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294 [J. Orn. [ lo3 Arnold Frhr. v. Vietinghoff-Riesch t Am 2. April 1962 starb ARNOLD Frhr. v. VIETINGHOFF-R1EsCaan den Folgen eines Verkehrsunfalls, der sieh am 23. M/~rz ereignet und bereits den Tod seiner Frau gefordert hatte. Mit ARNOLDvon VIETINGHOFF verliert die DOG ein Mitglied, das ihr seit langem vielfaeh verbunden war. Die Liebe zu Natur und Vogelwelt nahm von ARNOLD, der am 14. 8. 1895 auf Schlol3 Neschwitz geboren wurde, schon in jungen Jahren Besitz und schlug, be- gtinstigt durch die Anregungen des Landlebens und einer verst~ndnisvollen Unterweisung, tiefe Wurzeln in ihm. Es scheint logiseh, einem Biologen ein be- sonderes Mag an Naturliebe und Naturverbundenheit bescheinigen zu dfirfen. Dies ist aber gewig selten so bereehtigt wie bei v. VIETINGHOFF,dessen wissensehaftliehe Arbeiten viel weniger dem Drang zur LSsung naturwissensehaftlieher Probleme als seiner Liebe zu Tier und Pflanze entsprangen. Sie ffihrte ihn zwangslgufig eum Natursehutz, den v. VIET~NGHOrF, als ,,let~ter Herr auf Nesehwitz" ohnehin um die Erhaltung iiberkommener Werte besorgt, hinfort zu seiner eigentliehen Auf- gabe machte. Hatte VIETINGHOFFno& 1923 seine Dissertation bei ESCHERICH in Mfinehen fiber ,,das Verhalten pal/iarktischer VSgel gegenfiber den wichtigeren

Arnold Frhr. v. Vietinghoff-Riesch

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294 [J. Orn. [ lo3

Arnold Frhr. v. Vietinghoff-Riesch t Am 2. April 1962 starb ARNOLD Frhr. v. VIETINGHOFF-R1EsCa an den Folgen

eines Verkehrsunfalls, der sieh am 23. M/~rz ereignet und bereits den Tod seiner Frau gefordert hatte. Mit ARNOLD von VIETINGHOFF verliert die DOG ein Mitglied, das ihr seit langem vielfaeh verbunden war.

Die Liebe zu Natur und Vogelwelt nahm von ARNOLD, der am 14. 8. 1895 auf Schlol3 Neschwitz geboren wurde, schon in jungen Jahren Besitz und schlug, be- gtinstigt durch die Anregungen des Landlebens und einer verst~ndnisvollen Unterweisung, tiefe Wurzeln in ihm. Es scheint logiseh, einem Biologen ein be- sonderes Mag an Naturliebe und Naturverbundenheit bescheinigen zu dfirfen. Dies ist aber gewig selten so bereehtigt wie bei v. VIETINGHOFF, dessen wissensehaftliehe Arbeiten viel weniger dem Drang zur LSsung naturwissensehaftlieher Probleme als seiner Liebe zu Tier und Pflanze entsprangen. Sie ffihrte ihn zwangslgufig eum Natursehutz, den v. VIET~NGHOrF, als ,,let~ter Herr auf Nesehwitz" ohnehin um die Erhaltung iiberkommener Werte besorgt, hinfort zu seiner eigentliehen Auf- gabe machte. Hatte VIETINGHOFF no& 1923 seine Dissertation bei ESCHERICH in Mfinehen fiber ,,das Verhalten pal/iarktischer VSgel gegenfiber den wichtigeren

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forstsch~dliehen Insekten" verfal3t, also mehr biologische Schidlingsbek~impfung und Forst- a]s Naturschutz im Auge gehabt, so habilitierte er sich 1936 in Tharandt mit einer Arbeit fiber die ,,Bedeutung des Naturschutzes bei der Wieder- erweckung verschiitteter Werte im Walde". Dazu gehfrte aueh der Vogelsehutz, und im Rahmen dieses Programmes gelang seiner Initiative I930 die Griindung der ,Vogelschutzwarte Neschwitz". 1945 wurde Neschwitz durch Kriegshandlungen zerstfrt, und VIETINGHOFF mul]te die Heimat verlassen, abet ungebeugt dutch dieses Schicksal grfindete er 1947 die Vogelschutzwarte Steinkrug bei Hannover, hielt von 1946 an ornithologische Vorlesungen in Hann.Miinden und folgte hier 1956 einem Ruf auf den Lehrstuhl fiir Forstgeschichte, Forstschutz und Natur- schutz. Als amtierender Dekan der Forstlichen Fakulfiit der Universit£t Gfttingen lud er die Deutsche Ornithologen-Gesellschaft ffir 1962 zu ihrer Jahresversamm- lung naeh Hann.Mfinden ein; ein Vierteljahrhundert ,zuvor, am 12. Juli 1937, hatte er sie als SehloBherr und Leiter der Vogelsehutzwarte in Neschwitz will- kommen geheil~en (J. Orn. 1937, p. 712).

v. VIETINGHOFFS wissensehaftliche Arbeiten verraten sein vielseitiges Interesse, sein Spfiren nach Zusammenh~ingen und sein Streben naeh Synthese. Er befal3te sich mit Forstentomologie, Ornithologie, Mamma]ogie, mit Forst-, Waldwirt- sehafts- und Jagdgeschiehte. Die Wahl seiner Themen scheint immer dureh den Gedanken beeinflul]t, Beziehungen zum Mensehen, seinem Leben und seiner Ge- schichte aufzudecken. Nur die liebevolle Erfrterung solcher Beziehungen vermoehte v. VIETI~GHOF~ offenbar roll zu befriedigen, und oft gelangte er unversehens von biologisehen Beobachtungen in philosophische Betrachtungen. Seinen musischen Neigungen gab er sich schliel31ich in dem Roman ,,Der tanzende Kranich" (Verlag Westermann, Braunsehweig 1949) bin.

Obwohl v. VIETINCnO~F, der sehon als Junge mit Begeisterung zum Grol3vater naeh Lettland reiste, der noeh in seinem letaten Lebensjahrzehnt viel und gem in die Ferne zog und zahlreiehe Kongresse besuehte, ein durchaus weltl~ufiger Mann war, so hing er cloch wie ein Erbbauer an seiner Heimat. Seine Autobiographie gibt dieser Verbundenheit fast auf jecler Seite Ausdruck, uncl sein letztes Werk, ,,Der Oberlausitzer Wald, seine Gesehichte und seine Struktur bis 1945" (Verlag Schaper, Hannover 1961) ist nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Methoclik forst- geschichtlicher Betrachtung, sondern ein seiner Heimat gesetztes Denkmal, das umso heller leuchtet, als v. VIETINGttOFF ohne eine Spur yon Verbitterung fiber das verlorene Neschwitz schrieb.

Eine ~ihnliche Vielseitigkeit wie seine Schriften zeichnete aueh v. VIETIXC.tIO~FS Vorlesungen aus. Er ]as nicht nur Ornithologie, Forstgeschichte und Forstschutz, sondern Ende der 40er Jahre in Hann.Miinclen auch nach Bedarf Waldbau und Forstentomologie sowie in Gfttingen Naturschutz fiir Hfrer aller Fakult~ten, nnd Forstwirtschaft und Jagd an cler landwirtschaftlichen Fakult~t. Sein Vortrag, souver~in und frei von aller trockener Peclanterie, oft mit Zitaten gewiirzt und stets von persfnlicher Anteilnahme getragen, begeisterte die akademische Jugend und ergftzte die Hfrer.

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Der Verlust yon Neschwitz hattev. VIETINGHOFF Yon einer bedeutenden Arbeits- bfirde befreit, war er doch nicht nur Docent in Tharandt und Leiter der Vogel- schutzwarte, sondern zugleich auch der Verwalter seiner eigenen Herrschaft Nesch- witz. Diese Befreiung yon Amt und Pflicht kam seinen gleich nach dem Kriege aufgenommenen Studien fiber die Rauchschwalbe zugute, die in zwei umfangreichen Schriften 1955 ihren AbschluI~ fanden (,,Verbreitung und Zug der Rauchschwalbe [!irundo rustica", Bonn. zoo]. Beitr. 1955, Sonderband; und: ,Die Rauehschwalbe", Berlin und Miinchen 1955; s. Referate in dieser Zeitschrift 1955, S. 357 und 1956, S. 95). Kaum jemals ist fiber eine Vogel-Spezies soviel Stoff zusammen- getragen worden wie hier fiber den volkstfimlichen Gefghrten des Menschen. Zugute kam v. VIETINGItOFF bei seinen Quellenstudien seine, perfekte Kenntnis der rus~ischen Sprache. Der Schwalben-Monographie liel3 v. VIETINGHOFF spiiter eine weitere fiber den Siebenschl~fer folgen, die vornehmlich auf eigenen Untersuchungen und Er- gebnissen ausgedehnter Markierungen basierte: ,,Der Siebenschli~fer Glis glis" (Fischer-Verlag Jena 1960). Diese Arbeit und das Erscheinen yon zwei weiteren gehaltvollen Bfichern in jfingster Zeit (,,Letzter Herr auf Neschwitz", Starke- Verlag Limburg 1958; ,,Der Oberlausitzer Wald" 1961) zeugen yon eisernem Fleif3 und gerade.zu jugendlichem Arbeitsdrang des Verfassers.

AI~NOLD V. VIETIN~HOFF war ein ,,Junker ohne Reue", dabei ein Edelmann mit einem empfindsamen Gemfit, der weder Ungerechtigkeiten ansehen noch Rohheiten dulden konnte. Er war eine ebenso ,,gute Erscheinung" wie ein charmanter Gesell- schafter, der die Diskussion in gepflegter und -- um seinen Ausdruck zu gebrauchen - kontemplativer Sprache liebte. Seine Anteilnahme am Schicksal anderer ent- sprang seiner Herzensgfite. Trotz seiner Herkunft war et" yon groi3er Bescheiden- heit. Viele Wochen hauste er in einem Bibliotheksraum des Museums Koenig in Bonn, mit dem Sofa als Bett und als sein eigener Koch -- restlos glficklich und vertieft in alas Studinm der Rauchschwalbe. Als er es beendet hatte, schrieb er mir auf: ,Nach langer, schSner und ruhiger Arbeitszeit im Museum Koenig naht diesmal unerbittlich die Abschiedsstunde." Gfinther Niethammer