsten 30 Jahre (vgl. Website Stadt 2030 Guben - Gu-bin). Besonders hervorzuheben ist dabei die starke Beteiligung der BürgerInnen Gu-bens und Gubins an diesem Projekt (vgl. Lausitzer Rundschau vom 02.07.2003). So wurden u.a. Befragungen zu der Haltung der Bevölkerung zur Doppelstadt durchge-führt, aktive Teilnahme der deutschen und polnischen EinwohnerInnen an einem In-ternet-„Stadtbaukasten“ zu Fragen der zukünftigen gemeinsamen Stadtgestaltung er-möglicht und eine Ausstellung zur Doppelstadt Guben - Gubin organisiert.

Das Projekt „Stadt 2030“ schloss im Juli 2003 mit einer Auswertung des Gesamtpro-zesses und Empfehlungen an beide Kommunen aus den gewonnenen Erkenntnissen. Der neue Leitbegriff der Doppelstadt Guben - Gubin lautet „EINE Zweiheit“ und ist auf sechs grundlegende Leitlinien ausgerichtet. Besondere Bedeutung kommt hierbei den Bereichen der gemeinschaftlichen Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und der Neuorientierung der stadträumlichen Entwicklung zu. Hierbei muss darauf hingewie-sen werden, dass im Zusammenhang mit der räumlichen Entwicklung der Doppelstadt eine Abkehr vom derzeitigen Leitbild einer polyzentralen Siedlungsstruktur nahege-legt wird. So gibt es beispielsweise den Vorschlag, den vorgesehenen längerfristigen Erhalt bzw. Ausbau sozialer Infrastruktureinrichtungen im Wohnkomplex IV zu über-denken (vgl. Stadt Guben et al. 2003: 23). Dabei bleibt unklar, wie sich das Quartier in Anbetracht der bereits durchgeführten und noch beabsichtigten Abrisse, der wahr-scheinlich ausbleibenden Aufwertungs- und Wohnumfeldverbesserungsmaßnahmen und der nun vorgeschlagenen weiteren Kosteneinsparungen zu Lasten der sozialen Inf-rastruktur entwickeln bzw. stabilisieren soll und kann.

Basierend auf den aus dem Projekt „Stadt 2030“resultierenden Empfehlungen haben die Gubener und Gubiner Stadtverordneten in einer gemeinsamen Stadtratsitzung am 09.10.2003 die Absicht formuliert, sich gegenseitig die öffentlichen Beschlussvorla-gen in den Bereichen Wirtschaft, Stadtentwicklung und Infrastruktur zur Kenntnis zu geben, in regelmäßigem Turnus gemeinsame Stadtverordnetenversammlungen durch-zuführen und den begonnenen Prozess im Rahmen neuer Projekte unbedingt aktiv und gemeinsam fortzuführen (vgl. Website Stadt 2030 Guben - Gubin).

Bereits abgeschlossene grenzüberschreitende Projekte

Auf Grundlage der vorgenannten Absichtserklärungen, Programme und Konzepte konnten in der Doppelstadt bereits verschiedene Projekte realisiert werden. Zu den bisher aufwendigsten gehört der Bau einer gemeinsamen Abwasserbehandlungsanlage zur Reduzierung der Belastungen der Flüsse Oder und Neiße. Zur Durchführung die-ses Vorhabens wurde durch die Kommunen Guben und Gubin eine privatrechtliche Gesellschaft nach polnischem Recht gegründet (Przedsiębiorstwo Oczyszczania Sieków Gubin – Guben Sp. z o.o. / Unternehmen zur Abwasserbehandlung Gubin - Guben GmbH), die die Anlage seit 1998 betreibt. Von den 30 Millionen DM Gesamt-kosten wurden 18 Millionen durch das Bundesumweltministerium, das Land Branden-burg und die Europäische Union finanziert. Die Abwasserbehandlungsanlage ist gleichzeitig bisher das einzige der 17 Initialprojekte des gemeinsamen räumlichen Strukturkonzeptes, das abgeschlossen ist (vgl. Euroregion Spree-Neiße-Bober 2001: 26).

Im Bereich der Wirtschaftsförderung konnte 1998 das „Deutsch-Polnische Eurozent-rum“ eröffnet werden, dessen Realisierung mit 804.000 DM aus dem INTERREG II-Programm gefördert wurde. Das Zentrum ist eine Beratungs- und Begegnungsstätte für kooperationswillige Unternehmer aus Deutschland und Polen. Schwerpunktmäßig werden deutsche Unternehmer beraten und begleitet, wenn sie ihre wirtschaftliche Tä-tigkeit nach Polen ausweiten wollen. Darüber hinaus werden im Eurozentrum Koope-rationsbörsen organisiert und durchgeführt. Jährlich finden hier die Deutsch-Polnischen Innovations- und Technologietage statt (vgl. Euroregion Spree-Neiße-Bober 2001: 27).

Des Weiteren konnte ein deutsch-polnisches Schulprojekt erfolgreich realisiert wer-den. Bereits seit dem Schuljahr 1992/1993 werden an einer als Europaschule

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41 konzipierten Gubener Gesamtschule jährlich 25 polnische SchülerInnen in die 11. Klasse aufgenommen, mit dem Ziel, die Hochschulreife zu erlangen. Die Europaschu-le soll schrittweise zu einer bilingualen Schule ausgebaut werden. Die Anerkennung von Polnisch als zusätzliche Fremdsprache, die Einführung des bilingualen Unterrichts und der damit verbundene Lehreraustausch konnten bereits durchgesetzt werden. Das Projekt basiert auf einer Vereinbarung zwischen dem brandenburgischen Bildungsmi-nisterium und dem Bildungskuratorium der damaligen Woiwodschaft Zielona Góra (Frau Petrick am 12.11.2003).

Grenzüberschreitende Projekte, die sich derzeit in der Umsetzung befinden

Gegenwärtig werden zwei der im gemeinsamen räumlichen Strukturkonzept der Dop-pelstadt formulierten Ziele schrittweise umgesetzt. Hierbei handelt es sich um die Entwicklung der Achse Promenade am Dreieck - Frankfurter Straße – Neißebrücke - Westerplatte als Flaniermeile zwischen Guben und Gubin und die Entwicklung der Neißeinsel / Theaterinsel als Europainsel Guben - Gubin.

Zu den mit der Entwicklung der Flaniermeile verbundenen Vorhaben gehört der Um- und Ausbau der Frankfurter Straße zu einer verkehrsberuhigten Zone und der umfang-reiche Umbau im Grenzabfertigungsbereich auf der Neißebrücke zur Vereinfachung und Erleichterung des Grenzübergangs für FußgängerInnen und RadfahrerInnen. Die-se Umbaumaßnahmen erfordern die Zusammenarbeit der Stadtverwaltungen Guben und Gubin, der GrenzschützerInnen und des Zolls und werden zu 75 % aus der Ge-meinschaftsinitiative INTERREG III A gefördert (vgl. Website Stadt Guben). Auffäl-lig ist hierbei jedoch die bisher fehlende Fortführung des als grenzüberschreitend prä-sentierten Projektes auf der polnischen Seite.

Die gemeinsame Gestaltung der Neißeinsel als Europainsel Guben - Gubin erfolgt im Rahmen der Internationalen Bauausstellung „Fürst-Pückler-Land“ und wurde im Jahr 2001 in die Wege geleitet. Hier werden die Grundmauern des ehemaligen Theaters durch die Jugendlichen des grenzüberschreitenden ABM-Projektes „Lernen und Ar-beiten über Grenzen“ freigelegt, ein Wettbewerb zur Gestaltung der Insel organisiert und die Ausführungsplanung und Umsetzung für eine neue FußgängerInnenbrücke von der deutschen Seite zur Neißeinsel vorbereitet (vgl. Website Stadt Guben). Ge-genwärtig werden die Industriebauten der ehemaligen Gubener Wolle entlang der Neiße abgerissen, um Freiräume und eine daraus resultierende Öffnung zur Neißeinsel von Guben aus zu schaffen. Ein neues kulturelles Zentrum oder ähnliche Strukturen sollen auf der Neißeinsel jedoch nicht wieder entstehen. Die Planungen der IBA sehen für die ehemalige Theaterinsel eine Mischung aus historischen Wegen der einstigen Parkanlage, Bestandsgrün und neuer Spontan-Natur vor (vgl. Website IBA „Fürst-Pückler-Land“).

Gescheiterte grenzüberschreitende Projekte

Abschließend soll auf grenzüberschreitende Projekte eingegangen werden, die von lo-kalen AkteurInnen aus Guben und Gubin vorbereitet und konzipiert wurden, jedoch in ihrer Planungs- oder Durchführungsphase aufgegeben werden mussten. So wurde Mit-te der 1990er Jahre ein deutsch-polnischer Kindergarten mit Sitz in Guben als anzu-strebendes Projekt vorgeschlagen. Dieses Vorhaben scheiterte allerdings an der man-gelnden Anmeldebereitschaft deutscher Eltern und wurde bis heute seitens der Stadt Guben nicht wieder in die Planung aufgenommen (Frau Petrick am 12.11.2003).

Darüber hinaus sind grenzüberschreitende Projekte in der Doppelstadt vor allem im Bereich der Wohnungswirtschaft misslungen. So planten die Gubener Wohnungsbau-genossenschaft - GWG - e.G. und die Spółdzielnia Mieszkaniowa w Gubinie (Gubiner Wohnungsbaugenossenschaft) die Durchführung eines Materialtransfers. Sanitär-gegenstände oder andere Wohnmaterialien, die im Zuge der Sanierungen und Abrisse in Guben vernichtet werden sollten, wurden von Gubiner Seite zur Wiederverwendung nachgefragt. Allerdings führten der erhebliche bürokratische Aufwand und die hohen-Zollgebühren schließlich zur Aufgabe des Vorhabens. Trotz guten Willens waren bei-de Unternehmen nicht in der Lage, einen derartigen Zeit- und Kostenaufwand in

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42 dieses Projekt zu leisten (Herr Reuter am 02.07.2003 und Herr Jakutowicz am 13.11.2003).

Des Weiteren wurde auf der Grundlage der Aktivitäten eines Freundschaftsvereines, in dem Erfahrungen zu wohnungswirtschaftlichen Problemstellungen ausgetauscht wurden, im Dezember 1999 eine deutsch-polnische Wohnungsbaugesellschaft ge-gründet. Die PBU – Przedsiębiorstwo Budowlano-Usługowe „Odra-Nysa“ Sp. z o.o. (Oder-Neiße Bau- und Dienstleistung GmbH) hatte ihren Sitz im polnischen Gubin und arbeitete nach dem polnischen Gesellschaftsrecht. Zu ihren Zielen gehörte die Planung und Finanzierung eines gemeinsamen Objektes mit Hilfe von EU-Fördermitteln und die Ansiedlungserleichterung für deutsche Bauträger in Polen. Dar-über hinaus sollten zwei Wohnstandorte mit Finanzierungsbetreuung in Gubin entwi-ckelt werden (vgl. BTU Cottbus 2001: 64). Leider dauerte diese deutsch-polnische Zusammenarbeit nur ein knappes Jahr und die Gesellschaft wurde im Jahr 2000 wie-der aufgelöst. In der Zeit ihres Bestehens konnte kein geeigneter Standort für gemein-same Objekte gefunden werden, womit letztendlich auch die Zielsetzungen nicht er-reicht werden konnten. Doch der wahre Grund für das Scheitern der Kooperation lag im fehlenden gegenseitigen Verständnis und fehlender Kooperationsbereitschaft auf allen Ebenen. So warfen die deutschen PartnerInnen den Polen einseitiges und eigen-nütziges Denken und Handeln vor (Herr Reuter am 02.07.2003), während umgekehrt die polnischen AkteurInnen das Gefühl hatten, von den Deutschen immer noch als ein „Entwicklungsland“ behandelt zu werden (Herr Sikora am 12.11.2003).

Die alltagskulturelle Ebene und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit

Das Schicksal der deutsch-polnischen Wohnungsbaugesellschaft zeigt die Bedeutung und den Einfluss der gesellschaftlichen Ebene bei grenzüberschreitenden Kooperatio-nen. Trotz einer Kooperationsabsicht aller AkteurInnen und einer erfolgreichen Insti-tutionalisierung in Form der GmbH, scheiterte das Projekt letztendlich an den unter-schiedlichen Sichtweisen und Einstellungen von polnischen und deutschen AkteurIn-nen in Bezug aufeinander. Auf der Basis der deutschen und polnischen Alltagskultu-ren2 erzeugten die AkteurInnen unterschiedliche Verhaltensformen und Ausdruckstile innerhalb der Kooperation. Dieser Umstand führte zu Missverständnissen und ver-stärkte gleichzeitig die jeweils vorhandenen unterschwelligen Vorurteile und Ängste so sehr, dass das Projekt schließlich aufgegeben werden musste. Übrig geblieben sind Enttäuschung vor allem auf der polnischen Seite und sinkende bis ausbleibende Ko-operationsbereitschaft für weitere Projekte auf der deutschen Seite (Herr Jakutowicz am 13.11.2003).

Diese Abschottung der deutschen AkteurInnen von ihren polnischen NachbarInnen steht stellvertretend für die nahezu gesamte Gesellschaft in Guben. So steht die Mehr-zahl der Gubener BürgerInnen der EU-Osterweiterung kritisch gegenüber. Durch die Lockerungen der Grenzübergangsregelungen werden vor allem im Wirtschaftsbereich, bei der Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen und bei der Kriminalität gravierende Ver-schlechterungen der ohnehin schon gespannten Situation erwartet (Herr Siewert am 12.11.2003). Das deutsche Polenbild, das immer noch durch Schlagwörter wie „polni-sche Wirtschaft“ oder „Auto-Mafia“ geprägt wird, ist in Guben fest in den alltagskul-turellen Wahrnehmungen verankert und lockert sich nur, wenn über die wenigen per-sönlichen Bekannten oder gar Verwandten gesprochen wird. So ist auch die allgemei-ne Blindheit gegenüber möglichen gegenseitigen Lern- und Innovationsprozessen nicht weiter verwunderlich. Gubin wird weiterhin als ein „Entwicklungsland“ gese-hen, das nicht in der Lage ist, mit dem Westen zu konkurrieren3 (Herr Sikora am 12.11.2003).

2 Dieser Begriff beschreibt „den Zusammenhang von alltäglichen Praxis- und Wissensformen, von eingelebten Praktiken und ihren implizit gewussten Normen, die unser Leben mit Relevan-zen versorgen“ (Matthiesen 2003: 2). 3 Der Vergleich der Internetpräsenzen der Stadt Guben und der Stadt Gubin veranschaulicht ein beispielhaftes Feld für einen derartigen Lern- und Innovationsprozess (vgl. www.guben.de und

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43 Die Sicht- und Wahrnehmungsweise der Gubener BürgerInnen in Bezug auf ihre pol-nischen NachbarInnen wird noch weiter durch die Wahrnehmungsweise der eigenen Situation in einer peripheren und von starken strukturellen Umbrüchen gekennzeich-neten Stadt beeinflusst und verstärkt. Die schrumpfende Stadt Guben bedeutet für die BürgerInnen Identitäts- und Sinnverlust. So trägt jede zusätzliche AbwandererIn nicht nur zur weiteren Leerstandsentwicklung bei, sondern verursacht auch einen Verlust von sozialen Beziehungen und vergrößert die Brüche in den lokalen Netzwerken. Die EinwohnerInnen Gubens reagieren hierauf mit einem Rückzug in die Privatsphäre und sprechen bereits von ihrer „sterbenden Stadt“. Abschottung und Resignation ersetzten hier das gesellschaftliche Engagement und die Mobilisierung innovativer Potenziale.

Handlungspotenziale der BürgerInnen werden allenfalls im Rahmen symbolischer, populistischer Positionen für lokalistische Haltungen und gegen Politiken der europäi-schen Einigung sichtbar. So war die jüngste Abwahl des europafreundlichen Bürger-meisters und der Wahlsieg seines lokalistisch orientierten Herausforderers zur Jahres-wende 2001/2002 nur eine logische Konsequenz der alltäglichen Wahrnehmung in Guben (vgl. Bürkner 2001: 57 - 58). Diese Reaktion der BürgerInnen auf die eigene Situation und die Erwartung der Lösung von oben hat die Stadt Guben jedoch ent-wicklungspolitisch zurückgeworfen. Die nach der Wahl formulierte kommunalpoliti-sche Einstellung zur lokalen Schrumpfungsproblematik äußert sich in einer extrem proaktiven Haltung, die mit fast ausschließlich technokratischen Vorhaben verbunden ist. Die sozialen und kulturellen Aspekte, die die BürgerInnen in die Prozesse einbin-den sollen, werden bei den konkreten investiven Maßnahmen geradezu gezielt ausge-lassen.

Sogar das kürzlich eröffnete Stadtteilbüro in der Altstadt-Ost, welches im Rahmen der Handlungsinitiative „Zukunft im Stadtteil – ZiS 2000“ als Förderkriterium eingebun-den ist, versteht sich nicht als BürgerInneninformation oder -partizipation sonder le-diglich als Kontakt- und Ansprechstelle für die von den Umbaumaßnahmen betroffe-nen EigentümerInnen (Herr Reinertz am 13.11.2003). Dementsprechend gibt es keine Öffnungszeiten im Stadtteilbüro. Dabei gibt es genügend Fragen seitens der Einwoh-nerInnen, die weder die Umbau- und Abrissmaßnahmen im Einzelnen noch das schnelle Tempo der Durchführung verstehen oder nachvollziehen können (vgl. Märki-sche Allgemeine vom 21.05.2003). Auf diese Weise wird sowohl der Identitäts- und Sinnverlust der BürgerInnen zur eigenen Stadt weiter vorangetrieben als auch der Glaube der Gesellschaft an die entwicklungspolitische Handlungskompetenz in Frage gestellt. Letztendlich führt dies zu einer wechselseitigen Sprachlosigkeit zwischen Po-litik und Gesellschaft, wodurch zusätzliche Anstöße für weitere Abwanderungen ge-liefert werden.

Die unter solchen Voraussetzungen bereits schwierig genug zu gestaltende grenzüber-schreitende Annäherung der Gesellschaften wird durch die kommunalpolitische Ein-stellung in Guben nur noch verstärkt. Gegensätzlicher könnten die Kooperationsbe-reitschaften auf den gesellschaftlichen Ebenen in Guben und Gubin gar nicht sein. So kann sich der Gubener Bürgermeister eine Kooperation mit der polnischen Doppel-stadthälfte nur vorstellen, wenn diese entweder eine finanzielle Entlastung mit sich bringt oder Gubin endlich das gleiche Entwicklungstempo wie seine Kommune ein-schlägt (vgl. Märkische Allgemeine vom 21.05.2003). Der Vorstellung, dass Guben von der polnischen Seite etwas lernen könnte oder dass gemeinsam Innovationspro-zesse in Gang gesetzt werden könnten, wird mit großer Skepsis begegnet. Die allge-meine positive Offenheit der BürgerInnen Gubins gegenüber den Deutschen und ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit ihnen (Herr Sikora am 12.11.2003 und Herr Ja-kutowicz am 13.11.2003) ist hingegen, trotz der schrecklichen deutsch-polnischen Vergangenheit und zahlreicher schlechter Erfahrungen und bereits missglückter www.gubin.pl). Schon der erste Eindruck verdeutlicht, dass hier die deutsche Seite durchaus eine Menge von der professionellen internationalen Präsentation der polnischen Stadt lernen könnte. Eine Zusammenarbeit würde hierbei nicht nur zur Optimierung der vorhandenen Gu-bener Homepage beitragen sondern darüber hinaus eine gemeinsame deutsch-polnische und der Eurostadt gerechte Internetseite ermöglichen.

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44 grenzüberschreitender Projektversuche, nach wie vor ungebrochen. In dieser Gegen-sätzlichkeit von Abgrenzung und Offenheit liegt sowohl das Problem als auch die Chance der Doppelstadt für zukünftige gemeinsame Projekte. Nur durch die Förde-rung der Offenheit und die gleichzeitige Eindämmung und Vermeidung der Abgren-zung ist eine Annäherung der deutschen und polnischen Gesellschaften und das daraus entstehende positive Klima für grenzüberschreitende Zusammenarbeit möglich.

Fazit

Obwohl die Doppelstadt Guben - Gubin aufgrund der Grenzziehung nach dem Zwei-ten Weltkrieg eine sehr junge gemeinsame Geschichte und somit eine geringe gemein-same Identität hat, ist die gegenseitige Annäherung auf der offiziellen Ebene weit fort-geschritten. Schon früh wurden im Städtepartnerschaftsvertrag Absichten zur grenz-überschreitenden Zusammenarbeit in nahezu allen Bereichen bekundet und formuliert. Hierauf folgten zahlreiche gemeinsame Projekte und es wurden gemeinsame Leitbil-der für die Eurostadt Guben - Gubin entwickelt. Formelle Probleme und Schwierigkei-ten wurden nicht selten erfolgreich behoben. So wurde beim Projekt der deutsch-polnischen Europaschule die nationalstaatliche Souveränität durch eine Vereinbarung zwischen den zuständigen Bildungsorganen auf der Landes- bzw. Woiwodschaftsebe-ne überwunden. Des Weiteren trug die Entstehung neuer gemeinsamer Institutionali-sierungsformen, wie z.B. die Gründung privatrechtlicher Gesellschaften nach polni-schem Recht, zur Realisierung einzelner Projekte bei. Doch der Handlungsfähigkeit auf der offiziellen Ebene in der Doppelstadt sind auch Grenzen gesetzt. So erforderte die Beseitigung der rechtlichen und nationalstaatlichen Barrieren, die beim Vorhaben des Materialaustausches zwischen den Wohnungsbaugenossenschaften zum Tragen kamen, die Einbeziehung staatlicher Organe auf höherer Ebene, was zu aufwendigen und langwierigen Entscheidungsprozessen und letztendlich zum Scheitern der Zu-sammenarbeit führte.

Leider wird seit dem politischen Wechsel in Guben eine Abnahme der Quantität und Qualität von grenzüberschreitenden Projekten und Vorhaben sichtbar. Auffällig ist, dass alle deutsch-polnischen Projekte oder Programme, die gegenwärtig geplant sind („Stadt 2030“) oder bereits umgesetzt werden (Entwicklung der Neißeinsel), auf Handlungsinitiativen vor dem Amtsantritt der neuen politischen Spitze am 01.03.2002 basieren. Darüber hinaus liegt die Konzentration bei den sich aktuell in der Umset-zung befindlichen und als grenzüberschreitend präsentierten Vorhaben konsequent bei investiven Maßnahmen auf deutscher Seite.

Angesichts der politischen Tendenzen des Lokalismus, der starken regionalen Identi-fikation und des technokratischen, proaktiven Umgangs mit der Schrumpfungs-problematik wird die Kluft zwischen der offiziellen Ebene und der passiv-resignierten Bevölkerung immer größer. Des Weiteren wird durch die sich abzeichnende offizielle Abschottung zum polnischen Gubin das Misstrauen gegen alles Fremde bei den Bür-gerInnen Gubens gefördert. Das Ergebnis ist mentale Abschottung, wo mentale Brü-cken unbedingt notwendig wären. Dabei kommt der alltagskulturellen Wahrnehmung der Gubener Bevölkerung sowohl aus lokaler als auch aus grenzüberschreitender Sicht eine zentrale Bedeutung zu. Gegenwärtig ist Guben - Gubin allerdings auf der gesell-schaftlichen und alltagsweltlichen Ebene noch weit davon entfernt, das positive Image einer Eurostadt darzustellen. Es ist unumgänglich, dass die Politik in Guben die Reali-täten zur Kenntnis nimmt und die lokale Basis durch Integration in kommunal-politische Prozesse wiedergewinnt. Gleichzeitig muss die Bedeutung der Alltags-kulturen und das Potenzial jenseits der Grenze erkannt und gemeinsame deutsch-polnische Innovations- und Lernprozesse gefördert werden. Die Anregung gemeinsa-mer Lerndynamiken von Polen und Deutschen, bei denen die Neugierde auf die Un-terschiede in den Alltagskulturen eine wichtige Rolle spielt, soll Selbst-organisationspotenziale und eine neue lokale Identität fördern (vgl. Matthiesen 2002: 4-5). Erst dann haben grenzüberschreitende Projekte in Guben - Gubin eine Chance und können nachhaltige Effekte erzielen.

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45 Letztendlich verdeutlicht dieses zwar markante, jedoch für schrumpfende Städte in Ostdeutschland nicht zwangsläufig repräsentative Beispiel, dass jede Stadt ihre eigene alltagskulturell eingebettete Entwicklungsdynamik hat. Durch den Blick auf die loka-len Konflikte und politischen Haltungen wird erkennbar, dass es für die Lösung der Probleme kein Patentrezept geben kann. Vielmehr müssen Lösungsansätze für jede Doppelstadt im deutsch-polnischen Grenzraum aus einer offenen lokalen Be-standsaufnahme und -analyse entwickelt werden.

Quellen

Literatur

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46 Stadt Guben; Brandenburgische Technische Universität Cottbus; Landes-entwicklungsgesellschaft Berlin-Brandenburg mbH (Hrsg.) (2003): Stadt 2030 Emp-fehlungen für die Doppelstadt Guben – Gubin. Leitlinien – Implementierungen – Handlungsansätze. Online Dokument

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Website IBA (Internationale Bauausstellung) „Fürst-Pückler-Land“, http://www.iba-fuerst-pueckler-land.de (Zugriff am 02.12.2003)

Website Landesbetrieb für Datenverarbeitung und Statistik Land Brandenburg, http://www.lds-bb.de (Zugriff am 04.08.2003)

Website Stadt 2030 Guben – Gubin, http://www.guben-gubin-2030.de (Zugriff am 19.08.2003)

Website Stadt Guben, http://www.guben.de (Zugriff am 16.09.2003)

Website Stadt Gubin, http://www.gubin.pl (Zugriff am 16.09.2003)

Website Urząd Statystyczny w Zielonej Górze (Statistisches Amt in Zielona Góra), http://www.stat.gov.pl/urzędy/zg/index.htm (Zugriff am 16.09.2003)

Gespräche

Jakutowicz, Ryszard: Vorstandsvorsitzender der Spółdzielnia Mieszkaniowa w Gubi-nie (Gubiner Wohnungsbaugenossenschaft), Gespräch am 13.11.2003 in Gubin

Petrick, Ilona: Geschäftsführerin der Euroregion Spree-Neiße-Bober, Gespräch am 12.11.2003 in Guben

Reinertz, Thomas: Deutsche Bau- und Grundstücks-AG in Berlin, Ansprechpartner für das Programm “Zukunft im Stadtteil - Altstadt-Ost” im Stadtteilbüro in Guben, Ge-spräch am 13.11.2003 in Guben

Reuter, Gerd, Dipl.-Ing.: Vorstandsvorsitzender der Gubener Wohnungsbau-genossenschaft – GWG – e.G., Gespräch am 02.07.2003 in Guben

Siewert, Siegfried: Taxiunternehmer in Guben, Gespräch am 12.11.2003 in Guben

Sikora, Krzysztof: Beauftragter des Bürgermeisters der Stadt Gubin für Wirtschafts-promotion und Stadtentwicklung, Ansprechpartner für das Programm “Miasto 2030 – Podwójne Miasto Gubin - Guben” (Stadt 2030 - Doppelstadt Gubin - Guben), Ge-spräch am 12.11.2003 in Gubin

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47

Julia Nierhoff, Anne Thun

Frankfurt (Oder) und Slubice

Ein Garten für zwei Städte

Am äußersten Rand Deutschlands, an der Grenze zu Polen, liegt die brandenburgische Stadt Frankfurt/Oder. Trotz der relativen Nähe zur Hauptstadt Berlin ist hier die Rand-situation innerhalb Deutschlands wie auch der Europäischen Union mehr als präsent. Heute fungiert Frankfurt, seiner Grenzlage geschuldet, als Mittler zwischen Ost und West, vor allem, weil die ehemalige Dammvorstadt Frankfurts nach der Grenzziehung 1945 zur polnischen Stadt Slubice wurde. Noch ist es schwer vorstellbar, dass mit dem Bedeutungswandel der entlang der Oder verlaufenden Grenze nach dem EU-Beitritt Polens auch ein neues Zeitalter in der Wahrnehmung der Schwesterstädte Frankfurt (Oder) und Slubice eintreten wird; denn noch gibt es Grenzkontrollen und Zollabferti-gung mitten in der Stadt. Schließlich steht mit dem Wegfall der EU-Außengrenze kei-nesfalls die Grenze an sich in Frage. Somit wird auch in absehbarer Zukunft die Flussmitte die Grenze zwischen zwei Städten wie auch zwei Staaten sein (s. Abb.1). Die Hoffnungen jedoch, dass sich die wirtschaftlichen Austauschbeziehungen mit bei-derseitigem Vorteil intensivieren, sind groß (s. Beitrag von Dirk Bölitz sowie von Stefanie Goedecke in diesem Heft).

Abb. 1: Frankfurt (Oder) und Slubice

Foto: Schöning & Co. + Gebr. Schmidt (Hrsg.)

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war die Stadt stark zerstört. Beiderseits der Oder begann der Wiederaufbau, jedoch voneinander und somit auch von der Oder ab-gewandt. Außerdem versuchten Frankfurt wie auch Slubice, den Verlust der anderen Seite zu kompensieren. Slubice, die östlich gelegene Dammvorstadt, hatte ursprüng-lich für Frankfurt, die restliche Stadt, vor allem Erholungsfunktion. Nach dem Krieg war die Stadt menschenleer, da die deutsche Bevölkerung geflohen war oder vertrie-ben wurde. Der neuen Gemeinde Slubice stellte sich die Aufgabe, eine von Krieg und Vertreibung gezeichnete Teilstadt mit eingewiesenen Neubürgern zu einer autonom funktionierenden Gemeinde zu entwickeln, die sich als Grenzstadt zur deutschen Nachbargemeinde Frankfurt behauptet. Im Verlauf der Jahrzehnte konnte Slubice eine eigene kommunale Identität entwickeln. Heute spielt das Gegenüber für die städti-schen Bedürfnisse im Grunde keine Rolle mehr. Beide Städte sind autark und schein-bar nicht aufeinander angewiesen, doch die Bewohner haben Wege gefunden, beide Städte für sich zu nutzen. Zwar nur einen Brückenschlag entfernt, trennen die Städte doch Welten durch das enorme Einkommens- und Preisgefälle. Das hat Folgen für die Nutzungsstrukturen der beiden Städte. Eine Brücke verbindet die beiden Zentren, und vor allem Fußgänger nutzen diesen Weg. Die Einwohner Frankfurts und Umgebung strömen auf die rechte Oderseite, um das Preisgefälle bei Waren und Dienstleistungen, wie z.B. Friseur, zu nutzen. Ebenso decken die am polnischen Wirtschaftswachstum teilhabenden Polen in Frankfurt vor allem ihren Bedarf an technischen Geräten. So

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48 sind in beiden Städten Handels- und Dienstleistungsstrukturen entstanden, die sicher auch nach dem EU-Beitritt Polens fortbestehen bleiben, sich jedoch bezüglich Anzahl, Nutzfläche, Branche und Lage weiter entwickeln könnten.

Herausforderungen der Gegenwart – Perspektiven für die Zukunft

In Frankfurt ging es nach 1945 um den raschen Wiederaufbau der Stadt, es herrschte Wohnungsnot, überall fehlte Infrastruktur. Und heute? Wohnungsleerstand in einer Größenordnung von ca. 17 Prozent des Bestandes; absolut bedeutet dies ca. 6.900 Wohnungen sind nicht vermietet. Infrastruktur für soziale und kulturelle Zwecke ist zum einen durch starke Bevölkerungsverluste in einem immer kleineren Maßstab er-forderlich, zum anderen auch nicht mehr bezahlbar.

Nach der Wiedervereinigung folgte sehr schnell die Deindustrialisierung vieler Pro-duktionsstandorte der früheren DDR. „Eingebettet in den umfassenden Strukturwandel findet auch in Frankfurt/Oder mit dem schrittweisen Abbau von Arbeitsplätzen eine Abwanderung von mobilen und gut ausgebildeten Einwohnern statt, weil die Entste-hung neuer Arbeitsplätze bisher keinen quantitativen Ersatz leisten konnte – obwohl sich mit Hilfe hartnäckiger Ansiedlungsakquisition erfolgreich Betriebe verschiedener Sparten in der Stadt niedergelassen haben und durchaus Chancen bestehen, diese Stra-tegie trotz des rezessiven Investitionsklimas mit guten Aussichten weiterzuführen.“ (Edelmann 2003) Im Jahr 2002 hat sich die Arbeitslosenquote auf knapp 20 Prozent erhöht. Besonders problematisch ist dabei der Sockel Langzeitarbeitsloser, da Sozial-hilfe von den Kommunen selbst zu tragen ist und es faktisch immer weniger Geld in den öffentliche Kassen gibt. Ebenso hat Frankfurt, wie viele andere insbesondere ost-deutsche Städte auch, mit einem schnellen und stetigen Bevölkerungsschwund bei gleichzeitig voranschreitender Alterung der Bevölkerungsstruktur zu kämpfen. Demo-graphische Prognosen gehen von circa 59.000 Einwohnern im Jahre 2015 aus, knapp 89.000 Einwohner waren es noch im Jahre 1989. Der Stadtumbau sieht den Abriss von rund 6.500 Wohnungen vor.

Ganz anders präsentiert sich Slubice: auch hier gibt es Arbeitslosigkeit und die öko-nomische Entwicklung liegt weit hinter der Frankfurts zurück. Doch statt Wohnungs-leerstand liegt hier ein empfindliches Defizit an Wohnungen vor, statt Abwanderung gibt es eine positive Bevölkerungsentwicklung. Aufgrund der ökonomischen Chancen an der EU-Grenze fand in den vergangenen Jahren ein starker Zuzug nach Slubice statt. „Der vorhandene Wohnungsbestand reicht zur Deckung der Nachfrage nicht aus und hat zu einem für polnische Verhältnisse extrem hohen Mietpreisniveau geführt. Hinzu kommt, dass die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf derzeit bei nur 18 Quadratmeter liegt und mit einem entsprechenden Nachholbedarf zu rechnen ist“ (Fle-cken 2002: 207).

Die Frage ist, wie sich unter diesen Rahmenbedingungen die grenzüberschreitende Stadtentwicklung gestalten soll. Vereinbarungen zur Zusammenarbeit gibt es bereits seit Anfang der neunziger Jahre, als die gemeinsamen Aufgaben und Ziele auf ver-schiedenen Gebieten wie Wirtschaft, Verwaltung, Bildung und Kultur sowie Umwelt-schutz etc. festgelegt wurden. Auch im Bereich der Stadtentwicklung und Raumplanung hat man sich zu gemeinsamen städtebaulichen Lösungen entschlossen. „Die Erarbeitung eines grenzüberschreitenden Räumlichen Strukturkonzeptes in den Jahren 1993/94 unterstrich die Notwendigkeit, sich als Zwillingsstadt gemeinsam über wichtige Fragestellungen der Entwicklung auseinander zu setzen. Das Konzept wurde in einer gemeinsamen Sitzung beider Stadtparlamente als Grundlage für die weitere Stadtentwicklung und die Flächennutzungsplanung beider Städte beschlossen.“ (Fle-cken 2003) „Die Aufwertung des gemeinsamen ‚Zentrums’ im Stadtraum Frank-furt(Oder)-Slubice – nämlich der Oder mit ihren Flussufern und Promenaden – steht im Mittelpunkt der Ziele für die grenzüberschreitende Stadtentwicklung. Nicht mehr die Rückseite beider Städte, sondern Vorderseite sollen die beiden Oderufer werden“ (Jost 2003). Ein Netz aus Plätzen, Wegen und Grünanlagen, zusammengefasst unter dem Konzept Europagarten (s.u.), soll den Stadtraum insgesamt erlebbar machen und wichtige Anlaufpunkte miteinander verbinden.

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49 Stadtumbauprozess

Ein Beispiel hierfür ist das 2002 beschlossene Stadtumbaukonzept von Frankfurt. Hier wurde ein planerischer Rahmen für weitere Aktivitäten mit Leitlinien auf gesamtstäd-tischer Ebene wie auch differenzierten Entwicklungszielen und Maßnahmen für ein-zelne Wohngebiete geschaffen. Weiterhin gibt es objektkonkrete Angaben zu Abriss- und Rückbaumaßnahmen bis 2010, um dem Leerstand von Wohnungen, resultierend aus dem Bevölkerungsrückgang von über 15.000 Einwohnern bis 2002, entgegenzu-wirken. Bisher wird davon ausgegangen, dass die Einwohnerzahl stetig weiter sinken wird. Auf die Tatsache der EU-Osterweiterung ist dabei anscheinend keine Rücksicht genommen worden. Dabei ist bekannt, dass Slubice heute im Grunde Wohnungsnot hat. Aktuell können aufgrund rechtlicher Barrieren und des relativ geringen Haus-haltseinkommens auf polnischer Seite Frankfurt und Slubice nicht als ein gemeinsa-mer Wohnungsmarkt betrachtet und vermarktet werden. Umgekehrt gibt es aber schon heute eine recht hohe Anzahl an Frankfurter Studenten, die die geringeren Mieten von Slubice nutzt, was den ohnehin knappen Wohnungsmarkt noch mehr belastet. So wäre es sicher erstrebenswert, den Zeithorizont des Stadtumbaukonzeptes bis 2010 und dar-über hinaus im Auge zu behalten, auch um einen langfristig vernünftigen Lösungsweg zu finden. Denn in einer – wenn auch geteilten – Stadt auf der einen Seite abzureißen, während auf der anderen Seite Wohnungsnot herrscht, ist offensichtlich nicht sinnvoll.

Umso interessanter ist die Idee, durch einen Garten einen Beitrag im Annäherungs- und Gestaltungsprozess der Städte zu leisten. Hier wird dem Gedanken, in der Zukunft wieder zu einer städtebaulichen Einheit zu werden, Rechnung getragen.

Der Europagarten 2003

Im Jahr 1999 wurde der Grundstein für das Projekt Europagarten Frankfurt (Oder)/ Slubice 2003 gelegt. Ziel der gemeinsamen Bemühungen beider Grenzstädte sollte es sein, pünktlich zur 750 Jahrfeier von Frankfurt ein Projekt zu vollenden, das die zu-künftige Kooperation der Städte stützen konnte. Mit den Arbeiten an einem gemein-samen „Europagarten“ wollten Frankfurt und Slubice sich auf ihre gemeinsame Mitte, die Oder besinnen und ihre weitere Entwicklung mit der Geschichte als Doppelstadt in Verbindung stellen.

Durch das Projekt des Europagarten 2003 sollte für die Städte eine neue „Vorderseite an der Oder“ entstehen und zudem die Kooperation der Gemeinden ab dem Jahr 2004 auf eine solide Basis gestellt werden. So wird der Europagarten 2003 ein Symbol der "Grenzüberschreitung" sein und damit mehr als ein Grünkonzept, das die Wege, Park-anlagen und Plätze von Frankfurt mit denen von Slubice verbindet (s. Abb. 2).

Die Konzeption des Projektes sieht vor, die innerstädtischen Grünräume Frankfurts und Slubices miteinander zu verbinden. Dabei lehnt es sich in seiner Ausrichtung stark an die Gartenschauidee an, deren Umsetzung in Deutschland regelmäßig stattfindet, in Polen aber eine Neuerung darstellt. Die Verknüpfung der Grünräume im Stadtgefüge und nicht an einer exponierten Lage am Stadtrand, soll, wie bereits oben erwähnt, die Städte auf symbolische Weise näher aneinander heranführen. Auf der anderen Seite wird durch dieses Projekt der Stadtraum wesentlich in seiner Aufenthaltsqualität ge-steigert. Neben den baulichen Maßnahmen beinhaltet das Konzept auch einen Veran-staltungszeitraum von Mai bis Oktober 2003. In diesem Zeitraum, der unter dem Motto „Natur. Oder. Kultur.“ steht, setzen sich Frankfurt und Slubice mit Veranstal-tungen jeder Art gezielt in Szene.

Die Planungen von Slubice beziehen sich im Wesentlichen auf den Raum ihrer Innen-stadt, der der Oder zugewandt ist und der einen Blick auf Frankfurt zulässt. Um ein Leitbild auszuarbeiten, stellten die Slubicer ihren Teil der Umsetzung unter das Motto: „Gärten in die Stadt“. Unter diesem Motto wurde an wichtigen Stationen in der Stadt, wie zum Beispiel dem Krankenhaus, einer Kirche und ähnlichem, ein Grünbereich ge-schaffen, der durch seine Bepflanzung und Gestaltung das Thema der jeweiligen Be-bauung aufnimmt. Zudem sind die Gärten in zwei verschiedene Kategorien eingeteilt. Auf der einen Seite gibt es die von der Stadt angeregten und durch engagierte Bürger

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50 umgesetzten und gepflegten Bürgergärten und auf der anderen Seite die von lokalen Unternehmen eingerichteten Werbegärten.

Abb. 2: Wegenetz und Orientierungspunkte in Frankfurt (Oder) und Slubice

Quelle: Messe- und Veranstaltungs GmbH Frankfurt (Oder) 2003

Während also der Schwerpunkt der Slubicer Planung in der Innenstadt liegt, findet man den Schwerpunkt Frankfurts auf der in der Oder vorgelagerten Insel Ziegenwer-der (s.u.). Durch diese verschiedenen Akzentuierungen ergeben sich Ergänzungen und konnten konkurrierende Situationen weitestgehend vermieden werden.

Jedes Projekt, das umgesetzt werden soll, braucht eine gesicherte Finanzierung. Wie aber sollte in der finanziell schlechten Situation von Frankfurt und besonders auch Slubice ein solch großes Projekt wie der Europagarten 2003 finanziert werden. In Hin-blick auf die EU-Osterweiterung wurden verschiedene Fördertöpfe von Seiten der EU angeboten, mit deren Hilfe es zur Realisierung des Europagartens kommen konnte. Dabei war die Lage in der sich die Städte befanden von besonderer Bedeutung. Frankfurt erhielt für seine Baumaßnahmen eine 80 %-Förderung durch das Programm INTERREG III sowie Slubice eine Förderung von 80 % aus dem Förderprogramm PHARE CBC. (s. Beitrag von Peter Höfer in diesem Heft). Ohne diese Förderungen wäre die Idee des Europagartens nicht umgesetzt worden.

Die Insel Ziegenwerder

Die Insel hat ihren Namen wahrscheinlich erhalten als sie die Weidegründe für die Ziegen der Fischer war, die sich in ihrer Nähe niedergelassen hatten. Schon im 19. Jahrhundert war die Insel mit drei verschiedenen Badeanstalten (Militärbad, Frauen-bad und Familienbad) eine wichtige Institution für den damaligen Freizeitsektor von Frankfurt. Nach dem Zweiten Weltkrieg veränderte sich das Aussehen der Insel, die bislang aus zwei Teilen bestanden hatte, grundlegend, als sie durch Aufschüttungen zu einer großen Insel zusammenwuchs. In den kommenden Jahren wurde ihr Gesicht durch weitere Aufschüttungen und Abgrabungen immer wieder verändert. Heute ist der Ziegenwerder wohl das Projekt des Europagartens, das einer Gartenschau am ähn-lichsten ist (s. Abb. 3).

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51 Abb. 3: Die Insel Ziegenwerder

Quelle: Messe- und Veranstaltungs GmbH Frankfurt (Oder) 2003

War die Insel bislang für die Frankfurter Bevölkerung frei zugänglich, so wird nun ein geringer Eintritt erhoben, was in den ersten Wochen für den Unmut der Frankfurter sorgte. Ob die Insel nach dem Kernveranstaltungsprogramm im Oktober wieder kos-tenlos genutzt werden kann, stand zum Zeitpunkt der Exkursion noch nicht fest. In dem der Stadt Frankfurt zugewandten Teil des Ziegenwerders, der selten unter Hoch-wasser steht, sind klar als Gartenschauelemente zu erkennende Installationen vorge-nommen worden. So finden sich hier unter anderem gestaltete Gärten, ein Spielplatz und ein Veranstaltungsort (s. Abb. 4). Die der Oder zugewandten Inselbereiche sind durch ihre Natürlichkeit geprägt, in der sich die ursprüngliche Auenlandschaft erken-nen lässt. An diesen Stellen sind wenige Baumaßnahmen durchgeführt worden.

Abb. 4: Ausgewählte Gartenschauelemente auf der Insel Ziegenwerder

a)

b)

c)

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Nach dem „Europagarten“

Bisher ging die Kooperation der beiden Städte kaum über einige Großereignisse wie z.B. den Europagarten 2003, die 23. Internationalen Hansetage oder das Stadtjubiläum Frankfurts hinaus. Jedoch sollte die Idee, einen Garten als Ort des Zusammenwach-sens und der Annäherung zu entwickeln, Grundlage der zukünftigen Planungen beider Städte sein. Der Anfang für ein „Grüngerüst“, welches die beiden Städte wieder zur Einheit führt, ist gemacht. Doch noch muss sich zeigen, ob der „grüne Brückenschlag“ auf beiden Seiten, Frankfurt wie auch Slubice, eine gute Basis findet und somit An-stoß zu neuen Kooperationen geben wird.

Quellen

Bunk, Dorit (2003a): Europagarten2003 – öffentliche Räume und Landschaft in die Stadt, In: Stadt Frankfurt (Oder) (Hrsg.): Zukunft nach 750 Jahren – Projekte und Plä-ne für das Stadtzentrum. Frankfurt (Oder), S. 56 - 57

Bunk, Dorit (2003b): Ziegenwerder – Die Oderinsel im Stadtzentrum, In: Stadt Frank-furt (Oder) (Hrsg.): Frankfurt (Oder) Zukunft nach 750 Jahren – Projekte und Pläne für das Stadtzentrum, Frankfurt (Oder), S. 62

Edelmann, Peter (2003): Herausforderungen der Gegenwart – Perspektiven für die Zukunft, In: Stadt Frankfurt (Oder) (Hrsg.): Frankfurt (Oder) Zukunft nach 750 Jahren – Projekte und Pläne für das Stadtzentrum, Frankfurt (Oder), S. 9 - 11

Flecken, Ursula (2002): Slubice: Stadtstruktur und Städtebau einer polnischen Grenzstadt, In: RaumPlanung, Heft 103, S. 206 - 210

Jost, Frank (2003): Frankfurt (Oder)/Slubice 2003 – Gemeinsame Stadtentwicklung hart an der Grenze. In: Planerin, Heft 01/2003, S.11-12 (SRL – Schriften; 51)

Messe- und Veranstaltungs GmbH Frankfurt (Oder) (Hrsg.) (2003): Europagar-ten2003: Kommen Sie näher: Frankfurt (Oder)-Slubice 9.5.-5.1003: Slubice - Frank-furt n.O. OgródEuropejski2003, Frankfurt (Oder)

Schöning & Co. + Gebr. Schmidt: F/O 31

Zero-Schulze, Dominika (2003): Garten gestaltet Stadt. Europagarten Frankfurt (Oder) – Slubice 2003, In: Planerin, Heft 01/2003, S.17-18, (SRL - Schriften; 51)

d) e)

f) a) Oderstrand, Foto: Dirk Bölitz; b) Ruhebereich, Foto: Cordula Feigs; c) “Hanselinie” Quelle/Lauf/Mündung, Foto: Dirk Bölitz; d) Naturlehrpfad, Foto: Heike Köckler; e) Kletterkistenspielplatz, Foto: Heike Köckler; f) Veranstaltungsort „Europahain“, Foto: Dirk Bölitz

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Dirk Bölitz

Kooperation, Kommunikation und Vertrauen

Der Hochschulstandort Frankfurt (Oder) – Slubice als Kompetenz-zentrum für die deutsch-polnische Zusammenarbeit

Auf dem östlichen Oderufer, direkt an der Stadtbrücke gelegen, ist ein neuer Gebäu-dekomplex von beträchtlichem Ausmaß nicht zu übersehen. Mit dem Collegium Polo-nicum beherbergt dieser seit 1995 eine gemeinsame Hochschul- und Forschungs-einrichtung der Frankfurter Europauniversität „Viadrina“ und der Adam-Mickiewicz-Universität der knapp 200 km entfernten polnischen Metropole Poznan. Das Collegi-um Polonicum ist eine Außenstelle ohne eigene Rechtspersönlichkeit. So sind die etwa 1.400 Studierenden hier entweder in Poznan oder an der Frankfurter „Viadrina“ einge-schrieben.

Abb. 1: Blick auf das östliche Oderufer mit dem Collegium Polonicum

Foto: Dirk Bölitz

Das Hauptgebäude der Europauniversität „Viadrina“ befindet sich im Frankfurter Stadtzentrum. Vor fast 200 Jahren war die alte Universität nach Breslau verlegt wor-den, im Jahre 1991 erfolgte die erneute Gründung nun mit dem erweiterten Titel „Eu-ropauniversität“. Und dieser Name ist Konzept, Internationalität konstitutiver Grund-gedanke der Hochschule (s. Website EUV). So kommt ein Drittel der über 3.000 Studierenden aus Polen. Sie werden an den Fakultäten für Kulturwissenschaften, Rechtswissenschaften und Wirtschaftswissenschaften ausgebildet.

Am Collegium Polonicum in Slubice besteht ein Angebot verschiedener Grund-, Mas-ter-, Aufbau- und Fernstudiengänge sowie an Veranstaltungen im Rahmen der Fremd-sprachenausbildung. Die Frankfurter Europauniversität führt hier postgraduale Master studiengänge durch, u.a. „European Political Studies“, „Management for Central and Eastern Europe“ oder „Schutz europäischer Kulturgüter“. Die Adam-Mickiewicz-Universität Poznan ist mit den Bachelorstudiengängen Politologie, Polnische Philolo-gie, Umweltschutz, Informatik und dem Vollstudiengang Raumwirtschaft engagiert (s. Website CP).

Dr. Krzysztof Wojciechowski, Leiter des Collegium Polonicum und seit Gründung der Frankfurter Europauniversität im Jahre 1991 in der Oderstadt tätig, beschreibt das Konzept des Collegium Polonicum als einen Versuch, „Schranken aufzuweichen“ (Krzysztof Wojciechowski am 11.06.2003). Ziel sei es, neben Forschung und Lehre deutsche und polnische Erfahrungen zu verknüpfen und eine Zusammenarbeit „in allen Bereichen und auf allen Ebenen“ voranzubringen. Dieser Anspruch beschränkt sich nicht auf den „Elfenbeinturm“ Hochschule, sondern soll Ausstrahlungskraft auch auf die Region entfalten.

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54 Der Philosoph und Soziologe Wojciechowski beschäftigt sich seit mehr als zwei Jahr-zehnten mit den deutsch-polnischen Beziehungen. Von Beginn an hat er die Entwick-lung des Städtepaares Frankfurt (Oder) - Slubice zu einem europäischen Hochschul-standort begleitet. Seit 1995 ist er für den Aufbau des Collegium Polonicum in Slubice zuständig.

Abb. 2: Vortrag von Krzysztof Wojciechowski im Collegium Polonicum

Foto: Dirk Bölitz

Das Städtepaar an der Oder

In der Oderstadt hatte Wojciechowski über die Jahre Gelegenheit, Verhaltensweisen der Deutschen und Polen unter vielen Aspekten zu beobachten. 1991 kam er aus War-schau an die Oder, um die Leitung des Akademischen Auslandsamtes der neugegrün-deten Europauniversität zu übernehmen. Im selben Jahr war am 17. Juni der Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen geschlossen worden. Damals änderte sich auch allerhand im grenzstädti-schen Leben der Oderstadt. Denn anderthalb Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer wurde nun endlich auch die östliche Grenze der untergegangenen DDR wieder geöff-net. Als Folge der erstarkenden Solidarnosc-Bewegung war Polen nämlich seit 1980 „hermetisch“ abgeriegelt worden, da die DDR-Regierung den Einfluss des offeneren Polens fürchtete (Jajesniak-Quast et al. 2000: 95ff.; s. auch Beitrag von Dirk Bölitz et al. in diesem Heft)

Wojciechowski empfand die ostbrandenburgische Stadt an der Oder anfangs kalt und unsympathisch: „Irgendwie war hier ein Geist von Preußentum und Kommunismus gegenwärtig.“ Solche Assoziationen sind wohl Ausdruck einer besonderen Sensibilität der Polen, die sich in der Geschichte häufig als Spielball europäischer Großmächte sahen (vgl. Krzeminski 2000: 18). So verschwand der polnische Staat vor gut 200 Jah-ren im Zuge der sogenannten Dritten Teilung von 1795 vollständig von der europäi-schen Landkarte – eine Folge der Expansionsbestrebungen zweier aufstrebender Nachbarn: Preußen und Russland. Erst das Ende des Ersten Weltkrieges beendete die 123 Jahre währende Fremdherrschaft. Mit der Souveränität war es allerdings auch bald wieder vorbei. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im Jahre 1939 leitete sechs furchtbare Jahre der Naziherrschaft ein. Der Hitler-Stalin-Pakt ließ Erinnerungen an die polnischen Teilungen im 18. Jahrhundert aufkommen. Wieder einmal machten Deutsche und Russen gemeinsame Sache bei der Annexion des polnischen Staatsge-bietes. Das Kriegsende brachte dem Land, das sich eigentlich zu den Siegerstaaten zählte, nicht etwa die ersehnte Freiheit, sondern eine Einbindung in den von der Sow-jetunion diktierten Ostblock. Polen musste sich ein halbes Jahrhundert gedulden, bevor mit dem Zusammenbruch des Sozialismus´ der Weg für die lang ersehnte Unabhän-gigkeit geebnet war.

Wie entwickelte sich nun das postsozialistische Städtepaar an der Oder seit 1991? Wojciechowski bescheinigt der Stadt Frankfurt, sie habe sich herausgemacht, sei in-ternational geworden – im Kleinen, konnte dabei allerdings erheblich von westlichen Transferleistungen profitieren. Doch auch die polnische Seite sei heute kaum mehr

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55 wiederzuerkennen. Die Situation in Slubice vor gut zehn Jahren und heute seien, so Wojciechowski, zwei verschiedene Welten: „Damals war die von sozialistischer Stadtplanung vergewaltigte Grenzstadt der Verwahrlosung preisgegeben: Finstermän-ner an jeder Ecke, hohe Kriminalität, Betrunkene…“ Wie überall im deutsch-polnischen Grenzraum, so boomte auch in Slubice die Basarökonomie nach der politi-schen Wende. Sicher ein weiterer Beitrag zu dem dubiosen Bild Slubices, zugleich jedoch wichtige Einkommensquelle für die kleine Stadt am östlichen Oderufer.

Vor drei Jahren waren die „Ameisen“ (emsige Zigarettenschmuggler, die unablässig die Grenze mit der erlaubten Menge Zigaretten passierten) plötzlich nicht mehr da. Auch die Prostituierten aus Südosteuropa verschwänden aus der Stadt. Noch im Um-kreis von 20 bis 30 km seien heute Aufwertungstendenzen zu beobachten. Der Basar sei allerdings keine dynamische Einkommensquelle mehr. Trieb es die Deutschen an-fangs scharenweise vor allem aus Abenteuerlust zum ungewohnten Markttreiben auf die Basare, so ist dieser Reiz über die Jahre verlorengegangen. Die deutsche Nachfrage verlagerte sich dafür auf Dienstleistungen wie Kfz-Reparaturen, Schuhmacher, Schnei-der (z.B. Hochzeitskleider und Anzüge), Frisörsalons oder Wellness-Studios. Obst, Gemüse und Fleischwaren sind noch immer populär, werden nun aber eher in den Geschäften der Stadt gekauft. Während sich die deutsche Nachfrage in Slubice auf Verbrauchsgüter und Dienstleistungen konzentriert, bevorzugen polnische Konsumen-ten in Frankfurt eher Güter mit längerfristigem Gebrauchswert wie technische Geräte, die in Deutschland günstiger angeboten werden.

Ein grenzüberschreitender Wirtschaftsraum?

Was beim individuellen Konsum über einfache Preismechanismen funktioniert, ist bei unternehmerischen Aktivitäten noch lange keine Selbstverständlichkeit. Grenzüber-schreitende Wirtschaftskooperation über die Oder ist zwar fester Bestandteil regional-politischer Programmatik zur Schaffung einer integrierten Region (vgl. Singer 1999: 19ff.; siehe auch Beitrag von Stefanie Goedecke in diesem Heft). Doch Wojcie-chowski beklagt, dass das Lohngefälle zwischen deutscher und polnischer Seite nicht hinreichend ausgenutzt wird. Dabei stelle dies die spezifische Chance der Region dar. Als Hindernis für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der regionalen Wirtschaft bemängelte er vor allem die Unflexibilität der deutschen Seite, die an alten Konzepten festhalte und wenig Spielraum für Experimente zulasse. In der Vergangenheit seien Technologie- und Gewerbeparks aus dem Boden gestampft worden, wo, so Wojcie-chowski, nun „erschlossene Grundstücke mit nagelneuen Straßen und Laternen“ oft vergeblich auf Investoren warteten.

In Polen gäbe es keine vergleichbare Strukturförderung, viel hänge von der Initiative des Einzelnen ab. Problematisch sei hierzulande aber die schwache Servicehaltung der Kommunen. Investoren gegenüber fühle man sich unwohl in der Position als „Bittstel-ler“. In diesem Zusammenhang lasse sich bei differenzierterer Betrachtung aber eine „Schiefe Ebene Europa“ mit einem West-Ost-Gefälle ausmachen, bei der für Polen die Zustände etwa in Russland genauso unverständlich seien, wie die polnischen Verhält-nisse aus deutscher Sicht. Kritisch steht Wojciechowski jedoch der „deutschen Denk-weise“ gegenüber, nach der für die wirtschaftliche Entwicklung der Staat über die Maßen verantwortlich gemacht würde. Das Individuum stehe zu wenig in der Pflicht.

Zu wenig würde im Kalkül der Wirtschaftsförderer die grenzraumspezifische Situation berücksichtigt, die regionale Nachfrage somit oftmals verfehlt. So sei der sogenannte Frankfurter „Brötchenkrieg“ ein Beispiel dafür, dass die grenzüberschreitende Zu-sammenarbeit nur selten über politische Lippenbekenntnisse hinaus komme. Vor eini-ger Zeit hatte ein Frankfurter Bäckerladen für Aufsehen gesorgt, der über die Zusammenarbeit mit einem polnischen Partner in der Lage war, Brötchen günstiger anzubieten als die Konkurrenz. Schnell geriet der Laden ins Kreuzfeuer der Frankfur-ter Öffentlichkeit, aufgeschreckt von „hysterischen Ängsten vor der billigen polni-schen Arbeitskraft“. Nach zwei Monaten der Angriffe durch örtliche Presse, Bäckereiinnung, Gesundheitsamt und auch Kunden, sah sich das deutsche Unterneh-men zur Aufgabe der Kooperation gezwungen. Ein späterer Anlauf des polnischen

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56 Backwarenherstellers mit einem Partner im Landkreis Oder-Spree scheiterte abermals (s. Rada o.J.).

Angesichts einer Arbeitslosenquote von ca. 20 % in Frankfurt (in Slubice sieht es nicht besser aus) sind solche Reaktionen zumindest nachvollziehbar. Wie aber soll die be-schworene grenzüberschreitende Zusammenarbeit aussehen? Sind dazu die Mühlen staatlicher Bürokratie nötig, auf der Ebene von Großprojekten, in Sonderwirtschafts-zonen, abgehoben vom Alltag der Stadtbewohner? Worin unterscheiden sich mit För-dergeldern und Steuervergünstigungen inszenierte grenzüberschreitende Unterneh-menskooperationen, die schließlich ebenso auf die Ausnutzung des Lohngefälles abzielen, von der Eigeninitiative eines Bäckereibetriebes?

Für Stefan Krätke, Professor für Wirtschafts- und Sozialgeographie an der Kulturwis-senschaftlichen Fakultät der Frankfurter Europauniversität, ist die Ausbeutung von Lohndifferenzen jedenfalls keine wünschenswerte Perspektive, da dies eher ein Modell zur Desintegration darstellen würde (Krätke 2001: 774). Setze ein solches Konzept doch gerade auf die Verfestigung regionaler Disparitäten. Zudem warnt Krätke vor einem „Überspringen“ der Grenzregion (s. Abb. 3), die im Schatten weiträumig trans-nationaler Unternehmensbeziehungen selbst kaum profitieren kann (Krätke 2001: 774). So wies die „Hoppenstedt“-Firmendatenbank für 2001 833 deutsche Unterneh-men mit Beteiligungen oder Niederlassungen in Polen aus, davon 793 Firmen (95,2 %) mit Sitz in den alten Bundesländern und nur 40 Firmen (4,5 %) mit Sitz in den neuen Ländern, darunter 23 allein in Berlin (ebd.: 773). Die Grenzregion hat somit bislang lediglich das transnationale Transportvolumen zu bewältigen. Es scheint, als wäre die Grenzregion der Ort, an dem alle Probleme kumulieren, während Kooperationsgewin-ne in den entfernten Wirtschaftszentren gemacht werden.

Abb. 3: Effekt des „Überspringens“ in der räumlichen Konfigura-tion grenzüberschreiten-der Unternehmensbe-ziehungen

Quelle: Krätke 2001: 774

Problematisch ist zudem, dass die regionalen Verflechtungsbeziehungen im produzie-renden Gewerbe in Ostbrandenburg generell schwach ausgeprägt sind, womit ver-gleichsweise wenig Potenzial zum Aufbau von grenzüberschreitenden Pro-duktionsnetzen besteht (ebd.: 775). Als Basis für die Verbesserung der Situation in der Grenzregion erscheint für die Zukunft vor allen Dingen Vertrauen notwendig. So geht Krätke davon aus, dass die Grenzregion nur in dem Maße aus der EU-Erweiterung Vorteile ziehen kann, wie es gelingt, „die endogenen Blockaden hinsichtlich grenz-überschreitender Wirtschaftskooperationen und eines alltagskulturell verankerten posi-tiven europäischen Nachbarschaftsbewusstseins zu überwinden“ (ebd.: 778).

Andere Länder andere Sitten?!

Wie soll man aber jemandem vertrauen, den man nicht kennt? „Andere Länder, andere Sitten“ sagt ein altes Sprichwort. Länderspezifische Unterschiede gehen über die zu-nächst sprachlich offensichtliche Verschiedenheit zweier Staaten weit hinaus. In der Landesgeschichte verwurzelte Wertehaltungen, Traditionen und Bräuche finden Aus-druck in unterschiedlichen Mentalitäten. Diese schlagen sich auch in den alltäglichen

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Was soll man tun, um sein Ziel zu erreichen?

Deutsche:

1. Sich vor dem ersten Termin sehr gut vorbereiten

a) Vielfältige Unterlagen mitnehmen

b) Konzept erarbeiten c) Schriftlich eigenen

Standpunkt fixieren

2. Sachgespräche möglichst bald beginnen

3. eigenen Standpunkt maximal durchsetzen

4. ins Detail gehen, möglichst viel präzise festlegen

5. klares Urteil erzielen 6. die Resultate nach der

Verhandlung möglichst genau umsetzen

Polen:

1. den ersten Termin eher als Informationstreffen verstehen

2. lange Höflichkeiten austauschen

3. Standpunkt während der Verhandlung darlegen

4. den Gesprächspartner möglichst wenig verletzen

a) Streitpunkte meiden, Konsenspunkte betonen

b) sich auf der Oberfläche bewegen

c) „es wird schon irgendwie gehen“ deklarieren

5. die Verhandlung in guter

Atmosphäre abschließen 6. nach der Verhandlung kontakte

im eigenen Kreise auswerten, Strategie der „Rückeroberung“ verlorener Gebiete festlegen

zwischenmenschlichen Umgangsformen nieder. Dabei bemerkt Wojciechowski, dass Mentalitäten heutzutage leider nicht Ernst genug genommen und oft lediglich als uner-freuliche Stereotypen registriert würden.

In „Meine lieben Deutschen“ verarbeitete Wojciechowski seine eigenen Beobachtun-gen und Erfahrungen und legte sowohl die Charakterzüge der Deutschen als auch die seiner polnischen Landsleute bloß. Demnach haben sich in der Entwicklung der Zivili-sation allgemeine Spielregeln herausgebildet, an denen die Menschen Halt suchen. Unterschiedliche Ursachen führen zu verschiedenen Modellen der Erzeugung allge-meiner Verhaltensmuster, wobei Wojciechowski hierbei polarisierend das „angelsäch-sische“ und das „preußische“ Modell hervorhebt (Wojciechowski 2002: 139ff.). Das erste unterliegt den Prinzipien des Fair Play, dem Grundsatz: ich behandle dich so, wie du mich behandelst. Die Menschen schöpfen aus dem (freiwilligen) Einhalten von Regeln ihr Selbstwertgefühl. Das Allgemeinwohl wird durch das Aushandeln von Spielregeln auf allen Ebenen erreicht. Im „preußischen“ Modell spielt Fair play dage-gen keine Rolle: Gesetze werden von einer zuständigen Autorität im Dienste des All-gemeinwohls erlassen und von der Masse respektiert. Dabei wird nicht darauf geachtet, wen das Gesetz betrifft, sondern wer über seine Einhaltung wacht. Das deut-sche Rechtsempfinden entspreche eher dem „preußischen“ Modell, die Polen handel-ten eher auf der Basis des Fair Play, bei dem sich größere Spielräume hinsichtlich eigener Wünsche, Gefühle oder Sympathien ergäben. So treffen in Deutschland kursie-rende Tugenden wie Ausdauer und Ordnung auf eine polnische Kultur, die Werte wie Sympathie, Milde oder etwa Nachgiebigkeit einen viel höheren Rang zuweist. Über die Vor- und Nachteile beider Systeme lässt sich sicher lange diskutieren. Einleuchten dürfte jedoch, dass die mentalen Unterschiede nicht ohne Einfluss auf die deutsch-polnischen Beziehungen bleiben. Auch wenn die sprachliche Barriere überwunden ist, muss noch lange keine Kommunikation möglich sein.

Das Wissen um die Mentalität des Gegenübers trägt demnach entscheidend zum ge-genseitigen Verständnis bei – und zum Geschäftserfolg. Als Autor der von der Indust-rie- und Handelskammer Frankfurt (Oder) herausgegebenen Broschüre „Knigge für deutsche Unternehmer in Polen“, gibt Wojciechowski abermals einen Einblick in die deutschen und polnischen Charaktereigenschaften und stellt diese in einen Zusammen-hang mit den Geschäftspraktiken in beiden Ländern. So ist in Polen beispielsweise die persönliche Ebene sehr wichtig, weshalb man mit dem polnischen Geschäftspartner nicht gleich inhaltliche Details besprechen sollte (s. Abb. 4). Während der Geschäfts-anbahnung ist der Deutsche gut beraten, lieber mal zum Telefon zu greifen oder einen persönlichen Besuch abzustatten, als den polnischen Partner mit einem allzu verbindli-chen Brief zu beengen (s. Abb. 5). Schließlich möchte dieser erst einmal wissen, mit wem er es zu tun hat, bevor er über Geschäftliches redet.

Abb. 4: Schritte der Willensbildung im Vergleich

Quelle: IHK o.J.: 19

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Deutsche:

Zufällige Kontaktaufnahme Brief Telefonat Arbeitstreffen Protokoll Arbeitskontakte Feierliche Vertragsunterzeichnung

Polen: „Zufällige“ Kontaktaufnahme Telefonat Besuch Arbeitstreffen Brief (=Protokoll) Arbeitskontakte Feierliche Vertragsunterzeichnung

Abb.5: Etappen der Zusammenarbeit/ Kommunikation

Quelle: IHK o.J.: 16

Ausblick

Mögen sich die Mentalitäten Deutscher und Polen in der Realität auch angleichen, so macht Wojciechowski deutlich, dass im Bemühen um Kooperation die kulturellen Un-terschiede dennoch nicht zu unterschätzen sind. Krätke warnt aus regionalökonomi-scher Sicht zwar vor überzogenen Erwartungen an die grenzüberschreitenden Kooperationsbeziehungen mit dem EU-Beitritt Polens – der wirtschaftliche Integrati-onsgrad von Grenzregionen ist generell niedriger als der von Regionen innerhalb nati-onaler Wirtschaftsräume (Krätke 2001: 773). Allerdings hätten sich beispielsweise in der deutsch-belgisch-holländischen Euroregion Maas-Rhein jene Firmen, die über eine grenzüberschreitende Vernetzung verfügen, nach Umsatz und Beschäftigung besser entwickelt als die vorwiegend national verflochtenen Unternehmen.

Das Grundstück für den Bau des Collegium Polonicum wurde damals von der Stadt Slubice für den symbolischen Preis von einem Zloty zur Verfügung gestellt. So kann die Einrichtung heute in bester Lage für den grenzüberschreitenden Gedanken werben. Dabei richtet sich das Angebot nicht allein an Forschung und Lehre, Wirtschaft und Politik. Auch die Bürger nutzen hier Kursangebote oder besuchen öffentliche Veran-staltungen wie Symphoniekonzerte und Lesungen. Das Städtepaar an der Oder hat gewiss gute Chancen, sich als Kompetenzzentrum für die deutsch-polnische Zusam-menarbeit weiter zu etablieren. In dieser Hinsicht ist das Ansehen des Standortes mit der Profilierung der Europauniversität sicherlich gewachsen. Entscheidend für die Entwicklung der Grenzregion erscheint es jedoch, die Erfahrungen aus dem deutsch-polnischen Hochschulalltag auf Stadt und Region zu übertragen und Erkenntnisse aus der Forschung in die Praxis einfließen zu lassen. So kann die weitere Integration von Hochschule und städtischem Leben einen Beitrag dazu leisten, gegenseitiges Vertrau-en zu erzeugen, Kommunikationsprozesse in Gang zu setzen und eine grenzüberschrei-tende Kooperation auch außerhalb der Universität zu fördern.

Quellen

Literatur

IHK Frankfurt (Oder) (Hrsg.) (o.J.): Knigge für deutsche Unternehmer in Polen, Frankfurt (Oder)

Jajesniak-Quast, Dagmara; Stoklosa, Katarzyna (2000): Geteilte Städte an Oder und Neiße: Frankfurt (Oder)-Slubice, Guben-Gubin und Görlitz-Zgorzelec 1945 - 1995, Berlin

Krätke, Stefan (2001): Regionale Wirkungen der EU-Osterweiterung, In: Informatio-nen zur Raumentwicklung, Heft 11/12.2001, S. 769 - 778

Krzeminski, Adam (2000): Polen im 20. Jahrhunderts: ein historischer Essay, Mün-chen

Singer, Ruth (1999): Das Entwicklungs- und Handlungskonzept Viadrina 2000 der Euroregion Pro Europa Viadrina, In: ISW (1999): Standort- und Wirtschaftsentwick-lung in Euroregionen, Frankfurt (Oder), S.19-22 (Beiträge zu Stadtentwicklung und Wohnen im Land Brandenburg; 1 - 1999)

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59 Wojciechowski, Krzysztof (2002): Meine lieben Deutschen, Berlin

Internet

Rada, Uwe: Polnische Brötchen unerwünscht, http://www.uwe-rada.de/themen/grenzregionen.html (Zugriff am 13.11.2002)

Website CP - Collegium Polonicum in Slubice, http://www.cp.euv-frankfurt-o.de/study/de/index.html (Zugriff am 29.11.2003)

Website EUV - Europauniversität „Viadrina“ in Frankfurt (Oder), http://www.euv-frankfurt-o.de/ (Zugriff am 29.11.2003)

Gespräche

Krzysztof Wojciechowski, Leiter des Collegium Polonicum in Slubice, am 11.06.2003 in Slubice

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Stefanie Goedecke

Grenzüberschreitendes Standortmarketing – eine Strategie für Frankfurt (Oder) – Slubice?1

Die Integration Polens in die EU bietet vielfältige Entwicklungschancen, birgt aber auch einige Gefahren. Die Öffnung der Grenze wird besonders die Wirtschaft in der Grenzregion beeinflussen. Neue Absatz- und Produktionsmärkte werden zu einer wei-teren Verschärfung des Standortwettbewerbs für die Region an der Oder-Neiße-Grenze führen, bei dem es um die Zukunft als Wirtschaftsstandort geht.

Frankfurt (Oder) - Slubice

Die Problematik der deutsch-polnischen Grenzregion spiegelt sich auch in der Dop-pelstadt Frankfurt (Oder) – Slubice wider. Aufgrund der Teilung des ehemals zusam-menhängenden Stadtgebietes durch die Staatsgrenze nach dem 2. Weltkrieg wurden bestehende räumliche und funktionale Beziehungen in der Doppelstadt abrupt beendet. Die so entstandene deutsche Stadt Frankfurt (Oder) und die polnische Stadt Slubice mussten sich unabhängig von einander entwickeln. Durch die nun anstehende Grenz-öffnung haben diese Städte die Möglichkeit, zu ihren gemeinsamen Wurzeln zurück-zufinden und neue Beziehungen zu knüpfen. Aber gerade in Doppelstädten treten aufgrund der direkten Nachbarschaft auch die vielschichtigen Probleme der Grenznä-he besonders deutlich zu Tage. Nur durch eine effektive Zusammenarbeit innerhalb der Doppelstadt können diese Probleme gelöst werden. Im Gegensatz zu den Berei-chen Tourismus und Kultur, in denen bereits eine Vielzahl an grenzüberschreitenden Projekten besteht, gestaltet sich die notwendige wirtschaftliche Kooperation oftmals schwierig.

Standortmarketing – eine Strategie zur wirtschaftlichen Entwicklung

Die Doppelstadt Frankfurt (Oder) – Slubice muss deshalb innovative Konzepte zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen Zukunft entwickeln. Die Erarbeitung eines individu-ellen und wettbewerbsfähigen Standortprofils kann dabei helfen, sich von den konkur-rierenden Standorten und Regionen abzuheben und so Investoren und Unternehmen für den „Standort Doppelstadt“ zu interessieren. Standortmarketing kann einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung der Doppelstadt leisten. Mit diesem Instrument kön-nen dezentral erbrachte Einzelleistungen vernetzt und sowohl Zielgruppen, d.h. geeig-neten Unternehmen, als auch Konkurrenten, z.B. Kommunen mit ähnlichen Standortbedingungen, identifiziert werden (vgl. Balderjahn 1995: 9). Standortmarke-ting kann insofern dazu beitragen, die Doppelstadt Frankfurt (Oder) – Slubice zu ei-nem funktionierenden Wirtschaftsstandort zu entwickeln.

Grundsätzlich wird unter Standortmarketing die Planung, Entwicklung und Umset-zung von Strategien und Maßnahmen zur Vermarktung von Wirtschaftsstandorten verstanden. Mit dem Begriff des Marketings ist insofern nicht nur die reine Werbung, sondern ein umfassender Ansatz zur Entwicklung standortspezifischer Potenziale und entsprechender Strategien zu deren Nutzung gemeint. Die wirtschaftlichen Potenziale des Standortes sollen dabei sowohl nach innen, d.h. innerhalb der Region, als auch nach außen, über die Region hinaus, dargestellt und vermarktet werden. Standortmarketing bezieht sich jedoch, im Gegensatz zu den umfassenderen Ansätzen des Stadt- bzw. Regionalmarketings, vor allem auf die wirtschaftliche Entwicklung eines Standortes. Ein Standort kann dabei sowohl eine einzelne Immobilie sein, als auch eine Stadt, eine Region, ein ganzes Land – oder eine Doppelstadt (vgl. ebd.).

1 Der Beitrag basiert auf der Diplomarbeit von Stefanie Goedecke an der Fakultät Raumpla-nung, s. Goedecke 2003.

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Situationsanalyse

Leitbild- und Zielbestim-

Strategien und Maßnahmen

Umsetzung der Maßnahmen

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Entwicklung eines Standortmarketingkonzeptes

Bei der Entwicklung eines Standortmarketingkonzeptes gibt es vier Arbeitsphasen (s. Abb.1) (vgl. Balderjahn et al. 1996: 20):

Abb. 1: Phasen des Standortmarketings

Quelle: Eigene Darstellung

Diese Arbeitsphasen bilden kein starres Ablaufschema. Immer wieder gibt es Rück-kopplungen und Angleichungen zwischen den einzelnen Phasen, um diese flexibel der spezifischen Standortsituation anzupassen.

Doch wie lassen sich diese Phasen im Hinblick auf die Doppelstadt Frankfurt (Oder) – Slubice realisieren? Welche Ansätze finden sich bereits in der Doppelstadt oder der Grenzregion? Welche Probleme treten bei der Umsetzung einer grenzüberschreitenden Standortmarketingkonzeption auf?

Bisher wird das Instrument des Standortmarketings in der deutsch-polnischen Doppel-stadt Frankfurt (Oder) – Slubice noch nicht gemeinsam und grenzüberschreitend ein-gesetzt. Stattdessen gibt es eine Vielzahl von Unternehmen und Einrichtungen, die sich entweder auf lokaler oder auf regionaler Ebene mit einzelnen Bereichen des Standortmarketings beschäftigen. In Anbetracht der knappen Haushaltskassen bietet es sich an, diese schon bestehenden Aktivitäten der einzelnen Akteure zu koordinieren und zu einem effektiven und konsistenten Standortmarketing für die Doppelstadt aus-zubauen.

Phase 1: Situationsanalyse der deutsch-polnischen Doppelstadt Frankfurt (Oder) – Slubice

In der Situationsanalyse werden die Stärken und Schwächen des Standortes, also der Doppelstadt Frankfurt (Oder) – Slubice, untersucht. Vor diesem Hintergrund können dann gezielt Unternehmen angeworben werden, für die der Standort Doppelstadt ge-eignete Bedingungen (Standortfaktoren) aufweist.

Die Doppelstadt Frankfurt (Oder) – Slubice liegt zurzeit noch an der Peripherie der EU und der ehemaligen Ostblockstaaten. Aufgrund dieser jahrzehntelangen Grenzlage wurde kaum in die geteilte Doppelstadt bzw. in die bis heute strukturschwache Region investiert. Unzureichende Infrastruktur, Unternehmenssterben, Abwanderung und eine sehr hohe Arbeitslosigkeit von ca. 18 % beiderseits der Grenze sind das Resultat (vgl. ISW 2002: 23, 36). Eine gleichwertige Entwicklung auf beiden Seiten der Oder-Neiße-Grenze wird zusätzlich durch große Unterschiede, wie Löhne, Arbeitskosten und Infrastrukturausstattung, um nur einige Faktoren zu nennen, erschwert.

Neben diesen strukturellen Problemen bietet die Doppelstadt auch vielseitige, bisher jedoch kaum genutzte Chancen. Die Akteure werden zwar durch das Aufeinandertref-fen unterschiedlicher rechtlicher und wirtschaftlicher Voraussetzungen, verschiedener Kulturen und Mentalitäten vor große Herausforderungen gestellt, aber gerade dieser „Kulturmix“ ist gleichzeitig ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal. So lassen sich

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62 gerade in Doppelstädten wie Frankfurt (Oder) – Slubice deutsche und polnische Standortvorteile, wie Zweisprachigkeit, Lohnkostenvorteile, ein direkter Zugang zu den nationalen Märkten (ca. 120 Mio. Konsumenten allein in Deutschland und Polen) und ein großes Arbeitskräftepotenzial aus beiden Kulturkreisen miteinander verknüp-fen. Darüber hinaus bieten sich die grenznahen Standorte durch die Nähe zu den gro-ßen Ballungszentren wie Berlin oder Poznan geradezu als logistische Knotenpunkte und Bindeglieder zwischen der EU und den Beitrittskandidaten an (vgl. ICOB 2003: 4ff.).

Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Standortfaktor sind die Subventionen der EU und die Transferleistungen der Nationalstaaten für strukturschwache Regionen und Grenzgebiete (derzeit ist der deutsche Teil der Grenzregion noch Ziel-I Fördergebiet). Auch mögliche Steuervergünstigungen, wie z.B. in der Kostrzyn-Slubicer Sonderwirt-schaftszone, waren bisher für Unternehmer und Investoren von Bedeutung (mit dem bevorstehenden EU-Beitritt müssen die polnischen Sonderwirtschaftszonen und ihre Fördermethodik jedoch aus Gründen der Wettbewerbsverzerrung modifiziert werden).

Auch wenn eine gut ausgebaute Infrastruktur (Verkehr, Bildung, Telekommunikation etc.) und eine geringe Steuerbelastung generell für Unternehmen von Bedeutung sind, müssen Standortfaktoren immer auch im Hinblick auf die Prämissen des jeweiligen Unternehmers bewertet werden. Für Frankfurt (Oder) – Slubice ist es insofern ratsam, neben dem Ausbau solcher Standortfaktoren von allgemeiner Bedeutung, Zielgruppen, d.h. geeignete Unternehmen, zu identifizieren, um diese direkt anzuwerben und so die wirtschaftliche Entwicklung zielgerichtet zu lenken.

Phase 2: Leitbild- und Zielbestimmung

Um die dargestellten Standortvorteile effektiv nutzen zu können, müssen klare Ziele formuliert werden. Hilfreich ist dabei eine Vision, ein Leitbild für den Standort, das zeigt, „wohin die Reise führen soll“. Auf diese Weise kann dem Standort Doppelstadt ein neues Image gegeben werden, das Interesse weckt und mit dem sich sowohl die Bevölkerung als auch die Unternehmen identifizieren können.

So wurde beispielsweise von den beiden Kommunen Frankfurt (Oder) und Slubice sowie der Euroregion Pro Europa Viadrina die Idee einer gemeinsamen deutsch-polnischen Wirtschaftsregion mit rund 100.000 Einwohnern im engeren und ca. 400.000 Einwohnern im erweiterten Verflechtungsraum entwickelt (vgl. Website Deutsch-Polnische-Projekte). Dabei sollte die Doppelstadt die Funktion eines regiona-len Oberzentrums einnehmen, mit dem Ziel Investitionen in die Doppelstadt zu len-ken, Arbeitsplätze zu schaffen und auf diese Weise eine dynamische Wirtschafts-entwicklung zu sichern.

Die Entwicklung von Leitbildern und Zielen ist jedoch nicht immer leicht. Der Grad zwischen einem identitätsstiftenden, „inhaltlichen“ Leitbild und einem „leeren“ Slo-gan ist schmal. Deshalb ist es notwendig, ein Leitbild gemeinsam mit den Akteuren und der Bevölkerung zu entwickeln und durch realistische, umsetzbare Ziele zu kon-kretisieren.

Phase 3: Entwicklung von Strategien und Maßnahmen

Die Umsetzung von Leitbildern erfolgt durch konkrete Handlungskonzepte bzw. Stra-tegien und geeignete Maßnahmen.

Im Rahmen der Feierlichkeiten zu ihrem 750. Jahrestag, haben Frankfurt (Oder) und Slubice eine gemeinsame Handlungsstrategie entwickelt. Dieser umfassende Stadtent-wicklungsansatz mit Projekten, wie dem „Europagarten 2003“, ist ein interessantes Beispiel für grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf stadtplanerischer Ebene (vgl. Website Stadt Frankfurt (Oder)). Jedoch steht auch hier vor allem die Zusammenarbeit in den Bereichen Kultur und Tourismus im Vordergrund, während das Spektrum der Wirtschaftskooperation weitgehend unberücksichtigt bleibt.

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Abb. 2: Oderpromenade

Foto: Stefanie Goedecke

In ökonomischer Hinsicht stellt die Entwicklung der Dachmarke „2win“ einen interes-santen Ansatz dar. Ziel dieser durch das Netzwerk „Grenzregion Ostbrandenburg – Westpolen“ gemeinsam mit der ZukunftsAgentur Brandenburg (ZAB) initiierten Ak-quisitionsstrategie ist der Aufbau eines gemeinsamen regionalen Standortmarketings zwischen Brandenburg und den Wojewodschaften Lubuskie und Zachodniopo-morskie. Die Philosophie hinter diesem Projekt will deutlich machen, dass die Zukunft der Region in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit liegt. Denn die Region kann, wie auch der Untertitel „One region – double profit“ zeigt, durch Gemeinsam-keit nur gewinnen (vgl. Ministerium für Wirtschaft des Landes Brandenburg 2001: 8ff.).

Gerade auch Maßnahmen privater Unternehmen spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Vor allem Wirtschaftsförderungseinrichtungen wie das Investor Center Ostbrandenburg (ICOB), das World Trade Center (WTC) und die Deutsch-Polnische Wirtschaftsförderungsgesellschaft AG (TWG) sind im Bereich des Stand-ortmarketings und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit tätig. Entsprechende Dienstleistungsangebote sind z.B. (vgl. Website ICOB):

Entwicklung individueller, branchenspezifischer Ansiedlungsangebote

Information über Investitionsförderungen

Unterstützung bei der Auswahl geeigneter Industrie- und Gewerbeflächen

Beratung und Information bei deutsch-polnischen Geschäften (z.B. über die spezi-fische Gesetzgebung, geeignete Gesellschafts- und Rechtsformen, Übersetzungs-leistungen)

One-Stop-Agency zu Verwaltungen und Behörden

Messen, Seminare und Unternehmerreisen

Publikationen

Ein interessantes Beispiel für eine Maßnahme des grenzüberschreitenden Standort-marketings stellt das Internetportal „Infopolen“ der TWG dar, über das Wirtschaftsin-formationen zu Polen kostenlos publiziert werden (s. Website Deutsch-polnische Wirtschaftsförderungsgesellschaft AG).

Eine weitere beachtenswerte Maßnahme ist die Bereitstellung des „2win“ – Logos für alle interessierten Unternehmen und Kommunen in der Grenzregion. Mit diesem ge-meinsamen Corporate Design soll die Bildung einer gemeinsamen grenzüberschrei-tenden Identität gefördert werden, die für ein effektives Standortmarketing unerlässlich ist.

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Abb. 3: „2win“-Logo

Quelle: Website ZAB

Phase 4: Umsetzung und Kontrolle der Maßnahmen

Bei der Umsetzung der Strategien durch konkrete Maßnahmen zeigen sich die prakti-schen Probleme grenzüberschreitender Zusammenarbeit. Der Prozess, die Abstim-mung der Projekte und die Koordination von Akteuren über die Grenze hinweg, stellen hohe Anforderungen an die Verantwortlichen.

Auch wenn die Grundlage für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit am 17. Juni 1991 zwischen der BRD und der Republik Polen mit dem Vertrag über gute Nachbar-schaft und freundschaftliche Zusammenarbeit gelegt wurde (vgl. ISW 2001: 33), wird die tatsächliche grenzüberschreitende Zusammenarbeit noch immer durch vielfältige Faktoren, wie mentale und bürokratische Barrieren, erschwert. Gerade in der Wirt-schaft scheitern grenzüberschreitende Unternehmungen oftmals an grundsätzlichen Hindernissen wie fehlenden Rechtsgrundlagen oder mangelnder Kenntnis des anderen Verwaltungssystems, aber auch an alltäglichen Problemen, wie z.B. den hohen Tele-fongebühren und den alltäglichen Grenzkontrollen.

Abb. 4: Grenzübergang in Frankfurt (Oder) - Slubice

Foto: Stefanie Goedecke

Grenzüberschreitendes Standortmarketing sollte durch regelmäßige Erfolgskontrollen begleitet werden. Auf diese Weise sollen sowohl die gewählte Strategie als auch die eingesetzten Maßnahmen und Instrumente auf ihre Zielgerichtetheit überprüft und die Transparenz des gesamten Prozesses gesteigert werden. Im Fall der Doppelstadt Frankfurt (Oder) - Slubice, die ja trotz der anstehenden Grenzöffnung auch weiterhin aus zwei getrennten Kommunen bestehen wird, kann die Erfolgskontrolle genutzt werden, um das jeweilige Handeln nachvollziehbar zu machen und die Zusammenar-beit bzw. die gegenseitige Abstimmung zu erleichtern.

Herausforderung „Grenzüberschreitendes Standortmarketing“

Grenzüberschreitendes Standortmarketing war bisher für die deutsch-polnische Dop-pelstadt Frankfurt (Oder) - Slubice kaum von Bedeutung. Je wichtiger jedoch eine gemeinsame Präsentation als Wirtschaftsstandort wird, desto stärker steigt auch das Interesse an der Entwicklung einer grenzüberschreitenden Standortmarketing

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65 konzeption. Auf diese Weise können Unternehmen und Investoren, für die Faktoren wie „Binationalität“ und „Grenznähe“ von Interesse sind, gezielt angeworben werden.

Gerade im Fall Frankfurt (Oder) – Slubice mit der Vielzahl an Einzelaktivitäten im Bereich des Standortmarketings und der Wirtschaftsförderung ist es zunächst wichtig, klare Entscheidungs- und Organisationsstrukturen zu schaffen. Insofern wäre es sinn-voll, einen kompetenten Hauptansprechpartner einzuführen, eine One-Stop-Agency, die interessierten Unternehmen und Investoren alle Dienstleistungen, von Gewerbeflä-chenvermittlung und -bereitstellung über Vermittlung von Kontakten bis hin zu För-dermittel- und Existenzgründerberatung aus einer Hand bietet. Dies sollte im Fall der Doppelstadt Frankfurt (Oder) – Slubice nicht von den Kommunen selbst ausgeführt werden, da die Abstimmung zwischen den Akteuren eines professionellen und v.a. neutralen Vermittlers bedarf. Grundsätzlich sollte die Umsetzung des Standortmarke-tings in jedem Fall in enger Zusammenarbeit mit den relevanten Akteuren und Institu-tionen im Rahmen eines Netzwerkes erfolgen. Auf diese Weise können der Erfahrungs- und Ideenaustausch zwischen den Akteuren gefördert und uneffektive Konkurrenzen vermieden werden.

Ziel eines solchen Doppelstadt-Netzwerkes könnte es z.B. sein, Frankfurt (Oder) – Slubice zu einem „Kompetenzzentrum für Integration“ zu entwickeln. In dieser Funk-tion könnte die Doppelstadt aufgrund der Erfahrungen hinsichtlich

der Integration Polens in die EU,

der Integration der beiden Städte zu einer Doppelstadt sowie

den Erfahrungen Frankfurts bezüglich des Zusammenwachsens von Ost- und Westdeutschland

als entsprechender Berater für andere Kommunen, Regionen und Länder tätig werden.

Dies ist nur ein Beispiel für ein mögliches Leitbild bzw. eine Standortvision. In jedem Fall ist es wichtig, dass die endogenen Standortpotenziale der Doppelstadt, wie z.B. die Binationalität, erkannt und entsprechende Zielgruppen identifiziert werden. Um diese gezielt anzusprechen, ist es sinnvoll einzelfallspezifische, auf den jeweiligen Investor individuell zugeschnittene Informationspakete zusammenzustellen. Als Grundlage dafür sollten verschiedene mehrsprachige Informationsbausteine (z.B. Ge-werbegebiets Exposés, Standort- und Branchenbroschüren, multimediale Standortprä-sentationen) erarbeitet werden. Eine weitere Möglichkeit der Standortpräsentation bietet z.B. ein virtuelles Standortinformationssystem. Ähnlich dem Internetportal „In-fopolen“ der TWG könnte sich die deutsch-polnische Grenzregion in einem entspre-chenden Internetauftritt mit ihren Standortbedingungen darstellen. Innerhalb dieser Präsentation sollten die einzelnen Kommunen, also auch die Doppelstadt Frankfurt (Oder) – Slubice, über einen eigenen Bereich zur detaillierten Darstellung (Gewerbe-flächensituation, Ansprechpartner etc.) verfügen. Auf diese Weise kann sich die Grenzregion als Einheit mit gut aufbereiteten Informationen einer breiten Öffentlich-keit präsentieren. Aus Gründen der Effizienz ist es sinnvoll, ein entsprechendes Ange-bot auf regionaler Ebene zu realisieren. Dabei bietet es sich an, das Projekt unter der Dachmarke „2win“ zu realisieren, da diese insbesondere das Ziel des wirtschaftlichen Zusammenwachsens der Grenzregion verfolgt.

Die Zukunft als Wirtschaftsstandort „Doppelstadt“

Durch den EU-Beitritt Polens steht Frankfurt (Oder) – Slubice wie auch die gesamte Grenzregion vor großen Veränderungen, die auch die Planungsgrundlagen für das Standortmarketing betreffen. Die Standortbedingungen werden sich in den kommen-den Jahren stark verändern. Aus diesem Grund wird zukünftig, stärker als bisher, in allen Phasen des Standortmarketings, von der Planung bis zur Umsetzung, ein enor-mer Aktualisierungs- und Fortschreibungsdruck bestehen. Die an der Realisierung des Standortmarketingkonzeptes beteiligten Akteure sind insofern aufgefordert, mit Flexi-bilität und Anpassungsfähigkeit auf die zukünftigen Entwicklungen zu reagieren, um dem grenzüberschreitenden Standortmarketing zum Erfolg zu verhelfen.

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66 Quellen

Literatur

Balderjahn, I. (1995): Marketing für Regionen. Ein Konzept für die neuen Bundeslän-der? Vortragsreihe Nr. 5 / 1995, Potsdam

Balderjahn, I.; Aleff, H.-J. (1996): Die Wirtschaftsregion Brandenburg: Grundlagen für ein Standortmarketing, Berlin

Goedecke, Stefanie (2003): Grenzüberschreitendes Standortmarketing als Instrument zur wirtschaftlichen Entwicklung der deutsch-polnischen Doppelstadt Frankfurt-Slubice, Diplomarbeit an der Fakultät Raumplanung, Universität Dortmund

ICOB - Investor Center Ostbrandenburg (Hrsg.) (2003): Call Center – Standort Frank-furt (Oder), Frankfurt (Oder)

ISW - Institut für Stadtentwicklung und Wohnen des Landes Brandenburg (Hrsg.) (2001): Die Grenze als Chance: Stadtentwicklung in deutschen, polnischen und ande-ren europäischen Grenzstädten, Fachbeiträge zu Stadtentwicklung und Wohnen im Land Brandenburg, Frankfurt (Oder) (ISW-Schriftenreihe; 1 - 2001)

ISW - Institut für Stadtentwicklung und Wohnen des Landes Brandenburg (Hrsg.) (2002): Grenzstädte – ein Vergleich: Fachbeiträge zu Stadtentwicklung und Wohnen im Land Brandenburg, Frankfurt (Oder) (ISW-Schriftenreihe; 1-2002)

Ministerium für Wirtschaft des Landes Brandenburg (Hrsg.) (2001): Ostbrandenburg und Westpolen auf dem Weg zu einem gemeinsamen europäischen Wirtschaftsstand-ort, Potsdam

Internet

Website Deutsch-polnische Wirtschaftsförderungsgesellschaft AG, http://www.infopolen.de (Zugriff am 15.09.2003)

Website Deutsch-Polnische-Projekte, http://www.frankfurt-o.de/europa/projekte/eudtpopr.htm (Zugriff am 15.09.2003)

Website ICOB - Investor Center Ostbrandenburg, http://www.icob.de (Zugriff am 16.11.2003)

Website Stadt Frankfurt (Oder), http://www.frankfurt-oder.de/2030/strattxt.htm (Zugriff am 15.09.2003)

Website ZAB - Zukunftsagentur Brandenburg, http://www.zab-brandenburg.de (Zugriff am 14.05.2003)

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Anna Fizek

Grenzüberschreitender Naturschutz

Der Internationalpark „Unteres Odertal”1 Der Internationalpark „Unteres Odertal” ist ein grenzüberschreitendes Schutzgebiet, das auf deutscher Seite aus dem Nationalpark „Unteres Odertal“ und auf polnischer Seite aus den beiden Landschaftsschutzparks „Park Krajobrazowy Dolina Dolnej Odry“ und „Cedynski Park Krajobrazowy“ besteht. Der Internationalpark erstreckt sich auf einer Länge von ca. 60 km entlang der deutsch-polnischen Grenze. Auf deut-scher Seite liegt er im Land Brandenburg und auf polnischer Seite in der Wojewod-schaft Westpommern (Województwo Zachoniopomorskie). Der Nationalpark auf deutscher Seite verläuft entlang der Oder vom Oderbruch ab Hohensaaten bis Mesche-rin/Staffelde. Die Landschaftsschutzparks auf polnischer Seite liegen zwischen den Armen der Oder, auf dem Gebiet von Fiddichow (Widuchowa) bis Stettin (Szczecin), innerhalb der Grenzen der Gemeinden von Fiddichow (Widuchowa), Greifenhagen (Gryfino), Stettin (Szczecin) und Kołbitzow (Kolbaskowo).

Abb. 1: Das Gebiet des Deutsch-Polnischen Internationalparks

Quelle: Deutsch-Polnischer Internationalpark 2002

Der Nationalpark „Unteres Odertal“ ist der zwölfte von insgesamt vierzehn National-parks in Deutschland und der einzige im Land Brandenburg. Das Gebiet wird als Na-turschutzgroßprojekt des Bundes finanziell gefördert und gehört zu den 15 brandenburgischen Großschutzgebieten. Es handelt sich um den einzigen Flussauen-nationalpark Deutschlands. Zusammen mit den beiden Landschaftsschutzparks auf

1 Der Beitrag basiert auf der Diplomarbeit von Anna Fizek an der Fakultät Raumplanung, s. Fi-zek 2002.

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68 polnischer Seite bildet er eine naturräumliche Einheit und schützt die letzte noch in großen Teilen ökologisch intakte Flussmündung. Mitteleuropas.

Abb. 2: Nationalpark „Unteres Odertal” bei Schwedt

Foto: Anna Fizek

Der Landschaftsschutzpark „Park Krajobrazowy Dolina Dolnej Odry und der dazuge-hörende, südlich angrenzende Landschaftsschutzpark „Cedynski Park Krajobrazowy“ wurden im Jahre 1993 eröffnet. Die Errichtung des Nationalparks „Unteres Odertal“ folgte im Jahre 1995. Sowohl die deutsche als auch die polnische Seite verpflichteten sich zur Schaffung eines gemeinsamen Gebietes zum Schutz der Natur auf der Grund-lage eines gemeinsam ausgearbeiteten koordinierten Schutz- und Managementplanes, in dem Schutzziele, Verbote, Gebote und Einschränkungen enthalten sind. Die Ver-waltung des grenzüberschreitenden Schutzgebiets wird bisher von den zuständigen Behörden des jeweiligen Landes getrennt wahrgenommen.

Die natürlichen Gegebenheiten, aber auch die unmittelbare Grenzlage zu Polen haben bewirkt, dass das Untere Odertal nicht weiter zu Siedlungszwecken erschlossen wurde und die artenreiche Auenlandschaft weitgehend erhalten geblieben ist. So hat in den letzten 50 Jahren eine einzigartige, vom Menschen nahezu unbeeinflusste Renaturie-rung stattgefunden, die dazu geführt hat, dass der ehemalige Grenzstreifen heute ein bedeutsamer Lebensraum für eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt ist. Das Untere Odertal zählt mit über 1.000 nachgewiesenen Pflanzenarten zu den artenreichsten Le-bensräumen Deutschlands. Neben seltenen Pflanzenarten, wie Schwimmfarn, Kreuz-enzian, Federgras und Adonisrößchen, sind hier auch seltene Tierarten, wie beispielsweise Fischotter und Biber zu Hause. Die in diesem Gebiet bestehenden Auen sind von Flusshochwasser regelmäßig überflutete Bereiche. Sie dienen als Rückhalte-becken, in dem sich das Hochwasser verlaufen kann ohne flussabwärts Schaden anzu-richten. Dabei wirkt die überschwemmte Flussaue2 wie eine überdimensionale Kläranlage und reinigt so das belastete Flusswasser. Im europäischen Rahmen hat das Gebiet Bedeutung als Brut-, Rast- und Überwinterungsplatz zahlreicher Wasservögel. So kommen alljährlich bis zu 150.000 Gänse, Enten und Schwäne und bis zu 15.000 Kraniche in die Niederungen des Odertals. In diesem Gebiet brüten regelmäßig ca. 140 Vogelarten darunter See-, Fisch- und Schreiadler, viele Weißstörche, der seltene

2 Flussauen gehören in Zeiten eingedämmter und begradigter Flüsse zu den gefährdetsten Le-bensräumen weltweit.

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69 Schwarzstorch, Wachtelkönige sowie die weltweit vom Aussterben bedrohten Seggen-rohrsänger.3 Der Nationalpark umfasst 10.500 ha, wovon 100 % als Naturschutzgebiet ausgewiesen sind. Seit 1998 ist er von einer Pufferzone umgeben, welche aus 17.774 ha Landschaftsschutzgebieten besteht und den Kernbereich des Nationalparks ab-schirmen soll. In der Schutzzone I (Totalreservat), welche etwa 1.100 ha. einnimmt, soll die Natur sich selbst überlassen bleiben.4 In der Schutzzone II ist eine extensive Weide- und Wiesenwirtschaft möglich.

Abb. 3: Auenlandschaft im Nationalpark „Unteres Odertal“

Foto Jörg Schulz

Abb. 4: Weide- und Wiesenlandschaft im Nationalpark „Unteres Odertal“

Foto Jörg Schulz

Die Landschaftsschutzparks „Park Krajobrazowy Dolina Dolnej Odry“ und „Cedynski Park Krajobrazowy“, welche zusammen eine Fläche von 36.000 ha einnehmen, sind das Gegenstück zum deutschen Nationalpark. In den Landschaftsschutzparks gelten ähnliche natürliche Bedingungen wie im Nationalpark auf deutscher Seite. Jedoch bie-tet die Landschaft auf polnischer Seite eine ganz besonders ursprüngliche und wert-volle Natur, da in diesem Raum nach dem Zweiten Weltkrieg jegliche Nutzung aufgegeben wurde. Auf polnischer Seite befindet sich das größte Flachmoorgebiet in West- und Mitteleuropa mit einer Flora und Fauna, wie sie in anderen Tälern großer europäischer Flüsse nicht mehr anzutreffen sind. Die Parks sind durchzogen mit einem dichten Netz von Altwassern, Kanälen, Gräben und Schwemmland mit einer Gesamt-länge von ca. 200 km. Gegenstand des Schutzes ist das Flachmoor, seltene vom Aus-sterben bedrohte Pflanzenarten und ihre Gemeinschaften sowie die Fauna. Zu den wichtigsten geschützten Säugetieren gehören auch auf polnischer Seite Fischotter und

3 Der Seggenrohrsänger kommt im Bereich der Europäischen Union nur noch im International-park „Unteres Odertal“ vor. 4 In den nächsten 15 Jahren sollen ca. 50 % des Nationalparks als Schutzzone I ausgewiesen werden.

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70 Biber. Die beiden Landschaftsparks zählen ebenfalls zu den wichtigen Orten auf der Nordsüd Flugroute von Vögeln sowie zu einem Ballungsort vieler Wasser- und Sumpfvögel. Vertreten sind auch hier unter anderem Seeadler, Fischadler, und Seg-genrohrsänger.

Abb. 5: Landschaftschutzpark „Unteres Odertal”, nähe Gryfino

Foto: Norbert Steinkemper

Vertragliche Grundlagen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Bereich des Naturschutzes

Grundlage der Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen auf dem Gebiet des Natur- und Umweltschutzes ist der „Vertrag über gute Nachbarschaft vom 17. Juni 1991”. Damit wurde u. a. nach französischem Vor-bild die Bildung eines Deutsch-Polnischen Umweltrates beschlossen. Der auf der Mi-nisterebene angesiedelte Umweltrat ist verantwortlich für die Leitung und Koordination der Zusammenarbeit. Der Umweltrat hat (nach Artikel 2 der Vereinba-rung zur Bildung des Deutsch-Polnischen Umweltrats) die Aufgabe:

Leitlinien und Schwerpunkte für die konkrete Umweltzusammenarbeit zu erarbei-ten,

in besonderer Weise die Zusammenarbeit bei der Erfassung und Beseitigung von Umweltbelastungen in der Grenzregion zu fördern,

die Entwicklung abgestimmter Strategien für eine regionale und internationale Umweltpolitik zu fördern mit dem Ziel einer dauerhaften und umweltverträglichen Entwicklung in Europa,

auf eine umwelttechnologische Weiterentwicklung in beiden Staaten hinzuwirken,

eine Zusammenarbeit in Fragen der Umweltbildung und Umwelterziehung, auch unter Nutzung der Kontakte im Rahmen des Deutsch-Polnischen Jugendwerks, zu fördern und

die Zusammenarbeit von Umweltverbänden beider Staaten zu fördern.

Der Rat wird durch den Minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherung der Bundesrepublik Deutschland und den Minister für Umweltschutz, Natürliche Ressour-cen und Forstwesen der Republik Polen gebildet. Dem Rat gehören ferner an: auf deutscher Seite je ein Vertreter des Auswärtigen Amtes und des Bundesministeriums für Wirtschaft sowie zwei Vertreter der Bundesländer; auf polnischer Seite je ein Ver-treter des Außenministers und des Ministers für Industrie sowie zwei Vertreter der

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71 Wojewoden. Zur Erfüllung seiner Aufgaben setzte der Umweltrat Kommissionen und Arbeitsgruppen ein. So hat er die Kommission für nachbarschaftliche Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes sowie die deutsch-polnische Grenzgewässer-kommission eingerichtet. Unter dem Dach des Umweltrates arbeiten weiterhin unter anderem die Arbeitsgruppen: „Grenzüberschreitende Störfälle”, „Grenzüberschreiten-de UVP” und „Grenzüberschreitender Naturschutz”. Im Rahmen der grenzüberschrei-tenden Zusammenarbeit im Internationalpark „Unteres Odertal“ richtete der Umwelt-rat im Jahre 1992 einen Programmrat für den Internationalpark „Unteres Odertal“ ein,5 dessen Aufgabe in der Koordinierung des Naturschutzes für das Gesamtgebiet besteht. Er übt dabei die Funktion eines Beratungs- und Begutachtungsorgans aus.

Weitere Grundlage für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist eine gemeinsame Erklärung zur Intensivierung der Zusammenarbeit, welche im Jahre 1996 vom Um-weltminister Brandenburgs zusammen mit den Wojewoden der damaligen Grenzwo-jewodschaften Stettin (Szczecin), Landsberg (Gorzów) und Grünberg (Zielona Góra) unterzeichnet wurde. Die Zusammenarbeit betrifft die Umsetzung gemeinsamer Pro-jekte und die Lösung grenzüberschreitender Probleme. Kooperationsfelder der Ver-gangenheit sind beispielsweise: Schaffung eines grenzüberschreitenden Schutzgebietes im Unteren Odertal, Unterstützung der WWF-Initiative für das Natur-schutzprojekt „Grünes Band Oder-Neiße” sowie bilaterale Behördenbeteiligung bei Genehmigungsverfahren zu neuen Investitionen mit möglicher negativer Auswirkung auf die Umwelt im Grenzraum. In den letzten Jahren lag der Schwerpunkt der Zu-sammenarbeit insbesondere in der Vorbereitung Polens auf den Beitritt zur Europäi-schen Union.

Probleme der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Internationalpark „Unteres Odertal“

Obwohl die deutsche und die polnische Seite im Bereich des Naturschutzes eng zu-sammenarbeiten, trifft die Umsetzung einer die staatlichen Grenzen überschreitenden Zusammenarbeit im Bereich des Naturschutzes im Allgemeinen immer noch auf Schwierigkeiten. So ergeben sich rechtliche, administrative, ökonomische und soziale Schwierigkeiten, da an den Grenzen verschiedenartig strukturierte und verwaltete Staaten und Gebietskörperschaften mit unterschiedlichen Rechts-, Verwaltungs-, Wirtschafts-, Sozial- und Kultursystemen zusammenstoßen.

Rechtliche Hindernisse sind auf die fehlende Kompetenz der subnationalen Einheiten europäischer Staaten im Bereich auswärtiger Beziehungen zurückzuführen. Gegenwärtig gibt es keine Möglichkeit, eine Form der Rechtspersönlichkeit zu wählen, die auf beiden Seiten der Grenze Gültigkeit besitzt. Die deutsch-polnischen Verträge erfüllen bislang nicht die Funktion eines völkerrechtlichen Dachvertrages, der den Grenzakteuren völkerrechtliche Handlungskompetenz und die Ermächtigung zur öffentlich-rechtlichen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit einräumen würde. Für jede grenzüberschreitende Frage ist die Regierung zuständig, sowohl auf der deutschen als auch auf der polnischen Seite. Die fehlende Kompetenz der subnationalen Einheiten führt bei jedem kleinen Schritt der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit insgesamt auf große Hindernisse.

Erhebliche Unterschiede in den Verwaltungsstrukturen und damit auch im Kompe-tenzniveau und in der Kompetenzfülle beiderseits der Grenze führen weiterhin zu ad-ministrativen Hindernissen. Der föderalen Politik und Verwaltungsstruktur in Deutschland steht auf polnischer Seite ein relativ zentralistisch ausgeprägtes System gegenüber, was zu Zuständigkeits- und Kompetenzproblemen bei der Planung und Realisierung gemeinsamer Projekte führt. Die administrativen Systeme der mittel- und

5 Dem Programmrat gehören je ein Vertretern des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit der Bundesrepublik Deutschland, des Ministeriums für Umweltschutz, Natürliche Ressourcen und Forstwesen der Republik Polen, des Ministeriums für Umwelt Na-turschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg, des Wojewodschaftsamtes Stettin sowie die Direktoren der beiden Teile des Schutzgebietes an.

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72 osteuropäischen Staaten befinden sich zudem in einer Umstrukturierungsphase mit ei-ner noch eher schwachen oder fehlenden regionalen Ebene. So erschwert der Umstand der unterschiedlichen Verwaltungsstrukturen und damit der Kompetenzen im Interna-tionalpark „Unteres Odertal“ gegenwärtig noch das Ziel einer zukünftigen gemeinsa-men Verwaltung für den Internationalpark. In Deutschland wird die Verwaltung des Nationalparks von den Ländern wahrgenommen; in Brandenburg ist der jeweils örtlich zuständige Landrat als allgemeine untere Landesbehörde (untere Naturschutzbehörde) zuständig. Würde beispielsweise der Landschaftsschutzpark auf polnischer Seite zum Nationalpark erklärt werden, was den Zielsetzungen der Verantwortlichen entspricht, wäre die Zusammenarbeit schwierig, da Nationalparke in Polen eine Angelegenheit der zentralen Nationalparkverwaltungsstelle der Republik Polen sind.

Ökonomische Unterschiede werden vor allem durch die unterschiedlichen Entwick-lungsniveaus beider Seiten deutlich. So ist insbesondere die Ungleichheit in der finan-ziellen Ausstattung zwischen der deutschen und der polnischen Seite problematisch. Dies wird auf beiden Seiten als sehr schwierig und unangenehm empfunden. Gegen-wärtig stehen den beiden polnischen Landschaftsschutzparks „Park Krajobrazowy Do-lina Dolnej Odry“ und „Cedynski Park Krajobrazowy“ kaum finanzielle Mittel für Personal und damit für wichtige Grundlagenarbeit wie beispielsweise das Monitoring6 zur Verfügung. So arbeiten auf deutscher Seite insgesamt 28 Personen, was im Ver-gleich zu anderen deutschen Nationalparken ohnehin sehr wenig ist7, wohingegen auf polnischer Seite für die Verrichtung derselben Tätigkeit lediglich sieben Personen be-schäftigt sind.

Die ökonomischen Unterschiede werden durch die Förderungspolitik der Europäi-schen Union noch weiter verstärkt. Aufgrund der Tatsache, dass Polen kein Mitglieds-staat der Europäischen Union ist, kommt die Schwierigkeit der Finanzierung der Projekte hinzu. Grund dafür ist, dass Fördermittel wie in diesem Falle INTERREG und LIFE der Europäischen Union für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit nicht die Grenzen der Europäischen Union überschreiten dürfen (Territorialprinzip). Regio-nen außerhalb der Europäischen Union kommen prinzipiell in den Genuss der Unter-stützung durch PHARE/CBC-Mittel, die der Förderung der Zusammenarbeit mit den benachbarten EU-Regionen dienen sollen (s. Beitrag von Peter Höfer in diesem Heft). Jedoch gehen PHARE-Mittel direkt nach Warschau, wo über deren Verwendung ent-schieden wird. Dies führt oft zu Problemen in Bezug auf die Entwicklung einer gut koordinierten Zusammenarbeit. Ein Fördermitteltransfer ist bisher nicht möglich. So-mit gibt es für die polnische Seite noch keine Möglichkeit gemeinsame Projekte durchzuführen, in denen auch Geld auf die polnische Seite fließt. Insgesamt führt dies zu einem Ungleichgewicht in der Budgetierung der Schutzgebiete, die sich insbeson-dere für die polnische Seite negativ auswirkt.

Soziale und interkulturelle Schwierigkeiten ergeben sich aus der Sprache und dem his-torisch belasteten Verhältnis. Aufgrund der Tatsache, dass die Grenze an Oder und Neiße bedingt durch die Geschichte auch eine scharfe Sprachgrenze ist, sind Sprach-kenntnisse der „anderen Seite” eher selten bzw. häufig nur in Ansätzen vorhanden. Dies ist ein Umstand, welcher auch im Rahmen des alltäglichen Kooperationsverhal-tens im Internationalpark zu Verzögerungen führen kann.

Ausblick

Auch, wenn der Internationalpark „Unteres Odertal“ insgesamt ein sehr gutes Beispiel für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Grenzregion ist, bleibt festzustel-len, dass eine effiziente grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich des Natur-schutzes nur möglich ist, wenn es zukünftig gelingen wird die rechtlichen, administrativen, ökonomischen und sozialen Hindernisse abzubauen. Kurzfristig er

6 Das Monitoring beinhaltet die Erarbeitung der ökologischen Grundlagen (z.B. Naturraum, Re-lief, Geologie, Tier- und Pflanzenwelt). 7 Im Nationalpark „Harz“ (15.800 ha) sind vergleichsweise 180 Personen und im Nationalpark „Bayerischer Wald“ (24.250 ha) 200 Personen beschäftigt.

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73 scheint dieses Ziel nur schwer erreichbar. Die Integration Polens in die Europäische Union bietet jedoch die Möglichkeit eine Reihe der genannten Hindernisse durch die Anpassung des Rechts-, Verwaltungs-, Wirtschafts- und Sozialsystems Polens an die Europäische Union zu verringern bzw. abzubauen. Insgesamt ist anzunehmen, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit durch den Beitritt Polens in die Europäische Union erleichtert wird und damit auch Voraussetzungen zur Intensivierung der grenz-überschreitenden Zusammenarbeit geschaffen werden.

So fand bereits am 1.1.1999 in Polen eine Anpassung der administrativen Strukturen an die Europäische Union statt. Die Verringerung der Zahl der Wojewodschaften von 49 auf 16, die Wiedereinführung der Kreise und die Dezentralisierung der Verwal-tungsstrukturen werden voraussichtlich zu einer Erleichterung der grenzüberschreiten-den Zusammenarbeit beitragen. Mit der Erweiterung der Europäischen Union um die Republik Polen wird es zukünftig möglich sein, auch die polnischen Grenzregionen gezielt durch EU-Mittel zu fördern. Die Initiierung und Durchführung gemeinsamer Projekte wird erleichtert und eine gemeinsame Finanzierung der Projekte „aus einem Topf“ wird erstmals ermöglicht. Dies gilt insbesondere für Projekte im International-park „Unteres Odertal“ im Rahmen von INTERREG und LIFE. Durch die finanzielle Unterstützung der Europäischen Union kann zukünftig auch von einer Angleichung der unterschiedlichen Entwicklungsniveaus bzw. mindestens von einer Abmilderung des Entwicklungsgefälles ausgegangen werden. Die finanzielle Unterstützung seitens der Europäischen Union beispielsweise im Rahmen von LIFE hat zudem den positiven Nebeneffekt, dass der Wert der Natur und damit die Notwendigkeit des Naturschutzes auch den Grenzbewohnern nahe gebracht wird, die aufgrund der Strukturschwäche ih-rer Region im allgemeinen eher wenig Verständnis für den Naturschutz aufbringen.

Die Erweiterung der Europäischen Union bietet damit die Chance grenzüberschreiten-de Zusammenarbeit im allgemeinen und damit auch im Bereich des Naturschutzes weiter voranzutreiben. Dies ist gerade im Naturschutz von erheblicher Bedeutung, da dessen Grundvoraussetzung ein grenzenloses Handeln ist. Die Erweiterung der Euro-päischen Union um die Republik Polen bietet insbesondere den Grenzregionen neue Entwicklungsmöglichkeiten. Durch die Integrationsklammer Europa können vor allem die sozialen und interkulturellen Barrieren positiv beeinflusst werden. Neue Chancen entstehen für einen Wandel von der Grenzbarriere zu einer integrierten Schnittstelle. Dies ist nicht nur für die zukünftige Entwicklungsperspektive der Grenzregionen selbst, sondern insbesondere auch für eine harmonische Entwicklung im gesamteuro-päischen Kontext bedeutsam.

Quellen

Literatur

Birthler, Wolfgang (2000): Brandenburgisch-polnische Zusammenarbeit im Bereich Umweltschutz und Naturschutz, In: Aura 9/2000, S. 12 - 13

Bundesverband Beruflicher Naturschutz e.V. (BBN) (Hrsg.) (2000): Deutsch-Polnisches Handbuch zum Naturschutz, Bonn/Warschau

Fizek, Anna (2002): Der Naturschutz im Rahmen der EU-Osterweiterung: das Bei-spiel „Internationalpark Unteres Odertal“, Diplomarbeit an der Fakultät Raumplanung, Universität Dortmund

Henning, Ruth (1995): Chancen und Barrieren deutsch-polnischer Zusammenarbeit in der Grenzregion. Dokumentation der Konferenz: Grenze und Grenzbewohner, Nach-barn und Fremde. Alte Heimat – Neue Heimat. Abschied und Ankunft am 2.-4.12.1994, Guben/Gubin. URL:http//: www.dpg-brandenburg.de/nr_10_11 /henning.html.gz (Zugriff am 26.4.2004)

Landesanstalt für Großschutzgebiete Brandenburg (Hrsg.) (2000): ADEBAR – Zeit-schrift für den Nationalpark Unteres Odertal, Sonderausgabe September 2000

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74 Migdalska, Bladyna (2000): Internationaler Landschaftspark Unteres Odertal, In: Aura 9/2000, S. 34 - 37

Ministerium für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung des Landes Bran-denburg (2000): Nationalpark Unteres Odertal, Informationsbroschüre, Potsdam

Nowicki, Maciej / Ribbe, Lutz (2002): Grüne Nachbarschaft – Polen, Warschau

Internet

Website Ministerium für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung des Lan-des Brandenburg (2001): Naturschutz und Landschaftspflege: Nationalpark Unteres Odertal. Online im Internet: URL: http://www.brandenburg.de/land/mlur/n/ b_auf44d.htm ( Zugriff am 26.4.2004)

Website Nationalpark Unteres Odertal, http://www.unteres-odertal.de/ (Zugriff am 26.4.2004)

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Johanna Schoppengerd, Jörg Schulz, Regina Witter

Die Euroregion Pomerania

Eine polnisch-deutsch-schwedische Zusammenarbeit

Die Euroregion Pomerania wurde während der Exkursion im Rahmen eines Vortrages an der Universität Stettin von Sebastian Manka, Mitarbeiter bei der Euroregion Pome-rania, vorgestellt. Durch diesen Vortrag und den Besuch anderer Projekte in der Regi-on (z.B. dem Nationalpark Unteres Odertal) haben wir Einblicke in die Entstehung, Zielsetzung, Organisation und die Umsetzung der Euroregion Pomerania bekommen.

Euroregionen

Die Bezeichnung Euregio setzt sich aus den beiden Begriffen „Europa“ und „Region“ zusammen. Es handelt sich hierbei um Kooperationsverbände, welche auf eine grenz-überschreitende Zusammenarbeit in den unterschiedlichsten Aufgabenbereichen aus-gerichtet sind.

Der Prototyp dieser Regionen wurde bereits im Jahre 1958 an der deutsch-niederländischen Grenze geschaffen. Zumindest formal dienten deren organisatorische Strukturen als Vorbild für alle später geschaffenen, ähnlichen Regionen. Sie entstan-den zunächst an der Westgrenze Deutschlands, nach der Wende 1990 kam es auch zu einer Ausbreitung in andere, östliche Grenzregionen. Dort ist die Bezeichnung Euro-region üblich. Euregios oder Euroregionen finden sich heutzutage in vielen Ländern Europas; die während der Exkursion besuchten Nachbarländer Polen und Deutschland sind komplett durch kooperierende Grenzregionen umschlossen.

Ziel und Idee des heutigen Euregio-Konzeptes ist es, lokale Gemeinsamkeiten und die regionale Zusammengehörigkeit, die sich schon durch eine gemeinsame geschichtli-che, kulturelle und sprachliche Entwicklung gebildet hat zu bewahren und zu fördern. So können Gebiete, die aus Sicht der Länder nur eine periphere Lage einnehmen, ihre benachteiligte Position stärken und wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Nutzen aus dieser länderübergreifenden Vereinigung ziehen. Dies erfährt eine besondere Be-deutung im Rahmen der fortschreitenden europäischen Integrationspolitik.

Es finden sich Zielsetzungen für unterschiedliche Bereiche, im Einzelnen sind dies (vgl. Website MSZ):

Entwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit,

Ausbau von Infrastruktur,

Umweltschutz,

Tourismus sowie

Tätigkeiten im Bereich Bildung und Kultur.

Die Möglichkeit dieser grenzüberschreitenden Zusammenarbeit basiert im Wesentli-chen auf drei Säulen. Diese sind die 1980 in Madrid verabschiedete „Europäische Rahmenkonvention der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit“, die „Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung“ sowie die „Europäische Charta der Grenz- und grenzüberschreitenden Regionen“ (vgl. Website MSZ).

Kritisch betrachtet muss festgestellt werden, dass die Steuerungsebene von Euroregio-nen über keinerlei Entscheidungsgewalt verfügt; sie kann lediglich Empfehlungen ab-geben. Natürlich können diese Projektvorschläge und -anträge in den Leitungen und Komitees koordiniert werden, aber gemeinsame Projekte sind sehr selten. Die Unter-stützung durch INTERREG und PHARE-CBC ist allen Antragsstellern in dem jewei-ligen Grenzraum zugänglich; es gibt jedoch keine Indizien dafür, dass die Existenz

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76 einer Euroregion in einem kleineren Grenzbereich den Zugang zu den EU-Geldern vereinfachen würde (Website Ifa; siehe auch Beitrag von Peter Höfer). Trotzdem ist die Errichtung einer Euroregion von politischer Bedeutung, da sie die Bereitschaft zur Kooperation signalisiert. Die informellen Wirkungen dieser Kooperationsform (z.B. Städtepartnerschaften, grenzübergreifende Wirtschaftsförderung etc.) sind nicht zu un-terschätzen.

Euroregionen im deutsch-polnischen Grenzraum

Wie erwähnt gibt es im deutsch-polnischen Grenzraum heute durchgehend grenzüber-schreitende Kooperationen. Die deutsch-polnischen Euroregionen gehören zur Ar-beitsgemeinschaft der Europäischen Grenzregionen (AGEG). Diese nichtstaatliche eu-ropaweite Organisation berät ihre Mitglieder und unterstützt sie in den Bereichen Lo-gistik und Integration. Polnische Grenzstädte und Grenzgemeinden wurden 14 Euro-regionen zugeordnet. An der Westgrenze zu Deutschland findet sich unter anderem auch die die polnisch-deutsch-schwedische Euroregion Pomerania, die während der Exkursion unter anderem besucht wurde und auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll.

Euroregion Pomerania

Die Euroregion Pomerania umfasst heute Teilbereiche der drei Staaten Deutschland, Polen und Schweden mit einer Gesamtfläche von 38.792 km² und einer Einwohner-zahl von über 3,4 Millionen Menschen (s. Abb. 1). Ihr Erscheinungsbild ist vor allem geprägt durch den südwestlichen Abschnitt des Ostseeraums. Der deutsche Teil setzt sich aus vier Landkreisen in Mecklenburg-Vorpommern (Rügen, Nord- und Ostvor-pommern, Uecker Randow), den zwei dortigen kreisfreien Städten Stralsund und Greifswald sowie aus zwei weiteren Landkreisen in Brandenburg (Uckermark und Barnim) zusammen. Insgesamt nimmt er eine Fläche von 11.317 km² ein, die rund 840.000 Menschen eine Heimat bietet. Schweden stellt weitere 33 Gemeinden der südschwedischen Region Skåne / Schonen als Mitglieder der Region. Das schwedi-sche Gebiet beträgt 11.027 km², auf denen über 1,1 Millionen Menschen leben. Schließlich wird der polnische Bereich durch den Kommunalen Zweckverband der Gemeinden Westpommerns "Pomerania" mit zurzeit 77 polnischen Gemeinden und Städten aus der Wojewodschaft Westpommern vertreten. Der polnische Teil erstreckt sich über 17.448 km², in ihm wohnen rund 1,5 Millionen Menschen. Hier befindet sich außerdem die Stadt Stettin, die mit 415.000 Einwohnern die Rolle der Hauptstadt der Euroregion mit dem Verwaltungssitz einnimmt.

Die Idee zur Bildung der Euroregion Pomerania entstand 1992, nachdem Deutschland zuerst die sogenannte „Oder-Region“ auf deutscher Seite gegründet hatte und Polen darauf mit der Bildung eines Regionalparlamentes mit Sitz in Stettin für die Umge-bung Stettins auf polnischer Seite reagierte. Die Folge war ein wachsender deutsch-polnischer Austausch im Rahmen bilateraler Gespräche, in die teilweise auch Vertre-ter/-innen der entsprechenden Ostseeraum-Gebiete Südschwedens und Dänemarks miteinbezogen wurden. Am 15.12.1995 wurde schließlich das Abkommen zur Grün-dung der Euroregion Pomerania in Stettin von Deutschland und Polen unterzeichnet. Im Februar 1998 wurde die Euroregion um den dritten schwedischen Partner Skåne erweitert.

Die Ziele und Grundsätze der Regionalentwicklung bis 2006 wurden im „Grenzüber-greifenden Entwicklungs- und Aktionskonzept der Euroregion Pomerania“ Anfang 2000 festgehalten und beschlossen. Zu den vorrangigen Aufgaben und Zielen der Eu-roregion zählt die Planung, Organisation und Durchführung gemeinsamer Aktivitäten, durch die die Entwicklung der Region und die gegenseitige Annäherung der Bewoh-ner und Institutionen in den beteiligten Gebietskörperschaften gefördert werden sollen. Zuständig für die federführende Arbeit sind in Deutschland die Kommunalgemein-schaft Pomerania e.V. (gegründet 1993) mit Sitz in Loecknitz, in Polen der Zweckver-band der Gemeinden Westpommerns mit Sitz in Stettin und in Schweden der

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77 Kommunenverband Skåne mit Hauptsitz in Lund. Mit je 12 Mitgliedern bilden die drei Institutionen den Rat der Euroregion, dessen sechsköpfiger Vorstand in Stettin sitzt. (vgl. Website Euroregion Pomerania [1]).

Abb. 1: Das Gebiet der Euroregion Pomerania

Quelle: Website Euroregion Pomerania [2]

Finanziert wird die ständige Tätigkeit der Euroregion Pomerania aus Eigenmitteln d.h. aus Mitgliedbeiträgen der drei Kommunalverbände und aus Haushaltmitteln der Stadt Stettin. Zudem besteht die Möglichkeit für konkrete grenzüberschreitende Projekte INTERREG Mittel auf der deutschen/schwedischen Seite bzw. PAHRE/ CBC Mittel auf der polnischen Seite zu beantragen.

Die Region weist zurzeit ein differenziertes Entwicklungsbild auf. Während die süd-schwedische Provinz Skåne sich auf dem Sprung von einer Industrie- zur Wissen-schaftsregion befindet, die nicht zuletzt ihre Impulse durch wichtige Infrastrukturpro-jekte wie die Öresundbrücke nach Dänemark erfährt, können die polnischen und deut-schen Teile eher als stark ländlich geprägt, agrarisch dominiert und als überwiegend schwach strukturiert beschrieben werden (vgl. LACE-PHARE CBC Draft Assessment Report 2000: 24).

Das Ziel der gemeinsamen und gegenseitig unterstützten Entwicklung über die Staats-grenzen hinaus soll vor allem durch eine grundsätzliche „Erhöhung des Lebensstan-dards der in der Region lebenden Bürger“ erreicht werden. Dies geschieht insbesonde-re indem wirtschaftliche Investitionen und Programmen, Berufsbildungsmaßnahmen und Programmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sowie der „Austausch von Wissenschafts-, und Kulturgruppen“ gemeinsam unterstützt werden. Außerdem wer-den ein besseres gegenseitiges Kennenlernen der Bevölkerung, aber auch Technolo-gietransfer und technischer Hilfe gefördert. Weiterhin geht es in der regionalen Zu-sammenarbeit um die Verbesserung des Umweltschutzes und regionalen Tourismus, die Entwicklung des vorherrschenden ländlichen Raumes, den Ausbau der Infrastruk-tur zugunsten eines grenzüberschreitenden Regionalverkehrs, die Unterstützung bei der Lösung von Grenzgängerproblemen und die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Bränden und Folgen von Naturkatastrophen. Darüber hinaus stehen im Rahmen der Idee der europäischen Einheit und der internationalen Verständigung sowie zu-gunsten gemeinsamer Marketingarbeit die Einrichtung eines komplexen Informations-systems zum Datenaustausch in der Region und nicht zuletzt um die „Entwicklung ei-ner koordinierten grenzübergreifenden Raumplanung“ (s. Website Landesregierung

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78 Brandenburg) im Vordergrund. Dementsprechend wurden fünf Arbeitsgruppen gebil-det mit den Themenschwerpunkten:

Wirtschaftliche Zusammenarbeit, Verkehr und Infrastruktur;

Tourismus. ländliche Räume und Umwelt;

Bildung, Soziales, Kultur und Sport;

Kooperation der Verwaltungen und kommunalen Institutionen;

Öffentliche Ordnung.

In diesen Arbeitsgruppen arbeiten gemeinsam Vertreter der polnischen, deutschen und schwedischen Seite. Zur Koordinierung der gemeinsamen grenzübergreifenden Pro-jekte finden regelmäßige Treffen auf kommunaler Ebene statt. Außerdem wurde unter anderem im Bereich der Regionalplanung das deutsch-polnisch-schwedische Hand-lungskonzept der Euroregion Pomerania für den Zeitraum 2000 - 2006 erarbeitet. Ein Beispiel für die grenzübergreifende kommunale Zusammenarbeit stellen die zahlrei-chen Städte- und Gemeindepartnerschaften auf dem Gebiet der Euroregion dar.

Als Besonderheiten der Region sollten vor allem ihre verkehrsgünstige Lage in Nord-Osteuropa, die darauf basierende bedeutende Stellung der maritimen Wirtschaft in Eu-ropa sowie ihre Potenziale im Fremdenverkehrssektor betont werden, da in diesen Be-reichen die Hauptaktivitäten der Euroregion zu verzeichnen sind Diese drei Bereiche werden im Folgenden vertieft:

Verkehr

Im Bezug auf die Verkehrsströme im Ostseeraum stellt die Region einen wichtigen Dreh- und Angelpunkt für Transportwege zwischen Skandinavien und Südeuropa so-wie zwischen West- und Osteuropa dar. Die zahlreichen regionalen See- und Binnen-häfen, unter anderem in Helsingborg und Malmö in Schweden, in Stettin und Police in Polen sowie in Stralsund und Schwedt/Oder in Deutschland, spielen für die wirtschaft-liche Entwicklung der Region eine bedeutende Rolle. Während die regionalen Fähr-verbindungen für den Personenverkehr auf dem Seeweg als ausreichend beurteilt wer-den können, weisen im Bereich des Landverkehrs über Strasse und Schiene vor allem die deutschen und polnischen Gebiete der Euroregion infrastrukturellen Nachholbe-darf auf. Zugunsten des immer weiter zunehmenden Warenaustausches zwischen den drei Staaten im Rahmen der regionalen Wirtschaft besteht hier dringender Handlungs-bedarf.

Wichtigste Maßnahmen in diesem Bereich sind bislang der Ausbau bestehender und die Errichtung neuer Grenzübergänge (z.B. Rosowoko-Rossow). Außerdem wurde der grenzüberschreitende Verkehr auch durch den Ausbau der Usedomer Bäder-Bahn bis zur deutsch-polnischen Grenze erleichtert. Hierbei handelt es sich um eine 151 km lange Strecke von Ahlbeck Grenze über Zinnowitz, Züssow und Stralsund bis nach Barth sowie von Zinnowitz nach Peenemünde, die von einer Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG betrieben wird (s. Website Usedomer Bäderbahn).

Wirtschaft

Neben der maritimen Wirtschaft (vorwiegend Schiffsbau) sind außerdem die Land-wirtschaft und Lebensmittelindustrie, die Arzneimittelindustrie, die Holz- und Papier-industrie, die chemische Industrie, sowie der Elektromaschinen- und Fahrzeugbau als wichtige Wirtschaftsbranchen in der Region von Bedeutung. Außerdem befinden sich in der Region drei Universitäten und eine Reihe von Fachhochschulen, die sich für ein wirtschaftsnahes Innovationspotential von Technologie und Kommunikation in der Region einsetzen.

In der Euroregion engagiert sich vor allem die Kommunalgemeinschaft Pomerania e.V. im Bereich der Wirtschaftsförderung. Sie organisiert periodisch deutsch-polnische Wirtschafstreffen und betreibt drei Beratungszentren in Anklam, Pasewalk

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79 und Schwedt in Zusammenarbeit mit dem Korrespondenzzentrum Euro-Info in Stettin. Ziel ist es die Aufnahme und Entwicklung von Wirtschaftskontakten zu fördern. Eine Kooperation des Technologie und Entwicklungszentrums Uckermark mit dem Grün-derzentrum in Stettin verfolgt die gleichen Ziele.

Tourismus

Eine bedeutende Rolle in der Euroregion spielt schließlich der Tourismus. Die Region ist touristisch attraktiv aufgrund der landschaftlichen Besonderheit des Ostseeraumes mit dem ländlichen Hinterland, einhergehend mit einer geringen Umweltbelastung sowie historisch-kulturelle Gemeinsamkeiten, wie bspw. die Geschichte der Hanse. Der regionale Fremdenverkehr hatte in den letzten Jahren starke Umsatzzuwächse zu verzeichnen, allerdings führen starke Schwankungen in der saisonal bedingten Nach-frage zu Umsatzeinbußen, die es auszugleichen gilt.

Im Bereich des Tourismus gibt es viele neue bzw. schon lang bestehende Kooperatio-nen wie z.B. eine seit 40 Jahren bestehende deutsch-polnische Etappenregatta. Tou-rismusverbände, Kammern und Vereine stehen in intensivem Kontakt zueinander. Ein sehr wichtiger Bereich der Kooperation ist das gemeinsame Marketing der Region und der grenzüberschreitende Tourismus. Zu nennen wären in diesem Bereich z.B. eine Kooperation der Inseln Rügen und Bornholm, dem süd-östlichen Teil von Skane und der Stadt Swinemünde unter dem Label „Four Corners of Baltic Sea“.

Wie uns auf der Exkursion allerdings berichtet wurde, ist grenzüberschreitender Tou-rismus in unmittelbarer Nähe der Grenze bei bestimmten Projekten bislang nur schwer möglich. Zum Beispiel gestalten sich Kanutouren auf den Grenzflüssen bislang noch als problematisch, da ein überqueren des Flusses jenseits eines Grenzüberganges ille-gal ist.

Probleme in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit

Betrachtet man die grenzüberschreitende Kooperation zwischen Polen und Deutsch-land, so stellt die Grenzlinie selbst ein großes Hindernis in der Zusammenarbeit dar. Sowohl rechtliche Schwierigkeiten z.B. beim Überqueren der Grenze ohne Reisepass als auch mangelnde Infrastruktur wie z.B. fehlende Verkehrsverbindungen hemmen die Kopperation und den Austausch zwischen den Regionen.

Außerdem behindern soziale, kulturelle und institutionelle Probleme, die mit der lang-jährigen Grenzsituation und den unterschiedlichen politischen Systemen einhergehen, die Kooperation zwischen den Staaten bzw. Projekten und Personen (siehe hierzu auch Beitrag von Anna Fizek zum Nationalpark Unteres Odertal). So behindern z.B. sprachliche Probleme häufig die Kooperation. Problematisch ist vor allem eine Ver-ständigung auf Polnisch, da dies auf der deutschen Seite nur selten beherrscht wird. Umgekehrt wird Deutsch relativ häufig gesprochen, so dass sich Deutsch und vor al-lem Englisch als Verständigungssprache etabliert haben. Auch auf der institutionellen Ebene treten noch häufig Probleme auf wie z.B. Konflikte, die sich aus den Unter-schieden zwischen dem föderalistisch geprägten System in Deutschland und dem zent-ralistisch geprägten System in Polen ergeben.

Ein weiteres Problem liegt in der Finanzierung von Projekten durch EU-Förderprogramme. Da Polen zum Zeitpunkt der Exkursion noch kein EU-Mitglied war, werden grenzüberschreitenden Projekte in Schweden / Deutschland und Polen im Rahmen von zwei unterschiedlichen Förderprogrammen gefördert – den bereits er-wähnten und INTERREG/ LIFE Mitteln und Phare/CBC. Hierbei sind vor allem un-terschiedliche Verfahren und ein unterschiedliches Management von Programmen auf der deutschen/schwedischen bzw. polnischen Seite problematisch. Zwar verfolgen alle diese Programme das Ziel grenzüberschreitende Projekte zu fördern, sie sind jedoch bei unterschiedlichen Direktionen angesiedelt und vom Verfahren sehr unterschiedlich aufgebaut, vor allem bezüglich der Kriterien, Auswahlverfahren, Zeitpläne und Zu-weisung der Mittel (s. Beitrag von Peter Höfer in diesem Heft).

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80 Es bleibt zu hoffen, das einige dieser Hemmnisse, vor allem Probleme rechtlicher, administrativer und institutioneller Art mit dem EU-Beitritt Polens und den damit ver-bunden Reformen und Änderungen verringert werden. Es wird sich zeigen, wie sich durch den Beitritt dann auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Zukunft gestaltet.

Quellen

Literatur

LACE-PHARE CBC Draft Assessment Report 2000

Internet

Website Euroregion Pomerania [1], http://www.pomerania.org.pl/ _012_pomerania_historia.htm (Zugriff am 26.4.2004)

Website Euroregion Pomerania [2], http://www.pomerania.pl/net.htm (Zugriff am: 16. November 2003)

Website Ifa - Institut für Auslandsbeziehungen e.V., http://www.ifa.de/dialoge/dpecs.htm (Zugriff am: 16. November 2003)

Website Landesregierung Brandenburg, http://www.brandenburg.de/land/mdje-europa/pom.htm (Zugriff am: 7. November 2003)

Website MSZ – Ministerctwo Spraw zagranicznych Rzeczpospolitej Polski (Außen-ministeriums der Republik Polen): Kurz über Polen, http://www.msz.gov.pl/mszpromo/de/9_4.htm (Zugriff am: 15. November 2003)

Website Usedomer Bäderbahn GmbH, http://www.ubb-online.com/ (Zugriff am 26.1.2004)

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Norbert Steinkemper

Stettin

Stadtentwicklung im Spannungsfeld von Geschichte und Politik

Die Entwicklung der Stadt Stettin, des heutigen Szczecin, ist wie kaum eine andere an die europäische Geschichte gebunden. Mehrfach wechselte die Stadt ihre nationale Zugehörigkeit und stand im Laufe der Jahrhunderte mal unter polnischer, mal unter deutscher, dänischer, schwedischer und französischer Herrschaft. Geprägt durch seine geographische Lage ist Szczecin damit eine Stadt slawischen Ursprungs mit deutscher Vergangenheit, polnischer Gegenwart und europäischer Zukunft. Die jeweils tief grei-fenden Einflüsse verschiedener europäischer Mächte und Kulturen haben die Stadt ge-prägt und sind in weiten Teilen auch heute noch am Stadtbild ablesbar. So ist das Bild der Szczeciner Innenstadt oftmals von starken Brüchen geprägt. Teils harte Gegensät-ze der städtebaulichen Struktur ergeben ein Puzzle aus verschiedenen Leitbildern und Zielsetzungen, in der sich die Entwicklung der Stadt widerspiegelt.

Dieser Beitrag unternimmt einen kurzen und sicherlich unvollständigen Streifzug durch die Geschichte des heutigen Zentrums der Wojewodschaft Zachodnio Po-morskie und zeigt jeweils an einzeln herausgegriffenen Beispielen die Umbrüche in der Stadtentwicklung und ihre Folgen für die Oder-Metropole zeigen.

Der Slawische Ursprung: Szczecin in früher Zeit

Bereits Ende des 7. Jahrhunderts ließen sich slawische Handwerker am linken O-derufer, auf dem Hügel „Trzyglaw“, nieder und begründeten damit das heutige Szcze-cin. Zur Verteidigung wurde Mitte des 9. Jahrhunderts eine Burg gebaut, an deren Stelle auch heute noch das Schloss der Pommerschen Herzöge den Kern der Stadt markiert. Auch damals schon bildete die Oder die Grenze zwischen polnischem und deutschem Territorium. Fast 400 Jahre blieb das frühe Szczecin polnisch, bis sich im 12. Jahrhundert die ersten deutschen Siedler in der Nähe der Burg niederließen.

In der Folge wuchs die deutsche Gemeinde vor allem durch intensive Handelsbezie-hungen stark an. Deutlich wird dies u.a. an der Stiftung einer eigenen Kirche für die deutsche Bevölkerung, der Jacobikirche, durch den Bamberger Kaufmann Jakob Be-ringer (s. Abb. 1). Mitte des 13. Jahrhunderts war die slawische Siedlung auf dem heu-tigen Schlosshügel durch die Entwicklung der deutschen Besiedlung vollständig auf-gesogen (vgl. Rada [2]).

Abb. 1: Die Jacobikirche

Foto: Norbert Steinkemper

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82 Schon die frühe Besiedlung der Stadt verdeutlicht, wie stark die Einflüsse der beiden Staaten auf die bauliche Entwicklung Szczecins waren. Die vorhandene polnische Siedlung wurde durch die deutschen Einwanderer aufgenommen und zu einer wohlha-benden Handelsstadt ausgebaut. Unter der Herrschaft der Greifendynastie, die in Pommern für über 500 Jahre regierte, wurde Szczecin – seit 1272 Mitglied im Hanse-bund - zum Zentrum der Region. In dieser Zeit errichtete man zentrale stadtprägende Gebäude und Elemente, beispielsweise das auch heute noch vorhandene Schloss (s. Abb. 2), das nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaute alte Rathaus der Stadt sowie die ersten Hafenanlagen, welche die wirtschaftliche Grundlage für die weitere Stadtentwicklung darstellten.

Abb. 2: Schloss der Pommerschen Herzöge

Nach einiger Zeit unter schwedischer Herrschaft in Folge des Dreißigjährigen Krieges, wurde Szczecin 1729 Preußen zugeordnet und als militärisches Bollwerk ausgebaut. Viele Jahre war nun das Militär prägender Faktor der Stadtentwicklung. Auch die Ha-kenterrassen (Waly Chrobrego), die heute ein wichtiges touristisches Zentrum der Stadt sind, entstanden auf Grundlage der alten Wehranlagen. Hier befindet sich auch heute noch eine Akademie der polnischen Marine (s. Stadtverwaltung Szczecin [1]).

Deutsche Vergangenheit: das „preußische“ Stettin

Militärische Gebäude und Flächen prägen bis heute weite Teile der Innenstadt Szcze-cins. Durch die Verfügbarkeit großer ehemals militärisch genutzter Grundstücke in zentraler Lage war es beispielsweise möglich, die drei Universitäten in Szczecin zwar in Campusform, aber dennoch stadtintegriert zu gestalten.

Die Innenstadt von Szczecin wird in weiten Teilen durch ihre preußische Stadtstruktur geprägt. Nach dem Vorbild der Haussman’schen Boulevards in Paris entwarf James Hobrecht, der spätere Stadtbaurat von Berlin und Begründer der „größten Mietskaser-nenstadt der Welt“, im 19. Jahrhundert ein Straßenmuster, das durch breite, repräsen-tative Straßen und große, sternförmige Plätze gekennzeichnet war (s. Rada [2], s. Abb. 3). So verfügt Szczecin heute über eine imposante Abfolge großer Stadtplätze, die im übrigen Polen sonst eher unüblich sind. Der imposanteste dieser Plätze ist der Kaiser-Wilhelm-Platz (Plac Grunwaldski) (s. Abb. 4).

Abb. 3: Innenstadt-Grundriss von 1910

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83 Hier zeigt sich bereits die enge Verbindung, die Szczecin mit der preußischen Haupt-stadt hatte. So waren die Mietskasernen Szczecins mit teils mehreren Hinterhöfen für Hobrecht sozusagen der „Probelauf“ für ihre massenhafte Errichtung und Perfektio-nierung in Berlin. Auch in der regionalen Baukultur findet sich diese Verbindung wie-der. Die zahlreichen Verzierungen, die an den Fassaden dieser Gebäude zu bewundern sind, finden sich sowohl in den Wohnblocks Szczecins, wie auch an Berliner Häuser-fronten.

Abb. 4: Der Kaiser Wilhelm-Platz auf einer historischen Postkarte

Auch kulturell ermöglichte die geringe Entfernung zur Hauptstadt enge Kontakte. Das Oderufer war Flaniermeile und Anlaufstelle für viele Berliner Industrielle, die von der nur gut 120 Kilometer entfernten Hauptstadt zur Wochenenderholung in die Oderstadt strömten. Die sehr dichte Bebauung der Altstadt am Fuße des Schlossbergs sorgte für lebhaftes Treiben am Oderufer (s. Abb. 5). Am gegenüberliegenden Ufer der Oder er-streckte sich der Stettiner Hafen, der als „Tor zur Welt“ für Berlin den Zugang zum Meer bereitstellte.

Abb. 5: Blick auf die Stettiner Uferpromena-de zu Beginn des 20. Jh.

Ebenfalls in diese Zeit der Stadtentwicklung fällt die Errichtung der Hakenterrassen (s. Abb. 6). Auf den ehemaligen Fort-Befestigungen des Militärs wurden hier repräsenta-tive Verwaltungs- und Museumsgebäude errichtet, die noch heute stadtbildprägend sind und wohl als die eindrucksvollste Hinterlassenschaft der preußischen Zeit in der Region bezeichnet werden können. Sie stellen das wichtigste touristische Ziel in der Stadt dar.

Krieg und Zerstörung

Wie die meisten deutschen Großstädte wurde auch Szczecin im Zweiten Weltkrieg in-tensiv bombardiert. Nach den Bombennächten im Januar und August 1944 waren 90 % der Altstadt und der Industrieanlagen, 70 - 80 % der Hafenanlagen und 60 - 70 % der Stadtbebauung zerstört. Damit zählte Szczecin zu den 20 am meisten zerstörten Städten des damaligen Deutschland. Am 26. April 1945 wurde Szczecin durch die

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84 anrückende Sowjetarmee erobert und bereits am 05. Juli 1945 der polnischen Verwal-tung übergeben (vgl. Stadtverwaltung Szczecin [1]).

Abb. 6: Die Haken-terrassen heute

Foto: Norbert Steinkemper

Neuanfang I – polnische Gegenwart: aus „Stettin“ wird „Szczecin“

Der Zweite Weltkrieg bedeutet für Szczecin nicht nur einen Bruch in der städtebauli-chen sondern auch einen tiefen Einschnitt in der kulturellen Entwicklung der Stadt. Im Rahmen der Zuordnung zu Polen wurde binnen kürzester Zeit quasi die gesamte Be-völkerung der Stadt ausgetauscht. Waren am 05.07.1945 noch ungefähr 1.500 Bürger der Stadt polnischer Herkunft, war ihre Zahl bis zum Dezember 1946 bereits auf 108.000 angewachsen. Die neuen Bürger der Stadt kamen vor allem aus den früheren polnischen Ostgebieten, die nach Ende des Krieges der Sowjetunion zugeschlagen wurden. Sie übernahmen die Häuser direkt von den nach Westen umgesiedelten deut-schen Bewohnern Szczecins. Aus Sicht vieler der neuen Bewohner der Stadt war dies nur eine Übergangslösung, wollte man doch wieder in die Heimat im Osten zurück-kehren.

In der Wiederaufbauphase musste Szczecin also mit einer völlig neuen Situation zu-rechtkommen. Die bisher zum westlich gelegenen Berlin ausgerichtete Stadt war auf der Suche nach ihrer polnischen Identität. So schnell wie möglich sollte die Stadt nun polnisch werden. Dies stellte sich als besonders große Herausforderung dar, da die neue Heimat der angesiedelten Polen eine durch und durch deutsch geprägte Stadt ge-wesen war. Anders als beispielsweise in Danzig gab es hier nur sehr wenige Ansatz-punkte aus der polnischen Vergangenheit der Stadt, die eine Identifikation seiner Be-wohner ermöglichte. Ziel der Stadtentwicklung sollte es also sein, aus „Stettin“, „Szczecin“ zu machen – der Stadt einen „polnischen Charakter“ zu geben.

Im Gegensatz zu anderen polnischen Großstädten wie Danzig oder Warschau wurde in Szczecin nur ein sehr geringer Teil der alten Gebäude wieder aufgebaut. In der völlig zerstörten Altstadt am Fuße des Schlosses errichtete man lediglich das alte Rathaus in seiner ursprünglichen Form neu (s. Abb. 7). Dieses liefert sich seither einen „aggressi-ven Stellungskampf zweier ungleicher Stadtarchitekturen“ mit der angrenzenden Nachkriegsbebauung der Fünfzigerjahre (s. Rada [2]).

Der Rest der Stadt wurde nach den modernen Leitbildern der Stadtentwicklung neu er-richtet. Der Schwerpunkt lag hierbei auf der Ausrichtung nach Osten. Der erste polni-sche Stadtpräsident von Szczecin, Piotr Zaremba, hatte es zum erklärten Ziel gemacht, Szczecin auch baulich einen „polnischen Charakter“ zu geben und damit die aus seiner Sicht gemachten Fehler zu korrigieren. Die alte Uferpromenade entlang der Oder wur-de in eine mehrspurige Verkehrsader umgewandelt, die als „Arteria Nadodrzañska“ („Oderarterie“) den Bahnhof mit dem nördlich gelegenen Verwaltungszentrum der Hakenterassen verknüpfen sollte. Diese Maßnahme wird heute als einer der größten Fehler in der Stadtentwicklung Szczecins angesehen, da hierdurch die Beziehung zwi-schen Fluss und Stadt empfindlich gestört wird. Von der ehemaligen Flaniermeile für

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85 Wochenendgäste aus der deutschen Hauptstadt entlang der Oder ist nur noch ein schmaler, betonierter Fußweg übrig geblieben. Die für die Entwicklung und Geschich-te der Stadt so wichtige Oder spielt heute nur eine untergeordnete, fast schon periphere Rolle im Alltagsleben der Stadt.

Abb. 7: Das alte Stettiner Rathaus „zwischen den Fronten“

Foto: Norbert Steinkemper

Doch nicht nur in der Verkehrserschließung, auch in der Architektur ging man nach dem Krieg neue Wege: Konsequent wurde der Aufbau einer „Modernen Sozialisti-schen Stadt“ verfolgt. So wird die alte, preußische Grundstruktur in Straßenführung und Bebauung bis heute immer wieder durch mehrstöckige Hochhäuser unterbrochen, die der Stadt einen polnischen, sozialistischen Charakter geben sollten. Auf diese Weise prallen heute die unterschiedlichsten städtebaulichen Ideale in der Innenstadt von Szczecin aufeinander, die der Stadt ihren ganz eigenen Charakter verleihen.

Kernprojekt der Bemühungen einer sozialistischen Ausrichtung der städtebaulichen Struktur war die Aufweitung und der Ausbau der Verkehrsadern zum östlichen O-derufer. Hierdurch sollte die Stadt endgültig nach Osten orientiert werden. Wichtigster Bestandteil dieses Vorhabens ist ein imposanter Brückenschlag durch eine mehrspuri-ge Schnellstraße, der „Trasa Zamkowa“ (s. Abb. 8), die zwischen Hakenterrassen und Schloss hindurch zur anderen Oderseite führt und die westlich gelegene Kernstadt von Szczecin mit der neu angelegten Großwohnsiedlung „Sloneczne“, die etwa 10 Kilo-meter entfernt im Osten der Stadt liegt, verbindet. Hier wurden in den 70er Jahren Wohnblocks für über 50.000 Menschen errichtet, die quasi als Ankerpunkt im Osten ein Symbol für die neue polnische Identität von Szczecin sein sollten (vgl. Rada [1]).

Abb. 8: Trasa Zamkowa – Brückenschlag über die Oder

Foto: Jörg Schulz

In der politischen Realität der Republik Polen lag Szczecin jedoch in der Nachkriegs-zeit immer nur am Rande des Geschehens. Der Schwerpunkt der Entwicklung außer-halb von Warschau wurde auf andere Städte wie Gdansk (Danzig), Poznan (Posen)

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86 oder Wroclaw (Breslau) gelegt. So wurde die historische Altstadt von Gdansk, die als europäisches Kulturgut wiederaufgebaut wurde, unter anderem auch mit Ziegeln und Steinen aus Szczecin errichtet. Auch nach Westen behinderte die Grenze zur DDR die Entwicklung der Stadt. Im städtischen Gefüge Polens führte dies zu einem Schattenda-sein der 450.000-Einwohner-Stadt an der Oder (vgl. Niewrzęda).

Eine Wende in der nationalen wie internationalen Bedeutung der Pommerschen Hauptstadt bedeutete die Wiedervereinigung Deutschlands und die schrittweise Annä-herung des westlichen und östlichen Europas. Ein in die Europäische Union integrier-tes Polen bietet für die Stadt heute neue Perspektiven. Szczecin findet sich in einer völlig neuen geo-politischen Lage wieder. Mitten in Europa, an der Grenze zu Deutschland gelegen, schaut die Stadt nun baulich wie auch gesellschaftlich wieder verstärkt in Richtung Westen.

Neuanfang II – Aufbruch in die Zukunft: das „europäische“ Szczecin?!

Mit der politischen und wirtschaftlichen Ausrichtung nach Westen verändert sich nun abermals die städtebauliche Struktur der Stadt. Heute geht es nicht mehr darum, eine Stadt mit polnischem Charakter zu schaffen, welche im Gegensatz zur ihrer größten-teils deutschen Geschichte steht. Im Ausblick auf ein vereinigtes Europa wird die wechselhafte Geschichte der Stadt als Chance gesehen, einerseits zu einer Annäherung im oftmals schwierigen Verhältnis zum deutschen Nachbarn zu gelangen und sich an-dererseits einen Platz auf der europäischen Landkarte zu sichern. Die vormals enge Beziehung und räumliche Nähe zur Metropole Berlin wird wieder entdeckt. Deutsche Investoren sind die Hoffnungsträger für den wirtschaftlichen Aufschwung der Region.

Abb. 9: Blick auf die „neue“ Altstadt

Foto: Cordula Feigs

So wird mittlerweile die deutsche Geschichte der Stadt wieder stärker thematisiert. Vor diesem Hintergrund kann auch die Wiederbebauung der ehemaligen Altstadt am Oderufer gesehen werden (s. Abb. 9). Hier bemüht sich die Stadtverwaltung allerdings darum, nicht in einen historisierenden Wiederaufbauwahn zu verfallen, sondern aus der Kombination der polnischen und deutschen Hintergründe des Ortes, ein neues, eu-ropäisches Stadtquartier entstehen zu lassen. Lediglich zwei Gebäude, direkt neben dem schon in der Nachkriegszeit wieder aufgebauten alten Rathaus, wurden original-getreu nachgebaut (s. Abb. 10). Der Rest des Viertels stellt einen Kompromiss zwi-schen altem Straßengrundriss und neuer Architektur und Nutzung dar. Bisher ist die „neue Alt-Stadt“ allerdings noch unzureichend in das restliche Stadtgefüge integriert. Hier hofft man dennoch, den Grundstein für eine Wiederbelebung des alten Kerns der Stadt gelegt und damit auch einen großen Schritt zurück an die Oder gemacht zu ha-ben.

Doch auch im restlichen Szczecin haben heute neben den herrschaftlichen preußischen und den sozialistischen Nachkriegs-Strukturen, längst die neuen, marktorientierten eu-ropäischen Standards Einzug gehalten. Postmoderne Glas- und Stahlbauten sind hier ebenso gefragt wie Shopping-Malls, oder die großen Supermärkte und Multiplex-

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87 Kinos. Diese neue Entwicklung in Richtung Europa gibt Szczecin abermals ein neues Gesicht. Dennoch ist festzustellen, dass die alten Stadtstrukturen hier nicht verdrängt, sondern ergänzt werden. Das Nebeneinander der verschiedensten Entwicklungs- und Ideologie-Epochen ist immer noch klar ablesbar und führt zu einem interessanten Mix, der der Stadt seinen eigenen (europäischen) Charakter gibt.

Abb. 10: Originalgetreu nachgebaute Häuser der Altstadt

Foto: Cordula Feigs

Besonders deutlich wird dies am ‚Plac Rodla’. Hier trifft das preußisch-repräsentative Stadtviertel der Gründerzeit auf die großen Wohnblocks der Nachkriegszeit. Mitten in das Spannungsfeld dieser Gegensätze wurde in der zweiten Hälfte der 90er Jahre das neue 100 Meter hohe „Pazim Center“ gebaut, ein postmoderner, 22-geschossiger Bü-robau, der Banken, Hotels und Büros beherbergt (vgl. Abb. 11). Aus dem Café 22 in der obersten Etage des nun höchsten Gebäudes in der Stadt hat man einen weiten Blick über Szczecin. Hier spiegeln sich die Hoffnungen auf einen Aufbruch nach Eu-ropa und den hiermit verbundenen erhofften wirtschaftlichen Aufschwung wider. Gleich nebenan manifestierte 2003 an dieser Stelle die Eröffnung eines großen Mul-tiplex-Kinos diesen Anspruch.

Abb. 11: Das „Pazim Center“- ein Symbol für das moderne Stettin

Foto: Norbert Steinkemper

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Im Zuge der Integration der osteuropäischen Länder in die Europäische Union, sucht Szczecin derzeit noch nach einer Identität zwischen Deutschland und Polen. Schon heute ist die Stadt nicht nur das Zentrum der Wojewodschaft Zachodnio Pomorskie. Auch jenseits der Grenze, für die Bewohner der Kleinstädte auf deutschem Gebiet wie Anklam oder Pasewalk ist sie längst zum Zentrum geworden. Die Bemühungen um die Euroregion Pommerania (s. Beitrag von Johanna Schoppengerd et al. in diesem Heft) zeigen, dass die Region dies erkannt hat und gewillt ist, ihren Beitrag für das Zusammenwachsen über die Grenze hinweg zu leisten. Vor dem Hintergrund der viel-schichtigen Geschichte der Stadt spiegelt Szczecin in besonderem Maße die aktuelle Situation beiderseits der Grenze wider. Damit ist diese Stadt ein Stück gebaute deutsch-polnische Geschichte. Nun liegt es daran, auf der Grundlage dieser gemein-samen Geschichte eine europäische Zukunft zu ermöglichen.

Quellen

Kozakowska, Joanna (Hrsg.): Stettin Stadt Strasse. Karkutschstrasse - ul. Św. Wojcie-cha. Geschichte und das gegenwärtige Bild der Stadt gesehen von der Perspektive einer Strasse, http://www.strasse.szczecin.art.pl/index.html (Zugriff am 26.4.2004)

Niewrzęda, Krzysztof: Im Zentrum oder an der Peripherie des Kontinents? - Eine Stadt auf der Suche nach einer neuen Identität, http://www.dialogonline.org/63_02.html (Zugriff am 26.4.2004)

Ostsee-urlaub-polen.de: Szczecin / Stettin – Großstadt zwischen Oder und Ostsee, http://www.ostsee-urlaub-polen.de/stettin-szczecin/index.htm (Zugriff am 26.4.2004)

Rada, Uwe [1]: Die nahe und doch so fremde Stadt, http://www.uwe-rada.de/ themen/pol5.html (Zugriff am 26.4.2004)

Rada, Uwe [2]: Die Unvollendete, http://www.uwe-rada.de/themen/ grenzregionen7.html (Zugriff am 26.4.2004)

Stadtverwaltung Szczecin [1]: Stadtgeschichte - Etwas über die Vergangenheit der Stadt, http://www.szczecin.pl/inwestor/de/uk_1_0.html (Zugriff am 26.4.2004)

Stadtverwaltung Szczecin [2]: Stettin in Zahlen: Staatliche Gliederung, Bevölkerung, http://www.szczecin.pl/inwestor/de/3_uk/uk_3_1.htm (Zugriff am 26.4.2004)

Silvester Rüfenacht (Hrsg.), http://www.info-polen.com/staedte/stettin.php (Zugriff am 15.1.2004)

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Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Exkursion

Exkursion in die deutsch-polnische Grenzregion vom 8. – 15. Juni 2003

Sandra Ackermann

Martin Becker

Dirk Bölitz

Lukas Chmielewski

Cordula Feigs

Anna Fizek

Johannes Flacke

Tim Geßler

Aniola Hädrich

Dominique Hebebrand

Peter Höfer

Heike Köckler

Beate Konieczny

Katrin Lenz

Gudrun Litzkendorf

Markus Lurz

Maximilian Mendel

Julia Nierhoff

Michael Schäfer

Silke Schlichting

Johanna Schoppengerd

Jörg Schulz

Norbert Steinkemper

Anne Thun

Regina Witter

Verena Zorn

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Gesprächspartner der Exkursion

Georg Salditt Internationales Begegnungszentrum St. Marienthal Marienthal 10 D-02899 Ostritz

Verena Starke Stadtverwaltung Görlitz Umweltamt Hugo-Keller-Straße 14 D-02826 Görlitz

Robert Knippschild Leibnitz-Institut für ökologische Raumentwicklung e.V. Dresden Weberplatz 1 D-01217 Dresden

Sandra Kositz Stadtverwaltung Guben Uferstraße 22-26 D-03172 Guben

Dr. Frank Jost Sonderbeauftragter des Oberbürgermeisters für die Strategie „Frankfurt (Oder) – Słubice 2003“ Marktplatz 1 D-15230 Frankfurt (Oder)

Dr. Krzysztof Wojciechowski Uniwersytet im. Adama Mickiewicza Collegium Polonicum ul. Kościuszki 1 PL-69-100 Słubice

Naturwacht Unteres Odertal Park 2 (Schloß) D-16306 Schwedt/Oder OT Criewen

Dr. Dariusz Dolgoszyja Urząd Miejski w Szczecinie Pl. Armii Krajowej 1 PL-70-455 Szczecin

Prof. Dr. Lechosław Czernik Politechnika Sczczecińska Wydział Budownictwa i Architektury Instytut Architektury i Planowania Przestrzennego ul. Żółnierska 50 PL-71-210 Szczecin

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Page 95: Arbeitspapier 181 - Fakultät · PDF fileII Stefanie Goedecke Grenzüberschreitendes Standortmarketing – eine Strategie für Frankfurt (Oder) - Slubice? 60 ... (Rzeczpospolita vom

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