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AR CHI VAR 01 61. Jahrgang G 4914 Februar 2008 Heft Herausgeber Landesarchiv Nordrhein-Westfalen VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. Zeitschrift für Archivwesen Entwicklung von Internationalen Erschließungsstandards Das Landesarchiv Baden-Württemberg in der Digitalen Welt Das Digitale Bildarchiv des Bundesarchivs Die „Akten zur auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland“

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Zeitschrift für Archivwesen

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ARCHIVAR

0161. Jahrgang G 4914

Februar 2008 Heft

Herausgeber Landesarchiv Nordrhein-Westfalen VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V.

Zeitschrift für Archivwesen

Entwicklung von InternationalenErschließungsstandards

Das Landesarchiv Baden-Württemberg inder Digitalen Welt

Das Digitale Bildarchiv des Bundesarchivs

Die „Akten zur auswärtigen Politik derBundesrepublik Deutschland“

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EDITORIAL 5

AUFSÄTZE 6

Entwicklung von Internationalen Erschließungsstandards 6

Das Landesarchiv Baden-Württemberg in der Digitalen Welt 14

Das Digitale Bildarchiv des Bundesarchivs 20

Die „Akten zur auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland“ 26

ARCHIVTHEORIE UND -PRAXIS 33

LITERATURBERICHT 58

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES LANDESARCHIVS NRW 69

Die Schönheit der Chance. Erschließungsstandards im Landesarchiv NRW

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES VdA 81

Lebendige Erinnerungskultur für die Zukunft. 81

77. deutscher Archivtag in Mannheim

PERSONALNACHRICHTEN 97

NACHRUFE 100

KURZINFORMATIONEN UND VERSCHIEDENES 102

VORSCHAU / IMPRESSUM 103

INHALT

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EDITORIALLiebe Leserinnen und Leser, liebe Kolleginnen und Kollegen,mit dem ersten Heft des Jahrgangs 2008 verändert sich der Archivar auch optisch. Wie bereits in den letzten Ausga-ben mehrfach angekündigt erscheint die Zeitschrift jetzt unter dem neuen Titel „Archivar. Zeitschrift für Archivwe-sen“ und mit einem modernen und klar strukturierten Lay-out. Auch inhaltlich gibt es Neuerungen: Jedes Heftweist ab sofort einen Themenschwerpunkt auf. Eine neue Rubrik (Mitteilungen und Beiträge des LandesarchivsNRW) ergänzt das inhaltliche Spektrum. Bereits bekannte Rubriken wurden neu strukturiert (Archivtheorie undPraxis) oder ausgebaut (Mitteilungen und Beiträge des VdA). Bei so viel Veränderung lohnt es sich zu erwähnen,dass bewährte Inhalte wie der Literaturbericht oder die Personalnachrichten natürlich auch im neuen Archivarweiterhin ihren Platz finden. Die Zeitschrift steht nach wie vor allen Archivsparten zur Publikation übergreifenderarchivfachlicher Beiträge offen.Das erste Heft im neuen Gewand widmet sich jedoch bei aller äußeren Veränderung schwerpunktmäßig einem ganztraditionellen Thema des archivischen Arbeitsalltags: Erschließung und Bereitstellung von Archivgut. Die Autorin-nen und Autoren zeigen in ihren Beiträgen allerdings sehr deutlich, dass das Zeitalter der „Papritzschen Karteikarte“lange vorbei ist. In der Diskussion sind einerseits Themen wie Rationalisierung und Standardisierung derErschließung, andererseits ermöglichen gerade die elektronischen Präsentationsformen eine tiefe Erschließung bishin zur Online-Edition oder zur digitalen Präsentation des Archivguts. Nils Brübach beschäftigt sich im ersten Aufsatz des Hefts mit internationalen Standards und ihrer Bedeutung für dieweitere Entwicklung der archivischen Erschließung. Robert Kretzschmar präsentiert die im Landesarchiv Baden-Württemberg entwickelte Digitalisierungsstrategie, und Oliver Sander stellt die Online-Bilddatenbank des Bundesar-chivs vor. Zum Themenbereich der Erschließung gehört auch die Editionstätigkeit der Archive, für die exemplarischdie Edition der Akten zur Auswärtigen Politik und deren Weg zur Präsentation im Internet von Ilse DorotheePautsch vorgestellt wird. Weitere Beiträge zum Schwerpunktthema finden Sie in der Rubrik „Archivtheorie undPraxis“ von Raimund Haas zum „Neusser Modell“ der Erschließung von Pfarrarchiven sowie von Frank M. Bischoffund Sigrid Schieber über das gerade anlaufende Retrokonversionsprojekt. Barbara Hoen und Sebastian Geßmannschließlich stellen in den „Mitteilungen und Beiträgen des Landesarchivs NRW“ die Vorarbeiten und Planungen zurErarbeitung von Erschließungsrichtlinien und -standards im Landesarchiv NRW vor.Über unser Schwerpunktthema hinaus bietet Ihnen der Archivar wie gewohnt vielfältige Informationen zur gesamtenBandbreite des Archivwesens. Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre und sind gespannt auf Ihre Rückmel-dungen zum „neuen“ Archivar.

Herzlichst, Barbara Hoen, Robert Kretzschmar, Wilfried Reininghaus,

Ulrich Soénius, Martina Wiech, Klaus Wisotzky

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AUFSÄTZE

Die Diskussion um archivische Fachaufgaben unterliegt Konjunktu-ren: War es in den neunziger Jahren das Thema archivische Bewer-tung, das viele Fachdiskussionen bestimmte, so ist nunmehr zubeobachten, dass Erschließung das Top-Thema archivischer Fachta-gungen geworden ist1. Drei Pole bestimmen die Diskussion: DasManagement von Erschließung im Kontext anderer archivischerFachaufgaben, methodische Fragen, wie z. B. die nach dem Einsatzinternationaler Standards und Werkzeuge und schließlich dasNutzerinteresse und die Nutzerorientierung. Die unbedingte Ver-knüpfung zwischen Erschließung, Nutzbarkeit und Nutzungsmög-lichkeiten von Archivgut entspricht nicht nur einem Grundsatz desethischen Kodex’ der Archivare2. Sie folgt auch dem Grundsatz„Zugang ist, was zählt“, so wie er in der archivwissenschaftlichenDiskussion vor allem im englischsprachigen Raum bereits seiteiniger Zeit zentrale Bedeutung erlangt hat3. Dieser Beitrag folgtdiesem Ansatz. Erschließung ist niemals zweckfrei, ihr Ziel muss esimmer sein, Bestände benutzbar zu machen – und dies durch diebestmögliche Nutzung technischer Möglichkeiten zur Präsentationund hinsichtlich der Suchmöglichkeiten der Erschließungsergebnis-se. Daraus folgt, dass man sich der Fachaufgabe „Erschließung“nicht nur von der Seite ihrer Herstellung nähern kann, sondern ebenauch von der Seite der Nutzung ihrer Ergebnisse. Zu fragen ist also:Welche Anforderungen stellen Nutzer an archivische Erschließung?Wodurch werden diese Anforderungen geprägt und wie verändernsie sich? Und schließlich: Wie verändert sich der Blick aufErschließungsinstrumente und Standards?Der folgende Beitrag versucht über eine kurze Synopse von relevan-ten Standards aus dem Archivbereich und einen Vergleich derErschließungsansätze im Archiv- und Bibliotheksbereich zu überle-gen, wo das Potential archivischer internationaler Erschließungs-standards liegt, welche aktuellen Ergebnisse und Entwicklungen

sich in diesem Bereich vollziehen und wie auf dieser Basis einemögliche zukünftig intensivierte Kooperation zwischen den Berei-chen Bibliothek, Archiv und Museum gestaltet werden könnte4.Dabei muss das durchaus unterschiedliche Entwicklungsniveau inden drei Sparten mit bedacht werden. Während z. B. die Retrokatalo-gisierung in den deutschen staatlichen Bibliotheken bereits in denachtziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts ihren Anfang nahmund daher mit der Nutzung des Internets Katalogdaten in wesentli-chem Umfang zur Recherche bereit standen, hat die Retrokonversionvon analogen archivischen Findmitteln auch in größeren staatlichenArchiven oder Landesarchivverwaltungen noch längst nicht einenvergleichbaren Stand erreicht. Und auch im Hinblick auf die Stan-dardisierung im Erschließungsbereich setzte im Bibliothekswesendie Entwicklung früher ein und konnte durchgreifender wirken alsim Archivwesen5.

ARCHIVISCHEERSCHLIEßUNGSSTANDARDS UNDAUSTAUSCHFORMATE Die archivische Fachdiskussion der vergangenen Jahre hat intensivdie Inhalte, Ansätze und Anwendungsmöglichkeiten der existieren-den internationalen Erschließungsstandards und der auf ihnenberuhenden Werkzeuge herausgearbeitet6. Dabei hat seit 1998 vorallem Encoded Archival Description (EAD) eine prominente Rollegespielt7. Stand man dieser Entwicklung zunächst skeptisch gegen-über, zeigten sich bald das Potential und die Möglichkeiten einesWerkzeuges, das rasch auch in anderen europäischen Ländern, vorallem in Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien adaptiertwurde. Stand zu Beginn der Diskussion noch die Frage, welcheUnterschiede zwischen der deutschen Verzeichnungstradition und

ENTWICKLUNG VONINTERNATIONALENERSCHLIEßUNGS-STANDARDS BILANZ UND PERSPEKTIVENvon Nils Brübach

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den durch ISAD(G) und EAD repräsentierten fachlichen Ansätzenbestanden und sah man in diesen Unterschieden Grund zu einemablehnenden, zumindest skeptischen Umgang mit den Standards, sowurde zunehmend deutlich, dass EAD kein starres Regelwerkdarstellt, sondern als flexibles Werkzeug gut mit den Strukturenauch deutscher Erschließungsinstrumente harmonisiert. Die Vorteiledes Einsatzes internationaler Standards, darunter eine reibungsloseZusammenarbeit über Grenzen hinweg8, wurden bedeutungsvoller.Zudem erkannte man, dass über EAD und ISAD(G) eine Verbin-dung zu anderen Standards, darunter auch solchen aus dem Mu-seums- und Bibliotheksbereich möglich wurde. In dieser Interopera-bilität liegt zukünftig das größte Potential internationaler Standards.Über sog. „Crosswalks“ werden Entsprechungen zwischen Elemen-ten aus ISAD(G) bzw. EAD mit Elementen anderer Metadatensetsoder auch Strukturen aus Datenbanksystemen hergestellt. DiesesVerfahren („Mapping“) wurde auch bei der Verknüpfung der imRahmen der DFG-Vorstudie „Retrokonversion archivischer Findmit-tel“ entwickelten SAFT-DTD und EAD oder bei der Entwicklungvon Werkzeugen zur Überführung von Erschließungsinformationenaus proprietären Datenbanksystemen angewandt. Und schließlichermöglichen internationale Standards eine Weiterentwicklung ineinem Netzwerk, bei dem breites Erfahrungswissen zum Nutzen allerAnwender einfließen kann.Vergleicht man die Entwicklung von Erschließungsnormen inDeutschland mit der Entwicklung in anderen Ländern, so kann manzu dem Ergebnis kommen, dass hierzulande bereits früh ein eigen-ständiger Weg eingeschlagen wurde. Die Normierungsansätze vonJohannes Papritz und der Ordnungs- und Verzeichnungsgrundsätze(OVG) schufen in den beiden Teilen Deutschlands eine im Vergleichzur internationalen Situation abweichende Situation, in der das„Was“ und das „Wie“ der Verzeichnung normiert wurden, um derIndividualisierung bei der Erschließung zumindest ansatzweiseGrenzen zu setzen. Diese Sonderentwicklung erklärt, warum in derBundesrepublik vergleichsweise früh mit dem Einsatz von IT bei derErschließung begonnen wurde und warum die ISAD(G) auf keineso große Resonanz stieß wie in anderen Ländern9. Allerdings sindsowohl die auf Johannes Papritz zurückgehenden Normen wie auchdie OVG Standards, die die inhaltliche Ausgestaltung vonErschließungselementen beschreiben. Darin liegt ein entscheidenderUnterschied zu ISAD(G) und EAD: Diese sind Strukturstandards,die die Verzeichnungselemente, ihre Syntax und ihre Anordnung,sowie ihren Bezug zueinander definieren. Sie verfolgen somit einenanderen Zweck als Inhaltsstandards10.ISAD(G) als Strukturstandard bildet als Idealtypus die Grundprinzi-pien archivischer Erschließung ab. Dies sind: Mehrstufigkeit, Prove-nienzbezug, Eindeutigkeit, inklusive eines Minimalsets von unver-zichtbaren Erschließungselementen, die angegeben sein müssen,auch um die Verständlichkeit von Erschließungsinformationen zugewährleisten (Verzeichnungsstufe, Signatur, Titel, Provenienzstelle,Laufzeit, Umfang)11. Encoded Archival Description (EAD) bietet alsStandard für die Codierung von Onlinefindbüchern flexible Mög-lichkeiten zur archivischen Erschließung unter Nutzung von XML.

EAD ist Erschließungsstandard, Verzeichnungswerkzeug undAustauschformat in einem. Ursprünglich auf Basis von SGML seitder Mitte der neunziger Jahre parallel zu ISAD(G) entwickelt, ist dieim Jahre 2002 vorgestellte 2. Version in Form eines XML-Schemasvoll auf ISAD(G) abgestimmt. Eine Vielzahl von Hilfen zu seinerAnwendung und Implementierung liegen mittlerweile auch indeutscher Sprache vor12.EAD und ISAD(G) wurden anfangs in einem gewissen Konkurrenz-verhältnis gesehen und es wurde und wird gefragt, wo denn imRahmen der deutschen Erschließungstradition und der hierzulandeverwendeten datenbankbasierten Werkzeuge der Anwendungsnutzenliegt: Er liegt zum einen in der Möglichkeit der Austauschbarkeitund gemeinsamen Suchbarkeit von Erschließungsdaten, die auf derBasis lokaler Content-Standards erstellt sein mögen – jedoch durch

1 So widmeten sich z. B. ein Spezialtagung Schweizer Archivare, Bibliothekare und Vertreter des ICA imJuni 2005 in Bern dem Thema, ebenso mehrere regionale Archivtage in Deutschland und neben derVSA-Spezialtagung im April 2006 hatte auch das 11. Archivwissenschaftliche Kolloquium der Archiv-schule Marburg im Jahre 2006 nach zuletzt 1999 dieses Thema.

2 Grundsatz 6, vgl. Kodex ethischer Grundsätze für Archivarinnen und Archivare auf: www.vsa-aas.org/Ko-dex_ethischer_Grundsaetze.225.0.html (Stand: 1. 12. 2007).

3 So z. B. in DACS Describing Archives a Content Standard. Dieser Standard, basierend auf ISAD(G) undISAAR (CPF) wurde seit 2001 von einer kanadisch-amerikanischen Gruppe von Facharchivaren ent-wickelt und 2004 von der Society of American Archivists publiziert.

4 Vgl. auch Nils Brübach, Vernetzung der Informationssysteme – Archivische Erschliessung – Ziele, Me-thoden und Herausforderungen (La description archivistique – Buts, méthodes et défis). In: Arbido (2006)Nr. 3, S. 5-10, sowie ders.: Normierung, Erschliessung und die Präsentation von Erschliessungsergeb-nissen. In: Arbido (2004) Nr. 5, S. 49-51.

5 Zur Entwicklung archivischer Erschließungsnormen Ilka Hebig, Zur Entstehungsgeschichte der Ord-nungs- und Verzeichnungsgrundsätze der DDR (OVG). In: Archivische Erschließung – MethodischeAspekte einer Fachkompetenz. Beiträge des 3. archivwissenschaftlichen Kolloquiums der ArchivschuleMarburg, hrsg. v. A. Menne-Haritz, Marburg 1999 (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg Nr.30).

6 Vgl. etwa die Beiträge in: Bill Stockting und Fabienne Queyroux (Hrsg.), Encoding across Frontiers. Pro-ceedings of the European Conference on Encoded Archival Description and Context. New York 2005,mit einer tour d’horizon zu EAD-Anwendungen in Europa, darunter der Schweiz; sowie den Beiträgenzu den VSA-Workshops 2004 und 2005.

7 Herausgegriffen seien hier an die Beiträge von Angelika Menne-Haritz und Mechthild Black-Veldtrupin: Angelika-Menne-Haritz (Hrsg.), Archivische Erschließung-Methodische Aspekte einer Fachkompe-tenz (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg Nr. 30), Marburg 1999, der an gleicher Stelle veröf-fentlichte Bericht über eine Studienreise in die U.S.A.(Eckelmann, S., Kreikamp, H.-D., Menne-Haritz,A., Reininghaus, W., Neue Medien im Archiv: Onlinezugang und elektronische Unterlagen. Bericht übereine Studienreise nach Nordamerika. (Veröffentlichung der Archivschule Marburg Nr. 32), Marburg2000), sowie die Bände mit den Beiträgen der archivwissenschaftlichen Kolloquien der Archivschule von2001 und 2006.

8 Dem Einwand, dass dies bestenfalls für das Bundesarchiv von Bedeutung sei, lässt sich mit einem Hin-weis auf eine ganze Reihe grenzübergreifende Kooperationen auch auf den Ebene der Landesarchivebegegnen.

9 Dafür spricht auch, dass bei der National Archives and Records Administration, mit DA CS (Descrip-tion of Archives – Content Standard) ebenfalls eine eigene Hausnorm vorhanden war.

10 Dies wird durch das Attribut „General“ in der Bezeichnung von ISAD(G) ausgedrückt.

11 ISAD(G) – Internationale Grundsätze für die archivische Verzeichnung. Durchgesehener Nachdruck der.2. überarbeiteten Auflage. Übersetzt und bearbeitet von Rainer Brüning, Werner Heegewaldt und NilsBrübach. Marburg 2006, hier: S. 26.

12 Vgl. die umfangreiche Dokumentationen und frei verfügbaren Texte unter www.daofind.de (Stand: 20.November 2007).

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AUFSÄTZE

die gemeinsame, ISAD(G)-konforme Struktur ohne weiteres kompati-bel sind, damit austauschbar und suchbar werden. Weiterhin ermög-licht EAD den Brückenbau aus dem archivischen Bereich in den derBibliotheken und Museen hinein, denn es ist kompatibel zu MARCund OAI-MHP. Der Nutzen solcher Lösungen liegt im Aufbaugemeinsamer, Institutionen übergreifender Portale, die den interes-sierten Bürgern eine übergreifende Suche von einem Zugangspunktaus ermöglichen. Das BAM-Portal illustriert den deutlich verbesser-ten Nutzungskomfort13. Auch für das im Aufbau befindliche Archiv-portal-D und für einen geplanten europäischen Gateway zu Archivenwird die Nutzung von EAD und seines Verwandten „EncodedArchival Context“ ohne Alternative sein14. Welche beeindruckendenErgebnisse hier möglich sind, zeigen Beispiele aus Großbritannien(Archivshub und A2A) und Spanien (CENSO-GUÍA).Neben ISAD(G)/EAD ist seit 2004 auch auf ISAAR(CPF)15 alsStandard für archivische Normdaten und Encoded Archival Context(EAC) als Standard zur Kodierung der Namensformen von undInformationen zu Personen, Familien und Einrichtungen als Be-standsbildnern zu verweisen. Während es zu ISAD(G) und EADbereits eine Vielzahl von Anwendungsbeispielen gibt, steckt dieseEntwicklung bei ISAAR(CPF) und EAC noch in den Kinderschu-hen. Beide Standards sind von Anfang an in enger Abstimmungmiteinander entwickelt worden. EAC, das als Betaversion vorliegtund dessen Entwicklung im Laufe des Jahres 2008 abgeschlossenwerden soll, wird künftig nicht nur als Austauschformat fungieren,sondern bietet die Möglichkeit zum Aufbau von Verknüpfungen, z. B.bei über mehrere archivsche Einrichtungen zerstreuten Teilen einesProvenienzbestandes. Sie werden nicht nur gemeinsam und über-greifend recherchierbar, sondern sind direkt verknüpft. Eng ver-wandt mit EAC ist Encoded Archival Guides (EAG), eine spanischeEntwicklung, die die Informationen zu den Verwahrinstitutionenstrukturiert und mit den Findmitteln und den Informationen zuden Bestandsbildnern verknüpft. Sie wird voraussichtlich als beson-ders belegtes Subset-Teil der Tagliste von EAC sein.EAD und seine verwandten DTDs sind keine „standards by declara-tion“ wie etwa ISO-Normen oder Normen aus dem bibliothekari-schen Bereich, sondern sie sind „standards by implementation“, dieoffen für Weiterentwicklungen und Kombinationen sind und sich alsder beste Weg erwiesen haben, um Erschließungsinformationen zuunterschiedlichen Archivaliengattungen, Erschließungsinformatio-nen unterschiedlichster Herkunft und dadurch sehr hoher Heteroge-nität einheitlich zu strukturieren, zu verknüpfen und suchbar zumachen. Zukünftig wird auch das Archivgut selbst – in digitalisier-ter Form – zu berücksichtigen und mit den Erschließungsinforma-tionen zu verknüpfen sein. Standards und Werkzeuge zur Aufberei-tung digitalisierten Archivgutes, die mit EAD und seinen Verwand-ten kombinierbar sind, existieren bereits: Die „Guidelines for Electro-nic Text Encoding and Interchange“ der Text Encoding Initiative16

(TEI) und METS (Metadata Encoding and Transmission Standard)17

ermöglichen die notwendigen Verknüpfungen und Strukturierungender digitalen Dokumente in großen Mengen.Als im Jahre 1992 ISAD(G) veröffentlicht wurde, verfügte erstmals inseiner Geschichte auch das Archivwesen weltweit über einen einheitli-chen Erschließungsstandard. Es zog mit dem Bibliothekswesen gleich,das bereits seit den siebziger Jahren über entsprechende, inhaltlichweiter gehende Standards verfügte. ISAD(G) legte einen methodischenGrundstein für einen Standardisierungsansatz, der offen ist, nichtproprietär und sich als zukunftsfähig erwiesen hat. Entstanden sindISAD(G) und ISAAR(CPF) in einer auf kanadische Initiative hingebildeten internationalen Arbeitsgruppe, die ab 1992 als reguläres

Komitee des Internationalen Archivrates ICA etabliert war.Das seit dem Archivkongress in Wien im Jahre 2004 als Komitee für„Best Practise“ und Standards bezeichnete Gremium bündeltfachliche Aktivitäten in den Bereichen Erschließung, Bewertung undder Langzeitarchivierung elektronischer Objekte und stellt durchdie Veröffentlichung von Standards, Leitlinien und ArbeitsberichtenFachinformationen bereit. Während eines Treffens18 der Arbeitsgruppen im Mai 2007 in Dres-den wurden die Textentwürfe zweier zukünftiger neuerErschließungsstandards vorgelegt: ISIAH – International Standardfor Institutions with Archival Holdings soll zur einheitlichen Be-schreibung und Identifikation Archivgut verwahrender Institutionendienen. Er kann bei der Erstellung von regionalen und nationalenArchivportalen zur Anwendung kommen, da seine Erschließungs-elemente mit einem Subset von EAC, EAG („Encoded ArchivalGuide“), korrespondieren werden, mit dessen Hilfe Beständeüber-sichten und Findbüchern online leicht und ohne größere informati-onstechnische Kenntnisse umgesetzt und verknüpft werden können.Vorbild dieses auf spanische Initiative hin betriebenen Projektes istder „Censo-Guia des Archivos de España e Iberoamérica“, einInternet basierter Archivführer mit Beschreibungen von mehr als400 Archiven in 17 Ländern weltweit.Der Zweite Standard ISDF – International Standard for DescribingFunctions – soll zur einheitlichen Beschreibung von Kompetenzen,Funktionen und Aufgaben verschiedener Provenienzstellen dienen.Seine Zielsetzung liegt nicht nur auf dem Gebiet der archivischenErschließung, sondern auch im Bereich der Beratung anbietungs-pflichtiger Stellen und der Erfassung und Aussonderung. Hierwurden Erfahrungen des Schweizer Bundesarchivs mit Kompetenz-dateien und ähnliche des englischen Nationalarchivs berücksichtigt.Ein weiteres, besonders spannendes Vorhaben wird in Kooperationmit dem „United Nations Centre for Trade Facilitation and Electro-nic Business“ durchgeführt. Gemeinsam mit dem ICA entwickelteine Expertengruppe unter der Leitung der Generaldirektion derfranzösischen Archive ein Standardaustauschformat für die Über-nahme von elektronischen Unterlagen in ein System zur elektroni-schen Langzeitarchivierung, dass als „Open Archival InformationSystem“ nach dem ISO-Standard 14721 aufgebaut ist. Derzeit laufendie Arbeiten am technischen Anforderungskatalog. Unterstütztwerden sollen normierte Lösungen für den Transfer von anbietungs-pflichtigen Stellen in Archive, zwischen einzelnen archivischenEinrichtungen und aus Archiven zu den ursprünglichen Provenienz-stellen. Eine standardbasierte Lösung wird dabei den Transfer derelektronischen Unterlagen inklusive Strukturbeschreibungen undMetadaten unterstützen.Weitere Arbeitsvorhaben des Komitees sind die Erstellung zweieronline zugänglicher Datenbanken. Im Rahmen des Projektes „Ba-bel“ ist eine Datenbank zur internationalen Archivterminologie imAufbau, die zunächst Definitionen und Übersetzungen archivwis-senschaftlicher Fachbegriffe in Englisch, Französisch, Spanisch,Russisch und Deutsch bietet und um weitere Sprachen erweitertwerden kann. Ebenfalls Datenbank gestützt ist eine Übersicht überarchivrelevante Standards weltweit, in der auch Standards ausbenachbarten Fachgebieten erfasst werden. Beide Hilfsmittel sollenzum Internationalen Archivkongress 2008 mit einem Grunddaten-bestand frei geschaltet werden – Ausbau und Erweiterung sollendanach durch die Community erfolgen.

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ARCHIVISCHE UND BIBLIOTHEKARISCHEANSÄTZE IM VERGLEICH

„Erschließung“ ist nicht gleich „Erschließung“, wenn man Archiveund Bibliotheken miteinander vergleicht. Die Unterschiede lassensich beileibe nicht allein auf das reduzieren, was erschlossen wird.Neben dem fast schon klassisch zu nennenden, in der Literatur20

immer wieder bemühten und beschriebenen Unterschied zwischender Sachaktenverzeichung und der Monografienkatalogisierung gibtes zudem bei den „Non-books“ viel mehr Gemeinsamkeiten alsvermutet wird: Erinnert sei z. B. an die Erschließung von Karten,Plakaten, audiovisuellen Unterlagen, Nachlässen und Autografen.21

Geprägt ist das Verständnis von Erschließung allerdings durch das,was massenhaft erschlossen wird: Sachakten im Archiv und Bücherin der Bibliothek. Die jeweiligen Standards bzw. Regelwerke habendaher auch die genannten Gattungen in den Mittelpunkt gestellt.Unterschiede liegen im Methodischen: Für Archivare ist die beiBibliothekaren übliche Trennung von Formalerschließung undSacherschließung ungewöhnlich, da sie bei der Verzeichnung denTitel einer Akte als Beschreibung des Entstehungszweckes, der ggf.durch Enthält-Vermerke ergänzt wird, als inhaltliches Verzeich-nungselement verstehen. Umgekehrt werden Bibliothekare mit demoben skizzierten Ansatz der Stufenerschließung wenig anfangenkönnen. Wichtigster und methodisch prägendster Unterschied istaber die Zugrundelegung des Provenienzprinzips bei der archivi-schen Erschließung und die an ihm orientierte innere Ordnungeines Bestandes auf allen Erschließungsstufen. Auffällig sind dieUnterschiede auch bei den Ergebnissen der Erschließung: WährendEAD-codierte Onlinefindbücher Strukturen abbilden und überdiese navigierbar sind und daneben eine Freitextsuche und Suchenüber Indices ermöglichen, bietet der OPAC immer den begriffsbezo-genen Sucheinstieg. Für die zukünftige Entwicklung sind dieseUnterschiede in der Katalogisierungs- bzw. Erschließungspraxis inden jeweiligen Bereichen aber von zunehmend sinkender Bedeu-tung. Eine gemeinsame Nutzung und Weiterentwicklung voninnovativen Werkzeugen und Techniken bei der Präsentation vonErschließungsinformationen bzw. Katalogdaten wird dazu beitragen,dass die bereichsspezifisch generierten Daten gemeinsam suchbarund präsentierbar werden, ohne dass der von archivischer Seitehäufig eingewandte Verlust des eigenen Profils eintreten wird. Ganzim Gegenteil werden Archive davon profitieren, wenn sie bestimmteAnsätze aus dem Bibliotheksbereich, wie etwa Verbundsysteme oderübergreifende Themenportale, gegebenenfalls in abgewandelterForm übernehmen. Bereits bestehende, in diese Richtung zielendeLösungen belegen die Richtigkeit dieser These: Genannt seien hiernur beispielhaft das BAM-Portal, die gemeinsame Präsentation vonBeständen mit SED-Archivgut als Kooperation der staatlichenArchive der „neuen“ Bundesländer und des Bundesarchivs, sowieder Ariadne-Archivverbund in Mecklenburg-Vorpommern.22 Beson-dere Beachtung sollten die Ergebnisse des im März 2006 abgeschlos-senen Projektes <daofind> des deutschen Bundesarchivs finden. DasProjekt verfolgte das Ziel, in einer Pilotanwendung die kombinierteNutzung der drei internationalen Standards EAD, EAC und METSfür einen verbesserten Zugang zu Archivgut aus deutschen Archivenüber das Internet zu testen. Anfang des Jahres 2007 wurde derPrototyp des „MEX-Editors“ vorgestellt, mit dessen HilfeErschließungsinformationen, Kontextinformationen und überMetadaten strukturierte Digitalisate von Archivgut bereitgestelltwerden können.

Aber es gibt auch Annäherungen auf der Ebene der Standardsselbst. Die „Resource Description and Access“(RDA) als vielleichtauch im Bibliothekswesen des deutschsprachigen Raumes in Zu-kunft wichtiger Standard hat auf Grund ihrer Entwicklung aus den„Anglo-American Cataloguing Rules“ und den Anforderungen v. a.nordamerikanischer Forschungsbibliotheken an die Erschließungvon Archivgut z.B. aus Nachlässen eine vergleichsweise höhereAffinität gegenüber archivischen Erschließungsansätzen, als diesbislang bei RAK-WB gegeben ist23. Dies ist positiv, weil es in Verbin-dung mit den darauf beruhenden Werkzeugen Austausch undVerknüpfung von Erschließungsdaten als Fundament eines dieInstitutionen übergreifenden Netzwerkes erheblich erleichterndürfte. Und auch zu Strukturstandards im Bereich der Museumsdo-kumentation, wie z. B. CIDOC lassen sich vergleichbare „Brücken“bauen.Wenn Standards integrativ sind und auf ähnlichen Datenmodellenberuhen, kann dies entscheidend zu einer weniger aufwändigenVernetzung der Daten führen – natürlich nur dann, wenn dieseStandards auch richtig angewandt werden und die Qualität derDaten aus den jeweiligen Bereichen so aussagekräftig ist, dass sievom Benutzer ohne weiteres verstanden werden – ohne dass er denStandard selbst zu kennen braucht.Wenn zukünftig auch im archivischen Bereich intensiver als bislangdie Bereitstellung von digitalisiertem Archivgut zur Verbesserungdes Nutzungskomforts über das Internet betrieben wird, ist einAusbau von Kooperationen nicht nur im methodischen Bereich oderbei der Verknüpfung und Integration von Standards und Werkzeu-gen notwendig, sondern es bedarf enger Kooperation auch imBereich der Infrastruktur.

BEISPIELE ERFOLGREICHER KOOPERATION

Bereits seit einigen Jahren gibt es weltweit eine Reihe von erfolgreichabgeschlossenen Projekten, die zeigen, dass die oben formuliertenVorstellungen keineswegs Theorie oder Wunschdenken sind. Einigewenige Beispiele sollen hier herausgegriffen werden. Das seit 2002

13 www.bam-portal.de (Stand: 24. November 2007).

14 Vgl. die Vorträge der im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft durchgeführten 3. Europäi-schen Konferenz über EAD, EAC und METS unter www.bundesarchiv.de (Stand: 20. November 2007).

15 Eine von einer gemeinsamen deutsch-schweizer Arbeitsgruppe besorgte deutsche Übersetzung kannheruntergeladen werden unter: www.ica.org.

16 Weitere Informationen auf der Homepage der TEI: www.tei-c.org/ (Stand: 20. November 2007).

17 Homepage: www.loc.gov/standards/mets/ (Stand: 20. November 2007).

18 Tagungsberichte in: Flash July 2007, Sächsisches Archivblatt 2/2007.

19 Erste Ergebnisse sollen in der ersten Jahreshälfte 2008 zur Kommentierung vorgelegt werden.

20 Siehe hierzu z. B. die Studie von Brigitta Nimz, Die Erschließung im Archiv- und Bibliothekswesen un-ter besonderer Berücksichtigung elektronischer Informationsträger: ein Vergleich im Interesse der Pro-fessionalisierung und Harmonisierung, Münster 2001.

21 Vgl. Brigitta Nimz, wie Anm. 20.

22 Vgl.: http://ariadne.uni-greifswald.de/; www.bundesarchiv.de/sed-archivgut/(Stand: 20. Juli 2006).

23 Der Sachstand der Entwicklung wird aktuell dokumentiert auf den Seiten des Joint-Steering-Committees for the Revision of Anglo-American Cataloging Rules, derzeit unter: www.collectionscana-da.ca/jsc/rdaprospectus.html (Stand: 20. November 2007), hier Entwurf zu Teil 1, Kapitel 0.1.1 und v. a.Teil 1 Kapitel 6, das nach dem Entwurf von Dezember 2005 im Wesentlichen eine Übernahme der ent-sprechenden Passagen aus den DACS bzw. ISAD(G) darstellt.

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AUFSÄTZE

online recherchierbare BAM-Portal, dass vom Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württemberg in Konstanz betrieben wird, warursprünglich vom Südwestdeutschen Bibiliotheksverbund, demLandesarchiv Baden-Württemberg und dem Museum für Technikund Arbeit in Mannheim ins Leben gerufen worden, sein Aufbauwurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. ImRahmen des Projektes wurden auch verschiedene Verfahren beimZusammenführen und Durchsuchen der Daten erprobt: Anfangswurde auf eine verteilte Suche gesetzt, die auf die Originaldatenzurückgriff. Dieses Verfahren war im Ergebnis wenig performantund wurde daher 2005 auf eine Datawarehouse-Lösung umgestellt.Die Erschließungsdaten aus dem archivischen Bereich werdenhierbei in EAD kodiert und so im Verbund zur Recherche bereitge-stellt. Mittlerweile hat sich die Zahl der teilnehmenden Institutionenstark erweitert, und mit dem Stadtarchiv Reutlingen hat 2007 aucherstmals ein kommunales Archiv einen Teil seiner Bestandsdatenüber das BAM-Portal zugänglich gemacht.ArchiveGrid24 war ursprünglich ein Projekt der mittlerweile mitOCLC verschmolzenen Research Libraries Group in Kalifornien. Esumfasst rund 1 Millionen Erschließungsdatensätze von rund 350Archiven und Bibliotheken, die über eine gemeinsame Suchober-fläche nutzbar werden. Fundstellen werden durch einen Link auf das

lokale Findmittel nachgewiesen. Das Bundesarchiv hat einen Teilseiner Online-Findbücher bei der RLG eingestellt. ArchiveGrid warbis zur Mitte dieses Jahres kostenlos zugänglich, zurzeit wird fürNutzer eine geringe Nutzungsgebühr erhoben. ArchiveGrid ist „die“klassische EAD-Anwendung schlechthin. An seinem Beispiel kanndas enorme Potential eines übergreifenden Zugangspunktes (oder„Clearinghouse“) studiert werden. Für den Nutzer gibt es einenimmer wiederkehrenden „point of entry“, die verwahrenden Institu-tionen werden durch deutliche Hervorhebung dem Benutzer zurKenntnis gegeben und immer mit angezeigt. Als EAD-Anwendungdokumentiert es, dass dieser Standard auch im Bibliotheksbereichsinnvoll eingesetzt werden kann, wenn Archivgut bearbeitet wird.SCRAN, das 1996 ins Leben gerufene „Scottish Cultural ResourceNetwork“, kann man in vielerlei Hinsicht mit Recht als einenMarkstein und Vorbild auch für ein weitergehendes Netzwerk von Archiven Bibliotheken und Museen ansehen25. War es anfangsausschließlich auf die schottische Geschichte und Kultur focussiertund umfasste es vor allem Informationen über Einrichtungen ausSchottland, so nutzen zunehmend auch Institutionen aus ganzGroßbritannien die Möglichkeiten. Es richtet sich in erster Linie an Schüler/Studenten sowie Lehrende an Schulen und Hochschulenals Zielgruppe, und es ist auch nur für diese Zielgruppe kostenfrei

Screenshot einer Seite aus ArchiveGrid mit einer Beschreibung des Holocaust Memorials zum Bestand 10736 Ministerium des Innern im Hauptstaatsarchiv Dresden

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nutzbar. Die Nutzungskosten werden zum Betrieb der notwendigenInfrastruktur eingesetzt. SCRAN ermöglicht aktuell Zugriff auf eine Drittel Million Medieneinheiten von 360 Museen, Archivenund Bibliotheken Schottlands. SCRAN bietet dabei Zugriff nichtnur auf die Erschließungsdaten, sondern auf digitalisierte Derivateder Objekte selbst. Besonderer Wert wird auf Multimedia-Anwen-dungen gelegt. SCRAN wurde als sog. MILLENIUM-Projekt derbritischen Regierung im Jahr 1996 initiiert und mit 15 Mio. Pfundaus Lotteriemitteln als Anschubfinanzierung ausgestattet. Auftrag-nehmer für die Initialisierungsphase war eine extra gegründeteFirma in einer Rechtsform, die etwa mit einer gemeinnützigenGmbH vergleichbar ist. Heute ist SCRAN als „Trust“ organisiert.Der im Rahmen von EUAN entwickelte Ansatz für den Zugangwurde um die digitalen Objekte erweitert und verfeinert. Als Kerndes Systems fungiert eine Datenbank, die MARC 21 und EAD-Datenformate verarbeiten kann. Die technischen Anwendungen sindvollständig durch Open-Source-Software realisiert. Das Datenvolu-men liegt derzeit bei ca. 4 Terabyte.Diese kurzen Erläuterungen zu einigen abgeschlossenen oder laufen-den Projekten müssen hier genügen. Sie zeigen, was Realität ist.Allerdings sind einige Aspekte noch nicht ganz zufrieden stellendgelöst. Offen bleiben z. B. rechtliche Fragen hinsichtlich der Grenzender Gemeinfreiheit oder des an die Person gebundenen Rechtes aufinformationelle Selbstbestimmung, Fragen, die nicht nur im Einzel-fall nach Lösungen verlangen, sondern gut handhabbar für eineVielzahl von Einzelfällen sein müssen. Nicht alles, was wünschens-wert wäre, wird auch zu realisieren sein, wenn man bedenkt, dass essich um ein Massengeschäft handelt. Diese Frage gewinnt an Ge-wicht, wenn man die massenhafte Digitalisierung angeht. Rechts-dogmatische Betrachtungsweisen zu diesem Komplex sind aller-dings wenig hilfreich.Die Datenqualität wird für den Nutzer eines Archive, Bibliothekenund auch Museen umfassenden Netzwerkes nur dann zum Problem,wenn das, was als Bestandsinformation präsentiert wird, nicht aussich selbst heraus verständlich ist. Die konsequente Anwendung vonStandards hilft (aber ist kein Garant), Datenqualität zu sichern.Aber: In allen drei Institutionengruppen haben wir es mit erhebli-chen Altdatenbeständen zu tun, die häufig gerade die zentralenBereiche der Überlieferung bzw. einer Sammlung betreffen. Ohneeine breit angelegte Retrokonversion alter analoger Findmittel inVerbindung mit Verbesserungen der Erschließungsqualität, die einefür den Nutzer hinreichende Verständlichkeit absichern, wird nichtauszukommen sein. Hinzu kommt, dass einmal bereit gestellteInformationen veralten können, sie somit gepflegt und ergänztwerden müssen. Dies kann über normale Datenpflege im Rahmenvon üblichen Routineprozessen hinausgehen, der dafür erforderliche,erhebliche Aufwand muss von Anfang an berücksichtigt werden. Die

dafür erforderlichen Entscheidungen im Bestandsmanagement, aberauch auf strategischer Ebene sind jetzt zu treffen: So einmal neben-bei sind die skizzierten Ziele nicht umsetzbar. Aus archivischerPerspektive wird zunächst auf Erschließungsrückstände und einenerheblichen Bedarf an Retrokonversion bislang nur analog vorliegen-der Erschließungsdaten hinzuweisen sein: Hier werden im Augen-blick erhebliche, vielfältige Anstrengungen unternommen, um rascheine „kritische Masse“ von Erschließungsdaten so bereit zu stellen,dass sie im Rahmen des hier skizzierten Ansatzes genutzt werdenkönnen.Eine mediengerechte bzw. objektgerechte Präsentation sowohl vonErschließungsdaten wie auch von digitalisiertem Archivgut wirdzumindest zu Anfang mehrere Zugriffspunkte und mehrere Zu-griffsebenen erfordern, bevor eine Lösung wie bei ArchiveGriderreicht wird. Entscheidend ist der Einstieg über eine Suchbarkeitvon einem Zugriffspunkt aus. Normdaten für Personen, Familienund Körperschaften erleichtern diesen Einstieg ganz erheblich.Die Beispiele und bisherigen Projekte waren und sind immer beiden großen, zentralen Institutionen angesiedelt. Für die Entwicklungvon Prototypen, den Test von Werkzeugen und den Aufbau vonTestumgebungen ist dies gut und richtig. Aber die Vielfalt derkulturellen Überlieferung wird erst dann sichtbar werden, wennauch mittlere und kleine Institutionen in ein Netzwerk einbezogenwerden und die Arbeitsabläufe auch für sie beherrschbar sind.Regionale, Institutionen übergreifende Verbünde können hier helfen,ebenso die Öffnung der bislang von den Bibliotheken betriebenenZentren z. B. zur Digitalisierung für die anderen Institutionen.Gerade im Archivbereich bieten existierende Portallösungen Ansätzefür eine Weiterentwicklung. Für den durchaus vergleichbar gelager-ten Fall der Archivierung elektronischer Unterlagen hat sich derAufbau von Kompetenznetzwerken gut bewährt.Die beschriebenen Beispiele zeigen allerdings auch die Machbarkeiteines Institutionen übergreifenden Ansatzes. Das methodischeRüstzeug steht bereit, es ist offen für Erweiterung durch Integration.Allerdings wird darauf zu achten sein, auch einer möglichst großenZahl von vielfältigen Einrichtungen einen Weg in einen Gateway derKulturinstitutionen zu öffnen und zu erhalten. Auf die Dauer wirdes schwierig werden, die Infrastruktur zu unterhalten, zu sichernund zu aktualisieren, wenn Archive nicht stärker das Potentialnutzen, das in Konsortien und Verbünden liegt. Es stellt sich dabeiauch die Frage der Finanzierung: Zu prüfen wäre, ob Public-Private-Partnerships mit entsprechender vertraglicher Ausgestaltung hiernicht ein gangbarer Weg sein könnten. Öffentliche Institutionen

24 http://archivegrid.org (Stand: 20. November 2007).

25 www.scran.ac.uk (Stand: 24. November 2007).

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Welcher Nutzer kann unterscheiden, ob ein Katalogisat nach RAKoder RDA erstellt wurde? Welcher Nutzer erkennt, ob der Archivarnach ISAD(G) oder OVG erschlossen hat? Zu finden, was er sucht,dies mit einer hinreichenden Datenqualität und einer verständlichenDatenstruktur ist für ihn das wichtige Kriterium. Dazu kommenSuchroutinen – vor kurzem war an anderer Stelle in diesem Zusam-menhang von „Kulturgut affinen Suchmaschinen“ die Rede – undPräsentationsformen, die den Nutzer strukturbezogen statt in eineDatenwüste (à la Google) in eine Präsentationsumgebung führt, diefür ihn überschaubar bleibt.Der webbasierte Zugang zu den Bestandsdaten allein reicht längstnicht mehr aus. Das ist nun keine neue Erkenntnis. Aber die Konse-quenz daraus, nämlich in Verbindung mit den Bestandsinformatio-nen auch Zugriff auf digitalisiertes Archiv- und Bibliotheksgut unddigitale Derivate von Museumsbeständen zu liefern, wird zuneh-mend und rasch entscheidend werden. Andere Einrichtungen –siehe SCRAN – oder auch die Prototypen der mit Digitalisatenangereicherten Findbücher im Rahmen von <daofind> zeigen, wiees gehen könnte und wo Grenzen liegen, welche Fehler man vermei-den sollte. Eine Lösung, die zu einer nachhaltigen Verbesserung desNutzungskomforts führt, sollte schon aus gemeinsamen Interessenheraus in einem gemeinsamen Netzwerk realisiert werden. Dabeiwerden die vorliegenden Ergebnisse von Digitalisierungsprojekten

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AUFSÄTZE

allein werden auf die Dauer eine Unterhaltung und Fortentwicklungeiner Infrastruktur, wie sie ein solches Projekt erfordert, nicht leistenkönnen. Auch EU und nationale Förderorganisationen sind bereit inForschung zur Entwicklung neuer Technologien und Strategien indiesem Bereich zu investieren, aber den dauerhaften Betrieb derdann entstandenen Netzwerke fördern sie nicht.Die genannten Aspekte bilden Elemente eines Wissensmanagementsim Archivbereich.26 Es konnte hier nur angedeutet werden, dass imRahmen laufender Projekte in den Bereichen Museum, Bibliothekund Archiv eine ganze Reihe spezifischer, aber auch übergreifendgenutzter (oder doch nutzbarer) Standards entwickelt wurden. Es istso ein Werkzeugkasten entstanden, der vielfältige Lösungen ermög-licht. Das ist von Vorteil; Versuche einer weitergehenden nationalenStandardisierung sollten wir erst gar nicht unternehmen. Standardsim Rahmen eines Institutionen übergreifenden Netzwerkes sollteninternational sein. Anwendbarkeit und Interoperabilität sollen dieentscheidenden Fragen hinsichtlich der Nutzung sein. Es heißt,Abschied zu nehmen von nationalen Entwicklungen und den damitverbundenen Traditionen, genauso, wie die großen Ein-für-Alles-Lösungen der Vergangenheit angehören werden. International undgemeinsam entwickelte Lösungen plus nationale Implementierungs-hilfen sind ein besserer Weg. Und: Wir müssen wegkommen davon,Lösungen in erster Linie von der „Produktionsseite“ her zu denken:

Screenshot einer Seite aus SCRAN

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aufzugreifen und zusammenzuführen sein. Denkbar sind dabeiauch zunächst einmal regionale Kooperationen, wie sie etwa imAusstellungsbereich seit Langem Tradition haben und wie sie archiv-übergreifend bereits erfolgreich durchgeführt werden27. Gerade andiesen Beispielen zeigt sich, dass eben auch kleinere Institutionen„Flagge zeigen“ können. Der Einsatz von Werkzeugen auf der Basisinternationaler Standards wird auch auf dieser Ebene unverzichtbarsein: „What you do in privacy of your own repository, is your ownbusiness. But when you go out into the world dress up in a stan-dard!“28 ■

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THE DEVELOPMENT OF INTERNATIONAL DESCRIPTIVESTANDARDS: BALANCE AND PERSPECTIVE

Access is what counts: Based on this new paradigm and strategic pointof view the author discusses strategies and methods of the implementa-tion of international standards for archival description. He describesthe development of ISAD(G) and ISAAR(CPF), EAD and EAC andgives an outline on recent developments in the field of descriptiveStandards by the Committee on Best Practice and Standards of theInternational Council on Archives. In a second part the paper compa-res descriptive and presentation systems in archives, libraries andmuseums. It takes the point that cooperation by creating “crosswalks”,common portals and cultural heritage compliant search-engines arenecessary to improve the accessibility to archives, libraries and mu-seums from a single point of entry and the visibility of the interrela-tedness of collections between institutions from different branchesand/or regions as the major benefits for researchers from this ap-proach.

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26 Zur Frage Wissensmanagement und Archive Angelika Menne-Haritz, Wissensmanagement und Archi-ve – Angebote der Archivwissenschaft für ein neues Wissenskonzept. Der Archivar, Jg. 54, H. 4, 2001,S. 303-309. Zu den Strategien zur Bereitstellung von webbasierten Erschließungsinformationen u. a.Nils Brübach, Normierung, Erschließung und die Präsentation von Erschließungsergebnissen. In: Ar-bido (2005) Nr. 5, S. 42-59.

27 Erinnert sei an regionale Archivportallösungen, die mittlerweile den gesamten Bereich der alten Bun-desrepublik abdecken, und an das Netzwerk SED/FDGB-Archivgut.

28 Daniel Pitti, Intentions and Impact of Encoded Archival Context. Vgl. www.instada.eu.

Dr. Nils BrübachSächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv DresdenArchivstr. 1401097 DresdenTel. 0351-8006-0, Fax 0351-8021274E-Mail: [email protected]

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AUFSÄTZE

Das Archivwesen hat in der letzten Zeit einen tiefgehenden Wandelerfahren, von dem alle Arbeitsbereiche erfasst wurden. DieserWandel ist mit dem Stichwort „Digitalisierung“ benannt. DieArchive sichern digital entstandene Unterlagen. Sie machen im NetzInformationen zu ihren Beständen und Teile des Archivguts zugäng-lich. Sie geben digitale Reproduktionen ab. Und sie nutzen dasInternet als Medium der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Im Landesarchiv Baden-Württemberg sind entsprechende Aktivitä-ten schon seit langem forciert worden. In der letzten Zeit wurdedabei immer deutlicher, dass es einer ganzheitlichen Sichtweise undStrategie für die Planung und Koordination dieser Arbeit bedarf. ImFrühjahr 2006 wurde daher beim Präsidenten des Landesarchivseine Projektgruppe gebildet, die sich mit der Strategieentwicklung indiesem Sinne befassen sollte. Mitglieder waren und sind neben demPräsidenten der Inhaber der Stabsstelle beim Präsidenten, die ihn beider Strategieentwicklung unterstützen soll, der Leiter des IuK-Refe-rats und der Leiter des Aufbaustabs für die Langzeitsicherung elek-tronischer Unterlagen, der im Rahmen eines Projekts beim Staatsar-chiv Ludwigsburg eingerichtet ist. Nähere Abstimmungen erfolgtenmit dem Leiter des Instituts für Erhaltung von Archiv- und Biblio-theksgut in Ludwigsburg bei allen Fragestellungen, von denen dieanaloge Bestandserhaltung und die Mikrografie betroffen waren. Im Oktober 2006 fand im Staatsarchiv Ludwigsburg für Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter aus allen Arbeitsbereichen eine Informati-onsveranstaltung statt, in der über den aktuellen Stand des Projektszur Langzeitverfügbarkeit digitaler Unterlagen berichtet und die

Schnittstellen zu anderen Arbeitsfeldern – von der Zugänglichma-chung elektronischer Findmittel bis zur Reproduktionenverwaltung– diskutiert wurdena. Gerade in dieser Veranstaltung wurde deut-lich, dass es einer ganzheitlichen Strategie als Arbeitsgrundlagebedarf, um Doppelarbeit zu vermeiden, ein Nebeneinander nichtkompatibler Anwendungen auszuschließen und Synergien zu nut-zen. Dazu kommt, dass es nur im Rahmen einer umfassendenStrategie möglich ist, Prioritäten für die weitere Ausbildung desLandesarchivs als Dienstleister in der digitalen Welt festzulegen undeinen Aktionsplan dafür zu entwickeln. Ende 2006 ist daher in der Abteilungsleiterbesprechung des Landes-archivs eine Verständigung darauf erfolgt, ein entsprechendesStrategiepapier zu erarbeiten. Der Entwurf, den die eingangs ge-nannte Projektgruppe beim Präsidenten erarbeitet hatte, wurde imSommer 2007 mit den Abteilungsleiterinnen und -leitern abge-stimmt. Auf seiner Grundlage wurde sodann von der Projektgruppeder Entwurf eines Aktionsplans zur Umsetzung erarbeitet, der aufeiner weiteren Abteilungsleiterbesprechung diskutiert und in denEckpunkten verabschiedet wurde. Die weitere Ausgestaltung imBlick auf die mittelfristige Planung und die Jahresplanung 2008 istdann in Besprechungen erfolgt, die von der Abteilung „Fachpro-gramme und Bildungsarbeit“ und dem IuK-Referat mit den einzel-nen Archivabteilungen des Landesarchivs geführt wurden. DieErgebnisse dieser Besprechungen wurde Ende 2007 auf einer Abtei-lungsleiterbesprechung vorgestellt. Dabei ist eine Verständigung aufkonkrete Projekte im Rahmen des Aktionsplans erfolgt, die nun im

DAS LANDESARCHIVBADEN-WÜRTTEMBERG IN DER DIGITALENWELT

von Robert Kretzschmar

EINFÜHRUNG UND TEXTABDRUCK

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STRATEGIE FÜR DIE INTEGRATION VON DIGITALEM UND ANALOGEM ARCHIVGUT, DIE DIGITALISIERUNG VON ARCHIVGUT UND DIE ERHALTUNGDIGITALEN ARCHIVGUTS

1. Integration von analogem und digitalem Archivgut2. Verbesserte Zugänglichkeit und erweiterte Nutzungsmöglichkei-

ten von Archivgut3. Schutz und die Erhaltung des analogen und digitalen Archivguts4. „Open Access“ und wirtschaftliche Verwertung von digitali-

siertem Archivgut5. Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit der Maßnahmen bei der

Digitalisierung und digitalen Bestandserhaltung

EinleitungDas Landesarchiv Baden-Württemberg versteht sich auf der Grund-lage des Landesarchivgesetzes als landeskundliches Kompetenzzen-trum in Baden-Württemberg und hat den Auftrag, Archivgut als Teildes kulturellen Erbes und der Erinnerungskultur zu sichern, zuerhalten und zugänglich zu machen. An diesem kulturellen Erbesollen alle interessierten Bürgerinnen und Bürger partizipierenkönnen. Das Ziel, den Bekanntheitsgrad des Landesarchivs auszu-weiten und die Zahl seiner Nutzer zu erhöhen, ist kein Selbstzweck,sondern im gesetzlichen und damit gesellschaftlichen Auftragverankert, das Archivgut des Landes allgemein zur Verfügung zustellen.Um dieses Ziel in der digitalen Welt zu erfüllen, sind neue Strategienerforderlich. Für die kunden- und ergebnisorientierte Planung derArbeitsfelder „Digitalisierung“, „Reprografie“ und „digitale Be-standserhaltung“ sind diese Strategien ganzheitlich zu einer umfas-senden Digitalisierungsstrategie aufeinander abzustimmen1, in derdie grundsätzlichen Linien für die nachträgliche Digitalisierung wieauch die digitale Bestandserhaltung – d.h. die Langzeitsicherungvon digitalen Verwaltungsunterlagen und von digitalen Reproduk-tionen2 – festgelegt werden3. Die Bestände des Landesarchivs bestehen schon heute aus analogen

Rahmen der haushaltsrechtlichen Möglichkeiten Schritt für Schrittumgesetzt werden.Gegliedert ist der Aktionsplan in einzelne Arbeitsfelder. Ein wesent-liches Aktionsfeld lautet „Verbesserte Zugänglichkeit und erweiterteNutzungsmöglichkeiten von Archivgut“. Konkret bedeutet dies dieKonversion aller bestehender Findmittel im Hinblick auf eineOnline-Bereitstellung und die Digitalisierung ausgewählter Archiv-bestände und Online-Bereitstellung im Kontext der Erschließung.Bei den Maßnahmen und Projekten für die Jahresplanung 2008wurde unterschieden zwischen Infrastruktur-maßnahmen undkonkrekten Konversions- und Digitalisierungsprojekten. Die wesentliche Infrastrukturmaßnahme ist die Umsetzung dersogenannten „Reproduktionenverwaltung im Rahmen der Weiter-entwicklung des Archivinformationssystems MIDOSA 21“b. Hierfürwurde bereits eine Projektgruppe einberufen, die sich mit denverschiedenen Aspekten in verschiedenen Unterarbeitsgruppenbeschäftigt. Dazu gehört auch die Entwicklung und Umsetzungeines Digitalisierungsworkflows und einer Speicherkonzeption. Der Vorbereitung konkreter Konversions- und Digitalisierungspro-jekte dienten die schon erwähnten Gespräche, die von der Abteilung„Fachprogramme und Bildungsarbeit“ und vom IuK-Referat mitden Archivabteilungen geführt wurden. Ziel dabei war, möglicheProjekte für die Konversion von Findmitteln und die Digitalisierungvon Archivgut zu definieren. Zu den konkreten Projekten gehören z. B.die Retrokonversion der Findmittelkartei „Ministerialbestände (230-238)“ in der Abteilung Generallandesarchiv Karlsruhe und dieDigitalisierung der sogenannten jüdischen Standesbücher in derAbteilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Einbezogen wurde auch einPilotprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Retrokon-version von Findmitteln. Das Landesarchiv erhofft sich insgesamtbei der Retrokonversion von Findmitteln eine Unterstützung durchdie DFG-Aktionslinie. Ziel ist, in einem Zeitraum, der nunmehr als„unter 10 Jahren“ definiert wurde, alle Findmittel, die keinen rechtli-chen Beschränkungen unterliegen, im Netz zugänglich zu machen. Vor dem Hintergrund der 2005 erfolgten Bildung des Landesarchivsfügt sich die Digitalisierungsstrategie mit dem Aktionsplan ein inein ganzheitliches Aufgabenverständnis, das für das Landesarchiventwickelt wurdec. Auf das 2005 ausformulierte Selbstverständnisdes Landesarchivs als „landeskundliches Kompetenzzentrum“ ist inder Einleitung zur Digitalisierungsstrategie ausdrücklich Bezuggenommen. In kooperativen Formen wurde eine Arbeitsgrundlagegeschaffen, die für die nächsten Jahre die Arbeit im Landesarchivwesentlich bestimmen soll.Der Text ist im Folgenden abgedrucktd.

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a Vgl. dazu Clemens Rehm, Landesarchiv Baden-Württemberg diskutiert erste Ergebnisse zur Archivie-rung elektronischer Unterlagen. In: Archivnachrichten Baden-Württemberg 33/2006, S. 2.

b Zu MIDOSA 21 vgl. die unten im Text der Digitalisierungsstrategie Anm. 10 genannte Literatur.

c Zur Bildung und weiteren Ausgestaltung des Landesarchivs vgl. Robert Kretzschmar, Auf einer Stufezukunftsfähig? Die staatliche Archivverwaltung Baden-Württemberg in der Verwaltungsreform. In: DerArchivar 59 (2006) S. 6-12; Robert Kretzschmar, Weitere Ausgestaltung des Landesarchivs Baden-Würt-temberg. Organisatorische und personelle Veränderungen – Fortentwicklung der Fachkonzepte. In: Ar-chivnachrichten Baden-Württemberg 33/2006, S. 3-4.

d Auf die erneute Nennung des Obertitels „Das Landesarchiv Baden-Württemberg in der dgitalen Welt“wurde dabei verzichtet.

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AUFSÄTZE

und digitalen Unterlagen, die in vielfacher Weise miteinander inBeziehung stehen. Stellen, deren Unterlagen das Landesarchivübernimmt, produzieren analoge und digitale Unterlagen, die somitgleicher Herkunft und oft sogar aufeinander bezogen sind. DasLandesarchiv muss daher die Strategie verfolgen, Fachkonzepte füreine Integration des analogen und digitalen Archivguts zu ent-wickeln. Betroffen sind davon alle Arbeitsfelder von der Überliefe-rungsbildung über die Erschließung bis hin zur Bereitstellung vonReproduktionen. Im Sinne einer verbesserten Kundenorientierung und des e-Govern-ments besteht ein vorrangiges Ziel darin, den digitalen Zugang zuden Beständen des Landesarchivs auszubauen, um die Möglichkei-ten zur Nutzung des Archivguts unabhängig von Zeit und Ortweiter zu optimieren. Die archivkonforme und nutzungsfreundlicheBereitstellung von Online-Findmitteln und digitalisiertem Archiv-gut, die bereits praktiziert wird, muss weiterentwickelt werden. Digitale Nutzungsformen bedeuten zugleich einen verstärktenSchutz des analogen Archivguts vor Gefährdungen. Eine besondereHerausforderung stellt die nicht mehr aufschiebbare Verpflichtungdar, digitales Archivgut dauerhaft aufzubewahren und nutzbar zumachen. Hierfür wird zurzeit im Landesarchiv eine Konzeption zurLangzeitsicherung digitaler Unterlagen entwickelt und in der Praxiserprobt. Digitale Unterlagen werden bereits archiviert. Das Landesarchiv garantiert unter Beachtung der rechtlichen Rah-menbedingungen den freien Zugang („Open Access“) zum digitalenund digitalisierten Archivgut. Im Netz werden zum einen Informa-tionen bereitgestellt, in denen das Archivgut beschrieben wird, zumanderen aber auch die digitalen und digitalisierten Bestände selbst.Dies schließt eine wirtschaftliche Verwertung zusätzlicher Dienstleis-tungen für bestimmte Zielgruppen nicht aus.Alle Ziele sollen unter möglichst breiter Abwägung der einsetzbarenVerfahren, Methoden und Technologien mit wirtschaftlichem undnachhaltigem Ressourceneinsatz erreicht werden.Das Landesarchiv Baden-Württemberg verfügt auf den genanntenFeldern bereits über Erfahrungen4, die es auch in nationale undeuropäische Kooperationen einbringt. Dies eröffnet Möglichkeiten,über das Bundesland Baden-Württemberg hinaus allgemeine Ent-wicklungen mit zu bestimmen. Im Rahmen der Digitalisierungsstrategie werden daher die folgen-den Punkte behandelt:1. Integration von analogem und digitalem Archivgut2. Verbesserte Zugänglichkeit und erweiterte Nutzungsmöglichkei-

ten von Archivgut3. Schutz und die Erhaltung des analogen Archivguts (durch Bereit-

stellung von Nutzungsmedien) sowie des digitalen Archivguts 4. „Open Access“ und wirtschaftliche Verwertung von digitalisier-

tem Archivgut, sofern Leistungen erbracht werden, die über die Bereitstellung von Informationen zu den Beständen und digitaler Bestände hinausgehen

5. Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit der Maßnahmen bei der Digitalisierung und digitalen Bestandserhaltung

Die Digitalisierungsstrategie des Landesarchivs Baden-Württembergbildet die Grundlage für einen Aktionsplan zu einzelnen Aktionsfel-dern, die mit diesen Punkten korrespondieren5.

1. Integration von analogem und digitalem Archivgut

Digitalisate und digital übernommene Unterlagen treffen im Lan-desarchiv Baden-Württemberg auf eine seit Jahrhunderten gewach-sene Überlieferung aus Papier und Pergament. Auch in den Behör-

den treffen die Aussonderungsreferenten auf eine bunte Mischungkonventioneller und digitaler Unterlagen. Digitale Archivalien undReproduktionen haben zwar ihre eigenen Qualitäten und müssenanders als konventionelles Archivgut archiviert werden. Dennoch istes von zentraler Bedeutung, beide Welten in allen Bereichen aufein-ander zu beziehen und entsprechend ihrer jeweiligen Stärken auszu-bauen.Schon bei der archivischen Überlieferungsbildung müssen konven-tionelle und digitale Unterlagen zusammen betrachtet werden. Beider Aussonderung ist daher in den Behörden gezielt nach beidenÜberlieferungsformen zu fragen. Die Bewertung von konventionel-len und digitalen Unterlagen muss aufeinander bezogen sein undunter den Prämissen der Informationsdichte, Authentizität undNutzerfreundlichkeit erfolgen. Querschnitte durch bestehendeDatenbanken bieten sich für die dauerhafte Archivierung an, wennGrundinformationen zu allen Unterlagen gesichert und eine maschi-nengestützte Auswertung gewährleistet werden soll. Zugleich sinddie meisten Akten aber auch weiterhin auf Papier – und dann jenach Bewertungsmodell vollständig oder nach bestimmten Auswahl-verfahren – zu übernehmen, wenn nur durch sie tiefer greifendeAnalysen der Einzefälle möglich sind. Künftige Nutzer werden beideÜberlieferungsformen aufeinander beziehen: So können z. B. Daten-bankschnitte den Hintergrund bieten, vor dem ein auf Papier über-lieferter Einzelfall zu interpretieren ist. Diese Möglichkeiten mussdas Landesarchiv seinen künftigen Benutzern allerdings bewussteröffnen. Eine komplementäre Überlieferungsbildung konventionel-ler und digitaler Unterlagen ist dafür Grundvoraussetzung.In den Bereichen der Archivierung, Bestandserhaltung und Nutzungsind drei Maßnahmen umzusetzen:1. Einheitliches Signaturenschema: Die Bestellung analoger und

digitaler Archivalien erfolgt nach denselben Regeln. Das Landes-archiv Baden-Württemberg wendet daher auf seine digitalenArchivalien dasselbe Signaturschema wie bei den konventionellenUnterlagen an.

2. Umfassendes Nachweissystem: Digitale Archivalien werden in denbestehenden Tektoniken der Archivabteilungen nachgewiesen.Die Benutzer müssen daher nur durch ein Nachweissystem(Tektonik) gehen, um sowohl analoges als auch digitales Archiv-gut recherchieren zu können. An einer Stelle in der Beständeüber-sicht wird alles Archivgut nachgewiesen, das zu dieser Provenienzarchiviert wird. Damit ist es möglich, auch hybride Bestände undhybride Einzelakten in ihrer gegebenen Einheit zu belassen undin Einheit mit nahe stehenden Akten und Beständen nachzuweisen.

3. Einheitliche Verwaltung aller Erscheinungsformen: Digitale undkonventionelle Reproduktionen stehen in zunehmendem Maßeneben den analogen Originalen. Teilweise existiert ein Archivalegleichzeitig in mehreren Erscheinungsformen. Sowohl für dieBestandserhaltung als auch für die Benutzung ist es daher not-wendig, von einer Titelaufnahme aus alle darauf bezogenen undvom Landesarchiv verwahrten Erscheinungsformen auffinden zukönnen. Zur Erreichung dieses Ziels muss zunächst ein ausrei-chendes Metadatenschema entwickelt werden. In einem zweitenSchritt wird dann das archivische Informationssystem des Lan-desarchivs so weiterentwickelt, dass damit neben den analogenOriginalen auch digitale Unterlagen und Reproduktionen ein-heitlich nachgewiesen werden können.6 Sowohl für die Bestands-erhaltung als auch für die Nutzung bedeutet dies durch dieWahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Überlieferungsformen(„Repräsentationen“) eine Erweiterung der archivischen Hand-lungsspielräume.

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2. Verbesserte Zugänglichkeit und erweiterte Nutzungsmöglichkeiten von Archivgut

Das Landesarchiv Baden-Württemberg verfügt seit 1997 über Erfah-rungen in der Nutzung des Internets für die Präsentation archivi-scher Bestände in Form von Online-Findmitteln und digitalisiertemArchivgut7. Inzwischen sind die Beständeübersichten aller Archivab-teilungen vollständig online recherchierbar. Das Online-Angebotwird kontinuierlich ausgebaut. Derzeit (Mai 2007) sind über 3.000Online-Findmittel mit 1,2 Mio. archivischen Titelaufnahmen,600.000 Schlagworten und rund 55.000 Digitalisaten verfügbar.Mit der Digitalisierung von Archivgut verfolgt das LandesarchivBaden-Württemberg als wesentliches Ziel eine Verbesserung derNutzungsmöglichkeiten von Archivgut und des Nutzungskomforts.Als Folge wird angestrebt, den Bekanntheitsgrad des Landesarchivsund die Nutzungen (Lesesaal, Online-Findmittel etc.) zu erhöhen.Dafür sind folgende Maßnahmen vorgesehen:1. Verbesserung von Nachweis und Recherche über Online-Find-

mittel und Fachportale im Internet2. Bereitstellung von digitalisiertem Archivgut im Kontext der

Erschließungsinformationen3. Entwicklung rationeller Methoden und Systeme zur organisatori-

schen und wirtschaftlichen Bewältigung der zuvor genanntenPunkte.

Die Online-Findmittel enthalten die Erschließungsinformationenfür Archivbestände in vielseitig recherchierbarer Form. Auf ihrerGrundlage kann Archivgut in die Lesesäle der Archivabteilungen inFreiburg, Karlsruhe, Ludwigsburg, Neuenstein, Sigmaringen, Stutt-gart und Wertheim bestellt werden.Ziel ist es, sämtliche Findmittel, die zu einem großen Teil noch inPapierform vorliegen, in einem überschaubaren Zeitraum im Inter-net oder – sofern sie noch nicht frei zugänglich sind – im Intranetzugänglich zu machen. Gleichzeitig sollen die digitalenErschließungsinformationen standardisiert in nationalen undinternationalen Internet-Portalen oder Online-Informationssystemenbereitgestellt werden8. Neben der Bereitstellung von Online-Findmitteln beabsichtigt dasLandesarchiv Baden-Württemberg auch verstärkt digitalisiertesArchivgut selbst online verfügbar zu machen und zusätzlich alsMehrwertdienst dem Nutzer in Form von digitalen Reproduktionenzur Verfügung zu stellen. Mit der selbst entwickelten Technik zurOnline-Präsentation von Quellen werden bisherigen Nutzern neueDienstleistungen angeboten und neue Nutzerkreise für die Dienstleis-tungen der Archive interessiert. Durch technische Möglichkeiten inden Präsentationsmodulen (Kontrastverschärfung, Lupenfunktion)kann teilweise sogar die Lesbarkeit gegenüber den Originalaufzeich-nungen verbessert werden. Nutzer können anhand online verfügba-rer Abbildungen genauer planen, wie viel Zeit sie für die Auswer-tungsarbeit im Archiv aufwenden müssen, bzw. prüfen, ob dieNutzung sich auf die Nutzung am Bildschirm beschränken kann.Außerdem können auf elektronischem Weg die unterschiedlichstenDigitalisate auch vernetzt angeboten werden. Mit einer georeferen-zierten Präsentation von Archivgut wird ein entscheidender Schrittzum kundenfreundlichen Zugang zu archivischen Quellen eröffnet.Die elektronische Präsentation ermöglicht eine zielgruppenorientier-te und zielgruppengerechte Ansprache. In diesem Zusammenhangsind die aktuellen Strategien und Formen der Erschließung laufendzu reflektieren. Darüber hinaus können digitalisierte Archivalienden Nutzungskomfort und die Akzeptanz bei der Nutzung vonReproduktionen anstelle der Originale erheblich erhöhen. Dies gilt

insbesondere dann, wenn Digitalisate anstelle des Mikrofilms alsNutzungsmedium zur Verfügung stehen. Der Mikrofilm wird vomLandesarchiv weiterhin als das ideale Langzeitspeichermediumangesehen9. Da aufgrund eingeschränkter Ressourcen nicht alle Bestände gleich-zeitig und vollständig digitalisiert werden können, müssen bei derDigitalisierung Prioritäten gesetzt werden. Sachgerechte Kriterientragen dazu bei, die Angebote so attraktiv zu machen, dass sieregelmäßig genutzt werden. Wesentliche Kriterien sind die Nutzungsfrequenz und Attraktivitätdes Archivguts. Darüber hinaus kommen für die DigitalisierungBestände in Frage, bei denen die Digitalisate Informationen enthal-ten, die mit Hilfe der klassischen Erschließungsinstrumente (Titel-aufnahme) nicht oder nur mit hohem Aufwand zur Verfügunggestellt werden können (z. B. Bestände mit Photos, Bildern, Plänenoder auch Urkunden, zu denen nur Kurzregesten vorliegen). Häufiggenutzte Bestände und Archivalien sind dabei vorrangig in digitalerForm bereitzustellen. Bestände oder Archivalien, die für die Bil-dungsarbeit und Archivpädagogik besonders geeignet sind, sollen indigitalisierter Form mit ergänzenden e-Learning-Komponentenangeboten werden, um z. B. in Themen, Bestände, Quellengattungenoder allgemein in die archivische Arbeit einzuführen. Durch dieDigitalisierung „on demand“ entstehen digitale Abbildungen, diegleichzeitig im Kontext der vorhandenen Erschließungsinformatio-nen online zur Verfügung gestellt werden können.Die Integration von Digitalisaten in Online-Findmittel sowie dieVerwaltung und Präsentation erfordern hohen Personaleinsatz.Daher muss die Erstellung, Verwaltung und Bereitstellung digitaler

1 Das vorliegende Strategiepapier wurde von einer Arbeitsgruppe erarbeitet, der Christian Keitel, RobertKretzschmar (Vorsitz), Gerald Maier und Clemens Rehm angehören. Sie wurde im Sommer 2006 vomPräsidenten des Landesarchivs mit dem Ziel gebildet wurde, ein entsprechendes Strategiepapier zu for-mulieren. Aussagen zur analogen Bestandserhaltung und Mikrografie wurden in Zusammenarbeit mitFrieder Kuhn vom Institut für Erhaltung von Archiv- und Bibliotheksgut in Ludwigsburg erarbeitet.Mit den Abteilungsleitungen des Landesarchivs wurde der Text abgestimmt. Er soll der internen Ver-ständigung im Landesarchiv dienen und zugleich als Basis für die Diskussion mit Fachkollegen, poli-tischen Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit Verwendung finden, indem er auf die jeweiligeZielgruppe zugeschnittenen Papieren zugrunde gelegt wird (vgl. auch unten „Weitere Schritte“).

2 Der Begriff „digitale Bestandserhaltung“ bezieht sich einerseits auf die Erhaltung und Langzeitsiche-rung von digitalem Archivgut, das aus digitalen Verwaltungsunterlagen gebildet ist, andererseits aufden Einsatz der Digitalisierung für bestandserhaltende Maßnahmen (u.a. Erstellung von Reproduk-tionen). Er ist passender als der Begriff „Langzeitarchivierung“, da „Archivierung“ im Sinne der Ar-chivwissenschaft immer eine dauerhafte Aufbewahrung impliziert.

3 Eine Strategie des Bundesarchivs vom April 2006 ist unter dem Titel „Digitalisierung im Bundesarchiv– Strategie für den Einsatz neuer Techniken der Digitalisierung zur Verbesserung der Zugänglichkeitdes Archivguts und zu seinem Schutz“ veröffentlicht unter www.bundesarchiv.de/aktuelles/fachinfor-mation/00046/index.html. Verglichen mit der Strategie des Bundesarchivs, die in vielen Bereichen auchVorbild für die Strategie des Landesarchivs Baden-Württemberg ist, enthält die Konzeption Baden-Würt-tembergs auch Zielvorstellungen zur so genannten digitalen Bestandserhaltung und zu einem integra-tiven Konzept für die Archivierung analoger und digitaler Unterlagen.

4 Zu nennen sind vor allem abgeschlossene und laufende Forschungsprojekte zu folgenden Bereichen:1. Workflow für die Digitalisierung von Archivgut, 2. Online-Findmittel mit Präsentationsmodulen, 3. Internet-Fachportale, 4. Integration digitaler und analoger Unterlagen, 5. Langzeitsicherung digita-ler Unterlagen unter Berücksichtigung der Authentizität und Integrität des digitalen Archivguts, 6. Di-gitale Ausbelichtung auf Farbmikrofilm (zu den Projekten vgl. www.landesarchiv-bw.de unter der Ru-brik „Landesarchiv/Projekte“). Bei der nachträglichen Digitalisierung von Archivgut wurde von Anfangan versucht, die klassische Mikrografie und die Digitalisierung synergetisch miteinander zu verbinden.Das mit Beteiligung des Landesarchivs durchgeführte InnoNet Forschungsprojekt ARCHE hat gezeigt,wie durch die Verbindung des Farbmikrofilms mit der Digitalisierung sowohl die Bestandserhaltungals auch die Nutzung vorangebracht werden können; vgl. dazu www.landesarchiv-bw.de/arche.

5 Auf diesen Aktionsplan, der hier nicht mit abgedruckt ist, ist im Weiteren im Kreise der Führungskräf-te eine Verständigung erfolgt.

6 Anzustreben ist dabei die Entwicklung eines Verfahrens, bei dem Erschließungsinformationen weit-gehend automatisiert auf einzelne Erscheinungsformen vererbt werden können.

7 Vgl. dazu Gerald Maier, Online-Informationssysteme in Archiven. Fachportale, Archivinformation, On-line-Findmittel, digitalisiertes Archivgut. In: B.I.T. online 4 (2001) Nr. 1, S. 15–28.

8 Als wesentlicher Standard für eine einheitliche Präsentation von Erschließungsleistungen ist hier EAD(Encoded Archival Description) zu nennen. Das Landesarchiv besitzt bereits jetzt die Möglichkeit, Er-schließungsdaten im EAD-XML-Format bereitzustellen.

9 Gegenüber dem Mikrofilm sind Digitalisate attraktive, zeitgemäße Nutzungsformen, wohingegen derMikrofilm weiterhin ein unübertroffenes Langzeitspeichermedium ist; vgl. dazu hier auch den Abschnitt 3.

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AUFSÄTZE

Formen neben der Erschließung als neue Fachaufgabe definiert undso in die archivischen Arbeitsabläufe integriert werden.Im Landesarchiv Baden-Württemberg werden rationelle workflow-basierte Verfahren und Systeme entwickelt, um die archivischenFachaufgaben zu unterstützen und gleichzeitig die Facharbeitsplätzevon routinemäßigen und automatisierbaren Prozessen zu entlasten.Das archivische Informationssystem MIDOSA 21 des LandesarchivsBaden-Württemberg wird durch eine Verknüpfung verschiedenerSoftwarekomponenten realisiert10. Die Erschließung erfolgt dezentralinnerhalb der verschiedenen Archivabteilungen im Produktivsystem„scopeArchiv“, das landesarchivspezifische Anpassungen erhaltenhat. Es wird ergänzt durch das in Eigenregie auf der Basis vonInternet-Technologie entwickelte Findmittel-Content-Management-System (OLF 21). Dieses System ermöglicht die Präsentation vondigitalisiertem Archivgut innerhalb von dynamisch generiertenOnline-Findbüchern über den Webbrowser und unterstützt denDigitalisierungsworkflow.Teile der Arbeiten im Digitalisierungsprozess können auch anexterne Dienstleister vergeben werden. Dies ist dann sinnvoll, wenndurch eine externe Auftragsvergabe die Kosten reduziert werdenoder eigene personelle und technische Ressourcen nicht vorhandensind. Durch ein Outsourcing kann gewährleistet werden, dass beirein technischen oder nicht fachspezifischen Arbeiten die jeweilsmodernste Technik beim Scanprozess, bei der Ausbelichtung aufMikrofilm, der Texterfassung oder der Speicherung genutzt wird.

3. Schutz und Erhaltung des analogen und digitalen Archivguts

Die wesentliche Maßnahme zum Schutz und zur Erhaltung desanalogen Archivguts ist – neben einer sachgerechten Lagerung undkonservatorischen, restauratorischen Maßnahmen – die Mikrografieund nicht die Digitalisierung. Sie hat im Archivwesen im Gegensatzzum Bibliothekswesen eine lange Tradition und einen hohen Stellen-wert für die Bestandserhaltung (Sicherungsverfilmung, Schutzverfil-mung). Mikroformen auf Silberhalogenidbasis, deren Trägermaterialaus Polyester besteht, bieten im Vergleich zu dem sonst üblichenanalogen Fotomaterial bei optimaler Lagerung nicht nur eine fastunbegrenzte Haltbarkeit, sondern durch die hohe Filmauflösungauch enorme Qualitätsreserven. Für die Herstellung gibt es durchentsprechende Normen ein standardisiertes Verfahren.Das Landesarchiv Baden-Württemberg hat mit dem Institut fürErhaltung von Archiv- und Bibliotheksgut im Bereich der Mikrogra-fie seit vielen Jahren ein Kompetenzzentrum für Mikrografie, das u. a.die von nur wenigen Dienstleistern angebotene Farbmikrografiebeherrscht. Seit Beginn des Sicherungsverfilmungsprogramms desBundes sind allein in den drei Verfilmungsstellen des Landesarchivsin Karlsruhe, Stuttgart und Ludwigsburg ca. 65.000 s/w-Filme mitüber 100 Millionen Aufnahmen angefertigt worden. Diesen Wert giltes weiter zu nutzen.Digitalisate und Mikroformen besitzen unterschiedliche Potenziale.In der Auseinandersetzung mit der Digitalisierung von Kulturgutwird die Mikrografie insbesondere von den Bibliotheken als „veral-tet“ angesehen. Dabei wird nicht in Betracht gezogen, dass beideReproduktionsformen aufgrund ihrer unterschiedlichen Alleinstel-lungsmerkmale weiterhin ihre Berechtigung haben. Eine sinnvolleSymbiose beider Technologien für die Stärkung der Fachaufgaben„Bestandserhaltung“ und „Bereitstellung für die Nutzung“ wirdangestrebt, indem die Stärken der Mikrografie bei der Bestandser-haltung mit den Vorteilen der Digitalisierung verbunden werden.Dabei werden folgende Ziele verfolgt:

1. Digitalisierung von vorhandenen bzw. neu erstellten Mikrofor-men, damit die Originale möglichst wenig belastet werden

2. Sicherung hochwertiger digitaler Masterformen für Reproduktio-nen auf Mikroformen, um eine aufwendige Migration zu verhin-dern (Digitalisate von kulturgeschichtlich herausragendemArchivgut)

3. Sicherung ausgewählter Gattungen von digitalem Archivgut(„born digital material“) auf Mikrofilm im Rahmen einer Kon-versionsstrategie

4. Unterstützung der (Farb-)Mikrografie von analogem Archivgutdurch die Erstellung eines hochwertigen Langzeitspeichermedi-ums mittels Digitalisierung und anschließender Ausbelichtungauf (Farb-)Mikrofilm

Bei der digitalen Bestandserhaltung muss unterschieden werdenzwischen der Langzeitsicherung digitalen Archivguts, d. h. denursprünglich digital vorliegenden Verwaltungsunterlagen, und derErhaltung digitaler Reproduktionen von analogem Archivgut. Fürbeide Gruppen von Objekten und Dokumenten müssen Überlegun-gen zur Langzeitsicherung angestellt werden. Dabei ist bei „borndigital material“ die Gefahr eines Informationsverlusts bzw. derVerlust der Authentizität und der Integrität größer, da bei der Digita-lisierung von Archivgut normalerweise die analogen Originale, d. h.die Authentika, zusätzlich erhalten bleiben.Um die Herausforderung der Langzeitsicherung bzw. Bestandserhal-tung digitalen Archivguts fachgerecht zu bewältigen, müssen mehrereStrategien untersucht und angewandt werden. Daher wird seit 2002im Rahmen des Projekts „Langzeitarchivierung digitaler Unterla-gen“ beim Landesarchiv Baden-Württemberg untersucht, auf wel-chen Wegen diese Pflichtaufgabe realisiert werden kann. Für dieÜbernahme und Aufbereitung der Objekte, ihre Archivierung undBenutzung sollen die möglichen Alternativen konzeptionell undpraktisch entwickelt werden. Ein besonderer Schwerpunkt liegt aufder Integration der digitalen Archivierung in die Archivierungherkömmlicher Archivalien. Im Rahmen des Projekts wurden bereitseine einheitliche Metadatenkonzeption erstellt, ein „Storage-Mana-ger“ entwickelt und die digitalen Unterlagen im Sinne einer Migrati-onsstrategie auf einem „Massenspeicher“ abgelegt. Darüber hinaushat das Forschungsprojekt ARCHE, an dem das Landesarchivmaßgeblich beteiligt war, gezeigt, dass der Mikrofilm auch einSpeichermedium für digitale Daten sein kann, um heute nichtabsehbare Technologiesprünge in der Informationstechnologie zuüberbrücken; jede neue Technologie wird dann wieder Möglichkei-ten zum erneuten Einlesen der Filminhalte bereitstellen. Danebenbleibt die physische Lesbarkeit nach dem herkömmlichen Prinzip„Licht und Lupe“ stets gewährleistet11.

4. „Open Access“ und wirtschaftliche Verwertung von digitalisiertem Archivgut

Grundsätzlich ist das Landesarchiv Baden-Württemberg bestrebt,Online-Findmittel und digitalisiertes Archivgut im Internet imSinne der „Open-Access“-Strategie für eine unentgeltliche Nutzungbereitzustellen. Es erfüllt damit seinen gesetzlich verankerten politi-schen Auftrag, Quellen für die Forschung und Wissenschaft, dieHeimatpflege und Bildungszwecke zugänglich zu machen, aber auchder landesweiten Identitätsstiftung zu dienen. Angesichts der begrenzten Ressourcen für die Digitalisierung vonArchivgut und die dafür notwendige Infrastruktur sind aber auchMaßnahmen zur Co-Finanzierung von Digitalisierungsmaßnahmendurch so genannte Mehrwertdienste zu berücksichtigen, d. h. Leis-

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tungen, die über die Bereitstellung von Informationen zu den Be-ständen und digitaler Bestände hinausgehen. Zu solchen Mehrwert-diensten gehört z. B. die Bereitstellung von digitalen Reproduktio-nen auf Datenträgern oder die Online-Reproduktionenlieferung imRahmen eines „Online-Shops“. Hier können im Einklang mit denRahmenbedingungen, die das Haushaltsrecht setzt, Einnahmenerzielt werden, die zumindest eine Kostendeckung der Mehrwert-dienste und bei eventuellen Überschüssen auch weitere Digitalisie-rungsmaßnahmen oder die Weiterentwicklung bzw. Aufrechterhal-tung bestehender Maßnahmen und Investitionen ermöglichen.Durch die Bereitstellung von Digitalisaten für die Nutzung werden,wie die bisherigen Erfahrungen beim Vertrieb von Reproduktionen(Fotokopien, Fotografien etc.) zeigen, Einnahmen nur in bescheide-nem Umfang zu erzielen sein.Soweit Digitalisate in Form von kommerziellen Distributionswegen(z. B. über Bildagenturen) zusätzlich einer kommerziellen Verwer-tung zugeführt werden, dient diese vorrangig dazu, die Präsenz desLandesarchivs in der Öffentlichkeit zu erhöhen und für das archiva-lische Erbe zu werben.

5. Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit der Maßnahmen bei der Digitalisierung und digitalen Bestandserhaltung

Kosten für die Digitalisierung von analogem Archivgut und dieErhaltung von digitalem Archivgut entstehen v. a. für Personal.Kostenintensiv sind bei der Digitalisierung die Erschließung, Ver-waltung und Präsentation der Digitalisate12, bei der dauerhaftenSicherung digitalen Archivguts die Übernahme, Erschließung undAufbereitung für die Speicherung. Dazu muss für beide Bereiche dieständige Modernisierung der Bereitstellungs- und Speichersystemeberücksichtigt werden.Die Wirtschaftlichkeit für die Digitalisierung von analogem Archivgutfür Online-Präsentationen und Reproduktionen kann erhöht wer-den, wenn der Aufwand für die Erfassung der Metadaten(Erschließungsinformationen, technische Metadaten) sowie derenSpeicherung bzw. Migrationsfähigkeit durch geeignete Verfahrenreduziert werden kann. Dies geschieht im Landesarchiv Baden-Württemberg für die Erschließungsmetadaten durch den Einsatzeiner einheitlichen Client-Server-Datenbank basierten Archivsoft-ware mit entsprechenden Schnittstellen für den Datenexport bzw.die Datenmigration. Dies ermöglicht die vielfältige Verwendbarkeiteinmal erfasster Daten und den Austausch mit Informationssyste-men und Portalen anderer Einrichtungen.Für die Wirtschaftlichkeit ist eine Redigitalisierung von ursprüng-lich digitalen Informationen, die auf Mikroformen gespeichertwurden, zu erwägen, soweit diese ohne Qualitätsverlust herstellbarsind. Dies wird dadurch ermöglicht, dass hochwertige digitaleMaster auf Mikrofilm ausbelichtet werden und dann bei einemspäteren Bedarf rationell vom Mikrofilm redigitalisiert werdenkönnen. Bei vorhandenen Mikrofilmen ist eine Redigitalisierung beiBedarf eventuell wirtschaftlicher als der Aufwand für die dauerhafteErhaltung von großen Mengen an digitalen Masterdateien. Wenndann zu einem späteren Zeitpunkt neue Digitalisate vom Filmerstellt werden – hergestellt mit weiterentwickelter Technik und mithöheren Qualitätsanforderungen –, können die vorhandenen Er-schließungsleistungen und Metadaten weitgehend weitergenutztwerden. Die Möglichkeit der Redigitalisierung von Mikrofilmen istdeshalb strategischer Bestandteil der Digitalisierungskonzeption.Soweit die Erhaltung digitaler Masterdaten in digitaler Form sinn-voll erscheint, wird diese auf redundanten Massenspeichersystemen

erfolgen, um eine für die Zukunft möglichst kostengünstige Daten-träger- und Formatmigration zu ermöglichen.Aussagen zur Wirtschaftlichkeit bei der Bestandserhaltung digitalenArchivguts können zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur eingeschränktgemacht werden, da noch keine Erfahrungen über einen längerenZeitraum vorliegen. Eine Nachhaltigkeit wird hier auf jeden Falldurch den Einsatz migrierbarer digitaler Massenspeicher oder derKonversion digitalen Archivguts auf Mikroformen erreicht werden.

Weitere SchritteDieses Papier dient der eigenen Orientierung und enthält die Per-spektiven, auf die sich das Landesarchiv Baden-Württembergangesichts der „Digitalen Herausforderung“ verständigt hat. Zu-gleich stellt es ein Positionspapier des Landesarchivs Baden-Würt-temberg für eine sehr gewünschte Diskussion mit Fachkollegen,politischen Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit dar. DieErgebnisse dieses Diskussionsprozesses sollen dann in eine regel-mäßige Fortschreibung einfließen.Zur Umsetzung der Strategie wird im Landesarchiv Baden-Würt-temberg ein Aktionsplan zu den Aktionsfeldern „Konversion undDigitalisierung“, „Marketing und Online-Systeme“ sowie „DigitaleBestanderhaltung“ entwickelt. Über einzelne Maßnahmen sollgesondert informiert werden. ■

10 Vgl. Thomas Fritz/Thomas Fricke/Gerald Maier, Ein einheitliches IT-System von der Überlieferungs-bildung bis zur Online-Bestellung – MIDOSA 21 im Landesarchiv Baden-Württemberg. In: Der Archi-var 3 (2007) S. 221-228 und www.landesarchiv-bw.de unter der Rubrik „Landesarchiv/Projekte/Mido-sa 21“.

11 So auch ein internes Arbeitspapier von Frieder Kuhn zur „Langzeitsicherung von schriftlichem Kul-turgut“ vom 10.11.2006.

12 Die Kosten für die technische Erstellung digitaler Abbilder insbesondere durch Dienstleister im Rah-men eines Outsourcings umfassen einen immer geringer werdenden Teil.

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Prof. Dr. Robert KretzschmarLandesarchiv Baden-WürttembergEugenstr. 7, 70182 StuttgartTel. 0711-212-4272, Fax 0711-212-4283E-Mail: [email protected]

THE LANDESARCHIV BADEN-WÜRTTEMBERG IN THEDIGITAL WORLD

As digitisation is increasing in all areas of life, archives are confrontedwith new tasks as well. Digitisation matters are becoming more andmore important not only with regard to contemporary usage but alsoin view of long-term preservation. These prospective challengesrequire a comprehensive perspective and strategy for the schedulingand coordination of activities. For this reason the LandesarchivBaden-Württemberg has developed its own “digitisation strategy”,where strategic objectives for the next few years have been laid down.Amongst others the aims are to constantly upgrade online-services foracting in accordance with customer demands and to realise a conceptfor long-term preservation of digital archival material. The perfor-mance of the digitisation strategy is based on an in-house scheduleincluding precise measures for the distinct range of duty.

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AUFSÄTZE

DAS DIGITALEBILDARCHIV DESBUNDESARCHIVSvon Oliver Sander

AUSGANGSLAGE

Mit rund 11 Millionen Fotos, Luftbildern und Plakaten besitzt dasBundesarchiv einen bedeutenden Fundus an visuellem Archivgut,der in Zeiten des „pictural turn“ zunehmend intensiver genutztwird1. Während die Anzahl der verwahrten Bilder und deren Nut-zung zunimmt und die Benutzerinnen und Benutzer2 stetig schnelle-ren und möglichst selbständigen Zugriff auf die Bilder erwarten,stagniert der Personalbestand im Bundesarchiv. Um diese Scherezwischen den steigenden Erwartungen der Benutzer und den Mög-lichkeiten des Archivs zu verkleinern, wurde beschlossen, eineOnline-Datenbank zu entwickeln, die allen Seiten Vorteile bietet.Ende 2004 wurde als erster Schritt im Bildarchiv des Bundesarchivs(Referat B6) die Bilddatenbank DC5 der Hamburger Firma DigitalCollections in Betrieb genommen und sukzessive auf- und ausge-baut3. Es handelt sich dabei um eine auch in anderen öffentlichenArchiven eingesetzte Standard-Software, an der nur relativ geringeAnpassungen notwendig waren: So wird die Abwicklung der Scan-aufträge für Benutzer über DC5 vorgenommen. Die Scans werdendabei im Bundesarchiv von einem Mitarbeiter des Bildarchivsangefertigt. Es gibt drei Erfassungs- und Recherchemasken für die Bildtypen„Foto“, „Luftbild“ und „Plakat“, die wiederum aus zwei Bereichenbestehen: Inhalt sowie formale und technische Angaben. Im Bereich„Inhalt“ gibt es Felder für die Zuweisung zu einem Bestand und alsBesonderheit drei Titelfelder: Im Feld „Originaltitel“ werden alleAngaben, die ursprünglich zu dem Bild vorhanden sind, unverän-dert übernommen, auch wenn es sich – wie insbesondere bei denBeständen „Bild 101 Propagandakompanien der Wehrmacht“ und„Bild 183 Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst – Zentralbild“(ADN/ZB) –, um bisweilen inhaltlich falsche oder stark wertendeAussagen handelt. Präzisierungen oder Korrekturen werden ggf. im Feld „Archivtitel“ vorgenommen. Hier wird auch dieBildbeschreibung erfasst, wenn kein Originaltitel vorhanden ist. Das Feld „Kurztitel“ dient einer kurzen, textuellen Bildbeschrei-bung, die bei der Standardansicht von 24 Bildern in einer Galerieunterhalb des Bildes angezeigt wird. Zudem gibt es Listenfelder fürdie zwei Sach- und Geografieklassifikationen und den Personenin-dex; zutreffende Einträge werden jeweils aus den Listen ausgewähltund beim Bild in Form von XML-Angaben in einer Oracle-Daten-bank gespeichert. Die Betextung von Bildern dauert dabei im

Schnitt 5 Minuten. Es besteht die Möglichkeit mehrere Bilder mitgleichen Texten und/oder formalen und technischen Angaben zuversehen.

DIGITALISIERUNG UND ENTWICKLUNG

Nach Aufnahme des Echtbetriebs der Bilddatenbank DC5 wurdenals nächster Schritt und um ein repräsentatives, schon viele Kunden-wünsche befriedigendes Bildangebot bereits beim Start des DigitalenBildarchivs anbieten zu können, verschiedene Digitalisierungspro-jekte durchgeführt. Den Kern des digitalen Bildbestands bildendabei diejenigen Bilder, die seit 2003 im Benutzerauftrag digitalisiertwurden. Jährlich werden im Benutzerauftrag ca. 10.000 Fotos, Luft-bilder und Plakate digitalisiert. Zusätzlich wurden Bilder folgenderBestände digitalisiert:– 132.000 Fotos des 5,5 Millionen Motive umfassenden Bestands

„Bild 183 Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst der DDR –Zentralbild“ (ADN/ZB) durch einen externen Dienstleister4.

– 30.000 Fotos des insgesamt ca. 1,1 Millionen Bilder umfassendenBestands „B 145 Bild Presse- und Informationsamt der Bundesre-gierung“ durch externe Mitarbeiter („Ein-Euro-Kräfte“). DieAuswahl geschah über Markierungen auf Kontaktbögen, aufderen Grundlage von den zugehörigen Negativen gescanntwurde.

– 12.500 Plakate der Bestände seit 1949 durch einen externenDienstleister. Somit sind – bis auf den jüngsten Zugang vonWahlplakaten aus dem Archiv des Deutschen Bundestages – allePlakate digitalisiert.

– Ca. 20.000 Glasplattennegative der Bestände „Bild 102 AktuelleBilder Centrale - Georg Pahl“ (Presseagentur, Bilder insbesondereaus der Weimarer Republik) und „Bild 105 Sammlung WalterDobbertin“ (Bilder der deutschen Kolonialzeit) wurden undwerden durch das Bundesarchiv digitalisiert. Diese Glasnegativewerden nach einer Restaurierung gescannt und in die Bilddaten-bank eingespielt.

Speziell für das sehr umfangreiche Digitalisierungsprojekt „Bild 183“wurde die Bilddatenbank DC5 um eine Importschnittstelle erwei-tert, die den Import von TIFF-Dateien und deren zugehörigerMetatexte in Form einer CSV-Datei ermöglicht. Beim Import ermit-

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telt der „Importscanner“, ob zu einer Signatur in der CSV-Datei eineentsprechende TIFF-Datei vorliegt. Ist dies der Fall, wird das Bildimportiert und mit den Angaben aus der CSV-Datei versehen, wobeider Importscanner ca. 2 Sekunden pro Bild benötigt. Diese Importschnittstelle hat auch für die ErschließungsarbeitVorteile, denn mittels Excel oder OpenOfficeCalc können Bildtexteweitaus effizienter als bisher in einer Tabelle erfasst und via CSV indie Bilddatenbank importiert werden.Parallel zu diesen umfangreichen Digitalisierungsprojekten wurdeseit Sommer 2006 eine Leistungsbeschreibung für eine Online-Bilddatenbank erstellt; unter Berücksichtigung der Vorschriften von12 (!) Gesetzen und Verordnungen5 wurde unter Auswertung derVor- und Nachteile verschiedener Onlineangebote auf Basis derbestehenden Bilddatenbank ebenfalls von der Firma Digital Collec-tions seit Februar 2007 eine Online-Datenbank mit Webshop undAnbindung an die Zahlungsverkehrsplattform (ZVP) des Bundesentwickelt. Der Webshop wurde von der Firma comm-X realisiert.Dabei stand eine einfache Bedienbarkeit bei gleichzeitig umfangrei-chen und mehrdimensionalen Recherchemöglichkeiten im Vorder-grund. Das Prinzip des „keep it simple“ bezog sich aber auch aufdie Programmierung und Realisierung. Im Zweifel wurde immer dereinfacheren und mithin weniger fehlerträchtigen und auch kosten-freundlicheren Lösung der Vorzug gegeben. Dieses Prinzip hat sichausgesprochen bewährt.Die Benutzeroberfläche sollte komplett zweisprachig verfügbar sein,da etwa die Hälfte der Benutzer des Bildarchivs aus dem Auslandkommt. Auch galt es, eine Schnittstelle für die Haushalts-, Kassen-und Rechnungswesen-Software des Bundesarchivs zu schaffen. Diesewurde im Rahmen der Initiative E-Government 2.0 von der Bundes-regierung gefördert.

Zur Minimierung von Aufwänden sollte die Bearbeitung der Bilderinklusive der Betextung nur an einer Stelle vorgenommen werden.Diese Bearbeitung geschieht in der internen Bilddatenbank DC5.Von dort erfolgt alle 10 Minuten ein automatischer Upload insDigitale Bildarchiv, wobei alle neu eingefügten oder geändertenBildtexte bzw. Bilder hoch geladen werden. Bei diesem Upload wirddas in DC5 vorgehaltene TIFF-Bild in vier jpg-Versionen (Thumb,Layout mit Wasserzeichen, 800px-Bild mit Wasserzeichen undHighRes ohne Wasserzeichen) „verwandelt“. Gleichzeitig werden dievorhandenen Metatextangaben automatisch in den IPTC-Headergeschrieben, so dass beim Download der Bilder fast alle Textinfor-mationen via IPTC-NAA-Standard (International Press Telecommu-nications Council-Newspaper Association of America) verfügbarsind.Wird ein Bild durch einen Schalter in der internen BilddatenbankDC5 in den Status „fertig“ gesetzt und hat das Bild den Status„Internetfreigabe = ja“, werden Bild und Text im Digitalen Bildar-chiv sichtbar. Bei Bildern, an denen das Bundesarchiv keine digitalenRechte hat, wird nur der Text sichtbar („Internetfreigabe = nein“).

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1 Gerhard Paul: Von der historischen Bildkunde zur Visual History, in: Gerhard Paul (Hg.): Visual Hi-story. Ein Studienbuch. Göttingen 2006, S. 7-36, hier S. 7.

2 Der Einfachheit halber wird im Folgenden nur die maskuline Form aufgeführt.

3 Berit Pistora: Der Einsatz der Bilddatenbank DC5 im Bundesarchiv, in: Mitteilungen aus dem Bundes-archiv Heft 1 (2005), S. 25-35 (www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/abteilungen/abtg/mitteilun-gen1-05/mitteilungen2005-1_bilddatenbank.pdf.)

4 Vgl. Oliver Sander: Abschluss des Digitalisierungsprojekts Bild 183 Allgemeiner Deutscher Nachrich-tendienst - Zentralbild. Ein selbstkritischer Bericht zum Projektmanagement, in: Mitteilungen ausdem Bundesarchiv, Jg.15 (2007), Heft 1, S. 54-58(www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/abteilungen/abtg/mitteilungen1_07/bild_183.pdf).

5 U. a. Bundesarchivgesetz, Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Be-hindertengleichstellungsgesetz (BITV), Urheberrechtsgesetz, Kunsturhebergesetz, Verwaltungsverfah-rens- und Verwaltungskostengesetz.

Abb. 1: Startseite des Digitalen Bildarchivs

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AUFSÄTZE

Statt des Bildes wird ein so genannter „Dummy“ angezeigt, derdarauf hinweist, dass die digitalen Rechte nicht beim Bundesarchivliegen.Um möglichst viele im Bundesarchiv vorhandene Fotos auch onlinepräsentieren zu können, wurde parallel mit den beschriebenenDigitalisierungsprojekten und der Realisierung des DigitalenBildarchivs auch ein aufwändiges Projekt zum Abschluss weitererVerträge mit Rechtinhabern initiiert. Die Ermittlung derRechteinhaber ist z. T. ausgesprochen zeitaufwändig. Derzeit existie-ren knapp 60 Verträge, hauptsächlich mit ADN-Fotografen.Eine weitere Maßnahme, die parallel zu den beschriebenenTeilprojekten stattfand, war die Umgestaltung des Scan-Workflowsim Rahmen eines Benutzerauftrags: War bis Juli 2007 eine externeFirma in den Räumen des Bundesarchivs mit eigenem Personal undeigenen Geräten an zwei Tagen die Woche mit der Digitalisierungvon Bildern (und Schriftgut) beauftragt, so ist nun ein eigenerBundesarchiv-Mitarbeiter an fünf Tagen die Woche im Bundesarchivtätig, wofür entsprechende Hard- und Software beschafft werdenmusste. Dadurch ist das Bundesarchiv nun in der Lage, weitausschneller als bisher auf Benutzeraufträge zu reagieren und kann ent-sprechende Scans zeitnäher herstellen.Durch das außergewöhnliche Engagement der Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter des Bildarchivs ebenso wie der beteiligten Mitarbei-ter der Firmen Digital Collections und Comm-X (Webshop) konntedas Projekt im Sommer 2007 termin- und budgetgerecht erfolgreichabgeschlossen werden. Bei der Realisierung leistete das Online-Supportsystem „Mantis“ der Firma Digital Collections gute Hilfe,durch das der Stand der Entwicklung jederzeit nachvollziehbar war.In „Mantis“ wurden umgehend die ermittelten Fehler eingetragen,die das Bundesarchiv nach Implementierung des ersten Betasystemsim Juni 2007 bei sehr intensiven Tests mit diversen Browsern festge-stellt hatte. Neben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesar-chivs haben sich auch (externe) Archivarskolleginnen und -kollegen,sowie weitere Personen an den Test beteiligt. In einem speziellenTestlauf wurde z. B. die Bedienbarkeit des Systems durch ältere, mitIT-Anwendungen nicht sonderlich vertraute Personen getestet.Da das Bundesarchiv keinen 7 Tage/24 Stunden-Betreuungsserviceleisten kann, wird das Digitale Bildarchiv auf Servern der FirmaArvato Systems GmbH gehostet; die 256-bit-SSL-Verschlüsselungstammt von der Firma Thawte Consulting.

DAS DIGITALE BILDARCHIV

Auf der Startseite des Digitalen Bildarchivs stehen im Bereich des„Hauptmenüs“ bereits ein einfaches Suchfeld sowie Felder fürDatumsrecherchen zur Verfügung. Neben diesen Feldern befindetsich ein Info-Schalter, bei dessen Überfahren mit der Maus Erläute-rungen zur Nutzung erscheinen. Diese Felder sowie die Bereiche„Themensuche“, „Leuchttisch“, „Warenkorb“ und „Anmeldung“sind von allen Seiten des Online-Angebots aus erreichbar.In der so genannten „Headerleiste“ über dem Hauptmenü stehenLinks zu Seiten zur Verfügung, die ebenfalls ständig abrufbar seinmüssen, wie ein Link zur Startseite, eine Umschaltmöglichkeit derSprache (deutsch/englisch), Hinweise zur Nutzung der Datenbank(Hilfe), die „Bedingungen für die Benutzung von Bildern des Bun-desarchivs“ (AGB), zu den Kontaktmöglichkeiten und natürlich zumImpressum.Fünf Beispielbilder symbolisieren auf der rechten Seite die umfang-

reichen Foto- und Plakatbestände des Bundesarchivs; durch Klickauf die Bilder können die zugehörigen Detailinformationen aufgeru-fen werden.Auf der linken Seite befindet sich das Kontextmenü, über das weitereFunktionen erreichbar sind. Dazu gehört eine Übersicht über diezuletzt importierten Bilder. Dem „keep it simple“-Gedanken fol-gend, ist dies faktisch eine Recherche nach dem letzten Aktualisie-rungsdatum, d. h. es werden jene Bilder angezeigt, die zuletzt bear-beitet und für das Digitale Bildarchiv frei geschaltet wurden.Im Kontextmenü werden auch „Sammlungen“, also Zusammenstel-lungen von Bildern zu einem speziellen, z. B. tagesaktuellen Themaangezeigt, die das Bundesarchiv mit einem erläuternden Text zubestimmten Anlässen zusammenstellt. Diese „Sammlungen“ könnenebenso wie alle Webseiten- und E-Mail-Texte, sowie Schalter- undMenübeschriftungen online vom Bundesarchiv über einen Editorsehr einfach gepflegt werden (siehe Abbildung 2)!Layoutänderungen können über eine zentrale CSS-Datei vorgenom-men werden. Dies ist insofern von Bedeutung, da das Bundesarchivderzeit den vorhandenen Styleguide aktualisiert und eine leichteÄnderungsmöglichkeit somit von Bedeutung ist.Im Kontextmenü erscheinen auch diejenigen Funktionen, die einBenutzer nach seiner Registrierung und Freischaltung nutzen kann.Für eine Registrierung ist zuerst die aktive Bestätigung der Benut-zungsbedingungen des Bundesarchivs sowie der Verarbeitungnotwendiger personenbezogener Daten im Rahmen des Webshopsunabdingbar. Nach Angabe der persönlichen Daten, Auswahl einerZahlungsfunktion (Vorkasse oder Kreditkarte) und Bestätigungeines Aktivierungslinks, der einem Benutzer nach Abschluss derRegistrierung übersandt wird (zum Prüfen der Gültigkeit der ange-gebenen E-Mail-Adresse), wird das Bundesarchiv über diese neueRegistrierung automatisch per E-Mail informiert. Zuerst überprüftdas zuständige Fachreferat B6 (Bildarchiv), dann das „Haushaltsrefe-rat“ Z5 die Angaben und auch, ob der Benutzer für die Nutzung desBundesarchivs gesperrt wurde. Bei Auswahl der Zahlungsart „Vor-kasse“ ist aus rechtlichen Gründen derzeit auch ein unterschriebe-ner und dem Bundesarchiv ausgedruckter „Antrag auf Bildbenut-zung“ vonnöten. Ist ein Benutzer nicht gesperrt und liegen allenotwendigen Informationen im Bundesarchiv vor, wird der Benutzerfrei geschaltet. Dabei wird automatisch eine Informationsmail anden Benutzer gesandt, der von da an den vollen Funktionsumfangdes Webshops nutzen kann. D. h. ein Benutzer kann Bilder in hoherAuflösung und ohne Wasserzeichen herunterladen, Bilder in„Leuchttischen“ speichern und PDF-Dateien erstellen.Bei Zahlung mit Kreditkarte können die Bilder sofort heruntergela-den, bei „Vorkasse“ nach Eingang der Nutzungsgebühren auf demKonto der Bundeskasse. Die Höhe der Gebühren richtet sich nachder Nutzungsart und ist in der „Kostenverordnung des Bundesar-chivs“ festgelegt. Für verschiedene, z. B. amtliche Benutzer bzw. Benut-zungsarten (z. B. wissenschaftliche Publikationen mit einer Aufla-genhöhe von max. 500 Exemplaren) sind Kostenbefreiungen vorge-sehen, so dass derzeit ca. 80 % der Downloads kostenfrei sind.Registrierter Benutzer können zudem PDF-Dateien einer beliebigenAuswahl von Bildern und Texten erstellen. Diese PDF-Dateien habeninsbesondere für wissenschaftliche Nutzer den Vorteil, dass allerelevanten Informationen auf Knopfdruck zusammengestellt und fürweitere Arbeiten gespeichert werden können.Eigene Bildzusammenstellungen können gleichfalls dauerhaftgespeichert werden. Maximal drei „Leuchttische“ können angelegtwerden. Diese Bildzusammenstellungen können über verschiedene Recher-

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chemöglichkeiten ermittelt werden, die natürlich allen, also auchnichtregistrierten Benutzern zur Verfügung stehen: Eine einfacheVolltextsuche (Trunkierung mit %, Boolsche Operatoren AND bzw.& sowie OR), eine bildtyp- und feldbezogene „Erweiterte Suche“,sowie eine „Themensuche“. Bei allen Recherchen stehen über Info-Schalter erläuternde Informationen zur Verfügung.In der Themensuche kann über einen ausklappbaren Verzeichnis-baum in den beiden Sachklassifikationen des Bildarchivs, zweiGeografieklassifikationen (Deutschland und Welt) und in einerPersonenliste strukturiert recherchiert werden. Die Personenlisteumfasst dabei die Liste aller Personen, zu denen im Bildarchiv Bildervorhanden sind6. Wird über diese Personenliste auf einen Namengeklickt, zu dem noch keine Digitalisate vorhanden sind, so erscheintdie Meldung, dass zwar keine „digitalen Treffer“ angezeigt werdenkönnen, gleichwohl noch nicht digitalisierte Bilder im Bundesarchivzu der gesuchten Person vorhanden sind. Dieses Verfahren hat sichbewährt, wie die vielen Benutzer zeigen, die sich nach einer „erfolglo-sen“ Suche anschließend an das Bundesarchiv wenden, um nach denanalog vorhandenen Bildern dieser Personen recherchieren zu lassen.Wenn in Auftrag dieser Benutzer Bilder gescannt werden, so werdendiese umgehend in die Bilddatenbank eingestellt.Die Einträge der Klassifikationen „Geografie“ und „Personen“dienen gleichzeitig als Filter, d. h. ein Suchergebnis kann durchAktivierung eines oder mehrerer solcher Filter eingeschränkt wer-den. Diese „semantische Wolke“ ermöglicht eine kreativ-intuitiveEingrenzung der bisweilen sehr umfangreichen Treffermengen.Die Treffer werden standardmäßig in Form einer Galerie mit derSignatur, 24 Bildern, einem Kurztitel und dem Datum angezeigt.Weitere Anzeigemöglichkeiten sind eine Galerie mit 48 Bildern

(ohne Text) oder eine Liste mit einem Thumbnail, dem Kurz-,Original- und Archivtitel, dem Datum und dem Fotografen bzw.Grafiker (siehe Abbildung 3).Durch Klick auf ein Thumbnail erscheint eine Layoutansicht miteinem größeren Bild (500px maximale Seitenlänge) und allenzugehörigen Textinformationen, inklusive technischen Hinweisen.Die Angaben zu Signatur, Urheber und Datum werden zudem ineinen zusätzlichen weißen Streifen in das Bild geschrieben, so dassdiese Angaben auch nach einem Download mit rechter Maustastenoch verfügbar sind.

ERSTE ERFAHRUNGEN UNDPERSPEKTIVEN

Am 11. September 2007 wurde das Digitale Bildarchiv des Bundesar-chivs mit 60.000 Fotos, Luftbildern und Plakaten im Bundeskanzler-amt feierlich und offiziell mit einem symbolischen Druck auf einenroten Knopf für die Öffentlichkeit freigeschaltet7. Nicht zuletztaufgrund des großen Medienechos haben sich in ca. zwei Monatenweit über 500 Benutzer registriert und nutzen das Bildangebotintensiv. Allerdings ist der Anteil der Neukunden ebenso überra-schend wie erfreulich groß, wenngleich die Belastung der Mitarbei-

6 Zusätzlich existiert noch eine Datenbank mit den Namen der Personen, zu denen im Bildarchiv (Re-ferat B6) und der SAPMO (Referat StA 2) Fotos vorliegen: www.bundesarchiv.de/biografische-bildsamm-lung.

7 Freischaltung des Digitalen Bildarchivs (Bericht), www.bundesarchiv.de/aufgaben_organisation/abtei-lungen/bundesrepublik/audiovisuell/01197/index.html.

Abb. 2: Administration des Digitalen Bildarchivs, hier: Änderung von E-Mail-Texten

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AUFSÄTZE

terinnen und Mitarbeiter des Bildarchivs dadurch erst einmal weiterangestiegen ist. Eine gewisse Arbeitszunahme war allerdings vonvornherein einkalkuliert worden. Pro Tag werden die Seiten desDigitalen Bildarchivs von 1.000 bis 2.000 Internetnutzern besucht,davon knapp die Hälfte aus dem Ausland. Neben dieser positivenResonanz gab es direkt nach der Freischaltung in verschiedenenInternetforen, viele Besucher, die ihrem Unmut über die angebliche„Abzocke“ durch das Bundesarchiv Luft machten, während sich aufder anderen Seite der Bundesverband Pressebild-Agenturen undBildarchive e. V. (BVPA) über die angeblichen „Dumpingpreise“ desBundesarchivs beschwerte8. Um die Arbeit mit dem Digitalen Bildarchiv sowohl für Benutzer alsauch für das Bundesarchiv weiter zu optimieren, ist noch eineweitere Zahlungsart zu ergänzen, da viele Pressehäuser keine institu-tionelle Kreditkarte besitzen und die Freischaltung downloadbarerBilder nach Bezahlung mittels Vorkasse zu lange dauert. Aus diesemGrund nutzen viele gute „Altkunden“ derzeit auch weiterhin daskonventionelle Recherche- und Abrechnungsverfahren, wobei aller-dings eine Entlastung des Bildarchivs insofern festzustellen ist, alsoftmals Benutzer bereits Signaturen relevanter Bilder aus demDigitalen Bildarchiv mitteilen. Das Bildarchiv plant deswegen dieEinführung der Zahlungsart „Lastschrift“.Fast ausschließlich Lob gibt es für die umfangreichen Suchfunktio-nen und die Erschließung, wenngleich auch Hinweise auf tatsächli-che oder vermeintlich inkorrekte Angaben z. B. bei den auf denBildern vorhandenen Originaltiteln eingehen. Diese Hinweisewerden von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bildarchivsumgehend geprüft und die Angaben ggf. im Feld „Archivtitel“

präzisiert, da die vorhandenen Originaltitel nicht verändert werden.Aufgrund der sehr intensiven Tests und der umfassenden Hilfe- undErläuterungsfunktionen gestaltet sich die Benutzung des DigitalenBildarchivs offenbar so einfach, wie bei der Planung beabsichtigt: ImBildarchiv gehen erstaunlich wenig Anfragen nach unverständlichenoder gar fehlerhaften Funktionen ein. So hat es beispielsweise mitder Abrechnung der Kostenbescheide bisher noch kein einzigesProblem gegeben.Das Onlineangebot des Bundesarchivs wird mittelfristig auf eineViertelmillionen Bilder ausgebaut werden. Dazu werden alle bishererstellten Digitalisate bearbeitet und importiert. Für den Import derumfangreichen digitalen Bilder aus dem Bestand „Bild 183“ beschäf-tigt das Bundesarchiv seit Januar 2008 zwei Werkstudenten, diedabei pro bearbeitetem und importiertem Bild bezahlt werden.Eine vollständige Digitalisierung aller Fotos und Luftbilder ist abernicht geplant und aufgrund des seriellen Charakters vieler Fotos,dem völligen Fehlen von Erschließungsinformationen und dendamit verbundenen Rechtsproblemen sowie den Kosten für Digitali-sierung, Erschließung und Speicherung auch nicht sinnvoll. Einevollständige Digitalisierung findet nur im Bereich der sehr intensivgenutzten Plakatbestände statt.Geplant ist die Kooperation mit anderen Bildarchiven, so z.B. mitdem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung.9 WeitereGespräche mit anderen Institutionen werden derzeit geführt. Inte-griert werden auch die Bildüberlieferungen anderer Abteilungen desBundesarchivs, so der Abteilung Filmarchiv. Im Rahmen des E-Government 2.0-Projekts des Bundes wird sichdas Bundesarchiv als Pilotprojektpartner an der Erprobung des

Abb. 3: Suchergebnis als Trefferliste mit aktiviertem Filter

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Leitfadens „Nutzerbefragungen und Bedarfsanalysen“ beteiligen.10

Zudem ist langfristig auch die Einstellung digitalisierter Tonaufnah-men angedacht.Nach den bisherigen Erfahrungen kann das Projekt „DigitalesBildarchiv“ bereits jetzt als Erfolg betrachtet werden: Alle Vorgaben-konnten zeit- und budgetgerecht umgesetzt werden, das Systemarbeitet ausgesprochen stabil, es sind wenig Rückfragen in Bezug aufHandhabung oder vermeintliche Fehler zu verzeichnen, weit mehrBenutzer als bisher kommen nach ihrer Registrierung und Freischal-tung deutlich schneller an die gewünschten Bilder und die Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter des Bundesarchivs werden von zeitaufwän-digen Routine-Verwaltungsaufgaben entlastet. ■

8 www.heise.de/newsticker/foren/go.shtml?list=1&forum_id=123821. – Streit um Bildportal des Bundes-archivs, in: Die Welt, 13.9.2007, www.welt.de/kultur/article1181974/Streit_um_Bildportal_des_Bundes-archivs.html.

9 Siehe www.bundesbildstelle.de.

10 www.verwaltung-innovativ.de/E-Government/-,13073/E-Government-2.0.htm.

Dr. Oliver SanderBundesarchivPotsdamer Str. 1, D-56075 KoblenzTel. 0261-505-478, Fax 0261-505-430E-Mail: [email protected]

THE DIGITAL PICTURE ARCHIVES OF THE FEDERALARCHIVES

The Federal Archives keeps approx. 11 million still pictures, aerialphotographs and posters from modern German history. While thenumber of native and foreign users and the claim to a fast service isincreasing, the number of staff stagnates in the Federal Archives. Ittook only three years from inventing a picture database for internaluse to the online-database with around 80.000 images. In fact nearly220.000 images have been digitized during the last four years, incourse of several projects. In the following the planning and therealisation of the online-database are described, including the firstexperiences with the online-services.

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AUFSÄTZE

Die Erschließung diplomatischer Aktenbestände mittels amtlicherEditionen hat in Deutschland – entsprechend den Brüchen in derdeutschen Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts – eine wechsel-volle Tradition. Unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkriegswurde die Edition „Große Politik der Europäischen Kabinette“ insLeben gerufen, mit der Absicht, durch die Veröffentlichung vonDokumenten aus den Jahren 1871 bis 1914 die These von der alleini-gen Schuld des Deutschen Reichs am Ausbruch des Ersten Welt-kriegs zu widerlegen. Dieses Unternehmen in fünf Reihen und 40Bänden war im Jahr 1927 abgeschlossen. Während seine Herausge-ber die wissenschaftliche Unabhängigkeit der Edition betonten,konnte jedoch kein Zweifel an der massiven Einflussnahme desAuswärtigen Amts bestehen. Diese manifestierte sich zum einen inder „komplexen, vielschichtigen und verworrenen“ Beziehung derHerausgeber zum Auswärtigen Amt, insbesondere in deren ökono-mischer Abhängigkeit, zum anderen in der „Kontrolle“, ja „Zensur

des Auswärtigen Amts“ hinsichtlich der Freigabe von Dokumenten.1

Völlig anders war die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg, andessen Ende amerikanischen und britischen Truppen ausgelagerteArchivbestände des Auswärtigen Amts in die Hände fielen. Im Jahr1950 begann auf der Basis dieser Beuteakten, zunächst unter aus-schließlich alliierter Leitung, seit der Rückgabe der Akten ab 1960unter der Federführung des Auswärtigen Amts, aber in gemeinsamerVerantwortung amerikanischer, britischer, deutscher und französi-scher Historiker, die Arbeit an der Edition der Akten zur deutschenAuswärtigen Politik (ADAP), welche die Jahre 1918 bis 1945 abdeckensollten.2

DIE „AKTEN ZURAUSWÄRTIGENPOLITIK DERBUNDESREPUBLIKDEUTSCHLAND“ – EIN ARBEITSBERICHT ÜBER DIE ERSCHLIEßUNG DERBESTÄNDE DES POLITISCHEN ARCHIVS DESAUSWÄRTIGEN AMTS

1 Vgl. dazu Sacha Zala, Geschichte unter der Schere politischer Zensur. Amtliche Aktensammlungen iminternationalen Vergleich. München 2001, S. 63.

2 Zur Edition der „Documents on German Foreign Policy“ und zur Rückgabe der Akten vgl. ebenda, S. 238-247.

von Ilse Dorothee Pautsch

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Mitte der achtziger Jahre, als sowohl das Ende der Arbeiten an derADAP als auch der vierzigste Jahrestag der Gründung der Bundesre-publik Deutschland in Sichtweite gerieten, setzten im AuswärtigenAmt Überlegungen ein, ausgewählte Dokumente zur Außenpolitikder Bundesrepublik Deutschland zu publizieren und damit eineNachfolgeedition zu den Akten zur deutschen Auswärtigen Politikzu begründen.3 Damit sollten erstmals in der Geschichte amtlicherdeutscher Akteneditionen Dokumente zur Außenpolitik eines nochexistierenden Staates veröffentlicht werden. Aus diesem Grund kamder Wahrung der wissenschaftlichen Integrität des Unternehmensdie höchste Priorität zu. Um jegliche Einflussnahme auszu-schließen, beschritt das Auswärtigen Amt strukturell neue Wege undübertrug die Edition dem unabhängigen Institut für Zeitgeschichtein München (IfZ), das sich zu diesem Zeitpunkt schon mit Projektenwie etwa den Akten zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutsch-land einen Namen als Herausgeber zeitgeschichtlicher Editionengemacht hatte. 1989 verpflichtete sich das IfZ in einen Rahmenver-trag mit dem Auswärtigen Amt, jährlich, und zwar stets unmittelbarnach Ablauf der dreißigjährigen Aktensperrfrist, eine Auswahl vonDokumenten zur Außenpolitik eines Jahres in bearbeiteter Formvorzulegen. Der Wahrung wissenschaftlicher Unabhängigkeit undder Sicherstellung einer hohen Qualität diente auch die Entschei-dung, einem Gremium einschlägig ausgewiesener Hochschullehrermit einem Hauptherausgeber an der Spitze die inhaltliche Gesamt-verantwortung für das Unternehmen zu übertragen. Als ersterHauptherausgeber der Edition konnte der vor allem als Adenauer-Biograph bekannte Professor Hans-Peter Schwarz von der Univer-sität Bonn gewonnen werden, Mitherausgeber waren die ProfessorenHelga Haftendorn von der Freien Universität Berlin, Klaus Hilde-brand, gleichfalls von der Universität Bonn, Werner Link von derUniversität Köln und Rudolf Morsey von der Hochschule für Ver-waltungswissenschaften in Speyer. Im Jahr 1992 komplettierte HorstMöller, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte und Inhaber desLehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte an der UniversitätRegensburg – seit 1996 Lehrstuhlinhaber für Neueste und Zeitge-schichte an der Universität München – das Herausgebergremium.Seit Anfang 2005 leitet Professor Möller die Edition als Haupther-ausgeber, unterstützt durch Professor Hildebrand und ProfessorGregor Schöllgen von der Universität Erlangen. Das Herausgebergre-mium tritt etwa zwei- bis dreimal im Jahr zusammen, es genehmigtsowohl die Auswahl der Dokumente für die Edition als auch derenBearbeitung. Vertreter des Auswärtigen Amts nehmen an den Teilender Herausgebersitzungen, die den Inhalt der Edition zum Gegen-stand haben, nicht teil.Am 1. Juni 1990 gründete das Institut für Zeitgeschichte eine Editi-onsgruppe im Auswärtigen Amt, das sich damals noch in Bonnbefand. Diese Gruppe unter einem wissenschaftlichen Leiter bzw.einer wissenschaftlichen Leiterin, die in ihren Anfängen aus fünfund heute – nach etlichen Schwankungen im Personalbestand – aussieben Editoren und Editorinnen besteht, bildet eine eigene Abtei-lung innerhalb des Instituts für Zeitgeschichte.Das Jahr, mit dem die Editionsgruppe 1990 die Arbeit an den „Aktenzur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland“ (AAPD)aufnahm, war 1963. Mit diesem Jahrgang einzusteigen, basierte aufeiner pragmatischen Entscheidung des Auswärtigen Amts, da manmit einer Vorbereitungszeit von drei Jahren und daher mit einemErscheinen der ersten Bände Ende 1993 rechnete. Dies würde genaudem Ablauf der Aktensperrfrist und damit den vertraglichen Bedin-gungen entsprechen. Tatsächlich gelang es, den Jahrgang 1963 – indrei Bänden – termingerecht fertigzustellen und am 21. September

1993 in der Bad Godesberger Redoute der Öffentlichkeit zu präsen-tieren. Seitdem war die Editionsgruppe, nicht zuletzt dank einerverlässlichen Finanzierung durch das Auswärtige Amt, in der Lage,den vertraglich festgelegten jährlichen Publikationsrhythmus einzu-halten. Bis heute konnten die Jahrgänge bis einschließlich 1977vorgelegt werden, sie umfassen jeweils zwei oder drei Bände pro Jahr.Zwar hatte der Entschluss, mit dem Jahr 1963 zu beginnen, denVorteil der Nähe zur Dreißigjahresfrist, doch nahm das AuswärtigeAmt damit in Kauf, dass der Zeitraum von 1949 bis 1962, die frühenJahre der Bundesrepublik, zunächst unbearbeitet blieb. Eine paralle-le Bearbeitung war mit der personellen Ausstattung der Edition derAnfangsjahre nicht leistbar. Erst 1996, nachdem sich das Institut fürZeitgeschichte durch die pünktliche Vorlage der Jahrgänge 1963 bis1965 bewährt hatte, wurden die Mittel für zwei weitere Editorenstel-len gewährt. Eine dieser beiden Stellen wurde allerdings dringendgebraucht, um weiterhin ein fristgerechtes Erscheinen der Bändeentlang der Aktensperrfrist zu gewährleisten, denn es hatte sichgezeigt, dass im Durchschnitt stets zwei Wissenschaftler an einemBand arbeiten mussten und – bei drei Jahren Vorbereitungszeit –sich stets drei Bände gleichzeitig in Bearbeitung befinden mussten(wenn auch in unterschiedlichen Bearbeitungsphasen), wenn das IfZden Vertrag mit dem Auswärtigen Amt pünktlich erfüllen wollte.Doch konnten nun auch die Bände 1949 ff. in Angriff genommenund in den Jahren 1997 bis 2001 die Jahrgänge bis 1953 veröffentlichtwerden. Erleichtert wurde diese Aufgabe durch den Umstand, dassdie außenpolitischen Kompetenzen der Bundesrepublik in ihrenAnfängen äußerst eingeschränkt waren und sich die Edition somitfür den Zeitraum bis 1952 auf jeweils einbändige Jahrgänge be-schränken konnte. Im Sommer 2000 zog die Editionsgruppe zusammen mit demPolitischen Archiv des Auswärtigen Amts von Bonn nach Berlin um.Zeitgleich mit dem Ortswechsel fand auch ein Wechsel in derwissenschaftlichen Leitung statt, der den Verlust einer Mitarbeiter-stelle nach sich zog. Darüber hinaus stand die Bearbeitung derbesonders umfangreichen Bände der frühen siebziger Jahre an, derenfristgerechtes Erscheinen alle verfügbaren Kräfte band. Aufgrunddieser Entwicklung musste die Arbeit an den Bänden der fünfzigerJahre unterbrochen werden. Erst seit 2005, als eine Umorganisationdes Herausgebergremiums ausreichend finanzielle Mittel freisetzte,um die Zahl der Editoren erneut auf sieben zu erhöhen, ist dasInstitut für Zeitgeschichte wieder in der Lage, mit der Bearbeitungder noch ausstehenden Jahrgänge zwischen 1954 und 1962 fortfahrenzu können. Das Herausgebergremium beschloss, als nächstenJahrgang 1962 in Angriff zu nehmen. Man wollte von dem bereitsbearbeiteten Jahr 1963 aus rückwärts vorgehen, um möglichst zügigdie für die Forschung besonders interessanten Jahre der Berlin-Kriseund des Mauerbaus vorzulegen. Da aber nur ein Mitglied desEditorenteams kontinuierlich am Jahr 1962 arbeiten kann, muss eineentsprechend längere Bearbeitungszeit in Rechnung gestellt werden.Allerdings besteht für die Jahrgänge vor 1963 auch keine vertraglicheVerpflichtung zur jährlichen Publikation, und das Auswärtige Amtselbst betont stets den absoluten Vorrang, den das pünktlicheErscheinen der Bände entlang der Dreißigjahresfrist genießt. Diesstellt die Hauptaufgabe der Edition dar, und sie bindet etwa 85 %der verfügbaren Arbeitskapazität. Die Editionsgruppe bereitetzurzeit außer dem Band 1962 auch die Jahrgänge 1978, 1979 und 1980vor. Sie sollen in den Jahren 2009 bis 2011 erscheinen.Wie ist nun die Vorgehensweise bei der Erstellung eines Jahrgangsder Edition? Der Arbeitsprozess verläuft, vereinfacht gesagt, in dreiPhasen: der Dokumentensammlungs- und - auswahlphase, der

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Bearbeitungsphase und der sogenannten „Abwicklungsphase“.4

In der Sammlungsphase werden die Akten im Politischen Archiv desAuswärtigen Amts zu dem betreffenden Jahr gesichtet. Die Findmit-tel, die dabei zur Verfügung stehen, sind in der Regel – und für diesiebziger Jahre fast ausschließlich – die Abgabelisten, die von denRegistratoren gefertigt wurden, als die Akten aus den einzelnenArbeitseinheiten des Ministeriums an das Archiv abgegeben wur-den. Diese Listen sind von unterschiedlicher Qualität und in ihrerAussagekraft grundsätzlich dürftig. Manche enthalten nur Laufzeitund Aktenzeichen, andere wiederum auch einen kurzen Betreff.Selbst erfahrenen Editoren passiert es daher immer wieder, dass sievom Inhalt der nach den Abgabelisten ausgewählten Akten über-rascht werden. Anders sieht es für die fünfziger Jahre aus, für diesenZeitraum sind die Bestände des Politischen Archivs weitgehenddurch Findbücher erschlossen, die die Arbeit der Editoren sehrvereinfachen.Die durchzusehenden Archivbände fallen in zwei Kategorien: in dieder Verschlusssachen, also Akten, die als vertraulich, geheim oderstreng geheim eingestuft wurden und damit nach dem geltendenBundesarchivgesetz nicht automatisch nach dreißig Jahren derÖffentlichkeit zugänglich werden, und in die Gruppe der sogenann-ten offenen Akten. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnender Editionsgruppe sind alle zum Umgang mit Verschlusssachen(VS) bis zur höchsten Geheimhaltungsstufe ermächtigt und habenfreien Zugang zu allen Beständen im Archiv. Im Umgang mit den alsgeheim oder vertraulich eingestuften Dokumenten sind jedoch stetsdie Vorschriften der Verschlusssachen-Anweisung zu beachten. Somuss für VS-Dokumente, die in der Edition veröffentlicht werdensollen, die Offenlegung beantragt werden. Diese Anträge auf Deklas-sifizierung wurden in den ersten Jahren der Edition an die Arbeits-einheiten im Auswärtigen Amt gerichtet, die selbst (oder derenVorgänger) für die Einstufung des Dokuments in einen VS-Gradverantwortlich waren. Nachdem sich diese Vorgehensweise als sehrzeit- und kräfteraubend für alle Beteiligten erwiesen hat, ist mitBeschluss des Staatssekretärs Pleuger vom 12. Dezember 2001 dieBefugnis zur Offenlegung von VS für die Edition auf den jeweiligenLeiter des Politischen Archivs übergegangen. Die Offenlegungspraxisdurch das Auswärtige Amt ist seit Gründung der Edition sehrgroßzügig. Sollten in Ausnahmefällen Akten nicht deklassifiziertwerden, so zumeist aufgrund formaler und nicht inhaltlicher Krite-rien: Gerade in den siebziger Jahren steigt die Zahl der Dokumentean, die multilateralen Ursprungs sind, die z. B. in EU- oder NATO-Gremien entstanden und damit nicht mehr von einem Staat alleinfreigegeben werden können. Bei der AAPD gibt es keine teilweiseFreigabe von Akten und damit auch keinen auszugsweisen Abdruckvon Dokumenten. Ein Dokument wird entweder vollständig odergar nicht veröffentlicht.Bei der Durchsicht der Archivbände – es handelt sich dabei umjeweils mehrere hundert aus dem offenen und aus dem VS-Bereich –werden die interessanten Stücke markiert, fotokopiert (hier sind beieingestuften Dokumenten die in der Verschlusssachen-Anweisungfestgelegten Verfahrensweisen zu beachten) und im Fall der VS-Dokumente offengelegt. Aus diesen Kopien wird eine Sammlungzusammengestellt, die etwa 1500 bis 2000 Stücke umfasst. Darausschlägt das Editionsteam etwa 380 bis 400 Dokumente dem Heraus-gebergremium zur Aufnahme in den Band vor. Hervorzuheben ist,dass das Auswärtige Amt weder auf die Auswahl der Dokumentenoch auf deren Kommentierung Einfluss nimmt. Nach der Freigabeder Verschlusssachen ist bis zum Erscheinen des Bandes keine Stelledes Auswärtigen Amts mehr inhaltlich mit der Edition befasst.

An dieser Stelle soll nicht verschwiegen werden, dass die AAPD –obwohl eine Fondsedition des Auswärtigen Amts – doch nichtvollständig auf die Einbeziehung anderer Bestände verzichten kann,wenn die deutsche Außenpolitik adäquat abgebildet werden soll.Dabei wird allerdings sehr restriktiv vorgegangen und lediglich derBestand „Diplomatische Gespräche des Bundeskanzlers“ aus demBundeskanzleramt sowie ausschließlich amtliches Schriftgut ausNachlässen oder Deposita hochrangiger politischer Akteure, wiezum Beispiel des Bundesaußenministers oder des Bundeskanzlers,berücksichtigt. Die Frage, welche Dokumente eines Jahres für den Abdruck ausge-wählt werden, ist sicherlich eine der interessantesten der Editi-onstätigkeit. Verkürzt lässt sich sagen, dass es sich dabei um dieaussagekräftigsten Dokumente handeln sollte. Doch welche sinddas? Es handelt sich dabei um Dokumente, anhand derer die Ent-wicklungen und politischen Entscheidungen eines Jahres deutlichwerden. Zu nennen sind hier in erster Linie Aufzeichnungen überGespräche, die der Bundesminister, der Kanzler oder hochrangigeAngehörige des Auswärtigen Dienstes mit Regierungschefs, Minis-tern oder Diplomaten anderer Staaten geführt haben. Eine wichtigeRolle spielen auch die Aufzeichnungen über die institutionalisiertenKonsultationen, wie sie z. B. mit Frankreich bestehen, und Berichteüber NATO- und EU-Tagungen. Eine weitere wesentliche Gruppevon Dokumenten bildet der Schriftverkehr zwischen der Zentrale inBonn und den Botschaften in aller Welt. Die Botschafterberichteund die darauf erfolgten Weisungen sind in der Regel ereignisorien-tiert und sehr „dicht dran“ an aktuellen Entwicklungen. Sie bietenzum Beispiel spannende Lektüre, wenn es um Verhandlungen geht –wie beispielsweise die Berichte Egon Bahrs aus Moskau und War-schau über die Verhandlungen des Jahres 1970 zu den Ostverträgen.Andererseits darf man auch nicht die Aufzeichnungen vernachlässi-gen, die zumeist von den Referatsleitern in der Zentrale zu einzelnenFragestellungen verfasst werden. Diese basieren auf den Botschafter-berichten, fassen Entwicklungen zusammen und geben Anregungen,wie weiter zu verfahren sei. Sie weisen also eine stärker analytischeKomponente auf als die Telegramme aus den Auslandsvertretungen.Hier ist vor allem von Interesse, welchen Weg eine solche Aufzeich-nung durch die Hierarchie des Ministeriums genommen hat, zuerkennen an den auf dem Dokument befindlichen Paraphen undVermerken: Ist es bis auf den Schreibtisch des Staatssekretärs gelangtoder nur bis zum stellvertretenden Abteilungsleiter, und fanden diein der Aufzeichnung angestellten Überlegungen Eingang in Weisun-gen an eine Botschaft? Prinzipiell lässt sich sagen, dass es bei derDokumentenauswahl auf die richtige Mischung ankommt: Nichtnur sollten alle Entwicklungen und Ereignisse eines Jahres ihrerBedeutung nach adäquat abgedeckt werden, der Editor oder dieEditorin sollte auch durch die Wahl des Dokumententyps eineangemessene Darstellungsform anstreben: aktuelle, zeitlich gedrängtablaufende Vorgänge lassen sich besser über den Telegrammverkehrmit den Botschaften abbilden. Sie vermitteln dem Leser etwas vonder Atmosphäre, die in solchen Situationen im Auswärtigen Amtherrscht und den kurzen Zeiträumen, in denen Entscheidungengetroffen werden müssen. Längerfristige Entwicklungen werdendagegen gut über die in der Zentrale gefertigten Aufzeichnungenwiedergegeben.

3 Zur Vorgeschichte und zu den Anfängen der Edition der Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesre-publik Deutschland vgl. Rainer A. Blasius, Der ehrenvolle Auftrag des Auswärtigen Amts. In: 50 JahreInstitut für Zeitgeschichte. Eine Bilanz, hrsg. von Horst Möller und Udo Wengst, München 1999, S. 127-144.

4 Zur Dokumentensammlung, -auswahl und -bearbeitung vgl. auch die jedem Jahrgang der AAPD vor-angestellten editorischen Vorbemerkungen.

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Es stellt sich nun die Frage der Anordnung der Dokumente im Band– thematisch oder chronologisch? Über diese Frage wurde in derAnfangsphase der Edition diskutiert – allerdings nur kurz, weil sehrschnell feststand, dass nur eine chronologische Reihenfolge derEdition gerecht wird. Vor allem die Einordnung diplomatischerGespräche, die oftmals ein weites Spektrum an Themen abdecken,hätte bei einer thematischen Zuordnung Probleme bereitet. WelcherSektion eines Bandes – oder gar welchem eigenen Themenband –sollte die Aufzeichnung über ein Telefongespräch von BundeskanzlerHelmut Schmidt mit Präsident Carter zugeordnet werden, in dem esin etwa gleichen Teilen um Finanzpolitik und um Rüstungskontrollegeht? Und wohin gehört das anschließende Telefonat von Schmidtmit dem französischen Präsidenten Giscard d’Estaing, in demSchmidt über das vorangegangene Gespräch mit Carter informiert,sich dann aber zu europapolitischen Angelegenheiten äußert? Diesebeiden Dokumente getrennt abzudrucken, erscheint problematisch.Zudem ist es die Intention der AAPD, die außenpolitischen Ereignis-se in der Reihenfolge zu präsentieren, in der sie sich zugetragenhaben, und nicht thematisch sortiert.Nachdem das Herausgebergremium über die zu veröffentlichendenDokumente entschieden hat und nachdem diese abgeschrieben undsomit auf dem Computer verfügbar sind, beginnt die nächste Phase,nämlich die der Bearbeitung.Zur Verdeutlichung des Bearbeitungsstils der AAPD sollen hier zweijeweils vor und nach der Bearbeitung durch das Editionsteam alsFaksimile reproduzierte Dokumente dienen. Beide stammen vomselben Datum, nämlich dem 17. August 1963, und beide betreffen dieAufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel.Bei dem ersten Dokument (Abb. 1) handelt es sich um ein Schreibendes Bundeskanzlers Adenauer an Außenminister Schröder – deutlichzu erkennen an der markanten Unterschrift des Kanzlers sowie ander Paraphe Schröders mit dem grünen Farbstift des Ministers, dazuist noch eine handschriftliche Notiz von Schröder vorhanden. (Diegleichfalls auf der Abbildung sichtbaren Stempel sind allerdings erstspäter, nämlich im Zusammenhang mit dem Kopieren und derOffenlegung für die Edition auf das Dokument gekommen.) Indiesem Schreiben spricht sich Adenauer nach einer Unterredung mitdem israelischen Botschafter Shinnar für die Aufnahme diplomati-scher Beziehungen zu Israel noch vor dem 15. Oktober 1963 – demTermin seines Rücktritts als Bundeskanzler – aus.Die bearbeitete Fassung (Abb. 2) zeigt, dass für jedes Dokument einsogenannter Dokumentenkopf erstellt wird, bestehend aus derDokumentennummer, einer standardisierten Überschrift, einerTagebuchnummer mit Angabe des Geheimhaltungsgrades – beidiesem Dokument ist allerdings keine Tagebuchnummer vorhanden,nur die Einstufung „Geheim“ – und dem Datum. Ist beim Datumkein Ort angegeben, bedeutet das immer, dass das Dokument inBonn entstanden ist. Direkt am Datum wird die sogenannte „techni-sche Anmerkung“ gesetzt, das heißt, es wird vermerkt, ob es sich beidem vorliegenden Dokument z. B. um eine Ablichtung oder einenDurchschlag handelt, ferner wird angegeben, wer das Dokumentverfasst hat, falls der Verfasser nicht identisch ist mit dem Unter-zeichner, wem es vorgelegen hat und ob es handschriftliche Vermer-ke gibt. Wie zu sehen, ist letzteres hier der Fall, Schröder, dem dasSchreiben von Adenauer am 19. August vorgelegen hat, vermerkte am27. August: „Antwort ab Kampen“ (dem traditionellen Ferienort vonGerhard Schröder).Neben den technischen spielen erläuternde Anmerkungen bei denAAPD eine große Rolle, wobei die zum Teil sehr ausführlichenFußnoten durchaus ein bewusst gewähltes Markenzeichen der

Edition sind. Die Editoren sehen es nicht nur als ihre Aufgabe an,durch die Kommentierung einen Text leichter verstehbar zu machen,sondern auch, über die Einbeziehung weiterer Dokumente, die nichtin Gänze abgedruckt werden können, die Bestände des PolitischenArchivs zu erschließen. Auf diese Weise soll Studenten, die eineSeminar- oder Magisterarbeit über ein außenpolitisches Themaschreiben wollen, so viele und umfassende Informationen gebotenwerden, dass sich ein Besuch im Politischen Archiv erübrigt. FürWissenschaftler dagegen, die intensiver zur Außenpolitik forschen,möchte die AAPD einen ersten Einstieg bieten, der auch in dieBenutzung der Bestände des Politischen Archivs einführt. Daherwerden in den Fußnoten Informationen zu eventuell angesproche-nen weiteren Dokumenten (zumeist mit Zitat) gegeben, Vertragstex-te, Presseartikel oder Namen ausgewiesen und Sachinformationen zuDaten oder Ereignissen vermittelt. Weiterhin wird das Dokument inden Zusammenhang anderer Dokumente zum gleichen Themaeingebunden. Alle diese Aspekte sind bei dem Schreiben Adenauersvorhanden: Es ist ein weiteres Dokument angesprochen, ein Schrei-ben des israelischen Ministerpräsidenten Eshkol, das Adenauerübergeben wurde und das auch im Politischen Archiv vorhanden ist,und zwar im Archivband 8448 des VS-Bestandes Ministerbüro.Weiterhin spricht Adenauer seinen bevorstehenden Rücktritt an –

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hier wird das Datum, der 15. Oktober 1963, ausgewiesen. Schließlichfordert der Kanzler von seinem Außenminister eine Stellungnahmean, die nach Cadenabbia – Adenauers Urlaubsort am Comer See –übermittelt werden soll. Dieser Brief von Schröder an Adenauer ist,wie in Fußnote 4 erläutert wird, als Dokument 318 veröffentlicht.Davor ist aber im gleichen Band ein weiteres Dokument zu Israelabgedruckt mit der Dokumentennummer 310, auf das gleichfallsverwiesen wird, nämlich eine Stellungnahme des StaatssekretärsCarstens zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen.Ein Blick auf dieses Dokument im Original (Abb. 3 und 4) zeigt: Indiesem Fall ist nicht nur ein Geheimhaltungsgrad, sondern aucheine Tagebuchnummer vorhanden, die besagt, dass es im BüroStaatssekretär des Auswärtigen Amts entstanden ist. Aus demVermerk „1. Ausfertigung“ und der handschriftlichen Unterschriftgeht unzweifelhaft hervor, dass es sich um eine Erstausfertigunghandelt. Die Aufzeichnung verfügt weder über eine Überschrift,noch über eine Betreffzeile oder eine Anrede. Sie ist für Bundesminis-ter Schröder bestimmt, wie der Verfügung auf der zweiten Seite:„Hiermit dem Herrn Minister vorgelegt“ zu entnehmen ist. DieParaphen und die handschriftliche Bemerkung: „Wiedervorlage mitEntwurf Böker“ lassen erkennen, dass Schröder die Aufzeichnung

gelesen hat. Sie hat ihm sogar am gleichen Tag vorgelegen, an demsie verfasst wurde, und damit zwei Tage vor dem Schreiben Adenau-ers. Schröder war folglich, als ihn der Brief des Kanzlers erreichte,bereits informiert, oder, besser gesagt, vorgewarnt, dass das Auswär-tige Amt Bedenken gegen eine baldige Aufnahme diplomatischerBeziehungen zu Israel hatte. Es muss in diesem Zusammenhangdarauf hingewiesen werden, dass es 1963 zwar keine diplomatischenBeziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel gab, aberdurchaus wichtige, wenn auch geheime Kontakte, vor allem auffinanziellem und verteidigungspolitischem Gebiet. Die Bedenkendes Auswärtigen Amts richteten sich also nicht gegen Kontakte zuIsrael, sondern gegen deren Formalisierung. Sie gründeten vor allemin der Befürchtung, dass die arabischen Staaten im Gegenzugdiplomatische Beziehungen zur DDR – oder wie man damals sagte,zur SBZ – aufnehmen würden. Bekanntlich war es ein Hauptanlie-gen bundesdeutscher Außenpolitik der fünfziger und sechzigerJahre, die internationale Anerkennung der DDR und damit eineVerfestigung der deutschen Teilung zu verhindern. Ein Blick auf die bearbeitete Fassung (Abb. 5 und 6) zeigt, dass essich um ein Dokument aus der Kategorie der Aufzeichnungenhandelt. Die technische Anmerkung am Datum entfällt. Dafür gibt

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es einen Rückverweis auf das oben angesprochene Schreiben Aden-auers an Schröder und den Nachweis des Namens des israelischenMinisterpräsidenten, der im Haupttext nur mit seiner Funktiongenannt wird. Die Paraphe Schröders sowie dessen handschriftlicherVermerk sind bei der Verfügung „Hiermit dem Minister vorgelegt“ausgewiesen. In der Aufzeichnung schreibt Carstens, „dass das Auswärtige Amt anseiner seit Jahren vertretenen Auffassung weiterhin festhalte, wonachdie Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel mit Risikenbehaftet sei, die in keinem Verhältnis zu den möglichen Vorteileneines solchen Schrittes ständen“. Dieser knappe Hinweis ist fürSchröder ausreichend, denn ihm sind die Bedenken seines Ministeri-ums vertraut. Die Editoren können aber dieses Wissen bei denLeserinnen und Lesern nicht voraussetzen, und so wird in Anmer-kung 3 aus einer Aufzeichnung des Stellvertretenden Abteilungslei-ters Böker vom 15. August 1963 zitiert, in der die Haltung des Aus-wärtigen Amts detailliert dargelegt wird. Um den Vorgang kurz zu Ende zu erzählen: In einem ausführlichenSchreiben vom 27. August 1963, für das Böker, wie aus der hand-schriftlichen Notiz Schröders erkenntlich ist, den Entwurf gefertigthat, legte Schröder dem Bundeskanzler die Bedenken des Auswärti-gen Amts dar. Adenauer konnte sich nicht durchsetzen, und diediplomatischen Beziehungen zu Israel wurden erst 1965 aufgenom-men. Auch das ist ein spannender Vorgang, der im Jahrgang 1965 derAAPD ausführlich dokumentiert ist.Mit dem Verfassen der Fußnoten ist allerdings die Bearbeitungspha-se noch nicht abgeschlossen, denn jedes Dokument wird mit einemRegest, also einer kurzen Inhaltsangabe versehen, die in chronologi-scher Reihenfolge auf den ersten Seiten eines jeden Jahrgangs abge-druckt werden. Auf diese Weise ist eine schnelle inhaltliche Orien-tierung innerhalb eines Bandes möglich.Nach der Genehmigung von Kommentierung und Regesten durchdas Herausgebergremium beginnt die letzte der drei Arbeitsphasen,nämlich die sogenannte „Abwicklung“. In dieser Phase liest einEditor oder eine Editorin den gesamten Jahrgang nochmals von vornbis hinten durch, überprüft Rück- und Vorverweise und passt –soweit das nicht schon bei der Bearbeitung geschehen ist – Anmer-kungen sprachlich sowie inhaltlich den Standards der Edition an.Hier gilt es primär, alle Spuren eines persönlichen Bearbeitungsstilszu tilgen. In dieser Phase werden zudem das Abkürzungs- undLiteraturverzeichnis sowie die Register erstellt. Die AAPD verfügenüber ein Sach- und ein Personenregister, welche die Besonderheitaufweisen, dass Dokumente, die sich in ihrer Gesamtheit auf einePerson oder einen Sachverhalt beziehen, mit der fettgedrucktenDokumentennummer erscheinen. Die einschlägigen Dokumente zueiner bestimmten Fragestellung oder einer bestimmten Person lassensich auf diese Weise leicht ermitteln. Im Personenregister wird dieFunktion einer Person in dem bearbeiteten Jahr nachgewiesen.Funktionen früherer Jahre werden nur aufgenommen, wenn sie inden veröffentlichten Dokumenten erwähnt werden. Schließlichenthält die Edition einen Organisationsplan des Auswärtigen Amts,der einen Überblick über Aufbau und Struktur des Ministeriumsgibt.Nach Abschluss dieser Arbeiten wird der Satz erstellt, wobei derzeilenstabile Umbruch durch die Editorengruppe selbst angefertigtwird. Der fertige Jahrgang wird zum Verlag geschickt, der ausdruckt,bindet und vermarktet. Die Zeitspanne von der Abgabe an denVerlag bis zum Erscheinen der Bände beträgt etwa sechs Wochen.Anschließend ordnet das Editionsteam alle Dokumente aus demPolitischen Archiv, die für den gerade abgeschlossenen Jahrgang

deklassifiziert wurden, chronologisch und gibt sie wieder an dasArchiv zurück. Dort werden die Akten auf Microfiche als Bestand B150 den Benutzern zugänglich gemacht. Da die Dokumentensamm-lung für einen jeden Jahrgang etwa vier- bis fünfmal soviel Doku-mente enthält, wie abgedruckt werden, handelt es sich dabei umeine stattliche Anzahl von Akten, die, da sie aus verschlossenenBeständen stammen, sonst nicht einsehbar sind.Zwei Punkte seien abschließend erwähnt. Bei dem ersten handelt essich um den Hinweis, dass dem Institut für Zeitgeschichte aus demvon Bund und Ländern gemeinsam geförderten „Pakt für Forschungund Innovation“ Mittel zur Finanzierung eines Projektes zumThema „Der KSZE-Prozess: multilaterale Konferenz-Diplomatie undihre Folgen (1975–1989/91)“ bewilligt wurden. Dieses Vorhaben, dasdas IfZ in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für osteuropäischeGeschichte an der Universität Erlangen (Professor Altrichter) unddem Lehrstuhl von Professor Soutou an der Universität Paris-Sorbonne durchführt, beinhaltet ein Teilprojekt zur KSZE-Politikder Bundesrepublik in den Jahren 1975 bis 1980, das als monogra-phische Auswertung der AAPD konzipiert ist. Der zweite Punkt betrifft den Einsatz neuer Medien, also der Veröf-fentlichung auf CD-Rom und/oder im Internet. Wie sich aus den

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AUFSÄTZE

bisherigen Ausführungen unschwer entnehmen lässt, gehört dieAAPD zu den Editionen, die noch ausschließlich auf Papier publi-zieren. Dieses bedeutet jedoch nicht, dass eine Nutzung elektroni-scher Medien nicht in Erwägung gezogen wurde. Grundsätzlichherrscht jedoch im Herausgebergremium wie im Editionsteam dieAnsicht vor, dass, solange es nichts Beständigeres gibt als säurefreiesPapier, das Buch die primäre Publikationsform bleiben müsse. AusGründen der Haltbarkeit kommt daher eine Veröffentlichung aufCD-Rom nicht in Betracht. Es bleibt also das Internet als zusätzli-ches Forum für die gedruckten Bände. Allerdings zeigte sichzunächst der Verlag, der die Rechte an den Bänden hat, skeptisch,denn er befürchtete einen Absatzrückgang. Mittlerweile hat dasInstitut für Zeitgeschichte in Zusammenarbeit mit dem Verlag eineVorgehensweise entwickelt, durch die die AAPD ins Internet einge-stellt werden kann, ohne die Einnahmen des Verlags zu gefährden.Danach sollen alle Bände, die vor mehr als fünf Jahren erschienensind, kostenfrei zugänglich sein, für die Benutzung der jüngerenBände wird dagegen eine Gebühr erhoben, die jedoch den Preis fürdie gedruckte Fassung nicht übersteigen soll. Da die zeitliche Grenzeals „moving wall“ konzipiert ist, wird jedes Jahr ein Band mehr derAAPD kostenfrei verfügbar sein. Daher ist das Institut für Zeitge-schichte zuversichtlich, in Zukunft wissenschaftlich aufbereiteteAkten zur Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland einer nochgrößeren Öffentlichkeit zugänglich machen zu können. ■

THE “AKTEN ZUR AUSWÄRTIGEN POLITIK DERBUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND“ (AAPD)

Established in 1990, the series consists of two to three volumes ofannotated docu ments each year relating to the foreign policy of theFederal Republic of Germany. To guarantee academic independence,the Federal Foreign Office transferred this task to the Institute ofContemporary History in Munich (IfZ), which established an “editinggroup” based in the Foreign Office. The contract between the ForeignOffice and the IfZ stipulates that the volumes are to be publishedimmediately after the documents come into the public domain 30 years after their creation. To date, the series com prises of 42 volumes covering the years 1949 to 1953 and 1963 to 1977. Atpresent, research is being undertaken on 1978, 1979, 1980 and 1962.

Dr. Ilse Dorothee PautschInstitut für Zeitgeschichte München-BerlinLeiterin der Abteilung im Auswärtigen Amtc/o Auswärtiges Amt, Ref. 117-IfZ11013 BerlinTel. 030-5000-3820, Fax 030-5000-3817E-Mail: [email protected]

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Im März dieses Jahres wurde der im Jahr 1997 begonnene Austauschvon Beständen des Alten Reichs zwischen Bayern und Baden-Württemberg abgeschlossen. Damit sollten die Archive von Herr-schaften, deren Besitzgebiet über die Grenzen beider Länder hinaus-gingen, wiedervereinigt und so bisher verlorene Zusammenhängerekonstruiert werden. Dabei wurden wesentliche Teile der nach demim Lauf des 19. Jahrhunderts entwickelten Prinzip der Ortspertinenzdurchgeführten Extraditionen rückgängig gemacht.

Über das erste Tauschpaket, das im Jahr 1997 abgewickelt wurde, hatPeter Müller in dieser Zeitschrift ausführlich berichtet („Der Archi-var“, Jahrgang 1997, S. 800 ff.). Im zweiten Tauschpaket, das imSommer 2006 sowie im März 2007 (mit Ergänzungen) abgeschlos-sen wurde, ging es vor allem einerseits darum, die nach Ortsperti-nenz im Staatsarchiv Ludwigsburg archivierten Unterlagen derbrandenburg-ansbachischen Ämter wieder mit den entsprechendenzentralbehördlichen Beständen des Staatsarchivs Nürnberg zuvereinigen, andererseits um die Rückgabe von Beständen der alt-württembergischen Klöster Denkendorf und Maulbronn, die Besitzin der später bayerischen Pfalz hatten. Hinzu kamen umfangreicheUnterlagen der Deutschordensballei Elsass-Burgund und der Graf-schaft Montfort. Die Zentralüberlieferung beider Herrschaften liegtzwar in Württemberg und wird daher seit dem 19. Jahrhundert imHauptstaatsarchiv Stuttgart verwahrt, beide Herrschaften hattenaber auch weit verstreuten Besitz in Bayern. Zu nennen sind fernerein großer Komplex von Urkunden, Akten und Amtsbüchern derHerrschaft Weiltingen im heutigen Landkreis Ansbach, dem Sitzeiner württembergischen Nebenlinie im 17. Jahrhundert. Diese

waren konsequenterweise in den 1820er Jahren ebenfalls an Bayernabgegeben worden, ja man hat sogar damals auch die Weiltingenbetreffenden Akten zentralbehördlicher Provenienz einbezogen, dieim Wesentlichen aus der Stuttgarter Oberratsregistratur stammen.

Ein Sonderfall stellt die Abgabe der Archivalien des altwürttember-gischen Klosters Herbrechtingen bei Heidenheim an der Brenz dar.Die jetzt von Bayern übergebenen Unterlagen stammen zum größtenTeil nicht aus Abgaben Württembergs im 19. Jahrhundert nachgeografischer Pertinenz, sie verdanken sich vielmehr der Tatsache,dass Kloster Herbrechtingen nach dem Restitutionsedikt des Kaisersvom Jahr 1629, das bekanntlich die Rückgabe der nach einem be-stimmten Stichjahr reformierten Klöster an die katholische Kirchevorsah, von Kloster Wettenhausen bei Günzburg besiedelt wurde.Als die Mönche dann nach dem Westfälischen Frieden wiederabzogen, nahmen sie zahlreiche Unterlagen mit, die zunächst inWettenhausen, später dann im Bayerischen Hauptstaatsarchivverwahrt wurden.

Das Tauschpaket 2 hat ein Volumen von rund 180 Regalmetern,wobei das Hauptstaatsarchiv Stuttgart mit über 2500 Urkunden undetwa 40 Regalmetern Akten und Amtsbüchern den größten Zu-wachs erfuhr, das Staatsarchiv Ludwigsburg im Gegenzug rund 1300Urkunden und 100 Regalmeter Akten und Amtsbücher abgab.

Im Einzelnen ergeben sich bis jetzt folgende Veränderungen (um-fangreichere Bestände sind mit einem * gekennzeichnet):

ARCHIVTHEORIEUND PRAXIS

BESTÄNDEAUSTAUSCH ZWISCHEN BAYERN UND BADEN-WÜRTTEMBERG ABGESCHLOSSEN

ARCHIVTHEORIE UND PRAXIS

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Hauptstaatsarchiv StuttgartWürttembergische Extraditionen 1879* Bayerisches Hauptstaatsarchiv

- Kloster Weingarten (Akten)Württembergische Extraditionen 1909*

- Kloster Denkendorf (Akten)- Kloster Maulbronn (Akten)- Kloster Ochsenhausen (Akten)- Kloster Weingarten (Urkunden, Akten)- Oberrat betr. Weiltingen (Akten)- Stadt Weinsberg (Akten)

Württembergische Extraditionen 1915- Schwaben Landgericht (Akten)

Auswärtige Staaten Lit. Württemberg- Stift Herrenberg (Akte)- Kloster Lichtenstern (Akte)- Stift Stuttgart (Akten)- Herrschaft Liebenstein (Akte)- Verschiedene Membra des Herzoglichen

Archivs (A-Serie) (Urkunden, Akten)Stift Backnang (Urkunde)Kloster Baindt (Urkunde)Kloster Bebenhausen (Urkunde)Kaplanei Beinstein (Urkunden)KU Denkendorf*

- Kloster Denkendorf (Urkunden)Kloster Heggbach (Urkunde)Kloster Leutkirch (Akte)Kloster Weingarten (Akten)Deutscher Orden, Landkommende Altshausen (Urkunden, Akten)*KU HerbrechingenKloster Herbrechtingen (Urkunden)*KL Herbrechtingen

- Kloster Herbrechtingen (Akten) Stift Herrenberg (Urkunden)Reichsstadt Ulm Lit.

- Amt Heidenheim (Akten)Grafschaft Montfort (Urkunden, Akten)*Lehensurkunden*Reichskammergericht (Akten)*Oberamt Weiltingen (Akten, Amtsbücher)* Staatsarchiv AugsburgDeutschordenskommende Altshausen (Akten)

Staatsarchiv LudwigsburgRitterorden Urkunden Bayerisches Hauptstaatsarchiv

- Deutschordenskommende Kapfenburg- Deutschordenskommende Ulm

Württembergische Extradtionen 1909- Fürststift Ellwangen (Akten)

Württembergische Extraditionen 1911- Grafschaft Helfenstein/Herrschaft Wiesensteig

(Akte)GU Wiesensteig (Urkunden)*Personenselekt

- Ulm Wengenkloster (Akte)Auswärtige Staaten Lit. Württemberg

- Reichsstadt Ulm (Akte)- Grafschaft Helfenstein/HerrschaftWiesensteig (Akten)

Lehen und Adel Staatsarchiv Augsburg- Ellwangen (Akten)

Vorderösterreich und Burgau Lit.- Kloster Wiblingen (Akten)

Deutschordenskommende Kapfenburg, Literalien (Akten)Deutschordenskommende Ulm, Literalien (Akten)*

Generallandesarchiv KarlsruheWürttembergische Extraditionen 1879 Bayerisches Hauptstaatsarchiv

- Hochstift Konstanz (Akte)

ZUGÄNGE (MIT NEUEN BESTÄNDEBEZEICHNUNGEN) BISHER:

ARCHIVTHEORIE UND PRAXIS

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Württembergische Extraditionen 1914 Bayerisches Hauptstaatsarchiv- Salem (Akte)

KU Salem, GU Vorarlberg- Kloster Salem (Urkunden)*

Markgrafschaft Baden (Urkunden)*Fürstenberg (Urkunden, Akten)Auswärtige Staaten ÖsterreichVorderösterreich und Burgau. Lit. (Akten)Reichsstift Salmansweiler (Akten) Staatsarchiv Augsburg

Staatsarchiv LudwigsburgOberamt Crailsheim (Urkunden, Akten)* Staatsarchiv NürnbergAmt Creglingen (Urkunden, Akten)*Amt Anhausen-Lobenhausen (Akten)*Kastenamt Bemberg (Akten)Klosteramt Frauental (Akten)Amt Goldbach (Akten)Amtsvogtei Neunkirchen (Akten)Amt Reinsbronn (Akten)Amt Uffenheim (Akten)*Amt Werdeck (Akten)*Brandenburg-Ansbachische Rechnungen*Oberamt Gerabronn: Brandenburg- Ansbachischer Lehenhof (Urkunden)*Bayerische Zentralbehörden in München (Akten)* Bayerisches Hauptstaatsarchiv?Bayerische Mittelbehörden*

- in Ansbach (Akten) Staatsarchiv Nürnberg- in Dillingen (Akten) Staatsarchiv Augsburg - in Kempten (Akten)- in Neuburg (Akten)

Landgericht, Kastenamt und Rentamt Dillingen (Akten)Riesamt, Landgericht und Kastenamt Dinkelsbühl (Akten)Landgericht und Rentamt Elchingen (Akten)Landgericht Illertissen (Akten)Rentamt Lindau (Akte)Landgericht Nördlingen (Akten)Landgericht Rothenburg ob der Tauber (Akten)Bezirksbehörden Uffenheim (Akten)* Staatsarchiv NürnbergBayerische Forstämter und Revierförstereien (Akte)Bayerische Kommissionen (Akten) Staatsarchiv Augsburg?

Hauptstaatsarchiv StuttgartLagerbücher des Klosters Anhausen Staatsarchiv NürnbergBrandenburg-Ansbachische Lagerbücher*Lagerbücher

- des Karmeliterklosters Dinkelsbühl- des Klosters in Rebdorf- der Pfarrei Blaufelden

Stuttgart, Bernhard Theil

ZUGÄNGE (MIT NEUEN BESTÄNDEBEZEICHNUNGEN) BISHER:

ABGÄNGE BISHER: KÜNFTIG:

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Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) will die Retrokonver-sion archivischer Findmittel bis zum Jahr 2015 mit jährlich bis zueiner Million Euro fördern. Ziel dieser Förderung ist es, die in dendeutschen Archiven vorhandenen gedruckten und handschriftlichenFindmittel zu digitalisieren und der Forschung im Internet zurVerfügung zu stellen. Der Begriff “Retrokonversion” bezeichnet dieinhaltlich unveränderte Digitalisierung von Findmitteln in einweiterbearbeitbares und recherchierbares Format.

ZUM HINTERGRUND

Die deutschen Archive verfügen heute flächendeckend über einezeitgemäße IT-Ausstattung und nutzen das Internet, um der For-schung und anderen Interessenten Fachinformationen zur Verfügungzu stellen. Findbücher zu den Archivbeständen bieten mit den darinenthaltenen Verzeichnungseinheiten die grundlegenden Informatio-nen, um auf Urkunden, Akten, Amtsbücher, Karten und sonstigesArchivgut zuzugreifen. Die Mehrzahl dieser Findmittel liegt abernicht in digitaler Form vor. Da archivische Findmittel Generationen-werk sind und in absehbarer Zeit nicht neu erstellt werden können,müssen sie im Rahmen einer Retrokonversionsstrategie digitalisiertwerden, um die Verzeichnungsinformationen im Internet zugänglichzu machen.1

2001 und 2005 waren insbesondere nordrhein-westfälische Archivean die DFG mit Förderanträgen im Bereich der Retrokonversionherangetreten.2 Zuletzt wurden in einer Vorstudie Empfehlungen fürdie praktische Umsetzung einer flächendeckenden Retrokonversionarchivischer Findmitteln mit Unterstützung der DFG gegeben. DerAbschlussbericht vom Juni 2006 geht von mehr als 60 Millionen zudigitalisierenden Titelaufnahmen in den öffentlichen ArchivenDeutschlands aus und verdeutlicht damit die Größenordnung desUnterfangens.3 Die Notwendigkeit einer breit angelegten Förder-maßnahme wurde schließlich von den Fachgutachtergremien derDFG gesehen4 und mündete im Mai 2006 in ein DFG-Positionspa-pier zum Bereich “Wissenschaftliche Literaturversorgung undInformationssysteme”. Darin sind die Schwerpunkte der Förderungbis 2015 festgelegt. Unter den 17 hier genannten Einzelmaßnahmenfindet sich die Digitalisierung der Findmittel des deutschen Archiv-wesens als eigenständiges Förderprogramm5.Vertreter der DFG-Gutachtergremien und des deutschen Archivwe-sens hatten vorgeschlagen, dass die Archivschule Marburg als quasineutrale Instanz ohne eigene Findmittel, aber ausgestattet mitentsprechender Fachkompetenz und einem satzungsgemäßenForschungsauftrag eine Koordinierungsfunktion übernehmen soll.Mit Schreiben vom 11. Juni 2007 hat die DFG schließlich mitgeteilt,dass sie die Einrichtung einer “Koordinierungsstelle Retrokonversi-on” – zunächst für die Dauer von zwei Jahren – an der ArchivschuleMarburg mit Sach- und Personalmitteln unterstützen wird. Seit 1.September 2007 ist eine wissenschaftliche Mitarbeiterin an derKoordinierungsstelle tätig. Das Personal soll später durch einen

Diplom-Informatiker oder Diplom-Archivar mit einer halben Stelleergänzt werden.

BEDINGUNGEN EINER FÖRDERUNG

Die nordrhein-westfälische Vorstudie hatte in Übereinstimmung mitVertretern der DFG vorgeschlagen, im Rahmen einer Anschubfinan-zierung durch die DFG 10 Prozent der Findmittelkonversionen zufördern, während die übrigen 90 Prozent durch die Archive selbst zuerbringen sind. Bei mehr als 60 Millionen Verzeichnungseinheitenergeben sich daraus rund 6-7 Millionen Titelaufnahmen, derenDigitalisierung die DFG fördern will.6 Die DFG-Förderung ist dabeials Anschubförderung zu verstehen. Zeitgleich oder zeitnahe mit derDFG-Förderung muss von den geförderten Archiven eine Eigenleis-tung von 50 Prozent erbracht werden. Wer also 1000 Titelaufnahmendurch die DFG finanziert digitalisieren möchte, muss bereit sein,darüber hinaus 500 Titelaufnahmen mit eigenen Sach- oder Perso-nalmitteln zu digitalisieren.Zielsysteme sind natürlich zunächst die eigenen Anwendungen derArchive. Allerdings ist die Förderung durch die DFG an die Bedin-gung geknüpft, die Findmittel online zu stellen. Dies kann auch injeweils dezentralen Online-Angeboten erfolgen. Der Antragstellermuss sich aber verpflichten, seine Findmittel zusätzlich in einemvom Bundesarchiv aufzubauenden deutschen Archivportal zugäng-lich zu machen. Auf diese Weise soll eine bessere Sichtbarkeit undRecherchierbarkeit von Findmitteln für die Forschung gewährleistetwerden. Für die Bewilligung eines Antrags auf Findmittelkonversionsind nach entsprechenden Vorgaben der DFG einige weitere Rahmenbedingungen zu erfüllen, die in einem Förderantrag explizitaufgeführt werden sollten: – Der Antragsteller muss seine Bereitschaft erklären, die Eigenleis-

tung zeitgleich oder zeitnah mit der Förderung zu erbringen.– Die Konversion der nicht durch die DFG-Anschubfinanzierung

abgedeckten Findmittel soll – soweit diese keinen Schutzfristenmehr unterliegen – zügig in Angriff genommen werden.

– Alle konvertierten Findmittel sowie Findmittel, die bereits indigitaler Form vorliegen, werden auch in einem nicht kommerzi-ellen deutschen Archivportal in nutzbarer und recherchierbarerWeise verlinkt oder hinterlegt. Der Antragsteller verpflichtet sich,die Findmittel in einem gängigen Austausch- oder Präsentationsformat dem Betreiber eines deutschen Archivportals zugänglich zu machen, also in dem mit DFG-Unterstüt zung entwickelten sog. StandardaustauschformatSaft-XML oder in EAD-XML. Näheres ist in Übereinkunft mitdem Betreiber eines deutschen Archivportals zu regeln.

– Der Antragsteller muss erklären, dass die zu konvertierendenFindmittel keinen Nutzungseinschränkungen unterliegen, sei esdurch Sperrfristenregelungen, sei es durch unklare Besitz- odersonstige Rechtsverhältnisse (z. B. Deposita mit unklaren odereinschränkenden Vertragsverhältnissen).

DFG-FÖRDERPROGRAMM ZUR RETROKONVERSION VONFINDBÜCHERN

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AUFGABEN DER KOORDINIERUNGSSTELLE

Die “Koordinierungsstelle Retrokonversion” hat die Aufgabe, diedeutschen Archive bei einer Antragstellung zu beraten, die Anträgezu bündeln und zu priorisieren. Für die Antragstellung wird die“Koordinierungsstelle Retrokonversion” in Abstimmung mit derDFG Formulare erarbeiten und zur Verfügung stellen. Die Entschei-dung über die einzelnen Anträge, die von den Archiven einzureichensind, verbleibt aber bei den DFG-Ausschüssen.Ein Kernbestandteil eines Antrags an die DFG sind die voraussichtli-chen Kosten der Retrokonversion; diese müssen im Vorfeld ermitteltwerden. Die Koordinierungsstelle kann aus den im Verlauf desProjekts gewonnenen Erfahrungen Schätzwerte für die Konversionvon Verzeichnungseinheiten unterschiedlicher Schwierigkeitsgradebereitstellen oder die Archive bei der Einholung von unverbindli-chen Kostenvoranschlägen unterstützen. Nach der Bewilligung vonFördermitteln durch die DFG muss das betreffende Archiv dieAuftragsvergabe an einen Dienstleister nach den Regeln des Vergaberechts abwickeln. Aller Voraussicht nach wird es möglichsein, dass die Archivschule als Mitantragsteller auftritt; in diesemFall könnte die Vergabe auch von der Koordinierungsstelle abge-wickelt werden.Nach der Retrokonversion bei einem externen Dienstleister wird dieKoordinierungsstelle die gelieferten retrodigitalisierten Findmitteleiner Qualitätskontrolle (Erstkontrolle) unterziehen und sie an dasjeweilige antragstellende Archiv zurückreichen. Bei erfolgreichemAbschluss einer Konversion wird die Koordinierungsstelle dieMaßnahme in ihr Berichtswesen aufnehmen und die Gutachteraus-schüsse sowie den Betreiber eines deutschen Archivportals davon inKenntnis setzen.Die Koordinierungsstelle vertritt das Gesamtvorhaben gegenüberden DFG-Ausschüssen, informiert die deutschen Archive im Jahres-turnus über den Sachstand der Retrokonversion und betreibt aktiveÖffentlichkeitsarbeit. Unter anderem berichtet sie auf ihren Websei-ten (www.archivschule.de/retrokonversion) regelmäßig über denFortgang der Retrokonversionsaktivitäten.

WER KANN DIE RETROKONVERSIONS-ARBEITEN DURCHFÜHREN?

Die Auftragsvergabe an Dienstleister ist mindestens in der zwei Jahreumfassenden Anfangsphase der DFG-Förderung unabdingbar, umverlässliche Informationen über das Preis-Leistungs-Verhältnis beiVergabe größerer Aufträge zu erhalten. Allerdings ist nicht ausge-schlossen, dass Antragsteller danach auch Sachmittel beantragenkönnen, um Findmittel durch eigene Arbeitskräfte zu digitalisieren,sofern nachgewiesen werden kann, dass das Preis-Leistungs-Verhält-nis günstiger als bei einer Auftragsvergabe an einen Dienstleister ist.Die Prüfung des Preis-Leistungs-Verhältnisses würde in diesenFällen von der Koordinierungsstelle vorgenommen und das Ergeb-nis den Gutachterausschüssen in Form eines Kurzberichts mit einerentsprechenden Empfehlung vorgelegt. Mit der grundsätzlichen Öffnung für Eigenleistungen ist eineweitere Erleichterung für die antragstellenden Archive verknüpft. Esist den Antragstellern bereits in der Anfangsphase freigestellt, diedirekte Eigenleistung von 50 Prozent durch Retrokonversion miteigenen Kräften nachzuweisen. Um die gewünschte Nachnutzbarkeit

zu gewährleisten und die adäquate Erbringung der Eigenleistungsicherzustellen, wird die Koordinierungsstelle die in Eigenleistungretrokonvertierten Findmittel ebenfalls einer Qualitätskontrolleunterziehen und das Ergebnis in einem Schlussbericht an dieGutachter-Ausschüsse darlegen. Das bedeutet, dass das antragstel-lende Archiv die in Eigenleistung retrokonvertierten Findmittel nachAbschluss der Arbeiten im Austauschformat SAFT-XML oder EAD-XML der Koordinierungsstelle zur Überprüfung zur Verfügungstellen muss.

WAS KANN RETROKONVERTIERT WERDEN?

In einem ersten Schritt soll eine große Zahl von Findmitteln vonbreitem Nutzerinteresse digitalisiert werden. Aus diesem Grundsollen einfach retrokonvertierbare Findmittel für zentrale Beständebevorzugt werden. Im ersten Förderjahr werden folglich ausschließ-lich maschinenschriftlich vorliegende Findmittel digitalisiert. Bereitsfür das zweite Förderjahr ist vorgesehen, dass die Förderung mit ca.60 Prozent auf maschinenschriftliche und mit ca. 40 Prozent aufhandschriftliche Findmittel entfällt. Zum Ende der ersten, zweijährigen Förderphase sollen reale Preis-Mengen-Angaben für beide Findmittelarten als Basis für die Fortset-zung des Retrokonversions programms der DFG vorgelegt werdenkönnen. Zugleich wird erwartet, dass in der ersten Phase mehr als900.000 Titelaufnahmen erfolgreich konvertiert und online gestelltwerden.

WANN KANN BEANTRAGT WERDEN?

Mit der DFG wurde vereinbart, dass die vollständigen Anträgejeweils auf der Frühjahrs- und der Herbstsitzung des Unterausschus-ses für Kulturelle Überlieferung beraten werden. Um dem Ausschussmit einem ausreichenden zeitlichen Vorlauf die Unterlagen vorlegenzu können, wurden zwei Termine pro Kalenderjahr als Antragsfris-ten mit der DFG vereinbart, nämlich der 15. Juni und der 15. Dezember. Dementsprechend müssten die Anträge zum 1. Mai und 1. November bei der “Koordinierungsstelle Retrokonversion” einge-reicht werden. Die erste Antragsfrist beginnt im Sommer 2008, daderzeit noch ein vorgeschaltetes Pilotprojekt läuft, in dem einGeschäftsmodell entwickelt und die einzelnen Arbeitsschrittedefiniert werden sollen.

AKTUELLER STAND DES PROJEKTS

Nach der Bewilligung der Einrichtung einer KoordinierungsstelleRetrokonversion Ende Juni 2007 ist die Förderung mit einer “pro-duktiven Pilotphase” gestartet, in der die Verfahrensabläufe für dieweiteren Antragsphasen erarbeitet werden. Ende Juli erklärten sichvier Archivverwaltungen dazu bereit, Findmittelbeschreibungen fürdie zu digitalisierenden Findbücher zu erstellen und die erstenPilotanträge abzufassen. Es handelt sich dabei um das Bundesarchiv,das Landesarchiv Baden-Württemberg, die Hessischen Staatsarchiveund das Staatsarchiv Sachsen.Am 3. September 2007 hat die Koordinierungsstelle Retrokonversionden Rahmenantrag mit den Angeboten zweier Dienstleistungsunter-

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nehmen bei der DFG eingereicht. Beantragt wurden Mittel für dieDigitalisierung von 245.000 Verzeichnungseinheiten. Am 21. Septem-ber 2007 hat die DFG eine Rückmeldung zum Rahmenantrag derKoordinierungsstelle Retrokonversion gegeben, die nochmals wichti-ge und nützliche Details für das weitere Verfahren beinhaltet. EndeOktober 2007 wurden schließlich die Pilotanträge der vier beteilig-ten Archivverwaltungen bewilligt. Zur ersten Antragsphase (1. Mai / 15. Juni 2008) wird die DFG inZusammenarbeit mit der Koordinierungsstelle Informationsmaterialbereitstellen. Die Koordinierungsstelle entwirft zur Zeit vor demHintergrund der Erfahrungen der Pilotphase einen Musterantrag andie DFG und Formulare für die Antragstellung sowie für die Be-schreibung der einzelnen Findmittel. Dies soll auf der Seite derArchive die Arbeit bei der Antragsformulierung verringern und zugleichmäßig strukturierten, vergleichbaren und vollständigen Anträ-gen führen, die von der DFG zügig bearbeitet werden können. DieFormulare zur Beschreibung der Findmittel werden alle nötigenAngaben enthalten, mit deren Hilfe Dienstleister verlässliche Ange-bote erstellen können. Ein Mustervertrag soll schließlich die Archivebei der Vergabe unterstützen. Das Etappenziel auf dem Weg zurRetrokonversion aller archivischen Findmittel ist die Ausschöpfungdes Fördervolumens der DFG im nächsten Jahr und die Digitalisie-rung von weiteren 500.000 Titelaufnahmen. ■

Marburg, Frank M. Bischoff/Sigrid Schieber

1 Vgl. Frank M. Bischoff / Udo Schäfer, Das Angebot der Archive in der digitalen Welt. Von der Retro-konversion zum Deutschlandportal, in: Forschung in der digitalen Welt. Sicherung, Erschließung undAufbereitung von Wissensbeständen. Tagung des Staatsarchivs Hamburg und des Zentrums “Geistes-wissenschaften in der digitalen Welt” an der Universität Hamburg am 10. und 11. April 2006, hg. v. Rai-ner Hering, Jürgen Sarnowsky, Christoph Schäfer und Udo Schäfer, Hamburg 2006 (= Veröffentlichun-gen aus dem Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg, 20), S. 169-182, bes. S. 179 f.

2 Zum Forschungsprojekt des Jahres 2001 vgl. Frank M. Bischoff, Das Projekt Retrokonversion von Find-büchern, in: Archive vor der Globalisierung? Beiträge zum Symposion des Nordrhein-WestfälischenHauptstaatsarchivs in Verbindung mit den Allgemeinen Reichsarchiven in Brüssel (Belgien) und DenHaag (Niederlande) vom 11. bis 13. September 2000 in Düsseldorf, hg. v. Mechthild Black-Veldtrup, Ott-fried Dascher und Axel Koppetsch, Düsseldorf 2001 (= Veröffentlichungen der staatlichen Archive desLandes Nordrhein-Westfalen, Reihe E, 7), S. 139-155; Mechthild Black-Veldtrup / Matthias Meusch /Stefan Przigoda, Zugänglichkeit verbessern: Das DFG-Projekt „Entwicklung von Werkzeugen zur Re-trokonversion archivischer Findmittel“, in: Der Archivar 55 (2002), S. 111-117. Der Abschlussbericht unddie Beiträge zu einer Tagung des Hauptsstaatsarchivs Düsseldorf in 2003, auf der die Ergebnisse desvon der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Retrokonversionsprojekts präsentiert wurden,finden sich unter <www.archive.nrw.de/LandesarchivNRW/Archivfachliches/BestandsbildungErschlies-sung/index.html>.

3 Der Abschlussbericht findet sich unter <www.archivschule.de/uploads/Forschung/Retrokonversion/SAFT_Retrokonversion-Projektbericht-11.09.06.pdf>. Vgl. auch Ulrich Fischer / Wilfried Reininghaus,DFG-Vorstudie „Retrokonversion archivischer Findmittel“. Die wichtigsten Ergebnisse des Projekts, in:Der Archivar 4 (2006), S. 330.

4 Vgl. die bereits im Jahr 2004 formulierten Forderungen einer Gruppe von DFG-Gutachtern: TheklaKluttig / Robert Kretzschmar / Karl-Ernst Lupprian / Wilfried Reininghaus / Udo Schäfer / BarbaraSchneider-Kempf / Günther Wartenberg, Die deutschen Archive in der Informationsgesellschaft – Stand-ortbestimmung und Perspektiven, in: Der Archivar 57 (2004) S. 28-36, bes. S. 30 ff.

5 Vgl. das DFG-Positionspapier „Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme:Schwerpunkte der Förderung bis 2015“ <www.dfg.de/forschungsfoerderung/wissenschaftliche_ infra-struktur/lis/download/positionspapier.pdf>.

6 Digitale Findmittel, die in nicht mehr funktionsfähigen Systemumgebungen erstellt wurden und da-her mit den aktuellen Systemen nicht ohne weiteres gelesen oder verarbeitet werden können, sind beidiesen Zahlen nicht eingerechnet. Sie sollen ebenfalls umgewandelt und für den zentralen Sucheinstiegbereitgestellt werden. Die DFG hat angeboten, hierfür zusätzliche Fördermittel bereitzustellen, die se-parat beantragt werden können.

Die Überreichung des Findbuches mit 969 Verzeichnungseinheitenfür das Pfarrarchiv St. Mariä Himmelfahrt in Grevenbroich-Gustorfan Domkapitular Pfarrer Msgr. Winfried Auel zum Tag des Kirchen-patrozinium (15.8.2007) als das 67. und letzte „Vollfindbuch nachKölner Standard“ stellt den Abschluss eines wohl einmaligen Mo-dells der Bearbeitung von „Ortskirchenarchiven“ dar, von denen esin Deutschland jetzt weniger als 12.700 (2005) katholische bzw.16.100 evangelische gibt. Nach der breiten und vielfältigen Traditionder Pfarrarchivpflege der Bistumsarchive (bzw. Landeskirchenarchi-ve) des 20. Jahrhunderts stehen diese im neuen Jahrhundert vor denbesonderen Herausforderungen der mehr oder weniger starkenkirchlichen Strukturreduzierungen, beispielsweise im ErzbistumKöln von 800 Pfarreien auf (weniger als) 221 Seelsorgebereiche (mitneuen „Mittelpunktarchiven“), deren neueren Alt-Registraturen mansich seit 2003 verstärkt unter dem Bewertungsaspekt und nun ineinem „Pilotprojekt“ zugewandt hat.1

Dies macht die ganz anderen Rahmenbedingungen deutlich, dieglücklich zusammentrafen, als am 2. Mai 1985 in der Trägerschaftdes damaligen Stadt-Caritasverbandes Neuss (H. Dusend, N. Som-merfeld) zunächst vier ABM-Mitarbeiterinnen mit 80 %-Lohn-Förderung für zwei Jahre durch die Bundesanstalt für Arbeit zurVerfügung gestellt wurden. Dazu waren die angesprochenen Pfar-

rer/Pfarreien gern bereit, vorübergehend einen Arbeitsplatz „vorOrt“ in Gemeinderäumen bereit zu stellen und das HistorischeArchiv des Erzbistums Köln (AEK) mit seiner „Fachaufsicht“ (seit1923) brachte neben dem archivwissenschaftlichen Know-how,Verpackungsmaterialien und Archivkartons die notwendige intensi-ve außendienstliche Betreuung („Projektmanagement“) ein. Auchstellte der Stadt-Caritasverband pionierhaft ab 1986 zur Ablösungder elektrischen Schreibmaschine für das Abschreiben der „hand-schriftlichen Karteikarten-Verzeichnung nach der Streifenmethode“erste Personal-Computer zur Verfügung, welche die Entwicklung derWord-Textprogramme von den Fassungen 2.3 bis 5.5 mitmachten.Bis 1987 wurden die Archiveinrichtungen (in der Regel Metall-schränke) bis zu 50 % von der Archivberatungsstelle Rheinland(Brauweiler) bezuschusst und bis zum Jahre 2003 konnte dasDiözesanarchiv (Archivdirektor Prof. Dr. T. Diederich) die Pfarreienbei Bedarf mit kleineren Zuschüssen „subsidiär“ unterstützen. InAnbindung an das AEK (Dr. J. van Elten) konnte ab 1998 auf dasVerzeichnungsprogramm „Sachav“ zurückgegriffen werden, womitdie „Ära der archivarischen Karteikarte“ zu Ende ging. So konnte am 18.06.1986 mit einer ersten kleinen Ausstellung imNeusser „Kardinal-Frings-Haus“ („Kostbarkeiten aus NeusserPfarrarchiven“) die erste Generation der ABM-Mitarbeiter fünf

MEHR ALS 20 JAHRE „NEUSSERMODELL DER SUBSIDIÄRENPFARRARCHIVPFLEGE“

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Findbücher als krönenden Abschluss der Ordnung, Verzeichnungund Erschließung mit rund 4.500 Verzeichnungseinheiten vorstellensowie als Grundlage für die Bearbeitung der Neusser (Kirchen-)Geschichte. Mit hoher Betreuungsintensität und Kontinuität wurdenim ersten Abschnitt der beiden Dekanate Neuss-Nord und -Süd desStadtdekanates bis zum Jahre 1990 mit 11 Mitarbeitern 26 Pfarrarchi-ve mit rund 22.500 Verzeichnungseinheiten bei einem Kassations-quotienten von durchschnittlich 10 % bearbeitet. Der archivarischeSchnitt zur laufenden Registratur der „lebenden Pfarrarchive“wurde in der Regel in den siebziger Jahren gezogen und bei den„feierlichen Findbuchübergaben“ in einzelnen Pfarreien wurden dieblau eingebundenen Findbücher mit einem „Schlüssel zum Tresorder Pfarr- und Ortsgeschichte“ verglichen.2

Der Offenheit der Leitung des bis 2005 selbständigen Kreis-Caritas-verbandes (H. Werner, U. Peters) ist es zu verdanken, dass die Archi-vierungsarbeiten trotz der auf 70 % abgesenkten ABM-Förderung ab1990 in einen zweiten Abschnitt der Dekanate Dormagen undGrevenbroich zumindest mit jeweils einem Mitarbeiter fortgesetztwerden konnten. Im Dekanat Grevenbroich mit seinen insgesamt 25Findbüchern und über 16.000 Verzeichnungseinheiten konnte alleinDr. E. Gasten zwölf Findbücher erstellen. Im jüngeren DekanatDormagen konnten bis zur Jahrtausendwende vier promovierteMitarbeiter(innen) die letzten zehn Pfarrarchive mit auslaufenderABM-Förderung und steigendem Finanzierungsanteil für die Pfar-reien abschließen und jeweils feierlich den Pfarrern und Gemeindenübergeben.3 Die Fertigstellung des größten Dormagener PfarrarchivsSt. Michael (mit 1952 Verzeichnungseinheiten von Dr. S. Graumannbei Dechant G. Assmann) am 21.4. 2002 signalisierte den Beginn derAbschlussphase.4 Das arbeitsmarktpolitische Förderungsziel derIntegration der ABM-Mitarbeiter (bis 10/2000) in den ersten Arbeits-markt konnte auch weitgehend erreicht werden, wobei vier vormali-ge Mitarbeiter fest angestellte Archivars-Kollegen wurden, währendzwei promovierte Mitarbeiter aus dem Universitätsbereich noch„unversorgt“ sind.Abgerundet wird das Projekt sowohl durch die rund zehn Pfarrar-chive, die neben AEK-Mitarbeitern entweder auf ehrenamtlicherBasis (bes. in der Vorphase H. Kandt: Elfgen, Neuenhausen, Weve-linghoven) oder in der Abschluss-Phase auf Werkvertrags-Grundlage(St. Fraedrich, Gustorf) abgeschlossen wurden, als auch durchSonderarchive wie zwei Dekanatsarchive (Grevenbroich, Zons) undzwei mitbetreute Klosterarchive (Alexianer-Brüder,5 Neuss; Spirita-ner, Knechtsteden6).Von Anfang an wurde neben der kontinuierlichen archivarischenKärrnerarbeit und der lokal-regionale Präsentation auch auf diegeschichts- und archivwissenschaftliche Auswertung und Begleitungdes „Neusser Modells“ Wert gelegt. Diese wissenschaftlichen Aus-wertungen reichten von den üblichen Gemeindefestschriften übereigene Caritasgeschichten7 bis zur Einbindungen in überregionaleStudien (z. B. P. Dohms, Kevelaer-Wallfahrten; Kultur-, Ordens- undWirtschaftsgeschichte). Ortsgeschichtliche Teilergebnisse wurden inregionalen Geschichtszeitschriften von Büderich (1988) über Stürzel-berg (2005) bis zum gedruckten Beispiel-Findbuch von Zons8

ausgebreitet. Die aspekthaft-externe Darstellung des „NeusserModells“ in Vorträgen erstreckte sich von Archivtagen (z. B. 1986:20. Rheinischer in Wuppertal, 58. Deutscher in München) undFachtagungen9 über spezielle an Hochschulen (z. B. UniversitätEssen, Tag der Forschung und Lehre, 19.11.1997; PTH Vallendar 3.22002) bis zu frankophonen ausländischen Fachkollegen (Nivelles,Paris 1987). Die mediale Präsentation der Arbeitsprozesse, Entwick-lungen und Ergebnisse des „Neusser Modell“ entwickelte sich im

Laufe von 20 Jahren von Schwarz-weiß-Fotos und Farbdias überVideo- (Gohr: Findbuchübergabe 1997) und Fernseh-Beiträgen(K-TV 9/2002) bis zu digitalen Publikationen mit dem Verzeichnisaller bearbeiteten Findbücher.10

Dem aufgeschlossenen Geschichtsinteresse der regionalen Archivars-kollegen ist es zu verdanken, dass im Jahre 2006 zwei gut besuchteBilanzausstellungen mit Vortragsveranstaltungen zum NeusserModell durchgeführt werden konnten. Trotz der zwischenzeitlichenkirchlichen Vereinigung zum Kreisdekanat Rhein-Kreis Neusswurde zunächst von der Stadtsparkasse Neuss und „den Heimat-freunden“ das „Exzellenz-Projekt“ mit der Ausstellung „Pfarrarchi-ve, Ortsgeschichte, Neusser Kirchengeschichte“ (10.1.-3.2.) begangen.Für das vormalige Kreisdekanat veranstaltete das Stadtarchiv Gre-venbroich (W. Brandt) und die Villa Erckens (Museum für histori-sche und zeitgenössische Interaktion, Th. Wolff) die Ausstellung(15.8.-19.10.) „Grevenbroicher Pfarreien. Gestern, heute und in Zu-kunft“ mit einer Podiumsdiskussion zu den Auswirkungen des imErzbistum Köln laufenden Reformprogramms „Zukunft heute“ (ab10/2004), unter dem dieses Archivierungsmodell (mit über 50.000Verzeichnungseinheiten) dankenswerterweise (Archivdirektor Dr. U.Helbach) noch mit dem „Restant Gustorf“ abgeschlossen werdenkonnte. Denn vorbehaltlich einer differenzierteren Auswertung kann aus deraktuellen Perspektive auf die vordem sehr guten „synergetischenRahmenbedingungen“ („Neusser Klüngel“) zurückgeblickt werden,welche die personellen und strukturellen Voraussetzungen schufenfür eine über das Erzbistum Köln hinaus bemerkenswert flächen-deckende Archivierung von über 50 Pfarrarchiven, in denen Einzel-stücke nicht nur aus dem 16., sondern sogar aus dem 13./14. Jahrhun-dert stammen. Mit diesen kartonierten und erschlossenen Altbe-ständen ist das Kreisdekanat Rhein-Kreis Neuss bestens aufgestelltfür den anstehenden Konzentrationsprozess der Pfarrverwaltungenund des Seelsorgepersonals in den nächsten zwanzig Jahren. ■

Neuss/Köln, Reimund Haas

1 Vgl. zuletzt Helmut Baier, In der Sorge um die kirchlichen Archive, in: Aus evangelischen Archiven Nr.40 (2000), S. 91-109; Pfarrarchive und Überlieferungsbildung, (Beiträge zum Archivwesen der Katholi-schen Kirche Deutschlands, hrsg. von der Bundeskonferenz der kirchlichen Archive in Deutschland, Bd.7), Speyer 2003.

2 Reimund Haas, Subsidiäre Pfarrarchivpflege am Beispiel des Neusser Modells, in: Rheinische Heimat-pflege 29 (1992), S. 114-123.

3 Reimund Haas, Das Neusser Modell der subsidiären Pfarrarchivpflege 1990-2000. Eine erfolgreiche Bi-lanz für den Caritasverband für das Kreisdekanat, in: Jahresbericht für das Jahr 2000, hrsg. vom Cari-tasverband für das Kreisdekanat Neuss, Grevenbroich 2001, S. 16-21.

4 Reimund Haas, Das Neusser Modell der subsidiären Pfarrarchivpflege, in: Jahresbericht für das Jahr2002, hrsg. vom Caritasverband für das Kreisdekanat Neuss, Grevenbroich 2003, S. 19-21.

5 Anton Deiringer - Reimund Haas, 500 Jahre Alexianerbrüder in Neuss 1490-1990, Neuss 1990.

6 Vgl. beispielsweise Reimund Haas, Missionsgeschichtliche und ethnologische Quellen der DeutschenSpiritaner, in: Zeitschrift für Missions- und Religionswissenschaft 78 (1994), S. 163-174.

7 Hermann-Josef Scheidgen, Wege der Neusser Caritas. Dokumentation kirchlich-sozialen Lebens imStadtdekanat Neuss vom 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, Köln 1997; Wolfgang Dietz, Die StiftungKruchen in Wevelinghoven 1866-1998. Ein Jahrhundert praktizierte Caritas (Beiträge zur Geschichteder Stadt Grevenbroich, Bd. 14), Grevenbroich 1999.

8 Elmar Gasten - Reimund Haas - Herbert Kolewa, Kirchengeschichte und Pfarrarchiv St. Martinus Zons(Blätter zur Geschichte von Zons und Stürzelberg VIII), Dormagen 1996.

9 Vgl. auf der Arbeitstagung der katholischen Kirchenarchivare in Ludwigshafen (19.6.1986): ReimundHaas, Subsidiäre Pfarrarchivpflege am Beispiel des Erzbistums Köln, in: Beiträge zum Archivwesen derKatholischen Kirche Deutschlands, hrsg. von der Bundeskonferenz der kirchlichen Archive in Deutsch-land, Bd. 1, Überlieferung, Sicherung und Nutzung der Pfarrarchive, Speyer 1991, S. 80-102. = www.db-thueringen.de/servlets/DocumentServlet?id=3429.

10 Reimund Haas, Kirchengeschichte und Pfarrarchive in Dormagen. Mit einer Auswahlbibliographie zumNeusser Modell der subsidiären Pfarrarchivpflege“ (1985-2005) (Beiträge zur neueren Ordens- undFrömmigkeitsgeschichte Nr.2 (2005) = www.db-thueringen.de/servlets/DocumentServlet?id=3004.

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ARCHIVTHEORIE UND PRAXIS

JAHRESTAGUNGEN DES BESTANDSERHALTUNGS-UND DES FOTOTECHNISCHENAUSSCHUSSES DER ARKAm 8. und 9. Mai 2007 fand im Technischen Zentrum des Landesar-chivs in Münster-Coerde die jährliche Sitzung des Bestandserhal-tungsausschusses der ARK statt. Direkt im Anschluss, am 9. und 10.Mai 2007 schloss sich die Jahrestagung des Fototechnischen Aus-schusses an. Eine gemeinsame, zweistündige Sitzung beider Aus-schüsse am 9. Mai war dem Thema Digitalisierung gewidmet.

SITZUNG DESBESTANDSERHALTUNGSAUSSCHUSSES

Schwerpunktthemen der Ausschusssitzung waren die Bemühungenum Normbildung in der Bestandserhaltung, die bundesweite Ent-wicklung der Ressourcen für Bestandserhaltung, größer angelegteKonzepte und Projekte zur Bestandserhaltung und der Erfahrungs-austausch über die Zusammenarbeit mit Dienstleistern bei be-standserhalterischen Maßnahmen wie Massenentsäuerung, Umbet-tung und Verpackung oder Dekontamination.Ausführlich vorgestellt wurde der jüngst erschienene Band „Be-standserhaltung in Bibliotheken und Archiven“, in dem älterengrundlegenden Normen zur Bestandserhaltung zusammengefasstsind.1 Neu und wegweisend sind die von Rainer Hofmann erstellten,vom Ausschuss besonders begrüßten Empfehlungen zur Überprü-fung des Erfolgs von Massenentsäuerungsbehandlungen. Darin sindMindest anforderungen formuliert und um praktische Hinweise zurQualitätskontrolle ergänzt, die zwingend erfüllt sein müssen, damiteine Entsäuerungsbehandlung als erfolgreich bezeichnet werdenkann.Auf dem Gebiet der Erfassung der Ressourcen für Bestandserhal-tung ist der Ausschuss seit einigen Jahren bemüht, in Abstimmungmit dem Fototechnischen Ausschuss die traditionelle Input-Statistikzur Bestandserhaltung durch eine Outputstatistik zu ergänzen.Diskutiert wurden die Erfahrungen bei der Ermittlung der Zahlen;es wurde deutlich, dass bei den Messgrößen (z. B. der „laufendeMeter“) eine weitere Vereinheitlichung erforderlich sein wird, umdie Vergleichbarkeit der erzielten Ergebnisse zu erhöhen.Aus verschiedenen Bundesländern wurde über größereBestandserhaltungs maßnahmen berichtet. Hervorgehoben seien andieser Stelle die Bemühungen Hamburgs um eine Erfassung vonBestandsschäden durch Stichproben, die bis Ende 2008 abgeschlos-sen werden soll. Weitere Themen der Ausschusssitzung waren die Vergabepraxis beiBestandserhaltungsmaßnahmen, Lagerung und Verpackung vonArchivgut und die Verwendung alterungsbeständiger Materialien inder Verwaltung sowie Notfallvorsorge und aktuelle Berichte von-Schadensfällen.

GEMEINSAME ARBEITSSITZUNG DERAUSSCHÜSSE

Nach einem instruktiven Fachvortrag durch den Hamburger Fotore-staurator Michael Jürgens zur Alterungsbeständigkeit von Digital-drucken widmeten sich die Ausschüsse gemeinsam dem ThemaDigitalisierung. Präsentiert und lebhaft diskutiert wurde dasSchutzdigitalisierungskonzept des Landesarchivs Nordrhein-Westfa-len, das die Nutzung von Beständen über die Schutzform Digitalisatin den Lesesälen des Landesarchivs vorsieht und die Herstellung vonMikrofiches für den Lesesaaleinsatz abgelöst hat. Die mittels Mikro-filmscanner und Aufsichtscanner im Technischen Zentrum oderdurch Fremdvergabe digitalisierten Bestände werden auf den Bildda-tenservern des Landesarchivs abgelegt und mittels eines eigensentwickelten Bildbetrachtungstools in den Lesesälen in Brühl,Detmold, Düsseldorf und Münster zugänglich gemacht. In dernächsten Ausbaustufe sollen die digitalisierten Bestände mit dendazu gehörenden Erschließungsinformationen verknüpft werden, sodass der Benutzer im Lesesaal von der Recherche in den Onlinefind-büchern direkt auf das digitalisierte Archivgut zugreifen könnenwird.Anschließend wandte sich die Fachdiskussion dem so schwierigenwie drängenden Thema „Digitalkameras im Lesesaal“ zu. Sowohlarchivfachliche (Bestandserhaltung und Nutzung) als auch vor allemarchiv- und urheberrechtliche Probleme kommen hier zusammen.Nach einem ersten Meinungsaustausch wurde eine Arbeitsgruppeeingerichtet, die ein Papier erarbeitet und – ergänzt um eine nut-zungs- und urheberrechtliche Stellungnahme der ArbeitsgruppeArchive und Recht – der ARK vorgelegt hat. Als weiteres wichtiges Thema wurde abschließend die Digitalisie-rung im Kontext der Bestandserhaltung erörtert. Vielfach droht eineVerlagerung von finanziellen wie personellen Ressourcen weg vomErhalt des Originals hin zur digitalen Nutzungsformen. Eine zweiteArbeitsgruppe wurde beauftragt, die vorgetragenen Positionen ineinem aussagekräftigen Memorandum zu bündeln.

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SITZUNG DES FOTOTECHNISCHENAUSSCHUSSES

Neben der üblichen Diskussion zahlreicher technischer Aspekte desVerfilmungs- und Einlagerungsprozesses widmete sich die Sitzungzentralen strategischen Fragen. Ein Thema war die Auswahl der zu verfilmenden Bestände. Siegeschieht bei Bund und Ländern in ähnlicher Form: Meist existierenPrioritätenlisten, die von den Verfilmungsstellen abgearbeitet wer-den; Grundsatz ist, dass ein Bestand abschließend erschlossen seinmuss. Als empfehlenswert wird weiterhin angesehen, sämtlicheFindmittel in Abständen zu verfilmen. Dies ist allerdings bislangkeineswegs überall Routine und wird mit der Zunahme an Online-Findbüchern (im Datenbankformat) neu zu betrachten sein. DieSicherungsverfilmung ist in nahezu allen Bundesländern verknüpftmit der Herstellung von Schutzmedien, seien es Mikroformen oderzunehmend das Digitalisat. Häufig ist die Sicherungsverfilmungzudem eingebettet in den weiteren Bestandserhaltungskontext, istalso ein Baustein neben Umbettung/Konservierung, Massenentsäue-rung und Restaurierung. Ein weiteres ausführlich behandeltes Thema waren die Entwick-lungsperspektiven der Sicherungsverfilmung. Dietrich Hofmaier,Seniorchef der Firma MFM Hofmaier in München, referierte alsGast zu diesem zentralen Thema und stieß eine fruchtbare Diskussi-on an. Er führte aus, dass Mikrofilmkameras zunehmend durchBuchscanner abgelöst werden dürften. In der Sicherungsverfilmung

wären beim Einsatz von Scannern und zentralisierter Ausbelichtungauf Mikrofilm mittelfristig Kostenreduktionen möglich. Die Scanskönnten auf einen zentralen Image-Content-Server übertragenwerden, auf dem alle weiteren Bildbearbeitungen und Konversions-routinen laufen. Andiskutiert wurde zudem die Frage, ab wann dieSicherungsverfilmung auf digitale Geräte umzustellen sein wird.Nach wie vor werden Mikrofilmkameras beschafft, da diese hin-sichtlich Aufnahmegeschwindigkeit und Abbildungsschärfe denScannern überlegen sind. Zugleich wird beim HStA München einPilotprojekt zur Erarbeitung und Prüfung einer digital basiertenSicherungsverfilmung durchgeführt, das den Ablauf vom Scannenüber das Ausbelichten bis hin zur Einlagerung erproben und Kostenermittelt soll. Ein ‚Abfallprodukt’ eines solchen Prozesses, dasDigitalisat, wäre als komfortables und vielseitiges Medium danndurch die verwahrenden Archive nachnutzbar. Ein weiteres wichtiges Thema waren die bei Archiven und Bibliothe-ken vorhandenen Schutzfilme. Um diese teilweise sehr umfangrei-chen Verfilmungen auch für die Ziele der Sicherungsverfilmungnutzen zu können, verabschiedete der Ausschuss ein Konzept zurBegutachtung und Qualitätskontrolle von Schutzfilmen – mit demZiel, von geeigneten Schutzfilmen Duplikate in den ZentralenBergungsort einlagern zu können. Ein erster derartiger Filmkomplexwird vom Land Sachsen angeboten. ■

Berlin/Münster, Martin Luchterhandt/Marcus Stumpf

1 Bestandserhaltung in Archiven und Bibliotheken, hg. von Rainer Hofmann und Hans-Jörg Wiesner, Berlin / Wien / Zürich 2007 (Beuth, 48,00 €, ISBN 978-3-410-16536-1).

Die Projektpartner der ersten beiden Projektphasen von 2001 bis2003, das Landesarchiv Baden-Württemberg, das Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württemberg (BSZ) in Konstanz und das Landes-museum für Technik und Arbeit in Mannheim entwarfen zunächst

DAS NEUE BAM-PORTAL1

EAD ALS AUSTAUSCHFORMAT IMARCHIVWESEN

Zur VorgeschichteIn seiner ersten Erscheinungsform war das Internetportal für Biblio-theken, Archive und Museen, kurz „BAM-Portal“, ein baden-würt-tembergischer Prototyp für ein deutschlandweites Kulturgutportal.

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eine prototypische Datenbank aus ausgewählten Beständen, umerstmals die gemeinsame Suche über Archivgut, Bibliotheksgut undMuseumsobjekte zu erproben.2 In der zweiten Projektphase ent-wickelte sich das BAM-Portal zu einer Metasuchmaschine, diegrößere Datenbestände über eine verteilte Suche erschloss. DasErgebnis war jedoch technisch nicht befriedigend, da die Metasuchedie Stabilität des Portals minderte und lange Antwortzeiten derangebundenen Datenbanken die Suche erschwerten.

Neuer, größer, schöner …In der dritten und letzten durch die DFG geförderten Projektphaseseit Oktober 2005 wurde das BAM-Portal daher auf eine vollkom-men neue technische Grundlage gestellt. Außerdem erweiterte sichdie Menge der Daten durch die Teilnahme neuer Archive undMuseen sowie eines zweiten großen Bibliotheksverbunds. Als Pro-jektpartner kamen in dieser Phase das Bundesarchiv und die Stif-tung Preußischer Kulturbesitz hinzu – BAM entwickelte sich zueinem Portal mit bundesweitem Anspruch.3

Das neue BAM-Portal ist ein sogenanntes „Data-Warehouse“, dieErschließungsdaten werden also von den Teilnehmern an das Portalgeliefert, wo sie mit Hilfe der Suchmaschinen Software „ApacheLucene“ indiziert und durchsucht werden. Diese Lösung erlaubt es,die Suchergebnisse durch den Einsatz einer automatischen Wort-stammerzeugung zu vergrößern und Rankingmechanismen anzu-wenden. Vor allem führt sie jedoch zu einer sehr stabilen undschnellen Anwendung. Seit Januar 2007 ist das BAM-Portal außer-dem mit einem neuen Design und neuen Funktionalitäten online.Die Treffer werden nun in einer Gesamtansicht statt in der ur-sprünglichen Spaltenansicht gezeigt. Sie können über einen dynami-schen Navigationsbaum jedoch nach Ergebnissen aus den einzelnenSparten oder sogar aus den einzelnen Institutionen gefiltert werden.Die neu eingerichtete Merkliste erlaubt es den Benutzern, interessan-te Ergebnisse zu speichern.Aus dem BAM-Portal wird auf die Erschließungsangaben im jeweili-gen Herkunftssystem verlinkt. Von Archivtreffern wird nicht nur aufdie Verzeichnungseinheit verlinkt, sondern außerdem vom Bestands-namen auf die Bestandsbeschreibung. Durch diese Vernetzungwerden die Benutzer hin zu den Ursprungssystemen geführt. Dortkönnen sie die vollständigen Erschließungsangaben im Kontext derBestandsgliederung einsehen und die Archivalien gegebenenfallsbereits online bestellen.Im BAM-Portal können auch Digitalisate nachgewiesen werden,wenn die Ursprungsdaten dies erlauben. Bei den Museen ist dasdurchgängig der Fall, hier werden alle Objekte, für die ein Digitalisatverfügbar ist, mit einem Vorschaubild versehen. Für Archive ist dasebenfalls möglich. Mit der Realisierung des EAD-Datenimports, inden die notwendigen Angaben aufgenommen wurden, können seitkurzem auch die Digitalisate des Landesarchivs Baden-Württembergdargestellt werden.Im Verlauf der dritten Projektphase hat sich Kreis der Teilnehmerstark erweitert. Mittlerweile sind mit dem Gemeinsamen Biblio-theksverbund (GBV) und dem Südwestdeutschen Bibliotheksver-bund (SWB) zwei große Verbundkataloge eingebunden. Die Zahl derMuseen hat sich stark erhöht, vor allem durch die Teilnahme derStaatlichen Museen zu Berlin, der schleswig-holsteinischen Museenin DigiCult und der sächsischen Museen über die Objektdatenbankder Sächsischen Landesstelle für Museumswesen. Hinzu kommeninteressante Einzelangebote wie zum Beispiel die Objektdatenbankdes Deutschen Historischen Museum oder des Architekturmuseumsder TU Berlin. Bei den Archiven können zur Zeit die Findmittel des

Bundesarchivs4, des Landesarchivs Baden-Württembergs5 und derhessischen Staatsarchive6 durchsucht werden. Aber auch nichtstaatli-che Archive haben ihre Teilnahme zugesagt und werden bis Jahres-ende noch eingebunden werden: Die Stadtarchive Reutlingen,Freiburg und Heilbronn, das Universitätsarchiv Stuttgart, dasLandeskirchliche Archiv Stuttgart, das Frauenforschungs-, -bil-dungs- und -informationszentrum (ffbiz) in Berlin und das Südwest-deutsche Archiv für Architektur und Ingenieurbau (SAAI) in Karls-ruhe. Bei einigen Archiven ohne eigenes Onlineangebot wird dieVolltrefferanzeige analog zu manchen Museen im BAM-Portal selbsterzeugt – das gilt zum Beispiel für das Stadtarchiv Reutlingen. Unterden „sonstigen Datenanbietern“ findet sich das Kalliope-Portal fürNachlässe und Autographen und die IWF (Wissen und MedienGmbH) aus Göttingen, eine Dokumentationsstelle für Medien zuWissenschaft und Forschung.Eine Data-Warehouse Lösung hat zwar große Vorteile, was dieStabilität und Schnelligkeit der Suche betrifft. Daten doppelt vorzu-halten, schafft jedoch auch neue Herausforderungen. RegelmäßigeAktualisierungen sind nötig, damit die Daten im Portal nicht vonden Daten in den Herkunftssystemen abweichen. Das ist besondersbei dynamischen Systemen wie dem hessischen HADIS wichtig, indenen neue Verzeichnungen umgehend veröffentlicht werden. Derneu entwickelte Automatisierungsmechanismus ermöglicht es denTeilnehmern, Daten direkt in das Portal zu laden. Hierzu werden dieDaten von den Teilnehmern auf den BAM-ftp-Server geladen. NachAbschluß des Datentransfers startet das System einen Batchjob , derdas spezielle Datenformat des jeweiligen Teilnehmers in ein BAM-internes XML-Format transformiert, welches dann einheitlich durchden Master-Indexserver indexiert werden kann. An diesem Punktwerden die Daten in den Lucene Index aufgenommen, der dieGrundlage der Suche im BAM-Portal ist. Dieser Index wird peri-odisch (zu jeder vollen Viertelstunde) mit den Indices der Slave-Server synchronisiert, auf denen die Suche stattfindet. Auf dieseWeise stört der Datenimport nicht die laufenden Abfragen auf denSlave-Servern, und durch die Spiegelung alle 15 Minuten sind dieErgebnisse eines Datenimports zeitnah im Portal zu sehen.

EAD im BAM-Portal…Als Austauschformat wird im BAM-Portal EAD-XML verwendet.Beim Bundesarchiv konnte auf die bereits vorliegenden EAD-Findbücher zurückgegriffen werden. Das Universitätsarchiv Stutt-gart kann problemlos EAD liefern, da es mit der Erschließungssoft-ware MidosaXML / MIDOSAonline der Archivschule Marburgarbeitet. Für das Landesarchiv Baden-Württemberg und für dashessische System HADIS wurden eigens EAD-Schnittstellen pro-grammiert. Auch das Stadtarchiv Heilbronn plant die Einrichtungeiner EAD-Schnittstelle aus HEUSS. Dabei konnte auf die Vorarbeitzurückgegriffen werden, die das daofind-Projekt des Bundesarchivsgeliefert hat.8 Der Vorteil für das BAM-Portal liegt auf der Hand – esmüssen nicht für jeden Teilnehmer eigene Schnittstellen program-miert werden. Doch auch für die Teilnehmer wird sich die Investiti-on langfristig lohnen. Die EAD-Schnittstelle lässt sich bei entspre-chender Gestaltung weiternutzen, zum Beispiel um Daten an dasgeplante deutsche Archivportal zu liefern. Bei einem Umbau voneiner Export zu einer Ex- und Importschnittstelle könnte sie außer-dem künftig zum Einlesen retrokonvertierter Erschließungsleistun-gen benutzt werden. Das Förderangebot der DFG zur Retrokonversi-on sieht als Zielformat für die digitalisierten Findbücher neben demim Landesarchiv Nordrhein-Westfalen entwickelten Austauschfor-mat SAFT-XML auch EAD-XML vor. Zum Übergang zwischen

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beiden Formaten wurde in Nordrhein-Westfalen bereits ein Map-ping entwickelt.9

Bei der Anwendung von EAD für das BAM-Portal hat sich erwiesen,dass auch komplexe Erschließungsangaben allen Arten von Archiv-gut – Sachakten, Urkunden, Personalakten, Karten und Pläne, Fotosetc. – aus Häusern mit unterschiedlichen Erschließungstraditionenverlustfrei in dieses Austauschformat übertragen werden können.Für die Anzeige und Suche im BAM-Portal wäre ein so feingliedrigesFormat nicht zwingend nötig gewesen, da nur auf zentrale und fürdie Suche sinnvolle Verzeichnungsangaben zugegriffen wird. Für dieAnzeige werden lediglich Titel, Signatur, Laufzeit und Bestandsnamebenötigt. Weitere inhaltliche Angaben wie Enthältvermerke, Listenvon Sieglern oder Zeugen, Vollregesten, Angaben zu Prozessgegen-ständen, Beschreibungen von Fotos und ähnliches werden bei derSuche im BAM-Portal mitdurchsucht, aber nicht separat ausgewie-sen. Dazu dient die Verlinkung auf das Herkunftssystem. Dennochwurde darauf geachtet, die Möglichkeiten von EAD vollständig zunutzen und möglichst alle Angaben zu mappen, um die EAD-Findbücher auch in anderen Zusammenhängen verwendbar zuhalten.

In einem Punkt wurde die bisher übliche EAD-Nutzung abgeän-dert. Von seiner Entstehung her ist EAD nicht dafür gedacht, alsAustauschformat zu dienen und die Verlinkung auf ein bereitsbestehendes Online-System zu ermöglichen. Es gibt kein Elementfür die Angabe eines Links zum Treffer in einer bereits bestehendenOnline-Anwendung, der im BAM-Portal jedoch benötigt wird.Hierfür wurde nun das Element <otherfindaid> genutzt, daseigentlich auf andere Findmittel wie gedruckte Findbücher, Karteienoder ähnliches verweist. Hier wird nun auch der Verweis auf dasdigitale Findbuch selbst hinterlegt, der im BAM-Portal die Verlin-kung erlaubt.

Die Zukunft?…Das BAM-Portal wird durch ein Konsortium der bisherigen Projekt-partner weiter fortgeführt, der Weiterbetrieb des Portals ist gesichert.Ansprechpartner für archvische Teilnehmer ist das LandesarchivBaden-Württemberg. Mit der automatischen Datenaktualisierungkönnen die jetzigen Teilnehmer ihre Verzeichnungsdaten dauerhaftaktuell halten und neue Bestände ergänzen. Neue archivischeTeilnehmer können mit geringem Aufwand eingebunden werden,

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1 www.bam-portal.de

2 Maier, Gerald, Neues interdisziplinäres DFG-Projekt “Gemeinsames Portal für Bibliotheken, Archiveund Museen“, in: Der Archivar 54 (2001), Heft 3, S. 226 und Maier, Gerald, Archivportale - Formen,Ausrichtung und Ziele, in: Ohly, H. Peter/ Sieglerschmidt, Jörn/ Swertz, Christian (Hgg.): Wissensor-ganisation und Verantwortung: Gesellschaftliche, ökonomische und technische Aspekte. (Fortschrittein der Wissensorganisation 9), Würzburg 2006, S. 338-356.

3 Vgl. zum neuen Ansatz auch Schieber, Sigrid, www.bam-portal.de: ein gemeinsamer Zugang zu Bibliotheken, Archiven und Museen, Artikel vom 26.8.2006 auf augias.net(www.augias.net/index.php?art=5186) und die auf der BAM-Portal-Seite hinterlegten Vorträge der Pro-jektmitarbeiter/innen zu technischen Hintergründen und inhaltlichen Ansätzen aus der dritten Pro-jektphase: www.bam-portal.de/searchEngine.do?action=showProject#publikationen.

4 www.bundesesarchiv.de

5 www.landesarchiv-bw.de

6 hadis.hessen.de Vgl. hierzu Schieber, Sigrid, Hessische Staatsarchive beteiligen sich am BAM-Portal. Hes-sische Online-Findmittel jetzt auch im deutschen Portal für Bibliotheken, Archive und Museen, in: Ar-chivnachrichten aus Hessen, Nr. 6/2, November 2006.

7 Vgl. hierzu Artikel Stapelverarbeitung. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 22.August 2007, 07:39 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Stapelverarbeitung&ol-did=35827896 (Abgerufen: 31. August 2007, 08:32 UTC).

8 http://www.daofind.de/

9 Vgl. zum Projekt Retrokonversion: www.archivschule.de/content/456.html und zur Vorstudie des Lan-desarchivs Nordrhein-Westfalen Fischer, Ulrich / Reininghaus, Winfried, DFG-Vorstudie „Retrokon-version archivischer Findmittel“. Die wichtigsten Ergebnisse des Projekts, in: Der Archivar, Jg. 59, 2006,Heft 4, S. 329-333.

sofern sie Daten in EAD liefern. Kleinere Archive oder Museen ohneeigenes Online-Angebot sollen zukünftig ein Mapping selbständigerstellen und Daten in Form von Microsoft Excel-Tabellen in dasBAM-Portal einstellen können. Für weiterreichende Arbeiten müs-sen jedoch neue Finanzierungsquellen erschlossen werden. Daskönnen weitere Projektgelder für den Ausbau einzelner Komponen-ten des Portals sein oder der Verkauf von Dienstleistungen anTeilnehmer, die das BAM-Portal als einzigen Publikationsweg fürihre Verzeichnungsdaten nutzen wollen. Das BAM-Portal liefertbereits jetzt die Zusammenschau digitaler Erschließungsdaten zuKulturgut in deutschen Archiven, Museen und Bibliotheken undweist digitalisiertes Kulturgut nach. Damit ist es ein wesentlicherBaustein für die geplante spartenübergreifenden „Digitale BibliothekDeutschland“. ■

Marburg, Sigrid Schieber

KINDERFÜHRUNG IMUNIVERSITÄTSARCHIV LEIPZIG

Erste Schreibübung mit der Gänsefeder, im Hintergrund stehend Dr. Jens Blecher

Am 21. und 23. August 2007 fanden im Universitätsarchiv LeipzigArchivführungen statt für eine Zielgruppe, die in der Regel inArchiven sonst nicht anzutreffen ist. Es waren zwei Kindergruppenzu Gast, eine jüngere im Alter von 5-10 Jahren und eine weitere inder Altersgruppe 11-13 Jahre. Beide Veranstaltungen waren Teil einesFerienprogramms, das die Gleichstellungsbeauftragte der Univer-sität gemeinsam mit Medizinischer und Erziehungswissenschaftli-cher Fakultät initiiert hatte: die Kinder von Mitarbeitern wurden

von Pädagogikstudenten betreut und besuchten tagsüber die Klini-ken, Institute – und erstmalig in diesem Jahr das Archiv – , lerntenso die Einrichtungen der Universität und die Arbeitsstellen ihrerEltern kennen.Eine so junge Besuchergruppe hatten wir bisher noch nicht. Wirplanten kurze und vor allem abwechslungsreiche Abschnitte, einenWechsel von Zuhören, Anschauen und Aktion. Dr. Jens Blecher,stellvertretender Archivleiter, erzählte zu Beginn aus der Geschichteder Universität: was ist das überhaupt, was kann man dort lernen,wie sah früher ein Student aus, sind Doktoren immer Ärzte? BeateRebner, Archivarin, packte die „Schultasche“ eines mittelalterlichenStudenten: anhand sieben verschiedener Gegenstände konnten dieKinder den Vergleich zwischen ihren eigenen Schulfächern und den„septem artem liberales“ an der mittelalterlichen Artistenfakultätanstellen.Frank Persdorf, FAMI, stellte dann das Archiv als eine Schatzkam-mer der Universität vor. Eine prachtvoll gestaltete Urkunde über-zeugte die Kinder sofort von der Einmaligkeit und dem Wert der imArchiv gelagerten Schätze. Wie verschieden sich Pergament, neuzeit-liches Papier oder das dünne Durchschlagpapier des 20. Jahrhun-derts anfühlt, faszinierte die Kinder und sie bestaunten eine Fotose-rie, welche die wechselnden Ansichten des Hauptgebäudes derUniversität am Leipziger Augustusplatz zeigt. Nach einer knappen halben Stunde Stillsitzen war Bewegung ange-sagt beim Gang in die Magazine. Die Kinder probierten aus, wieschwer ein Archivkarton ist, zählten, wie viele davon in einem Regalstehen, kurbelten an den Regalanlagen und versuchten, eine Akte zufinden – um dann gleich festzustellen, dass das gar nicht so einfachist.

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Als stellvertretende Ausbildungsleiterin für die Ausbildung imgehobenen Archivdienst hat die Verfasserin das Verfahren vonAnfang an begleitet1.

VORBEREITUNG DESAUSWAHLVERFAHRENS

Bereits im Juni 2006 begann das Staatsarchiv Hamburg mit denVorbereitungen für die Ausschreibung und das Auswahlverfahren fürdie Archivinspektor-Anwärterstelle, obwohl bis zum Ausbildungsbe-ginn im Oktober 2007 noch über ein Jahr Zeit war. Der früheBeginn mit den Vorbereitungen zahlte sich aus: Im August 2006konnte die als Flyer konzipierte Ausschreibung des Staatsarchivs aufden Internetseiten der Archivschule Marburg und auf den Seiten desPersonalamtes der Freien und Hansestadt Hamburg veröffentlichtwerden. Auf dem Internetauftritt des Personalamtes stand derArchivinspektor-Ausbildungsplatz auf gleicher Ebene mit denAusschreibungen für die Ausbildungsplätze im gehobenen allgemei-nen Verwaltungsdienst und in der Fachrichtung Finanzen. Sowurden auch Interessenten an den anderen Laufbahnen auf denAusbildungsplatz aufmerksam.

Die Kinder hatten Spaß beim Karton-Stapeln

AUSWAHLVERFAHREN IMSTAATSARCHIV HAMBURG

Die Drucklegung zu 500 Stück erfolgte wenig später. In strategischerZusammenarbeit mit dem Personalamt, das das Staatsarchiv bei derDurchführung des Auswahlverfahrens beraten hat, wurde der Flyerwie die Informationen zu den anderen Laufbahnen in den Schulenverteilt. Auch an anderen häufig frequentierten Ort wie etwa denHamburger Leihbüchereien wurde der Flyer platziert. Die Vorstel-lung des Berufs „Archivar/Archivarin“ auf der Berufsmesse „EIN-STIEG“ in Berlin, die sich mit Berufsinformationsangeboten anSchulabgänger richtet, konnte ebenfalls dazu genutzt werden, aufdie Ausschreibung aufmerksam zu machen.Bei der Konzeption des Flyers konnte das Staatsarchiv auf dieBeratung des Zentrums für Aus- und Fortbildung2 zählen, das mithilfreichen Tipps zur Nachwuchsgewinnung zur Seite stand. Außer-dem wurde in Aufbau und Optik so eine sehr hohe Ähnlichkeit mitden Flyern zu den Ausbildungen im gehobenen und mittlerenallgemeinen Verwaltungsdienst erreicht. Gerade in Zeiten, in denendie geburtenschwachen Jahrgänge die Schule verlassen, ist dieWerbung um qualifizierte Nachwuchskräfte wichtig. Der Flyerentspricht also dem hamburgweiten Standard und stellt daher dieAttraktivität der Ausbildung im Staatsarchiv Hamburg auch nachaußen dar. Auch wenn einige Unkenrufe diesen Aufwand für eineneinzigen Ausbildungsplatz kritisierten: Das Staatsarchiv rechtfertigte

Anschließend wurde wieder Konzentration verlangt: mit Federhal-ter, Gänsefeder und Tintenfass übten die Kinder Sütterlinschrift.Eine Urkunde, selbst gesiegelt mit einem alten Universitätssiegel,dazu ein Porträtfoto mit Doktorhut, konnten sie mit nach Hausenehmen.Für das Universitätsarchiv war diese Veranstaltungsform eine neueErfahrung. Günstig war, dass die Gruppen mit einer vertrautenBetreuerin oder einem Betreuer kamen. Als öffentlich ausgeschriebe-nes Angebot mit wenig kalkulierbarer Altersstruktur und Teilneh-merzahl ist eine solche Veranstaltung nicht geeignet. Das Konzeptvon kurzen und sehr abwechslungsreichen Einheiten hat sichbewährt. Je jünger die Kinder sind, um so flexibler sollte der Zeit-rahmen gestaltet werden, um bei nachlassender Aufmerksamkeitreagieren zu können. Grundschulkinder bis 10 Jahre sind am bestenfür konkrete, sinnliche und aktionsorientierte Angebote zu begeis-tern. Dass Archivgut wertvoll ist und z. B. vor Feuer geschütztwerden muss, verstehen Kinder in diesem Alter ohne weiteres – ambesten, indem sie selbst die schwere Brandschutztür öffnen. Dieetwas älteren Kinder dagegen sind schon in der Lage, komplexerenErläuterungen zu folgen, lassen sich aber ebenso gern auf verschie-denste Arten spielerischer Vermittlung ein, so z. B. in der Form vonRechen- oder Quizaufgaben. „Ich dachte, hier wird’s langweilig –aber es hat Spaß gemacht“, dieser Kommentar eines der Kinderzeigt, dass es gelungen ist, Interesse für die Geschichte der Univer-

sität und erste Eindrücke von den Arbeitsfeldern des Archivs zuvermitteln. Für den Sommer 2008 ist die nächste Kindergruppebereits angekündigt. ■

Leipzig, Beate RebnerFotos: Frank Persdorf

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ARCHIVTHEORIE UND PRAXIS

den Aufwand damit, dass eine Ausbildung viele finanzielle undpersonelle Ressourcen bindet. Daher sollte auf jeden Fall die richtigePerson für diesen Ausbildungsplatz gefunden werden und nicht aufBewerberinnen und Bewerber zurückgegriffen werden, die denStandard-Einstellungsvoraussetzungen nicht genügen. Der Ausbil-dungsplatz wird vom Personalamt der Freien und HansestadtHamburg finanziert, dafür steht im gehobenen allgemeinen Verwal-tungsdienst ein Ausbildungsplatz weniger zur Verfügung.

ANFORDERUNGSPROFIL

Das Anforderungsprofil wurde im Flyer genau beschrieben. Es gingvor allem darum, junge, flexible und motivierte Schulabgänger zuerreichen. Die idealen Bewerber und Bewerberinnen hatten alsofolgenden Hintergrund:In Kürze würden sie das Abitur oder die Fachhochschulreife erwer-ben und die Leistungen in Mathematik, Deutsch und Gemein-schaftskunde wären mindestens befriedigend. Sie verfügten überKenntnisse in zwei Fremdsprachen darunter Französisch ODERLatein und vorzugsweise Englisch; sie interessierten sich für moder-ne Kommunikationstechnik und ihre Bedeutung für die Gesell-schaft; sie arbeiteten gern im Team; sie würden später gerneFührungsverantwortung übernehmen; sie könnten sich auf Verände-rungen einstellen und beschäftigten sich gerne mit komplexenSachverhalten.Das Anforderungsprofil sollte auch das Interesse von noch unent-schlossenen jungen Leuten wecken, die bei der Recherche im Inter-net oder auf den Seiten der Freien und Hansestadt Hamburg nachAusbildungsmöglichkeiten suchen. Außerdem wurde im Flyer dasStaatsarchiv Hamburg vorgestellt und die wichtigsten Aufgaben vonArchivaren im gehobenen Dienst kurz erläutert. Um bereits einenersten Eindruck von der zukünftigen Arbeitsstätte zu geben, enthieltdie Ausschreibung Abbildungen vom Gebäude des Staatsarchivs undFotos aus dem Berufsalltag. Ein kurzer Überblick über Stationenund Inhalte der Ausbildung sowie Einstellungsvoraussetzungen undInformationen zu den Bewerbungen rundeten den Flyer ab.

BEWERBUNGSPHASE

Die Bewerbungsphase dauerte von August bis Ende November 2006.In diesem Zeitraum gingen über 60 Bewerbungen ein, die eine amAuswahlverfahren beteiligte Gruppe von 4 Personen, die alle einegleichberechtigte Stimme hatten, nach dem gleichen Kriterienkata-log durchsah.Diese Kriterien waren unter anderem: Vollständigkeit der Bewer-bungsunterlagen; Schulnoten in Deutsch, Mathematik, Gemein-schaftskunde; Jahr des Erwerbs der Fachhochschulreife bzw. Hoch-schulreife, Geburtsjahrgang; Eingehen auf den Ausschreibungstextund Sonstiges wie Praktika, äußeres Erscheinungsbild der Bewer-bung.Je näher ein Bewerber/eine Bewerberin an das Anforderungsprofilheranreichte, desto höhere Chancen hatte er oder sie im Auswahlver-fahren. Kandidatinnen und Kandidaten, bei denen der Erwerb der(Fach-) Hochschulreife näher zurücklag, wurden aus Gründen derPersonalentwicklung denen vorgezogen, die möglicherweise schonein Hochschulstudium (in Geschichte oder ähnlichem) abgeschlos-sen hatten.Dem Anforderungsprofil folgend bildeten sich aus den Kriterien drei

Gruppen– Bewerber/-innen, denen bereits zu diesem Zeitpunkt des

Verfahrens eine Absage erteilt werden sollte.– Bewerber/-innen, die unbedingt eingeladen werden sollten.– Bewerber/-innen, die als „Reserve“ bestimmt wurden, da das

eine oder andere Kriterium nicht den Anforderungen entsprach.Nach kritischer Durchsicht der „Reservegruppe“ wurden erst demPersonalrat und dann dem Zentrum für Aus- und Fortbildung 20Bewerberinnen und Bewerber zur Einladung zum schriftlichenAuswahlverfahren vorgeschlagen.Um eine Bindung zum zukünftigen Arbeitsgeber herzustellen undso ein kurzfristiges Abspringen der Bewerberinnen und Bewerber zuverhindern, erhielten die eingeladenen Kandidatinnen und Kandida-ten ein Weihnachtsschreiben.

DURCHFÜHRUNG DESAUSWAHLVERFAHRENS: SCHRIFTLICHER TEIL

Die eingeladenen Bewerberinnen und Bewerber hatten sich imJanuar 2007 dem gleichen schriftlichen Einstellungstest3 wie dieBewerberinnen und Bewerber für den gehobenen allgemeinenVerwaltungsdienst zu unterziehen. Das Zentrum für Aus- undFortbildung wertete diese Ergebnisse aus und empfahl dem Staatsar-chiv drei Kandidaten und zehn Kandidatinnen zur weiteren Teilnah-me am Auswahlverfahren. Dieser Empfehlung folgend lud dasStaatsarchiv für Anfang Februar zu den Bewerbungsgesprächen ein.Mit der Einladung wurde die Aufforderung versandt, zu zweiThemen einen Kurzvortrag vorzubereiten. Inhalt des Kurzvortrags 1(5-8 min) war die Vorstellung der Kandidaten und Kandidatinnen,anhand der Fragestellungen „Warum möchten Sie den Beruf derArchivarin/ des Archivars ergreifen?“ und „Warum möchten Siediesen Beruf bei der Freien und Hansestadt Hamburg erlernen?“ dieBerufsmotivation und die Identifikation mit dem Arbeitgebererkennbar werden lassen sollten. Für den zweiten Kurzvortrag vonca. 5-10 min lautete die Fragestellung „Welche Rolle spielen staatli-che und kommunale Archive in einem demokratischen Rechts-staat?“.

DURCHFÜHRUNG DESAUSWAHLVERFAHRENS: MÜNDLICHER TEIL

Der zweite Teil des Auswahlverfahrens erstreckte sich über drei Tage.Jeden Tag waren vier Kandidaten4 geladen. Bei der Lösung derAufgaben ging es nicht nur um „richtig“ oder „falsch“, sondernauch um die Herangehensweise und das Abwägen von verschiede-nen Lösungsansätzen. Die Bewerbungsgespräche begannen mit demo. g. ersten Kurzvortrag zur Berufsmotivation und zum StandortHamburg. Anschließend wurden Fragen zum Beamtenverhältnis(Rechte und Pflichten) und zu den Aufgaben und Kunden desStaatsarchivs sowie deren Interessen gestellt. Die Kandidatinnen undKandidaten sollten außerdem den Unterschied von Archiven undBibliotheken darlegen. Zudem wurde ihnen die Frage nach denAnforderungen an elektronische Unterlagen gestellt, die auf Daueraufbewahrt werden sollen. Abgefragt wurde in einem kurzen Fall-

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beispiel auch das Führungspotential (Kundenzentrum, am Wochen-ende geöffnet, knappe Personalressourcen, Wie gehen Sie vor?). Alsnächstes folgte der Kurzvortrag 2. Mit den anschließenden Fragensollte die politische Allgemeinbildung erkennbar werden. Außerdemwurde nach dem Prinzip der Gewaltenteilung gefragt und es solltenBeispiele für die Gewalten in Hamburg genannt werden. Abschlie-ßend für diesen ersten Teil hatten die Personalvertretungen Gelegen-heit Fragen zu stellen. Die Bewerbungsinterviews dauerten ca. 45Min. Die Auswahlkommission5 hatte Bewertungsbögen, so dass einedirekte Bewertung der einzelnen Abschnitte nach einem 5-gliederi-gen Bewertungsschema erfolgen konnte.Nachmittags erfolgte eine Gruppendiskussion zur Aufgabenstellung„Welche Auswirkungen hat die Bevölkerungsentwicklung auf dieArbeit der Archive“. Anschließend sollten die jungen Leute ihreErgebnisse präsentieren. Die Auswahlkommission beobachtete dieGruppe und bewertete die Kandidatinnen und Kandidaten inBereichen wie „Engagement“, „Kommunikation“, „Teamfähigkeit/Wertschätzung“, „Nachvollziehbarkeit/Überzeugungskraft“.Am Ende jedes Tages wurden die Ergebnisse der einzelnen Mitglie-der für die Bewerberinnen und Bewerber ausgetauscht und einMittelwert gebildet. Bei sehr unterschiedlichen Ergebnissen wurdeausführlicher diskutiert. Dieses Verfahren bietet der Erfahrung nachdie größtmögliche Objektivität und war somit für die Bewerber amfairsten. Am Ende des dritten Tages wurden die Ergebnisse der Kandidatin-nen und Kandidaten zusammengezählt. Die Gruppenarbeit wurdedabei stärker gewichtet als der Rest des Verfahrens. Dass das Staats-archiv mindestens vier gute Nachwuchskräfte hätte einstellenkönnen, zeigte sich darin, dass Platz 2 und 3 des Rankings nur zweiPunkte hinter der erfolgreichsten Kandidatin lagen. Platz 4 hatte nurfünf Punkte Abstand zur ersten Kandidatin. Diese Kandidatenentstammten genau der Zielgruppe, auf die sich das Staatsarchivanfangs konzentriert hatte. Um die neu gewonnene Nachwuchskraftmöglichst früh an das Haus zu binden, wurde das weitere Verfahren(Zustimmung des Personalrats, etc.) zügig betrieben.

BINDUNG AN DEN ZUKÜNFTIGENARBEITGEBER

Die Entscheidung für die zukünftige Nachwuchskraft fiel wieerwähnt im Februar. Damit die Motivation bis zum Beginn der

Ausbildung möglichst hoch blieb, erhielt die Nachwuchskraftbereits im März 2007 eine Führung durch das Staatsarchiv undwurde mit den Kolleginnen und Kollegen bekannt gemacht, diemaßgeblich an der Ausbildung beteiligt sein würden. Ebenso wie dieNachwuchskräfte in den anderen Laufbahnen wurde ihr vomZentrum für Aus- und Fortbildung eine Veröffentlichung zur Ge-schichte Hamburgs sowie ein Reiseführer der Stadt geschenkt. DieVereidigung für die Nachwuchskräfte am 1. Oktober 2007 wurdetraditionell mit einem Festakt im Hamburger Rathaus begangen.

AUSBLICK

Die in Hamburg gestartete Kampagne „Wir sind Hamburg! Bist dudabei?“ zur Steigerung des Anteils von Bewerberinnen und Bewerbe-rn mit Migrationshintergrund in der Ausbildung berührt auch dasStaatsarchiv. Im Rahmen dieser Kampagne werden u. a. mutter-sprachliche Flyer herausgegeben. Auch der Bund hat seine Verant-wortlichkeit als Ausbildungsträger erkannt und bemüht sich, denAnteil der Personen mit Migrationshintergrund zu erhöhen. Wenndie Verwaltung solche Beiträge zur Steigerung des Anteils vonMigranten im öffentlichen Dienst leistet, müssen sich auch Archivean diese gesellschaftliche Entwicklung anpassen. Eine Überlieferungzu schaffen, die die Erinnerungskultur von Migranten abbildet, istdie eine Seite der Medaille; die andere Seite stellt ein Archivpersonalmit entsprechendem Hintergrund (z.B. den Sprachkenntnissen) dar.Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Bildung und Bereitstel-lung einer solchen Überlieferung und somit werden Nachwuchs-kräfte mit Migrationshintergrund eine (weitere) wichtige Zielgruppesein. ■

Hamburg, Julia Brüdegam

1 Der Flyer und weitere Informationen können angefordert werden unter [email protected].

2 Das Zentrum für Aus- und Fortbildung ist organisatorisch beim Personalamt der Freien und Hanse-stadt Hamburg angebunden. Es ist u. a. für die Personalgewinnung, Auswahl und Ausbildung der Nach-wuchskräfte des mittleren und gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienstes zuständig.

3 In diesem Test werden Aufgaben zum Allgemeinwissen, zur Rechtschreibung, Konzentrationsfähigkeit,zum logischen Denken u. ä. gestellt.

4 1 Person hatte abgesagt.

5 Bestehend aus 6 Personen: der Ausbildungsleitung, der stellvertretenden Abteilungsleitung Zentrale Auf-gaben, einem Kollegen mit langjähriger Ausbildungserfahrung, einem Mitglied des Personalrats undder Frauenbeauftragten.

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ARCHIVTHEORIE UND PRAXIS

Tagungsbericht zum 4. Detmolder Sommergespräch im Staats- undPersonenstandsarchiv Detmold

Die Detmolder Sommergespräche haben sich in den vergangenenJahren als ein Diskussions- und Begegnungsforum für Familienfor-scher, Wissenschaftler und Archivare etabliert. Gut 100 Teilnehmer,Familienforscher, Genealogen, Erbenermittler, Archivare und Wis-senschaftler aus dem gesamten Bundesgebiet sowie aus der Schweizund aus den Niederlanden, kamen am 8. August 2007 zu fruchtba-ren Diskussionen zusammen. Im Mittelpunkt standen dieses Malmit der Archivfähigkeit und -würdigkeit genealogischer Sammlun-gen zwei Kernfragen familienkundlicher Forschung, denen sichReferenten und Diskussionsteilnehmer auf ebenso unterschiedlichenwie anregenden Wegen näherten.Öffentliche Archive profilieren sich gegenüber der interessiertenÖffentlichkeit damit, dass sie private Nachlässe und Sammlungenübernehmen und aufbewahren. Die Hinterlassenschaften vonGenealogen gehören üblicherweise zu diesen nichtstaatlichenArchivalien. Auch Wissenschaftler überlassen ihrer Nachwelt einmeist immenses Datenmaterial oder Karteien. Die zusammengetra-genen Materialien können, sofern sie öffentlich zugänglich sind, eineFundgrube für andere Forscherinnen und Forscher sein. Da diemeisten Familienforscher inzwischen von der Kartei auf die Daten-bank, meist auf Genealogieprogramme, umgestiegen sind, werdenzunehmend CDs oder DVDs mit digitalen Erschließungsdaten zurAufbewahrung im Archiv abgegeben. Für die Archive stellen sich angesichts des Angebots genealogischerArbeitsergebnisse zwei wesentliche Fragen: Erstens muss geprüftwerden, inwiefern genealogische Sammlungen als Teil des nichtstaat-lichen Archivguts aufgrund der Datenauswahl archivwürdig sind.Oder müssen darüber hinaus weitere Arbeitsergebnisse der univer-sitären Familien- oder Demographieforschung akquiriert werden?Hierfür sind Kriterien erforderlich, die gegenüber den „Schriftgut-produzenten“ transparent zu machen sind. Zweitens ist besondersbei der Anbietung digitaler Daten aus der Forschung nach derArchivfähigkeit zu fragen: Entsprechen die angebotenen Daten,Metadaten und Datenstrukturen den Anforderungen für die Lang-zeitarchivierung nach dem aktuellen Stand der Erkenntnisse?Die erste Sektion wurde von zwei Vertretern des LandesarchivsNRW bestritten. Sie legten archivfachliche Kriterien für die inhaltli-che und technische Bewertung von privat und wissenschaftlicherarbeitetem Datenmaterial, v. a. genealogischen Sammlungen, darund lieferten somit zu Beginn der Tagung einen Problemaufriss undarchivischen Sachstand.Im ersten Vortrag ging Dr. Hermann Niebuhr, Leiter des Dezernats„Nichtstaatliches und nichtschriftliches Archivgut“ im Staats- undPersonenstandsarchiv Detmold, der Frage nach, was „Archivwürdig-keit“ in Bezug auf genealogische Sammlungen bedeutet. Bereitslange vor dem digitalen Zeitalter hat es Datenbanken gegeben. Dies

sind strukturierte Sammlungen, die aus verschiedenen Quellenzusammengestellt sind, wie Stammbäume, formalisierte Tafeln sowieErzählungen von Zusammenhängen, aber auch sachthematischeInventare. Seit etwa 40 Jahren werden solche Sammlungen alssinnvolle Ergänzung zum Behördenschriftgut gesehen und befindensich dementsprechend auch in den Staatsarchiven. Wichtige genealo-gische Sammlungen sind zwischen 1933 und 1945 im Rahmen derNS-Sippenforschung entstanden, wie die Sammlungen des professio-nellen Genealogen Karl Gustav von Recklinghausen oder des Steuer-beraters und Erbenermittlers Paul Gersie in Detmold. Anhand dieser beiden Sammlungen erläuterte der Referent wichtigeKriterien zur Archivwürdigkeit. Dazu zählen erstens die Benutzbar-keit durch Dritte, zweitens müssen die Quellen genannt werden, ausdenen sich die Sammlung zusammensetzt, um die Daten nachprüfenzu können. Drittens ist bei der generellen Übernahme von Samm-lungen ins Archiv der regionale Bezug wichtig. Abschließend plädier-te der Referent dafür, eigene Sammlungen unter Beachtung dergenannten Kriterien anderen Benutzern zur Verfügung zu stellenund warnte vor einer unkritischen Verwendung der von der NS-Ideologie beeinflussten Sammlungen.In dem auf Probleme der Praxis bezogenen Vortrag „DigitalerStammbaum – für die Ewigkeit? Technische Aspekte der Langzeitar-chivierung“ erläuterte Dr. Wolfgang Kahnert (Leiter des TechnischenZentrums in Münster) die Anforderungen, welche die langfristigeDatensicherheit an Datenträger, formate und Metadaten stellt. BeiDatenträgern (CDs, DVDs, Festplatten und Magnetbänder) ist dieauf einige Jahre begrenzte Lebensdauer sowie die extreme Abhängig-keit von Nutzungs- und Aufbewahrungsbedingungen zu beachten.Beim Einsatz von Datenformaten sollten Software-Versions-Inkom-patibilitäten und Inkompatibilitäten zwischen Software- bzw. Soft-ware-Hardware-Systemen bedacht und von proprietären Datenfor-maten sowie von Komprimierungen und Verschlüsselungen vonDaten abgesehen werden. ISO-genormte Formate eignen sich ambesten. Für eine problemlose Nutzung der Daten durch Dritte istdarüber hinaus eine sorgfältige Dokumentation und gegebenenfallseine Ergänzung der Metadaten unerlässlich. So ist also die aktivePflege der digitalen Daten eine absolute Notwendigkeit, um ihreVerfügbarkeit und Interpretierbarkeit auf Dauer zu erhalten. Dazugab der Referent folgende grundsätzliche Empfehlungen: regelmäßi-ges Umkopieren (Refreshing) der Daten auf neue Datenträger (CDs,DVDs und Festplatten alle drei Jahre) und Überprüfung der Datenauf ihre Nutzbarkeit hin; rechtzeitiger Wechsel (Migration) aufetablierte Datenträger und -formate. „Offene“ Standards gewährlei-sten die Benutzbarkeit durch Dritte. Des Weiteren erleichtert einefrühzeitige Abstimmung mit dem Archiv die Übernahme der digita-len Daten (weitere Informationen unter www.langzeitarchivierung.de).In der zweiten Sektion kam die Forschung zu Wort: Zunächstwurden Datenbankanwendungen sowohl der Genealogie als auchaus der historischen Kulturwissenschaft vorgestellt.Als erstes stellte Dr. Günter Junkers, Vorstandsmitglied der West-

GENEALOGIE FÜR DIE EWIGKEIT?FAMILIENFORSCHUNG, GESCHICHTSWISSENSCHAFT UND ARCHIVE GEMEINSAM IM DIGI-TALEN ZEITALTER

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deutschen Gesellschaft für Familienkunde e. V. und Redakteur beider Zeitschrift „Computergenealogie“, die bunte Vielfalt an Genea-logieprogrammen vor, die Verkartungsprojekte von Laienforschernunterstützen. Junkers ging dabei besonders auf die Verkartung vonKirchenbüchern und die Erstellung und virtuelle Bereitstellung vonOrtsfamilienbüchern (www.ortsfamilienbuecher.de) ein, die in derRegel nach einem schematisierten Ablauf erfolgen. Vielfach werdendafür proprietäre Software-Lösungen verwendet – eine Einbahn-straße, wie Junkers herausstellte. Wichtig für die Wahl eines Pro-gramms ist daher die Wahl eines Programmes mit gängigen Schnitt-stellen (XML) und entsprechenden Exportfunktionen. An dieAnschlussfähigkeit mit archivischen Erschließungsstandards wirdjedoch noch nicht gedacht. Anschließend berichtete Junkers von denAktivitäten der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde e. V.,die neuerdings die programmunabhängige Erfassung der Kirchen-bücher anstrebt. Der Vortrag von Dr. Michaela Hohkamp (Freie Universität Berlin)und Astrid Reinecke (Georg-August-Universität Göttingen): „DieTante: eine Beziehung im Familien- und im Datennetz“ ging auf dieFrage ein, welche Sichtweise auf Abstammungszusammenhängegängige Genealogieprogramme vermitteln und welche Erkenntnissebei der Betrachtung der Seitenverwandten, v. a. der Tante als „Schlüs-selfigur“ gewonnen werden können. Die Referentinnen betrachtetenzunächst die Programme kritisch, die eine patrilineare Perspektivefördern. Sie stellten ein weitaus komplexeres Programm (Kleio) vor,das eine erweiterte historische Fragestellung ermöglicht und somitdurch einen Graphen ohne Hierarchien (Animation mit dem Pro-gramm „Payek“) das Vernetzungspotenzial der Seitenverwandtensichtbar macht. Datenbank basierte Forschung einerseits und archivfachliche Anfor-derungen (v. a. an elektronische Daten) andererseits fordern gerade-zu einen engeren Kontakt zwischen Forschung und Archiv heraus. Im Nachmittagsblock der Tagung wurden Kooperationsmöglichkei-ten zwischen Familienforschung und Archiv anhand von konkretenBeispielen ausgelotet. Rudolf Voss, Vorsitzender der MAUS – Gesell-schaft für Familienforschung in Bremen e. V., stellte in seinemVortrag „Die Maus und das Staatsarchiv: Beispiel Bremen“ dieMöglichkeiten einer erfolgreichen Kooperation zwischen Archiv undFamilienforschern vor. Die MAUS ist mit dem Bremer Staatsarchivals Zentralstelle für Bremische Familienforschung eng verbunden;sie verfügt im Haus des Archivs über Arbeits- und Bibliotheksräume.Ein Drittel der Besucher des Staatsarchivs wendet sich mit ihrenfamilienkundlichen Anfragen an die MAUS. Die ehrenamtlichtätigen Mitarbeiter der Gesellschaft bearbeiten auch schriftlicheAnfragen kostenlos. Für die Nutzung der Archivalien zahlt derVerein keine Gebühr. Jedoch nicht nur im Bereich der Beratung oderRecherchetätigkeit ist die MAUS ein Kooperationspartner desArchivs – auch die Erschließung und Publikation sind Tätigkeitsfel-der des Vereins. Die Mitglieder beteiligen sich z. B. an der Digitalisie-rung von Kirchenbüchern, um sie online zur Verfügung zu stellen.Auf diese Weise ist bereits eine Reihe von Ortsfamilienbüchernentstanden. Das Bremer Kooperationsmodell hat sich im Laufe derJahre als überaus fruchtbar für beide Seiten erwiesen.Im letzten Vortrag des Tages berichtete Dr. Bettina Wischhöfer,Leiterin des Landeskirchlichen Archivs in Kassel, von ihren Erfah-rungen mit der Kooperation von ehrenamtlichen Mitarbeitern undArchiv, dem sogenannten „friendraising“. Dieser Begriff steht für dieNotwendigkeit für das Archiv, Unterstützung von außen zu finden.Dies geschieht in Kassel durch die Gewinnung von Freiwilligen, dieInnovationen ermöglichen und die Handlungsfähigkeit des Archivs

sichern. Die Ehrenamtlichen werden dafür zweimal jährlich imBereich der Archivpflege geschult. Die Freiwilligen haben bis jetztdie Realisierung von mehreren Ausstellungen und Publikationenermöglicht. Außerdem haben sie in den vergangenen zwölf Jahrenein Drittel der Verzeichnungsarbeit geleistet. Für Genealogen interes-sant wird in Zukunft das Internetportal www.kirchenbuchportal.desein, das zunächst eine archivübergreifende Bestandsübersicht unddie Bereitstellung von digitalisierten Kirchenbüchern anstrebt.In der anschließenden von Dr. Bettina Joergens, Leiterin des Dezer-nats Personenstandsarchiv im Staats- und Personenstandsarchiv,moderierten Podiumsdiskussion wurde schnell deutlich, dass eineKooperation zwischen Genealogen bzw. Freiwilligen und Archivengrundsätzlich wünschenswert ist. Wie und unter welchen Bedingun-gen Freiwilligen-Arbeit umgesetzt werden kann, wurde z. T. kontro-vers diskutiert, wie etwa das Konzept des „friendraising“. Geradedie Ansicht, dass ein Archiv auf ehrenamtliche Mitarbeit angewiesensei, um seine Kernaufgaben wahrzunehmen, wurde aus Archivars-sicht als sehr problematisch gesehen. Die Grenze zwischen jahrelangausgebildeten Archivaren und fortgebildeten Laien verschwimmthier zu sehr. Andererseits wurde jedoch die Schulung der Freiwilli-gen positiv aufgenommen.In den Vorträgen, die in der Schlussdiskussion noch einmal aufge-griffen wurden, hatten sich drei Kernbereiche herauskristallisiert, indenen eine Beteiligung ehrenamtlicher Mitarbeiter möglich ist:Erschließung, Verkartung und Beratung. Zu der Frage, wie einesolche Kooperation von Genealogen und Archiv konkret gestaltetwerden kann, wurden verschiedene Ideen gesammelt. Als besonderswichtig wurde die frühzeitige Zusammenarbeit erachtet, um eingemeinsames Anforderungsprofil für die Freiwilligen festzulegen.Dazu zählen bei Erschließungsarbeiten v. a. die Auswahl der zurBearbeitung vorgesehenen Bestände sowie die Festlegung vonErschließungsstandards. Darüber hinaus ist eine Schulung der Laiensinnvoll, um eine gewisse Qualität zu sichern und die Ehrenamtli-chen mit archivgesetzlichen und datenschutzrechtlichen Bestimmun-gen vertraut zu machen. Jacques van Rensch berichtete eindrucks-voll vom niederländischen Genlias-Projekt, bei dem über die reinfachliche Kooperation hinaus auch die Bereitstellung von geeignetenRäumlichkeiten sowie gemeinsame Aktivitäten von Archivaren undFreiwilligen wichtige Elemente seien, um die Ehrenamtlichen an dasArchiv zu binden. Als eine wichtige Kontaktbörse zwischen Genealo-gen erläuterte Marie-Luise Carl das Internetportal GenWiki. Disku-tiert wurden die Möglichkeiten, wie dieses Portal zur Kooperationmit den Archiven genutzt werden kann.Abschließend kann festgehalten werden, dass die Kooperationzwischen „Profis“ und „Laien“ sehr fruchtbar sein kann, wenn diegeeigneten Rahmenbedingungen und Regelungen vorhanden sind.Die Ausgestaltung dieser Zusammenarbeit liegt in der Hand beiderSeiten. Ein wichtiger Schritt hin zu einer engeren Zusammenarbeitund Vernetzung zwischen professionellen Genealogen, Familienfor-schern, Wissenschaftlern und Archivaren wurde mit dem diesjähri-gen Sommergespräch gemacht.Es bestand außerdem die Möglichkeit, im Rahmen von drei Führun-gen das Personenstandsarchiv von innen und die Bandbreite genea-logischer Quellen kennen zu lernen. ■

Detmold/Marburg, Astrid Küntzel/Yvonne Leiverkus

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ARCHIVTHEORIE UND PRAXIS

Am 9. und 10. August 2007 fand der 41. Rheinische Archivtag mitdem Thema „Die rheinischen Kommunalarchive – Herausforderun-gen des 21. Jahrhunderts“ in der Abtei Brauweiler statt. ZahlreicheGäste folgten der Einladung des Rheinischen Archiv- und Museums-amts (RAMA), ein Zeichen für die Aktualität der thematischenSchwerpunkte.Die erste Arbeitssitzung widmete sich dem „Aufgabenkanon und derAufgabenerledigung“ in Kommunalarchiven. Dr. Ernst-Otto Bräun-che, Bundeskonferenz der Kommunalarchive (BKK), zeigte „Trendsim Archivwesen des 21. Jahrhunderts“ auf und betonte die Notwen-digkeit der Kooperationen zwischen staatlichen und kommunalenArchiven bei Überlieferungsbildung und Bewertung. Aktenübernah-men von in Staatsarchiven als kassabel bewerteten Unterlagen inKommunalarchive seien aufgrund der unterschiedlichen Dokumen-tationsziele vorstellbar. Bräunche verwies auf das Beispiel Baden-Württembergs im Bereich der Schulen. Dr. Andreas Berger, Kreisar-chiv Kleve, stellte in seinem Vortrag „Übernahme und Schriftgutver-waltung“ die Arbeitsprozesse in einem Zwischenarchiv vor. Durchdie Beteiligung des Archivs an der Schriftgutverwaltung könnenganze Aktengruppen prospektiv und Sachakten nur anhand vonAbgabelisten bewertet werden. Dr. Peter Weber, RAMA, verwies inseinem Vortrag „Überlieferungsbildung: werten und ergänzen“ aufProbleme in der Bewertungspraxis und zeigte die Notwendigkeit,ein Dokumentationsprofil als Hilfsmittel für Kommunalarchivare zuentwickeln, mit dem die lokale Lebenswirklichkeit über die reineVerwaltungstätigkeit hinaus abgebildet werden kann. Am Beispieldes vom Arbeitskreis Überlieferungsbildung bei der BKK erarbeite-ten Musterdokumentationsprofils für den Bereich Politik erörterteer, dass nur amtliche und nichtamtliche Überlieferung zusammenein realitätsnahes lokales Abbild ergeben. Dr. Arie Nabrings, RAMA,ging in seinem Referat „Verwahren, Erhalten, Instandsetzen“ aufgrundsätzliche Fragen und präventive Maßnahmen zur Bestandser-haltung ein. Angestoßen durch die Landesinitiative Substanzerhaltwurden in den letzten Jahren fünf Kompetenzzentren zur Massen-entsäuerung aufgebaut, in denen Archive mit Unterstützung derLandschaftsverbände ihre Bestände entsäuern lassen können. Das anschließende Podiumsgespräch „Fit für die Zukunft – Archivi-sche Fort- und Weiterbildung“ bot Raum für Diskussionen undAnregungen aus den Reihen der Teilnehmenden. Adelheid Rahmen-Weyer M. A., RAMA, berichtete einleitend über die Entwicklung derFortbildungsangebote der Archivberatungsstelle. Deren Themenreichen von klassischen Aspekten der Archivistik bis hin zu Fra-gestellungen, die moderne Medien betreffen, wobei die Nachfrage zuletzteren in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist. Thilo MartiniM. A., RAMA, stellte das Fortbildungsprogramm der Museumsbera-tung vor. Er drückte die Hoffnung aus, dass Archive und Museen ineinen engeren fachlichen Austausch treten und Kooperationenanstreben.Elisabeth Kremers, Stadtarchiv Krefeld, berichtete in ihrem Vortrag„Erschließen“ aus dem Alltag eines mittelgroßen Stadtarchivs, indem aufgrund der schwierigen personellen Situation kaum nocheigentliche Verzeichnung betrieben wird. Um so zentraler seien dieAbgabelisten der Verwaltung. Das Krefelder Stadtarchiv verzichtetgänzlich auf die Erstellung von Papierfindbüchern und setzt voll-kommen auf die Erfassung der Bestände in Datenbanken. Jedoch

wuchsen die unerschlossenen Bestände in den letzten Jahren an, sodass derzeit über eine provisorische Verzeichnung nachgedacht wird.Dr. Norbert Schloßmacher, Stadtarchiv Bonn, referierte über dieEntwicklung bei „Nutzung und Auswertung“ von Archivgut in denletzten Jahren. Er konstatierte einerseits eine zunehmende Quan-tität, andererseits eine abnehmende Qualität der Benutzung. Dieshänge eng mit dem Rückgang von Benutzern aus dem wissenschaft-lichen Umfeld zusammen. Erfolgreich seien Sammlungsbestände,Fotodokumentationen und Zeitungen. Diese publikumswirksamenBestände sicherten die Existenzberechtigung der Archive in derWahrnehmung von Bürgern und Politikern. Für die Zukunft postu-lierte er die Notwendigkeit, dass Archive offensiv auf wissenschaftli-che Einrichtungen wie Schulen und Universitäten zugehen, um auchdie qualitative Nutzung und Auswertung der Bestände zu sichern.Die zweite Arbeitssitzung beschäftigte sich mit den „ArchivischenRahmenbedingungen“. Andreas Wohland, Städte- und Gemeinde-bund NRW, leitete den Tag mit einem Vortrag zu „NKF und seine(n)Auswirkungen auf die Archive“ ein. Der Referent umriss die Ent-wicklung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements und erklär-te, dass Archive dem Produktbereich „Kultur und Wissenschaft“zugeordnet sind. Ob Archive innerhalb des kommunalen Haushaltesein eigenes Produkt darstellen bzw. sogar in Einzelprodukte unter-teilt werden sollen, sei die Entscheidung jeder einzelnen Kommune.Er wies darauf hin, dass Archivgut durchaus als Vermögen gilt, aberin der Regel mit einem symbolischen Erinnerungswert von einemEuro angesetzt wird. Er betonte, dass die finanzielle Bedeutung vonder kulturellen zu trennen sei. Wohland geht davon aus, dass sichdie Auswirkungen der Einführung von NKF auf die Archive inGrenzen halten werden. Reiner Schiparowski, Gemeindeprüfungsan-stalt NRW, stellte in seinem Vortrag „Wirtschaftlichkeitsaspekte inkommunalen Kultureinrichtungen“ zunächst die Arbeit der GPAvor, die vor allem aus den drei Säulen Beratung, Prüfung und Servicebestehe. Er machte deutlich, dass der Bereich „Kultur, Bücherei,VHS“ ein optionales Prüfgebiet sei und dass Prüfungen im Archiv-wesen in der Regel lediglich anlassorientiert erfolgten. Die Prüfungder Wirtschaftlichkeit werde auf vergleichender Basis zwischenKommunen gleicher Größenordnung vorgenommen. Dies sorgte inder anschließenden Debatte für kritische Nachfragen, da Archivevergleichbarer Träger nicht notwendigerweise vergleichbare Beständehaben und überdies beim Vergleich reinen Zahlenmaterials diemöglicherweise sehr unterschiedlichen archivischen Leistungsstan-dards unberücksichtigt bleiben. „Ehrenamt im Archiv – Grenzen und Möglichkeiten“ war dasThema des Podiumsgesprächs, bei dem Eva Kniese, StadtarchivMülheim, Prof. Dr. Clemens Graf von Looz-Corswarem, StadtarchivDüsseldorf, und Raimund Bartella, Städtetag NRW, über Erfahrun-gen mit ehrenamtlichen Kräften berichteten. Die Teilnehmer stimm-ten darin überein, dass ehrenamtlichen Mitarbeitern keine archivi-schen Kernaufgaben übertragen werden sollten, sie jedoch nachkurzer Einführung fachlich ergänzende Tätigkeiten übernehmenkönnen. Vorraussetzungen seien Ziel- und Qualitätsdefinitionen, dieEinrichtung eines Arbeitsplatzes mit Computer und die Gewährleis-tung des Versicherungsschutzes der Ehrenamtlichen während derAusübung ihrer Tätigkeiten. Das Archiv müsse sich bewusst sein,dass der Einsatz ehrenamtlicher Kräfte zwar Entlastung für die

41. RHEINISCHER ARCHIVTAG

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Mitarbeiter bringen könne, aber auch ein erheblicher Betreuungs-aufwand notwendig sei. In der abschließenden „Aktuellen Stunde“ wurde noch einmal aufdie Initiative Substanzerhalt NRW sowie das Projekt ‚Archiv undJugend’ hingewiesen. Ministerialrätin Rita Bung, Staatskanzlei,informierte über Eckpunkte des Diskussionsstandes bezüglich derNovellierung des Archivgesetzes NRW. Dr. Florian Gläser stellte die

neu gestaltete Homepage des Rheinischen Archiv- und Museums-amtes vor.

Der 42. Rheinische Archivtag wird am 5. und 6. Juni 2008 in Reesstattfinden. ■

Pulheim-Brauweiler, Katrin Clever

ERÖFFNUNG UND GRUßWORTE

Am 11. und 12. September 2007 fand in der Abtei Brauweiler dieTagung „Architektur im Archiv – Der archivische Umgang mitÜberlieferungen aus den Bereichen Architektur, Stadtplanung undIngenieurwesen“ statt. Mehr als vierzig Gäste waren der Einladungdes Rheinischen Archiv- und Museumsamts, des HistorischenArchivs der Stadt Köln sowie des Architekturforums Rheinland e.V.gefolgt, um erstmals in einem Kreis aus Fachleuten der verschiede-nen Bereiche über die Sicherung der archivischen Überlieferung zudiskutieren.Nach der Eröffnung der Tagung durch Corinna Beck, stellvertreten-de Vorsitzende der Landschaftsversammlung Rheinland, richtetenElfi Scho-Antwerpes, Bürgermeisterin der Stadt Köln, und KasparKraemer, Präsident des Bundes Deutscher Architekten, herzlicheGrußworte an die Teilnehmenden, in denen bereits deutlich wurde,dass die derzeitige Überlieferungssituation zur Architektur in derrheinischen Archivlandschaft unbefriedigend ist und dringenderHandlungsbedarf für deren Sicherung besteht. Alle Redner danktendaher den Veranstaltern und äußerten die Erwartung, mit dieserTagung das Thema ins Bewusstsein sowohl der beteiligten Fachleuteals auch der Kulturpolitik zu bringen.

1. ARBEITSSITZUNG: ARCHITEKTUR – GEGENSTAND UNDDOKUMENTATIONSZIELE

Die erste Arbeitssitzung, moderiert von Dr. Peter Weber, RheinischesArchiv- und Museumsamt, und Dipl.-Ing. Walter von Lom, Architek-tur Forum Rheinland, widmete sich dem Thema „ArchitekturGegenstand und Dokumentationsziele“.Klaus Anton Altenbuchner M.A., Architekturmuseum der TUMünchen, ging im ersten Vortrag des Tages auf das Thema „DasProfil von Architekturüberlieferungen an der Schnittstelle vonForschung, Lehre, Museum und Archiv“ ein. Am Beispiel des Archi-tekturmuseums München zeigte er die Wandlungen, die seineInstitution seit ihrer Einrichtung im 19. Jahrhundert durchlaufenhat. Diente sie bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts vorwiegend alshistorische Vorbildsammlung der Ausbildung junger Architekten,wurde sie nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem auch der Öffent-lichkeit zugänglichen Archiv umgewandelt. Der Sammlungsschwer-punkt lag zunächst auf der (süd-)deutschen Architektur, wobeiunter anderem zahlreiche Nachlässe von Professoren und ehemali-

gen Studierenden der TU sowie Zeichnungen und Bauakten ingroßer Zahl aufbewahrt wurden. In den letzten Jahrzehnten verla-gerte sich das Profil der Institution hin zu einer international ausge-richteten Forschungseinrichtung, die nun auch Nachlässe vonArchitekten weit über den süddeutschen Raum hinaus sammelt. DasArchitekturmuseum München praktiziert eine enge Bindung derBereiche Archiv – Museum – Universität, um so die Bewahrung, dieAusstellung und die Erforschung der architektonischen Überliefe-rung zu sichern.„Archivische Sammlungsprofile zur Architektur“ stellte Dr. Eber-hard Illner vom Historischen Archiv der Stadt Köln in seinemReferat vor. Er ging zunächst auf die Arbeitsfelder ein, die unter denBegriff „Architektur“ im weitesten Sinne fallen, und verwies auf diedamit verbundene Überlieferungsvielfalt, mit der Architektursammelnde Archive konfrontiert werden und die sowohl im Materi-al als auch im Format erheblich vom herkömmlichen Archivgutabweicht. Zu der Frage, wie die Architektur-Überlieferung über-haupt in ein Archiv komme, konstatierte Illner, dass die verwal-tungsinterne Aktenabgabe an das zuständige Sprengelarchiv in derRegel nicht verlässlich und aussagekräftig genug sei, sondern dassder Archivar an die Quelle der Überlieferung, nämlich die Architek-turschaffenden selber, herantreten müsse, um hier die Überlieferungzu sichern. Das Historische Archiv der Stadt Köln sammelt bereitsseit dem ausgehenden 19. Jahrhundert aktiv Architektennachlässeund ist so mittlerweile zu einem der wichtigsten Träger architektoni-scher Überlieferung in der Bundesrepublik Deutschland geworden.Abschließend ging der Referent auf Bewertungskriterien zu architek-tonischen Überlieferungen ein. Nicht nur die Gebäude großer,berühmter Architekten gelte es archivisch zu dokumentieren, son-dern auch Unterlagen unspektakulärer Bauwerke seien unter demGesichtspunkt der Abbildung der sozialen Lebenswirklichkeit derMenschen unter Umständen durchaus archivwürdig, ebenso wiePlanungsunterlagen letztlich nicht realisierter Projekte. Damitorientieren sich die Kriterien an dem bereits im Jahre 1972 von HansBooms entwickelten Überlieferungsprofil, welches gesellschaftliche,politische, kulturelle und ökonomische Aspekte in den Blick nahm.Dr. Godehard Hoffmann, Rheinisches Amt für Denkmalpflege, derdankenswerter Weise kurzfristig ein Statement für die erkrankteProf. Dr. Karin Wilhelm vorbereitet hatte und sich dabei teilweiseauf deren Thesen stützen konnte, nahm nach der MittagspauseStellung zum Thema Architektur im Archiv aus der Sicht der Denk-malpflege und beschrieb die „Erwartungen der bauhistorischenForschung an Architektursammlungen“. So sei es wünschenswert,Nachlässe nicht auseinander zu reißen bzw. bereits auseinander

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gerissene Nachlässe wenigstens medial wieder zusammen zu führen.Generell könnte eine stärkere Präsenz von Findmitteln und Repro-duktionen im Internet die Arbeit der Denkmalpfleger erheblichvereinfachen. Daneben stellte er fest, dass in vielen vorhandenenArchitekturbeständen wichtiges Material wie Detailpläne u. ä.fehlten, welche aber für die bauhistorische Forschung oft vongrößter Bedeutung seien. Zudem sei derzeit ein Großteil der Archi-tektenüberlieferung vom Verlust bedroht, da es kaum eine aktive,geschweige denn eine systematische Akquirierung von Nachlässengebe. Auch er verwies außerdem auf das Problem der Archivierungdigitaler Daten.Dr. Florian Gläser, Rheinisches Archiv- und Museumsamt, stellte inseinem Vortrag die Frage nach dem „Informationswert von Architek-tennachlässen und ihrer komplementären Überlieferung“. DerReferent skizzierte die Erstellung eines Dokumentationsprofils„Architektur“, welches archivübergreifend relevante Dokumenteund Dokumentarten und deren Aufbewahrungsort ermittelt unddamit einerseits Archivaren als Bewertungshilfe, andererseits Nut-zern als Recherchehilfe im Sinne eines Sachinventars zur Verfügungstehen sollte. Wichtig sei, dieses Dokumentationsprofil unter Einbe-ziehung von Fachleuten aller beteiligten Fachrichtungen zu erarbei-ten: nur zusammen könnten Archivare, Architekten, Stadtplanersowie Bauforscher und Denkmalpfleger ein Kriterienmodell ent-wickeln, das retrospektive und prospektive Bewertung der entstehen-den Unterlagen zulasse und auch Unterlagen, die sich nicht (odernicht mehr) in Architektennachlässen finden, in den Blick nehmen.Ein solches Modell müsse dann durch die berufsständischen Verei-nigungen in die Architektenschaft hineingetragen werden. Ebenfallsbiete sich die technische Möglichkeit, dieses Instrument online zurVerfügung zu stellen und so den Zugriff und damit die Nutzung zuvereinfachen.

2. ARBEITSSITZUNG: ERSCHLIEßEN UND ERHALTEN

Dr. Bettina Schmidt-Czaia, Historisches Archiv der Stadt Köln, undDipl.-Ing. Jörg Beste, Architekturforum Rheinland, moderierten diezweite Arbeitssitzung mit dem Thema „Erschließen und Erhalten“.Zunächst referierte Inge Wolf, Deutsches ArchitekturmuseumFrankfurt, über „Bauhistorische Sammlungen und ihre Nutzer:Möglichkeiten und Grenzen der inhaltlichen Erschließung“. Dienoch recht junge Sammlung des Deutschen Architekturmuseums –sie existiert erst seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts –besteht derzeit aus rund zweihunderttausend Plänen und Zeichnun-gen, etwa tausend Modellen und über vierzig Architektennachläs-sen. Vorwiegend Architekten, Forscher und Fachjournalisten nutzendie Sammlung. Trotz geringer Personalstärke sind die Pläne undZeichnungen fast vollständig einzelblatterfasst und auch die Nach-lässe sind zu einem großen Teil in einer Datenbank verzeichnet.Mittlerweile sind hier auch digitale Daten archiviert, die in einemexternen Laufwerk gesichert sind. Als problematisch gilt allerdingsdie häufige parallele Verwendung verschiedener Softwareprodukteinnerhalb eines Projekts, welche die Erhaltung der Daten erschwert.Im letzten Referat des Tages stellte Dr. Michael Farrenkopf, Bergbau-museum Bochum, „das „Bochumer Modell“ der Erschließung“ amBeispiel der Architekturüberlieferung in dem Wirtschaftsarchiv vor.Das Deutsche Bergbau-Museum Bochum (DBM) besitzt das zentraleWirtschaftsarchiv für den Bergbau in Deutschland mit Beständenaus Konzernen, Einzelzechen, Verbänden und Nachlässen. Die

Übernahme des Schupp-Kremmer-Nachlasses im Jahr 2002 sei dieInitialzündung für das „Bochumer Modell“ gewesen. Der Nachlassbestehe vor allem aus ungeordneten, verschieden großen Plänen inüber 300 Mappen, wohingegen der Aktenbestand größtenteilsverloren gegangen sei. Zunächst sei eine grobe Ersterschließungerfolgt, deren Ziel die restauratorisch und konservatorisch korrekteLagerung gewesen sei. Die Erschließung für wissenschaftlicheZwecke wurde durch die Krupp-Stiftung finanziert. In dieser tiefe-ren Erschließung wurde der Gesamtnachlass in einzelne Bauprojek-te differenziert, denen wiederum die jeweiligen Baupläne, aber auchVerweise auf relevante Archivalien aus anderen Beständen des DBMzugeordnet sind. Zusätzlich wurden Angaben zum Erhaltungszu-stand sowie zum Trägermaterial aufgenommen. Eine Digitalisierungaller Pläne zur Schonung der Originale ist geplant, ebenso wie dieVeröffentlichung des Bestandskatalogs.Nach einer Führung mit Dr. Frank Kretzschmar (Rheinisches Amtfür Denkmalpflege) durch die historische Abtei Brauweiler undeinem Orgelkonzert mit dem Kantor Donatus Haus in der Abteikir-che ließen die Tagungsteilnehmer den ersten Tag bei einem gemein-samen Abendessen in der Kellerklause der Abtei ausklingen.Nach der Vorstellung der Referenten durch Dr. Schmidt-Czaia wurdedie zweite Arbeitssitzung am folgenden Tag fortgesetzt.Zunächst referierte Sigrid Quittek, Dipl.-Restauratorin beim Histori-schen Archiv der Stadt Köln, über die „Besonderheiten der Archivie-rung von Architekturüberlieferung“. Hauptproblem bei Architek-turüberlieferungen aus Sicht der Restaurierung sei die Vielfalt derObjektarten und der benutzten Materialien. Sie enthielten häufigverschiedene Papierarten (teilweise schnell alternd, wasserempfind-lich, stark säurehaltig), sowie Gewebe, Fotos, Holz, Kunststoffe undAkten. Schäden am Material entstünden häufig bereits durch un-sachgemäße Lagerung, bevor die Überlieferung ihren Weg ins Archivfindet. Gerollte und gestauchte, verschmutzte und verschimmelteUnterlagen seien eher die Regel als die Ausnahme. Als erste restaura-torische Maßnahmen werden Pläne nach einer Befeuchtung plange-legt und Risse stabilisiert. Um die Materialien langfristig konserva-torisch korrekt zu lagern, sollten Zwischenlagematerialien verwen-det und die Objekte nach Materialeigenschaften separiert werden.Staubdichte Verpackungen für Modelle schützen diese vor Ver-schmutzung. Für großformatige Pläne bietet sich außerdem einehängende Lagerung an, wofür Platz sparende Schiebewände beson-ders geeignet seien.Im letzten Vortrag der zweiten Arbeitssitzung sprach Dipl.-Ing.Andreas Noback, TU Darmstadt, über „die Langzeitsicherung vonCAD-Arbeiten“ (CAD = Computer Aided Design). CAD könne sehrkomplex sein und sei zudem in besonderem Maße abhängig vondiverser Soft- und Hardware. Häufige Überlagerungen verschiedenerArbeitsvarianten (Layers) machen es schwer, Arbeitsschritte imNachhinein zuzuordnen. Besonders problematisch im Hinblick aufeine dauerhafte Aufbewahrung sei demnach das Fehlen von Hard-ware und Software, mit denen die jeweils proprietären Dateiformateausgelesen werden könnten. Als Strategie zur Lösung dieser Proble-me schlug Noback daher eine ständige Konvertierung der Daten vor.Durch Facility Management sei es außerdem möglich, ältere Hard-ware zu simulieren (Emulation). Jedoch könnte dies an fehlendenIT-Spezialisten scheitern. Als kleinster gemeinsamer Nenner seidaher eine Umwandlung der Dateien in Standardformate wie PDF(Portable Document Format) oder TIFF (Tagged Image File Format)denkbar, wobei Verluste zwar zwangsläufig, diese Dateien aber wohlnoch lange lesbar seien.

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3. ARBEITSSITZUNG:ARCHIVIERUNGSMODELLE

Die letzte Arbeitssitzung der Tagung mit dem Thema „Archivie-rungsmodelle“ wurde von Dipl.-Ing. Walter von Lom und Dr.Florian Gläser moderiert.Dr. Mark A. Steinert, Kreisarchiv Warendorf, sprach zunächst über„rechtliche Aspekte bei der Akquisition und Verwertung von Archi-tekturüberlieferungen“. Da Architektennachlässe in der RegelPrivatnachlässe sind, unterliegen sie keiner Anbietungspflichtgegenüber einem Archiv. Das bedeutet, dass der Nachlasser entschei-det, ob, wo, wie und wem er seine Unterlagen anvertraut. Prinzipiellexistieren zwei Möglichkeiten, Nachlässe in ein Archiv zu bringen:Entweder verbleibt das Eigentum an den Archivalien beim Eigentü-mer (Depositum) oder die Archivalien werden übereignet (durchSchenkung, Verkauf, Vermächtnis). Der Depositalvertrag kannbesonders dann zum Problem werden, wenn der Eigentümer seineArchivalien zurückfordert oder diese gar im Falle einer Insolvenz inder Insolvenzmasse auf- und somit unter Umständen für das Archivverloren gehen. Der Referent legte daher nahe, Depositalverträgemöglichst detailliert auszugestalten, um den Verbleib im Archivlangfristig zu sichern. Optimaler sei aber die Übertragung desEigentums an das aufbewahrende Archiv, wobei dem Registratur-bildner – in dem Fall also dem Architekturbüro – der Zugang zuden Unterlagen grundsätzlich zu gewähren ist.„Zusammenarbeit der Architektenschaft mit Archiven und Hoch-schulen“ war das Thema des Referats von Hans-Ulrich Ruf, StiftungDeutscher Architekten. Als ehemaliger Hauptgeschäftsführer derArchitektenkammer NRW machte er eingangs deutlich, dass dortder Wille besteht, sich zukünftig in Zusammenarbeit mit der Stif-tung Deutscher Architekten dem Thema „Architektur im Archiv“ zuwidmen. In NRW gebe es zwar bislang keine derartigen Aktivitäten,aber die Beispiele aus Hamburg und Schleswig-Holstein, wo sichzwei Archive in der Trägerschaft der Architektenkammern befänden,könnten durchaus Vorbildcharakter bekommen. Dieses Engagementkönne in der Bereitstellung von finanziellen und personellen Mittelnbestehen; zudem sei hier eine Kombination mit der Nachwuchsför-derung (Promotionsstipendien) denkbar, um die Archivierung undzeitnahe inhaltliche Erschließung zu gewährleisten. Die anstehendenAufgaben des Themenfeldes Architektur im Archiv seien nur zumeistern, wenn die vorhandene Kompetenz auf breiter Basis, alsomit Architektenverbänden, Archiven und Universitäten gemeinsam,genutzt würde. Dafür sei eine politische Lobby notwendig. Hierseien bereits Ansprechpartner gefunden und erste Gespräche gelau-fen. Sowohl das Landesministerium für Bauen und Wohnen NRWals auch die für die Kultur zuständige Staatskanzlei NRW seiengrundsätzlich positiv eingestellt. Nun seien auch die beiden Land-

schaftsverbände gefragt, sich zu engagieren und eine solide Konzep-tion zu entwickeln. Ruf äußerte nachdrücklich die Hoffnung, dassdie Tagung keine Eintagsfliege, sondern Anstoß zu ständigemAustausch und Kooperation werde.Den letzten Vortrag „Zentrale oder dezentrale Archivierung vonArchitektennachlässen?“ gestaltete Dr. Wolfgang Roters, Museum fürArchitektur und Ingenieurkunst NRW. Er forderte zunächst dieTeilnehmenden auf, dass es nach dieser Tagung nicht bei bloßemKopfnicken bleiben dürfe, sondern das Problem ins öffentlicheBewusstsein, vor allem in das von Politikern getragen werden müsse.Letztlich sei es irrelevant, ob ein Architekturarchiv zentral eingerich-tet werde oder ob mehrere kompetente Archive dezentral archivieren.Wichtig sei ein zu erarbeitender Masterplan, der von allen Akteuren,also Bauschaffenden und Archivaren getragen wird. Die Bewertungs-entscheidung, welche Überlieferung den Weg ins Archiv finden soll,dürfe nicht am Ende des Schaffens stehen. Eine vorarchivischeOrdnung in den Architektenregistraturen könne eine transparenteÜberlieferung herstellen. Kooperationspartner in Wissenschaft,Wirtschaft, Politik und Gesellschaft seien dafür notwenig, diesegelte es dringend zu mobilisieren.

SCHLUSS

Nicht nur in der Abschlussdiskussion, sondern auch in den Zwi-schendiskussionen, denen innerhalb der einzelnen Arbeitssitzungenviel Zeit eingeräumt worden war, wurden die vorgetragenen Thesenunter den Teilnehmern engagiert diskutiert. Der gelungene Aus-tausch zwischen Architekturmuseen, Archiven, der historischenBauforschung und den Architekturschaffenden gab dabei Anlass zuder Hoffnung, der von allen Beteiligten als wichtig betrachtetenstärkeren Vernetzung - zumindest im Rheinland - ein Stück nähergekommen zu sein.Dr. Weber dankte im Namen des Hausherrn und der Mitveranstalterabschließend allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für ihreengagierten Tagungsbeiträge. Er sah in dieser Brauweiler Tagung denAuftakt zu einem dringend benötigten „Masterplan“, der Auskunftgibt, wie das architektonische Erbe des Rheinlandes, und vielleichtauch darüber hinaus, systematisch gesichert, der Forschung zugäng-lich und damit der Nachwelt dauerhaft nutzbar gemacht werdenkann.Die Veröffentlichung der Beiträge der Tagung ist geplant. ■

Pulheim-Brauweiler, Katrin Clever

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Über 70 Kolleginnen und Kollegen meist aus Archiven und Biblio-theken, aber auch einige Filmemacher, folgten am 4.10.2007 derEinladung des Arbeitskreises Filmarchivierung NRW zu einerTagung in der katholischen Akademie Schwerte. Nach einem kurzenGrußwort von Dr. Johannes Horstmann, der die Filmarbeit in derAkademie leitet, begrüßte die Vorsitzende des Arbeitskreises undLeiterin des Filmmuseums Düsseldorf, Dr. Sabine Lenk, die Teilneh-merinnen und Teilnehmer. Mit Bedauern stellte sie fest, dass es zur-zeit keinen Filmreferenten des Landes NRW gibt. Dies sei umsobedauerlicher, da der Arbeitskreis vor ca. 16 Jahren vom damaligenFilmreferenten und dem Kultusminister ins Leben gerufen wurde.Frau Lenk gab zunächst eine kurze Einführung in das Thema derTagung: Filme in Archiven: sammeln-sichern-sichten. Es sei dieAufgabe dieser Tagung und des Arbeitskreises, betonte sie, beiHistorikern und Archivaren und vor allem in der Öffentlichkeit einstärkeres Interesse an historischem Filmmaterial zu wecken. Zudiesem Zweck wurde z. B. in Großbritannien ein Tag des Amateur-films ausgerichtet, in dem Archive ihre Amateurfilme zeigen undinteressierte Laien ihre eigenen Filme zur Aufführung mitbringen.Der Amateurfilm werde zu Unrecht stiefmütterlich behandelt. Mandenke nur an die Ermordung J. F. Kennedys oder an die erstenAufnahmen der schrecklichen Ereignisse am 11.9.2001. Hier waren esLaien, die als erste das Geschehen festhielten. Die Sicherung vonFilmen sei ein weltweites Problem. In den Niederlanden würdenz. B. in den nächsten Jahren 180 Millionen € zur Verfügung gestelltund Japan forderte alle Kulturinstitute und Schulen auf, ihr Filmma-terial zu sichten, um Nitromaterial zu finden und zu retten. Auch in Nordrhein-Westfalen stellt die Staatskanzlei Projektmittelzur Rettung zur Verfügung. Jedes Archiv oder Museum, das Filmemit Bezug zum Land NRW verwahrt, kann einen Antrag auf Förder-gelder zum Zwecke der Umkopierung stellen. Allerdings wird nurdie Hälfte der Kosten vom Land übernommen, die andere Hälftemuss von der Einrichtung getragen werden. In ihrem Vortrag führte Frau Lenk Probleme bei der Bewahrung vonAcetat- und Polyesterfilmen vor Augen und warnte eindringlich vorden bis 1951 immer noch verwendeten Nitrofilmen, die ohne Schutz(Mund- und Handschutz) nicht bewegt und so schnell wie möglichdem Bundesarchiv zur weiteren Bearbeitung übergeben werdensollten. Die giftigen Gase, die bei der Zersetzung des Materialsentstehen, schädigen nicht nur die anderen Filme, sondern auch dieGesundheit der Menschen. Zu dem stellt das sehr leicht brennbareMaterial eine Gefahr für das gesamte Archiv da.

Die empfohlene kühle Lagerung von Azetat- und Polyestermaterialbei geringer Luftfeuchtigkeit und staubgefilterter Frischluftzufuhrist vor allem kleineren Archiven und Museen nicht möglich. Hierappellierten die Tagungsteilnehmer an die Landesregierung, Lager-möglichkeiten in den Regionen Nordrhein-Westfalens zu schaffen,in denen kleinere Einrichtung ihre Filme und Tonbänder aufbewah-ren können, wie dies das Filmmuseum Düsseldorf bereits anbietet.Nach einer kurzen Diskussionsrunde konnten die Teilnehmerinnenund Teilnehmer auf dem „Markt der Möglichkeiten“ an den Stän-den des Filmmuseums Düsseldorf, des WDR, des Landschaftsver-bands Westfalen-Lippe, der Kurzfilmtage Oberhausen und desRegionalverbands Ruhr weitere Informationen zu konkreten Fragenerhalten und sich fachlich austauschen. Nach der Mittagspause referierte Dr. Ralf Springer vom Medienzen-trum des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe über das Projekteiner gemeinsamen Filmdatenbank für das Münsterland. Kleinereund größere Archive können ihre Filme beim Landschaftsverbandeinlagern und über eine Datenbank selbst erfassen. Jedes Archiverhält die Berechtigung, die eigenen Bestände mehr oder weniger tiefzu erschließen und hat die Möglichkeit, in den Beständen deranderen Archive zu recherchieren. Ein Beirat aus Archivaren undPrivatpersonen soll bei dieser Arbeit insbesondere bei Amateurfil-men helfen. Für technische Angaben wird der Landschaftsverband,so geplant, den Archivaren mit Fachwissen zur Seite stehen. EinDownloaden der Filme ist auf Grund der schwierigen Klärung vonFilmrechten und Persönlichkeitsschutz leider nicht möglich. Von dieser Problematik war auch im letzten Vortrag von Herrn Prof.Dr. Rainer Polley die Rede. Er bildet an der Archivschule MarburgArchivarinnen und Archivare u. a. in Archivrecht und Urheberrechtfort und berät bei schwierigen Fällen. Herr Polley machte an einigenBespielen aus der Praxis deutlich, wie kompliziert die Rechtslage beider Veröffentlichung von Film und Fotomaterial sein kann. Daherempfahl er beim Erwerb von Filmen und Fotografien u. ä., auch dieVeröffentlichungs- und Verwertungsrechte mit zu erwerben. Für dasbereits in den Archiven und Museen vorhandene Material bestehenur die Möglichkeit jeden Fall einzeln zu prüfen und zu klären, obeiner Veröffentlichung archiv-, persönlichkeitsschutz- oder urheber-rechtliche Bedenken entgegen stehen. Wirtschaftsarchivar Prof. Dr. Horst A. Wessel beendete die Tagungmit einem Schlusswort zur Bedeutung des Audiovisuellen für dieArchive. ■

Düsseldorf, Anette Gebauer-Berlinghof

FILME IN ARCHIVEN: SAMMELN – SICHERN – SICHTEN

Erfgoed Nederland bedeutet soviel wie kulturelles Erbe der Niederlande und bezeichnet eine neu gegründete Dachorganisationin Holland, die mit dem 1. Januar 2007 ihre Aktivitäten begonnenhat. Sie ist ein weiterer Markstein in der jahrelangen Zentralisierung

und Fusionierung von kulturellen Einrichtungen, die von wechselnden Regierungen mit dem Kulturministerium OCW(Onderwijs, Cultuur en Wetenschap) in Den Haag unterschiedslosmit großer Verve betrieben wurde und wird. Keineswegs nur die

ERFGOED NEDERLAND

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historisch orientierten Zweige sind davon betroffen, sondern auchdie Filmkunst. Sitz dieser neuen Organisation ist Amsterdam. IhrZuständigkeitsbereich erstreckt sich nicht ausschließlich auf dasArchivwesen unseres Nachbarlandes, die „Mission“ (missie) betrifftvielmehr auch die Museen, den Denkmalschutz sowie die Archäologie. Mehrere Dach- und Vorgängerorganisationen wurdenmit dem 1. Januar 2007 zusammengeführt und aufgehoben: Nationaal Contact Monumenten (NCM) für den Denkmalschutz,Stichting voor de Nederlandse Archeologie (SNA) für diesen Sektor,weiter die Dachorganisation für Archive und DokumentationsstellenDIVA (Vereniging voor de Documentaire Informatievoorziening enhet Archiefwezen) sowie Erfgoed Actueel. Letztere zielte vornehm-lich auf die Vermittlung von kulturellem Erbe in Schulen undsonstigen Bildungseinrichtungen.Wen oder was und wie missioniert Erfgoed Nederland nun? Nichtder interessierte Bürger ist Gegenstand der Bemühungen, vielmehrrichtet die neue wie die vorangegangenen Organisationen ihr Augen-merk auf die in den genannten Bereichen Berufstätigen. Als IhreZiele bezeichnet die Organisation vornehmlich: – Eine verbesserte Positionierung dieser Bereiche in der

niederländischen Gesellschaft; – eine Plattformfunktion und Interessenvertretung für alle im

kulturell-historischen Bereich aktiven Organisationen undschließlich

– die Anregungen innovativer Entwicklungen. Schwerpunkte sinddabei die Vergrößerung der Breitenwirkung, Digitalisierung undBildungsaktivitäten.

Diese Ziele gelten für alle Zweige, also Museen, Archive, Denkmalschutz und Archäologie. Eine stärkere Abstimmung undVerzahnung mit den Archiven verwandten Einrichtungen undMethoden ist in der Tat wünschenswert für jeden, der an der ewigenGültigkeit von Paradigmen des vergangenen Jahrhunderts zweifelt.Weniger leuchtet ein, was denn die Archäologie und den Denkmal-schutz mit den Archiven verbindet. Und warum werden die Biblio-theken nicht berücksichtigt? Doch sind die Ziele primär politischund weniger inhaltlich definiert.Werfen wir einmal einen Blick auf die Aktivitäten von ErfgoedNederland, die für die Archive von spezifischem Interesse sind: – Erfgoed Nederland fungiert als Herausgeber der jährlich

publizierten Archiefschattenagenda, eines Kalenders bzw. Notizbuchs, der unter wechselnden Themen Pretiosen aus denArchiven präsentiert. Dieses Jahr steht die Religion im Zentrum.

– Erfgoed Nederland zeichnet für die Organisierung des LandelijkeArchievendag verantwortlich, des landesweiten Tages der Archive,der zuletzt am 13. Oktober 2007 stattfand.

– Besonders erwähnenswert sind auch die Aktivitäten zur Digitalisierung, die die Organisation bündelt, etwa vermittelseines Studientages zur Digitalisierung von Zeitungen, der am 2.Oktober 2007 im Amsterdamer Persmuseum (Pressemuseum)durchgeführt wurde. Als ein Mitspieler unter anderen ist ErfgoedNederland an der Taskforce Digitale Toegangelijkheid Archievenbeteiligt, die die Vergrößerung des Nutzerkreises der Archive mitdigitalen Mitteln zum Ziel hat.

Andere Aktivitäten betreffen nicht nur die Archive und entsprechensomit dem Anspruch der Organisation, fächerübergreifend Leitlinien festzulegen und durchzusetzen. Zunächst einmal sollErfgoed Nederland dazu beitragen, dass die Rotstiftmaßnahmen derniederländischen Regierungen im Kulturbereich durch dieErhöhung der eigenen Einnahmen betroffener Institutionen abgefedert werden. Unternehmertum respektive ondernemerschap

nennt sich dies, und Behörden sollen im Angesicht leerer Kasseneben weniger Behörden sein, sondern unternehmerisch agieren.Doch anders als bei privaten Unternehmen gemeinhin üblich,müssen diese Einrichtungen primär politische Forderungen erfüllen.Eine von Erfgoed organisierte Veranstaltung „Over ondernemerschap“ fand bereits am 10. Oktober 2007 in Amsterdamstatt, das Thema wird bestimmend bleiben. Daneben richtet Erfgoed Nederland sein besonderes Augenmerk aufdas kulturelle Erbe von Einwanderergruppierungen und die kulturelle Vielfalt (culturele diversiteit) der Bewohner der Niederlande. Im Zusammenhang damit begreift die Organisationetwa eine andere ethnische Zusammensetzung des Personals derkulturellen Institutionen als Ziel. An die Kollektionen und Archivewerden analog Forderungen gestellt, diese Vielfalt widerzuspiegeln.Nicht die Qualität eines Objekts soll bestimmen, ob es als erfgoed inBetracht gezogen wird: „Kulturelles Erbe bezeichnet nicht dieQualität eines Objektes (materiell oder immateriell), sondern eine(generationenübergreifende) Bedeutung, die durch (Gruppen von)Menschen Objekten zuerkannt wird, es ist damit grundsätzlichkulturell vielfältig. Was von der einen Gruppe als Kulturerbe be-trachtet wird, braucht dies für eine andere Gruppe nicht zu sein.“1

Ein denkbar weiter Kulturbegriff mithin, der auch das von Nokiaetc. Dargebotene einbeziehen könnte, eben alle zeitgenössischenDevotionalien, denen „Kultcharakter“ zugesprochen wird.Es bleibt im übrigen zu wünschen, dass die Fusionierungen hiererfolgreicher verlaufen werden als Unternehmsprojekte wie etwa die2007 im Fiasko endende Daimler-Chrysler-Liaison: Orientiertensich die Advokaten des kulturellen Unternehmertums indes wirklicham Erfahrungsschatz der Wirtschaft, statt Haushaltskürzungen mitdieser wohllautenden Phrase zu camouflieren, müssten sie eigentlichdie Fusionierungspolitik überdenken, die in der Privatwirtschaftkeineswegs mehr den dernier cri darstellen, da sie nicht selten inkurzer Zeit materielle wie immaterielle Werte im großen Stil ver-nichtet haben.Eine Stärkung der Archive im kulturellen Gedächtnis der Niederlan-de wäre mehr als wünschenswert, doch manche Ereignisse derjüngeren Zeit sprechen eine andere Sprache. So wurde die Existenzder Archiefschool in Amsterdam bereits 2006 amtlich in Fragegestellt, ihre Zukunft ist auch nach einem Regierungswechsel nichtsicher.2 Zumal die vor einigen Jahren entstandenen RegionaleHistorische Centra werden vorwiegend von Nichtarchivaren geführt,und selbst der neu ernannte Direktor des Nationaal Archief, MartinBerendse, verfügt über keinerlei Archiv-, Dokumentations- oderauch Bibliothekshintergrund oder eine vorangegangene beruflicheAffinität zu seinem neuen Job. Vielmehr entstammt er dem Fundusan Kulturfunktionären des Ministeriums OCW mit einem bisheri-gen Schwerpunkt auf Theater. Da mit dem neuen Posten auch dieFunktion als Algemeen Rijksarchivaris, des „obersten“ niederländi-schen Archivars, einhergeht und diese Funktion per Gesetz eineArchivausbildung vorsieht, wird er nun nach Protesten noch eineAusbildung nachholen müssen. Vielleicht wird sich dann nocheinmal die Gelegenheit ergeben, den Gegenstand intensiver Studienin Form einer Examensarbeit hier näher vorzustellen. ■

Frankfurt a. M., Matthias Weber

1 www.erfgoednederland.nl/programmalijnen/erfgoed-en-culturele-diversiteit.

2 www.archiefschool.nl/organisatie/toekomst.htm.

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ARCHIVTHEORIE UND PRAXIS

Im weitesten Sinne gehören auch die Archivalien in den Archivender Nachfolgestaaten ehemaliger deutscher Kolonien bzw. Schutzge-biete in die Interessensphäre der deutschen Archivlandschaft. Inunregelmäßigen Abständen fanden sich im Archivar Berichte zudiesem Thema1. Eine Sonderrolle nimmt hierbei Namibia ein, da es sich beimehemaligen Deutsch-Südwestafrika nicht nur um einen Handels-stützpunkt handelte, sondern eine umfangreiche Besiedlung desLandes mit Siedlern aus Deutschland stattfand. Noch immer gibt esin Namibia eine deutschsprachige Minderheit, die sehr bemüht ist,in der Ferne ihre heimatliche Kultur zu bewahren. So erscheint inNamibia eine deutschsprachigen Tageszeitung, die „AllgemeineZeitung“. Im Rahmen zweier Reisen war es dem Verfasser möglich eineFührung durch das Nationalarchiv zu erhalten und mit dem Archiv-leiter, Werner Hillebrecht, über die grundsätzlichen und aktuellenProbleme zu sprechen. Es gelang darüber hinaus 2007 eine Fortbil-dungsveranstaltung im Nationalarchiv mit dem Thema „Bestandser-haltung und Massenverfahren“ durchzuführen, an der auch Mitar-beiter der übrigen Archivorganisationen und Vertreter namibischerBibliotheken teilnahmen. Namibia hat eine Größe von 824.292 qkm (BRD: 357.093 qkm) undliegt zwischen 17,87° und 29,98° südlicher Breite sowie 12° und 25°östlicher Länge. Bei einer Bevölkerungsdichte von 2,4 Einwohnernpro Quadratmeter hatte Namibia 2004 eine Bevölkerung von knappzwei Mio. Einwohnern, die jedoch stark wächst. Die Bevölkerungkonzentriert sich hauptsächlich auf die Städte und den Norden desLandes. Die Hauptstadt ist Windhuk mit ca. 300.000 Einwohnern. Geologisch ist das Gebiet Namibias eines der ältesten der Erde, dasKlima ist weitgehend subtropisch kontinental – d. h. heiß undtrocken, wobei es große Unterschiede zwischen den einzelnenLandesteilen gibt. Landschaftlich ist Namibia weitgehend durchWüsten und Halbwüsten geprägt.1486 landeten portugiesische Seefahrer am Kreuzkap (Cape Cross).Erste Missionstätigkeiten begannen am Anfang des 19. Jahrhunderts.Seit 1842 beteiligte sich hieran auch die Rheinische Mission. Groß-britannien annektierte 1878 Walfischbai, den geeignetsten Hafen derWestküste Namibias2. 1884 wurde das Gebiet des heutigen Nami-bias deutsches Schutzgebiet mit dem Namen Deutsch-Südwestafri-ka. Im Ersten Weltkrieg eroberten südafrikanische Truppen dasdeutsche Schutzgebiet (Kapitulation Juli 1915), und das Land wurde1919/20 Südafrika als C-Mandat vom Völkerbund zugesprochen. Seitden 1960er Jahren kämpfte die South West African People’s Orga-nization (SWAPO) für die Unabhängigkeit des Landes, das seit 1968Namibia genannt wird. Seit 1990 ist Namibia eine unabhängigePräsidialrepublik.Das Nationalarchiv wurde 1939 als lokales Depot des Staatsarchivsvon Südafrika gegründet. Gegenwärtig ist es organisatorisch demBildungsministerium (Ministry of Education) unterstellt. Innerhalbdes Bildungsministeriums existiert ein Direktorium für den Biblio-theksdienst einschließlich der Nationalbibliothek und dem Natio-nalarchiv (Directorate Libraries and Archives Services).Hauptbestände sind 7.000 Meter Regierungsakten seit 1884 bis zurGegenwart, Unterlagen der Unabhängigkeitsbewegung, Unterlagender lokalen Verwaltungsträger und private Schenkungen von beson-derem historischen Wert, wie z. B. das Tagebuch des Hendrik Wit-

booi.3 Zudem beherbergt das Archiv eine umfangreiche Photo- undBilder- (ca. 20.000) sowie eine Kartensammlung (ca. 6.000). WeitereMedien sind Filme, Videos, Audioaufnahmen von Radiosendungenund Zeitzeugenberichten sowie Mikrofilme und Mikrofiche vonArchivalien und Zeitungen. Darüberhinaus beherbergt das National-archiv eine Namibiana Bibliothek. Das Archiv hat zwölf festangestellte Mitarbeiter, von denen dreiprofessionelle Archivare sind. Leider sind gegenwärtig nicht allevorhandenen Archivarsstellen besetzt, was nicht zuletzt an der wenigattraktiven Bezahlung liegen mag. Organisation, Funktion und Aufgaben des Archivs werden durch das1992 erlassene Archivgesetz festgelegt (Namibia Archives Act, Act 12of 1992). Sie unterscheiden sich kaum von in Deutschland üblichenArchivfunktionen: Sammeln, Erhalten und Bewahren sowie Zugäng-lichmachen des historischen Erbes und der Unterlagen der öffentli-chen Verwaltung Namibias. Das Archivgut ist der Öffentlichkeitzugänglich mit Ausnahme von Archivalien, die Schutz- und Sperrfris-ten unterliegen (z. B. 30 Jahres-Sperrfrist für Unterlagen der öffentli-chen Verwaltung) oder private Schenkungen mit Sondergenehmigun-gen sind (Deposita). Eine Besonderheit im Vergleich zu Deutschlandist, dass das Nationalarchiv eine Aufsichts- und Weisungsfunktionüber die Registraturen der Staatsverwaltung ausübt. Im Bereich derpolitischen Bildung und Erziehung ist das Nationalarchiv nicht tätig.Neben einem Lesesaal bietet das Nationalarchiv dem BenutzerFotokopiermöglichkeiten, Mikrofilmlesegeräte und elektronischeReproduktionsmöglichkeiten. Zahlreiche Forscher, auch aus demAusland, arbeiten im Nationalarchiv. Die Arbeitsschwerpunkte vorallem der ausländischen Wissenschaftler sind die deutsche Kolonial-geschichte und die Unabhängigkeitsbewegung Namibias – hierbestehen auch intensive Kontakte nach Skandinavien. Diese For-schungsaktivitäten werden jedoch dem vielfältigen Material imNationalarchiv nicht gerecht. Besonders die Geschichte als Mandats-gebiet Südafrikas harrt einer gründlicheren Erforschung. Die Archi-valien bergen nach Aussage des Archivleiters hierzu reichlich interes-santes Material.Im Jahr 2000 wurde ein für das Nationalarchiv und die Nationalbi-

ARCHIVE IN NAMIBIA

Archivleiter Werner Hillebrecht mit einem Mitarbeiter

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bliothek errichteter Zweckbau eröffnet. Dieses Gebäude bietet zumersten Mal in der Geschichte Namibias ausreichend Verwaltungs-und Magazinräume, von denen letztere klimatisiert und mit Feuer-schutzeinrichtungen versehen sind. Die Magazine des Nationalar-chivs sind für 25.000 Meter Archivalien ausgelegt und somit großzügigbemessen.Das Bildungsministerium Namibias hat mit deutscher Hilfe undunter fachlicher Aufsicht des Nationalarchivs im Jahr 2000 begin-nend ein mehrjähriges Projekt zur Sammlung von Materialien überden Freiheitskampf in Namibia (Archives of Anti-Colonial Resi-stance and the Liberation Struggle Project) durchgeführt. Im Rah-men dieses Projektes wurden u. a. Mikrofilme von Akten des Reichs-kolonialamtes aus dem Bundesarchiv dem Projekt übergeben. DieUnterlagen aus diesem Projekt sind im Nationalarchiv Namibiasuntergebracht.Zwei Arbeitsschwerpunkte des Nationalarchivs sind gegenwärtig dieÜberarbeitung des Archivgesetzes und die Bestandserhaltung.Nahezu alle papierenen Archivalien im Nationalarchiv sind ausindustriell hergestelltem holzschliffhaltigen Papier und daher akutvom Zerfall bedroht. Dies betrifft nicht nur die Unterlagen aus derKolonialzeit, sondern auch die Sammlungen der Unabhängigkeitsbe-wegung Namibias. In dieser Hinsicht problematisch ist auch dasrelativ warme Klima in Namibia. Zurzeit werden besonders fragileund stark benutzte Archivalien digitalisiert, um die Informationenzunächst zu sichern und weiterhin der Benutzung zugänglich zumachen. Für weitere konservatorische Maßnahmen fehlt Geld undFachpersonal. Obwohl ausreichend Raum und Arbeitskräfte vorhan-den sind, gelingt es vor allem wegen des Fachkräftemangels nicht,eine Restaurierungswerkstatt einzurichten. Im ganzen südlichenAfrika fehlt es nicht nur an Papierrestauratoren, sondern auch anFacharbeitern wie Buchbindern. Dies liegt an der gering ausgepräg-ten handwerklichen Tradition und der dadurch schwachen hand-werklichen Infrastruktur in Namibia. Somit gibt es nicht nur einNachwuchsproblem im archivischen, sondern auch im handwerk-lich-restauratorischen Bereich.Darunter leiden auch die übrigen Archivinstitutionen Namibias: Neben dem Nationalarchiv unterhalten die „University of Namibia“und die einstmalige Befreiungsbewegung SWAPO, jetzt Regierungs-partei, eigene Archive. Es existiert ein Archiv der Evangelisch-

Lutherischen Kirche, ehemals „Rheinische Mission“, mit bedeuten-den historischen Beständen. Auch zwei bedeutende private Organi-sationen unterhalten eigene Archive: 1. Die Namibia Wissenschaftliche Gesellschaft; sie unterhält eine

umfangreiche Bibliothek und ein Archiv sowie einige dezentraleMuseen.

2. Die Gesellschaft für Wissenschaftliche Entwicklung Swakomund;sie unterhält die Sam-Cohen-Bibliothek mit ca. 8.000 Bänden undder bekannten Africana-Sammlung von Ferdinand Stich, einArchiv u. a. mit einer umfangreichen Zeitungssammlung und daszentrale und bedeutende Museum in Swakopmund. ■

Bückeburg, Helge Kleifeld

Zweckbau der Nationalbibliothek und des Nationalarchivs

1 Z. B.: Hans-Joachim Behr, Gefahr für Archivalien Namibias?, in: Der Archivar, Jg. 53, Heft 2, 2000.

2 Walfischbai wurde erst im Jahre 1994 von Südafrika an Namibia abgetreten.

3 Nama-Häuptling und Freiheitskämpfer zur Zeit der deutschen Kolonialherrschaft.

Akten aus der Zeit der deutschen Verwaltung im Nationalarchiv

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ARCHIVALISCHE ZEITSCHRIFT 88. Band. Hermann Rumschöttel zum 65. Geburtstag.Festschrift. Hrsg. von Gerhard Hetzer und Bodo Uhl.Böhlau Verlag, Köln – Weimar – Wien 2006. 2 Bände,insg. 1165 S., geb. 94,90 €. ISBN 978-3-412-91606-0

Am 26. August 2006 hat der langjährige Generaldirektor der Staatli-chen Archive Bayerns, Prof. Dr. Hermann Rumschöttel, sein 65.Lebensjahr vollendet. Anlass genug, Hermann Rumschöttel eineFestschrift zu widmen, die, so die Herausgeber, weder ein Abschieds-geschenk noch eine abschließende Bilanz seines Berufslebens seinwill, sondern die Schwerpunkte eines erfüllten Arbeitslebens inBezug auf die Tätigkeit als Archivar und als Historiker beleuchtensowie auf die zahlreichen Netzwerke hinweisen soll, in denen Her-mann Rumschöttel tätig ist und die er zum Teil selbst mit aufgebauthat (S. V-VI). Als Abschiedsgeschenk wäre die Festschrift tatsächlichverfrüht erschienen, da sich der Jubilar weiterhin im aktiven Dienstbefindet und somit in seiner weit vorausschauenden Art vielleichtnur den verbeamteten Berufskollegen vorlebt, was angekündigteÄnderungen des Beamtenrechts zukünftig zur Regel machen sollenund was für die Angestellten schon beschlossen ist.62 Autorinnen und Autoren haben Beiträge zur Festschrift fürHermann Rumschöttel geliefert, die damit, um wieder die Herausge-ber in ihrem Geleitwort zu zitieren, tatsächlich in der Vielfalt derbehandelten archivwissenschaftlichen und historischen Themen ein„buntes Florilegium“ darstellt (S. VI-VII). Die Vielfalt wird abergleichzeitig für eine Strukturierung der Festschrift nach sachlichenGesichtspunkten zum Problem, denn die Beiträge entziehen sich inihren unterschiedlichsten Fragestellungen auch nach intensivenÜberlegungen einer halbwegs ausgewogenen Zusammenführungunter Oberbegriffen. Die auf den ersten Blick fragwürdige Entschei-dung für eine Reihung der Beiträge nach dem Alphabet der Autoren-namen wird damit tatsächlich zum einzigen möglichen und zugleichbeherrschenden Strukturelement der Festschrift. Sie erscheintgerechtfertigt, denn die Reihung weist auch darauf hin, mit welchenverschiedenartigen Problemfeldern sich Archivarinnen und Archiva-re im Laufe ihres Berufslebens teilweise unvermittelt auseinanderset-zen müssen.Von den 62 Autorinnen und Autoren sind 47 Archivarinnen resp.Archivare und von den verbleibenden 15 können ca. zwei Dritteldem Hochschulbereich zugerechnet werden. Wer nun aufgrund derProfession der Autoren ein Übergewicht bei der Behandlung archiv-wissenschaftlicher Fragestellungen erwartet hätte, wird überraschtsein, dass sich nur 23 Beiträge mit archivfachlichen Fragestellungenim weitesten Sinne befassen, in 38 Beiträgen aber historische The-menfelder abgehandelt werden. Eine absolute Ausnahme bildet derArtikel von Rolf Griebel zur „Bayerische[n] Landesbibliothek On-line“.

Berlin, Uwe Schaper

AUS DER TIEFE ANS LICHT Bildmaterialien zur Geschichte des sächsischen Stein-kohlenbergbaus. Bearb. von Andreas Erb und MonaHarring, mdv Mitteldeutscher Verlag, Halle/Saale 2006.176 S., zahlr. Abb., geb. 22,- €. ISBN 978-3-89812-403-4(Veröffentlichungen des Sächsischen Staatsarchivs,Reihe A: Archivverzeichnisse, Editionen und Fachbeiträ-ge, Bd. 7)

Angesichts des dominierenden Stellenwertes des rheinisch-westfäli-schen und oberschlesischen Steinkohlenbergbaus in der deutschenMontangeschichte ist der Bekanntheitsgrad des einstigen sächsi-schen Steinkohlenbergbaus ein nur geringer. Obwohl dessen Ge-schichte auf eine 600-jährige Tradition zurückzublicken vermag,blieb die Steinkohlenförderung in Sachsen lediglich regional bedeu-tend, ja sie verlor sich sogar im Schatten des dortigen Erzbergbaus.Die Sächsische Archivverwaltung hat 2006 eine Publikation heraus-gebracht, um einer interessierten Öffentlichkeit nunmehr einenEinblick in die reichhaltige Überlieferung an Bilddokumenten undAktenbeständen zum sächsischen Steinkohlenbergbau zu vermit-teln. Sicherlich zielt die Publikation darauf, nicht nur Erinnerungenwachzurufen, sondern auch der künftigen Montanforschung Impul-se zu verleihen. Andreas Erb und Mona Harring verfassten eineninformativen und anschaulich bebilderten Band, der sich besondersauf die Steinkohlenreviere Zwickau und Lugau-Oelsnitz konzen-triert. Dabei stützten sie sich vorrangig auf Quellen aus dem Bergar-chiv Freiberg. Wenngleich die Veröffentlichung bezweckt, Bildmaterialien geordnetnach thematischen Blöcken vorzustellen, so liegt ihr besondererWert in dem auf rund 50 Seiten zusammengetragenen historischenAbriss der Geschichte des sächsischen Steinkohlenbergbaus von denAnfängen im Spätmittelalter bis zu seiner Einstellung in den 1990erJahren. Ihm folgen schließlich – ohne einen Anspruch auf Vollstän-digkeit zu erheben – Übersichten über die einstigen Steinkohlenun-ternehmen in Sachsen und über die Bestände des SächsischenStaatsarchivs zum Steinkohlenbergbau in Sachsen. Unter anderemerfährt der Leser, dass im Zwickauer Raum bereits seit dem 14.Jahrhundert tagenaher Steinkohlenbergbau betrieben wurde, derden Bedarf an Brennmaterialien des jeweiligen Grundeigentümersoder örtlicher Interessenten deckte. Die von 1520 bis 1725 erlassenenneun (!) Kohlenordnungen zeugen vom Regelungsbedarf des Lan-desherrn, den Kohlenabbau zu beschränken (z. B. durch Reihenla-dung) sowie Absatz und Preise zu reglementieren. In Sachsen gehör-te bis Mitte des 18. Jahrhunderts das Abbaurecht zum Nutzungs-recht des Grundeigentümers. Dieser war allein berechtigt, die unterseinem Grundstück lagernden Kohlen abzubauen. Einen wichtigenEinschnitt stellte schließlich das kursächsische Steinkohlenmandatvon 1743 dar. Es erlaubte jedermann, nach Kohlen zu suchen unddiese zu fördern, sofern der Grundeigentümer das Abbaurecht nichtinnerhalb eines Jahres selbst ausübte. Diese freizügige Regelungführte nach 1750 zu einem sprunghaften Anstieg der Kohlenförde-rung in Sachsen und ermöglichte die ausreichende Bereitstellungvon Brennstoffen, vor allem für die Versorgung von Salinen, Manu-

LITERATURBERICHTE

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fakturen und Fabriken. In der Frühphase der Industrialisierungwurden im Königreich Sachsen schließlich die letzten gesetzlichenHindernisse für einen ungehinderten Kohlenbergbau beseitigt. Das„Mandat, über die Gewinnung von Stein-, Braun- und Erdkohlenund des Torfes“ von 1822 und die Aufhebung der Reihenladung imJahr 1823 beschleunigten die Entwicklung des Kohlenbergbaus undforcierten damit die Industrialisierung im Königreich. Doch andersals in den Steinkohlenrevieren Preußens, wo der Bergbau schonfrühzeitig gewerkschaftlich organisiert war, oblag der Steinkohlenbe-trieb in Sachsen bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts vielfachden örtlichen Klein- und Kleinstbetrieben. Erst im Zuge der Indus-trialisierung entstanden größere Bergbaugesellschaften, die überausreichend Kapital verfügten, um auch in tieferen Regionen zubauen. Wenngleich der sächsische Steinkohlenbergbau in seiner wirtschaft-lichen Bedeutung dem preußischen weit nachstand, so hat er docheinige vor allem technische und bauliche Erfolge zu verbuchen, dienicht vergessen werden sollten. Beispielsweise erreichte der dritteSchacht des Steinkohlenwerks Morgenstern bei Reinsdorf im Jahr1900 eine Teufe von 1082 m und war damals der tiefste Schacht inDeutschland. 1882 kam auf dem Oppelschacht des SteinkohlenwerksZauckerode die erste elektrische Grubenlokomotive der Welt zumEinsatz. 1900 nahm das Steinkohlenwerk von Arnim bei Planitz dieerste elektrisch betriebene Turmfördermaschine Deutschlands aufdem Neuen Alexanderschacht in Betrieb. Allein diese Beispieleverdeutlichen, dass aus dem regional beschränkten Steinkohlenberg-bau Sachsens durchaus Impulse für die technische Innovation derMontanindustrie kamen. Allerdings führte die baldige Erschöpfungder Kohlenvorräte schon am Ende des 19. Jahrhunderts zur Verringe-rung der Anzahl der Steinkohlenwerke, so dass der Drang nachtechnischer Optimierung gedämpft wurde.Obwohl die Entwicklung bis 1945 wesentlich umfänglicher darge-stellt wird als die jüngere Geschichte des sächsischen Steinkohlen-bergbaus, so kommen die letzten 50 Jahre dennoch nicht zu kurz.Erb und Harring gehen nämlich auf den Bergbau von 1945 bis zuseiner Stilllegung zu Beginn der 1990er Jahre ein und liefern damitwichtige Einblicke in die Wirtschaftsgeschichte der SowjetischenBesatzungszone und der DDR. Erwähnenswert ist, dass im Karl-Liebknecht-Schacht des Steinkohlenwerks Deutschland bei Oelsnitzam 13. Oktober 1948 Adolf Hennecke seine „berühmte“ Hochleis-tungsschicht fuhr und damit zum Gründungsvater der Aktivistenbe-wegung in der DDR avancierte.Das Buch ist aus der Wirtschafts- und Montangeschichte Sachsensnicht wegzudenken. Als Überblickswerk und Findmittel bietet eswillkommene Möglichkeiten, Quellen zur sächsischen Montan- undUnternehmensgeschichte schnell zu finden.

Münster, Jens Heckl

SABINE BRENNER-WILCZEK, GERTRUDE CEPL-KAUF-MANN, MAX PLASSMANN, EINFÜHRUNG IN DIE MODERNE ARCHIVARBEITWissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006.149 S., 5 s/w Abb., kart. 14.90 €. ISBN 978-3-534-18190-2

Schon der Titel weist auf die Zielgruppe der Veröffentlichung hin,die sich als „archivpraktischer Begleiter“ vor allem an „Studierende,Examenskandidaten und Berufseinsteiger der verschiedenstengeisteswissenschaftlichen und historisch arbeitenden Disziplinen“wendet (S. 8). Neben den „Praktischen Leitfaden für Historiker undandere Nutzer“ von Martin Burkhardt, der als „Gebrauchsanleitungfür Archive“ auch im Internet zur Verfügung steht, ist damit einezweite Veröffentlichung getreten, die allen Interessierten den Zugangzur Welt der Archive erleichtert. Da sich diese Welt jedem, der nichtmit ihr vertraut ist, zunächst als äußerst kompliziert und so oftauch als kaum einladend darstellt, kann die Publikation des vomUmfang her nicht abschreckenden und im Übrigen flüssig geschrie-benen Bandes nur begrüßt werden. Inhaltlich überzeugt die Veröf-fentlichung in jeder Hinsicht, auch wenn sie – trotz aller Orientie-rung an der Sicht des unkundigen potentiellen Nutzers und ihrerguten Lesbarkeit – nicht gerade als einfache Lektüre bezeichnetwerden kann. Der Text verlangt dem Leser vielmehr einiges ab. Werihn durcharbeitet, wird aber damit belohnt, problemorientiert undauf dem aktuellen theoretischen Diskussionsstand, zugleich aberauch stets praxisorientiert an die Arbeit im Archiv herangeführt zuwerden. Das Buch ist übersichtlich gegliedert und dürfte in seinem Aufbaujedem Neueinsteiger auf Anhieb verständlich sein. Auf eine prägnan-te Einleitung folgt zunächst eine Darstellung der Archivgeschichte,die für den sicheren Umgang mit archivalischer Überlieferung undder Institution „Archiv“ unverzichtbar ist (Kapitel I. „Die Entste-hung der deutschen Archivlandschaft“). Darauf folgt mit Kapitel II.ein „Leitfaden für die Praxis“ mit den Unterpunkten „Vor demArchivbesuch“, „Im Archiv“, „Rechtsfragen“, „Quellenkunde“ und„Restaurierung und Bestandserhaltung“. Es schließen sich Hinweisezu den „Recherchestrategien in den historischen Wissenschaften“(Kapitel III.) und „Recherchestrategien in den Literatur- und Kultur-wissenschaften“ (Kapitel IV.) an. Das fünfte Kapitel „Berufsperspek-tiven“ mit den Unterpunkten „Das Berufsbild des Archivars“ und„Ausbildungssituation in Deutschland“ bietet nützliche Informatio-nen für alle, die eine Tätigkeit im Archivwesen in Erwägung ziehen.Dass auch dieser Aspekt aufgegriffen wurde, wird viel Zuspruchfinden, da es bisher nur wenige wirklich geeignete Möglichkeitengibt, sich dazu sachkundig zu machen. Profitiert hat die Veröffentlichung sicherlich davon, dass die Bearbei-terinnen und der Bearbeiter unterschiedlichen Welten entstammen:Max Plassmann ist im Universitätsarchiv Düsseldorf tätig, währendSabine Brenner-Wilczek als wissenschaftliche Mitarbeiterin imRheinischen Literaturarchiv des Heinrich-Heine-Instituts in Düssel-dorf arbeitet und Gertrude Cepl-Kaufmann Neuere deutsche Litera-turwissenschaft an der Universität Düsseldorf lehrt. Dass für dieEinführung in die Archivarbeit verschiedene Perspektiven zusam-mengetroffen sind, merkt man dem Text immer wieder an. Denn erentfernt sich – und dies ist nur positiv zu bewerten – immer wiedervom Charakter eines „archivpraktischen Begleiters“ im engerenSinne, um vielmehr die Nutzung archivalischer Überlieferung undarchivarische Arbeitsweisen unter Fragestellungen des aktuellenkulturwissenschaftlichen Diskurses zu betrachten. Hierin liegt eineabsolute Stärke der vorliegenden Publikation, die sich damit deut-lich von früheren Einführungen in das Archivwesen mit positivisti-schen Sichtweisen unterscheidet. Ein ebenso nützliches wie fachlich fundiertes Glossar zentralerFachbegriffe, eine Zusammenstellung der wichtigsten Literatur (überderen Auswahl man im Einzelfall natürlich trefflich streiten könnte)

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und einschlägige Internetadressen runden die gelungene Publikati-on ab, für die man nur dankbar sein kann. Eine weite Verbreitung –vor allem im Lehrbetrieb – und eine positive Resonanz sind ihrjedenfalls zu wünschen.

Stuttgart, Robert Kretzschmar

ADRIAN BROWN, ARCHIVING WEBSITES A practical guide for information management professio-nals. Facet Publishing, London 2006. XIV, 238 S.,kart. 39,95 £. ISBN 978-1-85604-553-7

Das Buch von Adrian Brown hält über weite Strecken, was es imUntertitel zu sein verspricht: ein praktischer Ratgeber für die Webar-chivierung. In insgesamt sechs Kapiteln wird der gesamte Arbeits-prozess von der Erfassung (Selection und Collection) bis zur Bereit-stellung (Delivery to users) kenntnisreich und detailgenau darge-stellt. Darüber hinaus bietet es dem Leser in jeweils eigenen Kapitelneinen kurzen, wenn auch lückenhaften Abriss der bisherigen Ent-wicklung der Webarchivierung, gibt einen vorsichtigen Ausblick aufdie weitere Entwicklung des Internet und behandelt ausführlich diemit der Archivierung von Webpräsenzen verbundenen rechtlichenFragen, wobei naturgemäß die britische Rechtslage im Mittelpunktsteht. Ein kleines Glossar zentraler IT-Begriffe, eine knappe Biblio-graphie und Anhänge mit Beispielen aus den unterschiedlichenArbeitsbereichen sowie eine standardisierte Beschreibung ausge-wählter Archivierungssoftware machen das Buch zu einer wertvol-len Hilfe für den Einsteiger. Dazu trägt auch die Sprache des Buchesbei. Brown vermeidet jeden Jargon, auch den der IT-Branche.Allerdings macht die Orientierung am Paradigma des „comprehen-sive approach“, wie ihn die in der IIPC zusammengeschlossenenNationalbibliotheken verfolgen, zu denen mittlerweile – anders alsnoch im Buch vermerkt – auch die Deutsche Nationalbibliothekgehört, eine Übertragung mancher der geschilderten Verfahren aufdie Gegebenheiten kleiner und mittlerer Archive schwierig. EinStadtarchiv, das die Websites von Bürgerschaft und Verwaltungarchivieren will, wird sich bei der Erschließung anders als das„Internet Archive“ nicht mit dem Auslesen der Header zufrieden-geben, sondern die Vorzüge von Verzeichnung, Indexierung undMetadaten miteinander kombinieren wollen. Bei Brown vermisstman aber nicht nur eine Diskussion der unterschiedlichen Metada-ten-Standards sondern auch ein auf die Erschließung von Websitesbezogenes Abwägen der einschlägigen Erschließungsformen, die erohne Not in Opposition zueinander stellt. Wer neben der Verzeich-nung auch einen Index erstellt, wird sicher anders verzeichnen. Aberer wird deshalb nicht auf die Verzeichnung verzichten wollen, wie esBrown nahe legt, wenn er schreibt: „The need for detailed descripti-ve metadata is somewhat reduced by the advent of increasinglysophisticated full-text search engines“ (S. 80).Auch hätte man gerne gewusst, ob sich signifikante Unterschiedezwischen Bibliotheken und Archiven bei der Erschließung vonWebsites herausgebildet haben und worin sie gegebenenfalls beste-hen. Brown jedenfalls spricht von einem „classification scheme thatmet the needs of both libraries and archives“ (S. 129), ohne aller-dings die unterschiedlichen Anforderungen genauer zu qualifizie-ren. In der Regel aber liegt die große Stärke des Buches gerade darin,

dass offene Probleme der Webarchivierung herausgearbeitet undklar benannt werden. Und so niederschmetternd es denn sein magvom Leiter der Abteilung „Digital Preservation“ des National Archi-ve zu hören, „that little work has yet been undertaken on the speci-fic challenges of preserving websites“ (S. 86), so tröstlich mag fürden ein oder anderen die damit verbundene Erkenntnis sein, dassman sich mit objektiven Problemen und nicht nur mit eigenenUnzulänglichkeiten herumschlägt.

Bonn, Rudolf Schmitz

LITERATURBERICHTE

DOMKAPITEL MÜNSTER, AKTEN Findbuch. Bearb. von Peter Veddeler. Landesarchiv Nord-rhein-Westfalen Staatsarchiv Münster 2006. LV, 1690 S.(in 3 Teilen), 18 Abb., geb. – 39,80 €. (Veröffentlichungendes Landesarchivs Nordrhein-Westfalen 5)

Fast pünktlich zur 1200-Jahrfeier des Bistums Münster legt PeterVeddeler eine Neuverzeichnung der Akten des vor fast 200 Jahrenaufgelösten Archivs des Domkapitels vor, die nach 1820 durchKabinettsordre ein Kernbestand des in Münster eingerichtetenpreußischen Archivdepots und späteren Staatsarchivs wurden (einenkleineren Teil der Akten und Urkunden gab der preußische Staat andas 1823 neu gegründete Domkapitel, er befindet sich heute imBistumsarchiv Münster). Die Neuverzeichnung ersetzt ein handschriftliches Findmittel des18. Jahrhunderts, das noch von einem Registrator des Domkapitelserstellt worden war und den Akteninhalt teils nur kursorisch, teilssogar falsch wiedergibt. Der Bestand selbst wurde v. a. im 19. Jh.durch archivinterne Umordnungen verändert und in Teilbeständezersplittert. Dieser Umstand wurde im Zuge der Neuverzeichnung z. T. rückgängig gemacht: Die sog. „Neuere Registratur“ wurde inden Hauptbestand wieder eingeordnet, ebenso einzelne, in dasSelekt „Handschriftensammlung“ eingestellte Archivalien. AusGründen der Praktikabilität blieben die folgenden Teilbeständeerhalten, die das Findbuch somit auch nicht behandelt: DomkapitelMünster – Produkte, Domdechanei, -kellnerei, -rentmeisterei, -burse,-provision, -fabrik, -eleemosyne, Archidiakonate, Oblegien, Oboedi-enzen sowie die Akten der Ämter Lüdinghausen, Schöneflieth undSchonebeck. Als Sonderbestand erhalten bleiben ebenfalls die fast3000 Urkunden des Domkapitels. Der so entstandene Hauptbestand „Domkapitel Münster – Akten“umfasst gut 5200 Verzeichnungseinheiten aus der Zeit des 12. biszum beginnenden 19. Jh., die in vier Hauptklassifikationen nach denAngelegenheiten des Domkapitels, der Domherren, der Domvikarieund denen des Fürstbistums Münsters gegliedert sind. Aufgrund derstarken Stellung des Domkapitels in der Verfassung des Fürstbistumsist viel Bedeutsames für die Landesgeschichte und Regionalgeschich-te in dem Bestand enthalten. Neben den Unterlagen zur Organisati-on des Kapitels, zu den Bischofswahlen und den Wahlkapitulationender Bischöfe, finden sich überraschend zahlreiche und interessanteArchivalien für die spätmittelalterliche und neuzeitliche Stadtge-schichte Münsters, die eine wichtige Ergänzungs- und Gegenüberlie-ferung zum Ratsarchiv im Stadtarchiv Münster eröffnen. Die Archi-

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diakonal- und die Gerichtssachen stellen für die Orts- und Heimat-historiker eine Fundgrube dar, die mit den zahlreichen Schatzungs-,Kontributions- und Musterungslisten auch für genealogische For-schungen reiches Material bieten.Während in den ersten zwei Bänden auf rd. 1300 Seiten die Verzeich-nungseinheiten abgedruckt sind, enthält der dritte Band eine Kon-kordanz zwischen der alten, oft aus komplizierten Buchstaben-Zahlenkombinationen bestehenden Signatur (z.B. I R XXIV Tit. IIINr. 2, 3 oder II A Fach 7 Nr. 62 b, 16), der neuen Signatur (fortlaufen-de Nummern) und der Seitenzahl, auf der man die Verzeichnungs-einheit findet. Außerdem bietet ein fast 100-seitiger Namensindexeinen seitengenauen Schnellzugriff. Auf einen Ortsindex wurdeverzichtet, was aber angesichts der z. T. nach Archidiakonaten,Kirchspielen oder Vikarien fein untergliederten Klassifikationverzichtbar ist. Es ist angesichts der vorbildlichen Erschließung zuerwarten, dass der ohnehin schon viel konsultierte Bestand inZukunft eine noch intensivere Benutzung erfahren wird.

Münster, Peter Worm

HANDBUCH DER HISTORISCHEN STÄTTEN:NORDRHEIN-WESTFALENHrsg. von Manfred Groten, Peter Johanek, Wilfried Rei-ninghaus und Margret Wensky. 3., völlig neu bearbeiteteAuflage. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 2006. XXIII, 1256S., 11 Übersichtskarten, 34 Stadtpläne, Ln. 49,- €. ISBN 978-3-520-27303-1 (Kröners Taschenausgabe Bd.273)

In der Reihe „Handbuch der Historischen Stätten“ liegt jetzt dernordrhein-westfälische Band in einer neuen Bearbeitung vor. Erersetzt die zweite, schon 1970 erschienene Auflage, die teils auf nocherheblich älteren Vorarbeiten beruht hatte. Die Herausgeber MargretWensky und Manfred Groten (für den rheinischen Landesteil) sowiePeter Johanek und Wilfried Reininghaus (für Westfalen-Lippe)haben sich vorgenommen, den Ergebnissen der seitdem enormfortgeschrittenen archäologischen, lokal- und regionalhistorischenForschung Rechnung zu tragen. Grundsätzlich verstehen sie alshistorische Stätte jeden Ort, „der Spuren menschlichen Lebens undHandelns in der Vergangenheit in Gestalt materieller Überreste oderin ihrer Gesamtheit bewahrt“, was allerdings eine Auswahl erforder-lich mache (Einführung, S. XVI). Stärker als bisher sollen Entwick-lungen des 19. und 20. Jahrhunderts wie Industrialisierung undUrbanisierung, NS- und Nachkriegsgeschichte berücksichtigt wer-den. Um den auswärtigen Besuchern die Orientierung zu erleich-tern, sind im Ortsbild erhaltene Zeugnisse durch Kursivsetzungmarkiert. Auch ist der Band großzügiger mit Stadtplänen ausgestat-tet, in die wesentliche historische Strukturen und Denkmälereingezeichnet sind. Die Grundeinheit der Artikel bilden jetzt dieselbständigen Gemeinden, wie sie aus der inzwischen abgeschlosse-nen Kommunalreform hervorgegangen sind; Ortsteile sind, soweitvertreten, jeweils im Anschluss in wiederum alphabetischer Reihen-folge zu finden (also z. B. Rheydt unter Mönchengladbach). DerZugriff darauf kann hilfsweise über das Register erfolgen. Erstmalsergänzen einzelne ortsübergreifende oder sachbezogene Artikel denBand (wie Ruhrgebiet, Westwall, NS-Lagersystem).

Das Handbuch wird den selbst gesetzten Ansprüchen in hohemMaße gerecht. Entstanden ist ein rundum gelungener, trotz deserheblich gewachsenen Umfangs immer noch handlicher Band ingewohnt gediegener Ausstattung, der in nunmehr dritter Auflage alszuverlässiges Nachschlagewerk dienen kann. Rund 1400 Artikel von251 Autorinnen und Autoren waren am Institut für vergleichendeStädtegeschichte (Münster) sowie in Bonn im Amt für rheinischeLandeskunde des Landschaftsverbandes Rheinland und am Univer-sitätsinstitut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande zuredigieren. Die beeindruckende Koordinationsarbeit der Herausge-ber stellt zugleich die hohe Leistungsfähigkeit der differenziertennordrhein-westfälischen „Geschichtslandschaft“ unter Beweis. Diezahlreichen ausgewiesenen Expert(inn)en, darunter nicht wenige inArchiven tätig, bürgen für die Qualität und Zuverlässigkeit derInformationen. Dem angewandten Frageschema entsprechend,bieten die meisten Artikel einen bis ins 20. Jahrhundert reichendenortsgeschichtlichen Überblick, der auf begrenztem Raum möglichstviele Aspekte einschließlich der jüngeren sozialen und wirtschaftli-chen Entwicklungen anspricht. So gelingt in aller Regel das Ziel,durch flexible Handhabung des Schemas die historisch gewachsene„unverwechselbare Individualität des jeweiligen Ortes herauszuar-beiten“ (Einführung, S. XVIII). Literaturhinweise und ein knappesGlossar, Orts- und Personenregister sowie Übersichtskarten fürverschiedene Zeitschichten schließen den Band als nützliche Hilfs-mittel ab. Der Wegfall der umfänglichen landesgeschichtlichenEinführung ist zu verschmerzen.Natürlich stößt ein solches Unternehmen hier und da an seineGrenzen, und zwar gerade dort, wo es bisherige Begrenzungenüberschreiten will. So gingen in der vorigen Auflage die wenigstenArtikel über 5-6 Seiten hinaus, vor allem Köln machte mit rund 20Seiten eine Ausnahme. Jetzt steht generell mehr Raum zur Verfü-gung, doch wirkt sich dieser Umstand nicht nur positiv aus. Kölnnimmt nun (mit Stadtteilen) fast 55 Seiten in Anspruch, was denRahmen eines übersichtlichen Handbuchartikels bei weitem sprengt.Der Zuwachs kommt auch nicht in allen Fällen den gewünschtenmoderneren Schwerpunkten zugute: Von den 25 Seiten Bonn (ohneStadtteile!) sind nicht einmal drei Textseiten der Bundeshauptstadtgewidmet. Im Vergleich dazu kommen wichtige industriell geprägteStädte wie Essen (11 Seiten, mit Stadtteilen 15) und Oberhausen (2,5bzw. 6 Seiten) zu kurz. Erst recht fällt der ländliche Raum deutlichab. Zumindest in den westfälischen Landesteilen fehlen nicht wenigeKirchspiele, selbst solche mit erhaltenen mittelalterlichen Dorfkir-chen; Zeugnisse der bäuerlichen Lebenswelt bleiben noch zu ent-decken. Die Herausgeber rechtfertigen die „Behandlung der Groß-städte, denen ein vergleichsweise breiter Raum gewidmet ist“, mitder „herausragende(n) Bedeutung des Städtewesens für das heutigeLand NRW“ (Einführung, S. XVI f.). Die Unterschiede im Umfangsind aber so groß und unverhältnismäßig geraten, dass die Einheitdes Unternehmens zu leiden droht. Verbesserungsfähig erscheintauch der gut gemeinte Ansatz, die Ortsartikel durch ausgewähltesachbezogene oder ortsübergreifende Betreffe zu ergänzen. Denn werz. B. den Artikel „NS-Lagersystem“ nicht kennt, wird ihn unter „N“nicht suchen, zumal darauf in einschlägigen Ortsartikeln wie Hemeroder Büren-Wewelsburg nicht verwiesen wird. Dem Westwall ergehtes nicht besser. Doch bleiben dies Randbemerkungen zu einemeindrucksvollen Werk, das seinen vielfältigen Nutzen sicher wiederfür lange Zeit erweisen wird.

Osnabrück, Nicolas Rügge

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LITERATURBERICHTE

HISTORISCHE BILDUNGSARBEIT – KOMPASS FÜR ARCHIVE?Vorträge des 64. Südwestdeutschen Archivtages am 19.Juni 2004 in Weingarten. Eine Publikation des Landesar-chivs Baden-Württemberg. Hrsg. von Clemens Rehm.Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2006, 94 S., 10 Abb.,kart. 9,50 €. ISBN 978-3-17-019483-0

Mit dieser Broschüre legt das Landesarchiv Baden-Württemberg dengrößten Teil der Vorträge des 64. Südwestdeutschen Archivtages, denTagungsbericht und einige mit dem Thema der Veranstaltungverbundene, in Weinheim nicht vorgetragene Überlegungen zumThemenbereich des Archivtages vor. Ein für einen solchen Tagungs-band ungewöhnliches Format, ein fröhliches Farbcover mit einerAufnahme aus einer Karlsruher Veranstaltung und ein leserfreundli-ches Layout ergeben einen ersten ansprechenden Gesamteindruck,der sich wohltuend von dem häufig schwere geistige Kost vermutenlassenden Layout anderer Veröffentlichungen abhebt. In der Tat: der64. Südwestdeutsche Archivtag hatte mit dem Schlagwort „Histori-sche Bildungsarbeit“ ein umstrittenes Thema gewählt, bei dem einHauptproblem im Mittelpunkt stand: Ist historische Bildungsarbeitweiterhin Randerscheinung oder neues Kerngebiet archivischerArbeit? Diese Frage zog sich als Leitfrage durch die Beiträge desArchivtages – und sie wurde von den meisten Referenten eindeutigin Richtung „zukunftsorientiertes Kerngebiet“ beantwortet. SchonClemens Rehm bezeichnet in seinem Eröffnungsvortrag historischeBildungsarbeit als „Kompass für Archive“, richtungweisend für eineÖffentlichkeitsarbeit, die zunehmend über klassische Ausstellungenhinaus auch Vortragsreihen, Internetpäsentationen und Events imSinn von Beteiligung an kulturellen Großveranstaltungen mithistorischen Programmteilen umfasst. Rehm kommt zu dem Ergeb-nis: Archive haben im Bereich der historisch-politischen Bildungsar-beit Alleinstellungsmerkmale, die es zu nutzen und auszubauen gilt.Möglichkeiten und Anregungen in diesem Sinne geben die folgen-den Beiträge. Gabriele Stüber rät in ihrem Beitrag dazu „Mit denAugen anderer [zu] sehen“, d. h. Benutzerperspektiven und -erwar-tungen in die Konzeption historischer Bildungsarbeit einzubeziehenund gezielte Öffentlichkeitsarbeit für genau definierte Adressaten-kreise zu leisten – eine Überlegung, die von Cl. Tatsch in ihremBeitrag eindrucksvoll weitergeführt wird. In ihrem Beitrag mit dem Titel „Zwischen Lust und Frust“ schildertTatsch die Erfahrungen Jugendlicher bei der Quellensuche für denWettbewerb des Bundespräsidenten und der bildungsarbeitsorien-tierten Benutzerin, die aufmerksam macht auf die kleinen Tückendes Alltags, die oftmals übersehen werden. Weitere interessanteBeiträge widmen sich dem Einsatz ehrenamtlicher Mitarbeiter(Gall), dem Projekt „Archiv und Schule“ in Bayern, über das einMitarbeiter der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns(Stephan) ausführlich berichtete, der Frage des Einsatzes von Kurzfil-men bei der Weckung des Interesses für Forschen im Archiv (Hoff-mann) sowie dem vorrangig benutzerorientierten Konzept desStadtarchivs Wolfsburg (Schneider-Bönninger und Placenti). Leiderfehlen in dem Tagungsband einige Beiträge wie z. B. die vonSchmidt, Kränzle/Kwasnitza und Zimmermann, die in ihren Vorträ-gen z. B. Möglichkeiten von Lernprogrammen und Datenbanksyste-men an Hand bereits existierender Beispiele bzw. Projekte erläuter-ten und somit wertvolle Facetten zukunftsorientierter historischerBildungsarbeit vorstellten.Ein wenig bedauerlich ist auch, dass Außencover wie auch Rückenkeinen Hinweis auf den Anlass bzw. Inhalt des Bandes enthalten.

Dies erhöht die Gefahr des Verschwindens in umfangreichen, vorallen Dingen nicht katalogisierten Bücherbeständen. Insgesamt aberhinterlässt die Broschüre einen sehr positiven Eindruck und gibtdem Leser viele Anregungen und einen guten Überblick überProbleme und Möglichkeiten historisch-politischer Bildungsarbeitim südwestdeutschen Raum.

Detmold, Dieter Klose

ICA/CLM 1996 – 2004. COMMITTEE ON ARCHIVAL LEGALMATTERSJuly 2006. 73 S., brosch. (Studies-Études 19)

Der 2004 ohne überzeugende Begründung aufgelöste Ausschuss fürarchivische Rechtsfragen des Internationalen Archivrats veröffent-licht in englischer Sprache einige Ergebnisse seiner Tätigkeit seit1996. Dabei geht es – wie Andreas Kellerhals (Bern) in seinemVorwort unterstreicht – vor allem um den nicht neuen Konfliktzwischen Informationsfreiheit und Persönlichkeitsschutz, aber auchum die einschlägigen Auswirkungen der Informationstechnologie.Claes Gränström (Stockholm) plädiert in seinem Vorwort nach-drücklich dafür, dass Archivarinnen und Archivare sich nicht nurmit dem Archivrecht im engeren Sinne, sondern auch mit denverwandten Rechtsgebieten beschäftigen, um den sich ständigverändernden Bedürfnissen der Informationsgesellschaft gerecht zuwerden (S. 7–10). Bei aller Anerkennung nationaler Besonderheitenplädiert er für die Erhaltung des Provenienzprinzips im Zeitalter derIT und zählt das Records Management zu den Pflichtaufgaben desArchivars.Viktoras Domarkas (Wilna) entwickelt „Principles for Archives andRecords Legislation“(S. 11-–23), wobei er aus guten Gründen dafürplädiert, Gesetze und andere Rechtsnormen nicht mit Einzelheitenzu überfrachten, sondern die Durchführung der Gesetze in leichteranzupassenden Verwaltungsvorschriften zu regeln. Er dringt aufklare Definitionen der Ziele der Gesetzgebung und – angesichts dernationalen Traditionen und der Mehrdeutigkeit vor allem derBegriffe „Archives“ und „Records“ – eine nur zu berechtigte Forde-rung, die sich auch Übersetzer zu Herzen nehmen sollten. Bei derDefinition der Verantwortung öffentlicher Archive schließt der Autor– international keine Selbstverständlichkeit – die Sicherung privatenArchivguts ausdrücklich ein. Den Ausführungen zur Rolle vonBeiräten, zur Einführung eines Archivstrafrechts, vor allem aber des„Nationalarchivs“ wird ein deutscher Archivar in Beachtung desföderativen Prinzips wohl widersprechen, der Forderung nach einemgesetzlich definierten Zugangsrecht natürlich zustimmen.Die belgische Kollegin Rolande Depoortere beleuchtet umfänglichdas Spannungsverhältnis von „Access to Archives and Data Protec-tion“ (S. 24–40). Kritisch ist anzumerken, dass das Problem desExports personenbezogener Daten aus der Europäischen Unionnach wie vor in der Praxis auf Schwierigkeiten stößt, die mit demPrinzip der Transparenz nicht ohne weiteres vereinbar sind. DieEmpfehlung, auf eine Globalisierung durch einen ganz bestimmtengleichsam standardisierten Ausgleich des Spannungsverhältnisses zuverzichten und den Respekt vor nationalen und regionalen Traditio-nen und Notwendigkeiten zu wahren, ist sehr zu begrüßen. Der

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Appell, Unterschiede oder Unstimmigkeiten zwischen den Rechts-vorschriften innerhalb eines Gesamtstaates möglichst zu vermeiden,sollte in Deutschland bei aller Unterstützung eines föderalen Wett-bewerbs um die beste Lösung beachtet werden.Udo Schäfer (Hamburg) setzt sich unter der Überschrift „Authentici-ty: Electronic Signatures or Trusted Custodian?“ (S. 41–46) mit derGesetzgebung zur elektronischen Signatur auf internationaler, eu-ropäischer und nationaler Ebene auseinander. Die Schilderung desleider gescheiterten Versuchs der einschlägigen Arbeitsgruppe derdeutschen Archivverwaltungen um die Jahreswende 2004/2005, imGesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformenin der Justiz eine Vorschrift zur Sicherung der Authentizität vonUnterlagen im Augenblick der Übergabe an das zu ständige Archivdurch Einfügung eines Absatzes 3 in den neuen § 371 a ZPO zuverankern (BT-Drs. 15/4067, S. 64 f.), ist von besonderem Interesse. Andie Stelle der elektronischen Signaturen sollten ein Beglaubigungsver-merk unmittelbar vor der Übermittlung und die Anerkennung öffent-licher Archive als „trusted custodians“ treten. Die Aufgabe bleibt.Josef Zwicker (Basel) erläutert in seinem Beitrag „Some Problems ofAuthenticity in an Electronic Environment“ (S. 47–51) überzeugend,dass wirtschaftliche und archivfachliche Belange auf dem Gebiet derSicherung der Authentizität übereinstimmen. Die Wirtschaft könnedaher ein mächtiger Verbündeter des Archivwesens sein, das sichseinerseits allerdings der Informationsverarbeitung von Anfang anwidmen müsse, um somit bei der Lösung der Alltagsprobleme imInformationszeitalter auch aus volkswirtschaftlicher Sicht nützlichsein zu können. Die Archive müssen bereit sein, sich an der Gesetz-gebung weit über das Archivrecht im engeren Sinne hinaus aktiv zubeteiligen.Der Jurist Gary Peterson (Washington, D. C.) stellt unter dem Titel„New Technology and Copyright: The Impact on the Archives“(S. 53–58) dar, dass unter diesem englischen Begriff inhaltlich weitmehr zu verstehen ist als eine wörtliche Übersetzung ausdrückenwürde, nämlich das weitaus größere Gebiet des Urheberrechts. DieAnfälligkeit für Rechtsverletzungen ist in der digitalen Welt erheb-lich größer geworden. Der Autor schildert die Bedeutung des inter-nationalen Rechts durch knappe Charakterisierungen internationa-ler Vereinbarungen von der Berner Konvention bis zur WIPO undden Direktiven der EU und der NAFTA. Er warnt die Archive voreiner unkontrollierten Ausbeutung des ihnen anvertrauten Kultur-guts, falls eine Anpassung des Urheberrechts nicht rechtzeitiggelingt.Wladislaw Stepniak (Warschau) befasst sich unter der Überschrift„Controversies around Legal Grounds for the Settlement of Interna-tional Archival Claims“(S. 59–68) mit dem polnischen Anliegennach Gerechtigkeit bei der Regelung offener Ansprüche vor allemauf Archivgut, das – wann auch immer – auf dem heutigen Territori-um der Republik Polen entstanden ist. Wer wie der Rezensent etwa35 Jahre dienstlich mit deutsch-polnischen Archivfragen befasst war,gibt gern zu, dass die von Stepniak aufgestellten Grundsätze (S. 68)ein geeigneter Ausgangspunkt für vernünftige Regelungen seinkönnten, sobald auf allen Seiten der politische Wille für ein Einver-nehmen in europäischem Geiste vorhanden ist. Rein mit rechtlichenArgumenten ist das Problem nicht zu lösen, zumal im Falle einerEinigung negative Folgen im Verhältnis zu Drittstaaten zu vermei-den sind. Gerade unter diesem Gesichtspunkt könnte es sich ausdeutscher Sicht lohnen, sich mit Stepniaks Überlegungen vorurteils-frei auseinanderzusetzen.Khalid Hafiz Abu Gayeh schildert durchaus realistisch die Problemedes „Palestine Archives. Dispersal, Destruction and Reconstruction“

(S. 69–73), die allerdings nur mit tatkräftiger Hilfe mehrerer auslän-discher Staaten und eines dauerhaften Frieden im Nahen Ostengelöst werden können.

Koblenz, Klaus Oldenhage

KULTURGÜTERRECHTHrsg. von Kerstin Odendahl. Nomos Verlagsgesellschaft,Baden-Baden 2006. XXV, 944 S., kart., 49,- €. ISBN 3-8329-1723-3

Mit der vorliegenden Normensammlung zum Kulturgüterrecht, dieim Rahmen ihres Forschungsprojekts an der Universität Trier „Kulturgüterschutz im Normensystem“ entstanden ist, präsentiertKerstin Odendahl die erste umfassende Sammlung dieser Art in derBundesrepublik Deutschland. Allein dieser Umstand stellt einbesonderes Verdienst dar, für das der Autorin Dank gebührt.Die Textsammlung bildet eine wichtige Ergänzung zum Grundla-genwerk „Kulturgüterschutz“ der Verfasserin und ist übersichtlich invier Teile gegliedert:Völker-, Europa-, Bundes- und Landesrecht sind nacheinanderaufgeführt. Dabei folgt jedes der Rechtsgebiete einer anderen inhalt-lichen und systematischen Unterteilung, die bestimmt wird von derauf der jeweiligen Ebene geregelten Rechtsmaterie. Innerhalb derThemenblöcke sind die Normen grundsätzlich chronologischangeordnet, was zugleich zu einem Abbild der historischen Entwick-lung des Kulturgüterschutzrechts führt. Beim Landesrecht, demletzten Themenblock, richtet sich die Gliederung dagegen nach deralphabetischen Reihenfolge der Bundesländer.Mit dieser Systematisierung der Normensammlung ist der Leser-schaft ein übersichtlicher Zugang in das Dickicht der Kulturgüterschützenden Normen und ihres Verhältnisses zueinander möglich.Gleichzeitig wird der Blick auf ein Ebenen überspannendes Gesamt-system Kulturgüterschutz deutlich.Im völkerrechtlichen Teil werden die amtlichen Texte in der verbind-lichen englischen Sprache abgedruckt, soweit es sich nicht umVerträge handelt, die von der Bundesrepublik ratifiziert wurden. Soist auch das UNESCO-Übereinkommen über Maßnahmen zumVerbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr undÜbereignung von Kulturgut vom 14.11.1970 in deutscher Spracheabgedruckt.Mit zahlreichen weiterführenden Hinweisen in den Fußnoten aufandere Fundstellen und wichtige Internetseiten wird das Werk zueiner wahren Fundgrube für alles, was im Kulturgüterrecht Bedeu-tung hat. Wer sich mit Kulturgüterschutz befasst, wird an diesemStandardwerk nicht vorbeikommen, so dass der Normensammlungeine große Verbreitung gewiss ist.

Düsseldorf, Rita Bung

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LITERATURBERICHTE

PLANUNGEN, PROJEKTE, PERSPEKTIVEN Zum Stand der Archivierung elektronischer Unterlagen.10. Tagung des Arbeitskreises „Archivierung von Unterla-gen aus digitalen Systemen“, 14. und 15. März 2006 inDüsseldorf. Hrsg. von Barbara Hoen. Landesarchiv Nord-rhein-Westfalen, Düsseldorf 2006. 134 S., kart. 10,- €.ISBN 978-3-932892-20-2 (Veröffentlichungen des Lan-desarchivs Nordrhein-Westfalen 10)

Erfreulich schnell nach der 10. Tagung des Arbeitskreises „Archivie-rung von Unterlagen aus digitalen Systemen“ im März 2006 konntedie Herausgeberin den Tagungsband vorlegen, der interessiertenArchivaren einen guten Einstieg in wichtige Aspekte der Archivie-rung elektronischer Unterlagen bietet. Nach dem Vorwort derHerausgeberin und dem Grußwort des Leiters des LandesarchivsNordrhein-Westfalen gliedert sich der Band in drei thematischeAbschnitte sowie einen nützlichen Anhang mit kurzen Zusammen-fassungen der Aufsätze, den englischsprachigen Abstracts, einemAutorenverzeichnis (nebst E-Mail-Adressen) und einer Liste derbisherigen Publikationen des Arbeitskreises.Die vier Aufsätze des ersten Teils beschäftigen sich mit der IT-gestützten Vorgangsbearbeitung und elektronischen Akten. Diese fürdas eGovernment konstitutiven Elemente erfordern in besonderemMaße strategisches und kooperatives Handeln. So stellt ThomasSchärli mit der schweizerischen Organisation eCh (www.ech.ch)einen Verein vor, dessen zentrale Aufgabe die Verabschiedung vonaus archivischer Sicht tauglichen Standards für eGovernment-Verfahren ist. Die gezielte archivische Einflussnahme bei der Ein-führung eines landesweiten Systems zur elektronischen Vorgangsbe-arbeitung thematisieren Margit Ksoll-Marcon in ihrem Beitrag zumProjekt „ELDORA“ der bayerischen Staatsverwaltung und AndreaWettmann in ihrer Vorstellung der Erfahrungen bei der Einführungeines Vorgangsbearbeitungssystems in Sachsen. Beide Fälle belegeneindrücklich, welch zentrale Bedeutung die gezielte Bündelungarchivischer Ressourcen und der Aufbau der einschlägigen Fachkom-petenz haben – nur wenn es der jeweils zuständigen Archivverwal-tung gelingt, die archivischen Anforderungen aktiv und konstruktivin den Prozess der Einführung IT-gestützter Vorgangssystemeeinzubringen, wird sie ihrem gesetzlichen und historischen Archivie-rungsauftrag gerecht. Dass es vielerorts Handlungsbedarf bereits beider Legung fachlicher Grundlagen gibt, zeigt der Beitrag von RainerUllrich über die Schriftgutverwaltung als unterschätztem Erfolgsfak-tor. Sein Überblick über die Bedeutung der Schriftgutverwaltung fürdas Verwaltungshandeln, die Veränderung der Büroprozesse durchdie „E-Mail-Kultur“ und die daraus resultierenden Schwierigkeitenbei der Einführung elektronischer Akten sei allen Archivaren alsArgumentationshilfe gegenüber einführungswilligen anbietungs-pflichtigen Stellen empfohlen. Der Web-Archivierung und elektronischen Publikationen sind diedrei Aufsätze des zweiten Abschnittes gewidmet. Angela Ullmannstellt wichtige Aspekte der Archivierung des Internetangebotes desDeutschen Bundestages wie die Bewertung und die archivtechnischeBearbeitung vor. Die zum Zeitpunkt der Tagung erst geplante Anbin-dung des Webarchivs über das Internetangebot des DeutschenBundestages ist mittlerweile realisiert, so dass die archivwürdigbewerteten Snapshots der Domain www.bundestag.de (beginnendmit Januar 2005) dem Benutzer online zur Verfügung stehen. DasBeispiel des Archivs des Deutschen Bundestages zeigt, welcheFortschritte durch engagiertes archivisches Handeln erreicht werden

können. Dass die Archivare den Herausforderungen einer langfristi-gen Archivierung elektronischer Unterlagen nicht alleine gegenüber-stehen, belegen die Beiträge von Hans Liegmann über die Aktivitä-ten von Nationalbibliotheken auf dem Gebiet des Web-Harvestingsowie von Reinhard Altenhöner über die Archivierung DigitalerAmtlicher Druckschriften – letzteres ein klassisches Beispiel für dasSchnittfeld der Aktivitäten von Archiven und Bibliotheken. Leideraber auch ein Beispiel für die noch mangelnde Abstimmung zwi-schen diesen „Gedächtnisorganisationen“, wie Altenhöner richtigkonstatiert. Seine Vorstellung des Projektes kopal („KooperativerAufbau eines Langzeitarchivs digitaler Informationen“) mündetfolgerichtig in der Feststellung, wie wichtig ein intensiver Austauschund die kooperative Nutzung von Ressourcen sind. Letztgenanntes war auch eine Voraussetzung für die schweizerischeKoordinationsstelle für die dauerhafte Archivierung elektronischerUnterlagen (KOST), die Georg Büchler und Christian Eugster imersten Beitrag des dritten Abschnittes vorstellen, der verschiedenenAspekten der Archivierung elektronischer Unterlagen gewidmet ist.Das Ziel der KOST ist, mittels geeigneter Pilotprojekte die beteiligtenArchive zu befähigen, elektronische Unterlagen korrekt zu bewerten,zu archivieren und zugänglich zu machen. Nicht nur angesichts derbegrenzten personellen Ressourcen der KOST bleibt der Aufbau vonKompetenzen in den Archiven selbst dringend notwendig. Karl ErnstLupprians Beitrag über das von der Deutschen Forschungsgemein-schaft geförderte Projekt der Staatlichen Archive Bayerns zur Archi-vierung digitaler Unterlagen zeigt anschaulich dessen zentrale Zieleund Ergebnisse – beispielhaft genannt sei der 2004 veröffentlichteMetadatenkatalog für Sachakten der Verwaltung – und spart die imLaufe des Projekts entstandenen Schwierigkeiten und notwendigenModifikationen nicht aus. Der Suche nach einem geeigneten Metada-tenschema widmet sich auch Karsten Huth in seinem Beitrag überdie elektronische Archivierung im Bundesarchiv. In seiner Vorstellungdes digitalen Objektes und seines Kontextes bezieht er sich auf den inDeutschland leider nur wenig rezipierten Aufsatz Kenneth Thibode-aus aus dem Jahr 2002 und unterscheidet zwischen dem physischen,logischen und konzeptuellen Charakter eines digitalen Objekts. Diesich daraus ableitenden Anforderungen führten das Bundesarchivzum Metadatenschema PREMIS (Preservation Metadata Implemen-tation Strategies), das nun zur Erfassung von technischen, strukturel-len Metadaten sowie zur Dokumentation der vom Archiv vorgenom-menen Maßnahmen verwendet wird.Wie zuvor bereits Altenhöner und Büchler / Eugster verweist auchHuth auf den ISO-Standard OAIS („Open Archival InformationSystem“) als maßgebliches Rahmenwerk. Der Arbeitskreis Archivie-rung von Unterlagen aus digitalen Systemen kann sich zugute halten,dass er diesen Standard bereits 2002 auf seiner 6. Tagung intensivdiskutierte – dies mag als ein Beleg für den Nutzen des durch denArbeitskreis geförderten fachlichen Austauschs dienen. Einer Zwi-schenbilanz anlässlich seiner 10. Tagung ist schließlich der letzteBeitrag des Bandes gewidmet, in dem Barbara Hoen eine Analyse derbisherigen Tagungen vorlegt. Beizupflichten ist insbesondere ihrerEinschätzung, dass die Schere zwischen dem Kompetenzaufbau inden Verwaltungen und den Archiven immer weiter auseinander geht:Immer noch ist das persönliche Engagement einzelner Personen vonerheblicher Bedeutung, immer noch ist die Archivierung elektroni-scher Unterlagen institutionell unzureichend abgesichert. Der Ar-beitskreis setzt dem positive Zeichen entgegen – der vorliegendeTagungsband ist dafür ein eindrucksvolles Beispiel und sei allen fürheutige Behörden zuständigen Archivaren zur Lektüre empfohlen.

Magdeburg, Thekla Kluttig

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PREUßENS ERSTES PROVINZIALARCHIV Zur Erinnerung an die Gründung des Staatsarchivs Kö-nigsberg vor 200 Jahren. Hrsg. von Bernhart Jähnig undJürgen Kloosterhuis. N. G. Elwert Verlag, Marburg 2006.280 S., 53 Abb., geb. 23,- €. ISBN 978-3-7708-1293-6(Tagungsberichte der Historischen Kommission für Ost-und Westpreußische Landesforschung, Bd. 20)

„Zentrale Themen der Königsberger Archivgeschichte zu diskutie-ren“, ist das Anliegen des Bandes, der die Vorträge einer 2004 inBerlin-Dahlem veranstalteten Tagung des Geheimen StaatsarchivsPreußischer Kulturbesitz und der Historischen Kommission für ost-und westpreußische Landesforschung nun auch der lesenden Fach-welt zugänglich macht. Aus Anlass der am 21. Juni 1804 vollzogenenErrichtung des „Geheimen Archivs“ in Königsberg – des erstenpreußischen Provinzialarchivs, das als Historisches StaatsarchivKönigsberg heute zu den bedeutendsten Archivkörpern des Preußi-schen Kulturbesitzes zählt – behandeln die Autoren eine breitePalette von Themen, die weit mehr bietet als die bloße Institutionen-geschichte, die der Sammelwerkstitel vermuten lassen könnte. Auchwenn über die Tagung und ihre Referate an dieser Stelle bereitsausführlich berichtet worden ist (Bernhart Jähnig in: Der Archivar58, 2005, H. 1, S. 37-39), verdient die vorliegende Publikation nocheinmal eine Würdigung, weil sie ein durchaus gelungenes Metho-denspektrum einer „Archivgeschichte“ bietet, die über den Ju-biläumsaspekt hinaus einen Mehrwert auch und gerade für denArchivnutzer besitzt. Verwaltungsgeschichtliche und hilfswissen-schaftlich-quellenkritische Fragestellungen bilden zurecht einenSchwerpunkt der Aufsätze, ist doch Archivgeschichte, wie KlausNeitmann in seinem Beitrag zurecht feststellt, zunächst „nichtsanderes als ein Teil der Kanzleigeschichte“ (S. 124), und – wie manhinzufügen darf – Geschichte archivalischer Quellenüberlieferungund ihrer inneren Struktur. Dies belegen insbesondere die Abhand-lungen von Mario Glauert („Von Akkon bis Königsberg. Das Archivder Hochmeister des Deutschen Ordens“) und Bernhart Jähnig(„Vom Etatsministerium zum Geheimen Archiv. Kanzlei, Registraturund Archiv in Königsberg von der ausgehenden Ordenszeit bis zumbeginnenden 19. Jahrhundert“), die sich mit der institutionellenEntwicklung des „Jubelarchivs“ im engeren Sinn befassen. Vor allemJähnig, der naturgemäß aus einer reicheren Überlieferung schöpfenkann, stellt neben der organisatorischen und personellen Ausbil-dung von Kanzlei, Registratur und Archiv der herzoglichen Regie-rung (Oberratsstube, seit 1781 Etatsministerium) in Königsbergderen Arbeitsweise und Hilfsmittel in den Vordergrund. (Der zeit-genössische Begriff Registrande sollte dabei ausschließlich in dieser,der gerundiven Form, und nicht in der sprachlich fragwürdigenVerballhornung „Registrant“ verwendet werden). Einen zweitenThemenschwerpunkt des Bandes bilden quellenkundliche Beiträge,die sich sämtlich mit der reichhaltigen Amtsbuchüberlieferung desHistorischen Staatsarchivs Königsberg befassen. An Beispielen ausden so genannten Ordensfolianten erläutert Jürgen Kloosterhuisseine methodisch-terminologischen Überlegungen zur Amtsbuch-kunde („Strukturen und Materien spätmittelalterlicher Amtsbücherim Spiegel von Ordensfolianten“), während der bereits zitierteAufsatz von Klaus Neitmann („Arbeitsinstrumente der hochmeister-lichen Kanzlei: Handfestenregister des 15. Jahrhunderts“) spezielleStrukturen und Materien eines besonderen Amtsbuchtypus unter-sucht und als qualitativen und quantitativen Indikator zunehmenderRationalität spätmittelalterlicher landesherrlicher Verwaltunginterpretiert. Arianne Knackmuß beschreibt eine während des 17.

Jahrhunderts vorherrschende, buchartige Übergangsform zwischenklassischem, in Lagen vorgebundenem Amtsbuch und nachgehefte-ten Aktenvorgängen („Die Ostpreußischen Folianten – Zur frühneu-zeitlichen Entwicklung der Amtsbücher im Staatsarchiv Königs-berg“), deren Rolle in der Königsberger Kanzleigeschichte allerdingsnoch nicht endgültig geklärt ist. Nachdem die beschriebene Schrift-gutstruktur auch in anderen Territorien – etwa in Kursachsen – zubeobachten ist, könnten vergleichende Untersuchungen dazu beitra-gen, die aktenkundliche Funktion dieser „Pseudo-Amtsbücher“weiter zu erhellen. Ein drittes Schwerpunktthema der KönigsbergerArchivgeschichte befasst sich mit Zersplitterung, Verlusten undSicherung der Überlieferung. Mit den Beiträgen von HanspeterMarti („Universitätsgeschichtliche Quellenbestände aus Königsbergin Allenstein/Archiwum Panstwowe w Olsztynie. Ein erster frag-mentarischer Überblick“) und Jürgen Martens („Das WilnaerRestaurierungsprojekt“) werden auch kriegsbedingt verlagerteBestandteile des Staatsarchivs Königsberg und die problematischeKooperation bei ihrer Sicherung und Rückführung nicht ausgespart.Die Ausführungen von Dieter Heckmann über „Das Staatsarchiv alsErsatz für das verlorene Stadtarchiv Königsberg“ weiten den Blickauch auf die kommunale Überlieferung aus. Welche Folgen diepragmatisch variierte Interpretation des Provenienzprinzips für dieStruktur archivalischer Überlieferung haben kann, zeigt schließlichPeter Letkemann mit seiner Studie über die Errichtung des mitBeständen aus Königsberg und Posen bestückten StaatsarchivsDanzig im Jahr 1901 („Provenienz und Pertinenz – die Gründung desStaatsarchivs Danzig“). Die professionsgeschichtliche Fragestellung,die in einer „Archivgeschichte“ nicht fehlen sollte, dient indirektwiederum dem Leitthema des Bandes, der Überlieferungsgeschichte.Auch der zuletzt zu nennende Beitrag von Stefan Hartmann überStand und Perspektiven der Regestierung des Herzoglichen Briefar-chivs verquickt seinen kritischen Rückblick auf archivarische Er-schließungsmethoden unmittelbar mit quellenkundlicher Darstel-lung. Durch seine Verbindung institutionengeschichtlicher, verwal-tungsgeschichtlicher, quellenkundlicher und professionsgeschichtli-cher Aspekte bietet der Band somit insgesamt ein überzeugendesMuster einer „Archivgeschichte“, die nicht zuletzt Hilfestellung beider Nutzbarmachung des Archivguts geben möchte. Mit der Ent-scheidung, die Struktur der historischen Überlieferung ins Zentrumzu rücken, haben die Herausgeber nicht nur dem Archivnutzergedient, sondern sind der ihnen „zugeteilten Verantwortung für dieKönigsberger Archivschätze“ (S. 7) in sehr angemessener Weisegerecht geworden. Auch die im Vorwort angekündigte aktualisierteBeständeübersicht des Historischen Staatsarchivs Königsberg wirdhoffentlich dazu beitragen, diese Schätze über nationale Grenzenhinaus verstärkt nutzbar zu machen.

Dresden, Peter Wiegand

MARY LYNN RITZENTHALER, DIANE VOGT-O’CONNOR,HELENA ZINKHAM, BRETT CARNELL, KIT PETERSON,PHOTOGRAPHS. ARCHIVAL CARE AND MANAGEMENT Society of American Archivists, Chicago 2006. 529 S.,zahlr. Abb., geb. 84,95 US-$. ISBN 978-1-931666-17-6

All jene, die sich auch nur kurz mit der Fotoarchivierung beschäftigthaben, wissen um die vielfältigen Herausforderungen, welche die

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LITERATURBERICHTE

Archivierung und Erschließung von Fotografien mit sich bringen.Das zu besprechende Buch, das von der Society of American Archi-vists herausgegeben wurde, hat das Ziel, mit grundlegenden Infor-mationen und weiterführenden Angaben und Tipps als Handbuchund Nachschlagewerk zur Erhaltung und Erschließung von Foto-grafien in Archiven zu dienen. Die Publikation richtet sich ebensoan spezialisierte Fotoarchive, wie an Bibliotheken, Museen, Vereineund Gesellschaften, gleichgültig wie groß, alt und in welchemZustand deren Sammlungen sind. Das Buch soll also nicht nurSpezialisten dienen, sondern ebenso jenen einen Einstieg undHilfestellung bieten, die sich ein erstes Mal mit der Fotoarchivierungbefassen. Dementsprechend beginnen die jeweiligen Ausführungenbei ganz grundlegenden Überlegungen. Die ersten drei Kapitel geben einen Überblick über die verschiede-nen Zugänge und Nutzungsweisen der Fotografie sowie über diediversen Techniken, die Anwendung gefunden hatten. Es ist denAutoren ein Anliegen, die Fotografie sehr breit zu fassen und dieunterschiedlichen historischen und aktuellen Nutzungsweisen nichtgegeneinander zu werten. Im Zentrum der darauf folgenden Kapitelstehen die archivinternen Prozeduren: Akquisition, Zusammenstel-lung von Beständen, Erfassung und Katalogisierung sowie Konser-vierung. Mit Beispielen aus dem Archivierungsalltag werden dieAusführungen praxisnah verdeutlicht und die zentralen Fragen undProbleme angesprochen. Die Autoren weisen dabei darauf hin, dasses keinen goldenen Weg gibt, sondern dass jede Institution mit ihrenMöglichkeiten und Bedingungen ihren eigenen finden muss. Dieserrunde Bogen zum archivarischen Umgang mit Fotografie wird mitden nicht weniger zentralen Kapiteln zu Fragen des Zugangs zufotografischen Beständen, des Urheberrechts, der Reproduktion, derDigitalisierung geschlossen. Abschließend sind die Themen Found-Raising und Public Relation kurz angesprochen. Die Erhaltung von Fotografien umfasst in dieser Publikation alsonicht nur den physischen Erhalt, wie das oft in der einschlägigenLiteratur der Fall ist, sondern ebenso die Sicherung der Kontextin-formationen, die Gewährleistung des Zugangs zu den Fotografienund deren Vermittlung. Dabei werden heikle und grundlegendeThemen wie Bewertung und Kassation ebenso angesprochen wiealltägliche z. B. die effiziente Erledigung von E-Mail-Anfragen. Diereichen Erfahrungen der Autorinnen und des Autors machen sichvor allem in den stets pragmatischen Vorgehensvorschlägen und denzahlreichen Beispielen deutlich. So finden sich in den AnhängenBeispiele von Formularen, Verträgen, Sammlungspolitiken usw., diegute Vorlagen bilden und leicht auf die eigenen Wünsche undBedürfnisse angepasst werden können. In Kästchen stehen Erläute-rungen zu den zentralen archivarischen und fotospezifischen Begrif-fen sowie praktische Tipps zum jeweiligen Kapitel. Die Checklistenund findigen Tipps sind nicht nur für Einsteiger hilfreich. Dieverwendete fotospezifische und archivarische Terminologie istzudem in einem Glossar ausführlich erläutert. Am Ende jedesKapitels findet sich eine einschlägige Literaturliste, die durch eineausführliche Bibliographie am Schluss des Buches ergänzt wird.Zudem erleichtert ein Index die Handhabung des Buches. Das Buchist reich bebildert, so dass zum einen die Schäden und Vielfalt derTechniken anhand dieser gut nachvollziehbar sind und zum anderendie Spannbreite der fotografischen Verwendungen in ihren Bedeu-tungen sichtbar wird. Nachteilig für eine europäische Leserschaft ist lediglich, dass sichdie Angaben stets auf US-amerikanische Zustände und Entwicklun-gen beziehen und nur bedingt auf europäische Institutionen über-tragen werden können. So sind auch die im Anhang aufgeführten

SCOTT ROSENBERG, DREAMING IN CODE Two dozen programmers, three years, 4,372 bugs, andone quest for transcendent software. Crown Publishers,New York 2007. 401 S., geb. 19,45 €, TB 10,45 €. ISBN978-1-4000-8246-9

Archivarinnen und Archivare werden in Zukunft mehr denn je mitder Einführung von komplexen Softwaresystemen betraut sein.Gleichgültig ob es sich um die Präsentation von Digitalisaten, umDokumenten-Management-Systeme oder um spezialisierte Fachan-wendungen handelt: wir werden oft mit Informatikern zusammen-sitzen, um die digitale Verfügbarkeit von historischen Quellen zuverbessern. Scott Rosenberg hat die Welt der Programmierer erkun-det. Sein Buch ist eine Reportage, die den Werdegang eines Projektsnamens „Chandler“ verfolgt und in einer Rahmenerzählung Tradi-tionen und aktuelle Strömungen des Programmierens vorstellt. Einlebendiger und streckenweise sogar unterhaltsamer Erzählstil er-leichtert auch fachfremden Lesern das Verständnis. Die teilweiseabrupten Wechsel zwischen der Reportage und den Rahmeninfor-mationen verhindern dagegen oftmals das systematische Nachlesen,was auch der ausführliche Index nicht ausgleichen kann.Kommerzielle Softwarefirmen würden einem Journalisten kaumuneingeschränkt über ihre Labors berichten lassen. Dort könnenIrrtümer, Missverständnisse oder strategische Fehlentscheidungen,wenn sie bekannt werden, zu einem Verlust von Vertrauen undMarktanteilen führen. Die Perspektive des Buches ist einem Spleendes Geldgebers zu verdanken. Mitchell Kapor, in den achtzigerJahren Chef des Software-Giganten Lotus und damit ein Veteran derSoftwareindustrie, versprach sich bei der Gründung des Chandler-Projekts im Jahr 2001 Vorteile aus einer offenen, auch für externeEntwickler zugänglichen Entwicklungsumgebung. Mit dem Erfolgdes Betriebssystems Linux war diese Hoffnung auf die Überlegen-heit von Open-Source-Entwicklungen nicht unberechtigt. NachKapors Vorstellungen sollte eine Kerngruppe, bezahlt aus denMitteln einer gemeinnützigen Stiftung, die kritische Masse desProgramms liefern, während externe Entwickler weltweit die „Ex-tras“ hervorbringen sollten.Chandler ist als überlegene Alternative zu Microsoft Outlookgedacht und soll E-Mail-Postfach, Terminkalender, Projektplanerund eine materialunabhängige persönliche Ablage in sich vereinen.Laut seiner Website (chandlerproject.org) wird in einigen Monatendie Version 1.0 erscheinen. Sie war ursprünglich für Ende 2002geplant. Der Autor ist demnach Chronist eines Misserfolgs. Er nutztdie Gelegenheit, um die Vision hinter Chandler, nämlich die einesuniversell vernetzten, wartungsfreien Wissensspeichers, durch dieEntwicklungsgeschichte der Computersprachen und Programmier-stile hindurch zu verfolgen. Seit der Erfindung des Computerssuchten Informatiker nach diesem Stein der Weisen, ohne ihn je

Listen der empfohlenen Verpackungsmaterialien und deren Herstel-ler sowie der Institutionen, die Kurse zur Fotoarchivierung anbieten,auf die USA bezogen. Trotzdem empfiehlt sich dieses Buch alsNachlagewerk für all jene, die sich mit der Fotoarchivierung beschäf-tigen.

Bern, Nora Mathys

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gefunden zu haben – eine Erkenntnis, die im Zeitalter der Digitali-sierung zu denken geben muss.Mehrmals kam es in der Entwicklergruppe von Chandler zu Kurs-änderungen. Man wechselte die Programmiersprache, trieb be-stimmte Nutzerfunktionen zeitweise voran, um sie später wieder zuvernachlässigen. Einige Männer und Frauen im Team setzten eineLösung lieber selbst neu auf, anstatt sie aus bestehenden Systemenzu übernehmen. Andere hatten die Neigung, ein Problem nicht zubeheben, sondern zunächst die Werkzeuge zur Behebung perfektio-nieren zu wollen. Nach einiger Zeit schien niemand mehr einenhinreichenden Überblick über die vielen Module und Programmier-aufgaben zu haben. Dieses letztere Phänomen ist seit Jahrzehnten als Brooks‘ Gesetzbekannt, und auch im Linux-Zeitalter ist seine Gültigkeit erhaltengeblieben. Es gibt zu seiner Überwindung Methoden mit wohlklin-genden Namen, aber keine Garantie auf eine sorgenfreie Entwick-lungszeit. Im Kapitel „Methods“ des Buchs dürfte für Archivare dergrößte Nutzen liegen. Die Ursachen liegen nämlich nicht nur inmangelhafter Methodik der Programmierer, sondern oft auch in denunklaren Vorstellungen der Kunden. Immerhin steht mit der UnifiedModeling Language (UML) eine normierte Sprache zur Verfügung,um abstrakte Anforderungen in konkrete Spezifikationen für dieProgrammierer umzusetzen. Der Leser findet mit dem „Joel Test“eine Checkliste über zwölf Punkte, die ein Projekt immer beherzigensollte, um sich keinen unkalkulierbaren Verspätungen auszuliefern.Aus alldem ergibt sich für Rosenberg übrigens die Frage, warum esfür die Sprachen der Menschheit allgemein ein reges wissenschaftli-ches Interesse gibt, aber nichts Vergleichbares für die Welt derComputer. Eine systematische Forschung über Morphologie, Syntax,Semantik und auch Ästhetik der Maschinensprachen steht aus. Erführt diesen Mangel auf den Innovationshunger der Softwareindus-trie zurück, der Informatikern kaum Anreize zur Grundlagenfor-schung biete. Softwareprojekte gelten zwar als kostensenkende Maßnahmen,paradoxerweise sind aber in den letzten Jahren die Entwicklungskos-ten im Vergleich zur Hardware und zu den sonstigen Verwaltungs-ausgaben in Wirtschaft und Verwaltung erheblich gestiegen. Grundgenug also auch für Technikmanager, ab und zu einen vertieftenBlick in die Welt der Technikentwickler zu wagen.

Ludwigsburg, Kai Naumann

DIE ÜBERLIEFERUNG VON KPD UND SPD 1945/46 SOWIE DER ANTIFA-AUSSCHÜSSE DER KPTSCH IM LANDESHAUPTARCHIV SACHSEN-ANHALTBearb. von Andrea Buse, Jana Lehmann, Dirk Schleinert,Angelika Sell und Uta Thunemann. Selbstverlag desLandeshauptarchivs Sachsen-Anhalt, Magdeburg 2006.177 S., 5 Abb., brosch. 7,50 €. ISBN 978-3-00-019423-8(Veröffentlichung der staatlichen Archivverwaltung desLandes Sachsen-Anhalt, Reihe A: Quellen zur GeschichteSachsen-Anhalts, Bd. 19)

Der Titel des Buches weist auf wichtiges Archivgut hin, welchesumfassende Informationen über die unmittelbare Nachkriegsge-schichte enthält und deshalb für die Erforschung aller gesellschaftli-

chen Bereiche dieser Region der Sowjetischen Besatzungszone zuempfehlen ist. Die Überlieferung, etwa 3,5 lfm, umfasst den Zeit-raum eines Jahres, vom Frühjahr 1945 bis 1946. Im April 1946 wur-den in der Sowjetischen Besatzungszone die KPD und SPD vereinigtund gingen in der SED auf. Die Edition ist logisch strukturiert undgut lesbar. Die Beschreibungen der Bestandsbildner im dargestelltenZeitraum sind überschaubar und gestatten Einblicke in die politi-schen Rahmenbedingungen. Die Broschüre beinhaltet konkreteAngaben zur Überlieferung und deren Klassifizierung. Ein Orts-,Personen- und Sachregister erleichtern zusätzlich die Handhabung.Ebenfalls hilfreich sind die Angaben über Strukturen und personelleZusammensetzungen der KPD- und SPD-Leitungen auf Provinz-und Bezirksebene. Sind die biografischen Angaben zu den Funk-tionären teilweise auch sehr lückenhaft, geben sie doch darüberAuskunft, dass alle Funktionsträger bereits vor 1945/33 in der KPDbzw. SPD organisiert waren und dass nach dem Zusammenschlussvon KPD und SPD die meisten vormaligen SPD-Funktionäre in denWesten flüchteten, aus der SED ausgeschlossen oder gar verhaftetwurden, während die Mehrzahl der ehemaligen KPD-Funktionsträ-ger an verantwortlichen Stellen im SED-Apparat bzw. in den Verwal-tungen arbeiteten (wenngleich zu Beginn der 50-er Jahre einige vonihnen Opfer politischer „Säuberungen“ innerhalb der SED wurden).Die Ausführungen zum Wiederaufbau der KPD und der SPD sowiedie tabellarische Übersicht über deren Organisationsstrukturenenthalten ebenfalls viele Informationen. Im Gegensatz zur Reorgani-sation der KPD, die von der Besatzungsmacht besonders begünstigtwurde, erfolgte der Wiederaufbau der SPD von unten nach oben,zuerst in den früheren Hochburgen der SPD. Ausdruck der unter-schiedlichen Deutschlandpolitik der vier Besatzungsmächte ist u. a.,dass sich in der Provinz Sachsen politische Parteien im Wesentlichenerst nach dem Besatzungswechsel im Juli 1945 konstituieren konn-ten. Das spiegelt sich in den entsprechenden Akten, die zumeist erstab September 1945 datierte Dokumente beinhalten, wider. Intensivverzeichnet wurden ebenfalls die Akten der Aktions- und Arbeitsge-meinschaft der KPD und SPD auf Bezirks-, Kreis- und Ortsebene.Die Angaben vermitteln einen Eindruck von der Dominanz der KPDim öffentlichen Leben in den Monaten vor dem Zusammenschlussbeider Arbeiterparteien. Es liegt in der Natur der Sache und daraufwird im vorliegenden Band verwiesen, dass sich Informationen überdiese Zeit auch in später gebildeten Akten wiederfinden. Dies trifftbesonders für die Überlieferung der SED-Landesleitung Sachsen-Anhalt zu, deren Hauptteil in der Abteilung Merseburg des Landes-hauptarchivs liegt und die speziell Hinweise zur Tätigkeit der KPDin jenen Jahren enthält (verwiesen sei an dieser Stelle auch auf dasNetzwerk SED/FDGB-Archivgut: www.bundesarchiv.de/sed-fdgb-netzwerk). Besonderes Augenmerk verdient die Gruppe II. 4. „Antifa-Ausschüsse der KP der Tschechoslowakei“, die in dieser Fülle nur inder Abteilung Merseburg des LHASA existiert. In 66 Akten wird einbis in die Gegenwart reichendes sensibles Thema deutsch-tschechi-scher Geschichte dokumentiert. Kommunisten und Sozialdemokra-ten legten in diesen Ausschüssen nach Kriegsende Listen mit Anga-ben vermeintlich bescholtener und unbescholtener Bürger an. Dieüberlieferten Transportlisten, Fragebögen, Lebensläufe, Berufsstatis-tiken, politischen Ausweise und Registrierungsbögen lassen lediglicherahnen, was es für die Menschen kurz nach dem Krieg bedeutete,in diesem Gebiet zu leben und wenig später Wohnung und Arbeitaufgeben zu müssen. Wegen der in allen Lebensbereichen der DDRausgeübten führenden Rolle der Partei kommt den SED-Beständenzweifellos eine besondere Bedeutung zu. Wichtig erscheint jedochauch hier ein Abgleich mit den vielfach korrespondierenden staatli-

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LITERATURBERICHTE

chen Beständen. Im Januar 1993 wurden diese Akten gemeinsam mitder anderen SED-Überlieferung aus den DDR-Bezirken Magdeburgund Halle (insgesamt 1400 lfm) vom Landesvorstand der PDS perDepositalvertrag in das Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt einge-bracht. Beständestrukuren und -signaturen der SED-Bezirksparteiar-chive Halle und Magdeburg wurden, soweit notwendig, aufgenom-men. Den Bearbeitern ist es mit der Herausgabe dieses Bandesgelungen, fundierten Einblick in einen kleinen, aber wichtigen undinteressanten Bestand, sein Umfeld sowie dessen Verzeichnung zugeben.

Berlin, Solveig Nestler

KONRAD WIEDEMANN, BETTINA WISCHHÖFER, EIN-BANDFRAGMENTE IN KIRCHLICHEN ARCHIVEN AUSKURHESSEN-WALDECK Landeskirchliches Archiv, Kassel 2007. 195 S., ca. 200farb. Abb., geb., 24,90 € (Schriften und Medien des Lan-deskirchlichen Archivs Kassel 21)

Die vorliegende Publikation beruht auf einem Projekt des Landes-kirchlichen Archivs in Kassel mit dem Ziel, die Kirchengemeindender Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck zur Aus-schau nach Fragmenten solcher mittelalterlicher Handschriften undfrühneuzeitlicher Drucke aufzufordern, welche in späterer Zeit eineandere Zweckbestimmung, z. B. als Einbände, erhielten. Unabhängigvon der Frage, inwieweit sich die Tätigkeit des LandeskirchlichenArchivs auch den Trägerbänden und überhaupt der übrigen Überlie-ferung widmete, konnten inzwischen in 55 kirchlichen Archiveninsgesamt 178 solcher Fragmente ausfindig gemacht werden. Diedetaillierte Aufarbeitung dieses Ergebnisses wird in der vorliegen-den, sehr ansehnlichen Publikation zugänglich gemacht. Eine Einleitung (S. 7–21) führt in das Projekt und die Thematik ein,wobei sowohl das Schicksal der Trägerbände als auch der Fragmentesowie der Zeitpunkt der Makulierung angesprochen wird; ebenfallswird das Problem der Herauslösung und separaten Aufbewahrungvon Fragmenten erörtert. Die Betrachtung der Fragmenttexte ergibtfolgende inhaltliche Systematik: Es gehören zwei Drittel der Frag-mente der Gruppe der Liturgica an, kleinere Kontingente entstam-men den Bereichen Biblica, sonstige Theologie, Medicinalia undJuridica, zudem sind neun hebräische Fragmente zu nennen. An-sonsten ist ein Isidor-Text aus dem 8. Jh. zu erwähnen. Im Hinblickauf die Herkunft der Fragmente und den Zeitpunkt der Makulie-rung können erste Hypothesen vorgelegt werden: Demnach schei-nen die Klöster Hersfeld und Fulda die wichtigsten Lieferanten derfragmentierten Handschriften zu sein, welche immerhin zu 6 % indie Zeit des 8. bis 10. Jhs., zu 33 % in die Zeit des 11.–13. Jahrhun-

derts zu datieren sind. Diese Herkunft würde vielleicht auch dieSchwerpunkte der Makulierung in den Zeiträumen 1570–1599 und1632–1649 angesichts der zeitgleichen Veränderungen in den Klös-tern erklären, z. B. die 1632 erfolgte Verbringung der BibliothecaFuldensis nach Kassel. Die heutigen Trägerbände fassen zu beinahedrei Viertel Kirchenrechnungen zusammen, der Rest entstammtebenfalls der örtlichen Kirchenverwaltung.Der eigentliche Katalog (S. 23–188) bietet die Beschreibungen derFragmente in systematischer Reihenfolge, wobei in der Regel der sichan die Mindestanforderungen der DFG-Richtlinien anlehnendeBeschreibungstext und die durchweg vorzüglichen Farbaufnahmenauf einer Katalogseite Platz finden. Die Einträge weisen nach glei-chem Schema Angaben über die Provenienz des Trägerbandes undEinzelheiten des Fragmentes, insbesondere eine knappe kodikologi-sche Beschreibung und die teils vage Eingrenzung der Entstehungs-zeit, Verfasser und Werkbezeichnung sowie Literaturangaben, auf.Die Ergänzung von Angaben zur Schriftheimat wäre willkommengewesen. Lobend zu erwähnen sind die Bemühungen, bei denliturgischen Texten auch deren Verwendung innerhalb des Gottes-dienstes zu erkunden, allerdings bleibt unklar, worauf die Hinweisemangels eines einheitlich zugrunde zu legenden Liber ordinariusberuhen.Im Schlussteil des Bandes (S. 189–195) finden sich die Liste derBearbeiterinnen und Bearbeiter, Abkürzungsverzeichnis, Provenienz-übersicht und Index.Wenngleich einige Ausführungen gelegentlich eine mangelndeVertrautheit in Umgang mit Liturgica erkennen lassen (vgl. etwa S. 15), so ist die Intention des Projektes sehr erfreulich und diegleichmäßige Bearbeitung der Fragmente hervorzuheben.Es wäre zu wünschen, wenn die Untersuchungen über die Schrift-heimaten der Fragmente weitergeführt werden könnten, nicht nurum die Bezugsquellen der örtlichen Kirchenverwaltungen aufzu-decken, sondern auch im Hinblick auf die Erforschung der FuldaerBibliotheksgeschichte. Darüber hinaus deutet sich an, dass die Textezudem Aufschluss über die Liturgiegeschichte des Raumes vorBeginn der Reformation zu geben in der Lage sind. Da weitereFragmente in den kirchlichen Archiven vermutet werden, darf dievorliegende Publikation zugleich als Aufruf aufgefasst werden,solche dem Landeskirchlichen Archiv zu melden. Überdies läuftbereits die Erfassung der über 300 im Staatsarchiv Marburg depo-nierten Fragmente kirchlicher Provenienz; hierzu ist ebenfalls einErschließungs- und Digitalisierungsprojekt zu erwarten.Auf den ersten Blick als ein Randthema des archivarischen Arbeits-feldes aufzufassen, erweist sich das Kasseler Projekt bei nähererBetrachtung als ein Beispiel, um die Relevanz der Fragmentfor-schung für die archivische Provenienzerkundung zu verdeutlichenund in dieser Hinsicht auch andere Regionen zur vergleichbarenVorgehensweise methodisch und arbeitspraktisch anzuregen; diesbetrifft auch die interdisziplinäre Arbeitsweise des Projektes.

Köln, Hanns Peter Neuheuser

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Mit der Zusammenführung der Staatlichen Archive im LandesarchivNRW im Jahre 2004 war ein Perspektivwechsel verbunden, der alleKernbereiche archivischer Tätigkeit betraf. Für den Bereich derErschließung war dabei die Ausgangssituation mit der andererstaatlichen Archivverwaltungen durchaus vergleichbar: Mit denvorhandenen Ressourcen konnten unter Weiterführung der bislanggängigen Verfahren nicht einmal die laufenden Zugänge bewältigtwerden.1 Dem entsprechend wurden im Zuge der in den Jahren2000 und 2002 durchgeführten Organisationsprüfungen des Staatli-chen Archivwesens in NRW unverzeichnete Bestände in enormemUmfang festgestellt.2 Bestehende Rückstände wurden zudem durchdie veränderten Anforderungen an die Zugänglichkeit von Archivgutsensibler wahrgenommen. Der Handlungsbedarf, im Landesarchivden Arbeitsbereich Erschließung neu zu organisieren, war damitvorgegeben. Die Rückstandsbearbeitung bildete entsprechend einenSchwerpunkt im organisatorischen Umbau, an dem sich archivischeArbeitsgruppen aktiv beteiligten.3

Archivfachlich fällt allerdings trotz der seit einigen Jahren intensi-vierten Diskussion um Methoden und Ziele der Erschließung4 einePositionierung nicht leicht, zumal verschiedene andere Handlungs-felder in diese Überlegungen mit einzubeziehen sind. Neben derengen Verzahnung zwischen Erschließung, Überlieferungsbildungund der Bestandserhaltung ist der Kontext der Bereitstellung undBenutzung zu berücksichtigen. Gerade hier finden derzeit gravieren-de Veränderungsprozesse statt, die unter verschiedenen Aspektendiskutiert werden, sich aber noch nicht zu einem Gesamtbild fügen.Solange Erschließung sich an den eigenen archivarischen Bedürfnis-sen, der persönlichen Nutzung im Lesesaal und an der Beantwor-tung von Anfragen orientierte und Ressourcenfragen nur einenachgeordnete Rolle spielten, konnten Lösungen in jeder Hinsichtindividuell ausgestaltet werden.5 Die Möglichkeiten jedoch, die sichaus der elektronischen Vorhaltung von Erschließungsinformationenim Archiv und deren Bereitstellung im Internet eröffnen, verändern

die Anforderungen an die Infrastruktur der Benutzung und damitauch an Erschließung entschieden. Erschließung im Zeitalter offenerNetze ist verstärkt Vorratshaltung für potentielle Benutzungssitua-tionen. In der gängigen anlass- und fallbezogenen Benutzung konn-ten individuelle und oft sehr arbeitsintensive Lösungen gefundenwerden. Mit der Bereitstellung von Erschließungsinformationen imInternet geht der Kontakt zum Benutzer zunächst verloren, Zweckund Ziel der Recherchen sind nicht nachvollziehbar. Welche Bedürf-nisse der Benutzer der elektronischen Medien hat, kann zwar ausentsprechenden Untersuchungen in benachbarten Disziplinenadaptiert werden, bis zur Entwicklung eines spezifisch archivischenProfils werden aber noch einige Erfahrungen zu sammeln sein.6

DIE SCHÖNHEIT DER CHANCE.ERSCHLIEßUNGS-STANDARDS IMLANDESARCHIV NRW

1 Bernd Kappelhoff, Langfristige archivische Arbeitsplanung und rationeller Ressourceneinsatz. Ergeb-nisse einer Organisations- und Beständeuntersuchung in den niedersächsischen Archiven, in: StefanieUnger (Hrsg.): Archive und ihre Nutzer – Archive als moderner Dienstleister, (Veröffentlichungen derArchivschule Marburg Nr. 39) Marburg 2004, S. 134-135; Peter Müller, Vollregest, Findbuch oder Infor-mationssystem – Anmerkungen zu Geschichte und Perspektiven der archivischen Erschließung, in: DerArchivar 58 (2005), S. 6-7; Thekla Kluttig, Das Ende archivischer Verzeichnung? Zur Nutzung von Me-tadaten aus Justiz und Verwaltung, in: Frank M. Bischoff (Hrsg.), Benutzerfreundlich – rationell – stan-dardisiert. Aktuelle Anforderungen an archivische Erschließung und Findmittel (Veröffentlichungender Archivschule Marburg Nr. 46) Marburg 2007, S. 121-123.

2 Mummert + Partner. Untersuchung der staatlichen Archive NRW. Arbeitsstab Aufgabenkritik, 2000 (un-veröffentlicht), S. 16-17, 137. Arthur Andersen, Abschlussbericht: Anschlussuntersuchung der Organi-sationsuntersuchung der Staatlichen Archive NRW, 2002 (unveröffentlicht), S. 37-42, 63.

3 Bericht der Arbeitsgruppe Archivierung, 2001 (unveröffentlicht).

4 Vgl. u.a. hier Anm. 1, arbido 3/2006: Erschließung – Kernaufgabe der Archive und wichtiges Themafür die gesamte I+D-Welt.

5 Kritisch zum archivarischen Selbstverständnis: Bernd Kappelhoff, wie Anm. 1, S. 124; Wilfried Reining-haus, Archivisches Erschließen in der Wissensgesellschaft, in: Frank M. Bischoff, wie Anm. 1, S. 25-26.

6 Vgl. hierzu z.B. die Anmerkungen bei Peter Müller, Schnell zum Ziel – Erschließungspraxis und Be-nutzererwartungen im Internetzeitalter, in: Frank M. Bischoff, wie Anm. 1, 37-63.

MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES LANDESARCHIVS NRW

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MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES LANDESARCHIVS NRW

zess die laufenden praktischen Arbeiten. Beide Faktoren sollten nichtunterschätzt und in den Planungen berücksichtigt werden. Wo steht das Landesarchiv im Hinblick auf Erschließung heute? Seit2004 konnten bereits einige Vorgaben der Reorganisation umgesetztund die Entwicklung weitergeführt werden. Zu den ersten grundle-genden Entscheidungen gehörte die verbindliche Einführung vonVERA als Erschließungssoftware im LAV.10 Damit wurde der Aufbaueiner einheitlichen Datenbasis gesichert. Bereits im Organisations-gutachten 2002 war festgehalten worden, dass die Rückstandsbear-beitung „straff geführt und statistisch genauestens dokumentiertwerden“ müsse.11 Die Notwendigkeit der Erstellung von Prioritäten-listen hatte in diesem Zusammenhang bereits die begleitende archi-vische Arbeitsgruppe festgestellt.12 Inzwischen folgt die Rückstands-bearbeitung abgestimmten, nach vergleichbaren Kriterien in denArchiven erstellten Prioritätenlisten. Parallel dazu wurde ein fachli-ches Berichtswesen aufgebaut, das halbjährlich den Verlauf derRückstandsbearbeitung und der Erschließung insgesamt darstellt.Mit dem Aufbau eines allgemeinen Berichtswesens im Zuge derKLR-Einführung wurden Mitte des Jahres diese Berichte integriert. Die Bereitstellung elektronischer Erschließungsdaten wird forciert.Eine Pilotierung des VERA-Moduls „Lesesaal“, das dem Benutzervor Ort die Recherche und Bestellung erheblich erleichtert, verliefsehr positiv und traf auf gute Akzeptanz bei den Benutzern, so dassmit einer zügigen Einführung im LAV gerechnet werden kann. ImMai dieses Jahres startete zudem das ausgebaute Internetportal„Archive in NRW“. Nunmehr können über die Beständeübersichtenhinaus verbunden mit einer Warenkorbfunktion zur Vorbestellungim Lesesaal Erschließungsdaten und Archivalienabbildungen imInternet bereitgestellt werden.13 Unterschiedliche nutzungsrechtlicheBedingungen führen dazu, dass sich die Bereitstellung von Er-schließungsdaten im Lesesaal und im Internet unterschiedlichgestalten, was u.a. im Aufbau von Arbeitsabläufen zu berücksichti-gen ist. Die Archive haben inzwischen mit der Einstellung vonOnline-Findbüchern begonnen bzw. befinden sich in der Vorberei-tung dazu. Für die Qualität des Dienstleistungsangebots ist dieMenge der verfügbaren Erschließungsdaten entscheidend. Deshalbwird kontinuierlich die Retrokonversion analoger Findmittel betrie-ben, die durch das einschlägige DFG-Projekt unterstützt wird.14

Parallel zum Abbau der Rückstände muss die Benutzbarkeit neuerZugänge gesichert werden. Hier zeigen sich deutlich die Folgen desschlechten Standes der Schriftgutverwaltung in den abgebendenStellen.15 Registraturhilfsmittel, die zumindest vorläufigErschließungsmaßnahmen ersetzen können, sind kaum nochvorhanden. Der Personalmangel bei den abgebenden Stellen mindertdie Bereitschaft, Erfassungsaufwände bei der Übergabe von Unterla-gen zu investieren. Trotzdem konnten elektronische Übergabever-zeichnisse in der Behördenbetreuung schon vielfach durchgesetztwerden, so dass in einigen Bereichen durch den Import der Listeneine Mindestzugänglichkeit gesichert ist. Die Projektgruppen „Ar-chivierungsmodelle“ standardisieren die Vorgaben für die jeweiligenÜberlieferungsbereiche und bringen das Verfahren in die Fläche.16

Da Registraturdaten nicht pauschal mit Erschließungsdaten gleich-gesetzt werden können, wird bei Sachakten hierdurch vielfach nureine erste Stufe der Zugänglichkeit erreicht, die im weiteren Prozessvertieft werden muss.17 Der größte Effizienzgewinn ist bei gleichför-migen Massenakten, z.B. der Justiz und der Leistungsverwaltung zuerwarten.18 Hier werden bei den abgebenden Stellen meist hochentwickelte Fachverfahren eingesetzt, die differenzierte Angaben zubeteiligten Personen und Verfahrenstypen enthalten. Durch dieÜbernahme dieser Daten, die mehr Informationen bieten als die

Zudem wird das Archiv im Internet nicht mehr nur daran gemessen,ob es im konkreten Fall die benötigten Informationen bereitstellenkann, sondern inwieweit es Zugang zu seinem Gesamtbestanderöffnet. Damit verändern sich die Rahmenbedingungen der Pla-nung von Erschließungsarbeiten deutlich. Bis das Landesarchiv über Konzepte verfügt, die die archivischenKernbereiche stimmig abdecken, wird noch einige Zeit vergehen.Einige Grundsatzentscheidungen über Methoden und Ziele derErschließung stehen als Ausgangspunkt der notwendigen konzeptio-nellen Überlegungen aber bereits zur Verfügung. Vorrangiges Ziel istdie Sicherung eines Mindestmaßes an Zugänglichkeit zur gesamtenÜberlieferung, also der Abbau gänzlich unerschlossener Rückständeund die zügige Bereitstellung von Neuzugängen.7 Damit wird inhohem Maße der rechtlichen und gesellschaftlichen Erwartung anTransparenz Genüge getan, und die vielfältigen Benutzerinteressenwerden gewahrt.8 In Zeiten knapper Ressourcen muss daher flacheErschließung den Normalfall darstellen. Diese Position ist allerdingsauch innerhalb des Landesarchivs nicht unumstritten. So wurde inder hausinternen Diskussion zum Teil entschieden für tiefe Er-schließungsstrategien plädiert, da hierdurch die Aufwände für dieBeantwortung von Anfragen, Aushebung von Archivalien usw.reduziert würden. Belastbare Zahlen, die eine vergleichende Kosten-rechnung dieser verschiedenen Prozesse ermöglichen, werden sicherauch mittelfristig nicht zur Verfügung stehen. Aber schon eine grobeDimensionierung des Aufwandes bei einer durchgängig eher tiefenErschließung bezogen auf den Gesamtbestand in Relation zu deneher punktuellen, wechselnden Zugriffen, spricht tendenziell gegendie Strategie von Effizienz durch Tiefenerschließung.Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine tiefere Erschließung vonBeständen, die intensiv benutzt werden, in Zukunft ausgeschlossenwerden soll, wenngleich auch die Praxis lehrt, dass „Benutzungswel-len“ – wie z.B. zum Thema Zwangsarbeiter − oft schon abebben,wenn die differenzierten Erschließungsinformationen zur Verfügungstehen. Erschließung bedient nämlich nicht nur bestehende Bedürf-nisse, sondern kann Auswertungen und Forschung auch anregen.Diese Vermittlungsfunktion von Kulturgut durch die Archive sollteauch erhalten bleiben, ihr muss jedoch immer auch eine kritischeAbwägung zwischen Zielvorgaben, Ressourceneinsatz und Ergebniszu Grunde liegen, die letztlich den Handlungsrahmen beschreibtund absteckt.9

In den letzten Jahren haben in diesem Abwägungs- und Entschei-dungsprozess strategische Ziele und Vorgaben sowie personelleRessourcen erheblich an Bedeutung gewonnen. Langfristige Planun-gen spiegeln deshalb häufig weniger das archivfachlich Wünschens-werte als das in der Praxis Realisierbare, sprich: Bezahlbare, wider.Wie in vergleichbaren Prozessen der Verwaltungsmodernisierungmuss auch das Landesarchiv dem kurz- und mittelfristigen Stellen-abbau Rechnung tragen und möglichst prospektiv seine Arbeitswei-sen anpassen. Zudem wurde dem Landesarchiv mit auf den Weggegeben, die Ende 2003 erhobenen Rückstände in der Erschließungzügig abzubauen und gleichzeitig sicherzustellen, dass keine neuenRückstände aufgebaut werden. Auch wenn die somit vorgegebenenZiele vielfach und durchaus nachvollziehbar zunächst als Last undals Einschränkung gewohnter Handlungsspielräume empfundenwerden, erscheinen sie unter einer ergebnisorientierten Dienstleis-tungsperspektive durchaus als positive und nachhaltig wirksameImpulse für die praktische Arbeit. Trotzdem beanspruchen eineNeuorientierung unter veränderten Rahmenbedingungen und diedamit verbundenen Verfahrensänderungen alle Beteiligten in nichtzu unterschätzendem Maße und verlangsamen im Umstellungspro-

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archivischen Erschließungsstandards, kann ein Großteil der notwen-digen Zugriffe gesichert werden.19 Abgesehen von einer Überarbei-tung in der Zugangsbearbeitung entstehen damit mittelfristig keineweiteren Erschließungsaufwände. Hier eingesparte Ressourcenwerden dringend für die Tiefenerschließung komplexerer Sachaktenbenötigt. Die Projektgruppen „Elektronische Unterlagen“ und„Archivierungsmodelle“ beginnen deshalb, die IT-gestützte Ausson-derung von Papierakten zu realisieren.20 Gleichzeitig sind vorhande-ne Werkzeuge so weiterzuentwickeln, dass ein einfacher Import indie Erschließungssoftware möglich ist. Erstellung, Vorhaltung und Bereitstellung von Erschließungsinfor-mationen im Landesarchiv bedarf verbindlicher Standards undRichtlinien. Hier wird der Schwerpunkt der weiteren Arbeitenliegen. In einem ersten Schritt werden hierzu die bisherigen Erfah-rungen im Einsatz von VERA bilanziert. Dabei sind die bisherigenVerzeichnungstraditionen der Archive und bereits erfolgte Anpas-sungen, die sich vor allem durch den Einsatz von VERA ergebenhaben, zu berücksichtigen:21 Welche Probleme sind aufgetreten odertreten gegenwärtig noch auf? Auf welche Kompromisse hat man sichsystembedingt einlassen müssen? Um einen ersten Eindruck überdie gegenwärtige Erschließungspraxis zu gewinnen, wurde zunächstein Großteil der mit Erschließungsaufgaben betrauten Dezernateder im LAV organisierten Archive besucht und über ihreErschließungsgewohnheiten befragt.Dabei wurde schnell klar, dass die Menge an Möglichkeiten, dieVERA bietet, auch große Freiräume für sehr unterschiedlicheHerangehensweisen und Lösungen geschaffen hat. Zwar erweisensich die meisten der inzwischen etablierten „individuellen“ Ver-zeichnungsstandards für sich gesehen als fachlich begründetund sofern konsequent umgesetzt, auch als durchaus brauchbar fürdie Benutzungspraxis, doch ergeben sich daraus automatisch Proble-me, wenn Erschließungsdaten in einen größeren, auf Vergleichbar-keit und Kompatibilität ausgerichteten Kontext gesetzt werdensollen. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn innerhalb desLesesaalmoduls oder bei der Benutzung von Online-Findbücherndem recherchierenden Kunden Trefferlisten angezeigt werden, diedas gesamte metrische System umfassen und die ganze Bandbreitearchivarischer Vermerkdiskussionen widerspiegeln. Als besonderskritisch erweist sich die bislang zu konstatierende „Standardvielfalt“in Bereichen, wo bisher erfolgreiche und sinnvoll angewandteErschließungsstandards zum Informationsverlust führen. UndatierteUnterlagen etwa, deren Laufzeit bislang mit „o.D.“ oder „o.J.“ausreichend gekennzeichnet waren, werden bei einer Recherche inVERA mit Laufzeitbegrenzung nicht erfasst und fehlen daher aufden Trefferlisten. Eine einfache Behebung des Problems könntedabei schon durch die Pflicht zur Schätzung des Entstehungszeit-raums erfolgen. Doch nicht nur die Frage des Formats der Datenerfassung stand imBlickpunkt der ersten Bestandsaufnahme nach der Einführung vonVERA im Landesarchiv auch die Einschätzung der Notwendigkeitund tatsächlichen Verwendung der einzelnen Datenfelder wurdeabgefragt. Dabei war eine deutliche Einheitlichkeit festzustellen.Einerseits ist dies natürlich der strengen Vorgabe der Masken ge-schuldet, die unter Beteiligung der zuständigen Archivare für eineVielzahl von Unterlagengruppen eigens erstellt wurden. Andererseitsbeschränkten sich die Archivare unter dem Druck ökonomischerFaktoren zu einer flachen Erschließung von selbst auf die notwen-digsten Informationen. Dies führte auch dazu, dass auf Indizes, trotzder Möglichkeit einer automatischen Erstellung zunehmend verzich-tet wird. In der Regel wird diese Arbeit weitgehend manuell

vorgenommen, wenn analoge Publikationen dies erfordern.Auch nach der Gründung des Landesarchivs hat es Bemühungengegeben archivübergreifende Erschließungsstandards für bestimmteBereiche zu entwickeln.Vielfach wurden Standardisierungsfragen an Hand von Problemenaus der archivischen Praxis in den VERA Arbeitsgruppensitzungenoder im Hinblick auf die Gestaltung von Anbietungsformularen imKontext der Erstellung von Archivierungsmodellen behandelt. DiePersonenstandsarchive haben sich im Hinblick auf ihre Publikation

7 Vgl. Arthur Andersen, Abschlussbericht, wie Anm. 2, S. 42; Bernd Kappelhoff, wie Anm. 1, S. 125.

8 Friedrich Schoch, Michael Kloepfer, Hansjürgen Garstka, Archivgesetz (ArchG-ProfE). Entwurf einesArchivgesetz des Bundes, Beiträge zum Informationsrecht Bd. 21, Berlin 2007, S. 33-34.

9 In ähnlicher Weise ist bei Anfragen zu klären, was Benutzer erwarten dürfen und das Archiv leistenkann. Hierzu sollen in einem Konzept Bereitstellung und Benutzung 2008/2009 Vorstellungen entwickeltwerden.

10 Mummert und Partner, wie Anm. 2, S. 26, Bericht der Arbeitsgruppe Archivierung, wie Anm. 3, S. 8.

11 Arthur Andersen, wie Anm. 2, S. 42.

12 Bericht der Arbeitsgruppe Archivierung, wie Anm. 3, S. 9-10.

13 Martina Wiech, Neues Internetportal „Archive in NRW“ online, in: Der Archivar 60 (2007), S. 248-250.

14 Frank M. Bischoff, Sigrid Schieber, DFG-Förderprogramm zur Retrokonversion von Findbüchern, indieser Ausgabe S. .

15 Rainer Ullrich, Schriftgutverwaltung und elektronische Akten: Ein unterschätzter Erfolgsfaktor, in: Bar-bara Hoen (Hg.): Planungen, Projekte, Perspektiven. Zum Stand der Archivierung elektronischer Un-terlagen (Veröffentlichungen des Landearchivs Nordrhein-Westfalen 10) Düsseldorf 2006, S. 37.

16 Martina Wiech, Steuerung der Überlieferungsbildung mit Archivierungsmodellen, in: Der Archivar 58(2005) S. 94-100; Dies., Strategische Herausforderungen an das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen aufdem Bereich der Überlieferungsbildung, in: Frank M. Bischoff, Robert Kretzschmar (Hrsg.): Neue Pers-pektiven archivischer Bewertung (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg Nr. 42) S. 71-79

.11 Arthur Andersen, wie Anm. 2, S. 42.

12 Bericht der Arbeitsgruppe Archivierung, wie Anm. 3, S. 9-10.

13 Martina Wiech, Neues Internetportal „Archive in NRW“ online, in: Der Archivar 60 (2007), S. 248-250.

14 Frank M. Bischoff, Sigrid Schieber, DFG-Förderprogramm zur Retrokonversion von Findbüchern, indieser Ausgabe S. .

15 Rainer Ullrich, Schriftgutverwaltung und elektronische Akten: Ein unterschätzter Erfolgsfaktor, in: Bar-bara Hoen (Hg.): Planungen, Projekte, Perspektiven. Zum Stand der Archivierung elektronischer Un-terlagen (Veröffentlichungen des Landearchivs Nordrhein-Westfalen 10) Düsseldorf 2006, S. 37.

16 Martina Wiech, Steuerung der Überlieferungsbildung mit Archivierungsmodellen, in: Der Archivar 58(2005) S. 94-100; Dies., Strategische Herausforderungen an das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen aufdem Bereich der Überlieferungsbildung, in: Frank M. Bischoff, Robert Kretzschmar (Hrsg.): Neue Per-spektiven archivischer Bewertung (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg Nr. 42) S. 71-79.

17 Mathis Leibetseder, Metadaten aus elektronischen Bürosystemen als Grundlage für die Erschließungim Archiv, in: Frank M. Bischoff, wie Anm. 1, S. 135-159.

18 Entsprechende Verfahren setzt das Sächsische Staatsarchiv seit einigen Jahren in der Anbietung ein. Thekla Kluttig, Das Ende archivischer Verzeichnung?, wie Anm. 1, S. 121-127.

19 Hier können Konzepte und Ergebnisse der ARK-AG „Elektronische Systeme in Justiz und Verwaltung“nachgenutzt werden.

20 Entsprechende Verfahren werden zurzeit am Beispiel von MESTA, einem Verbundverfahren der Staats-anwaltschaften, aufgebaut.

21 Marcus Stumpf, Der Arbeitsbereich Erschließung im Staatsarchiv Münster, in: Nils Brübach (Hrsg.):Archivierung und Zugang. Transferarbeiten des 34. wissenschaftlichen Kurses der Archivschule Mar-burg 2002, Veröffentlichungen der Archivschule Marburg Nr. 36, Marburg 2002, S. 276.

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der Editionen Brühl und Detmold bereits für ihr Arbeitsgebiet aufStandards verständigt. Dies sind dennoch immer nur isolierte, wennauch wichtige Schritte geblieben. Ein über alle Abteilungen hinaus-gehender Ansatz oder gar ein Standard fehlten jedoch bislang.Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die gegenwärtigenPlanungen zur Erarbeitungen eines solchen übergreifenden Er-schließungsstandards gegeben werden. Vorweggeschickt sei derHinweis, dass die Erschließungsstandards, insbesondere die Erarbei-tung von Verzeichnungsrichtlinien, sich ausschließlich auf dieErschließung mit VERA als verbindliche Software konzentrieren.Das Projekt zu den Erschließungsstandards ist in acht Arbeitsberei-che gegliedert, von denen sich die ersten vier mit der ausführlichenAnalyse des gegenwärtigen Ist-Stands sowohl in den Abteilungendes LAV als auch in der länderübergreifenden archivfachlichenDiskussion befassen. Die nachfolgenden vier Arbeitsbereiche betref-fen dann die konkrete Erarbeitung der Standards und Verfahrensowie deren Pflege.Grundvoraussetzung für ein gemeinsames Verständnis in der Sacheist die Entwicklung und Verwendung einer einheitlichen Terminolo-gie. Ziel dieses Arbeitsschrittes ist daher die Erstellung eines Glos-sars der gängigen Schlüsselbegriffe im Erschließungsprozess desLandesarchivs. Dieses Glossar wird fortlaufend aktualisiert undergänzt und begleitet den Prozess der Standardisierung von Beginnan. In einem zweiten Schritt soll die Erstellung einer VERA Feld-übersicht erfolgen.Da für VERA abgesehen vom Benutzerhandbuch keine vollständigeund übersichtliche Dokumentation der vorhandenen Datenfelderexistiert, muss diese in einem ersten Schritt erstellt werden. DieFeldübersicht hat den Anspruch sämtliche in VERA vorhandeneFelder in ihrer hierarchischen Gliederung (Maske, Feldgruppen undFelder) darzustellen. Neben Angaben zu Feld- und Eingabetyp istvor allem eine Abbildung aller bestehenden Verknüpfungen undAbhängigkeiten zu anderen Feldern von großer Bedeutung, dennnur so kann festgestellt werden, an welcher Stelle die Primärinforma-tionen gespeichert werden. Ergänzt wird diese Dokumentationdurch eine kurze Beschreibung der inhaltlichen Funktion der Felderggf. mit darüber hinausgehenden Erläuterungen und Problembe-schreibungen, die bereits während der Dezernatsbesuche benanntwurden oder in einer detaillierteren Abfrage noch benannt werdenkönnen. Eine Erweiterung der Tabelle um die entsprechendenDefinitonstags in VERA-XML, SAFT-XML und später dann EAD istgeplant. Diese direkte Darstellung dient nicht nur als Hilfe in derDiskussion um zukünftige Standards, sondern erscheint auch imHinblick auf das LAV-interne Mapping zur Konversion von Import-daten nach VERA als hilfreich. Sobald die Feldübersicht eine solide Grundlage besitzt, wird sie indie Dezernate mit der Bitte um Korrekturen und Ergänzungenrückgespiegelt. Auf Grundlage der Rückmeldungen sollte dann einvollständiges Bild des Ist-Stands möglich sein. Die Arbeiten an dieserFeldübersicht sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits fortge-schritten. Um einen Einblick in den Umfang dieser Arbeit zu geben,sollen ein paar Zahlen Auskunft geben: Gegenwärtig bietet VERA inungefähr 40 Masken 605 Felder an, von denen 510 einen einzigarti-gen Charakter besitzen. Zur Beschreibung einer Sachakte stehen umdie 95 einzigartigen Felder zur Verfügung, zur Beschreibung einesFilms sind es um die 139. Auf ganz ähnliche Weise wird in einem weiteren Schritt eine Struk-turanalyse der gegenwärtig in den Abteilungen bereitstehendenFindmittel erstellt. Insbesondere die Struktur von Findmitteln imLesesaal (sowohl in analoger wie auch elektronischer Form) und im

Onlineauftritt sind in diesem Zusammenhang von Interesse. Auchhier steht die Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Standards imVordergrund. Abschließender Teil der Bestandsaufnahme ist dieÜberprüfung der gegenwärtigen Erschließungsverfahren im Hin-blick auf ihre Konformität mit den internationalen Standards wieISAD(G), EAD und EAC22. Dabei gilt es in erster Linie zu prüfen,welche Standards perspektivisch für das Landesarchiv im nationalenund internationalen Kontext von Bedeutung sein werden. Vorrangi-ges Ziel ist auch hier, eine aktuelle Übersicht zu gewinnen, in wel-chen Bereichen bereits standardkonform gearbeitet wird, in welchenBereichen Anpassungsbedarf und –potentiale bestehen und wiediese konkret umgesetzt werden können. Eine „To-Do“-Liste zurschrittweisen Erfüllung der Standards legt hier bereits Grundsätzefest, an denen die folgende Arbeit an den Verzeichnungsrichtlinienanknüpfen kann.

DIE ERSCHLIEßUNGSSTUFEN UND VERZEICHNUNGSRICHTLINIEN

Das durch das sog. „Steinbuß-Papier“23 für die Rückstandsbearbei-tung eingeführte 3-Stufen System, das 2003 für das LAV eine ein-heitliche Beschreibung von Erschließungsstufen festlegte, war einerster wichtiger Schritt zur Standardisierung von Erschließungslei-stungen. Die drei Kategorien (A=unverzeichnet, B=einfache Ver-zeichnung, C=abschließend verzeichnet) waren jedoch in ihrerFunktion auf die Klassifizierung von Rückständen ausgelegt undsind als Grundlage für eine künftige Erschließung von Neuzugän-gen zu wenig ausdifferenziert. In Kategorie B fällt beispielsweisesowohl ein Bestand, welcher nur durch Signaturen und überprüftenAbgabelisten erschlossen ist, wie auch ein Bestand, der zwar adä-quat bearbeitet ist, dem aber eine Einleitung oder ein Index undsomit ein Merkmal der Kategorie C fehlt. Diese Einstufung derRückstände bleibt weiterhin Grundlage der Rückstandsbearbeitung.Doch durch die erfolgte Zielmodifizierung richtet sich die Prioritätverstärkt auf den Abbau von Beständen der Kategorie A.Entsprechend ändern sich auch die Parameter für die ab 2004erfolgten und zukünftig noch zu erwartenden Ablieferungen. EineAusdifferenzierung der bestehenden Stufen kann hier stärker denAnforderungen an eine flachere Erschließung und verbesserteZugänglichkeit des Gesamtbestands Rechnung tragen. Kernelementeines Erschließungsstandards im Landesarchiv sollte daher einerweitertes, nicht nur den Fokus auf die Rückstandbearbeitunglegendes Mehrstufensystem sein. In Anlehnung an die Kategorie Awird die Stufe 0 (Akzession) gesetzt, welche allein schon durch dieAusgangsziffer deutlich macht, dass hier ein unzureichender Er-schließungsgrad vorliegt. Die Stufe 0 beschreibt den Zustand einerAblieferung, der über die formalen vom Archiv vergebenen Akzessi-onsdaten hinaus keine weiteren Angaben zur Überlieferung oderentsprechend verwertbaren Erschließungsdaten enthält. Unterlagender Stufe 0 gelten als nicht erschlossen. Damit der Aufbau von kaumnutzbaren Rückständen gänzlich vermieden wird, beginnt dieeigentliche Erschließung mit der Stufe 1 (Ersterschließung imRahmen der Zugangsbearbeitung). Ziel dieser Ersterschließung isteine unmittelbare Zugangs- und Recherchemöglichkeit in VERA.Die Ersterschließung im Rahmen der Zugangsbearbeitung erfolgtdurch den Import von Anbietungslisten, Ablieferungslisten undähnlich strukturierten Hilfsmitteln nach VERA. Die Grundvoraus-setzung hierfür sind importierfähige Daten. Diese Voraussetzungwird derzeit sukzessiv durch die Arbeit der Projektgruppen Archivie-

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22 Siehe 3. Europäische Konferenz über EAD, EAC und METS, Internationale Standards für digitales Archiv-gut, 24. – 26.04.2007 in Berlin, www.instada.eu.

23 Bericht der Arbeitsgruppe Aufgaben, Arbeitsanfall, Stellenbemessung, 2003 (unveröffentlicht), S.11-12.

rungsmodelle geschaffen, die für die einzelnen Verwaltungszweigestandardisierte Anbietungs- bzw. Übergabeformulare erstellen. DerUmfang und die Aussagekraft der Importe werden allerdings auchdavon abhängen, ob die in VERA einzupflegenden Daten auseinfach strukturierten Listen stammen, die zum Zweck der Anbie-tung und Übergabe erstellt wurden, oder aus komplexen Daten-banksystemen. In der Zugangsbearbeitung wird in jedem Fall eineKontrolle und ggf. eine Nachbearbeitung dieser Daten erfolgenmüssen. Die Stufe 2 ist die Standarderschließung. Sie wird in derRegel eine Nachbearbeitung bzw. Aufbereitung der Ersterschließung(Stufe 1) oder der Akzession (Stufe 0) sein. Auf die Ausgestaltungdieser Stufe wird im weiteren noch näher eingegangen. Vergleichendmit den bisherigen Katego-rien aus dem sog. „Steinbuß-Papier“beschreibt die Stufe 2 einen Standard, der zwischen B und C anzusie-deln wäre. Die Stufe 3 (Maximalerschließung) beschreibt eineErschließung, die über die Anforderungen an die Standarder-schließung hinausgeht. Aufgrund des Ressourcenmangels und derPrioritätensetzung im LAV ist dieser Erschließungsgrad nur inbegründeten Fällen oder bei besonders geförderten Erschließungs-projekten realisierbar. Die somit erfolgte Beschreibung der Erschließungsstufen beschränk-te sich auf die Definition des Erschließungsstandes. Die konkretenAnforderungen und die Ausdifferenzierung der Erschließungstiefeerfolgen über jeweils den Stufen zugeordnete Erschließungskataloge,welche modular aufeinander aufgebaut sind und jeweils eine Unter-scheidung zwischen analogen und elektronischen Unterlagen enthal-ten. Das Ziel der Erschließungskataloge besteht daher in der Festle-gung und Beschreibung aller zu erfassender Daten einschließlich derdamit verbundenen formalen Vorgaben, die zur Erreichung dergewünschten Erschließungstiefe notwendig sind. Dabei werden dieErgebnisse der Ist-Stand-Analyse Grundlage der Diskussion sein. Konkret bedeutet dies, dass der Basiskatalog, der der Stufe 0 zuge-ordnet ist, Anforderung an Umfang und Ausgestaltung der Akzessi-onsdaten beschreibt wie z.B. Bestandsname, Akzessionsdatum,abliefernde Stelle. Darauf aufbauend wird der Basiskatalog der Stufe1 entsprechend weiterführende Vorgaben enthalten. Durch diesebeiden Basiskataloge wird in jedem Fall gewährleistet, dass Archiv-gut zügig und nach vergleichbaren Kriterien zugänglich gemachtwird. Die notwendige Ausdifferenzierung und tiefergehenden Anfor-derungen werden in den Katalogen zur Stufe 2 vorgenommen. Aufdieser Stufe soll es zwei Kataloge geben, die jeweils wieder aufeinan-der aufbauend sich einmal der allgemeinen Standarderschließungnach Archivalientypen und darüber hinaus der speziellen Standard-erschließung nach Beständegruppen widmen. Der Katalog zur Standarderschließung nach Archivalientypen wird in erster LinieErläuterungen und Vorgaben zu den Feldern der unterschiedlichenSpezialmasken (Sachakte, Prozessverfahrensakte, Urkunde etc.)enthalten. Eine stärkere Nutzung von Textbausteinen ist in diesemBereich vorstellbar.Der Katalog zur Standarderschließung nach Beständegruppen hinge-gen wird Rahmenangaben enthalten, welche Felder für welche Artvon Bestand (Schulverwaltung, Bergverwaltung, Finanzverwaltungetc.) zur Erschließung notwendig sind, also standardmäßig angege-ben werden sollten. Beide Bereiche werden in enger Zusammenar-beit mit den zuständigen Dezernaten und Sachbearbeitern ent-wickelt, so dass hier ausgehend von der gegenwärtigenErschließungspraxis ein für alle Abteilungen gültiger Erschließungs-grad erreicht wird.Weiterhin wird gewährleistet, dass die inhaltlichen und formalenAngaben der Kataloge praxistauglich sind.

Ein Katalog für die Stufe 3 entfällt, da die Anforderungen hieraufbauend an den Anforderungen nach den Katalogen 2 „nach obenoffen“ und bedarfsorientiert für den Einzelfall formuliert werdenmüssen.Wie bereits vorgestellt kann sich ein Erschließungsstandard nichtallein auf den Anforderungen an die Verzeichnung beschränken,sondern muss sich auch mit den Entwicklungen in der Bereitstel-lung und Benutzung vernetzen. Die folgenden, hier aber noch nichtmehr näher erläuterten, Arbeitsbereiche werden sich daher speziellVerfahrensfragen und Qualitätsstandards hinsichtlich des Umgangsmit den Erschließungsdaten widmen. Ziel sollen einheitlicheVerfahrensregeln sein, die effiziente und transparente Erschließungs-verfahren im Sinne einer einheitlichen Prozessgestaltung ermögli-chen. Im Fokus werden dabei insbesondere die Verfahren zumImport von Daten aus dem Anbietungsverfahren, zur Findmittelverwaltung aber auch zur Projektplanung und Rückstandsbearbei-tung stehen. Weiterhin muss auch der Umgang mit Findmitteln bzw. Erschließungsdaten im Hinblick auf ein zu erstellendes Dienstleistungsprofil in einen Qualitätsstandard eingebundenwerden. Die Ausgestaltung und Anforderungen, die hier formuliertwerden hängen erheblich von den Ergebnissen des ersten Teils ab.Eine Konkretisierung dieser Punkte erfolgt im weiteren Verlauf derArbeit. ■

Düssedorf, Barbara Hoen/Sebastian Geßmann

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MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES LANDESARCHIVS NRW

Schon lange sind es die Benutzer im Lesesaal des StaatsarchivsMünster und die Internetnutzer – ebenso wie das Kollegium desStaatsarchivs – gewöhnt, ihre Bibliotheksrecherche online durchzu-führen (www.archive.nrw.de/LandesarchivNRW/StaatsarchivMuen-ster/Bibliothek/index.html), denn der Zugang zum Web-Opacbesteht schon seit 2001. Erst seit September 2007 kann der Benutzeraber sicher sein, dass seine Recherche den gesamten Bibliothekskata-log umfasst, denn zu diesem Zeitpunkt wurde das Retrokonver-sionsprojekt nach sieben Jahren abgeschlossen. Insgesamt stehen dem Kollegium und den Benutzern 170.000 Bände– Bücher und Zeitschriften – zur Einsicht im Lesesaal des Staatsar-chivs zur Verfügung, die in 132.000 Datensätzen erschlossen sind.Begonnen im Jahre 2000, wurde das Projekt unter der Leitung desBibliothekars des Staatsarchivs zum größten Teil mit Hilfskräften,zum kleineren Teil mit den Auszubildenden der FachrichtungFachangestellte für Medien- und Informationsdienste („Fami“)durchgeführt. Zunächst wurde der im Jahre 2000 abgebrochenealphabetische Zettelkatalog der selbständigen Veröffentlichungenretrokonvertiert, anschließend der bis 1980 geführte Aufsatzkatalogmit 22.500 Titeln eingearbeitet. Der Aufsatzkatalog erfasst Abhand-lungen von 26 Zeitschriften aus Westfalen bzw. mit westfälischemBezug.

Die Bibliothek des 1829 gegründeten Staatsarchivs umfasst den wohlgrößten Bestand an landesgeschichtlicher Literatur für Westfalen,der durch allgemeinhistorische Werke und vor allem Nachschlage-werke ergänzt wird. Etwa 28.000 Bände stammen aus der Zeit vor1900, denn anders als die Universitäts- und Landesbibliothek Müns-ter, die 1945 hohe Kriegsverluste verkraften musste, hat das Staatsar-chiv Münster keine Einbußen durch Kriegshandlungen hinnehmenmüssen. Kleinere Schwerpunkte der Bibliothek bilden archiv-fachliche, hilfswissenschaftliche und verwaltungsgeschichtlicheTitel. Im Rahmen des Retrokonversionsprojekts wurde darüber hinaus dieSammlung von 40.000 Schulprogrammen aufgenommen, eineSondersammlung des Staatsarchivs Münster, die im Kern auf eineAbgabe des Gymnasiums Laurentianum in Arnsberg zurückgeht.1

Die Schulprogramme, auch als Programmschriften bezeichnet, sindein preußisches Spezifikum. Von 1824 bis 1930 bestand – mit Aus-nahme der Jahre des 1. Weltkriegs – für alle Gymnasien Preußens diePflicht, jährlich ein gedrucktes Schulprogramm zu erstellen undbeim Kultusministerium einzureichen. Die Schulprogramme dientendem Austausch unter den Schulen und wurden deshalb unter deneinzelnen Institutionen verteilt. Sie enthalten zum einen Jahresbe-richte höherer Lehranstalten wie Gymnasien, Realprogymnasien

BIBLIOTHEKS-KATALOG ONLINEDER ABSCHLUSS DER RETROKONVERSION IM LAV NRW STAATSARCHIV MÜNSTER

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und Lyzeen über die geleistete Lehrtätigkeit in Form von Aufstellun-gen und Statistiken, außerdem Listen mit den Namen von Lehrernund Schülern. Zum anderen umfasst die Sammlung Abhandlungen,die den Jahresberichten vorausgehen oder als separate Beilagenbeigegeben sind. Der Fächerkanon ist breit gestreut: Es sind Aufsätzezu mathematischen, naturwissenschaftlichen, historischen undliterarischen Themen enthalten. Die Schulprogramme stammen von1.350 Schulen in 750 Orten des ehemaligen Deutschen Reichs,reichen also weit über den Sprengel des Staatsarchivs hinaus. Ähn-lich große Sammlungen sind selten. Zu ihnen gehört die Sonder-sammlung Schulprogramme an der Universitätsbibliothek Gießen,die ihren Bestand mit 48.000 Abhandlungen beziffert. Die UBGießen pflegt darüber hinaus unter der URL www.uni-giessen.de/ub/kataloge/schulprog_erg.html ein Internetportal fürSchulprogramme.Die verschiedenen – jeweils abgebrochenen – analogen Anläufe zurErschließung der Schulprogramme im Staatsarchiv wurden imRahmen des Retrokonversionsprojekts aufgenommen und zu Endegeführt, so dass der Bestand jetzt als mustergültig katalogisiertgelten kann: Alle Abhandlungen und Jahresberichte sind erfasst undüber das Internet wie über das Intranet im Lesesaal des Staatsarchivsrecherchierbar.Die Bibliothek des Staatsarchivs Münster ist, wie die Bibliothekender anderen drei Archive innerhalb des Landesarchivs NRW, Be-standteil des Bibliotheksverbunds der Landesbehörden NRW (bvlb),dem inzwischen 70 Bibliotheken angehören. Die Datenbestände dervier beteiligten Archive machen dabei ca. ein Drittel des Gesamtbe-stands aus. Der Verbund stellt auch den Web-Opac zur Verfügung.

Unserem Ziel, den Zugang zum Archiv – hier der Dienstbibliothek –zu verbessern, sind wir durch den Abschluss dieses Retrokonver-sionsprojekts einen entscheidenden Schritt näher gekommen.

Münster, Hermann-Josef Schroers/Mechthild Black-Veldtrup

1 Manfred Wolf, Schulprogramme im Staatsarchiv Münster, in: Der Archivar 29, 1976, Sp. 87-89; ReginaMönch, Die Preußen wussten noch, was in ihren Schulen los war, in: Frankfurter Allgemeine ZeitungNr. 266 vom 15. November 2002, S. 48.

ARCHIVARINNEN UND ARCHIVARE AUS SHANGHAI ZU GAST IM LANDESARCHIVNRWFragen der Digitalisierung von Archivgut führen in China und inNordrhein-Westfalen zu ähnlichen Lösungen. Zu dieser, für beideSeiten beruhigenden Erkenntnis gelangten 20 Archivarinnen undArchivare aus Shanghai, die am 8. November 2007 das LandesarchivNordrhein-Westfalen besuchten. Prof. Dr. Wilfried Reininghaus undDr. Martina Wiech begrüßten die Kolleginnen und Kollegen am Sitzder Zentrale des Landesarchivs in Düsseldorf.Auf Ihrer Informationsreise durch mehrere europäische Länderbesuchte die chinesische Delegation unter Leitung von Frau XuYanqing, Vizedezernentin des Archivamts der Stadt Shanghai, ver-schiedene Archive und Archivverwaltungen. Im Mittelpunkt IhresInteresses standen Fragen des Archivmanagements, der Digitalisie-rung sowie der dauerhaften Archivierung elektronischer Unterlagen.An eine kurze Power-Point-Präsentation zu Organisation undAufgaben des Landesarchivs schloss sich – unterstützt durch einenDolmetscher – eine rege Diskussion über Fachfragen an. Das großeInteresse der Besucher(innen) zeigte sich nicht zuletzt an den vielenFotos und Videos, die während der Veranstaltung aufgenommenwurden.Nach zwei Stunden mussten die Kolleginnen und Kollegen ausShanghai wieder aufbrechen, auch wenn auf beiden Seiten noch vielGesprächsstoff vorhanden war. Auf dem Programm der Reisegruppestand an diesem Tag noch ein Besuch des Kölner Doms – und mitdiesem Weltkulturerbe kann und will das Landesarchiv nicht kon-kurrieren. ■

Düsseldorf, Martina Wiech

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MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES LANDESARCHIVS NRW

ARBEITEN IM DIGITALEN LESESAAL

LANDESARCHIV NRWPERSONENSTANDSARCHIV BRÜHL

Digitalisierung hat in den vergangenen Jahren eine immer größereBedeutung für Archive1, Bibliotheken2 und allgemein für die Ge-schichtswissenschaften3 gewonnen. Sie bietet viele neue Möglichkei-ten zur Nutzung insbesondere der in ihrem Erhalt gefährdetenArchiv- und Bibliotheksbestände. Nicht zuletzt hat sie die Selbstdar-stellung dieser Institutionen sowohl im Internet als auch in denLesesälen deutlich beeinflusst und verändert. In den Archiven sinddavon unterschiedliche Arbeitsfelder betroffen, z. B. Schutzdigitali-sierung im Bereich der Bestandserhaltung, Retrokonversion archivi-scher Findhilfsmittel4, „Digitaler Lesesaal“, digitale Langzeitarchivie-rung oder die Archivierung elektronischer Unterlagen5 sowie dieEntwicklung von Internetportalen6.Im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrags steht der „Digitale Lese-saal“. Bisher verlief die Diskussion eher kontrovers. Einerseitswurden die Möglichkeiten und Folgen für die Lesesaalkonzeption,die Bestandserhaltung und die archivischen Fachaufgaben betont,andererseits wurde der zu erwartende erhebliche technische Auf-wand herausgestellt, für den finanzielle Mittel möglicherweise nichtausreichend zur Verfügung stehen, außerdem wird seit kurzer Zeitder zusätzliche Aspekt der Kommerzialisierung von Digitalisatenvon Archivgut in die Diskussion eingeführt. Für den „digitalen Lesesaal“ wurden vor allem zwei Definitionen7

entwickelt: 1. Die weitgehende oder sogar vollständige Nutzung derArchivbestände in digitaler Form in einem herkömmlichen Lesesaalund 2. die Einrichtung eines „Lesesaals im Internet“, wo man inzahlreichen Datenbanken, Beständeübersichten und Online-Find-büchern übergreifend recherchieren kann, wobei die Datenbankenmit den Digitalisaten der Archivalien verbunden sein können.

Lesesaal

1 Z. B. Hartmut Weber/Gerald Maier (Hgg.), Digitale Archive und Bibliotheken. Neue Zugangsmöglich-keiten und Nutzungsqualitäten (Werkhefte der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg A15), Stuttgart 2000; Michael Wettengel (Hg.), Digitale Bilder und Filme im Archiv. Marketing und Ver-marktung. Vorträge des 66. Südwestdeutschen Archivtags am 24. Juni 2006 in Karlsruhe-Durlach, Stutt-gart 2007.

2 Z.B. Thomas Parschik, Durchführung von Digitalisierungsprojekten in Bibliotheken, in: Der Bibliotheks-dienst 40 (2006), S. 1421-1443.

3 Vgl. jetzt die Berichte im AHF-Jahrbuch der historischen Forschung. Berichtsjahr 2006, München 2007,S. 15-137.

4 Ulrich Fischer/Wilfried Reininghaus, DFG-Vorstudie „Retrokonversion archivischer Findhilfsmittel“.Die wichtigsten Ergebnisse des Projekts, in: Der Archivar 59 (2006), S. 329-333.

5 Vgl. zuletzt im Überblick: Barbara Hoen (Hg.), Planungen, Projekte, Perspektiven. Zum Stand der Ar-chivierung elektronischer Unterlagen. 10. Tagung des Arbeitskreises „Archivierung von Unterlagen ausdigitalen Systemen“ 14. und 15. März 2006 in Düsseldorf (Veröffentlichungen des Landesarchivs Nord-rhein-Westfalen 10), Düsseldorf 2006.

6 Aus nordrhein-westfälischer Sicht: Martina Wiech, Neues Internetportal „Archive in NRW“ online, in:Der Archivar 60 (2007), S. 248-250.

7 Z.B. Lucie Verachten, Der digitale Lesesaal. Ein Erfahrungsbericht aus belgischer Sicht, in: Verena Kin-le/Wolf-Rüdiger Schleidgen (Hgg.), Zwischen Tradition und Innovation. Strategien für die Lösung ar-chivischer Aufgaben am Beginn des 21. Jahrhunderts. Beiträge der Fachtagung der Staatlichen Archivedes Landes Nordrhein-Westfalen am 11. Dezember 2001 in Schloss Augustusburg, Brühl und des 12. In-ternationalen Archivsymposions vom 14. bis 15. Mai 2002 in Düsseldorf (Veröffentlichungen der staat-lichen Archive des Landes Nordrhein-Westfalen E 8), Siegburg 2002, S. 209-222; andere Akzentuierung:Angelika Menne-Haritz, Digitaler Lesesaal, virtuelle Magazine und Online-Findbücher. Auswirkungender Digitalisierung auf die archivischen Fachaufgaben, in: H. Weber/G. Maier, Digitale Archive (wieAnm. 5), S. 25-34; Hans-Jürgen Höötmann, Auswirkungen der Digitalisierung auf die Lesesaalkonzep-tion. Möglichkeiten zur Verbesserung archivischer Service-Dienstleistungen, in: Archivpflege in West-falen und Lippe 53 (2000), S. 28-32.

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Praxiserfahrungen liegen für beide Formen nach wie vor nur wenigevor. In Nordrhein-Westfalen hat man sich für die erste Perspektiveentschieden und im Personenstandsarchiv Brühl, der Abteilung 7 desseit dem 1. Januar 2004 bestehenden Landesarchivs Nordrhein-Westfalen, das Projekt eines „Digitalen Lesesaals“ entwickelt. Esbietet sich wegen der sehr übersichtlichen Struktur seiner Beständefür dieses Projekt in besonderer Weise an. Hier konnten deshalb inden letzten Jahren zahlreiche Erfahrungen in der praktischen undtechnischen Umsetzung eines solchen Projekts gewonnen werden,die nun nach dem Abschluss der ersten großen Entwicklungsstufeerstmals vorgestellt werden sollen.8 Nach Jahren intensiver Aufbauar-beit hat der „Digitale Lesesaal“ Gestalt angenommen9, sodass in denkommenden Jahren der innere Ausbau sowie Verfeinerungen undVerbesserungen, wie sie sich im Laufe der weiteren praktischenNutzung ergeben werden, im Vordergrund stehen können. Alle Maßnahmen haben das Ziel, einen modernen, leistungskräfti-gen, benutzerorientierten und effektiv arbeitenden Lesesaalbetrieb

angesichts immer weiter sinkender Personalressourcen zu entwickeln.Dies ist nur durch den sinnvollen Einsatz der heute möglichentechnischen Entwicklungen im IT-Bereich zu erreichen. Gleichzeitigsollte ein besserer Schutz der besonders im Personenstandsarchiväußerst intensiv genutzten und inzwischen meist sehr geschädigtenArchivbestände der Kirchenbücher aus der Zeit von 1571 bis 1798(linksrheinisch) bzw. 1810 (rechtsrheinisch) und der Zivilstandsregis-ter aus dem Zeitraum von 1796/98 bis 1875 erreicht werden. Natür-lich erhoffte man sich auch, durch die Technisierung die täglichenRecherchearbeiten des Archivpersonals zusätzlich zu erleichtern undzu unterstützen.Ein Projekt wie dieses verlangt nicht nur einen langen Atem10,sondern es ist eng an die besonderen Nutzungsbedingungen und -gewohnheiten der genealogischen Forschungsmethoden sowie andie übersichtliche Struktur der Bestände des PersonenstandsarchivsBrühl geknüpft11; es ist deshalb sicher nicht in identischer Form aufandere Archive übertragbar, wenn auch wesentliche Bestandteile

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Karte

Modellcharakter haben können. Aus der Sicht des Personenstandsar-chivs Brühl sind vor allem drei Bestandteile für einen funktionieren-den digitalen Lesesaal wichtig:1. Technische Ausstattung: Ursprünglich waren im Lesesaal des

Personenstandsarchivs 7 Arbeitsplätze mit PCs ausgestattet,inzwischen sind es 24 von insgesamt 30 Arbeitsplätzen. Zugleichwurde das gesamte Mobiliar den technischen Anforderungenangepasst, d. h. computergerechte Tische angeschafft, bei denensich die Tastaturen zur Platzersparnis unter die Tischoberflächeschieben lassen. Zur technischen Ausstattung gehört auch einebessere und leistungsstärkere Netzleistung. Wegen der vorhande-nen und noch zu erwartenden elektronischen Datenmengenwurde die Netzleistung auf 100 MBit aufgestockt. Dies gewähr-leistet einen gleichzeitigen schnellen und sicheren Zugriff auf dieDigitalisate für alle Benutzer. Die Technisierung des Lesesaals haterhebliche Baumaßnahmen erfordert. Dazu gehörte insbesonderedie Aufstockung der Netzleistung, für die bauliche

8 Ein Vorbericht: Christian Reinicke, Landesarchiv NRW Personenstandsarchiv Brühl: Auf dem Weg zumdigitalen Lesesaal, in: Der Archivar 60 (2007), S. 150.

9 Vgl. auch: Christian Reinicke, Auf dem Weg zum digitalen Lesesaal. Digitalisierung im LandesarchivNordrhein-Westfalen Personenstandsarchiv Brühl, in: ABI-Technik 27 (2007), S. 28-35.

10 In dieses Projekt sind die Ideen vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Personenstandsarchivs Brühleingeflossen. Besondere Verdienste haben Hermann Gerhardt sowie die IT- Administratoren des Tech-nischen Zentrums des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen, Christian Wortmann, und des Personen-standsarchivs Brühl, Stephan Switaiski, erworben, die mit viel persönlichem Engagement die techni-sche Umsetzung entwickelt und realisiert haben.

11 Beständeübersicht: www.archive.nrw.de.

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Eingriffe notwendig waren. Außerdem wurde der Serverraum miterweiterten Speicherkapazitäten und einem neuen Kühlsystemausgestattet; zurzeit sind 527 GB belegt, dies entspricht rund1.729.000 Digitalisaten.

2. Aufbau eines digitalen Bildarchivs: Das digitale Bildarchivbesteht aus den dafür besonders geeigneten Beständen desPersonenstandsarchivs, den Kirchenbüchern aus der Zeit von1571 bis 1798 (linksrheinisch) bzw. 1810 (rechtsrheinisch) und denZivilstandsregistern von 1796/98 bis 1875 mit den Beiakten derBelege und Aufgebote sowie den dazugehörigen Dezennaltabellenbzw. Namensverzeichnissen. Grundsätzlich gilt, dass Kirchen-bücher und Zivilstandsregister mit Beiakten nur vom Originaldirekt und in Farbe digitalisiert werden (300 dpi). Dies hat denVorteil, dass die Qualitätsunterschiede der vorhandenen Mikro-filme vermieden werden können; der Film bleibt aber ein Siche-rungsmedium12, das Digitalisat dient allein der Nutzung. Nur dieDigitalisierung der Hilfsmittel, der Dezennaltabellen bzw. Na-mensverzeichnisse, erfolgt in schwarz-weiß und teilweise auchvom Mikrofilm/fiche, um den Fortschritt des Projektes zeitlich zubeschleunigen; die Filmqualität ist hierfür durchschnittlichausreichend. Seit 1999/2000 wurden die im Personenstandsarchiv Brühlaufbewahrten Kirchenbücher aus Gründen der Bestandserhal-tung digitalisiert und nur noch in dieser Form zur Benutzung imLesesaal angeboten. Inzwischen liegt etwas mehr als die Hälfteder 4.196 Kirchenbücher digital vor und steht so zur Benutzungzur Verfügung. Seit etwa zwei Jahren wurde dieses Projekt auf diezeitlich anschließenden Zivilstandsregister zunächst bis einschl.1814, der „Französischen Zeit“ im Rheinland, ausgedehnt. Eshandelt sich dabei um 26.330 Bände, aus denen ca. 1.000.000Aufnahmen entstehen. Bis Anfang 2008 werden alle genanntenBände der Zivilstandsregister dieses ersten Zeitabschnitts digitali-siert sein. Erstmals wird bei diesen Beständeteilen zusätzlich ausden Digitalisaten ein Film belichtet, um die älteren und häufigunzureichenden Filme allmählich ersetzen zu können.Etwa gleichzeitig wurde damit begonnen, die Namensverzeich-nisse zu den Kirchenbüchern sowie die Dezennaltabellen bzw.Namensverzeichnisse zu den Zivilstandsregistern, die als Hilfs-mittel zu deren Benutzung dienen, zu digitalisieren. Hier sindbisher die Namensverzeichnisse zu den Kölner Kirchenbüchernund etwa die Hälfte der Dezennaltabellen digitalisiert. DieDigitalisierung der Kirchenbücher wird im Personenstandsar-chiv selbst, die der Zivilstandsregister wird außer Haus durchge-führt (bisher: Firma Mikrounivers, Berlin). Im Personenstandsar-chiv stehen für die Digitalisierung der Kirchenbücher zweiHalbtagskräfte zur Verfügung, die seit Ende 2006 an einemneuen Aufsichtsscanner Bookeye 3 der Firma ImageWare Bonnarbeiten, der das Vorgängergerät Zeutschel OSC 6000 abgelösthat. Die Digitalisierung der Findhilfsmittel wird bisher teilsaußerhalb, teils im PSA durchgeführt.Die Frage der Datensicherung wurde so gelöst, dass das Techni-sche Zentrum des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen die„Masterdigitalisate“ im TIFF-Format sichert. Der Zugriff imLesesaal erfolgt auf Kopien im JPG-Format, die auf dem lokalenServer in Brühl abgelegt werden; der Zugriff auf Digitalisate derjeweils anderen Häuser des Landesarchivs erfolgt über denzentralen Bilder-Server im Technischen Zentrum (ebenfalls imJPG-Format).

3. Präsentation im Lesesaal: Die Digitalisate wurden bis Mai 2007durch das Programm Thumbs 2000 plus aufbereitet und dem

Benutzer auf den Bildschirmen im Lesesaal präsentiert. Mitwachsender Menge der Digitalisierungsdaten war jedoch dieÜbersichtlichkeit gefährdet. Mit dem Technischen Zentrum desLandesarchivs Nordrhein-Westfalen wurde ein einheitlicherViewer entwickelt, der es ermöglicht, in jeder Abteilung desLandesarchivs auch die Digitalisate der jeweils anderen Abteilun-gen nutzen zu können. Dieser Viewer wird seit Ende Mai 2007erfolgreich in Brühl erprobt, dabei konnten auch Verbesserungs-vorschläge von Benutzern aufgenommen und der Viewer in engerZusammenarbeit mit dem Technischen Zentrum weiterentwickeltwerden.

Die genannten drei Hauptbestandteile des digitalen Lesesaals,technische Ausstattung, digitales Bildarchiv und Präsentationsform,werden im Personenstandsarchiv Brühl durch weitere Maßnahmenergänzt, die sich vor allem auf die Benutzung und die Öffentlich-keitsarbeit konzentrieren. 1. Recherchemethoden: Es gibt keine übergreifende Datenbank aller

in den Kirchenbüchern und Zivilstandsregistern genanntenPersonen, wenn auch immer wieder dieser Wunsch geäußert odersogar die Existenz einer solchen Datenbank vorausgesetzt wird.Eine erfolgreiche Recherche im Personenstandsarchiv kanndeshalb nur von einem Ort ausgehen. Für diesen wird dannfestgestellt, welche Kirchenbücher oder Zivilstandsregister vor-handen sind, anhand etwa vorhandener Dezennaltabellen oderNamensverzeichnissen kann dann die gesuchte Person gefundenwerden. Es bot sich an, diese für viele Archive eher ungewohnteRecherchemethode kartographisch umzusetzen. Das Personen-standsarchiv hat in Zusammenarbeit mit dem Amt für rheinischeLandeskunde Bonn13 eine interaktive Beständeübersicht auf derGrundlage einer Karte seiner Zuständigkeitsbezirke, der Regie-rungsbezirke Düsseldorf und Köln, entwickelt, die alle Orte, zudenen das Personenstandsarchiv Überlieferung aufbewahrt,verzeichnet und die zugehörigen Kirchenbücher und Zivilstands-register mit den Beiakten und Hilfsmitteln aufführt. Diese inter-aktive Beständeübersicht ist seit einigen Monaten in einer erstenEntwicklungsstufe in Benutzung, d. h. die Kirchenbücher undZivilstandsregister sind erfasst. Die Karte ist als Alternative zumeingeführten Verzeichnungs-, Erschließungs- und Recherchepro-gramm der staatlichen Archive (V.E.R.A.) zu sehen, beide sollenzukünftig miteinander verbunden werden.

2. Organisation des Lesesaals: Die weitgehende Technisierung desLesesaals hat zahlreiche Rückwirkungen für dessen Organisation.Die Digitalisierung ermöglicht es, dass jetzt verschiedene Benut-zer gleichzeitig auf dasselbe Archivale zugreifen können. Dadurchentlastet sie anteilig das Magazinpersonal, das für andere not-wendige Arbeiten herangezogen werden kann, die wegen dervorhandenen Personalknappheit seit Jahren zurückgestelltwerden mussten. Auch ist für Digitalisate die zeitaufwendigeEinzelverbuchung ausgeliehener Archivalien durch die Lesesaal-aufsicht nicht mehr notwendig, da sich die Zugriffe auf dieeinzelnen Digitalisate technisch feststellen lassen. Von zahlreichen Benutzern war wiederholt der Wunsch geäußertworden, bestellte Kopien aus den digitalisierten Archivalien nocham selben Tag des Archivbesuchs mitnehmen zu können. DieserWunsch kann nun seit etwa einem halben Jahr erfüllt werden;für die noch nicht digitalisierten Bestände ist weiterhin einbesonderer Kopierantrag notwendig, der möglichst zeitnahinnerhalb einer Woche erledigt wird.An allen 24 individuell gekennzeichneten Bildschirmen könnenAusdrucke über den genannten Viewer angestoßen werden, die

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Viewer mit Kennzeichnung des Druckbuttons

auf einen zentralen Drucker geleitet werden, dieser liefert dieAusdrucke standardmäßig in Schwarz-Weiß, auf Wunsch auch inFarbe, innerhalb kürzester Zeit. Ein sehr differenziert ausgearbei-teter Workflow verhindert, dass es hier zu möglichen Missver-ständnissen über die bestellten Kopien kommt; jeder Ausdruckwird über einen feststehenden Text im Endorser eindeutig einemPC zugeordnet, der gleichzeitig die Signatur der bestellten Kopiebestimmt. Eine Abrechnung ist dann wie bisher bei der Lesesaal-aufsicht möglich und wird bei der Aushändigung der Kopienerledigt. Hierfür steht seit dem Ende des Jahres 2007 ein Kassen-automat zur Verfügung. Auch die Aufgaben der Benutzersaalaufsicht ändern sich, siewerden durch technische Aspekte ergänzt, was sich besonders beider Einführung neuer Benutzer in die Handhabung der PCsbemerkbar macht.

3. Edition Brühl: Parallel zur Einrichtung des digitalen Lesesaalswurde eine neue Veröffentlichungsreihe und -form entwickelt, diedie hergestellten Digitalisate zusätzlich nutzt und an die Öffent-lichkeit bringt. Seit Ende 2003 werden die Bilddateien zusammenmit einer genauen Inhaltsbeschreibung und einem Verzeichnisder zu digitalisierenden 4.196 Kirchenbücher auf CD oder DVDsukzessive als Edition Brühl14 im Verlag Patrimonium Transcrip-tum Bonn (www.patrimonium-transcriptum.de) veröffentlicht.15

Die Dateien werden dazu in eine eigens vom Verlag entwickelteSoftware eingebunden, die den Umgang mit den Bildern mög-lichst komfortabel macht. Dabei werden immer alle Kirchen-bücher, die in Brühl zu einem Ort aufbewahrt werden und sichim staatlichen Besitz befinden, zusammen veröffentlicht. DieEdition ist nach fast vier Jahren auf 140 Nummern mit insgesamtca. 600 Kirchenbüchern angewachsen und wird laufend fortge-setzt.

Die Einrichtung eines digitalen Lesesaals hat vielfältige Rückwir-kungen auf das Selbstverständnis, die Organisation, das Personal

12 Frieder Kuhn, Nicht zu vergessen: Mikrofilm! Ein Zwischenruf, in: Gerald Maier/Thomas Fricke (Hgg.),Kulturgut aus Archiven, Bibliotheken und Museen im Internet. Neue Ansätze und Techniken (Werk-hefte der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg A 17), Stuttgart 2004, S. 203-205.

13 Für die Vermittlung und Unterstützung danke ich besonders Frau Dr. Margret Wensky und Frau EstherWeiss.

14 Vgl. Christian Reinicke, Vom Kirchenbuch zur CDROM. Einführung in die Edition Brühl (Veröffent-lichungen des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen 13), Bonn 2006; ders., Kirchenbücher im Landesar-chiv Nordrhein-Westfalen Personenstandsarchiv Brühl. Neue Auswertungs- und Erschließungsmetho-den, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 70 (2006), S. 261-287.

15 Im selben Verlag erscheint auch die Edition Detmold; vgl. Bettina Joergens, Edition Detmold (Veröf-fentlichungen des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen 9), Bonn 2006.

sowie die Technikausstattung eines Archivs. Erste Rückmeldungenvon Seiten der BenutzerInnen sind positiv und zeigen, dass dereingeschlagene Weg der richtige ist. Die Zufriedenheit der im Perso-nenstandsarchiv Brühl immer sehr kritischen und anspruchsvollenBenutzer konnte merkbar gesteigert werden. In den nächsten Jahrenwird sich der digitale Lesesaal bewähren müssen und weiter ausge-baut werden. Um dieses Niveau zu halten oder sogar zu erhöhensind dennoch dauernde und weitere Anstrengungen notwendig. ■

Brühl, Christian Reinicke

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„In der Erinnerungskultur, die sich seit den 1990er Jahren inDeutschland so lebendig entwickelt hat, sind die Archive nicht nurSpeichergedächtnis, sondern greifen zum Teil auch aktiv Themenauf“, merkte der Vorsitzende des Verbands deutscher Archivarinnenund Archivare, Robert Kretzschmar, in einem Gespräch mit derDeutschen Presse-Agentur zum Rahmenthema des 77. DeutschenArchivtags an, der vom 25. bis 28. September 2007 in Mannheim imCongress Center Rosengarten mit rund 650 Teilnehmern stattfand.Viele Archive seien selbst Träger und Motoren der Erinnerung.Damit beschrieb er die Rolle der Archive für die Erinnerungsarbeit,die in der Bundesrepublik Deutschland heute einen gewichtigen Teilihres kulturellen Auftrags ausmacht. Dieser hängt freilich eng mitden Kernaufgaben wie der Überlieferungsbildung unmittelbarzusammen: Wird heute bei der Bildung archivalischer Überlieferungdas richtige Material für eine zukünftige Erinnerungskultur – z.B.die der Migranten – gesichert oder bestehen Defizite? WelcheFunktion erfüllen Archivbildungen gesellschaftlicher Gruppierungenjenseits der „klassischen Archive“ und Spezialarchive dabei?Die Leitfragen des 77. Deutschen Archivtags, die der Vorsitzende inder Eröffnungsveranstaltung formulierte und sich wie ein roterFaden durch den gesamten Kongress zogen, zielten dementsprechendauch auf die archivische Alltagspraxis: Welche Funktionen müssen,sollen, können Archive für die Erinnerungskultur erfüllen? WelcheKonsequenzen bzw. Anforderungen ergeben sich vor allem für dieÜberlieferungsbildung, wenn die Voraussetzungen für eine leben-dige Erinnerungskultur der Zukunft geschaffen werden sollen?

LEBENDIGEERINNERUNGS-KULTUR FÜRDIE ZUKUNFT77. DEUTSCHER ARCHIVTAGIN MANNHEIMTagungsbericht von Clemens Rehm

Welche Aktivitäten können Archive entfalten, um selbst an derErinnerungskultur mitzuwirken? Sind sie mit ihrer Facharbeitderzeit hinreichend in den gesellschaftspolitischen Diskurs einge-bunden? Welche Möglichkeiten der Vernetzung bieten sich der„Gedächtnisinstitution Archiv“? Und wo müssen Grenzen gegen-über Museen und Gedenkstätten gezogen werden?Der 77. Deutsche Archivtag sollte dazu Anstöße geben, die Rolle derArchive für die Erinnerungskultur zu überdenken.Die verstärkte öffentliche Wahrnehmung der Archive wurde bereitsin den Grußworten des Mannheimer Oberbürgermeisters Dr. PeterKurz und des baden-württembergischen WissenschaftsministersProf. Dr. Peter Frankenberg sowie des Kollegen Dr. John Alban ausNorwich/GB für die ausländischen Teilnehmer deutlich. Kurz stelltedie besondere Bedeutung der Bildungsarbeit der Archive heraus,deren Wirkung er an konkreten Beispielen der Mannheimer Stadtge-schichte festmachte und als identitätsstiftend kennzeichnete. Fran-kenberg betonte den Auftrag der Archive, auch in der digitalen WeltSpeicherinstitution zu sein, und erinnerte an das 20-jährige Ju-biläum des baden-württembergischen Archivgesetzes und damit anden Beginn der bundesdeutschen Archivgesetzgebung. Die Einbin-dung der Archive des Vereinten Königreichs in die politische Alltags-kultur illustrierte Alban am Beispiel des Erinnerungsprogramms„black month“ zur Geschichte der Sklaverei und des Sklavenhan-dels.In ihrem Einführungsvortrag forderte Aleida Assmann sodanneindrucksvoll dazu auf, dass Archive über ihre Aufgabe als passives

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„Speichergedächtnis“ hinaus eine Aufgabe als gestaltende Institutio-nen wahrnehmen sollten, als „Funktionsgedächtnis“. Speicherge-dächtnis und Funktionsgedächtnis beschrieb sie als aufeinanderangewiesen: Ein vom Funktionsgedächtnis abgekoppeltes Speicher-gedächtnis bleibt eine Masse bedeutungsloser Informationen. So wiedas Speichergedächtnis das Funktionsgedächtnis verifizieren, stützenoder korrigieren kann, kann das Funktionsgedächtnis das Speicher-gedächtnis orientieren und motivieren.Damit war für den grundlegenden Beitrag von Hermann Rumschöt-tel zur geschichtspolitischen Funktion der Archive und das folgendeexemplarische Referat von Ulrich Nieß zur Mannheimer Erinne-rungskultur ebenso der Rahmen gesetzt wie für die Sektionen, indenen unter den Stichworten „Archivische Erinnerungsarbeit imgesellschaftlichen Diskurs“, „Überlieferungssicherung für Migran-ten“, „Überlieferungssicherung in ‚Freien Archiven’“ und „Funktionund Zukunft von Spezialarchiven“ relevante Einzelthemen aus derarchivischen Praxis beleuchtet wurden. Bei der Überlieferungssiche-rung für Migranten in Deutschland zeigte sich dabei deutlich, dassdie Gedächtnisinstitutionen hier vor neuen Herausforderungenstehen. So gesehen bietet die Wahl des Mottos für den Tag derArchive 2008 „Heimat und Fremde“ eine weitere Chance auf dieseBevölkerungsgruppen zuzugehen, um zu konstatierende Defiziteabzubauen.

Aleida Assmann bei ihrem Eröffnungsvortrag

Empfang im Foyer des Congress Center Rosengarten nach derEröffnungsveranstaltung

Ulrich Nieß bei seinem Vortrag zur Erinnerungskultur der Stadt Mannheim in derErsten Gemeinsamen Arbeitssitzung

Die Aufgabe der Archive, Erinnerung aktiv zu gestalten, wurdeanhand zahlreicher Beispiele illustriert; dass dafür archivpädagogi-sche Ansätze nötig sind und die Vernetzung zwischen Archiven bzw.mit anderen Gedächtnisinstitutionen eine wesentliche Rolle spielt,wurde ebenso offenbar.Archive haben Besonderes, Einzigartiges zu bieten, aber sie stehennicht allein auf dem Feld der Erinnerungskultur und wollen doch –vor allem bei Kooperationen – stets als Archive sichtbar bleiben. Dasbedarf neuer Anstrengungen, weshalb z. B. der VdA auf dem Histori-kertag 2008 unter dem Titel „Historische Erinnerung in der Zeit desInternets“ die Rolle und Bedeutung der Archive hierbei herausstel-len wird. Dass die unverzichtbare Funktion der Archive für einelebendige Erinnerungskultur in der Öffentlichkeit noch stärkerbetont werden muss, stand auf dem Archivtag hinter der Anregung,diese Aufgabe bei der anstehenden Novellierung der Archivgesetzegesetzlich zu verankern. Vom Archivtag bleibt insgesamt der Ein-druck einer „offensiven Selbstvergewisserung“ eines Berufsstandes,der sich den relevanten Fragen stellt – im Ergebnis ein hoffnungsvol-les Zeichen.

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ABLAUF, BESONDERE PROGRAMMPUNKTE UND RAHMENPROGRAMM

Die seit dem 75. Archivtag in Stuttgart bestehende Struktur wurdein Mannheim um eine Präsentationsmöglichkeit für die Ausstellerder Fachmesse Archivistica erweitert1, die sehr gut angenommenwurde.Bewährt hat sich wiederum die Vorverlegung der Eröffnungsveran-staltung auf den Dienstagabend, durch den die wiederum gutbesuchten Angebote der Arbeitskreise auch zeitlich eng mit demArchivtag verknüpft waren. Zudem bestand auch in Mannheimschon ab Dienstag die Möglichkeit, die Archivmesse Archivistica zubesuchen. Ebenfalls am Dienstag fand das übliche Treffen derausländischen Archivtagsteilnehmer unter der Leitung von Dr.Martin Dallmeier (Regensburg) mit 18 Teilnehmern aus sechsNationen, darunter erstmals Serbien und Großbritannien, statt, dasfür alle ausländischen Teilnehmer offen ist und vor allem der wech-selseitigen Information über aktuelle Entwicklungen in den einzel-nen Ländern dient. Beschlossen wurde die Eröffnungsveranstaltungam Dienstag mit einem Empfang des Landes Baden-Württembergim Congress Center Rosengarten.Der Begegnungsabend im Collini-Center am Mittwochabend botüber den Dächern Mannheims einen weit reichenden Ausblick.Begleitet von originell vorgetragenen Liedern bot er bei regionaltypi-schem Essen den passenden Rahmen für die persönliche Begegnung.Einen ersten Überblick über die vielfältigen Projekte und die unter-schiedlichen Programme zur Digitalisierung von Findmitteln undArchivgut auf deutscher und europäischer Ebene verschafften sichdie Zuhörer am Donnerstag in der sehr gut besuchten Informations-veranstaltung „Aktuelle Projekte zur Digitalisierung des kulturellenErbes in Deutschland als Beiträge zu einer lebendigen Erinnerungs-

kultur“. In Kurzreferaten stellten Gerald Maier (Stuttgart), der auchmoderierte, die geplante „Digitale Bibliothek Deutschland“, Angeli-ka Menne-Haritz (Berlin) das Konzept für ein nationales und eu-ropäisches Archivportal, Jörn Sieglerschmidt (Konstanz) das bereitsnutzbare Internetportal für Bibliotheken, Archive und Museen„BAM-Portal“ (www.bam-portal.de), Monika Hagedorn-Saupe(Berlin) das EU-Projekt MICHAEL Plus (www.michael-culture.eu)und Frank Bischoff (Marburg) die gerade auf den Weg gebrachteFörderlinie der DFG für die Retrokonversion archivischer Finmittel(www.archivschule.de/content/460.html) vor.Wie mit einem Orgelkonzert musikalische Konventionen unterhalt-sam gebrochen werden, konnten die Kolleginnen und Kollegen zumAbschluss des Tages in der Christuskirche erleben: Der Landes- undBezirkskantor Johannes Michel, der bereits die Eröffnungsveranstal-tung meisterhaft umrahmt hatte, verwandelte die Orgel mit teilseigenen Kompositionen in einen swingenden und jazzenden Klang-körper.Die Studienfahrten am Freitag führten unter der sachkundigenFührung von Hans Ammerich und Gerold Bönnen zu christlichenund jüdischen Zentren am Rhein (Dom und Judenfriedhof inWorms, Dom und Judenbad in Speyer) und auf den Spuren von Berthaund Carl Benz zu der Sonderausstellung „Mannheim auf Achse.Mobilität im Wandel 1607 – 2007“ in das Carl-Benz-Museum inLadenburg, ein Depot des Mannheimer Landesmuseums für Tech-nik und Arbeit. Die zahlreichen Führungen, die das Ortskomiteeunter der Leitung des Stadtarchivs für den Dienstag und den Don-nerstag vorbereitet hatte, stießen ebenfalls auf großen Zuspruch.

Das Podium der Sektionssitzung 2

1 Das Programm des 77. Deutschen Archivtags mit dem genauen Ablauf und Einzelveranstaltungen so-wie das Begleitprogramm (Ausstellungen, Führungen etc.) lassen sich auf der Internetseite des VdA(www.vda.archiv.net) einsehen (Programmheft als pdf und Kurzfassung).

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ARCHIVMESSE ARCHIVISTICA

2 Ausstellerliste mit Verlinkung unter www.archivistica.de

DER VdA IM NEUSTRUKTURIERTEN „ARCHIVAR“Liebe Kolleginnen und Kollegen,

im neu strukturierten „Archivar“ findet sich die Berichter-stattung über den vorangegangenen Archivtag zukünftig aufden Seiten des VdA – Verband deutscher Archivarinnen undArchivare, der Veranstalter des Deutschen Archivtags ist.Die Berichterstattung im „Archivar“ und die Drucklegungdes Tagungsbandes haben wir noch stärker als bisher aufein-ander abgestimmt. Neben dem allgemeinen Tagungsberichtsind im „Archivar“ die Berichte zu den Fachgruppensitzun-gen und der Arbeitskreise des VdA publiziert. Im Tagungs-band, der im Sommer 2008 als Bd. 12 der Tagungsdokumen-tationen zum Deutschen Archivtag erscheinen wird, werdendann neben einer thematischen Einführung der Eröffnungs-vortrag, die Referate der beiden Gemeinsamen Arbeitssitzun-gen und der vier Sektionen sowie die dazu gehörigen Berich-te veröffentlicht. Um Doppelungen zu vermeiden, ist dieBerichterstattung im „Archivar“ über die Arbeitssitzungenund die Sektionen bewusst kurz gehalten.

Die Seiten des VdA im neu strukturierten „Archivar“ sindfür alle verbandsbezogenen Mitteilungen und Berichtevorgesehen. Zukünftig werden also insbesondere auchBeiträge aus den Fachgruppen, den Landesverbänden undden Arbeitskreisen hier gebündelt erscheinen, aber natürlichauch weiterhin die aktuellen Verbandsmitteilungen.

Wir hoffen, damit den Informationsfluss über die Verbands-aktivitäten noch einmal übersichtlicher gestalten zu können.

Stuttgart, den 6. Januar 2008Mit herzlichen GrüßenIhr Robert KretzschmarVorsitzender des VdA

Auch in Mannheim fand die größte Archivfachmesse Europas aufzwei Etagen großzügig verteilt das Interesse des Publikums. Diesmalkonnten 44 Ausstellungsstände für die öffentlich zugängliche Messevergeben werden2. Zum ersten Mal wurden am Nachmittag des 27.September Präsentationsmöglichkeiten für die Anbieter eröffnet, umden Archivtagsbesuchern und Ausstellern ein zusätzliches Forum

vor allem zur Vorstellung von Neuentwicklungen anzubieten.Aufgrund der großen Nachfrage der Aussteller wurden drei Veran-staltungen mit den Schwerpunkten „Software“ (DMS, Archivsoft-ware), „Erhaltung/Logistik“ und „Reproduktion“ (Fotografie,Mikroverfilmung, Scannen) parallel angeboten.

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dem Sektor der Archivwissenschaft als bis heute unbestrittene undauch international geachtete Größe gilt. Kennzeichnend für seinfrüheres Leben seien – im Sinne des einleitend zitierten Archivarsbil-des – zunächst Anbiederung an die Politik, dann – durch seinEngagement als politisierender Propagandist des deutschen Vordrin-gens nach Osten – die völlige Unterwerfung unter deren Ziele undim Ergebnis Entfremdung gegenüber dem Archiv gewesen. Papritz’Marburger Karriere begann 1949, als er trotz seiner Archivferne andie dortige Archivschule berufen wurde. Nach verhältnismäßigkurzer Zeit rückte er an die Spitze von Archivschule und StaatsarchivMarburg, wobei ihm nach Darstellung Menks neben einem großenpersonellen Umbruch auch das nachhaltige Verblassen der auf diejüngste NS-Vergangenheit gerichteten Erinnerungskultur zugutegekommen ist.Unter dem Titel „,Noch haben wir kein württembergisches Volk‘–‚Vaterlandskunde‘ und Staatsbildung im Königreich Württemberg“stellte Dr. Wolfgang Zimmermann, Landesarchiv Baden-Württem-berg, ein historisches Beispiel für Geschichtsarbeit oder Erinne-rungskultur mit etatistischer Perspektive vor, das unter gewandeltenbildungs- und kulturpolitischen Prämissen bis heute fortlebt. 1820richtete das Königreich Württemberg ein Statistisch-topographischesBureau ein. Dieser Einrichtung wurde die Aufgabe der Landesbe-schreibung übertragen, die als staatlich gesteuerte „Vaterlandskun-de“ einen systematischen Überblick über die geographischen undstatistischen Verhältnisse des Königreichs und dessen administrativeGliederung bieten, das Gemeinschaftsgefühl der Staatsbürgerfördern und damit zum Staatsbildungsprozess des jungen Staatesbeitragen sollte. Als Publikationsorgan dienten die (in erster Serie)zwischen 1824 und 1886 publizierten Oberamtsbeschreibungen, dieeinen wesentlichen Anteil daran hatten, dass Württemberg nicht nurzu einem gemeinsamen Kultur- und Erinnerungsraum wurde,sondern, indem die Vermittlung der landeskundlich relevantenInformationen auf der Ebene der unteren Verwaltungsbezirkeerfolgte, auch zu einem strukturierten Wissensraum. Der Beschrei-bung und Kategorisierung der Eigenschaften und Charakterzüge derBevölkerung legten die Autoren, die zu einem großen Teil der Ver-waltung angehörten, einen zeitgenössischen bürgerlichen Tugend-und Wertekatalog zugrunde. Im Laufe der Zeit löste sich das Kon-zept des Unternehmens aus der ursprünglichen Engführung deralten Statistik und der traditionellen etatistischen Sichtweise undöffnete sich verstärkt landeshistorischen Fragestellungen. Die Tradi-tionen laufen dabei von den Oberamtsbeschreibungen des 19. Jahr-hunderts zu den aktuellen Publikationen der Kreisbeschreibungen.Seit 1964 zeichnet die staatliche Archivverwaltung für die Landesbe-schreibung verantwortlich, seit 2005 gehört sie zum Aufgabenbe-reich der Abteilung „Fachprogramme und Bildungsarbeit“ desLandesarchivs Baden-Württemberg. Die Intentionen freilich habensich geändert: An die Stelle von Vaterlandskunde und Staatsbil-

In Anlehnung an das Rahmenthema des Archivtags legte die Fach-gruppe 1 unter dem Thema „Erinnerungskultur in Geschichte undGegenwart“ den Schwerpunkt auf staatlich initiierte oder geförderteEinrichtungen und Aktivitäten. Die Fachgruppenvorsitzende Dr.Maria Rita Sagstetter, Staatsarchiv Amberg, führte kurz in dasThema ein. Auf dem Programm standen drei Vorträge, in denen zumeinen die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg als ein aktuelles Beispiel fürlebendige Erinnerungskultur und aktive Geschichtsaufarbeitungpräsentiert wurde; zum anderen richtete sich der Blick auf archivi-sche Erinnerungskultur unter frühneuzeitlichen fürstlich-dynasti-schen Prämissen und Zielsetzungen sowie geschichtspolitischeUnternehmungen des 19. und 20. Jahrhunderts.Unter dem Titel „Von Pappus bis Papritz“ beleuchtete Prof. Dr.Gerhard Menk, Staatsarchiv Marburg, Wandlungen archivischerErinnerungskultur vom frühen 17. bis zum 20. Jahrhundert. Ausge-hend vom Zitat eines amerikanischen Augenzeugen aus der Nach-kriegszeit, der den deutschen Archivaren als „servants of the state“eine seit jeher bestehende starke Ausrichtung auf die Belange undInteressen des Staates bescheinigte und ihnen im Gegenzug einedemokratische Öffnung in Richtung „general public“ absprach,fragte Menk danach, wie Erinnerungskultur in der Vergangenheitbewusst oder unbewusst betrieben worden sei. Ins Blickfeld nahmer ehemalige Archivare des Staatsarchivs Marburg und seiner Vor-gängerinstitutionen wie Johann Sigismund Pappus (gest. 1626), derdurch seine Tätigkeit dem waldeckischen Archiv erstmals Konturenverliehen und die Grundlagen für die gräflich-waldeckische Genea-logie als Mittel der dynastischen Selbstfindung und Legitimationgeschaffen hatte. Insgesamt ist laut Menk die Arbeit der Archivare inden frühneuzeitlichen Fürstenstaaten zunächst auf einer eheruntergeordneten, auf Zuarbeit und Hilfsdienste beschränkten Ebeneanzusiedeln, zumal das Archivgut ausschließlich den Belangen desfürstlichen Hauses zu dienen hatte und für die Untertanen eine terrasecreta bildete. Die Aufgabe der Außendarstellung blieb demgegen-über den höchsten Beamten vorbehalten; sie schlug sich in einerreichen Publizistik nieder, die neben ihrer primären Zweckbestim-mung als Instrument in rechtlichen und politischen Auseinanderset-zungen auf längere Frist gesehen zugleich eine Form staatlicherErinnerungskultur bildete. Im 19. Jahrhundert begannen die Archi-vare sich als Landeshistoriker zu betätigen und stiegen dadurch zuden vornehmsten Trägern der staatlichen Erinnerungskultur auf. AlsBeispiele nannte Menk den Kasseler Dietrich Christoph Rommel(1781-1859), dessen Werk noch stark von dynastiegeschichtlichenTraditionen geprägt war, sowie Gustav Könnecke (1845-1920), derdas von ihm geleitete Staatsarchiv Marburg durch Ausstellungen undVorträge zu historischen Themen vom Image des Obrigkeitlichenbefreite und sich durch seine publizistische Tätigkeit zu kulturhisto-rischen Fragestellungen hohes Ansehen erwarb. Zuletzt ging Menkauf die Vorgeschichte von Johannes Papritz (1898-1992) ein, der auf

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BERICHTE ZU DENSITZUNGENDER FACHGRUPPENFACHGRUPPE 1: STAATLICHE ARCHIVE

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MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES VdA

FACHGRUPPE 2: KOMMUNALE ARCHIVE

dungsprozess sind die Popularisierung von landeskundlichemWissen und die Stärkung regionaler Identitäten getreten.Jörg Skriebeleit M.A., KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, referierte über„,KZ-Archäologie’ – Wiederentdeckung des europäischen Erinne-rungsortes Flossenbürg“. Nach jahrzehntelanger Nichtbeachtungdurch Öffentlichkeit und Wissenschaft, wodurch im wahrsten Sinnedes Wortes Gras und Bäume über den ehemaligen Ort des Terrorswachsen konnten, hat man in Flossenbürg in den letzten Jahrendurch intensive Erinnerungs- und Gedächtnisarbeit, durch Ausgra-bungen und Freilegungen sowie durch wissenschaftlicheForschungsarbeit viel bewegt. Gerade durch Recherchen in denArchiven ist die wahre Bedeutung des 1938 in der nordöstlichenOberpfalz errichteten Lagers – es hatte mit seinem weit verzweigtenSystem an Außenlagern die größte geographische Ausdehnung – erstbewusst geworden. Zuletzt wurde im vergangenen Sommer, 62 Jahrenach der Befreiung des Lagers, in Anwesenheit u. a. von Außenmini-ster Frank-Walter Steinmeier, dem ukrainischen StaatspräsidentenViktor Juschtschenko (sein Vater war 1944/45 in Flossenbürg inhaf-tiert gewesen) sowie von vielen ehemaligen Häftlingen in der ehema-ligen Lagerwäscherei eine Ausstellung eröffnet, in der die Geschichtedes KZ ausführlich in Wort und Bild sowie in dreidimensionalenObjekten dokumentiert ist. Erst jetzt kann der ErinnerungsortFlossenbürg sich als KZ-Gedenkstätte im vollgültigen Sinne – mitLagerrelikten, Archiv, Bibliothek und Museum – betrachten. Obwohlbereits 1946 polnische Displaced Persons eine Gedenkkapelle errich-tet hatten, waren die Geschehnisse im Lager rasch dem allmählichenVergessen anheim gefallen. Der größte Teil des Areals war in den

folgenden Jahrzehnten mit einer Wohnsiedlung und einem Indus-triebetrieb bebaut. Als am 50. Jahrestag der Befreiung 1995 ehemali-ge Häftlinge an ihren früheren Leidensort zurückkehrten, fanden sieals Gedenkstätte lediglich einen als Parkanlage gepflegten Friedhofvor. Veranlasst durch den damit ausgelösten öffentlichen Druckrichtete die bayerische Regierung eine wissenschaftliche Dokumen-tationsstelle in Flossenbürg ein, deren Arbeit, umfassende Archivre-cherchen vor allem in Bayern, Sachsen und der Tschechischen Repu-blik sowie die museologisch-topographische Erschließung desehemaligen Lagergeländes, zu einer völligen Neubewertung desKonzentrationslagers führten. In der Folge durchlief die KZ-Gedenk-stätte – gewissermaßen im Zeitraffertempo nachgeholt – die Ent-wicklung vom Status einer Friedhofsanlage zu einer Institution, dieder Würde der Opfer ebenso verpflichtet ist wie der historisch-politischen Bildungsarbeit. Sie soll der historischen Dimension desLagers als einem zentralen europäischen Erinnerungsort gerechtwerden und sich darüber hinaus zu einer lebendigen Lern- undBegegnungsstätte für Jugendliche aus Deutschland und andereneuropäischen Ländern entwickeln.Dr. Sagstetter dankte abschließend den Referenten für ihre Vorträge.Mit einem kurzen Ausblick auf die nächste Frühjahrstagung, die am22. April 2008 im Bundesarchiv in Koblenz stattfinden wird, und derBitte um Themenvorschläge für künftige Frühjahrstagungen undFachgruppensitzungen beendete sie die Veranstaltung. ■

Amberg, Maria Rita Sagstetter

Der erste, thematische Teil der Sitzung der Fachgruppe 2 behandeltein diesem Jahr mit dem Thema „Migrationsforschung und Kommu-nalarchive“ einen besonders aktuellen Teilaspekt des Rahmenthe-mas des Archivtags „Lebendige Erinnerungskultur für die Zu-kunft“; darüber wird ausführlich im Tagungsband berichtet. Nachder Begrüßung der ca. 180 Teilnehmer durch Dr. Michael Diefenba-cher (Nürnberg) als Vorsitzendem der Fachgruppe 2 und Erstemstellvertretenden Vorsitzenden des VdA übernahm Ralf Jacob (Halle)die Moderation des thematischen Teils der Sitzung.Der zweite Teil der Arbeitssitzung „Informationen aus der Bun-deskonferenz der Kommunalarchivare beim Deutschen Städtetag(BKK)“ begann mit einer kurzen Vorstellung dieser Institution undeinem Bericht über ihre Tätigkeit, der anstelle des verhinderten Dr.Ernst Otto Bräunche (Stadtarchiv Karlsruhe) von Dr. Robert Zink(Stadtarchiv Bamberg) gehalten wurde. Die BKK fungiert seit 18Jahren als Interessenvertretung der Archive beim Kulturausschussdes Deutschen Städtetages und tagt zweimal jährlich im Plenum,davon einmal in Verbindung mit dem Deutschen Städtetag. Imabgelaufenen Jahr wurden die folgenden Themen behandelt:• Europäische Digitalisierungsinitiative: Die Digitalisierung und

Bereitstellung von Kulturgut bezieht sich für die Archivezunächst auf die Retrokonversion ihrer Findmittel und derenBereitstellung im Rahmen eines „Archivportals D“. Im Rahmendes zunächst auf 10 Jahre angelegten Projekts wird ab Mai/Juni2008 an der Archivschule Marburg eine Geschäftsstelle fürRetrokonversion eingerichtet, die die Anträge bearbeitet; dieEntscheidung fällt ein Gutachterausschuss der DFG. Die Finan-zierung erfolgt zu 2/3 durch die DFG, zu 1/3 aus Eigenmitteln.

• Bologna-Prozess: Die Reform der Hochschulausbildung wirdmittelfristig auch die Ausbildung an der Archivschule Marburgbeeinflussen. Diese bleibt weiterhin verwaltungsintern, wird aberauch den „Bologna-Abschluss“ (Master für Schriftgutverwal-tung) vermitteln; außerdem wird ein Externen-Status möglichsein.

• Neues Gesetz zum Schutz von Kulturgut: Nach dem seit20.4.2007 geltenden neuen Kulturgutschutzgesetz können jetztauch private und öffentliche Archive in die Denkmallisten derLänder eingetragen werden. Die Eintragung ist von Bedeutungfür die Wiedererlangung entfremdeten Archivgutes aus demAusland entsprechend den Bestimmungen der UNESCO. Einzel-heiten müssen noch diskutiert werden.

• Eigentumsübertragung von staatlichem Archivgut auf Kommu-nalarchive: Bislang führt eine von den Staatsarchiven durchge-führte Aussonderung zur Kassation des nicht übernommenenRegistraturguts. Die BKK versucht zu erreichen, dass in diesemFall die jeweiligen Kommunalarchive die Möglichkeit der Über-nahme erhalten.

• Outsourcing: Nach dem Outsourcen kommunaler Eigenbetriebehaben die Kommunalarchive keinen Rechtsanspruch mehr aufdie Archivierung von deren Registraturgut. Diese ist nur noch auffreiwilliger Basis möglich.

• Zertifizierung von Kommunalarchiven: Die BKK will mit derKGST über die Möglichkeit einer Zertifizierung von Kommunal-archiven sprechen. Durch diese sollen externe „Gutachten“vermieden werden.

• Kostenlose Digitalisierung: Es gibt mehrfach Angebote von

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privater Seite, Archivbestände (etwa zur Genealogie) kostenlos zudigitalisieren. Die BKK will sich die vorliegenden Vertragsangebo-te ansehen und einen eigenen Mustervertrag formulieren.

• Portal Zwangsarbeit: Das Bundesarchiv will ein Portal zu archivi-schen Quellen über Zwangsarbeit einrichten und die beteiligtenKommunalarchive anschreiben. Diese sollen alle Rechte behaltenund ihre Angaben selbst pflegen.

Dem allgemeinen Arbeitsbericht folgten die Berichte der Vorsitzen-den der einzelnen Unterausschüsse der BKK.Über die Arbeit des Unterausschusses Informationstechnologie(bisher „Unterausschuss für EDV“) berichtete Dr. Zink (StadtarchivBamberg). Zu den Anforderungen bei der Einführung von DMS istein Papier in Arbeit und wird nach Fertigstellung im Internet veröf-fentlicht werden. Zur Archivierung von Websites wurden noch keineEmpfehlungen erarbeitet. Durch Gesetz hat die Deutsche National-bibliothek diese Aufgabe übertragen bekommen, die aber keinekommunalen Websites übernehmen wird. Das Meldewesen ist imRahmen der Föderalismusreform aus einer nur durch Bundesrah-mengesetz geregelten kommunalen Angelegenheit zu einer aus-schließlichen Bundeskompetenz geworden, auch wenn das künftigeBundesmeldezentralregister weiterhin durch die Kommunen gespeistwerden wird. Damit stellt sich die Frage, was mit den bisherigenkommunalen Registern geschehen soll. Für die Personenstandsregi-ster besteht durch das neue Personenstandsreformgesetzt von 2006die Möglichkeit, Personenstandszentralregister auf Landesebeneeinzurichten, die weiterhin von den Kommunen gespeist werden.Voraussichtlich wird sich die Situation in den einzelnen Bundeslän-dern sehr unterschiedlich gestalten. Der IT-Unterausschuss willAnforderungen an diese Register formulieren.Aus dem Unterausschuss für Aus- und Fortbildung berichtete Prof.

Dr. Norbert Reimann (Westfälisches Archivamt Münster). Bestre-bungen, den „Fami“ zum Fachwirt weiterzubilden, werden von UAabgelehnt, da diese Fortbildung nur allgemeine Managementaufga-ben enthalten soll und fachliche Gesichtspunkte fehlen. Am 7.-9.November 2006 fand ein Fortbildungsseminar „Kommunalarchiveund ihre Benutzer im digitalen Zeitalter“ in Fulda statt. Für 12.-14.November 2007 kündigte er ein Seminar zur archivischen Vorfeldar-beit im amtlichen, nichtamtlichen sowie in dem immer wichtigerwerdenden Bereich der DMS in Magdeburg an. Die Herbstsitzungdes Unterausschusses wird der Erarbeitung einer Handreichung zurAusbildung gewidmet sein.Dr. Roland Müller (Stadtarchiv Stuttgart) gab bekannt, dass derUnterausschuss „Historische Bildungsarbeit“ die Erarbeitung einerHandreichung für die Historische Bildungsarbeit der Archive begon-nen hat, und bat interessierte Kolleginnen und Kollegen um Unter-stützung des Projekts.Nachdem Dr. Irmgard-Christa Becker (Stadtarchiv Saarbrücken)bereits in ihrem thematischen Vortrag ein konkretes Beispiel fürÜberlieferungsbildung gegeben hatte, stellte sie jetzt den Stand derArbeitsergebnisse des Unterausschusses „Überlieferungsbildung“vor. Die Arbeitshilfe „Erstellung eines Dokumentationsprofils fürKommunalarchive“ soll 2008 veröffentlicht werden, eine Empfeh-lung für die Archivierung der Überlieferung der Standesämter sollim nächsten Jahr fertiggestellt werden.Da zu Teil 3 der Arbeitssitzung „Aktuelle Fragen“ keine Beiträgeoder Wortmeldungen vorlagen, schloss Diefenbacher die Sitzung mitdem Dank an alle Beteiligten. ■

Nürnberg, Horst-Dieter Beyerstedt

Von den in der Fachgruppe 3 verbundenen Archivarinnen undArchivaren an kirchlichen Archiven besuchten etwa 40 Personen dieFachgruppensitzung. Damit muss auch diese Fachgruppe feststellen,dass sich der Rückgang der Zahl der Archivtagsbesucher auf dieBeteiligung an den Fachgruppenveranstaltungen negativ auswirkt.Denn an der Qualität des Programms lag es offenbar nicht, wie diedurchweg positiven Rückmeldungen aus dem Teilnehmerkreisbelegten. Die Fachgruppe nahm das Generalthema des Archivtagsauf und legte den Schwerpunkt der Vorträge auf die Überlieferungvon Migranten bzw. Ausländern und deren seelsorgerlicher Betreu-ung und kirchlichem Leben.Dr. Udo Wennemuth, Leiter des Archivs der Badischen Landeskirche(Karlsruhe), sprach zur „Überlieferung und Erinnerungskultur derfranzösisch-reformierten Gemeinde in Mannheim“. Mit beein-druckender Detailkenntnis ging er auf die Geschichte der Hugenot-ten-Gemeinde ein, die von der Zuwanderung im frühen 17. Jahrhun-dert bis zur badischen Union 1821 bestand, und lieferte damitzugleich eine wertvolle Ergänzung zum lokalgeschichtlichen Beitragdes Stadtarchivars Dr. Nieß am Vortag. Geistliches und gesellschaftli-ches Leben der französischen Zuwanderer waren untrennbar inein-ander verwoben. Als besondere Zeugnisse reformierter Erinnerungs-kultur stellte der Referent den in der Gemeinde präsenten Bilderzy-klus der Reformatoren vor. Die Porträts dienten der Vergewisserungdes historischen Erbes, sowohl in konfessioneller wie in kultureller

Hinsicht, und damit der Stärkung der eigenen, stetig kleiner werden-den Gemeinschaft. Nach der Vertreibung der Reformierten durch dieFranzosen Ende des 17. Jahrhunderts restituierte sich die Gemeindenach der „zweiten Stadtgründung“ in deutlich kleinerem Umfang.Der wiedererrichtete Bau der Doppelkirche, den sie mit der deutlichgrößeren deutsch-reformierten Gemeinde teilte, brannte in denRevolutionskriegen ab. Der wallonische Teil wurde nicht wiederaufgebaut und die Gemeinde mit der deutsch-reformierten ver-schmolzen. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dassdie städtische Erinnerungskultur in Mannheim auf die Zeit nachder Neugründung im 18. Jahrhundert fokussiert ist. Gerade weilwenig Wissen und geringes Interesse an der französischen undreformierten Vergangenheit der Stadt vorhanden ist, lohnt es sich,die Erinnerung an die französisch-reformierte Gemeinde in Mann-heim wachzuhalten.Im zweiten Referat gab Dr. Christoph Schmider, Direktor des Erz-bischöflichen Archivs Freiburg, einen Überblick über „die Überliefe-rung zur Ausländerseelsorge in Archiven der Erzdiözese Freiburg“.Er machte deutlich, dass die Ausländerpastoral keine Erscheinungdes 20. Jahrhunderts, sondern eine Aufgabe aller Christen ist, die inden Archiven der Erzdiözese seit dem 18. Jahrhundert nachgewiesenwerden kann. Auf die seelsorgerliche Begleitung der wenigen Auslän-der an den Fürstenhöfen folgte im 19. Jahrhundert die Betreuung derWanderarbeiter, die erstmals große Breitenwirkung entfaltete. Vor

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FACHGRUPPE 3: KIRCHLICHE ARCHIVE

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MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES VdA

FACHGRUPPEN 4 UND 5: HERRSCHAFTS- UND FAMILIEN-ARCHIVE,WIRTSCHAFTSARCHIVE

allem im Zuge des Eisenbahnbaus kamen in den 1880er Jahren vieleItaliener nach Südbaden. Daneben kümmerten sich die Priester umdie Industriearbeiter, von denen ein großer Teil aus Polen, Böhmenund Mähren stammte. Katholische Zuwanderer und Saisonarbeiteraus Ostmitteleuropa waren vielfach auch in der Landwirtschaftbeschäftigt. Der Schwerpunkt der Ausländerseelsorge lag im 19.Jahrhundert auf der Sakramentenversorgung. Nach der Jahrhun-dertwende verstärkte sich der Aspekt der sozialen Hilfe. In den neugegründeten Stationen der Bahnhofsmission wurden vielfach auchausländische Reisende empfangen und betreut. Ein durch dieForschung der vergangenen Jahre besonders gut dokumentiertesKapitel ist die Seelsorge an Zwangsarbeitern während des ZweitenWeltkriegs. Seit 1955 weitete sich die Ausländerseelsorge durch denZuzug von „Gastarbeitern“ aus Südeuropa massiv aus. Eine weitereZielgruppe der letzten Jahrzehnte bilden schließlich die Flüchtlinge.In der anschließenden Aussprache ging es vor allem um die Folgender Tatsache, dass sich ein großer Teil der Unterlagen zur Ausländer-seelsorge nach 1945 noch in den Altregistraturen der amtskirchli-chen und karitativen Stellen auf Diözesan- und Kreisebene befindet.Die aktuelle Stunde, die den Vorträgen folgte, bot Raum zur Diskus-sion des Projektes „Kirchenbuchportal“. Die Zunahme von archivi-schen Internet-Angeboten hat die Erwartung der Genealogen nachonline verfügbaren Kirchenbüchern wachsen lassen. Der evangeli-sche Verband kirchlicher Archive hat daraufhin den Grundstein für

ein überkonfessionelles Internet-Portal gelegt, das in einem erstenSchritt über den Umfang und die regionale Verteilung der in Kir-chenarchiven verfügbaren Kirchenbücher informiert (www.kirchen-buchportal.de). In einer zweiten Ausbaustufe sollen Kirchenbuchin-formationen in einer einheitlichen Datenbank recherchierbar sein.Das Portal soll drittens die Möglichkeit zur Nutzung vorhandenerdigitaler Kopien von Matrikeln bieten. Die Initiatoren warben füreine breite Beteiligung katholischer Archive und traten möglichenBefürchtungen eines protestantischen Alleingangs entgegen. Eswurde deutlich, dass noch ausreichend Gestaltungsspielräume fürbislang ungeklärte Fragen (rechtlicher Status, Finanzierung, Umset-zung der Bezahlfunktion etc.) bestehen, die gemeinsam besprochenwerden sollen.Die Sitzung war damit sowohl in wissenschaftlicher als auch inorganisatorischer Hinsicht sehr ertragreich. Am Abend versammel-ten sich die Fachgruppenmitglieder mit Gästen aus anderen Berufs-sparten und aus dem VdA-Vorstand zum traditionellen Empfang,der diesmal vom Erzbistum Freiburg und der Badischen Landeskir-che im Ökumenischen Bildungszentrum sanctClara ausgerichtetwurde und einen in jeder Hinsicht anregenden Ausklang des Archiv-tags bildete. ■

Berlin, Michael Häusler

Die Adels- und Wirtschaftsarchivare diskutierten „Lebendige Erin-nerungskultur beim Adel und in der Wirtschaft“ unter Leitung vonDr. Martin Dallmeier (Regensburg) und Dr. Ulrich S. Soénius (Köln)in einer gemeinsamen Sitzung.Zunächst näherte sich Dr. Susan Becker vom Unternehmensarchivder BASF AG in Ludwigshafen unter dem Titel „Tradition verpflich-tet zum Fortschritt“ der „Erinnerungskultur im Unternehmen amBeispiel der BASF AG“ mit einem Rückblick auf die Jubiläen des1865 gegründeten Unternehmens. Da das 50-jährige Jubiläum in dieZeit des Ersten Weltkriegs fiel, befasste sich die BASF erstmals 1925in einer Sondernummer der Werkszeitschrift mit ihrer Vergangen-heit. Darin wurden neben herausragenden Persönlichkeitenhauptsächlich die technologischen Innovationen des Unternehmensgewürdigt. Zum gleichen Ergebnis kam auch die Rückschau ausAnlass des 75-jährigen Jubiläums im Jahr 1940: TechnologischeMeilensteine wie die synthetischen Farbstoffe Alizarin und Indigo,die 1913 erstmals im industriellen Maßstab realisierte Hochdruck-technologie zur Synthese des Ammoniaks, die Kohlehydrierung oderdie Erzeugung synthetischen Kautschuks (Buna) markierten dieEntwicklung des Unternehmens und wiesen gleichzeitig den Weg indie Zukunft. Auf die in Forschung und Entwicklung erzieltenErfolge gründete sich das Selbstverständnis der BASF und siestanden daher auch im Mittelpunkt der Erinnerungskultur.Der Zweite Weltkrieg bedeutete in dieser Hinsicht keine Zäsur undals das Unternehmen 1965 erstmals ein Jubiläum in großem Stilfeierte, bildeten Produkt- und Verfahrensentwicklungen erneut denKern der Erinnerung. Die Zugehörigkeit der Werke Ludwigshafenund Oppau zur I.G. Farbenindustrie AG in der Zeit von 1925 bis1945 und deren Verstrickung in die NS-Kriegswirtschaft wurden imoffiziellen Jubiläumsband nicht behandelt, obwohl die Kriegzer-

störungen und der Wiederaufbau eine große Rolle im kollektivenGedächtnis der Mitarbeiter spielten. Erst zum 125-jährigen Jubiläumim Jahr 1990 veröffentlichte die BASF eine Broschüre in der auch dieI.G.-Farben-Ära und die Zeit des Nationalsozialismus thematisiertwurden. 2002 folgte eine von namhaften Historikern verfassteumfangreiche Unternehmensgeschichte. Als Ergebnis hielt dieReferentin fest: „Meilensteine aus Forschung und Entwicklung sinddas Sediment der Erinnerungskultur der BASF. Sie ziehen sich durchalle Jubiläen – über unternehmensrechtliche Einschnitte und histo-rische Zäsuren hinweg.“ Damit ist untrennbar ein zukunftsgerichte-ter Aspekt verbunden: „Tradition verpflichtet zum Fortschritt“, soein Zitat von Carl Wurster, Vorstandsvorsitzender der BASF von 1952bis 1965.Anschließend ging Becker auf das Unternehmensarchiv der BASF als„Träger der Erinnerungskultur“ ein. In den frühen 1950er Jahrenentstanden, war seine Rolle dabei in der Vergangenheit eher passiv,wesentliche Aufgaben waren das Beantworten interner und externerAnfragen. Im Zuge einer jüngst angestoßenen Neuausrichtung istdas Archiv nun bestrebt, stärker eigeninitiativ tätig zu werden undrelevante Themen selbst zu definieren. Ein Beispiel ist die perma-nente historische Ausstellung im neuen Besucherzentrum der BASF;hinzu kommen Beiträge in den Mitarbeitermedien des Unterneh-mens und weitere Aktivitäten und Projekte, mit denen das Archivmittlerweile aktiv zur Erinnerungskultur beiträgt.PD Dr. Ralf Stremmel, Leiter des Historischen Archivs Krupp inEssen, betonte zu Beginn seines Vortrags „Erinnerungskulturen beiKrupp – und die Rolle des Archivs“, dass es in der fast 200-jährigenGeschichte des Hauses Krupp keine festgefügte Erinnerungskulturgibt, sondern verschiedene, teilweise konkurrierende Erinnerungs-muster sich überschneiden. An erster Stelle ist dabei der von Alfred

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Krupp selbst konstruierte „Mythos Krupp“ zu nennen. Er umfasstunter anderem den Aufstieg des Unternehmens aus kleinen Verhält-nissen zum Weltkonzern, das Bekenntnis zum Patriotismus und dieBetonung sozialer Verantwortung. Er sollte die bestehende Ordnungstabilisieren und den Arbeitern bei Krupp Identität bieten. Einezentrale Rolle spielte dabei das „Stammhaus“, ein kleines Fachwerk-haus aus der Anfangszeit der Gussstahlfabrik, in dem der Unterneh-mensgründer Friedrich Krupp und seine Familie wohnten. Unter derÄgide von Alfred Krupp 1873 renoviert, entwickelte sich das Stamm-haus zum idealtypischen Erinnerungsort, dessen symbolischeBedeutung weit über seine materielle Dimension hinausging.Das Erinnerungsmuster „Mythos Krupp“ war zunächst konkur-renzlos. Dies änderte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als dasUnternehmen verstärkt im Fokus der Öffentlichkeit stand und sichdie Erinnerungskulturen pluralisierten. Insbesondere die Sozialde-mokratie sah in Krupp den Prototyp des kapitalistischen Ausbeutersund setzte dem offiziellen einen „Anti-Mythos“ entgegen. Vordiesem Hintergrund und aus Anlass des 100-jährigen Jubiläumswaren Firma und Familie bestrebt, die Deutungshoheit über dieErinnerung zurückzugewinnen. Als Instrument dazu diente unteranderem das 1905 gegründete Krupp-Archiv. Es sollte gewährleisten,dass das Unternehmen seine eigene Erinnerungskultur glaubwürdiggegen konkurrierende Muster verteidigen konnte. Darüber hinaustrug das Archiv wesentlich dazu bei, Erinnerung zu produzieren, indem es das Material für die umfangreiche, 1912 erschienene Fest-schrift des Unternehmens zur Verfügung stellte.In der Zeit des Nationalsozialismus griff Krupp auf ein Erinne-rungselement zurück, das zuvor in den Hintergrund getreten war:Das Unternehmen präsentierte sich wieder als „Waffenschmiede desReiches“. Ältere Erinnerungsmuster wie die Betonung der Werksge-meinschaft und der sozialen Verantwortung wurden überlagert undverdrängt. Verstärkt durch Hitlers Spruch „hart wie Kruppstahl“führte dies im kollektiven Gedächtnis langfristig zur Gleichsetzungdes Unternehmens mit Nationalsozialismus und Militarismus. DerNürnberger Prozess und wirkungsmächtige Bücher wie WilliamManchesters „The Arms of Krupp“ führten dazu, dass das Unter-nehmen im angelsächsischen Sprachraum teilweise bis heute alsHauptprofiteur des NS-Regimes und des Krieges gilt.Nach 1945 modifizierte das Unternehmen seine Erinnerungskulturund strebte einen Imagewandel an. Qualitätsproduktion, technische

Leistungskraft und Internationalität wurden betont, hinzu kamBerthold Beitz, der als Person moralische Integrität, gelungenenWiederaufbau und Völkerverständigung symbolisierte. Als zentralerErinnerungsort diente nun die1953 der Öffentlichkeit zugänglichgemachte und für kulturelle Zwecke genutzte Villa Hügel, auch dasStammhaus wurde 1961 aus Anlass des 150-jährigen Jubiläumswieder aufgebaut. Im Zuge des in den 1960er Jahren einsetzendengesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels löste sich dieErinnerungsgemeinschaft der „Kruppianer“ allmählich auf. Heuteist Krupp zwar durchaus noch im kulturellen Gedächtnis verankert,aus dem kommunikativen Gedächtnis, das auf den Erinnerungenvon Zeitgenossen beruht und durch alltägliches Gespräch entsteht,verschwindet das Unternehmen jedoch mehr und mehr.Zum Abschluss ging Stremmel kurz auf die aktuelle Situation ein:Seit der Fusion von Thyssen und Krupp gehört das Krupp-Archivzur Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung. Durch dieArbeit der Stiftung ist die Erinnerung an Krupp heute mit einerindustriellen Erfolgsgeschichte, mit Kulturförderung und mitgemeinnütziger Tätigkeit verbunden. Das Archiv liefert dazu diematerielle Basis und bildet das Fundament der Erinnerungskultur.Abschließend stellte Dr. Christoph Franke die spezifische „Erinne-rungskultur beim Adel und die Aufgaben des Deutschen Adels-archivs“ in Marburg vor und erörterte zunächst die Bedeutung desBegriffs „Erinnerungskultur“ und die Funktion des „kommunikati-ven“ bzw. des „kulturellen“ Gedächtnisses. Anschließend verdeut-lichte er die besondere Affinität des Adels zur Erinnerungskultur.Diese spielte auch bei der Gründung des Deutschen Adelsarchivsnach dem Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle. Es war zunächstweniger als zentrale Sammelstelle für Archivgut gedacht, sonderndiente primär der Familienzusammenführung und dem Wiederher-stellen binnenadliger Kommunikation. Die Gründer des Adels-archivs, Hans Friedrich v. Ehrenkrook und Jürgen v. Flotow, gabenzunächst die „Flüchtlingsliste Nr. 1“ heraus, die Adressen undFamiliennachrichten enthielt. Im August 1948 erschien dann dieerste Nummer der Monatsschrift „Deutsches Adelsarchiv“, derenredaktioneller Teil neben den Familiennachrichten in der Folgezeitan Umfang gewann.In den 1950er Jahren begann die Institutionalisierung des Adels-archivs, dessen Aufgaben sich gleichzeitig differenzierten. 1951erschien der erste Band der Genealogischen Handbücher des Adels

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Die Fachmesse ARCHIVISTICA im Foyer

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MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES VdA

FACHGRUPPE 6: ARCHIVARE AN ARCHIVEN DER PARLAMENTE, DER POLITISCHENPARTEIEN, STIFTUNGEN UND VERBÄNDE

als Nachfolger der Gothaischen Genealogischen Taschenbücher. 1957verkaufte Hans Friedrich v. Ehrenkrook seine Sammlung adelshisto-rischer Literatur und Unterlagen an die Vereinigung der DeutschenAdelsverbände. Zur langfristigen Sicherung dieser Sammlungsbe-stände wurde 1961 der Verein Deutsches Adelsarchiv e.V. gegründet.Ein Jahr später änderte die gleichnamige Zeitschrift ihren Titel in„Deutsches Adelsblatt“ und wurde zum offiziellen Publikationsor-gan der Vereinigung der Deutschen Adelsverbände. Mit der Teilungder Aufgaben von Zeitschrift und Archiv wurde eine zentrale Stellefür die Bearbeitung der Genealogischen Handbücher des Adelsgeschaffen, die außerdem als Ansprechpartner bei Fragen zur Archi-vierung historischer Unterlagen dient.Eine grundlegende Aufgabe des Deutschen Adelsarchivs ist dieHerausgabe der Genealogischen Handbücher des Adels. Die regel-mäßige Publikation von Genealogien adliger Familien geht zurückauf den Gothai’schen Genealogischen Hofkalender, der 1764 erstmalserschien. Der Referent skizzierte kurz die Entwicklung des „Gotha“und der Nachfolgepublikation, um danach die grundsätzlicheBedeutung der Genealogie für das Selbstverständnis des Adels

herauszuarbeiten: „Aus der Darstellung der Abstammungsverhält-nisse ergeben sich rechtliche, geschichtliche, gesellschaftliche undlebensgesetzliche Beziehungen. Der Adelige fühlt sich eingebundenin sein Geschlecht, die Ahnen sind für den Adel Verpflichtung, under fühlt sich als Teil einer mehr oder minder langen Ahnenreihe.“Abschließend ging Franke auf die Bestände Adelsarchivs und ihrenNutzen für die historische Forschung ein. Eine Auswertung der dortgesammelten Genealogien und Familiengeschichten ist seinerAnsicht nach nicht nur unter kulturhistorischen Aspekten interes-sant, sondern bietet sich auch für eine Reihe sozialgeschichtlicherFragestellungen an, beispielsweise im Hinblick auf den Wandel inAusbildung, Berufswahl und generativem Verhalten.Als Fazit der Veranstaltung ist festzuhalten, dass Archive in derWirtschaft und beim Adel eine zentrale Rolle als Träger und Gestal-ter von Erinnerungskultur spielen. ■

Mannheim, Martin Krauß

Die Fachgruppe 6 trat am Donnerstag, den 27. September 2007, aufdem 77. Deutschen Archivtag in Mannheim zu ihrer einzigen Ar-beitssitzung zusammen. Damit wurde eine langjährige Tradition derFachgruppe, die erste Sitzung im Landtag des einladenden Landesabzuhalten, für dieses Mal ausgesetzt. Erst zwei Jahre zuvor hattensich die Teilnehmer auf Einladung des Landtages von Baden-Würt-temberg in Stuttgart versammelt und dort eingehend über dieArbeit des Parlamentsarchivs und der Parlamentsdokumentationinformiert, so dass sich in diesem Jahr eine erneute Sitzung inStuttgart erübrigte.Insgesamt hatten sich 70 interessierte Kolleginnen und Kollegen,davon nur etwa ein Drittel Mitglieder der Fachgruppe 6, im m:conCongress Center Rosengarten versammelt. In seiner Begrüßungbedauerte der Vorsitzende der Fachgruppe, Dr. Günter Buchstab,erneut das Fernbleiben zahlreicher Mitglieder aus den Landtagenund verwies auf die interessante Themenstellung, die offensichtlicheine Vielzahl von Kollegen anderer Fachgruppen ansprach.Zunächst schilderte Mike Zuchet vom Archiv der sozialen Demo-kratie der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn unter dem Titel „Lang-zeitarchivierung – Archivierung und Dokumentation digitalerMetadaten und Objekte anhand erster Beispiele“ die Übernahmevon Hybridakten der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transportund Verkehr (ÖTV), d. h. die Übernahme von konventionellen Aktenund digitalen Metadaten zu diesen Altakten. An einem weiterenBeispiel erläuterte er Vorgehensweise, Aufwand und Probleme beider Übernahme digitaler Dokumente und Akten aus dem DMS-System Elo office 6.0 der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und derenImport in das Archivdatenbanksystem Faust 5.0. Eindringlich ver-mittelte der Referent das Fazit aus diesen ersten DMS-Importen:Den hohen Stellenwert, der den Metadaten bei der Gewährleistungder Langzeitverfügbarkeit digitaler Dokumente auf physikalischer,logischer und konzeptioneller Ebene zukommt; ihre Unentbehrlich-keit für die Sicherstellung von Authentizität, Integrität und Vollstän-digkeit der übernommenen digitalen Dokumente. Die anschließen-de Diskussion behandelte vielfältige Fragen nach Kassation und

Bewertung sowie die Problematik einer weiteren Veränderung derDokumente durch die GdP nach der Übernahme ins Archiv.Im zweiten Beitrag stellte Dr. Hubert Salm von der Firma OIA inDüsseldorf unter dem Titel „Von der Internetspiegelung zur Internet-archivierung“ das neue Produkt OWA (Offline Web Archiv) vor.Diese Software wurde in enger Auseinandersetzung mit den Ergeb-nissen der Parteiarchive aus dem von 2004 bis 2006 laufenden DFG-Projekt „Erfassung, Erschließung und Sicherung von Websitespolitischer Parteien der Bundesrepublik Deutschland sowie ihrerFraktionen in den Parlamenten“ entwickelt. Das Webarchivierungs-system integriert den Offline-Browser von Meta Products zurSicherung der Webpräsenzen, erschließt sie durch Metadaten,Primärdaten sowie die Anbindung an das Archivsystem Faust undbietet verschiedene Möglichkeiten der Magazinierung (Long TermPreservation). Durch die Einbeziehung einer relationalen Datenbankergibt sich eine weitgehend redundanzfreie Archivierung der ein-schlägigen Websites, was häufigere und kontinuierlichere Spiegelun-gen in beliebig dichten Intervallen ermöglicht. Die Teilnehmerdiskutierten anschließend Fragen nach dem Urheberrecht bzw. derNutzung, Mengenprobleme bei der Offline-Magazinierung sowieBewertungsfragen wie die Speicherung ohne graphisches Erschei-nungsbild.Der dritte Beitrag griff das Leitthema des Deutschen Archivtags„Lebendige Erinnerungskultur für die Zukunft“ auf. Der ReferentDr. Frank Teske, stellvertretender Leiter des Stadtarchivs Mainz,stellte das Projekt „Straße der Demokratie“ vor. In diesem Projektmit touristischem Impetus kooperieren bisher insgesamt elf Städteaus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen, die Erinne-rungsstätten Schloss Hambach und der Offenburger Salmen sowiedie Landeszentralen für politische Bildung von Baden-Württembergund Rheinland-Pfalz, um an zentralen Stätten entlang der „Straßeder Demokratie“ zwischen Lörrach und Frankfurt am Main dieFreiheits- und demokratischen Bewegungen seit der FranzösischenRevolution 1789 zu dokumentieren und ins Bewusstsein der Öffent-lichkeit zu rücken. Die beteiligten Stadtarchive, Museen und Kultur-

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referate beschränkten sich vor allem aus pragmatischen Gründen aufden deutschen Südwesten, der sich zudem aufgrund seiner freiheitli-chen Geschichte vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundertsund aufgrund seiner Lage an der Grenze zu Frankreich und zurSchweiz verpflichtet sieht, diese Traditionen bewusst zu pflegen und„in die Zukunft Europas zu tragen“. Vor kurzem erschien einfundierter, ausführlicher Reiseführer zum sinnigen Preis von 18,48 €,der den Interessierten zu den historischen Stätten der freiheitlich-demokratischen Bewegung führt. Derzeit wird zusammen mitTouristik- und Marketingfachleuten eine „tatsächliche Straße“

realisiert und mit Leben gefüllt. In einer zweiten Ausbaustufe ist dieEinbeziehung weiterer Orte, auch eine deutschlandweite Erweite-rung möglich. Nähere Angaben zu diesem Projekt bietet die Websei-te http://www.strasse-der-demokratie.de.Mit einem kurzen Austausch über die Gestaltung der Fachgruppen-sitzung auf dem Deutschen Archivtag 2008 in Erfurt wurde dieSitzung beendet. ■

München, Renate Höpfinger

FACHGRUPPEN 7 UND 8: MEDIENARCHIVE, ARCHIVE DER HOCHSCHULEN SOWIE WIS-SENSCHAFTLICHER INSTITUTIONEN

Zu der von Dr. Heiner Schmitt (Ingelheim) und Ralf Müller (Pots-dam) moderierten gemeinsamen Sitzung der Fachgruppen 7 und 8konnte Schmitt zahlreiche Kolleginnen und Kollegen begrüßen underinnerte einführend an die Auswirkungen des Umbruchs 1989 aufRundfunk und Fernsehen, die Neuordnung des Medienwesens imvereinten Deutschland und die Sicherung des audiovisuellen Erbesdes DDR-Rundfunks und Fernsehens. Bereichert durch eindrucks-volle zeitgeschichtliche Tondokumente referierte die Ständige Vertre-terin des Vorstands des Deutschen Rundfunkarchivs Anke Leenings(Wiesbaden) über „Audiovisuelle Überlieferung im DeutschenRundfunkarchiv“ und fragte nach „archivischer Kernaufgabe oder(n)-ostalgischem Luxus?“. Das Deutsche Rundfunkarchiv ist eineGemeinschaftseinrichtung der ARD und gemeinnützige Stiftungbürgerlichen Rechts an den beiden Standorten Wiesbaden undPotsdam-Babelsberg. 1952 als „Lautarchiv des deutschen Rund-funks“ gegründet und nach stetiger Aufgabenerweiterung 1963 in„Deutsches Rundfunkarchiv“ umbenannt, erfolgte 1994 die Anglie-derung der Rundfunkarchive des Hörfunks und Fernsehens derDDR am heutigen Standort Potsdam-Babelsberg. In ihrem facetten-reichen Streifzug verdeutlichte die Referentin die anschaulicheVermittlung von Geschichte durch Tondokumente, erörterte anhandverschiedener Nachrichten aus Ost und West das Themenfeld„Rundfunk und Propaganda“ und verwies auf die wechselseitigeBerichterstattung über den jeweils anderen Teil Deutschlands durch„Drüben“, „Kennzeichen D“ und das „ZDF-Magazin“ einerseits undKarl-Eduard von Schnitzlers „Schwarzen Kanal“ und die „AktuelleKamera“ andererseits. Außerdem vermittelte sie einen Überblicküber Aufgaben und Bestände des Rundfunksarchivs und die Nut-zung im Rahmen der Dienstleistung für die ARD, für Wissenschaft,Forschung, Schule und Bildung sowie für private Zwecke undkommerzielle Verwertung. Gerade die aufgezeigten deutsch-deut-schen Aspekte dokumentieren, wie Rundfunküberlieferung sowohldie historische Überlieferung ergänzt als auch im archivischenEnsemble der Quellenkritik bedarf.Im zweiten Vortrag widmete sich die Leiterin des Medienarchivs derAkademie der Künste Berlin, Uta Simmons, der „Erschließung undLangzeitarchivierung audiovisueller Medien aus Künstlerarchiven“und charakterisierte zunächst die Besonderheit des Akademie-Archivs als bedeutendstes spartenübergreifendes Archiv zur Kunstseit 1900 im deutschen Sprachraum. Die 1696 durch Kurfürst Frie-drich III. gegründete Berliner Akademie bestand über hundert Jahreaus Mitgliedern der Bildenden Kunst. 1833 wurden ihre Aufgabendurch eine Sektion Musik erweitert und erst 1926 unter der Präsi-dentschaft von Max Liebermann eine Sektion für Dichtkunst einge-

richtet. Bis 1945 beschränkten sich die Bestände des Archivs aufKunstsammlung und Aktenarchiv. Nach der Gleichschaltung in derNS-Diktatur markierte das Kriegsende auch das Ende der Preußi-schen Akademie. Der Neubeginn erfolgte 1950 mit der Gründungder DDR-Akademie unter Arnold Zweig als erstem Präsidenten,wobei das Archiv die Aufgaben eines zentralen staatlichen Kunstar-chivs übernahm. 1954 kam es dann in West-Berlin zur Neugründungder Akademie der Künste mit dem Architekten Hans Scharoun alserstem Präsidenten. In der Satzung der Westberliner Akademie wardie Autonomie der Kunst gegenüber dem Staat programmatischverankert, was in den folgenden Jahrzehnten zu deutlich divergie-renden Sammlungsschwerpunkten in Ost und West führte. DieEinrichtung von Künstlerarchiven wurde jedoch von beiden Nach-kriegsakademien parallel betrieben. 1993 wurden die beiden Akade-mien unter der Ägide von Walter Jens zunächst in der Trägerschaftder Länder Berlin und Brandenburg vereint und eine vom Bundmitfinanzierte „Stiftung Archiv der Akademie der Künste“ einge-richtet. 2005 ging die Akademie zusammen mit dem Archiv schließ-lich in die Trägerschaft des Bundes über. Als zentrale Aufgabengelten nunmehr die Vermittlung der zeitgenössischen Kunst sowiedie Pflege des kulturellen Erbes. Ausführlich beleuchtete die Referen-tin die Besonderheit von Künstlerarchiven und die die einzelnenKunstsparten übergreifenden Sammlungsschwerpunkte des Akade-mie-Archivs. Dabei kommt vor allem den Archiven der Akademie-mitglieder herausragende Bedeutung zu, es finden sich aber auchDokumentationen zum kulturellen und künstlerischen Leben inBerlin, zur Künstleremigration in der NS-Zeit, zum „JüdischenKulturbund“ sowie zur Kunst- und Kulturpolitik der DDR.Angesichts des rapide wachsenden Umfangs von audiovisuellenBeständen und digitalen Medien wurde im Juli 2006 ein neuerArbeitsbereich „Medienarchiv/ Medienservice“ eingerichtet, der u. a.folgende Aufgaben wahrnimmt: die Erstellung von Audio- undVideodokumentationen von Veranstaltungen der Akademie, dieEinrichtung einer zentralen Bildstelle für digitale Fotobestände, dieKoordinierung von Digitalisierungsprojekten im eigenen Haus, dieErarbeitung von Kriterien für die Bestandserhaltung und Nutzungaudiovisueller Medien sowie die Entwicklung eines Konzepts für dieLangzeitarchivierung digitaler Medien. Die Referentin stellte dieAbteilungen mit umfangreichen audiovisuellen Beständen vor unddiskutierte die Probleme bei der Bewertung des AV-Materials wie dienicht immer vollständig dokumentierten Inhalte, die Heterogenitätder Trägerformate und erforderlichen Abspielgeräte, den teilweisebedenklichen Erhaltungszustand oder die Frage der Auswahl, obwirklich alle Entstehungsstufen eines Werks erhalten werden sollen.

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MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES VdA

Grenzüberschreitungen in mehrfacher Hinsicht boten sich denwiederum zahlreichen Zuhörern der Sitzung des ArbeitskreisesArchivpädagogik und Historische Bildungsarbeit. Bei der „Straßeder Demokratie“, vorgestellt von Dr. Ernst-Otto Bräunche (Karlsru-he), erfolgte eine Zusammenspiel von historisch-politischer Bil-dungsarbeit mit kommunalen und touristischen Interessen, beieinem Kunstprojekt, präsentiert von Dr. Birgit Schneider-Bönningerund Anita Placenti (Wolfsburg) wurden Bildungsprozesse in völligneue Formen überführt und bei einer deutsch-ukrainischen Auswer-tung eines Privatarchivs erlebte Dr. Wolfhart Beck (Münster) dasAufeinanderprallen von Geschichtsbildern.Zur Diskussion, ob demokratische Erinnerungskultur eine Bil-dungsarbeit der Archive ist, wurde das kommunale, länderübergrei-fende Kooperationsprojekt „Straße der Demokratie“ vorgestellt, dasin seiner ersten Phase maßgeblich von den Archiven der in demgleichnamigen Reiseführer vertretenen zwölf Städte (vgl.http://www.strasse-der-demokratie.de) getragen wurde.Gustav Heinemann initiierte vor rund 30 Jahren die „Erinnerungs-stätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte” inRastatt in der Überzeugung, dass ein freiheitlich-demokratischesDeutschland auch seine freiheitlich demokratischen Erinnerungenpflegen müsse: Die Demokratie verlange eine positive Traditionsbil-dung und die Schaffung eines allgemeinverbindlichen politischenSelbstverständnisses, das auf den verfassungsmäßig garantierten

Grund- und Menschenrechten basiert. Demokratische Werte alsfeste Bestandteile einer Identitätsfindung einzubringen und zuverstärken, ist die Aufgabe einer historischen Bildungsarbeit, wie sievor allem in kommunalen Archiven, aber auch kommunalen Museenund Bildungseinrichtungen und in staatlichen (das Bundesarchiv isteine der am Projekt beteiligten Archive) und anderen Institutionengeleistet wird.Schon 1997 war ein funktionierendes archivisches Netzwerk Voraus-setzung, um zum 150. Jubiläum der Revolution von 1848/49 diePublikation „Revolution im Südwesten. Stätten der Demokratiebe-wegung 1848/49 in Baden-Württemberg“ von der Arbeitsgemein-schaft der Archive im Städtetag Baden-Württemberg zu veröffentlichen.An dieses Werk einer demokratischen Traditionsbildung konnteangeknüpft werden, als sich auf Einladung der Städte Offenburgund Karlsruhe im Sommer 2005 eine Arbeitsgruppe mit Vertreternder Städte Bruchsal, Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe, Mannheim,Mainz, Landau, Lörrach, Neustadt und Offenburg, der „Erinne-rungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschich-te Rastatt“ sowie der Stiftung Hambacher Schloss bildete. 2006 kamnoch die Stadt Frankfurt hinzu. Als erster Schritt liegt nun einpopulär geschriebener historischer Reiseführer zu Orten der Demo-kratiebestrebungen im deutschen Südwesten vor. Die touristischeUmsetzung soll unter Federführung der Touristiker der beteiligten

BERICHTE ZU DENVERANSTALTUNGEN DERARBEITSKREISEARBEITSKREIS ARCHIVPÄDAGOGIK UND HISTORISCHE BILDUNGSARBEIT

Hinsichtlich der Bestandserhaltung bestehe dringender Handlungs-bedarf aufgrund der begrenzten Lebensdauer von Magnetbändern.Dazu gehört eine sachgerechte Lagerung und Sicherung analogerAV-Medien durch Digitalisierung, was angesichts der knappenpersonellen Ressourcen und Mangel an Speicherkapazität einebesondere Herausforderung darstelle und aus ihrer Sicht eineKooperation mit anderen, großen Archiven und Rechenzentrenerfordere: „Langzeitarchivierung ist eine nationale Aufgabe undkann nur durch eine gemeinsame Strategie gelöst werden.“Unter dem Motto „Verteiltes Sammeln – Die AG Archive der Leib-niz-Gemeinschaft“ stand der Vortrag des Leiters des Archivs desDeutsches Museums München Dr. Wilhelm Füßl. Da die Archive derLeibniz-Gemeinschaft einen bedeutenden Teil des wissenschaftlich-technischen Erbes in Deutschland verwahren, hat sich am 5. April2005 in Hamburg die „Arbeitsgemeinschaft Archive“ konstituiert.Ihr Anliegen ist es, die nationale wissenschaftliche Bedeutung derLeibniz-Gemeinschaft aus ihrer Vielfalt heraus zu dokumentieren.Dabei ergänzen sich die unterschiedlichen thematischen Beständeder Archive im Sinne eines breiten archivischen Sammlungsspek-trums. Durch einen regen Informations- und Erfahrungsaustauschwill die AG die Vernetzung der beteiligten Einrichtungen stärken

und Synergien aus den jeweiligen Arbeitsbereichen nutzen. Gleich-zeitig fördert sie die Position der Archive in der Außendarstellung.Die Arbeitsgemeinschaft trifft sich zweimal jährlich. Ein Schwer-punkt der bisherigen Tätigkeit bildet die Erarbeitung eines abge-stimmten Sammlungskonzepts. Eindringlich plädierte der Referentfür eine aktive, schriftlich fixierte Sammlungspolitik sowohl beiArchiven wie bei Bibliotheken und eine klare, Kooperationen nut-zende Sammlungsstrategie unter Würdigung der Alleinstellungs-merkmale. Dies ermögliche insgesamt eine Vernetzung der Beständeund die zukunftsweisende „Vision des Verteilten Sammelns“.3 ■

Saarbrücken, Wolfgang Müller

3 Vgl. dazu aktuell mit weiteren Literaturhinweisen: Wilhelm Füßl: Bestandsbildung im Archiv des Deut-schen Museums, in: Wolfgang Müller (Redaktion): Dokumentationsziele und Aspekte der Bewertungin Hochschularchiven und Archiven wissenschaftlicher Institutionen. Beiträge zur Frühjahrstagung derFachgruppe 8 – Archivare an Hochschularchiven und Archiven wissenschaftlicher Institutionen – am23. und 24. März 2006 an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken, Saarbrücken 2008 (Univer-sitätsreden Nr. 73), S. 139-149 (im Druck).

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FORUM AUSBILDUNG FACHANGESTELLTE FÜR MEDIEN- UND INFORMATIONSDIENSTE

Städte folgen – die Basis haben zu einem wesentlichen Teil dieStadtarchive gelegt.Gestaltpädagogik mit Elementen wie Körperübungen, Bewegungen,Begegnung und Aktivität fördern eine aktive, selbstgesteuerte Aus-einandersetzung mit Geschichte und finden – so die Erfahrungenim Stadtarchiv Wolfsburg – geradezu Idealbedingungen in deraußerschulischen Vermittlungsarbeit.Im Zusammenhang einer Installation von Frottagen des KünstlersProf. Andreas von Weizsäcker wurde im Gedenkstättenbereich dasWorkshop-Programm „Geschichte und ihre Gestalt“ mit gestalteri-schen Werkstatt-Angeboten ins Leben gerufen (Skulpturenwork-shops, plastische Arbeiten, Abdruck- und Abbriebtechniken, bild-hauerische Tätigkeiten). Ziel war es, in Kombination von Geschichteund Kunst über sinnliche Erfahrungen und aktive Werkarbeit eineganzheitliche Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte zu ermög-lichen.In diesem Rahmen fand im Mai 2007 das deutsch-polnische Begeg-nungsprojekt „Wir reichen uns die Hände“ statt. Unter Projektlei-tung des Stadtarchivs beschäftigten sich Schüler der Eichendorff-schule Wolfsburg und Schüler der Partnerschule aus dem polni-schen Bad Kudowa zunächst in der „Dokumentation über die Opferder nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ mit den Einzelschick-salen der Zwangsarbeiter, in dem sie Liebesbriefe ehemaligerZwangsarbeiter vorlasen, die Eintragungen im Kochgeschirr einesitalienischen Militärinternierten studierten oder sich mit denkyrillischen Einritzungen in einer Buche auseinander setzten. ImAnschluss waren die Schüler gefordert, ihre in der NS-Dokumenta-tion erworbenen Kenntnisse und Eindrücke kreativ umzusetzen.Der Werklehrer und ein Steinbildhauer entschieden sich für dieHände als zentrales Motiv und Ausdrucksmittels des Kunstwerks.Unter deren Anleitung sollten die Schüler mit ihren Händen panto-mimisch das Verhältnis der Deutschen und Polen von der Vergan-genheit bis in die Jetzt-Zeit darstellen. Direkt im Anschluss beganndie Arbeit mit dem Werkstoff Ton. In einem mehrstufigen Produk-tionsprozess entstanden farbige Gipsformen, die in einem selbstge-fertigtem Holzrahmen angeordnet und mit Applikationen angerei-chert wurden. Das Projekt erfuhr eine große Öffentlichkeit undtourte als Ausstellung durch Wolfsburg und Polen.Ähnliche Resonanz in zwei Ländern konnte deutsche und ukraini-sche Schülerinnen und Schüler erfahren, die über den Zeitraumeines Jahres hinweg die Geschichte der deutschen Besatzungszeit inder Ukraine am Fallbeispiel des Ortes Iwankiw erforscht, ihreErgebnisse zusammengeführt und in zwei Ausstellungen sowohl in

der Ukraine als auch in Deutschland jeweils gemeinsam der Öffent-lichkeit präsentiert hatten. Ausgangspunkt des Projektes waren dieFotosammlung sowie über hundert Briefe eines Deutschen, der von1942-1943 in der Landwirtschaftsverwaltung des Reichskommissa-riats Ukraine tätig war. Koordiniert wurde das Projekt von derUkrainischen Nationalstiftung „Verständigung und Aussöhnung“,finanziell gefördert wurde es im Rahmen der „GeschichtswerkstattEuropa“ von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zu-kunft“ und der Robert-Bosch-Stiftung. Die Schülerinnen undSchüler der Allgemeinbildenden Mittelschule Nr. 2 in Iwankiw unddes Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasiums in Münster betratenmit ihren Recherchen wissenschaftlich gesehen Neuland, denn überdie Besatzungszeit in der Ukraine ist bisher wenig bekannt.Die Hilfe, die sie dabei in Archiven erfuhren, belegte erneut derenFunktion als Orte des historischen Lernens im umfassenden Sinne.Der länderübergreifende Zugriff auf die Geschichte der deutschenBesetzung in dem ukrainischen Ort Iwankiw ermöglichte es zumeinen allen Beteiligten, die historische Identität des Projektpartnerskennen zu lernen. Dabei zeigten sich neben vielen Gemeinsamkeitenauch geschichtlich und kulturell bedingte Abweichungen undBesonderheiten, auf die jeweils Rücksicht zu nehmen war. Zumanderen wurde den Jugendlichen das eigene Geschichtsbild bewuss-ter und konnte kritisch reflektiert werden. Die verallgemeinerbareErfahrung dieses Projektes ist, dass der Ansatz, gemeinsame Ge-schichte aus unterschiedlichen historischen, gesellschaftlichen odernationalen Perspektiven aufzuarbeiten, für eine demokratische unddamit diskursive Geschichtskultur besonders ertragreich ist. Dabeikann für ein internationales Projekt an bestehende Städte-, Schul-oder Gemeindepartnerschaften angeknüpft werden, ebenso ist aufregionaler oder lokaler Ebene eine multiperspektivische Aufarbei-tung von Geschichte durch Jugendliche verschiedener Herkunftslän-der denkbar.Bei allen Projekten war ein positives Ergebnis nur mit hohempersonellen Einsatz und entsprechender finanzieller Unterstützungerreichbar. Allerdings können die Grundlagen für die Wiederholungder Projekte weiter genutzt werden, wie es derzeit schon in Wolfs-burg geschieht. Zudem werden gerade bei grenzüberschreitendenProjekten auch die institutionellen Grenzen zu den Partnern beach-tet, damit das Stadtarchiv nicht schleichend zum Tourismusbüromutiert ... So gesehen wird man diese Projekte weiterhin mit Auf-merksamkeit beachten können. ■

Stuttgart, Clemens Rehm

Schwerpunkt des Ausbildungsforums auf dem Deutschen Archivtag,das auch in Mannheim gut besucht war, waren die Auswirkungendes TVÖD für die Eingruppierung von Archivaren und Archivarin-nen.In einem Grundsatzreferat stellte Dr. Hans-Holger Paul vom Archivder sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung den seit 2005gültigen Tarifvertrag für den Geltungsbereich des Bundes und derGemeinden vor. Wesentliche Änderungen sind neben der Arbeitzeit-angleichung in den Tarifgebieten West und Ost die Zusammenle-gung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes in Jahressonderzahlungen,die Einführung von Arbeitszeitkonten und die Leistungsbezahlung.

Welche Auswirkungen haben diese Neuerungen für die Archive?Paul stellte die Eckeingruppierungen für die einzelnen Laufbahnenvor und machte deutlich, dass die Eingruppierung für Archivare undArchivarinnen für die alten Vergütungsgruppen BAT IV a bis BAT Iaweiterhin nach den sogenannten unbestimmten Rechtsbegriffen desseit 1961 geltenden BAT erfolgt. Archivspezifische Tätigkeitsmerkma-le wurden 1964 lediglich BAT X bis BAT IVb vereinbart. Er machtedarüber hinaus auch klar, dass eine exakte Fixierung der Tätigkeits-merkmale für alle Laufbahnebenen angesichts der schnellen Verän-derungen der Aufgaben in den Archiven und der damit gebotenenFlexibilität nur sehr schwer in die Praxis umzusetzen ist.Auch der VdA vertritt die Position, dass für den Archivbereich

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MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES VdA

weiterhin die unbestimmten Rechtsbegriffe des BAT gelten sollten,da sie letztendlich für die berufliche Perspektive günstiger sind. Paulwies auf die Notwendigkeit hin, diese unbestimmten Rechtsbegriffeinhaltlich zu füllen. Der Unterarbeitskreis Tarif des ArbeitskreisesBerufsbild hat sich deshalb dieser Aufgabe angenommen undentwickelt zurzeit einen Beispielkatalog von berufstypischen Tätig-keitsmerkmalen für die einzelnen Vergütungsgruppen. Dies istdeshalb von besonderer Bedeutung, wie auch Harry Scholz (Archivder sozialen Demokratie) in seinem Anschlussreferat darlegte, da fürdie Eingruppierung der Fachangestellten für Medien- und Informati-onsdienste und der Fachwirte im Archivbereich zwingend Hand-lungsbedarf besteht.Die Vergütungsperspektiven des FAMIS, Fachrichtung Archiv umfas-sen im Anwendungsgebiet des TVöD die EG 5-8 (entspricht BAT VIIbis VIb). Je nach prozentualer Ausprägung der unbestimmtenRechtsbegriffe „gründliche und vielseitige Fachkenntnisse sowieselbständige Leistung“ im Allgemeinen Teil des BAT kann derausgebildete FAMI mit einer entsprechenden mehrjährigen Berufs-praxis und/oder mit modularen oder punktuellen Zusatzqualifika-tionen (FH Potsdam, Archivschule Marburg, Archivberatungsstellender Landschaftsverbände) eine höhere Vergütung qua Höhergrup-pierung erwirken.Die ausgebildeten FAMIs haben hier gemäß Berufsbildungsgesetz(BBiG), welches die Berufsbildung bundesweit einheitlich regelt,einen Anspruch auf „berufliche Fortbildung“.Bisher gibt es drei Fortbildungsmöglichkeiten für FAMIS:• Die Ausbildereignerprüfung nach einer entsprechenden Berufs-

erfahrung, die eine konkrete Vergütungsperspektive, die je nachVerantwortungsgrad und Anzahl der Auszubildenden, eröffnetund an die Schnittstelle zur Eingruppierung der bisherigenDiplomarchivarinnen und Diplomarchivare reichen kann.

• Fernweiterbildung an der FH Potsdam mit Abschluss Diplom

bzw. Bachelor (FH). Interessant dürfte für FAMIs, so Harry Scholzsein, dass eine Reihe von Modulen im Rahmen der Fernweiterbil-dung erlassen werden können, sofern man zum FAMI-Abschlusszusätzlich die Hochschulreife aufweisen kann. Somit ist dieFernweiterbildung an der FH Potsdam die konsequente Fort-führung der FAMI-Ausbildung auf Fachhochschulniveau. DerAbschluss zum Diplomarchivaren bzw. -archivarin bedeutetkonkret die formale Qualifikation für den „gehobenen Dienst“und bietet damit die Öffnung für eine weitergehende beruflichePerspektive. Der VdA und seine entsprechenden Gremien unter-stützt mit Nachdruck diese Weiterbildungsform, da sie, inhaltlichfundiert und archivfachlich anerkannt, eine tatsächliche weiter-führende Qualifikation des FAMI, Fachrichtung Archiv, ist.

• Modulare oder punktuelle Zusatzqualifikationen der Archivschu-len Marburg und Potsdam mit der Möglichkeit, auch einzelneModule separat von einer möglichen diplomierten Abschlussprü-fung abzulegen, die aber eine Weiterbildung in archivischenSpezialbereichen realisiert.

Für einen qualitativen Laufbahnsprung, sofern der Arbeitgeber(Kommune, Land, Bund) dies unterstützt, ist aus heutiger Sicht nurdie Fernweiterbildung bzw. das Direktstudium an der FH Potsdam,Fachbereich Informationswissenschaften bzw. das Direktstudium ander Archivschule Marburg ratsam. Eine kostenaufwendige Weiterbil-dung zum Fachwirt für Informationsdienste im Archivsektor des ÖDist nach heutigem Stand mangels archivfachlicher Anerkennung, wieauch in der anschließenden Diskussion deutlich wurde, nicht zuempfehlen.Dennoch entsteht mit dem Fachwirt mittelfristig ein tariflichesVerortungsproblem, da der Fachwirt als Weiterbildungskonzept imdualen System die Schnittstelle zwischen FAMI und Diplomarchivarfüllt. ■

St. Augustin, Angela Keller-Kühne

BERICHTE DER ARBEITSKREISE INDER MITGLIEDERVERSAMMLUNGARBEITSKREIS BERUFSBILD

Die Anforderungen an die Archivarinnen/die Archivare aller Fach-gruppen haben sich in den letzten Jahren mit zunehmender Ge-schwindigkeit verändert und werden, so ist zu prognostizieren,einem weiteren dynamischen Wandel unterworfen sein. Für dasSelbstverständnis, das Selbstbewusstsein und die berufliche Zu-kunft der Archivarinnen und Archivare erscheint es wichtig, diesenVeränderungsprozess bewusst wahrzunehmen, ihn zu analysierenund Konsequenzen für die Aus- und Fortbildung daraus zu ziehen.Gleichzeitig erfordern neue Tarifverträge im Öffentlichen Dienst undeine notwendige Ausbildungsreform im Rahmen des so genanntenBologna-Prozesses (Harmonisierung der Hochschulausbildung aufeuropäischer Ebene) dringend berufsverbandliches Handeln bzw.eine deutliche Positionierung des Berufsverbands.Der VdA als einzige übergreifende nationale Organisation desdeutschen Archivwesens, als Berufsverband und Ombudsorganisa-

tion des deutschen Archivwesens hat deshalb 2006 einen Arbeits-kreis eingesetzt mit dem Ziel, ein Berufs- bzw. Leitbild zu erarbeitenund konzeptionelle Vorschläge für die Aus- und Fortbildung darauszu entwickeln, für die Laufbahnentwicklung, für Aufstieg undBesoldung/Vergütung. Dabei stellen sich auch die grundsätzlichenFragen: Gibt es überhaupt noch ein einheitliches Berufsbild? Soll esdas weiterhin geben?Die allgemeine Einschätzung der Bedeutung der Aufgabe spiegeltsich darin, dass Vertreter aller archivischen Spitzenverbände, allerFachgruppen und der drei Ausbildungseinrichtungen aktiv in denzweimal jährlich stattfindenden Sitzungen des Arbeitskreises mitar-beiten. 2007 tagte der Arbeitskreis am 12. März und am 8. Novemberjeweils in der Geschäftsstelle in Fulda. Unterstützt wird der Arbeits-kreis durch zwei Unterarbeitskreise, die sich jeweils mit Fragen desneuen Tarifrechts und mit Fragen des Ausbildungsberufs Fachange-

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stellte/r für Medien- und Informationsdienste beschäftigen. Insbe-sondere der Unterarbeitskreis Tarif hat sich unter dem (inzwischenetwas relativierten) Termindruck anstehender Tarifverhandlungen2007 in vier Sitzungen mit einer Aufstellung und intensiven Diskus-sion von den jeweiligen Entgeltgruppen zugeordneten archivischenTätigkeitsmerkmalen befasst. Als „Schubladenpapier“ können dieseggf. den Tarifparteien zur Verfügung gestellt werden, damit dieFesseln, die der alte BAT dem beruflichen Aufstieg angelegt hat,endgültig abgestreift werden können.Quellen für die Formulierung eines (nationalen) Berufsbildes bildenzunächst die Archivgesetze des Bundes und der Länder (Polley). Diedaraus ableitbaren Aufgaben wurden mit dem Code of Ethics (ICA)und dem EU-Report „Archive in einer erweiterten EU, Prioritätenkünftigen Handelns“ kontrastiert (Bischoff), um eine notwendigeinternationale Einbindung zu gewährleisten. Auch bei der Neuorga-nisation der nordrhein-westfälischen Landesarchivverwaltung(Dördelmann) wurden durch die Hinzuziehung eines externenBeraters Grundfragen archivischer und archivarischer Aufgabenreflektiert, neu bewertet und in eine veränderte Organisationsstruk-tur umgesetzt. Ein Grundsatzpapier der BKK zur Rolle des Kommu-nalarchivs in der „Stadt der Zukunft“ (Diefenbacher) formuliert vierGrundaussagen, die die zentrale Rolle der Archive im Kultur- undBildungsbereich, der Stärkung der Demokratie und zur Stiftung vonIdentität insbesondere mit der Wahrnehmung einer aktiven histori-schen Bildungsarbeit betonen.

ARBEITSKREIS ARCHIVPÄDAGOGIK UND HISTORISCHE BILDUNGSARBEIT

Als Ergebnis der bisherigen Arbeitssitzungen lässt sich festhalten:Stärker als im übrigen Europa steht in Deutschland weiterhin dieklassische Archivarbeit im Mittelpunkt des Aufgabenspektrums.Dabei gilt historische Bildungsarbeit als integraler Bestandteil diesesklassischen Aufgabenkreises. Nach Einschätzung des Arbeitskreiseswird die klassische Arbeit zwar weiterhin dominieren, sie wird aberzugunsten anderer Anforderungen an Bedeutung verlieren. Archivi-sche Vorfeldarbeit im Sinne eines aktiven Records Managementsgewinnt dabei wie im übrigen Europa zunehmend an Bedeutung,ein Feld, in dem Archive und Archivare besondere Kompetenzenanzubieten haben, die es deutlicher zu profilieren gilt. Schließlichwerden die Anforderungen einer digitalen Welt immer drängender,von der digitalen Langzeitarchivierung bis hin zur Nutzung digitalerMedien für eigene (und Nutzer-) Zwecke. Auch hier werden Archiveund Archivare nicht nur Antworten finden müssen, sondern sichstärker aktiv und richtungweisend in die Gestaltung einzubringenhaben. Dies wird eine stärkere Spezialisierung bedingen. Ob dieseauf Dauer mit dem bisherigen Anspruch einer generalisierendenAusbildung, eines einheitlichen Berufsbildes zu vereinbaren ist, wirdzu diskutieren sein. Eine vom Arbeitskreis eingesetzte Arbeitsgruppeformuliert ein thesenartiges Zwischenergebnis, das Grundlage derweiteren Diskussion sein soll. ■

Bietigheim-Bissingen, Stefan Benning

Seit dem Archivtag 2006 haben sich die Mitglieder des Arbeitskrei-ses Archivpädagogik und Historische Bildungsarbeit drei Malgetroffen. Bei den zwei Arbeitssitzungen des Koordinierungsaus-schusses, die im Stadtarchiv Münster stattfanden, lag der Schwer-punkt vor allem auf den Tagesordnungspunkten, die die Vorberei-tungen für die Veranstaltung des Arbeitskreises auf dem diesjährigenArchivtag in Mannheim und für die jährliche Archivpädagogenkon-ferenz betrafen.Zur 21. Archivpädagogenkonferenz, zu der auch die jährliche Mit-gliederversammlung des AK gehört, hatten Stadt und StadtarchivWolfsburg eingeladen. Das Thema der Konferenz im Juni diesenJahres lautete: „Geschichte erleben! Szenische Darstellungen in derhistorischen Vermittlung.“ Anhand zahlreicher Beispiele vor allemaus dem lokalen Bereich, aber auch mit Blick auf benachbarteFachgebiete wie etwa die Gedenkstättenarbeit, zeigten die Referen-

ARBEITSKREIS ARCHIVISCHE BEWERTUNG4

tinnen und Referenten neue Wege der historischen Vermittlung aufund konnten damit der Bildungsarbeit in den Archiven Anregungenund Impulse geben. Für die nächste Archivpädagogenkonferenz liegteine Einladung des Stadtarchivs Neuss vor. Sie findet vom 15. bis 17.Mai 2008 statt.Der virtuelle Rundbrief des Arbeitskreises ist im zurückliegendenBerichtsjahr im April und im September 2007 erschienen. Er kannüber die Internetseiten des Arbeitskreises eingesehen und dort auchabonniert werden (www.archivpaedagogen.de.) Ein Abonnement istwährend des Archivtags auch am Infotisch des Arbeitskreises mög-lich. Es gibt zurzeit ca. 220 Abonnenten des newsletters ABP.Am nächsten Historikertag 2008 in Dresden wird sich der Arbeits-kreis mit einer Veranstaltung beteiligen. ■

Münster, Roswitha Link

Der Arbeitskreis Archivische Bewertung besteht seit nunmehr sechsJahren. Ihm gehören Vertreter unterschiedlicher Archivsparten an,die sich in regelmäßigen Sitzungen über Grundsatzfragen derarchivischen Überlieferungsbildung austauschen und verständigen.Das Positionspapier, das im Herbst 2004 fertig gestellt und präsen-tiert wurde, ist das bislang wichtigste Ergebnis der gemeinsamenArbeit. Die Positionen formulieren für den Bereich der Bewertungfachliche Standards, die über einzelne Sparten und Themenbereiche

hinweg Akzeptanz gefunden haben. Diese Positionen weiter zukonkretisieren und in der Aufnahme aktueller Fragestellungen zuergänzen und fortzuschreiben, sind gegenwärtig die Hauptaufgabendes Arbeitskreises und haben auch die Sitzungen in diesem und imletzten Jahr bestimmt.Auf seiner Sitzung im Herbst letzten Jahres in Fulda hat sich derArbeitskreis erstmals mit einem konkreten Themenbereich derÜberlieferungsbildung befasst, nämlich mit dem Bereich Schule und

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MITTEILUNGEN UND BEITRÄGE DES VdA

Bildung. In Kurzreferaten haben Kolleginnen und Kollegen aus ihrerErfahrungen im Umgang mit Unterlagen aus der Schulpolitik und-Verwaltung berichtet und dabei deutlich werden lassen, in welchvielfältiger Weise und mit welch unterschiedlicher Fokussierungstaatliche und nichtstaatliche Organisationen gerade im Bildungsbe-reich ineinandergreifen. Für die Bewertung resultiert aus dieserBestandsaufnahme die Forderung nach einer klaren Bestimmungund Abgrenzung der unterschiedlichen archivischen Kompetenzen.Archive bilden ihre Überlieferung aus je eigener Perspektive und mitje eigenem thematischen Schwerpunkt. Sie akzentuieren z. B. diepolitische Steuerung oder die Verwaltung oder den Alltag desSchullebens. Ein Gesamtbild des Bildungsbereichs entsteht – wie inanderen Funktionsbereichen auch – erst in der Zusammenschau derÜberlieferungsstränge. Diese Zusammenschau kann nur durch einearchivübergreifende Kooperation und komplementäre Ergänzungbei der Überlieferungsbildung realisiert wird.Für den Arbeitskreis war es hilfreich, in Fulda die fachlichen Positio-nen am konkreten Beispiel noch einmal zu prüfen und zu verfeinern.Allerdings hat die Diskussion gezeigt, dass es nach wie vor und trotzdes Positionspapiers weniger die Einzelheiten eines bestimmtenThemas als vielmehr die grundsätzlichen Bewertungsfragen sind,die den größten Diskussions- und Klärungsbedarf aufwerfen unddie in der jetzigen Organisationsform des Arbeitskreises auch ambesten zu bearbeiten sind.Zu diesen grundsätzlichen Fragen zählen mit Sicherheit die ThemenTransparenz und Evaluation, mit denen sich der Arbeitskreis inseiner Frühjahrssitzung in Sankt Augustin beschäftigt hat. Währenddie Sicherung von Transparenz in der Bewertung fachlich weitge-hend unstrittig und vielfach in der Praxis auch bereits gewährleistetist, stellt die Evaluation ein Thema dar, das mit vielen Fragen undUnsicherheiten behaftet ist. Noch wird eine systematische Überprü-fung und Revision von Bewertungsentscheidungen oder Bewer-tungsmodellen auch in den großen Archiven kaum geleistet. Das

Kurzreferat von Herrn Mährle und die anschließende Diskussionhaben in Sankt Augustin erkennen lassen, dass für eine Evaluationvielfältige Kriterien herangezogen werden können, die sich jedochteilweise nicht zuletzt in der Vermischung von fachlichen undpragmatischen bzw. Ressourcengesichtspunkten als problematischerweisen. So wurde im Arbeitskreis beispielsweise die Frage erörtert,inwieweit die Nutzung eines Bestandes ein geeignetes Kriterium fürdie Evaluation oder gar Nachkassation sein kann. Bei den meistenMitgliedern des Arbeitskreises stieß eine Orientierung der Evaluati-on an der Nachfrage auf Skepsis. Wichtiger als die tatsächlicheNutzung seien die langfristigen Auswertungs- bzw. Nutzungsmög-lichkeiten eines Bestandes. Welche Qualitäten Unterlagen aberhaben müssen, damit sie weit reichende Nutzungsmöglichkeiteneröffnen und damit hohen archivischen Wert für sich beanspruchenkönnen, ist bislang kaum systematisch erörtert worden. Der Arbeits-kreis wird sich deshalb in seiner nächsten Sitzung am 15. Novemberin Düsseldorf mit dieser Frage und mit der Frage nach den Zielgrup-pen der Bewertung intensiv auseinandersetzen.Nach wie vor ist der Arbeitskreis Bewertung kein abgeschlossenesGremium. Er steht vielmehr allen Mitgliedern des VdA offen. Überneue Mitglieder würde sich der Arbeitskreis freuen, ganz besondersüber Mitglieder aus den zurzeit etwas unterrepräsentierten nicht-staatlichen Archiven. Wer Interesse an der Mitarbeit im ArbeitskreisBewertung hat oder wer sich einfach nur über die Arbeit des Ar-beitskreises informieren will, findet im Internet auf den Seiten desVdA alle notwendigen Hinweise und insbesondere alle Protokolleder bisherigen Sitzungen. ■

Düsseldorf, Andreas Pilger

4 In der Mitgliederversammlung hat Dr. Albrecht Ernst, Stuttgart, über die Arbeit des Arbeitskreises be-richtet.

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BUNDBUNDESARCHIV

ErnanntSachbearbeiterin Nadine Gross zur Regierungsinspektorin z. A. (1.10.2007) – Miriam Arold zur Archivinspektoranwärterin(1.10.2007) –Sabrina Bader zur Archivinspektoranwärterin(1.10.2007) – SönkeKosicki zum Archivinspektoranwärter(1.10.2007) – HartmutOberkircher zum Archivinspektoranwärter (1.10.2007) – Regierungs-amtsrätin Petra Farwick zur Regierungsoberamtsrätin (5.10.2007) –Archivamtsrat Johannes Ganser zum Archivoberamtsrat (5.10.2007).

In den Ruhestand getretenArchivoberamtsrat Heinz Hoffmann (30.9.2007).

SonstigesReferent Dr. Johannes-Heinrich Jansen wurde an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt a.M. zum apl. Professor ernannt(19.7.2007).

GEHEIMES STAATSARCHIVPREUßISCHER KULTURBESITZ

EingestelltArchivangestellter Christian Schwarzbach (1.11.2007).

SonstigesArchivangestellte Christina Olejniczak ist in die Freistellungsphaseder Altersteilzeit eingetreten (1.11.2007).

BADEN-WÜRTTEMBERGErnanntOberarchivrat Dr. Jürgen Treffeisen beim Landesarchiv Baden-Würt-temberg, Abteilung Generallandesarchiv Karlsruhe, zum Archivdirek-tor (21.9.2007) – Katarina Buttig beim Landesarchiv Baden-Württem-berg, Abteilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart, zur Archivinspektoranwär-terin (1.10.2007) – Dennis Grages beim Landesarchiv Baden-Württem-berg, Abteilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart, zum Archivinspektoran-wärter (1.10.2007) – Lisa Hauser beim Landesarchiv Baden-Württem-berg, Abteilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart, zur Archivinspektoranwär-terin (1.10.2007) – Thorsten Kaesler beim Landesarchiv Baden-Würt-temberg, Abteilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart, zum Archivinspek-toranwärter (1.10.2007) – Stephanie Kurrle beim Landesarchiv Baden-Württemberg,Abteilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart, zur Archivinspek-toranwärterin (1.10.2007) – Bianca Nell beim Landesarchiv Baden-Württemberg,Abteilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart, zur Archivinspek-

toranwärterin (1.10.2007) – Annette Riek beim Landesarchiv Baden-Württemberg,Abteilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart, zur Archivinspek-toranwärterin (1.10.2007) – Meike Zepf beim Landesarchiv Baden-Württemberg,Abteilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart, zur Archivinspek-toranwärterin (1.10.2007).

In den Ruhestand getretenOberarchivrat Dr. Otto Becker beim Landesarchiv Baden-Württem-berg, Abteilung Staatsarchiv Sigmaringen (30.9.2007).

AusgeschiedenArchivinspektoranwärterin Sandy Apelt beim Landesarchiv Baden-Württemberg, Abteilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart, nach bestande-ner Laufbahnprüfung (30.9.2007) – Archivinspektoranwärterin KatjaGeorg beim Landesarchiv Baden-Württemberg, Abteilung Haupt-staatsarchiv Stuttgart, nach bestandener Laufbahnprüfung (30.9.2007)– Archivinspektoranwärter Alexander Kipphan beim LandesarchivBaden-Württemberg,Abteilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart, nach be-standener Laufbahnprüfung (30.9.2007) – ArchivinspektoranwärterinKatrin Kranich beim Landesarchiv Baden-Württemberg, AbteilungHauptstaatsarchiv Stuttgart, nach bestandener Laufbahnprüfung(30.9.2007) – Archivinspektoranwärterin Nicole Linke beim Landesar-chiv Baden-Württemberg,Abteilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart, nachbestandener Laufbahnprüfung (30.9.2007) – ArchivinspektoranwärterRalf Othengrafen beim Landesarchiv Baden-Württemberg, AbteilungHauptstaatsarchiv Stuttgart, nach bestandener Laufbahnprüfung(30.9.2007) – Archivinspektoranwärter Stefan Spiller beim LandesarchivBaden-Württemberg,Abteilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart, nach be-standener Laufbahnprüfung (30.9.2007) – ArchivinspektoranwärterinChristina Wolf beim Landesarchiv Baden-Württemberg, AbteilungHauptstaatsarchiv Stuttgart, nach bestandener Laufbahnprüfung(30.9.2007).

BAYERNErnanntClaudia Eikel bei der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayernszur Archivinspektoranwärterin (2.11.2007) – Bettina Knabl bei der Ge-neraldirektion der Staatlichen Archive Bayerns zur Archivinspektoran-wärterin (2.11.2007) – Melanie Steinhäußer bei der Generaldirektionder Staatlichen Archive Bayerns zur Archivinspektoranwärterin(2.11.2007) – Sabine Wagner bei der Generaldirektion der StaatlichenArchive Bayerns zur Archivinspektoranwärterin (2.11.2007) – Kathari-na Weber bei der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns zurArchivinspektoranwärterin (2.11.2007) – Johannes Stoiber bei der Ge-neraldirektion der Staatlichen Archive Bayerns zum Archivinspektor-anwärter (2.11.2007) – Sebastian Sattler bei der Generaldirektion derStaatlichen Archive Bayerns zum Archivinspektoranwärter (20.11.2007).

PERSONALNACHRICHTENZusammengestellt vom

VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e. V.

PERSONALNACHRICHTEN

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PERSONALNACHRICHTEN

In den Ruhestand getretenArchivamtsrat Bernd Görmer beim Bayerischen Hauptstaatsarchiv(31.10.2007) – Verwaltungsbetriebssekretär Siegfried Hörmann beimStaatsarchiv München (30.11.2007) – Leitender Archivdirektor Dr. BodoUhl bei der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns (31.1.2008)– Generaldirektor Prof. Dr. Hermann Rumschöttel bei der Generaldi-rektion der Staatlichen Archive Bayerns (29.2.2008).

VerstorbenArchivoberrat a. D. Dr. Kurt Malisch im Alter von 58 Jahren(16.6.2007).

HAMBURGErnanntAntje Schulzki beim Staatsarchiv Hamburg zur Archivinspektoran-wärterin (1.10.2007).

HESSENErnanntKathrin Lintz beim Hessischen Staatsarchiv Marburg zur Archivinspek-toranwärterin (1.10.2007) – Klaus-Peter Maresch beim HessischenStaatsarchiv Marburg zum Archivinspektoranwärter (1.10.2007) – Ma-rio Schäfer beim Hessischen Staatsarchiv Marburg zum Archivinspek-toranwärter (1.10.2007).

EingestelltWiss.Archivar Ulrich Bartels beim Hessischen Staatsarchiv Darmstadtals Leiter der Archivberatungsstelle (1.1.2008) – Dipl.-ArchivarinMaria Kobold beim Hessischen Staatsarchiv Darmstadt (1.1.2008).

AusgeschiedenArchivinspektoranwärterin Maria Kobold beim Hessischen Staatsar-chiv Marburg nach bestandener Laufbahnprüfung (30.9.2007) – Archi-vinspektoranwärterin Kirsten Peuser beim Hessischen StaatsarchivMarburg nach bestandener Laufbahnprüfung (30.9.2007) – Archivin-spektoranwärterin Marei Söhngen beim Hessischen Staatsarchiv Mar-burg nach bestandener Laufbahnprüfung (30.9.2007).

NIEDERSACHSENVerstorbenArchivdirektor a. D. Dr. Jürgen Asch vom Niedersächsischen Landes-archiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, ist im Alter von 76 Jahrenverstorben (21.8.2007).

SonstigesArchivassessorin Dr. Roxane Wartenberg beim NiedersächsischenLandesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover, trägt den FamiliennamenBerwinkel (15.9.2007).

NORDRHEIN-WESTFALENEingestelltChristiane Hibbeln beim Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Zentra-le Dienste, als Regierungsinspektorin z. A. (27.8.2007).

VersetztStaatsarchivinspektorin Renate Dziuba vom Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, an die Fernuniversität Hagen(1.1.2008).

RHEINLAND-PFALZErnanntLeitende Archivdirektorin Dr. Elsbeth Andre zur Leiterin des Landes-hauptarchivs Koblenz, Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz(15.9.2007) – Isabell Weisbrod beim Landeshauptarchiv Koblenz zur Ar-chivinspektoranwärterin (1.10.2007) – Tanja Wolf beim Landeshaupt-archiv Koblenz zur Archivinspektoranwärterin (1.10.2007) – Ellen Jun-glas beim Landeshauptarchiv Koblenz zur Archivinspektorin(29.10.2007) – Christina Villars-Perez beim Landeshauptarchiv Ko-blenz zur Archivinspektorin z. A. (22.10.2007).

AbgeordnetOberarchivrat Dr. Walter Rummel ist weiterhin vom Landeshauptar-chiv Koblenz an das Landesarchiv Speyer abgeordnet (bis 30.6.2008)und gleichzeitig zum kommissarisch Ständigen Vertreter der Dienststel-lenleitung für die Dauer der Abordnung bestellt worden.

AusgeschiedenArchivinspektoranwärterin Daniela Berrenrath beim Landeshauptar-chiv Koblenz nach bestandener Laufbahnprüfung (30.9.2007) –Archivinspektoranwärterin Tanja Chlebna beim LandeshauptarchivKoblenz nach bestandener Laufbahnprüfung (30.9.2007) – Archivin-spektoranwärterin Aileen Tomzek beim Landeshauptarchiv Koblenznach bestandener Laufbahnprüfung (30.9.2007) – Archivinspektoran-wärterin Sonja Eiselen beim Landeshauptarchiv Koblenz nach bestan-dener Laufbahnprüfung (30.9.2007).

VerstorbenArchivamtsrätin Kristine Werner vom Landeshauptarchiv Koblenz imAlter von 61 Jahren (13.11.2007).

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SACHSENErnanntToni Frank beim Sächsischen Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, zumArchivinspektoranwärter (1.10.2007) – Romy Hildebrandt beim Säch-sischen Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, zur Archivinspektoranwär-terin (1.10.2007) – Sven Woelke beim Sächsischen Staatsarchiv, Staats-archiv Leipzig, zum Archivinspektoranwärter (1.10.2007) – ChristianeHelmert beim Sächsischen Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, zur Ar-chivinspektoranwärterin (16.10.2007).

EingestelltSimon Nobis beim Sächsischen Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, alsAuszubildender zum Fachangestellten für Medien- und Informations-dienste, Fachrichtung Archiv (24.9.2007).

AusgeschiedenArchivinspektoranwärter Simon Heßdörfer beim Sächsischen Staats-archiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, nach bestandener Laufbahnprüfung(27.9.2007) – Archivinspektoranwärter Yves Pillep beim SächsischenStaatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, nach bestandener Laufbahn-prüfung (27.9.2007).

STADTARCHIVE UND ARCHIVESONSTIGER GEBIETSKÖRPERSCHAFTEN

Kreisarchiv Bodenseekreis: Dipl. -Archivar (FH) Martin Zierer wurdeals Angestellter eingestellt (1.12.2007) – Stadtarchiv Döbeln: Diplom-lehrerin Ellen Rößger ist in den Ruhestand getreten (31.12.2007) – Stadt-archiv Essen: Städtische Archivoberinspektorin Cordula Holtermannwurde zur Städtischen Archivamtfrau ernannt (1.9.2007) – StädtischerArchivinspektor Bernd Ingenpaß wurde zum Städtischen Archivober-inspektor ernannt (1.9.2007) – Stadtarchiv Kamenz: Archivleiter Dr.Matthias Herrmann ist im Alter von 46 Jahren verstorben (2.10.2007).

KIRCHLICHE ARCHIVE

Evangelische KircheEvangelisches Landeskirchliches Archiv Berlin: Marita Müller vonder Kirchenbuchstelle Berlin-Brandenburg ist in den Ruhestand getre-ten (30.6.2007) – Dr. Johannes Hilbert wurde bei der Projekt-Verzeich-nung Bestand 35 Konsistorium der Region Ost eingestellt (1.10.2007)– Jens Reiher wurde als Fachangestellter für Medien- und Informati-onsdienste, Fachrichtung Archiv, eingestellt (1.10.2007) – Klaus Voglerhat die Abschlussprüfung als Fachangestellter für Me-dien- und Informationsdienste, Fachrichtung Archiv, bestanden undwurde im DFG-Projekt „Archiv der Gossner Mission“ eingestellt(1.5.2007).

Katholische KircheErzbischöfliches Archiv Freiburg: Erzbischöflicher Archivdirektor a.D. Dr. Franz Hundsnurscher ist im Alter von 74 Jahren verstorben(18.11.2007).

Universitäts- und Hochschularchive und Archive wissen-schaftlicher InstitutionenUniversität Duisburg-Essen: Akademischer Rat z.A. Dr. Ingo Rundewurde als Leiter des Universitätsarchivs unter Verleihung der Eigen-schaft eines Beamten auf Lebenszeit zum Akademischen Rat er-nannt (18.11.2007).

EhrungenProf. Dr. Niklot Klüßendorf erhielt das Bundesverdienstkreuz 1. Klas-se für seine besonderen Verdienste um die deutsche Numismatik undals Historiker des Geldwesens (2.10.2007) – Direktor des Archivs desBistums Passau Dr. Herbert W.Wurster erhielt den päpstlichen Ritter-orden vom hl. Silvester (17.9.2007) und den Kulturpreis des Landkrei-ses Passau (11.11.2007).

Geburtstage85 Jahre: Archivleiterin i. R. Dr. Marianne Wiesotte, Mainz (14.5.2008).

80 Jahre: Leitender Archivdirektor a. D. Prof. Dr. Franz-Josef Heyen, Ko-blenz (2.5.2008). – Wiss. Archivar i. R. Dr. Gebhard Falk, Potsdam(31.5.2008).

75 Jahre: Univ. Prof. em. Dr. Wilhelm Janssen, Düsseldorf (6.5.2008).

70 Jahre: Kreisamtsinspektor a. D. Wilhelm Maria Schneider, Wa-rendorf (30.5.2008) – Kreisoberarchivrat a. D. Dr. Wolfram Angerbau-er, Tübingen (7.6.2008). – Ministerialrat a. D. Dr. Karlotto Bogumil, Mag-deburg (18.6.2008).

65 Jahre: Archivleiter Prof. Dr. Horst A.Wessel, Düsseldorf (12.4.2008)– Leitender Archivdirektor Prof. Dr. Volker Wahl, Weimar (10.6.2008)

60 Jahre: Archivarin Gabriele Klemke, Potsdam (2.4.2008) – Wiss.Mitarbeiter Dr. Manfred Agethen, Sankt Augustin (13.4.2008) – Archiv-amtmann i.K. Manfred Herz, München (23.4.2008) – ArchivdirektorDr. Robert Zink, Bamberg (26.4.2008) – Angestellter Thomas Wagner,Saarbrücken (30.4.2008) – Archivamtsrätin Sabine Preuß, Berlin(4.5.2008) – Bistumshistoriker Erik Soder von Güldenstubbe,Würzburg(13.5.2008) – Dokumentarin Verena Friedrich, Kiel (27.6.2008) – Stadt-archivoberamtsrat Hans-Josef Schmidt, Koblenz (27.6.2008) – Archiva-rin Dr. Rena Noltenius M.A., Berlin (27.6.2008).

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MATTHIAS HERRMANN †

Geb. 13.2.1961 DresdenGest. 2.10.2007 Pulsnitz

Einen schweren Verlust haben nicht nur die sächsischen Archivareund Historiker zu beklagen. In der Klinik Schloss Pulsnitz ist am2. Oktober 2007 Dr. Matthias Herrmann, langjähriger Stadtarchivarvon Kamenz und Vizepräsident der Oberlausitzischen Gesellschaftder Wissenschaften, im Alter von nur 46 Jahren verstorben. EineOperation, der er sich Ende Juli unterziehen musste, kam für seinKrebsleiden zu spät. Tief bewegt nahm eine große Trauergemeinde,darunter Kollegen aus mehreren Archiven, am 6. Oktober auf demheimatlichen Friedhof in Cunnersdorf bei Kamenz Abschied.Matthias Herrmann wurde als zweites Kind des Lehrers Wolfgangund der Schneiderin Leni (geb. Schmidt) am 13. Februar 1961 inDresden geboren. Aufgewachsen ist er im westlichen Teil der Ober-lausitz, wo ihn früh die Verbindungen zwischen dem Bergland, derHeide- und Teichlandschaft und der Kultur der Lessingstadt Ka-menz prägten. Nach dem Abitur und der Militärzeit (1979–1982)wollte er ursprünglich Kunstwissenschaft studieren und stieß dabeieher zufällig auf das Archiv des Rates der Stadt Kamenz, das ihn1983 zum Studium der Archivwissenschaft an die Humboldt-Universität zu Berlin nach bestandener Aufnahmeprüfung delegier-te. Seine Diplom-Arbeit zu den Anfangsjahren des Reichsarchivs inder Weimarer Republik schloss er dort 1988 mit sehr gutem Erfolgab. Den politischen Umbruch in der DDR erlebte Matthias Herr-mann als letzter wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl fürArchivwissenschaft von Botho Brachmann in Berlin. Schon im Juli1990 trat er dem Verein deutscher Archivare e.V. bei. Ein Jahr späterkehrte er in das Stadtarchiv Kamenz zurück und übernahm dessenLeitung. Durch sein Engagement gelang es, den zwischen 1992 und1994 modernisierten Magazinbereich als separaten Baukörper in das150 Jahre alte Rathaus zu integrieren. Trotz der neuen Aufgabe fander Zeit, seine Diplom-Arbeit zur Dissertation auszubauen und 1994mit „magna cum laude“ zu verteidigen. Leider blieb diese fast 700Seiten umfassende, stark auf Quellen basierende Arbeit mit demTitel „Das Reichsarchiv (1919–1945) – eine archivische Institution imSpannungsfeld der deutschen Politik“ ungedruckt. Gern wollte erdas Traditionsverständnis des Bundesarchivs befördern und hofftebis zuletzt auf eine Veröffentlichung in den dortigen Schriftenreihen.Publizierte Referate zum Dissertationsthema folgten im Archiv derMax-Planck-Gesellschaft (1999) und auf dem 72. Deutschen Archiv-tag in Cottbus (2001). Darüber hinaus veröffentlichte er archivwis-senschaftliche Aufsätze in den Fachzeitschriften „Archiv und Wirt-schaft“ und „Archivmitteilungen“, so u. a. den grundlegendenBeitrag zum „Archiv(gut)schutz im Deutschen Reich in der ersten

Hälfte des 20. Jahrhunderts“ (1993). In besonders guter Erinnerungwird vielen Kollegen sein persönlicher Einsatz bei der Vorbereitungund Durchführung des 7. Sächsischen Archivtages 1998 in Kamenzsein. Die personelle Situation des Stadtarchivs, das – mit Ausnahmedes Bibliotheksbereichs – ausschließlich mit unausgebildeten Hilfs-kräften auskommen musste, hat er nur im engeren Kreis beklagt.Seine Arbeitszeit war deshalb im Wesentlichen durch Verwaltungs-tätigkeiten ausgelastet; Forschung und Wissenschaftsorganisationleistete er überwiegend in der Freizeit. Als Kommunalarchivar mitregionalgeschichtlichen Ambitionen schrieb er über 250 Artikel inder Tages- und Regionalpresse sowie zahlreiche Rezensionen, publi-zierte Monographien und Fachbeiträge, gab Tagungsbände undFestschriften heraus und betreute Schriftreihen, so u. a. das „NeueLausitzische Magazin“. Die schöpferische Muße fand er viel zuselten in seinem Haus in Cunnersdorf, wo er gelegentlich Freundeund Kollegen zu unbeschwerten Nachmittagen am Wochenendeeinlud. Neben der hauptamtlichen Tätigkeit im Stadtarchiv Kamenznahm Matthias Herrmann viele – vielleicht zu viele – ehrenamtlicheFunktionen wahr. So fungierte er u. a. als Geschäftsführer der„Arbeitsgemeinschaft der Archivare der Mitgliedsstädte des Sechs-städtebundes der Oberlausitz“ und als Vizepräsident der Oberlausitzi-schen Gesellschaft der Wissenschaften, gehörte als Mitglied derHistorischen Kommission der Sächsischen Akademie der Wissen-schaften zu Leipzig an und begründete 1992 den Kamenzer Ge-schichtsverein e.V., dem er als Ehrenmitglied und lange als Vorsitzen-der diente. Am 30. Juni 2006 verließ er das Stadtarchiv, um dasbenachbarte Lessing-Museum als Leiter mit neuen konzeptionellenAnsätzen in die Zukunft zu führen, doch kam er dazu leider nichtmehr.Matthias Herrmann war seit 1997 mit Jelena (geb. Bubnowa) verhei-ratet, einer Ehefrau, die viel Verständnis für seine Hingabe an Berufund Wissenschaft aufbrachte. Ihr, den drei Kindern und seinenEltern sowie zahlreichen Kollegen und Freunden, die in nähereBeziehung zu ihm standen, wird er dank seiner liebenswürdigenFreundlichkeit und Hilfsbereitschaft ebenso unvergessen bleiben,wie er sich weit über die Grenzen der Oberlausitz hinaus durch seinwissenschaftliches Werk ein bleibendes Andenken gesichert hat. Erwar ein Historiker-Archivar aus Leidenschaft, der Beruf eine Beru-fung.Der Verfasser schätzt sich glücklich, ihm nicht nur als Kollege,sondern auch als Freund und Trauzeuge verbunden gewesen zu sein.

Berlin, Dirk Ullmann

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FRANZ SCHRADER †Geb. 13.12.1919 HolzhausenGew. 10.08.1947 PaderbornGest. 23.10.2007 Paderborn

Der allmächtige und gütige Gott hat am 23. Oktober 2007 seinentreuen Diener, Herrn Geistlichen Rat, Pfarrer i. R. Dr. Franz Schraderim Alter von 87 Jahren in sein ewiges Reich gerufen. Geprägt durchdie während des Theologiestudiums erfolgte Einberufung zumSanitätssoldaten im Zweiten Weltkrieg, gehörte Franz Schrader zudenjenigen, die sofort nach ihrer Priesterweihe am 10. August 1947von Paderborn aus in das Gebiet des heutigen Bistums Magdeburgentsandt wurden. Als Vikar wirkte er zunächst in Quedlinburg, ab1951 in Magdeburg-Sudenburg und ab 1954 in Egeln. In Osterhausenwar er ab 1957 als Kuratus und ab 1969 mit dem Titel Pfarrer tätig.Auf seine Pfarrstelle in Hadmersleben, die er 1970 übertragen be-kam, musste er nicht zuletzt aufgrund seines Gesundheitszustandesnach einer schweren Lungenoperation verzichten. Der Pfarrstellen-verzicht bedeutete jedoch nicht etwa einen vorzeitigen Ruhestand.Ganz im Gegenteil. Mit Wirkung vom 1. Mai 1978 ernannte ihn derdamals amtierende Bischof Johannes Braun zum ersten Leiter desZentralarchivs beim Bischöflichen Amt Magdeburg, dem heutigenBistum Magdeburg. Die Errichtung eines eigenen Archivs war erstjetzt als notwendig erkannt worden, nachdem das bis dahin angefal-lene Schriftgut nicht mehr in den einzelnen Abteilungen derbischöflichen Verwaltung aufbewahrt werden konnte; die TeilungDeutschlands hatte erneut zu einem katholischen Bischofssitz inMagdeburg geführt. Für Dr. Franz Schrader war daher die Archivlei-tung verbunden mit der Beauftragung zur Einrichtung und Weiter-führung des zentralen Diözesanarchivs sowie, als weitere Ernen-nung, zum Aufbau der so genannten Kirchengeschichtlichen For-schungsstelle. Bis zu seiner Pensionierung im August 1993 fungierteDr. Franz Schrader in dieser Doppelfunktion, der sich noch mannig-faltige Beauftragungen anschlossen. War er bereits im November1971 zum Prosynodalrichter im Kirchlichen Gericht des Erzbischöf-lichen Kommissariates Magdeburg berufen worden, so wurde er imZusammenhang mit der Neuerrichtung des auch für Magdeburgzuständigen überdiözesanen Gerichtshofes, dem InterdiözesanenOffizialat Erfurt, am 9. Juli 1979 zum Amtsanwalt der GerichtsstelleMagdeburg ernannt. Im Oktober 1982 übernahm er zusätzlich dasAmt des Beauftragten für Ökumene und ein gutes Jahr später, imNovember 1983, das Amt des Cancellarius Curiae. Aufgrund seinerumsichtigen und selbstlosen Arbeit in der Seelsorge und im Bischöf-lichen Amt Magdeburg erhielt Dr. Franz Schrader schließlich am 15.Dezember 1984 die Ernennung eines Geistlichen Rates ad honorem.Aufgrund seiner profunden Kenntnisse der örtlichen Kirchenge-schichte profilierte sich Dr. Franz Schrader dahingehend, dass ihmder damalige Vorsitzende der Berliner Bischofskonferenz, KardinalJoachim Meisner, einen Lehrauftrag für das Fach Kirchengeschichteam Philosophisch-Theologischen Studium Erfurt für das Winterse-mester 1986 und Sommersemester 1987 erteilte. Seit 1979 hatte erzudem das Amt des Dozenten für Kirchengeschichte am Seelsorge-helferinnenseminar St. Gertrud in Magdeburg inne.An der Universität München unter Professor Dr. Hermann Tüchle

am 26. Mai 1964 mit der Untersuchung zur Geschichte der Zisterzi-enserinnen und der nachreformatorischen Restbestände des Katholi-zismus im ehemaligen Herzogtum Magdeburg „Die ehemaligeZisterzienserinnenabtei Marienstuhl vor Egeln“ zum Doktor derTheologie promoviert, hatte Dr. Franz Schrader hier Maßstäbegesetzt, die er bei seinen weiteren Forschungen zur Thematik beibe-hielt. Doch nicht nur die alte, sondern auch die neuere Kirchenge-schichte wusste ihn zu interessieren. Weit vor den jetzt aktuellenund neueren Untersuchungen zu den Zwangsarbeitern verwies erbereits in seinem 1988 herausgegebenem Band „Stadt, Kloster undSeelsorge – Beiträge zur Stadt-, Kloster- und Seelsorgegeschichte imRaum der mittelalterlichen Bistümer Magdeburg und Halberstadt“auf die Problematik der „Seelsorge an den Polen im ehemaligenErzbischöflichen Kommissariat Magdeburg“ hin. Entsprach dieLeitung der Kirchengeschichtlichen Forschungsstelle durchausseinen Neigungen und Ambitionen, so bedeutete das Aufgabenfelddes Archivleiters mit dem Aufbau eines Bistumsarchivs Neuland fürihn. Mit großem Engagement schuf er schließlich die Grundlage desheutigen Bistumsarchivs, indem er u. a. in den Räumlichkeiten desheutigen Bischöflichen Ordinariates Magdeburg, Max-Josef-Metz-ger-Str. 1, einen Archivraum einrichten und mit einer Rollregal-Anlage versehen lassen konnte. Dr. Franz Schrader war es dannauch, der mit Datum 1. Juli 1979 veranlasste, dass in der bischöfli-chen Behörde eine zentrale Registratur eingerichtet wurde und dieszum Anlass nahm, alle Akten von 1945 bis 1979 im Archiv zu zentra-lisieren. Mit Akribie verfolgte Dr. Franz Schrader ebenfalls die ihmzugleich übertragene Aufgabe der Einrichtung einer BibliothecaMagdeburgica, wofür er wertvolle und wichtige Literatur undDokumente zur Magdeburger Kirchengeschichte sammelte underwarb. Als hervorragender Kenner dieser Materie wird er vielen inErinnerung bleiben.Obwohl eng mit der Magdeburger Ortskirche verbunden, sprachsich Dr. Franz Schrader im Dezember 1992, also vor der Errichtungdes neuen Bistums Magdeburg im Jahr 1994, für die Beibehaltungder Paderborner Identität aus: Er wollte im Erzbistum Paderborninkardiniert bleiben. Konsequenterweise siedelte er nach Eintritt inden Ruhestand 1993 nach Paderborn über. Dort wurde er ein Jahrspäter von Erzbischof Joachim Degenhardt in die Kommission fürkirchliche Zeitgeschichte berufen, wo er bis zu seinem krankheitsbe-dingten Ausscheiden im Jahre 2006 aktiv mitarbeitete. Zum Lebenvon Dr. Franz Schrader gehörte es leider mit dazu, dass er trotzseiner vielseitigen und beruflichen Erfüllung immer wieder vontiefen Depressionen heimgesucht wurde.Für den Verstorbenen hielt der Magdeburger Bischof Dr. GerhardFeige zusammen mit seinem Generalvikar Raimund Sternal am29.10.2007 in der Marktkirche in Paderborn das Requiem, dem sichdie Beisetzung auf dem Paderborner Friedhof „Auf dem Dören“anschloss.

Magdeburg, Daniel Lorek

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KURZINFORMATIONEN UND VERSCHIEDENES

ADRESSÄNDERUNGENDas Stadtarchiv Rheine hat ab Januar 2008 eine neue Anschrift:Matthiasstr. 37, 48431 Rheine. Tel. 05971-939-0 (Zentrale), E-Mail:[email protected]. Dr. Thomas Gießmann (Leiter des Stadtar-chivs), Tel. 05971-939-180, E-Mail: [email protected];Barbara Varel (Archivangestellte), Tel. 05971-939-181, E-Mail: [email protected].

Das Universitätsarchiv Hannover hat ab Ende August 2007 eineneue Anschrift: Universitätsarchiv, Technische Informationsbiblio-

GOTTES ENGEL WEICHEN NIENeue Engelausstellung im Zentralarchiv der Evan-gelischen Kirche der Pfalz

Engel haben eine starke Anziehungskraft – für kirchlich orientiertewie für kirchenferne Menschen. Als Gottesboten (angelus = Bote)sind sie aus der Bibel bekannt, vor allem aus dem Alten Testament.Engel sind Teil einer göttlichen Präsenz in der Welt und treten inentscheidenden Lebenssituationen auf, um Menschen den Weg zuweisen. Die Kunst hat Engel seit dem Frühchristentum abgebildetund die Vorstellung von diesen Himmelswesen maßgeblich geprägt.

Im Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz am Domplatz 6in Speyer ist ab 8. Oktober eine weitere Ausstellung zum Thema„Engel“ zu sehen. Die etwa 60 Objekte, darunter 21 Wandbilder,stammen aus der Sammlung Volksfrömmigkeit, die das Archiv seitdem Jahr 2001 betreibt. Sie zeigen, wie sehr die Wahrnehmung vonEngeln im 19. und 20 Jahrhundert um deren Schutzfunktion kreist.In der Druckgraphik und in oft selbst gefertigten Wandbildernhaben Engel ihren festen Platz. Das Motiv des Engels als Totenbeglei-ter tritt vor dem Hintergrund von hoher Kindersterblichkeit undlebensbedrohendem Kriegsgeschehen auf.Bis heute dienen Engel nicht nur zur Weihnachtszeit als schmücken-des Beiwerk auf Geschenkpapier und Teedosen, als Werbeträger fürMarkenartikel oder auf Einkaufstüten. Insbesondere die Engel

Raffaels sind, von der Sixtinischen Madonna gelöst, ein Paradebei-spiel für die Herauslösung der Engel aus ihrem christlichen Kontext.Das allenthalben auszumachende Bedürfnis der Menschen nachEngeln und Engelbildern scheint eine Reaktion auf den immerstärker von Technik und Effizienzdenken geprägten Alltag zu sein.Die Ausstellung zeigt die starke Verankerung von Engeldarstellungenim privaten Raum. Ein Schwerpunkt liegt auf den vielfältigenAusformungen des Schutzengelmotivs. Engel als Seelenbegleiter undTröster sind ebenso thematisiert wie Engelfiguren in der Bilderweltvon Konfirmation und Kommunion. An einigen Beispielen wird dieVermarktung von Engeln in der Werbung belegt. Zur Ausstellungsind eine Reihe von Postkarten und auch Plakate erhältlich.

Die Ausstellung ist in den Räumen des Zentralarchivs bis zum 30.April 2008 zu sehen. Danach steht sie als Wanderausstellung zurVerfügung.

Auf einen BlickZentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz, Domplatz 6,SpeyerTel.: 06232-667 180/181Dauer der Ausstellung: 8. Oktober 2007 bis 30. April 2008Öffnungszeiten: Mo - Do 8.00 – 16.00 Uhr; Fr 8.00 – 14.00 UhrJeder 2. Donnerstag im Montag 8.00 – 19.00 Uhr ■

Speyer, Gabriele Stüber

thek und Universitätsbibliothek Hannover (TIB/UB), Welfengarten 1B, 30167 Hannover, E-Mail: [email protected]. WeitereInformationen erhalten Sie unter www.tib.uni-hannover.de/universi-taetsarchiv/kontakte.

Das Deutsche Bucharchiv München hat eine neue Anschrift: Felda-finger Str. 43 b, 82343 Pöcking. Tel. 08157-99790109, Fax 08157-9979020. Weitere Informationen erhalten Sie unter www.buchar-chiv.de.

KURZINFORMATIONEN UNDVERSCHIEDENES

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VORSCHAUIm nächsten Heft lesen Sie unter anderem:

Kulturgutschutz. Neuer Schwung durch die Ratifizierung des UNESCO-Übereinkommens von 1970von Irmgard Mummenthey

Nutzungsrechte an Archivphotos? Zum urheberrechtlichen Schutz von archiviertenPhotographienvon Stephan Dusil

Das Verwaltungsverfahren bei Schutzfristverkürzungenvon Jenny Kotte

Archivische Anforderungen bei der Einführung eines Dokumenten-Management-Systems bzw. eines Vorgangsbearbeitungssystemsvon Christoph Popp, Harald Stockert und Michael Wettengel

Das „Württembergische Urkundenbuch online“von Maria Magdalena Rückert, Sigrid Schieber und Peter Rückert

Herausgeber: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Graf-Adolf-Str. 67, 40210 Düsseldorf,VdA - Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V., Wörthstr. 3, 363037 Fulda.

Redaktion: Martina Wiech in Verbindung mit Barbara Hoen, Robert Kretzschmar,Wilfried Reininghaus, Ulrich Soénius und Klaus Wisotzky.

Mitarbeiter: Meinolf Woste, Petra DaubISSN 0003-9500Kontakt: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Graf-Adolf-Str. 67, 40210 Düsseldorf,

Tel. 0211/159238–800 (Redaktion), –202 (Martina Wiech), –802 (Meinolf Woste),–803 (Petra Daub), Fax 0211 /159238-888, E-Mail: [email protected]

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