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1 argumente www.freiheit.org Gérard Bökenkamp, Steffen Hentrich Argumente zum Mindestlohn Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Höhe des Mindestlohnes und der Beschäftigung? Es gibt einen Zusammenhang zwischen Lohnhöhe und Beschäftigung. Wäre das nicht so, könnte ein Mindestlohn in beliebiger Höhe festgelegt werden. Selbst die Gewerkschaften räumen das indirekt durch ihre Mindestlohnforderung von 8,50 Euro ein, anderenfalls könnten sie auch ei- nen viel höheren Mindestlohn fordern. Wenn es keinen Zusammenhang gäbe, dann wäre auch ein Mindestlohn von 10, 12 oder 20 Euro kein Problem. Es gilt die empirisch abgesicherte Re- gel, je stärker der Mindestlohn den marktüblichen Lohn überschreitet, umso stärker sind die negativen Wirkungen auf die Beschäftigung. Wenn der Mindestlohn den marktüblichen Lohn unterschreitet, dann gibt es weder positive noch negative Wirkungen. Brauchen wir den Mindestlohn für eine soziale Grundabsicherung? Es gibt in Deutschland bereits eine allgemeine soziale Grundsicherung und zwar in Form des ALG II. Unterhalb dieser Schwelle lohnt es sich aus finanziellen Gründen kaum, eine Beschäf- tigung aufzunehmen. Der Anteil der Arbeitnehmer, die deshalb mit gering bezahlter Arbeit nur ein Zusatzeinkommen für einen Haushalt erwirtschaften, dessen Haushaltseinkommen ober- halb des Existenzminimums liegt, ist dementsprechend groß. Bedeutet niedriger Lohn auch geringes Haushaltseinkommen? Sogenannte Aufstocker, die zusätzlich zur Arbeit im Niedriglohnsektor staatlich unterstützt werden, stammen überwiegend nicht aus bedürftigen Haushalten und sind kein Beleg für Ar- mut durch Lohndumping. Nach DIW-Berechnungen auf Basis des SÖP (Sozioökonomisches Pa- nel) wären von einem Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde rund zwölf Prozent der Arbeit- nehmer betroffen, 24 Prozent in Ostdeutschland. Jedoch müssten in Westdeutschland nur vier Prozent und in Ostdeutschland acht Prozent ausschließlich davon leben. Verbessert der Mindestlohn die Einkommenssituation von Gering- verdienern? Arbeitnehmer, die für einen Lohn, der unterhalb des ALG II liegt, arbeiten, erhalten heute einen Lohnzuschuss. Höhere Mindestlöhne würden auf das ALG II angerechnet. Bei einer Anhebung des Lohnes von 5 Euro auf 7,50 Euro, also um immerhin fünfzig Prozent, würde sich deshalb das zur Verfügung stehende Nettoeinkommen der Arbeitnehmer, die trotz der Lohnanhebung noch eine Beschäftigung finden, nur um vier Prozent erhöhen.

Argumente zum Mindestlohn

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Gerard Bökenkamp, Steffen HentrichFragen und Antworten zum flächendeckenden Mindestlohn

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Gérard Bökenkamp, Steffen Hentrich

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Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Höhe des Mindestlohnes und der Beschäftigung?Es gibt einen Zusammenhang zwischen Lohnhöhe und Beschäftigung. Wäre das nicht so, könnte ein Mindestlohn in beliebiger Höhe festgelegt werden. Selbst die Gewerkschaften räumen das indirekt durch ihre Mindestlohnforderung von 8,50 Euro ein, anderenfalls könnten sie auch ei-nen viel höheren Mindestlohn fordern. Wenn es keinen Zusammenhang gäbe, dann wäre auch ein Mindestlohn von 10, 12 oder 20 Euro kein Problem. Es gilt die empirisch abgesicherte Re-gel, je stärker der Mindestlohn den marktüblichen Lohn überschreitet, umso stärker sind die negativen Wirkungen auf die Beschäftigung. Wenn der Mindestlohn den marktüblichen Lohn unterschreitet, dann gibt es weder positive noch negative Wirkungen.

Brauchen wir den Mindestlohn für eine soziale Grundabsicherung?Es gibt in Deutschland bereits eine allgemeine soziale Grundsicherung und zwar in Form des ALG II. Unterhalb dieser Schwelle lohnt es sich aus finanziellen Gründen kaum, eine Beschäf-tigung aufzunehmen. Der Anteil der Arbeitnehmer, die deshalb mit gering bezahlter Arbeit nur ein Zusatzeinkommen für einen Haushalt erwirtschaften, dessen Haushaltseinkommen ober-halb des Existenzminimums liegt, ist dementsprechend groß.

Bedeutet niedriger Lohn auch geringes Haushaltseinkommen?Sogenannte Aufstocker, die zusätzlich zur Arbeit im Niedriglohnsektor staatlich unterstützt werden, stammen überwiegend nicht aus bedürftigen Haushalten und sind kein Beleg für Ar-mut durch Lohndumping. Nach DIW-Berechnungen auf Basis des SÖP (Sozioökonomisches Pa-nel) wären von einem Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde rund zwölf Prozent der Arbeit-nehmer betroffen, 24 Prozent in Ostdeutschland. Jedoch müssten in Westdeutschland nur vier Prozent und in Ostdeutschland acht Prozent ausschließlich davon leben.

Verbessert der Mindestlohn die Einkommenssituation von Gering-verdienern?Arbeitnehmer, die für einen Lohn, der unterhalb des ALG II liegt, arbeiten, erhalten heute einen Lohnzuschuss. Höhere Mindestlöhne würden auf das ALG II angerechnet. Bei einer Anhebung des Lohnes von 5 Euro auf 7,50 Euro, also um immerhin fünfzig Prozent, würde sich deshalb das zur Verfügung stehende Nettoeinkommen der Arbeitnehmer, die trotz der Lohnanhebung noch eine Beschäftigung finden, nur um vier Prozent erhöhen.

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Was bedeuten Mindestlöhne für die Beschäftigten?Mindestlöhne erhöhen die Lohnkosten für Beschäftigte im Niedriglohnsegment. Hier wird Be-schäftigung abgebaut. Somit reduziert sich die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt für Beschäf-tigte, deren Produktivität für die Vergütung mit einem Stundenlohn auf dem Mindestlohnni-veau gerade ausreichend ist oder nur wenig darüber liegt. Daher scheint es zunächst nicht nur Verlierer, sondern auch Gewinner von Mindestlöhnen zu geben. Doch langfristig untergraben der Wegfall niedrig entlohnter Tätigkeiten und der politische Drang zu immer höheren Mindest-löhnen die unternehmerische Basis des Arbeitsmarktes. Immer mehr Arbeitsplätze geraten so direkt oder indirekt in den beschäftigungsvernichtenden Sog des Mindestlohnes.

Was bedeutet der Mindestlohn für die meisten Unternehmen?Unternehmen können im Wettbewerb auf dem Markt keine Entlohnung zahlen, die über die Produktivität der Beschäftigten hinausgeht. Lohnforderungen, die den zusätzlichen Ertrag des Arbeitnehmers mit der geringsten Produktivität übersteigen, reduzieren zunächst die Gewinne und haben mittel- bis langfristig einen Beschäftigungsabbau zur Folge. Unternehmen reagieren mit arbeitssparendem technischem Fortschritt und verzichten in Zukunft auf die Ausweitung der Beschäftigung. Dauerhaft niedrigere Gewinnaussichten reduzieren die Attraktivität von Erweiterungsinvestitionen im Unternehmen. Mindestlöhne hemmen damit die Unternehmens- und Beschäftigungsentwicklung.

Was bedeutet der Mindestlohn für die Arbeitnehmer in den kleinen Unternehmen? Der Mindestlohn würde vor allem die Kosten für kleine Unternehmen erhöhen. 45 Prozent der niedrig entlohnten Tätigkeiten werden in Unternehmern mit weniger als 20 Beschäftigten er-bracht. Um ihre Wettbewerbsposition nicht zu gefährden, müsste bei Einführung eines Min-destlohnes entweder die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer gesteigert werden oder unter der Hand mehr unbezahlte Überstunden eingefordert oder andere Lohnbestandteile wie Urlaubs-, Weihnachtsgeld und Lohnzuschläge gekürzt werden. Im Extremfall müssten die Unternehmen den Betrieb ganz einstellen und ihre Belegschaft entlassen.

Was bedeutet ein flächendeckender Mindestlohn für ganz Deutschland?Die Arbeitsmärkte in Deutschland sind regional sehr unterschiedlich. Besonders West- und Ostdeutschland weisen noch eine sehr unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit auf. Deshalb ha-ben viele ostdeutsche Unternehmen im Einvernehmen mit den Arbeitnehmern die Tarifgemein-schaft verlassen, um marktgerechte Löhne aushandeln zu können. Ein Mindestlohn, der für Ba-yern wie für Sachsen-Anhalt gleich wäre, würde in den schwachen Regionen Ostdeutschlands drastischere Folgen haben als für die starken Regionen Westdeutschlands. Der Mindestlohn schwächt die Schwachen und vergrößert den Abstand zu starken.

Warum unterstützen Großkonzerne die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns?Der Mindestlohn beschränkt den Wettbewerb und unterstützt damit die Marktposition von Großunternehmen. Große Unternehmen, die sich höhere Lohnkosten aufgrund teurer, jedoch arbeitssparender Technologien erlauben können, haben ein Interesse daran, kleinere Firmen,

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die weniger technologie-, dafür jedoch arbeitsintensiv sind, vom Markt zu drängen. So kommt es, dass in den USA u. a. der Einkaufsgigant Wal-Mart zu den politischen Unterstützern des Mindestlohnes gehört. In Deutschland haben sich Konzerne wie die Deutsche Post AG und die Einkaufskette Lidl für einen flächendeckenden Mindestlohn ausgesprochen. Lidl fordert sogar einen Mindestlohn von 10 Euro, also mehr als die Gewerkschaften, die 8,50 Euro fordern.

Was bedeutet der Mindestlohn für die Konsumenten?Bei einem flächendeckenden Mindestlohn würden viele Unternehmen die zusätzlichen Kosten auf die Preise umlegen. Der Mindestlohn wirkt dann wie eine zusätzliche Besteuerung des Kon-sums. Die Preiserhöhungen würden besonders geringverdienende Arbeitnehmer treffen, weil diese stärker als andere Konsumenten preiswerte Güter und Dienstleistungen in Anspruch neh-men, die von einfacher Arbeit abhängen. Der Mindestlohn belastet also vor allem Kleinverdie-ner, große Einkommen würden weit weniger belastet.

Was bedeutet der Mindestlohn für die Höhe der Jugendarbeitslosigkeit?Vor allem unerfahrene, junge Arbeitnehmer scheitern an Lohnuntergrenzen, die über ihrer Stundenproduktivität liegen. In US-amerikanischen Bundesstaaten, deren Mindestlohn über dem föderalen Mindestlohnniveau liegt, beträgt die Arbeitslosigkeit der 16-19-Jährigen 25 Pro-zent, dort wo der Mindestlohn die gesetzlich vorgegebene Höhe nicht übersteigt hingegen nur 21 Prozent. Von den zehn Bundesstaaten mit der höchsten Jugendarbeitslosigkeit haben sechs Bundesstaaten Mindestlöhne über dem föderalen Minimum; unter den zehn Bundesstaaten mit der niedrigsten Jugendarbeitslosigkeit gibt es nur einen Bundesstaat mit höheren Mindestlöh-nen.

Kann ein Mindestlohn die Wirtschaft ankurbeln?Oft wird argumentiert, dass der Mindestlohn die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen erhöht und damit die Wirtschaft angekurbelt werden kann. Durch den Mindestlohn wird aber keine zusätzliche Nachfrage geschaffen. Wenn die Kosten auf die Preise umgelegt werden, dann wird die Kaufkraft der Konsumenten und damit die Nachfrage geschmälert. Wenn die Kosten wegen des Wettbewerbs nicht umgelegt werden können, dann fallen entweder Arbeits-plätze weg oder der Unternehmer hat weniger Geld für Investitionen zur Verfügung, was die Schaffung neuer Arbeitsplätze verhindert. Auch das mindert die Nachfrage. Zudem bedeutet der Wegfall von Arbeitsplätzen eine Reduktion des Güter- und Dienstleistungsangebots, was sich negativ auf die Wirtschaftskraft auswirkt. Mindestlöhne verpuffen in höheren Preisen.

Sind nur die Liberalen gegen einen flächendeckenden Mindestlohn?Peer Steinbrück spricht sich heute für einen flächendeckenden Mindestlohn aus. In seiner Zeit als Bundesfinanzminister vertrat er dazu noch einen anderen Standpunkt. Nach Verlautba-rungen des SPIEGEL hat er damals selbst ein Positionspapier erarbeiten lassen, in dem die Argumente gegen den Mindestlohn zusammengefasst wurden: „Ein großer Teil der Beschäfti-gungsverhältnisse unterhalb des Mindestlohns könnte entfallen.“

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Literatur:Norbert Berthold: Denn sie wissen, was sie tun. Mindestlöhne zerstören die Marktwirtschaft, veröffentlicht auf: http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=11716Robert P. Murphy: I get empirical on minimum wage, Free Advice, 2013, http://consultingbyr-pm.com/blog/2013/02/i-get-empirical-on-minimum-wage.htmlDavid Neumark, Wascher: Minimum Wages, MIT Press, 2013.Klaus F. Zimmermann: Allgemeiner Mindestlohn: Ein Irrweg, in: WISU-Magazin (5/08). O. Autor: Konfrontationskurs: Steinbrück gegen Mindestlohn, in: Der SPIEGEL (01.04.2006): http://www.spiegel.de/wirtschaft/konfrontationskurs-steinbrueck-gegen-mindestlohn-a-409314.html