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Nr. 4 | 34. Jahrgang 2004 | Biol. Unserer Zeit | 211 | TREFFPUNKT FORSCHUNG am nächsten. Seit etwa fünf Jahren werden diese Hornvögel aus Schutz- gründen beschlagnahmt, wenn sie auf dem Markt als Haustiere oder zum Verzehr verkauft werden. Doch hier endet oft der Schutz, weil die Po- lizisten nicht wissen, was sie mit den Vögeln anfangen sollen. So verenden die bis zu 1,5 Meter großen Tiere dann häufig in ungeeigneten Käfigen. Hier ist der Biologe und Verhaltens- forscher Curio aktiv geworden. Sein Artenschutzkonzept fußt auf fünf zentralen Säulen: An erster Stelle steht die Ausbildung vor Ort. Die Zu- sammenhänge zwischen Naturschutz und Überleben des Menschen müs- sen bewusst gemacht werden. Der ursprünglich vollständig bewaldete Archipel weist heute nur noch zu 18 Prozent Baumbestand auf, der mit wenigen Ausnahmen erst in 900 Me- tern Höhe beginnt. Mit den Bäumen verschwinden aber nicht nur die Nahrungsquellen für die Tiere, auch die Süßwasserreservoirs erschöpfen sich, und in Regenzeiten droht Zer- störung durch die ungebremsten Wassermassen. Deswegen gehört als zweite wichtige Aufgabe das Aufzei- gen alternativer Einkommensformen zum Projekt. Statt Bäume für den Ver- kauf zu roden, erhalten die Einheimi- schen Startgeld, um beispielsweise Ingwer und Tigergras anzubauen. In einer Pflanzaktion gelang es bereits, 27.000 Sämlinge von 21 Baumarten heranzuziehen. Die Jagdbekämpfung, das dritte Standbein des Naturschutzprojektes, hat durch den Einsatz von Rangern schnell Erfolge gezeigt. Binnen eines Jahres konnte die Wildererrate von Korallenschnabelhornvogel-Nestern von 50 auf fünf Prozent gesenkt wer- den. Viertes und fünftes Standbein der Arbeit sind die Forschung sowie die Aufzucht und Auswilderung der Tiere. Weitere Informationen im Inter- net unter www.pescp.org. [1] C. Curio, J. Reiter, B. Tacud, H. Urbina, C. Fink-Schabacker, Ecotropica 2003, 9, 59-70. [2] D.H. Janzen, Am. Nat. 1970, 104, 501-528. Verena Liebers, Bochum ÖKOLOGIE | Artenschutz auf den Philippinen Wirkungsvoller Artenschutz setzt Kenntnisse über Lebensweise und Interaktionen der Tier- und Pflanzenwelt voraus. Um die Vielfalt zu erhalten, sind vor allem Hot Spots der Biodiversität wie die Philippinen eine wichtige Quelle der Erkenntnis. Im Rahmen eines seit acht Jahren bestehenden philippinischen Artenschutzprojekts (PESCP) konnten jetzt wichtige Zusammenhänge zwischen Tieren und Pflanzenverbreitung be- stätigt werden. Baumsamen haben um so bessere Überlebenschancen, je weiter ent- fernt vom Elternbaum sie liegen. Die Konkurrenz ist dort normalerweise geringer und Parasiten sowie Samen- fresser haben einen schwächeren Ein- fluss. Diese bereits 1970 von Janzen aufgestellte „Flucht-Hypothese“ [2] konnte jetzt von Bochumer Wissen- schaftlern unter Leitung von Eber- hard Curio an vier von sechs philippi- nischen Regenwaldbaumarten belegt werden. Früchte in verschiedenen Reifestadien wurden experimentell im Abstand von 0 bis 100 Meter vom Elternbaum in jeweils konstanter Dichte ausgelegt. 14 bis 26 Wochen lang überprüften die Wissenschaftler wöchentlich das Überleben der Samen und Jungpflanzen; außerdem bestimmten sie den Lichteinfall und den Säuregehalt des Bodens. Generell überlebten nur vier bis 24 Prozent der Samen die ersten zwei Wochen. Dabei stieg die Überlebensrate mit dem Abstand vom Elternbaum signi- fikant. Je nach Baumart standen ver- schiedene Todesursachen im Vorder- grund, aber unter dem Elternbaum war die Sterblichkeit in jedem Fall am höchsten. Die untersuchten Baum- arten werden durch Fruchtfresser verbreitet. Der Lebensraum unter dem jewei- ligen Baum, der nahezu frei von eigenem Nachwuchs ist, eröffnet da- gegen für andere Arten einen ökolo- gischen Freiraum und trägt somit zur Artenvielfalt bei. Dabei halten die Philippinen hin- sichtlich der Biodiversität ohnehin ei- nen Weltrekord: Nirgends sonst auf der Erde gibt es so viele endemische Pflanzen- und Tierarten je Flächenein- heit wie auf dem philippinischen Ar- chipel mit seinen 7100 Inseln. Durch Wilderer und Rodung sind viele Ar- ten jedoch vom Aussterben bedroht. Eberhard Curio, mittlerweile emeri- tierter Professor an der Ruhr-Univer- sität Bochum, gründete deshalb mit Unterstützung der Zoologischen Ge- sellschaft Frankfurt und anderer Sponsoren 1996 das Philippine Endemic Species Conservation Pro- ject (PESCP). Die vielen Inseln des philippini- schen Archipels sind Schubkraft für die starke Differenzierung von Kultur und Lebewesen. Durch die Wasser- barriere bleiben die Populationen weitgehend isoliert und machen so ihre eigene Entwicklung durch. Er- gebnis sind beispielsweise 65 ver- schiedene Sprachen und 556 Vogel- arten. Von diesen Arten sind 45 Pro- zent endemisch. Vom Korallen- schnabelhornvogel existieren nur noch etwa 100 Paare. Diese Nashorn- vögel (Bucerotidae) mit dem pracht- vollen Schnabel fressen Früchte, In- sekten und andere Kleintiere, werden bis zu 60 Jahre alt und stehen ver- wandtschaftlich unserem Wiedehopf ABB. Korallenschnabelhornvogel Bild: Eberhard Curio

Artenschutz auf den Philippinen

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Page 1: Artenschutz auf den Philippinen

Nr. 4 | 34. Jahrgang 2004 | Biol. Unserer Zeit | 211

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am nächsten. Seit etwa fünf Jahrenwerden diese Hornvögel aus Schutz-gründen beschlagnahmt, wenn sieauf dem Markt als Haustiere oderzum Verzehr verkauft werden. Dochhier endet oft der Schutz, weil die Po-lizisten nicht wissen, was sie mit denVögeln anfangen sollen. So verendendie bis zu 1,5 Meter großen Tieredann häufig in ungeeigneten Käfigen.Hier ist der Biologe und Verhaltens-forscher Curio aktiv geworden. SeinArtenschutzkonzept fußt auf fünfzentralen Säulen: An erster Stellesteht die Ausbildung vor Ort. Die Zu-sammenhänge zwischen Naturschutzund Überleben des Menschen müs-sen bewusst gemacht werden. Derursprünglich vollständig bewaldeteArchipel weist heute nur noch zu 18Prozent Baumbestand auf, der mitwenigen Ausnahmen erst in 900 Me-tern Höhe beginnt. Mit den Bäumenverschwinden aber nicht nur dieNahrungsquellen für die Tiere, auchdie Süßwasserreservoirs erschöpfensich, und in Regenzeiten droht Zer-störung durch die ungebremstenWassermassen. Deswegen gehört alszweite wichtige Aufgabe das Aufzei-gen alternativer Einkommensformenzum Projekt. Statt Bäume für den Ver-kauf zu roden, erhalten die Einheimi-schen Startgeld, um beispielsweiseIngwer und Tigergras anzubauen. Ineiner Pflanzaktion gelang es bereits,27.000 Sämlinge von 21 Baumartenheranzuziehen.

Die Jagdbekämpfung, das dritteStandbein des Naturschutzprojektes,hat durch den Einsatz von Rangernschnell Erfolge gezeigt. Binnen einesJahres konnte die Wildererrate vonKorallenschnabelhornvogel-Nesternvon 50 auf fünf Prozent gesenkt wer-den. Viertes und fünftes Standbeinder Arbeit sind die Forschung sowiedie Aufzucht und Auswilderung derTiere.

Weitere Informationen im Inter-net unter www.pescp.org.

[1] C. Curio, J. Reiter, B. Tacud, H. Urbina,C. Fink-Schabacker, Ecotropica 22000033, 9,59-70.

[2] D.H. Janzen, Am. Nat. 11997700, 104, 501-528.

Verena Liebers, Bochum

Ö KO LO G I E |Artenschutz auf den PhilippinenWirkungsvoller Artenschutz setzt Kenntnisse über Lebensweise und Interaktionen der Tier- und Pflanzenwelt voraus. Um die Vielfalt zu erhalten, sind vor allem Hot Spots der Biodiversität wie die Philippineneine wichtige Quelle der Erkenntnis. Im Rahmen eines seit acht Jahrenbestehenden philippinischen Artenschutzprojekts (PESCP) konnten jetztwichtige Zusammenhänge zwischen Tieren und Pflanzenverbreitung be-stätigt werden.

Baumsamen haben um so bessereÜberlebenschancen, je weiter ent-fernt vom Elternbaum sie liegen. DieKonkurrenz ist dort normalerweisegeringer und Parasiten sowie Samen-fresser haben einen schwächeren Ein-fluss. Diese bereits 1970 von Janzenaufgestellte „Flucht-Hypothese“ [2]konnte jetzt von Bochumer Wissen-schaftlern unter Leitung von Eber-hard Curio an vier von sechs philippi-nischen Regenwaldbaumarten belegtwerden. Früchte in verschiedenenReifestadien wurden experimentellim Abstand von 0 bis 100 Meter vomElternbaum in jeweils konstanterDichte ausgelegt. 14 bis 26 Wochenlang überprüften die Wissenschaftlerwöchentlich das Überleben der Samen und Jungpflanzen; außerdembestimmten sie den Lichteinfall undden Säuregehalt des Bodens. Generellüberlebten nur vier bis 24 Prozentder Samen die ersten zwei Wochen.Dabei stieg die Überlebensrate mitdem Abstand vom Elternbaum signi-fikant. Je nach Baumart standen ver-schiedene Todesursachen im Vorder-grund, aber unter dem Elternbaumwar die Sterblichkeit in jedem Fall amhöchsten. Die untersuchten Baum-arten werden durch Fruchtfresserverbreitet.

Der Lebensraum unter dem jewei-ligen Baum, der nahezu frei von eigenem Nachwuchs ist, eröffnet da-gegen für andere Arten einen ökolo-gischen Freiraum und trägt somit zurArtenvielfalt bei.

Dabei halten die Philippinen hin-sichtlich der Biodiversität ohnehin ei-nen Weltrekord: Nirgends sonst aufder Erde gibt es so viele endemischePflanzen- und Tierarten je Flächenein-

heit wie auf dem philippinischen Ar-chipel mit seinen 7100 Inseln. DurchWilderer und Rodung sind viele Ar-ten jedoch vom Aussterben bedroht.Eberhard Curio, mittlerweile emeri-tierter Professor an der Ruhr-Univer-sität Bochum, gründete deshalb mitUnterstützung der Zoologischen Ge-sellschaft Frankfurt und andererSponsoren 1996 das PhilippineEndemic Species Conservation Pro-ject (PESCP).

Die vielen Inseln des philippini-schen Archipels sind Schubkraft fürdie starke Differenzierung von Kulturund Lebewesen. Durch die Wasser-barriere bleiben die Populationenweitgehend isoliert und machen soihre eigene Entwicklung durch. Er-gebnis sind beispielsweise 65 ver-schiedene Sprachen und 556 Vogel-arten. Von diesen Arten sind 45 Pro-zent endemisch. Vom Korallen-schnabelhornvogel existieren nurnoch etwa 100 Paare. Diese Nashorn-vögel (Bucerotidae) mit dem pracht-vollen Schnabel fressen Früchte, In-sekten und andere Kleintiere, werdenbis zu 60 Jahre alt und stehen ver-wandtschaftlich unserem Wiedehopf

A B B . KorallenschnabelhornvogelBild: Eberhard Curio