ARBOR SCIENTIAE IMMANENZ UND TRANSZENDENZ IM DENKEN LLULLS

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    an der Sorbonne studierte, Llull 1287 kennenlernte und sein Schler und Bewunderer

    wurde, glaubte, da die Werke seines Meisters rasch verbreitet werden mten, da ihnen

    eine bedeutende Rolle bei der Lsung der groen Krise zukomme, die die Philosophie zu

    Beginn des XIV. Jahrhunderts erschtterte. Aristoteles ist aktuell, weil die

    Lsungsvorschlge seiner Philosophie, die ebenfalls in einer Krise geboren wurde, fr die

    gegenwrtige Krise der Philosophie von Nutzen sein knnen. Dasselbe kann man ber

    Llull sagen.

    Der Lullismus berwindet den Aristotelismus und setzt ihn zugleich fort. 2 Llull

    gelang damit etwas hnliches wie Thomas, was in besonderem Mae zu wrdigen ist, darf

    man doch nicht vergessen, da der Thomismus whrend der letzten vierzig Jahre von

    Llulls Leben, d.h. fast vom Beginn seiner Schriftstellerttigkeit an - das Compendium

    logicae Algazelis, Llulls erstes Werk nach Bonners Katalog, wurde 1271/72 verfat -,

    verurteilt wurde. Im folgenden will ich deutlich machen, da Llull das Denken des

    Aristoteles unter die Perspektive des Transzendenten bringt.

    Welche Rolle schrieb Le Mysier Llull zu Beginn des XIV. Jahrhunderts zu? Die

    Intelligenz mit all ihrer Kraft aufrechtzuerhalten, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, da das

    pensiero debole der Moderne zu keimen begann und sich seinen Weg bahnte. Denn in

    eben diesen ersten Jahren des vierzehnten Jahrhunderts wurde die Moderne gedacht;insbesondere durch Scotus und Ockham, zwei Franziskaner aus dem englischen Raum, die

    - wie nahezu alle Franziskaner dieser Epoche - falsch auf Aristoteles reagierten.

    Warum mifiel ihnen Aristoteles? Er mifiel ihnen, weil die Offenbarung berflssig

    zu werden schien, wenn die Realitt so erkannt werden knnte, wie der Stagirit behauptete.

    Bei Aristoteles, so scheint es, erschpft die menschliche Vernunft das Sein.

    Was wird Scotus daraufhin tun? Er wird die Vernunft zu einem rein rezeptivenVermgen machen, zu einem einfachen Spiegel, und wird die Wirklichkeit auerhalb ihrer

    Grenzen belassen. Der Kontakt mit dem Realen vollzieht sich durch den spontanen Willen.

    Nach Scotus ist die Vernunft passiv, der Wille aktiv. Wenige Jahre spter wird Ockham

    sagen, da der Wille, insofern als er das einzig aktive Vermgen darstellt, nmlich reine

    und von allen Formen unabhngige Spontaneitt, bloe Willkr bar aller Grenzen ist. Und

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    so verschwinden die gedachten Formen, sie sind unntz geworden: Dies ist der

    Nominalismus.

    Im Grunde ist das, was zu Beginn des XIV. Jahrhunderts eingeleitet wird, eine sehr

    eng gefhrte Interpretation des Aristoteles. Es liegt ein Abstieg im Niveau des Denkensvor. Man frchtet Aristoteles wegen der Sprengkraft, die er zu besitzen scheint, obwohl

    man diese Kraft noch gar nicht kennt. Nach Ockham lt sich nichts in seinem Innersten

    erkennen. Und in der Tat, Gott lt sich so nicht erkennen. Das ist der Verfall, der den

    Auftakt der Moderne bildet: Man erklrt den Menschen fr unfhig, Gott zu begreifen,

    weil er unfhig ist, das Sein zu erkennen.

    Llull befindet sich auerhalb dieser Entwicklung. Er bleibt Realist. Er frchtet sich

    nicht davor, da die Vernunft so mchtig ist, da sie das Sein erschpft. Vielmehr will

    Llull es erschpfen, und dies ist das Ziel seinerArs.

    DerArbor scientiae

    Wir wissen, da derArbor scientiae mit der eindeutigen Absicht verfat wurde, das

    Verstndnis der Ars zu erleichrn. Der Mnch sprach zu Llull: Ramon, verfat diesesBuch, um das ich Euch bitte, und verfat es so, da man Eure Absicht gut erkenne. 3 Und

    tatschlich ist dieses umfangreiche Werk ein herausragender Beweis fr das universelle

    Wissen, das sich mit dem System derArs erreichen lt.

    Aber was ist letzten Endes LlullsArs? Das Beste, was man zur Beantwortung dieser

    Frage tun kann, ist, sich den Erklrungen Le Mysiers anzuvertrauen.

    Grosso modo lt sich zunchst sagen, da die Ars sich uns darstellt als einrelationales System allgemeiner Begriffe. 4 Ihre Struktur wird bestimmt durch eine Reihe

    von Prinzipien, ihre jeweiligen Definitionen und einige Funktionsbedingungen. Der erste

    Eindruck knnte dazu verleiten, sie mit einer rein formalen Logik gleichzusetzen, schon

    bald jedoch merkt man, da ihre Reichweite erheblich grer ist, denn das gesamte System

    zielt auf die Erkenntnis des Realen. Und in der Tat beginnt Le Mysier seine Einleitung

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    mit einer Beschreibung jener Figur, die spterhin als Figur des Seienden5 bekannt wurde,

    die wahrhaft die Gesamtheit des Seins reprsentiert, so wie es der menschliche Geist

    erfat: Eine Sphre, in deren Mitte sich der Mensch befindet und von der aus in

    konzentrischen Kreisen zunchst das sensitiv Seiende, darauf das imaginativ Seiende und

    schlielich die geistige Welt zu sehen sind, denn die Vernunft, so erklrt Le Mysier,

    erreicht dadurch, da sie mehr Form, Akt, Natur und Sein hat als die krperhafte Natur, die

    geistigen Substanzen.

    Damit kann Llull bereits als moderner Autor gelten, denn schlielich ist die moderne

    Philosophie eine Philosophie, die vom Subjekt ausgeht. 6 Man kann zwar behaupten, da es

    ein Fehler war, vom Subjekt auszugehen, und einige tun dies auch, aber dann gert man in

    die absurde Lage, die gesamte moderne Philosophie beiseite lassen zu mssen. Die

    moderne Philosophie wollte ihren Ausgang vom Subjekt nehmen, vom Menschen, aber sie

    wurde aus einer metaphysischen Perspektive heraus entwickelt, in der man das Sein des

    Menschen mit Hilfe der Analogie untersuchte. Und so blieb sie denn zu kurz.

    Die Perspektive des Seinsaktes

    Llull ist klassisch und modern zugleich. Modern, weil er in seiner Konzeption vom

    Subjekt ausgeht. Klassisch, weil er alles von der Perspektive des Seinsaktes aus betrachtet.

    Gehen wir zurck zur Figur des Seienden. Die Materie der Ars lulliana, wenn

    man so sagen darf, ist das gesamte verstehbare Sein. Seine Form die reale Wahrheit.

    Damit impliziert dieArs, da das Sein verstehbar ist und da die menschliche Vernunft es

    begreifen kann. So wie ein gesundes Auge den Gegenstand vor ihm sehen kann, und es

    nicht nicht sehen kann, verdeutlicht Le Mysier, so wird die menschliche Vernunft, wenn

    sie in der rechten Verfassung ist, in einem ebenfalls recht verfaten Krper, mit

    Notwendigkeit die Wahrheit ihres Gegenstandes die propositiones per se notae

    erkennen sofern der Gegenstand in ihr gegenwrtig ist, und wird sie nicht nicht erkennen

    knnen. Die Ars lulliana trachtet also danach, wahre Aussagen zu erzeugen. Le Mysier

    stellt berdies heraus, da die Wahrheit der Aussagen von der Wahrheit des extramentalen7

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    Gegenstandes abhngt und da es letztlich diese ist - die Wahrheit des Seins -, welche die

    Ars interessiert.

    Die Erkenntnistheorie, die der Ars zugrunde liegt, ist somit realistischer Natur. Sie

    lt sich in diesen wenigen Worten zusammenfassen: Was sich zunchst in dermenschlichen Vernunft befindet, ist nicht der Gegenstand, sondern ein Abbild oder die

    intelligible Spezies. Darauf wird die Vernunft durch einen weiteren Akt - den Akt des

    Verstehens oder Erkennens im engeren Sinne - mit dem Begriff die res obiectata

    ausdrcken8 bzw. manifestieren. Der Begriff, ausgesprochen als sinnerflltes Wort weist

    auf den Gegenstand zurck. Der Begriff ist ein zweites Zeichen, nmlich ein Zeichen fr

    das erste Zeichen, welches die intelligible Spezies ist. Dieser Proze setzt voraus, da das

    Denken, sofern die intelligible Spezies unmittelbar von der Sache - der res obiectata -

    stammt, diese Sache erreichen kann. 9

    Zwei Dinge sind es, die bei der Betrachtung der Figur des Seienden ins Auge

    springen. An erster Stelle die Tatsache, da sie ganz auf dem Sein aufbaut. Konkreter auf

    dem Seinsakt. Die Geschpfe gehen aus Gott gem einem hnlichkeitsverhltnis vom

    Greren zum Kleineren hervor. Von den erhabensten, reinen und leuchtenden Geschpfen

    bis zu den weniger erhabenen, reinen und leuchtenden, wie den Krpern. Llull baut kein

    Universum aus Wesenheiten auf. Wie jeder echte Philosoph verlangt er danach, daskonkrete und empirische Seiende zu erkennen. Er betrachtet daher das esse mundi, in das

    er auch die mglichen Seienden einbettet. 10 ber dieses Universum realer Wahrheiten, die

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    Gegenstandes abhngt und da es letztlich diese ist - die Wahrheit des Seins -, welche die

    Ars interessiert.

    Die Erkenntnistheorie, die der Ars zugrunde liegt, ist somit realistischer Natur. Sie

    lt sich in diesen wenigen Worten zusammenfassen: Was sich zunchst in dermenschlichen Vernunft befindet, ist nicht der Gegenstand, sondern ein Abbild oder die

    intelligible Spezies. Darauf wird die Vernunft durch einen weiteren Akt - den Akt des

    Verstehens oder Erkennens im engeren Sinne - mit dem Begriff die res obiectata

    ausdrcken8 bzw. manifestieren. Der Begriff, ausgesprochen als sinnerflltes Wort weist

    auf den Gegenstand zurck. Der Begriff ist ein zweites Zeichen, nmlich ein Zeichen fr

    das erste Zeichen, welches die intelligible Spezies ist. Dieser Proze setzt voraus, da das

    Denken, sofern die intelligible Spezies unmittelbar von der Sache - der res obiectata -

    stammt, diese Sache erreichen kann. 9

    Zwei Dinge sind es, die bei der Betrachtung der Figur des Seienden ins Auge

    springen. An erster Stelle die Tatsache, da sie ganz auf dem Sein aufbaut. Konkreter auf

    dem Seinsakt. Die Geschpfe gehen aus Gott gem einem hnlichkeitsverhltnis vom

    Greren zum Kleineren hervor. Von den erhabensten, reinen und leuchtenden Geschpfen

    bis zu den weniger erhabenen, reinen und leuchtenden, wie den Krpern. Llull baut kein

    Universum aus Wesenheiten auf. Wie jeder echte Philosoph verlangt er danach, daskonkrete und empirische Seiende zu erkennen. Er betrachtet daher das esse mundi, in das

    er auch die mglichen Seienden einbettet. 10 ber dieses Universum realer Wahrheiten, die

    von Gott bis zu den geringsten Krpern reichen, ergiet sich die Wibegierde des

    menschlichen Geistes. Was wundert es, da der Mensch, ein vernunftbegabtes Geschpf,

    diese Dinge inbrnstig zu verstehen begehrt? 11

    An zweiter Stelle betont Llull, da das Erkennen ein Akt ist. Wann immer wir

    erkennen, erkennen wir durch einen Akt, aber nicht immer erkennen wir durch

    Vernunftoperationen. 12 Die Operation ist zwar auch ein Akt, aber der Mensch vollzieht

    auch solche Erkenntnisakte, die keine Operationen sind. Was erkennen wir durch geistige

    Operationen? Gegenstnde. Das durch einen Akt in der geistigen Operation Verstandene

    ist das Intentionale. Es ist das begriffliche Erkennen.

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    Das Erkennen, das ein Akt, aber keine Operation ist, d.h., das Erkennen, das die

    Operation bersteigt, bersteigt den Gegenstand. Verfgen wir ber solche Erkenntnisse?

    Ja. Wie verwirklichen wir sie? Zunchst mit den erworbenen Fhigkeiten, den Habitus.

    Diese sind auch Akte, aber hherer Natur als die Operationen. Sie konstituieren eine Art

    habitueller Seinsweise.

    Was erkennen wir mit den Habitus? Unser eigenes individuelles Sein und das Sein

    der anderen Dinge, welche wir durch die Operationen erkennen. Das Selbstbewutsein

    unserer eigenen Existenz und die Existenz des Extramentalen sind also habituelle

    Erkenntnisse.

    Unter die Erkenntnisse, die zwar Akte, aber keine Operationen sind, mu auch jene

    Erkenntnis eingereiht werden, die dem Seinsakt selbst innewohnt: Gott, ipsum esse

    subsistens, ist bestehendes Erkennen. Und auch dem Seinsakt des Menschen, esse hominis,

    wohnt eine gewisse Erkenntnis inne, obwohl der Mensch den Seinsakt nicht von sich selbst

    her hat, wie etwa Gott.

    Verglichen mit der Erkenntnis, die durch eine Operation verwirklicht wird, sind die

    nicht operativen Erkenntnisse einem hheren Niveau zuzurechnen. Die aus derArs lulliana

    gewonnene Erkenntnis ist eine Erkenntnis, die auf allgemeinsten Prinzipien beruht, womit

    sie auf einem habituellem Niveau anzusiedeln ist. LlullsArs will ihren Benutzer zu einem

    berlegenen Habitus der Wissenschaft fhren.

    In den letzten Fragen des Arbor scientiae zu De fructibus arboris quaestionalis,

    genauer in De quaestionibus habitus huius scientiae, lt Llull keinen Zweifel hieran.

    Zunchst zum Habitus der Erkenntnis, den man aus den Prinzipien erhlt: Quaestio:

    Monachus a Raimundo quaesiuit, utrum haec Arbor scientiae sit generalis. Solutio: Dixit

    Raimundus, quod haec Arbor scientiae generalis est, quia est de generalibus principiis,secundum quod in suis radicibus apparet, et est generalis, quia est de sexdecim arboribus,

    quae generales sunt ad omnem habitum scientiae.

    Das gesamte Thema desArborist nur darauf gerichtet, den Habitus der Wissenschaft

    zu erwerben: Quaestio: Subiectum huius Arboris scientiae, quod est? Solutio: Subiectum

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    huius arboris est illud, per quod humanus intellectus acquirit uniuersalem habitum

    sciendi.

    Die Methode schlielich, um den Habitus zu bewahren, ist die folgende: Quaestio:

    Habitus huius scientiae, cum quo conseruari potest? Solutio: Imaginando frequenter et

    recolendo arbores speciales huius arboris generalis conseruari potest generalis habitus

    scientiae, quam homo habere potest per ipsum. 13

    Die allgemeinen Prinzipien

    Nach Llull ist alles, was geschaffen ist, ausgehend von universalen Prinzipien

    gebildet - Gutheit, Gre, Dauer, Macht, Weisheit, Wille, Tugend, Wahrheit und

    Herrlichkeit - , die in Gott auf eine gttliche Seinsart treffen und seinen reinen Seinsakt

    konstituieren. In jedem Fall ist es angebracht, Unterscheidungen vorzunehmen, nicht nur

    zwischen den Prinzipien, sondern auch zwischen ihnen und ihren intrinsischen und

    natrlichen Akten.

    Indem Llull den Unterschied zwischen dem Prinzip und seinem Akt behauptet, hebt

    er sich schon zu Beginn eindeutig von jenen Philosophien14 ab, die mit der Identifizierung

    von Sein und Akt dem Dynamischen einen Primat ber das Seinsmige einrumen, so da

    sich das Sein gleichsam durch sein eigenes Ttigsein selbst verwirklichen wrde. Einige

    dieser Positionen gehen soweit, das Absolute als Resultat des Werdens zu verstehen.

    Fern von dieser Haltung befindet sich das llullsche Denken. Bei der Definition der

    Prinzipien beginnt Llull mit der Feststellung, da das an sich Wertvolle die Vollendung

    jedes Prinzips sei. Dabei ist es gerade die Ergiebigkeit dieser aktuellen Vervollkommnung,

    die die Dynamik ihrer Verbindungen erklrt. Llull unterscheidet somit zwischen dem

    Prinzip und seinen Akten und lt diese in jenen grnden.

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    Die Korrelativa des Aktes

    Llull offenbart uns seine Ansicht ber die intrinsische Natur des Aktes, indem er die

    sogenannten Korrelativa des Aktes, d.h. seine dreifache15 interne Konstitution, beschreibt.

    Demzufolge kann es keinen Akt der Gutheit ohne das Gutes-Stiftende, das Gutes-Empfangende und das Gutes-Stiften geben.

    Im Einklang hiermit hat alles Seiende am Sein durch die intrinsischen und

    natrlichen Akte dieser Prinzipien teil, die in Gott die Grundwrden genannt werden und

    durch deren Ttigsein alles, was ist, sich entweder im primren oder sekundren Akt

    befindet. 16

    ber diese allgemeinen Prinzipien hinaus fhrt Llull noch andere ebenfalls hchstallgemeine und notwendige Prinzipien ein, die alles Seiende ausnahmslos in sich begreifen

    und ohne welche nichts aktuell sein knnte. So kommt es, da der Mallorquiner neben dem

    zuvor erwhnten Unterschied, der zwischen den Prinzipien und ihren Ttigkeiten

    besteht, auch auf ihre bereinstimmung in ihrem wechselseitigen Einflu und ihren

    gegenseitigen Akten hinweist. Ebenso verweist er auf die Gegenstzlichkeit, die eintritt,

    sobald die bereinstimmung zerstrt ist, sowie auf den Anfang, der allem vorausgehen

    mu, was nicht ewig ist, die Mitte, durch die der Anfang sein Ende und seine

    Vollkommenheit erreicht, weshalb auch das Ende ein notwendiges Prinzip sein mu. Llull

    klassifiziert den Anfang, der auf ein noch nicht erreichtes Ende zielt, als einen geringeren

    Anfang. Deshalb auch bestehen in den Dingen die Prinzipien des Grerseins und der

    Gleichheit, ohne welche es weder Ordnung, Frieden oder Ruhe noch etwas vom

    Geringeren zum Greren bewegtes geben knnte, sondern nur Verwirrung und Trennung

    und folglich Abwesenheit von Erkenntnis und Operation. 17

    Das System der Ars umfat damit eine Konstellation aktuell Seiender, die allesamtaus den eben genannten Prinzipien hervorgehen, seien sie nun substanzielle, akzidenzielle

    oder Vernunftentitten, instrumentelle, knstliche oder mgliche Entitten mit ihren

    jeweiligen immanenten und transzendenten Operationen.

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    Dieser kognitivistische Realismus ist stets gegenwrtig in der Funktionsweise des

    Mechanismus der Ars: Bedeuten setzt Verstehen voraus, und das Verstehen setzt immer

    schon das Sein voraus. Mit anderen Worten, das Erkennen hngt vom Gegenstand ab, und

    das Bedeuten von der Erkenntnis und vom Erkennen. Es ist unbedingt ntig, da die

    Begriffe des Geistes mit Worten ausgesprochen werden, die die innerste Realitt des

    Objektes zum Ausdruck bringen, wobei zugleich gewut werden mu, was wir mit den

    Worten sagen.

    Anschlieend werden neun Gruppen oder Bereiche definiert, auf die jede

    menschliche Wissenslust gerichtet werden kann: Gott, Engel, Himmel, Mensch, die Welt

    der Vorstellung, die sensitive Welt, die vegetative Welt, die Welt der Elemente und des

    Knstlichen. Diese Bereiche umfassen alle Mglichkeiten des menschlichen Fehlens und

    Handelns. 18

    Schlielich sei noch darauf aufmerksam gemacht, da sich in Bezug auf die in diesen

    Bereichen enthaltenen Seienden auf neun Arten Fragen stellen lassen: ob es ist, was es ist,

    woraus es ist, warum es ist, wieviel es ist, wie es beschaffen ist, wo es ist, wann es ist, auf

    welche Weise und womit es ist. Mit Hilfe dieser Fragen und unter Bercksichtigung der

    Definitionen, Regeln und Bedingungen, wie sie in der Ars niedergelegt sind, bietet Llull

    dem menschlichen Denken ein zuverlssiges System zu seiner Untersttzung.

    Zwei Bemerkungen

    Nach dieser kurzen Darlegung der Ars sind zwei kleine Bemerkungen am Platz,

    bevor wir mit der Beschreibung ihrer Funktionsweise fortfahren.

    Zunchst mu gesagt werden, da die Ars lulliana keine Logik ist, vielmehr ist siedie Zusammenfassung aller Logiken. Indem nmlich Llull alles Seiende vom Blickwinkel

    des Seinsaktes aus betrachtet, gelingt es ihm, zur Einheit zu gelangen. Allein diese

    Perspektive ermglicht eine transzendentale Einheit. Man beachte, da nicht blo die

    krperlichen und metaphysischen Formen Akte sind, auch die Begriffe und Worte sind es.

    Nun ist jeder Akt als solcher erkennbar und somit logisch. So wird es also neben der Logik

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    der Begriffe eine Logik der Worte sowie eine Logik fr jedes krperlich oder

    metaphysisch Seiende geben. Die eine ist die Logik Gottes, die andere die der Menschen,

    wieder eine andere die der Tiere usw. Dies hngt mit der Tatsache zusammen, da es

    verschiedene Stufen der Aktualitt im Universum des Seienden gibt. Aristoteles, der der

    Substanz eine grere Aktualitt als den Akzidenzien zubilligte, war sich dessen bewut,

    weshalb er die Einheit der Kategorien19 in einen Akt auerhalb ihrer selbst legte, nmlich

    in den Akt des Urteilens. Im Urteil denken wir Subjekt und Prdikat in einem. 20 Im

    Aristotelismus ist es also letztlich das Sein des Denkens, das die Einheit stiftet.

    Llull hingegen gelangt zur Einheit alles Seienden, indem er es unter die Perspektive

    des Seinsaktes stellt, zumal der eigentliche Sinn des Seins dem Akt entspricht. Aristoteles

    wute nur allzu gut, da das Sein des Urteils sich auf einen anderen Sinn von Sein bezieht,

    einen Sinn, der nicht erkennen lt, da irgendeine Art von Seiendem sich auerhalb des

    Denkens befinden kann21. Deshalb erlaubt es das Sein des Urteils nicht, die Ursachen

    und Prinzipien des Seienden als Seiendes zu betrachten22. Eben dieses Hindernis

    berwindet Llull, indem er eine Logik des Aktes konstruiert, die das Seiende ausgehend

    von seinen Prinzipien betrachtet. 23

    Mit der Situierung der Erkenntnis unter die Perspektive des Aktes und nicht etwa der

    Operation bahnt sich Llull seinen Weg in Richtung auf eine umfassende Koordinierungund Integration des Wissens, ein einheitsstiftendes Denken der Vielheit, das ihn seit jeher

    charakterisiert hat.

    Alle Wissensbereiche finden Platz in der Ars lulliana: Gott, das Leben, die Kunst,

    der Mensch, die Technik, die Wissenschaft - einfach alles. 24

    In ihrem Bemhen, vom Sein aus die Vereinigung zu vollziehen, mu sich die Ars

    auf die intentiones primae sttzen bzw. auf geistige Zeichen der ueren Realitt und wirdsLogik und Metaphysik gleichermaen sein. Llull besttigt dies in der Introductoria Artis

    demonstrativae25 folgendermaen: Die Metaphysik betrachtet die Dinge in ihrem Sein

    auerhalb der Seele. Die Logik hingegen betrachtet diese Dinge hinsichtlich ihres Seins in

    der Seele, denn sie handelt von bestimmten Intentionen, die wir von den intelligiblen

    Dingen erhalten, etwa von der Art, der Gattung u.., und auch von jenen anderen, die in

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    Vernunftakten, wie etwa dem Syllogismus, der Folgerung u.., bestehen. Diese Ars

    hingegen betrachtet als die hchste der menschlichen Wissenschaften das Sein ohne

    Unterschied auf beide Weisen. 26 Die Ars ist somit eine Logik der Logiken, eine erste

    Logik der Akte, ein Logos, der das ganze Sein umschliet, da das Sein, eben weil es Akt

    ist, erkennbar ist. 27

    Darber hinaus mu darauf hingewiesen werden, da der Mechanismus der Ars

    inventiv und beweisend zugleich ist. So lautete denn auch der erste Titel der Ars: Ars

    compendiosa inveniendi veritatem (ca. 1274), wobei eine Logik zu jener Zeit als inventiv

    galt, wenn sie auf der Topikdes Aristoteles grndete, d.h. auf einer Probabilittslogik mit

    wahrscheinlichen und nicht etwa beweisenden Argumenten. 28 Der Logos, von dem wir

    zuvor sprachen, ist folglich die Vereinigung einer Dialektik. Die Methode der Ars ist in

    Wirklichkeit dialektisch, denn sie lehrt, Fragen zu entwickeln, und diese dann durch die

    Entdeckung verschiedener zusammengesetzter Behauptungen - den consequentiae

    materiales bonae simpliciter-, unter denen der Benutzer derArs gem den Schluregeln

    der Aussagenlogik eine auswhlen mu, zu lsen. Gleichwohl grndet die Ars, wie bereits

    erwhnt, auf den ersten Intentionen - den intentiones primae -, und gerade hierin besteht

    einer der signifikantesten Unterschiede zwischen ihr und der Topik.

    Die Ars ermglicht eine Analyse des Seienden ausgehend von ihren Prinzipien. DieMaterie ihrer Argumente bilden dabei die Grundwrden Gottes bzw. die verschiedenen

    Stufen ihrer Kombination in den Geschpfen, so da die Ars alle Inhalte des Denkens

    umfat, sogar die Glaubensfragen. 29 Die Form, mit der diese Materie bearbeitet wird,

    liefert die zweite Gruppe der Prinzipien - Unterschied, bereinstimmung,

    Gegenstzlichkeit, Anfang, Mitte, Ziel und Gleichheit, Grersein, Geringersein -, welche

    als Bedingungen der Wahrheit fungieren. Die Methode ist damit dialektisch. Weil darber

    hinaus die gesamte Ars im Seinsakt des Realen konvergiert, endet sie nicht, wie die des

    Aristoteles, mit den Beziehungen zwischen den Prdikabilien - Art, Gattung, Akzidenzien

    und Eigenschaften -, sondern reicht bis zu den ersten Intentionen, den intentiones primae.

    Zwei wichtige Konsequenzen leiten sich hiervon ab: Zum einen sind die Aussagen,

    die der Benutzer der Ars gewinnen kann, unendlich. In diesem Sinne sagt der

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    Mallorquiner: So knnen wir also mittels dieser Ars unendlich viele Beziehungen finden

    und im Einklang mit ihnen verschiedene Aussagen bilden. 30

    Zum anderen mu festgestellt werden, da die mit Hilfe der Ars entdeckten

    Beziehungen reale Beziehungen zwischen existierenden Dingen sind und da sie somit denSchlssen reale Wahrheit verleihen, was fr die Topoi des Aristoteles nicht gilt, weil diese

    auf den zweiten Intentionen - den intentiones secundae - basieren und sich somit auf nicht

    notwendige Dinge beziehen, die unter sich keine reale Beziehung haben mssen. Da die

    llullsche Topik von ersten Intentionen handelt, besitzt sie einen hheren epistemologischen

    Rang; ihre Argumente sind notwendig und folglich beweisend.

    Die demonstratio per aequiparantiam

    In seinen ersten Fassungen der Ars untermauerte Llull seine Argumente v.a. mit

    Analogien aus der zeitgenssischen Physik - den Beispielen, semblances oder exemplis -,

    in dem Mae, wie er sich der Beweiskraft seiner Dialektik bewut wurde, gab er diese

    Technik jedoch auf, denn er wute, da die Akte im Bereich der Krperwelt nur Abbilder

    der metaphysischen sind. Die Analogie erzeugt keine Gewiheit. Ganz anders seine Ars,

    denn sie untersucht die Akte auf der Grundlage ihrer Prinzipien. Deshalb behlt Llull die

    klassischen Beweise, die demonstratio propter quidund quia, bei und entwickelt neben

    diesen seine bekannte demonstratio per aequiparantiam. Diese war in seinen Augen die

    beweiskrftigste, denn sie beruhte auf Kongruenzargumenten, welche auf den fr die

    Realitt konstitutiven Prinzipien basieren. Indessen sind die Ausgangsprinzipien der beiden

    aristotelischen Beweise die universalen Begriffe der Ursache im ersten und der Wirkung

    im zweiten Fall.

    Schon Le Mysier behauptete, da es in jedem Beweis ein Beweismittel und das

    Beweisbare geben msse. Beide knnen die gleichen oder aber verschiedene Bedingungen

    der Erkennbarkeit haben, d.h., die gleiche oder eine verschiedene Aktualitt besitzen.

    Verfgen sie ber verschiedene Aktualitt, kann man das Hhere durch das Geringere oder

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    das Geringere durch das Hhere erkennen. Im ersten Fall liegt die demonstratio quia, im

    zweiten diepropter quidvor.

    Wenn das Beweismittel und das zu Beweisende die gleiche Aktualitt besitzen, tritt

    der Fall der demonstratio per aequiparantiam ein. Seit Aristoteles ist es bekannt, daunsere Vernunft erkennt, indem sie formt. Wenn nun die Form dem Akt, der sie erreicht,

    gleich ist, so kann es keinen Fehler geben. Kommt es zu einem berschu an Form wegen

    der Unzulnglichkeit des Aktes, so erscheint die Inkongruenz. 31 Dies ist der Beweis per

    aequiparantiam Llulls, dem ein hherer Stellenwert als den Beweisen des Aristoteles

    zukommt, sofern diese Sonderflle oder Abwege des llullschen Beweises darstellen. 32

    Die Funktionsweise derArs lulliana

    Nachdem die Ars im Jahre 1308 in ihrer endgltigen Version, der Ars generalis et

    ultima, vollendet war, verfate Llull eine Reihe kleinerer Werke, in denen er sich mit der

    Anwendung der Ars beschftigte. Besonders zu erwhnen sind unter ihnen der Liber de

    lumine, der Liber de regionibus sanitatis et infirmitatis, die Ars iure, der Liber de

    intellectu, derLiber de voluntate und derLiber de memoria. In seinerLectura Artis, quae

    intitulata est brevis practica tabulae generalis33 schlielich demonstriert er, wie das von

    ihm entwickelte System derArs sich auf alle Bereiche des Wissens anwenden lt. 34

    Als Beispiel mge die Untersuchung der Vernunft dienen, die Llull im Liber de

    intellectu durchfhrt. Im ersten Abschnitt fhrt er die konzeptuellen Werkzeuge ein,

    welche der Benutzer derArs handhaben mu. Er beginnt mit einer Beschreibung von neun

    Kombinationsgruppen, gebildet aus neun Prinzipien, die die Vernunft als Seiendes

    konstituieren. Daraufhin legt er die Bedingungen dar, die aus dem Vergleich dieser

    Gruppen untereinander hervorgehen. Es erscheinen zunchst die Bedingungen, die der

    Wille und das Erinnerungsvermgen ihr auferlegen, gefolgt von der in ihrer Natur

    verankerten Bedingung, stets zu forschen. Weitere Bedingungen der Vernunft werden

    gegeben durch die ihr innewohnende Notwendigkeit, die Eigenschaften ihrer Gegenstnde

    auf eine Erklrung durch die Prinzipien zurckzufhren, so etwa die Wirk- und

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    Formursache auf den Anfang und das Ziel, die Snde auf die Privation, die Bosheit auf das

    Gegenteil der Gutheit, die Kleinheit auf das Gegenteil der Gre, Gott auf die Ewigkeit,

    das Licht auf die Weisheit usw.

    Die Ars funktioniert nicht von selbst, sondern ist lediglich eine Hilfe fr denBenutzer, der letzten Endes die Fragen formulieren und lsen mu. Es ist somit

    unerllich, die Definitionen der Prinzipien zu lernen. Hat der Benutzer der Ars diese

    gelernt, so verfgt er auerdem noch ber zehn Regeln, welche smtliche mglichen

    Zweifel zusammenfassen, nmlich ob es ist, was es ist, woraus es ist, warum es ist, wieviel

    es ist, wie es beschaffen ist, wo es ist, wann es ist, auf welche Art und Weise und womit es

    ist. Einige dieser Fragen knnen diverse Unterarten besitzen, so kann z.B. die Frage

    Woraus ist die Vernunft? zwei verschiedene Bedeutungen haben. Auf die erste Unterart

    wird man antworten, da sie von nichts anderem herkommt. Die zweite bezieht sich auf die

    Konstituierung durch ihre gleichwesentlichen Prinzipien - die Korrelativa -, worauf man

    antworten wird, da die Vernunft konstituiert wird durch das Erkenntnisvermgen, das

    Erkennbare und das Erkennen.

    Im zweiten Abschnitt kombiniert Llull jeweils vier Prinzipien unter Beachtung ihrer

    Definitionen, wobei jene stets zwei verschiedenen Gruppen angehren. Auf diese Weise

    bildet er die allgemeinen und notwendigen Aussagen, auf welche er dann die Regeln bzw.Fragen anwendet. So bildet er durch die Kombination aus der ersten und vierten Gruppe

    die folgende Aussage: Wenn die Gutheit dasjenige ist, aufgrund dessen das Gute gut

    handelt, und der Wille dasjenige, aufgrund dessen ein solches Handeln wnschenswert ist,

    und Handeln ohne Unterscheiden unmglich ist, und auch der gute Wille ohne ein solches

    Handeln nicht zur Ruhe kme, so folgt daraus, da das Gute das gewnschte Gut erwirkt,

    sofern es nicht verhindert wird. Und die Vernunft ist mit Notwendigkeit dazu gezwungen,

    dies zu verstehen, und etwas anderes als dies kann sie nicht verstehen. 35

    Diese und weitere hnliche Schlsse mssen mit den zehn Charakteristika der

    Vernunft kontrastiert werden: Die Vernunft ist ein diffusives Vermgen, denn sie

    vervielfltigt ihr eigenes Bild, indem sie die Dinge erkennbar macht; sie ist

    zusammensetzend, denn sie setzt Art mit Art zusammen; sie ist verursachend, weil sie die

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    Arten erschafft; sie ist verfgend, weil sie dem Willen zu lieben und der Erinnerung zu

    erinnern gebietet usw. Durch die Verbindung der Schlsse mit den spezifischen

    Eigenschaften der Vernunft und den Prinzipien ist der Benutzer derArs bereits in der Lage,

    die zehn Regeln bzw. Fragen zur Anwendung zu bringen und damit unzhlige in ihm selbst

    vorhandene Aussagen zu generieren. Jene Aussagen, die die Schlsse und die spezifischen

    Eigenschaften beobachten, mssen als wahr angenommen werden, alle anderen sind zu

    eliminieren.

    Die Anwendung der Regeln wird ausfhrlich und sehr detailliert beschrieben, da sie

    alle Flle und Eigenschaften der Vernunft bercksichtigt. So stellt Llull z.B. heraus, da

    man bei der Frage nach der Mglichkeit des Erkenntnisaktes stets die Gre des

    Verstehensaktes im Hinblick auf die grere Verstndlichkeit, die grere Erinnerung und

    die grere Liebe des Willens analysieren mu. Dasselbe sagt er fr die Wahrheit des

    Aktes sowie in Bezug auf die anderen Prinzipien. Darber hinaus lassen sich auch die

    Fragen miteinander kombinieren, so da schlielich eine beachtliche Zahl an mglichen

    Wegen zur Lsung der unterschiedlichsten Fragen fhrt. Einige dieser Fragen sind: In

    welche Verfassung bringt sich die Vernunft, um das Wahre und das Falsche zu erkennen?,

    Warum ist die Vernunft formal?, Sind der Wille und die Erinnerung der Vernunft

    unterworfen?, Warum erreicht die Vernunft Gott?. Von diesen Fragen werden im

    Schluteil desLiber de intellectu an die 275 behandelt und gelst.

    Die Komplexitt der Ars lulliana kann nicht verwundern. In seinem Bemhen, die

    Unterschiede des Seins im Bereich des Realen selbst zu erfassen, bescheidet sich Llull

    nicht damit, die konzeptuellen Unterschiede und Anordnungen des gedachten Seins

    wahrzunehmen, worauf sich die aristotelische Logik letztlich reduziert. Mit anderen

    Worten, obwohl die aristotelische Logik und Llulls Ars in einer hnlichen Psychologie36

    grnden, versucht letzterer, sich immer mehr dem realen Sein mit Hilfe der Prinzipien und

    der Ursachen seines Aktes - den Korrelativa des Aktes - zu nhern. 37

    Immanenz und Transzendenz in LlullsArs

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    An diesem Punkt der Untersuchung der Ars lulliana angelangt, ist es an der Zeit, in

    das verwickelte Problem der Beziehung zwischen Sein und Denken vorzudringen. Sofern

    die Ars eine Universallogik bildet, die auf dem Seinsakt des Seienden basiert, stellt sich

    mit der inneren Bewegung dieses Seinsaktes ein wichtiges Problem. Grndet das Denken

    in Llulls Ars sich auf das Sein oder ist es umgekehrt das Sein, das sein Fundament im

    Denken hat, wie alle Immanentismen es behaupten?

    Um auf diese berlegung zu antworten, scheint es ntzlich, daran zu erinnern, da

    die zentrale These des Immanentismus nicht nur Sein und Denken miteinander identifiziert

    wie schon Parmenides, sondern darber hinaus von einem leeren Denken ausgeht. Der

    Eleate war sich der Unmglichkeit eines Denkens ohne Objekt in vollem Umfang bewut.

    Gleichwohl schlo er aufgrund der Schwierigkeit, die ihm das Zugestndnis einer realen

    Mglichkeit bereitete, da das aktuelle Sein entweder aktuell oder aber gar nicht sei. Als

    Folge dieses Schlusses richtete er seine Aufmerksamkeit nunmehr auf die Ttigkeit des

    Denkens und nahm dem gedachten Objekt zugleich seine Bedeutung, womit er dem

    spteren Immanentismus den Weg bahnte.

    Mit Descartes wird diese Identifizierung von Denken und Sein ihren Kern, der

    eventuell eine Lsung des Problems der Beziehung von Denken und Sein ermglicht htte,

    verlieren, weil der cartesische Immanentismus in einem inhaltsleeren Denken grndet.Damit wurde zum ersten Mal ein Akt des Denkens ohne Gegenstand gedacht, und diese

    Haltung fhrte zunchst mit einiger Notwendigkeit zu der Behauptung, das Sein sei vom

    Denken gesetzt, und schlielich sogar dazu, da nichts einen Wert besitze, was durchaus

    kohrent erscheint, da man doch vom Nichts ausgegangen war.

    Ganz anders ist die llullsche Metaphysik. Fr Llull ist das Denken immer im Sein

    aufgehoben und verfgt stets ber einen Inhalt. Das Denken ist die eigentmliche Ttigkeit

    des vernunftbegabten Wesens. An dieser Stelle sei erneut daran erinnert, da nach Llull

    nichts aktuell wre, wenn nicht durch die Akte der allgemeinen Prinzipien, und eben

    diesen Weg der Prinzipien verfolgt Llulls Untersuchung. Was die Dinge wirklich sind und

    welcher ihr Wert ist, wird durch ihre konstitutiven Prinzipien bestimmt, wie die Ars

    darlegt. Wir erkennen den Wert der Seienden durch einen Akt, in dem Mae wie wir ihre

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    Beziehungen zum Ganzen entdecken, insbesondere mit den personalen Wesen, an erster

    Stelle Gott, in dem die Prinzipien unendlich aktuell sind und mit seinem Wesen selbst

    zusammenfallen. 38 Folglich ist alles aktuell, und das Denken selbst ist ein Akt. Llulls

    Metaphysik ist eine Metaphysik der Akte und der Koaktualitten. Sofern nun auch das

    menschliche Denken fr Llull ein Akt ist, nmlich der Akt eines vernunftbegabten Wesens,

    wird es dem konkreten Seienden stets untersttzend beigeordnet sein.

    In den verschiedenen historischen Immanentismen ist das verum das Fundament des

    ens, whrend in den Realismen das ens das verum und das bonum begrndet. Was sagt

    Llull hierzu? Im Sommer des Jahres 1300 vollendete der katalanische Philosoph in seiner

    mallorquinischen Heimat die Principia philosophiae39, welche die Darlegung aller

    philosophischen Prinzipien, die sich mit der Ars herleiten lassen, zum Ziel hatte. Seine wie

    gewhnlich sehr systematische Untersuchung besteht in einer ausfhrlichen Analyse des

    Seienden. Er beginnt mit einer berlegung zum Seienden als Seiendes und erhlt mit Hilfe

    derArs unzhlige wahre und notwendige Schlsse. In der Folge untersucht er das Seiende

    mittels binrer Oppositionen des Typs Seiendes/Nicht-Seiendes, mglich/unmglich,

    wahr/falsch usw. Der Realismus der Argumente ist offensichtlich. Nicht blo implizit,

    sondern auch explizit. Wenn er z.B. nach der Mglichkeit fragt, da ein Nicht-Seiendes auf

    irgendeine Weise ein real Seiendes sei, antwortet er sogleich mit nein, da kein Nicht-

    Seiendes auerhalb des Denkens Seiendes ist, wobei das Nicht-Seiende, das sich im

    Denken befindet, auch nur ein Abbild des real Seienden ist. Er behauptet damit eindeutig

    die Realitt des extramentalen Seins und versteht das Nicht-Seiende als allein durch das

    Denken konstruiert. 40

    Auf jeden Fall gilt es, den grundlegenden Realismus der Ars richtig zu verstehen. Die

    Ars ist eine Methode der Annherung an die Akte, die das Seiende begrnden und die qua

    Akte erkennbar sind. Unter erkennbar darf dabei nicht blo begrifflich fabar

    verstanden werden. Unser Denken kann die Akte des Seienden erreichen, wiewohl es sie

    nicht besitzt. Das Denken bemchtigt sich lediglich der Formen, durch die der Akt sich

    stets manifestiert. Aber diese gedachten Formen befinden sich im Denken aufgrund seines

    eigenen Erkenntnisaktes: Das Sein des Gedachten, sofern es gedacht wird, ist das Sein des

    Denkens. Das Seiende zu erkennen, reduziert sich jedoch nicht darauf, seine Formen zu

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    erkennen, vielmehr ist es auch ntig, sein Sein zu erkennen, und hierauf richtet sich die

    Ars. Aber es mu darauf beharrt werden, da das Sein nicht begrifflich fabar ist. Die

    Formen umfassen das Seiende, aber sie umfassen nicht das Sein. Trotzdem erhlt das

    Seiende seine Identitt nicht von den Formen, sondern vom Sein. Llull wei dies und wei

    zugleich, da der Mechanismus der Ars sich dieser Identitt nur nhern kann, freilich ohne

    sie jemals in ihrem ganzen Reichtum einzuholen, denn das Sein des konkret Seienden ist

    Aktivitt. Gleichwohl kennen wir das Sein des konkret Seienden durch eine hhere

    Erkenntnisform als die der Erkenntnis von Gegenstnden.

    Man mu also sagen, da die gedachten Formen, indem sie den aktiven Charakter

    des Seins verbergen, dem Denken Begrenzungen auferlegen. Vor diesem Hintergrund

    erscheint die Ars als Hilfsmittel des Denkens, um sich der realen Wahrheit des konkret

    Seienden ber seine Akte zu nhern.

    Llulls Ars stellt mithin ein sehr effizientes Werkzeug dar, mit dessen Hilfe man in

    den Akt des konkret Seienden vordringen kann. Wie soeben gezeigt, setzt der

    Mechanismus der Ars den Realismus voraus und geht stets vom Realen aus.

    Nichtsdestotrotz haben einige Autoren41 in Llulls Figur des Seienden und in derArs ein

    dem Idealismus nahestehendes System erblicken wollen, womit sie aus einer Perspektive

    heraus, die Llulls Absichten rein uerlich bleibt, sein Denken stark verzerren. Falschscheint auch eine Interpretation, die die allgemeinen Prinzipien zu a priori bestehenden

    Konzepten des Denkens macht, mit denen wir nach Art der kantischen transzendentalen

    Analytik die Gegenstnde denken. Es kann nur wiederholt werden, da Llull stets vom

    Realen ausgeht. Und wenn er vom Realen ausgeht, so wird er notwendig auch bei einem

    solchen ankommen. Die llullsche Metaphysik ist mithin kein Ontologismus, der die Dinge

    in Gott schaut, im Gegenteil, sie gelangt ber die Dinge zu Gott.

    Noch einmalArbor scientiae

    Vielleicht dient es der Sttzung der aufgestellten Behauptung am meisten, Llulls

    Beweis der Existenz eines einzigen Gottes im Arbor scientiae vorzustellen. Seine

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    Argumente veranschaulichen die Funktionsweise der fr den Akt konstitutiven

    allgemeinen Prinzipien, auf die sich Llull immer wieder bezieht.

    Zunchst der Ausgangspunkt vom Realen: Es existiert die reale und endliche

    Gutheit. Folglich mu es eine Gutheit geben, die durch sich selbst ist. Und diese Gutheit

    wird den hchsten Rang besitzen, da keine andere Gutheit derselben Gattung ber ihr

    existiert und weil sie in allen anderen Gutheiten ttig ist, die nicht durch sich selbst sind.

    Auf diese Weise gelangt Llull in einem einzigen Schritt von der unvollkommenen Gutheit,

    jener, die nicht durch sich selbst sein kann, zur Realitt einer vollendeten Gutheit, die

    durch sich selbst existiert.

    Es ist offensichtlich, da Llull die Existenz Gottes nicht aus dessen Essenz herleitet,

    so als sei jene nur eine weitere, notwendige und seinem Wesen angemessene

    Vervollkommnung, wie man es bei den Ontologisten und den rationalen Immanentisten

    fmdet. Llull macht sich hier vielmehr ein Verfahren Avicennas42 zu eigen, das von der

    begrenzten Vollkommenheit direkt zu ihrer Ursache fhrt und auf folgendem Prinzip

    beruht: Jede wesenhafte Vollkommenheit oder Eigenschaft, die nur in geringem Mae oder

    in defizienter Ausprgung vorliegt, d.h. nicht in ihrem vollen Umfang verwirklicht ist, wird

    notwendigerweise ab extrinseco von etwas verursacht, das diese Vollkommenheit selbst

    ist.43

    Deshalb also heit es, eine Gutheit, die durch sich selbst ist.

    Llull beweist daraufhin die Unmglichkeit der Nichtexistenz dieser obersten Gutheit:

    Gebe es eine solche Gutheit von hchstem Rang nicht, so wre immer noch ihr Gegenteil;

    und ohne sie sind alle Gutheiten unvollkommen. Weil dies aber unmglich ist, ist die

    hchste Gutheit wirklich. Und schlielich erklrt er: Der Grund hierfr liegt im besten

    Seienden, das das Beste hervorbringt. Ohne dieses wre die Gutheit nicht die grte, noch

    wrde sie den hchsten Rang beibehalten. 44 Es ist somit das beste Sein, das Sein durch

    sich selbst, das es uns erlaubt, den Sprung von der unvollkommenen zur vollkommenen

    Gutheit zu wagen.

    In diesem Argument offenbart sich auch die These von der Gutheit des Seins, die

    Llulls gesamtes Werk durchzieht. Man betrachte die folgenden Worte des Mallorquiners:

    Wenn Gott existiert, so ist sein Sein gut, gro und ewig. Wenn Gott die Wahrheit ist, so

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    sind seine Gutheit, Gre und Ewigkeit um so grer an Wirklichkeit... Es ist daher

    angebracht, da Gottes Gutheit gro sei, und zwar so gro, da sie nicht grer sein kann,

    denn knnte sie grer sein, so wre sie ihrer Potenz nach gro, aber in ihrem Akt

    gering. 45 Man beachte, da das Argument auf dem Einklang zwischen den Prinzipien

    aufbaut. Auf hnliche Weise wird Llull unter Zuhilfenahme der Gutheit Gottes dessen

    Einheit und Insichruhen in seiner einfachen Vollendung beweisen: 46

    Nachdem er gezeigt hat, da Gottes Gutheit so gro sei, da sie nicht grer sein

    kann, denn knnte sie grer sein, so wre sie ihrer Potenz nach gro, aber in ihrem Akt

    gering, fhrt er damit fort, da dieses Geringsein der Gre, der Gutheit und den

    anderen Formen entgegengesetzt wre und diese Gegenstzlichkeit unmglich ist. Die

    Gutheit Gottes ist folglich so gro, da sie nicht grer sein kann; die grte Gutheit

    jedoch, die es geben kann, besteht darin, da es nur einen einzigen Gott gibt, so da

    keinem anderen Gott eine weitere Gutheit zukommt und die Gutheit somit unendlich in

    ihrer Gre ist, wobei diese Unendlichkeit darin besteht, eine einzige und nicht viele zu

    sein.

    Gbe es viele Gtter, so wrde keiner von ihnen ausreichen, um Ziel seiner Formen

    zu sein. Die vollkommene und vollendete Gutheit eines Gottes wrde nicht in seiner Gre

    zur Ruhe kommen, denn es gbe eine andere Gre, die des anderen Gottes. Dasselbewrde mit der Gre geschehen, die ihrerseits nicht in der Gutheit ruhen wrde, denn es

    gbe eine weitere gttliche Gutheit; auf diese Weise htte keiner der Gtter sein Ziel in

    sich selbst und auch nicht in einem anderen, denn lge dieser in einem anderen, so wre er

    nicht Gott. Die Formen eines jeden dieser Gtter wren ziellos, eine Leere, die unmglich

    ist. Es existiert also nur ein einziger Gott, in welchem alle Formen zur Ruhe kommen, die

    sich in ihm als dem eigentlichen und makellosen Unendlichen in unendlicher Weise

    befinden. 47

    Man beachte, da Llull verschiedene Formen in Gott unterscheidet, obwohl er

    allenthalben behauptet, Gott sei reiner Seinsakt. Der Grund hierfr liegt darin, da der Akt,

    wie bereits zuvor erwhnt, 48 Unterschiede beinhaltet, und eben diese will die Ars deutlich

    machen.

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    Dieses lange Zitat belegt nicht nur Llulls Realismus, sondern macht zugleich

    deutlich, da Llulls Metaphysik keine Ontotheologie ist, da sie weder Gott noch den

    Glauben in der Wirklichkeit des Menschen aufgehen lt, wie alle Immanentismen. Weit

    entfernt davon, Gott in einen Begriff zu sperren, etwa den a priori vom menschlichen

    Denken konstituierten Begriff eines hchsten Seienden, ist Llulls Gott das transzendente

    Sein. Die Ontotheologie berwindet das Seiende nicht, 49 Llull hingegen macht nicht nur

    den Seinsakt zur Grundlage des Seienden, sondern dringt auch bis zu dessen Wurzeln vor,

    indem er den reinen Seinsakt erreicht.

    Nicht die geringste Spur von Immanenz bei Llull. Man sollte dabei auch

    bercksichtigen, da der Terminus Immanenz vom Modernismus ausgehend von dem

    sogenannten Prinzip der Immanenz eingefhrt wurde, das sich auf die Inexistenz rein

    externer Daten im menschlichen Denken bezieht. In diesem jngsten Sinn des Wortes stellt

    Immanenz einen abstrakten Begriff dar, der das bereits im Mittelalter gebrauchte

    Adjektiv immanent ersetzt, das zur Charakterisierung von Bewegungsablufen und sogar

    des Lebens selbst verwandt wurde. Ebenfalls jngeren Datums ist der Gegenbegriff

    Transzendenz, der alles bezeichnet, was sich auerhalb der Immanenz befindet. 50 Wenn

    man sein Augenmerk, wie Llull, auf die realen Aktivitten richtet und danach trachtet, die

    transzendente Wirklichkeit zu erreichen, mu man das Transzendente dem Immanenten

    nicht entgegensetzen. In Wahrheit vermag nur das Immanente zu transzendieren. Und

    wenn dies fr alle immanenten Akte gilt, so gilt es a fortiori fr das Denken, die

    immanenteste Fhigkeit des Menschen. Wenn der Mensch als ganzer, d.h. als denkender,

    wollender und erinnernder, mit Hilfe der Ars das Transzendente erreicht, mu er in

    keinster Weise aus sich herausgehen, denn die transzendente Wahrheit liegt in ihm selbst.

    In der Ars lulliana trifft man folglich nicht auf die Immanenz, sondern auf das

    Transzendente. Das Transzendente wird begriffen, weil der hchste Seinsakt qua Akt vom

    menschlichen Denken erreicht, wenn auch nicht besessen werden kann. Versteht man nun

    unter immanent all jene Akte, deren Wirkung oder Ziel dem handelnden Subjekt

    innewohnt, so zeigt die Ars, da die Akte und Operationen des Menschen um so

    immanenter sind, je mehr er sich auf das Sein und die Ursache des Seins grndet, sofern

    dieses die Grundlage des Denkens bildet. D.h., seine Akte der Erkenntnis und Liebe nhern

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    sich immer weiter ihrem Ziel. Dies aber hiee, von der authentischen Immanenz zu

    sprechen, jener, in der das Ich, nachdem es sich in Gott gesetzt hat - dies ist das bei Llull

    allgegenwrtige Sein in Gott -, ein immer greres Verantwortungsbewutsein fr seine

    Entscheidungen gewinnt und so zum Anfang, zur Mitte und zum Ziel seiner Akte wird. 51

    Das llullsche Denken bringt sich mit seiner Sorge um den Seinsakt in die Lage des

    Transzendierens. In seiner Ars vereint Llull das Seiende unter der Perspektive des Aktes

    und gelangt so zum Transzendenten, zu Gott, dem reinen Seinsakt. Deswegen vereint sie

    auch alles Wissen. Ein Beispiel dieser Vereinigung ist derArbor scientiae.

    Notas:

    * Zeitschrift fr Katalanistik, vol.11 (1998), Johann Wolfgang Goethe-Universitt Frankfurt amMain.

    ** Instituto Brasileiro de Filosofia e Cincia Raimundo Llio (bersetzt von Alexander Fidora).

    1 Neun Jahre nach dem Tode Llulls, also 1325, verfate Thomas Le Mysier, Kanonikus von Arras, dasElectorium, die erste uns bekannte Synthese des Llullschen Denkens. Le Mysier vermachte das

    Electorium der Sorbonne in Paris.

    2 Antonio Oliver macht in seiner Rezension des umstrittenen Buches von J. Siz de Barber , RaimundoLulio, genio de la filosofia y mstica espaola, deutlich, wieviel Llulls Philosophie Aristoteles verdankt,indem er auf einige Fragestellungen Llulls hinweist, in denen der Einflu der aristotelischen Philosophiebedeutend ist: der Wert und die Bedeutung der Elemente, die Stellung des Menschen im Universum, dieTheologie der Grundwrden, die Politik, die Form sowie hufig auch die dichterische Inspiration, dasVertrauen in die Kraft der Vernunft und vor allem die solide apologetische Methode, die darin besteht, voneiner allen Gesprchspartnern gemeinsamen Basis auszugehen. Vgl. Estudios Lulianos, IX (1965), S. 255-276.

    3 Vgl.Arbre de Cincia, Del Prleg, Obres Essencials, Editorial Selecta, 1957, Bd. I, S. 555.

    4 Die Bibliographie zur Ars ist bereits sehr umfangreich. Hilfreich sind u.a. die folgenden Artikel: RobertPring-Mill, The lullian Art of Findig Truth: A Medieval System of Enquiry, in: Catalan Review, IV(1990), S. 55-74; Armand Llinars, Sens et porte de lArs generalis ultima de Lulle, in: Studia Historicaet Philologica in Honorem M. Batllori, Rom, 1984, S. 851-866.

    5 Vgl. Breviculum, Pars dispositiva, S. 53-54. Le Mysiers Electorium wurde in vier verschiedenenVersionen verfat - magnum, medium, parvum und minimum -, von denen die zweite und vierteverlorengingen. Die erste, allgemein als Electorium bezeichnet, ist ein umfangreiches Werk von 500Folien. Die Version minimum, auch Breviculum genannt, wurde von Le Mysier der Knigin von

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    Frankreich und Navarra, Johanna von Burgund-Artois, der Gemahlin Philipps V., geschenkt. Die kritischeEdition des Breviculum erschien 1990 in der Reihe Corpus Christianorum Continuatio Mediaevalis, Bd.77, als Supplement Nr. 1 derROL. Ich zitiere nach demBreviculum.

    6 In dem Anspruch, die gesamte Philosophie vom Subjekt her aufzubauen, liegt etwas interessantes, nmlichder Verdacht, da das Sein des Menschen von einem anderen Rang ist als das des Universums. Dem Sein

    des Menschen kommt eine hhere Wrde zu. Dies ist bereits ein Fortschritt. Das Sein des Universums ist jenes Sein, das die Metaphysik untersucht. Aber die Metaphysik untersucht das Sein als Prinzip, alsFundament fr alles andere. Das Sein des Menschen entgleitet dieser auf das Fundament ausgerichtetenPerspektive, da es zugleich Freiheit ist. Von der Metaphysik aus stellt sich die Freiheit als ein Thema derKategorien dar, nmlich als eine Eigenschaft der willentlichen Akte des Menschen. Aber das ist zu wenig.Man mu die Freiheit aus der Perspektive des Seins betrachten, nicht blo von der Vernunftoperation aus.Aus der Perspektive des Seins heraus nimmt die Freiheit einen transzendentalen Wert an und erlaubt es uns,eine transzendentale Anthropologie zu entwickeln. In einer unter dem Blickwinkel der Prdikamentestehenden Betrachtung des Menschen ist die Anthropologie keine transzendentale, sondern eine sekundrePhilosophie. Diese Einsichten verdanke ich Leonardo Polo, der mir geholfen hat, Llull besser zu verstehen.Vgl. Leonardo Polo, Presente y futuro del hombre, Rialp, 1993,passim. Llull rumt dem Willen und derFreiheit einen besonderen Status ein, da er sie als allgemeine Prinzipien bzw. Grundwrden betrachtet.

    7 Vgl. Breviculum, Pars dispositiva, S. 56, Z. 257-260.

    8 Zur Lehre der Erkenntnis als eines expressiven und sprachlichen Aktes vgl. die sehr bedeutendeUntersuchung von Francesc Canals Vidal, Sobre la esencia del conocimiento, Promociones PublicacionesUniversitarias, Barcelona, 1987.

    9 Vgl. Breviculum, Pars dispositiva, S. 56, Z. 274-275.

    10 Vgl. id., id., S. 57, Z. 417-428 und S. 60, Z. 626. Mithin unterscheidet sich Llull von Parmenides, fr dendas mgliche Sein nicht wirklich ist. Llull ist auch in diesem Punkt Aristoteliker.

    11 Vgl. id., id., S. 60, Z. 614-616.

    12 Vgl. L. Polo, op. cit., S. 149-150.

    13 Diese drei Zitate aus dem Arbor scientiae wurden dem noch unverffentlichten kritischen lateinischenText entnommen, den Pere Villalba fr dieROL vorbereitet.

    14 Hierunter sollen smtliche Philosophien der Aktion sowie der deutsche Idealismus und der Personalismusvon Mounier verstanden werden.

    15 Le Mysier stellt fest, da schon Aristoteles behauptete, alle Dinge seien dreifach und teilten sich in dreiDimensionen (vgl. De Caelo et Mundo, I, i, 268a 7-15), und da die Pythagoreer postulierten, allem liegeeine dreifache Zusammensetzung zugrunde, nmlich Anfang, Mitte und Ende. Vgl. Breviculum, Parsdispositiva, S. 60, Z. 654-665.

    16 Vgl. id., id., S. 65, Z. 1070-1074.

    17 Vgl. id., id., S. 66, Z. 1086-1137.

    18 Vgl. id., id., S. 66-67, Z. 1153-1161.

    19 Aristoteles Kategorien, die das Seiende in Gruppen oder Gattungen klassifizieren, wurden auf derGrundlage der prdikativen Struktur der Sprache entwickelt. Zu diesem Aspekt der aristotelischen

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    Kategorien und zu ihrer Vereinheitlichung vgl. das hervorragende Buch von Jess de Garay, Los sentidosde la forma en Aristteles, Eunsa, Pamplona, 1987, S. 101.

    20 In dem Urteil der Apfel ist grn ist die Aktualitt von Apfel grer als die von grn, gleichwohlvereinheitlichen wir sie im Urteil. In bestimmter Weise hngt die Wahrheit der Aussage von der Wahrheitdes real Seienden ab, die seinem Seinsakt entspringt. Diese reale Wahrheit will Llull mit den Mechanismen

    seinerArs aufdecken.

    21 Vgl. Met., VI-4, 1028a 1-2: Causa enim huius quidem indefinita, illius vero mentis aliqua passio, etutraque circa reliquum genus entis, et non extra ostendunt entem aliquam naturam entis.

    22 Vgl. Met., XI-8, 1065a 23-24: Quod autem ut vere ens, et secundum accidens, hoc quidem est incomplexione mentis et passio in hac: propter quod circa sic quidem ens, non quaeruntur principia.;id., VI-4, 1028a 3-4: Perscrutanda vero sunt ipsius entis causae et principia, inquantum ens.

    23 Vgl. hierzu Jess de Garay, Los sentidos de la forma en Aristteles, Eunsa, 1987, S. 150-152 und Thomasvon Aquin, In Met., lib. III, lec. 10, n. 463 - 465: Scientia autem est de his, non quia sint unum numero inomnibus, sed quia est unum in multis secundum rationem.

    24 Ein weiteres Problem wre die Untersuchung der Kompatibilitt der aristotelischen Logik mit LlullsArs.Es scheint, da sie nicht kompatibel sind, denn jene sucht die Unterschiede zwischen den Formen, die,sofern mehrere Seiende an ihnen teilhaben, vom Denken im Begriff vereint werden. Diese hingegen ist umdie Unterschiede und Bestimmungen der Akte bemht, die sich von den Unterschieden zwischen den Ideenunterscheiden. Die Ideen sind die gedachten Formen und erscheinen stets gleich. Die Unterschiede, die sichin der extramentalen Wirklichkeit finden lassen, sind Unterschiede zwischen Bewegungen und Akten.Folglich fallen beide nicht zusammen.

    Man hat Llull des Avicebronismus beschuldigt und ihm vorgeworfen, er identifiziere die realeZusammensetzung des Seienden mit der Zusammensetzung der Ideen, mit deren Hilfe wir dieses erkennen.Man mu dabei allerdings beachten, da diese Kritik nur aus einer aristotelischen Haltung heraus Sinnmacht, die Llulls Ars fr sich vereinnahmen will. Llull selbst war nicht um die Kompatibilitt seinerArsmit der aristotelischen Logik besorgt, denn er war berzeugt, da seineArs diese bertreffe und bessere

    Resultate erziele. Alles deutet darauf hin, da dieArs Aristoteles Logik einschliet.

    25 Vgl. MOG III, ii, 1 (55), zitiert nach J. M. Ruiz Simon,Quomodo est haec ars inventiva (Lart de Llulli la dialctica escolstica), in: Studia Lulliana, 33 (1993), S. 77-98.

    26 Metaphysica enim considerat res, quae sunt extra animam, prout conveniunt in ratione entis: Logicaautem considerat res secundum esse, quod habet in anima, quia tractat de quibusdam intentionibus, quaeconsequuntur esse rerum intelligibilium, scilicet de genere, specie & talibus, & de iis, quae consistunt inactu rationes, scilicet de syllogismo, consequentia & talibus; sed haec Ars tanquam suprema omniumhumanarum Scientiarum indifferenter respicit ens secundum istum modum & scundum illum.IntroductioArtis demonstrative,MOG III, ii, 1 (55), zitiert nach Simon,op. cit., S. 95.

    27 Der Akt ist nicht gleich der Form, vielmehr ist die Form kraft des Aktes Form. Die Formen, die sich imSeienden befinden, konstituieren die Bestimmungen, die im Seienden gegenwrtig sind. Sie sind erkennbar,weil der Akt, der sie konstituiert es ebenfalls ist: Das Sein ist das Unnennbare, das sich nicht begrifflichfestlegen lt. Nicht jedoch weil es irrational ist, sondern weil nicht allein der Name oder die Ideeerkennbar sind. Die Logik der Begriffe und die der Ideen sind nicht die einzigen Logiken. Die Logik dermenschlichen Akte z.B. ist weder eine Logik der Begriffe noch der Ideen, und doch ist sie eine Logik. DasSein ist keine formlose und undifferenzierte Aktivitt. Jeder Akt besitzt eine Form, sofern er interndifferenziert ist. Der Akt des Sehens ist nicht gleich dem des Denkens, obwohl beide Akte sind. DieVorstellung eines Aktes als einer vllig unbestimmten Energie, die diverse Formen annehmen kann, muzurckgewiesen werden. Ganz im Gegenteil unterscheiden sich die Akte sehr wohl. Das Gedachte verfgt

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    auch dann ber eine Einheit, wenn die Ideen oder Aussagen verschieden sind. Gleiches gilt fr die Worte.Und ebenso ist die Welt des Aktes (d.h. die reale Welt) differenziert, nur sind ihre Differenzen anders alsdie der Ideen oder Worte. Jess de Garay, op. cit., S. 150.

    28 Aristoteles legt seine beweisende Logik in seiner Analytik dar, genauer in der Ersten und ZweitenAnalytik.

    29 Die Ars erlaubt es auch, sich Fragen des Glaubens zu nhern, wenn ihr Benutzer dies wnscht. Dabeiwerden sie stets mit inhaltlichen, niemals aber mit Autorittsargumenten diskutiert. Einer der originellstenZge Llulls besteht gerade im Fehlen jeglicher Autorittsargumente, selbst solcher aus der Heiligen Schrift.Vgl. hierzu Anthony Bonner,A arte luliana como autoridad alternativa, VERITAS, v. 41, 163 (1996),S. 457-472.

    30 Igitur per hanc Artem possumus invenire infinitas habitudines, & secundum eas formare diversaspropositiones.,Introductio Artis demonstrative,MOG III, ii, 33 (87), zitiert nach Simon,op. cit., S. 85.

    31 L. Polo behauptet, da sich in der Erkenntnistheorie alle Fehler auf Inkongruenzen zurckfhren lassen,dabei versteht er unter kongruent jenen Akt, der nicht weniger ist als die von ihm erreichte Form.

    32 Obwohl Llull die demonstratio per aequiparantiam explizit bei der Behandlung der Dreifaltigkeitverwendet, glauben wir, da sie Llulls ganzes Werk durchzieht, zumal sie die Grundlage allerKonvenienzbeweise bildet.

    33 Die kritische Edition dieser Werke ist erschienen im Bd. XX derROL, in der Reihe Corpus ChristianorumContinuatio Mediaevalis, Bd. CXIII, Brepols, 1995.

    34 Es war dieser Llull der letzten Phase, der Nikolaus von es so sehr begeisterte, da er ber 80 Bcherdes Mallorquiners in seiner Bibliothek aufbewahrte.

    35Liber de intellectu, II, i , S. 200, Z. 44-50.

    36 In der aristotelisch-thomistischen Logik erhebt uns bereits die Anschauung auf die Stufe des Seins. Durchdie Abstraktion erhalten wir das Wesen, das wir in dem uns bekannten Seienden verwirklicht finden.Daraufhin schreiben wir ihm durch zahlreiche Urteile verschiedene formale Eigenschaften zu. Llull behltdieses Prinzip - Abstraktion von der intelligiblen Spezies, Aktivitt des Denkens usw. - bei, zugleichversucht er jedoch, den Seinsakt des Seienden einzuholen, und zwar mit Hilfe einer detailliertenUntersuchung der bereinstimmung der Prinzipien des Aktes.

    37 Ich zitiere wieder Jess de Garay: Die Unterscheidungen des Logos sind unablsbar vom Sein als Akt.Ein Sein ohne Unterscheidungen ist nicht denkbar, wenn auch vorstellbar. Das Sein des Realen als Realesist nicht die schlechthin unbestimmbare Gattung ohne Form. Zugegeben, das Sein ist nicht blo eineweitere Bestimmung, sondern etwas, das die Bestimmungen selbst transzendiert; aber eine derartigeBestimmung bedeutet nicht das Fehlen von Unterschieden. Wenn das Sein nicht etwas ist, dann ist es garnichts. Man mu gewi vorsichtig sein mit der Interpretation des etwas, etwas ist hier nicht blo ein

    Begriff oder eine Idee, sondern auch und v.a. Bewegung und Aktivitt. Deshalb sind die Unterschiede desRealen nicht in erster Hinsicht Unterschiede zwischen Begriffen und Ideen, sondern primr Unterschiedevon Bewegungen und Aktivitten. Jess de Garay, op.cit, S. 151, s.o. A. 24.

    38 Was in den Geschpfen und auerhalb dieser Wertbesitzt, hat nichts mit Psychologie zu tun. Denn Wertist nicht bewerten. Das Urteil oder das Denken bewerten zwar, aber dieses Wort wird nur analog gebraucht,denn in Wirklichkeit schtztdas Urteil. Aber der Wertan sich ist eine gttliche Vollkommenheit im SinneLlulls. Daher kommt es, da eine Sache Wertbesitzt, unabhngig davon, ob man diesen Werterkennt odernicht, denn in jedem Sein wirken die gttlichen Bestimmungen, die sich stets mit den gttlichenVollkommenheiten in bereinstimmung befinden. So kommt es, da der selige Meister in seiner

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    Wertschtzung fr den wesenhaften Wert der gttlichen Kaiserinnen im innersten der Gottheit und ihrenAbbildern nicht von psychologischen Themen handelt, sondern da er mit einem Blick fr das Realebestimmte unverwechselbare Formen der Realitt benennt. So sagt er: Gttliche und geschaffene Gutheithaben durch hnlichkeit aneinander teil, Was einen Wert besitzt, besitzt ihn in Gott. Und: Die Wertesind in sich selbst wertvoller als auen, alle Schnheit ist innen mehr wert als auen., FranciscoSureda Blanes, La simbologa en el pensamiento filosfico luliano, Revista de Teologa, III (1944), Nr. 10-11, S. 499. Llull hat als erster den Begriff Wert in unserem heutigen Sinn verwandt. Zur Frage desWertes bei Llull vgl. P. Erhardus W. Platzeck,De valore ad mentem Beati Raimundi Lulli, Antonianum,XXX (1955), Fasc. 2, S. 151-184.

    39 Llull wollte mit dieser Arbeit die bereinstimmung von Philosophie und Theologie verteidigen. Vgl.Principia philosophiae,ROL XIX, op. 86, Einleitung von Fernando Domnguez Reboiras, Brepols, 1993, S.5.

    40 Utrum aliquod non ens possit esse per aliquem modum ens reale? Resp. Si non ens est in animasimilitudo entis realis, omne ens, quod est extra animam, est ens reale. - Supposito, quod non essetintellectus: utrum non ens foret possibile? Resp. Si extra intellectum nullum non ens est ens, solusintellectus facit non ens., Principia philosophiae, S. 161-2 und S. 241. Der Primat des Realen ber dasideelle Seiende - das im Denken erzeugte Nicht-Seiende -, der aus diesen Zeilen spricht, setzt Llull indirekten Gegensatz zu Hegel, fr den das Sein als Idee absolute Prioritt hatte.

    41 Eusebi Colomer behauptet, da nur wenige mittelalterliche Systeme sich dem platonischen undhegelschen Ideal einer Logik, die zugleich Ontologie ist, so sehr genhert haben wie Llulls. Vgl.Miscellanea Mediaevalia, Bd. 2, Berlin 1963, S. 582-588, hier S. 582., zitiert nach Fernando DomnguezReboiras,ROL XIX, Brepols, 1993, Einleitung zu Principia philosophiae, S. 14, A. 25.

    42 Thomas von Aquin verwendet zum Beweis der Existenz Gottes ber das platonische Verfahren (dieVielheit wird durch die Einheit verursacht) und das aristotelische (eine Vollkommenheit ist inverschiedenen Stufen hinsichtlich eines Hchsten verwirklicht) hinaus den vierten Weg. Vgl. Francisco P.Muiz, La de Santo Toms para demostrar la existencia de Dios, Revista de Filosofa,10-11 (1944), S. 417-422.

    43 Vgl. Esteve Jaulent,A demonstrao por equiparao de Raimundo Llio (Ramon Llull), in: Lgica eLinguagem na Idade Mdia, org. Luis A. De Boni, Edipucrs, 1995, S. 157-158.

    44 Vgl. Bonitas est. Et quaedam bonitas est propter se ipsam. Et talis bonitas est in superlativo gradu, eoquod non habet aliquid, quod sit de suo genere, supra se, et quia etiam perficit omnes alias bonitates,quarum nulla propter se ipsam est. Et si talis bonitas non est, suum oppositum est; et ipsa privata, omnesaliae bonitates sunt imperfectae. Et quia hoc est impossibile, idcirco ipsa summa bonitas est. Quae est ratioipsi enti optimo, quod producat optimum. Aliter ipsa bonitas non esset summa et in superlativo gradupermanens. Metaphysica nova et compendiosa, III dist., in:ROL VI, op. 156, S. 11.

    45 De les flors del Arbre apostolical, 1 und 2, ORL, XII, S. 42f. und S. 47, zitiert nach Francesc CanalsVidal,La demostracin de la Trinidad en Ramon Llull, in: Estudios Lulianos, 25 (1980) S. 8.

    46 Vgl. Francesc CANALS Vidal, id., S. 12-13.

    47Arbre de Cincia, De les flors del Arbre Apostolical, 2. De la unitat de Du, XII ORL, S. 46 und S. 47-8,zitiert nach Francesc Canals Vidal, id., S.13.

    48 Vgl. die A. 37.

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    49 Wie Eudald Forment sehr gut herausgestellt hat, konzentriert sich die Ontotheologie auf das Seiende undvergit darber das Sein, vgl. E. Forment, El problema de Dios en la metafsica, PromocionesPublicaciones Universitarias, Barcelona, 1986, S. 195.

    50 Vgl. Ignacio Falgueras, Esbozo de una filosofa trascendental: Introduccin, Anuario Filosfico, XXIX/2,1996, Serv. de Publicaciones de la Univ. de Navarra, S. 496-7.

    51 Vgl. Andrea Dalledonne, Cenni sul pensiero e sullopera del padre Cornelio Fabro, in: Cornelio Fabropensatore universale, Andrea Dalledonne und Rosa Goglia, Frosinone, 1996, S. 48. Allimmanentismoprogressistico si deve, allora, opporre l la quale ... nel possesso inalienabile dellaliberta dellio che opera il movimento doppio quello dellimmanenza nella fondazione sullassoluto equello dellimmanenza nella crescente consapevolezza che lio ha nella responsabilit delle proprie scelte.Una immanenza in cui lio principio, medio e fine, perch collocato nellinfinito.