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Die Förderung von Schiefergas hat in den USA zu einer weitreichenden Veränderung in der Energieindustrie geführt und hat auch Auswirkungen auf den weltweiten Energiemarkt. Die Prämisse von immer knapper werdenden fossilen Energieträgern scheint durch diese neue Entwicklung erschüttert zu sein. Was waren die Voraussetzungen und Gründe dieser Entwicklung und wird Schiefergas in Zukunft auch außerhalb der USA die Energielandschaft verändern?
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Die Schiefergas Revolution
Die Förderung von Schiefergas hat in den USA zu einer weitreichenden Veränderung in der
Energieindustrie geführt und hat auch Auswirkungen auf den weltweiten Energiemarkt. Die
Prämisse von immer knapper werdenden fossilen Energieträgern scheint durch diese neue
Entwicklung erschüttert zu sein. Was waren die Voraussetzungen und Gründe dieser
Entwicklung und wird Schiefergas in Zukunft auch außerhalb der USA die Energielandschaft
verändern?
Schiefergas zählt zum unkonventionellen Erdgas und unterscheidet sich in seiner Bildung und
Zusammensetzung nicht vom konventionellen Erdgas. Die Art der Lagerstätten und die dadurch
erforderliche Technologie zur Förderung des Erdgases weichen jedoch erheblich vom
herkömmlichen Erdgas ab. Schiefergas ist in undurchlässigen oder nur schwer durchlässigen
Tonsteinen (Schiefer) gespeichert. Die Gewinnung ist technisch viel schwieriger und aufwendiger
und verursacht dadurch höhere Kosten als die Förderung von konventionellem Erdgas. In
Anbetracht der schwindenden konventionellen Erdgasreserven versuchten amerikanische
Firmen seit einigen Jahrzehnten neue Fördertechnologien zu entwickeln. Durch die Kombination
von „horizontal drilling“ (horizontale Bohrtechnik) und „hydraulic fracturing“ oder „hydraulic
fracking“ (hydraulische Rissbildung) gelang ein technologischer Durchbruch, der es möglich
machte Schiefergas zu fördern. Vorkommen von Schiefergas sind oft mit konventionellen
Lagerstätten verbunden.
Wie funktioniert „Fracking“?
Erst die hohen Erdöl- und Gaspreise seit Anfang des vergangenen Jahrzehnts machten die
Schiefergasförderung auch wirtschaftlich profitabel. Eine andere wichtige Voraussetzung für den
rasanten Anstieg der Schiefergasproduktion in den USA war die Schaffung der rechtlichen
Rahmenbedingungen im Jahre 2005 durch den US Kongress, wodurch es den Öl- und Gasfirmen
erlaubt wurde, die aus umweltpolitischer Sicht umstrittene Technologie des „hydraulic fracking“
anzuwenden.
Graph 1
Während im Jahre 2000 Schiefergas nur knappe 2% der gesamten Gasproduktion in den USA
ausmachte, waren es im Jahre 2012 bereits 38%. Durch die steigende Produktion des
Schiefergases ist die USA im Jahre 2009 zum größten Gasproduzenten der Welt aufgestiegen und
hat Russland auf Platz zwei verwiesen. Dank der Schiefergasförderung werden die USA in den
nächsten Jahren ihren gesamten Erdgasbedarf aus heimischen Quellen abdecken und zusätzlich
Gas exportieren können. Laut neuesten Prognosen des US-Energieministeriums (EIA/DOE) wird
die Schiefergasproduktion in den kommenden Jahrzehnten weiter ansteigen und im Jahre 2040
einen Anteil von über 50% an der Gesamt-Gasproduktion erreichen, während die Produktion von
konventionellem Gas nur geringfügig zunehmen wird (Graph 2).
Als Folge der steigenden Gasproduktion sind die Gaspreise in den USA von mehr als 10 $/mmbtu1
im Jahr 2008 auf unter 3 US$/mmbtu im Jahr 2012 gesunken und betrugen 3,7 US$/mmbtu im
1 Im angelsächsischen Raum werden Gaspreise meist in BTU‘s (british thermal units) angegeben, mmbtu steht für Millionen btu
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USA: Gasproduktion und Gaspreis
Schiefergas konventionelles Gas Gaspreis
Quelle: EIA / US Department of Energy
(Bill. Kubikfuß) (US$/ mmbtu)
Jahre 2013. Bemerkenswert ist auch, dass es in den USA seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts
zu einer Entkoppelung der Gaspreise vom Erdölpreis gekommen ist.
Graph 2
Der Gasmarkt ist in den USA liberalisiert und der Preis richtet sich weitgehend nach dem
Marktgegebenheiten. In Europa und Japan sind die Gaspreise viel höher, weil sie zu einem
erheblichen Teil an die Erdölpreise gekoppelt sind und meist in langfristigen Verträgen
festgelegt sind. Gas kostete im Jahr 2013 in Europa mehr als dreimal so viel und in Japan sogar
mehr als viermal so viel als in den USA (Graph 3). Neueste Prognosen gehen davon aus, dass es
als Folge vermehrter Gasproduktion in den USA und den daraus resultierenden LNG-Exporten
nach Europa und Asien in den kommenden Jahren auch in Europa und Japan zu spürbaren
Gaspreis-Senkungen kommen wird, während die Preise in den USA leicht ansteigen werden. Die
Preisunterschiede in den drei Wirtschaftsregionen werden so längerfristig geringer werden.
Durch das gestiegene Angebot an Erdgas in den USA wird vor allem bei der Stromgewinnung
vermehrt Kohle durch Erdgas ersetzt, was zu einer Verringerung von Kohlendioxid und anderer
Luftschadstoffe führt und somit eine positive Auswirkung auf die Erreichung der Klimaziele hat.
Diverse Studien belegen, dass die Schiefergasindustrie weitreichende positive Auswirkungen auf
die Wirtschaft der USA hat und dazu beitrug viele neue Arbeitsplätze zu schaffen. Einerseits
erlebten der Energiesektor und die damit verbundenen Industriezweige zur Errichtung der
notwendigen Infrastruktur, wie z. B. die Stahlindustrie einen starken Aufschwung. Andererseits
profitierten vor allem die energieintensiven Industriesektoren, wie die Chemie-, Stahl-,
Aluminium- und Kunststoffindustrie durch die niedrigen Gaspreise und haben somit an
Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Ländern gewonnen. Da Erdgas ein wichtiger Rohstoff
für die Chemie- und Kunststoffindustrie ist (z.B. Herstellung von Plastik, Textilien, Düngemittel
etc.) erlebt dieser Industriesektor durch das steigende Angebot an Gas und durch die niedrigen
Preise einen erheblichen Aufschwung. Die niedrigen Kosten für Gas kommen auch den privaten
Haushalten und dem gewerblichen Bereich zugute.
Graph 3
Nach neuesten Schätzungen des US-Energieministeriums (Energy Information Administration-
EIA) belaufen sich die Schiefergasressourcen weltweit auf 7795 Billionen Kubikfuß (220 Billionen
m3). Dabei handelt es sich um die mit den derzeit zur Verfügung stehenden technischen Mitteln
förderbaren Vorkommen, unabhängig davon, ob die Förderung auch wirtschaftlich sinnvoll ist. In
diesen Schätzungen sind nicht alle Schiefergasvorkommen erfasst, wie z.B. jene im Nahen
Osten, in weiten Teilen Afrikas und in der Kaspischen Region. Schiefergaslagerstätten sind auf
alle Kontinente und auf viele Länder verteilt. Allerdings teilen sich sechs Länder weit mehr als
die Hälfte der Schiefergasvorkommen: USA, China, Argentinien, Algerien, Kanada und Mexiko
(Tabelle 1).
In welchem Ausmaß die Vorkommen in Ländern außerhalb der USA wirtschaftlich sinnvoll
genützt werden können, bleibt abzuwarten. Das hängt zum einen von den geologischen
Gegebenheiten der jeweiligen Schiefergasvorkommen, der bereits vorhandenen Infrastruktur
und dem technischen Know-how der Förderfirmen ab, andererseits spielen die Akzeptanz der
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Gaspreise und Ölpreis im Vergleich
Japan LNG cif
Deutschland: durchschnittliche Gas-Importpreise cif
USA Gas Preis - Henry Hub 1/
Erdölpreis: OECD Länder cif
(US$ / mill btu)
Quellen: BP Statistical Review of the World Energy 2013, Worldbank-Commodity Prices
1/ Henry Hub( Louisiana) ist das wichtigste Verteilerzentrum für Gas-Pipelines in den USA
Bevölkerung bezüglich der Schiefergasförderung und die politischen Rahmenbedingungen eine
wichtige Rolle. In den USA befinden sich viele Schiefergasvorkommen in kaum besiedelten
Gebieten, während zum Beispiel in Europa Schiefergasreserven in dichtbesiedelten Regionen
liegen.
Graph 4
Derzeit werden in den USA und in Kanada Schiefergas in wirtschaftlich relevanten Mengen
gefördert. China und Australien produzieren bereits kleinere Mengen an Schiefergas. In
Argentinien befindet sich die Produktion noch in der Testphase, und auch in einigen anderen
Ländern werden Testbohrungen durchgeführt (z.B. in Polen, Großbritannien und Indonesien).
China hat sich bezüglich der zukünftigen Schiefergasproduktion ehrgeizige Ziele gesetzt, da
einerseits die Energienachfrage ständig wächst und andererseits durch vermehrten Einsatz von
„sauberem“ Gas, vor allem im Elektrizitätssektor, Kohle ersetzt wird, um so der zunehmenden
Umweltverschmutzung entgegenzuwirken.
Auch viele europäische Länder verfügen über erhebliche Schiefergasvorkommen, wobei nach
jetzigem Wissensstand Polen und Frankreich die größten Vorkommen haben. Wegen der
möglichen Umweltschäden, die bei der Schiefergasgewinnung entstehen können, ist man in
Europa noch skeptisch und in vielen Ländern ist der Einsatz des „Fracking“ bis auf weiteres
verboten. Ende Jänner 2014 hat die EU Kommission den Entwurf eines europäischen Energie- und
Klimaschutzpakets bis zum Jahr 2030 vorgestellt. Darin wird grundsätzlich die Förderung von
Schiefergas empfohlen, wenn bestimmte Auflagen erfüllt werden. Die Kommission gibt
"Mindestgrundsätze vor, die die Mitgliedsstaaten befolgen sollten, um Umwelt- und
gesundheitliche Bedenken auszuräumen und Betreibern und Investoren die Vorhersehbarkeit zu
gewährleisten, die sie benötigen"2. Von Umweltschutzorganisationen gab es harsche Kritik zu
dieser EU Empfehlung, da man anstatt mehr Geld in erneuerbare Energien zu investieren vor der
Schiefergaslobby kapitulieren würde.
Tabelle 1
Risiken und Chancen der Schiefergasgewinnung
Welche Gefahren bringt die Förderung von Schiefergas für die Umwelt? Umstritten ist vor allem
die Methode, mit der Schiefergas gefördert wird. Beim „Fracking“ wird ein Gemisch aus Wasser,
Sand und giftigen Chemikalien unter hohem Druck tief ins Erdreich gepresst. Kritiker sehen
darin eine Gefahr für das Grundwasser. Außerdem kommen beim „Fracking“ enorme
Wassermengen zum Einsatz, welche dann für andere Zwecke nicht mehr zur Verfügung stehen.
2222 Europäische Kommission (2014.) Umwelt: Europäische Kommission empfiehlt Mindestgrundsätze für Schiefergas. Pressemitteilung Brüssel, 22. Januar 2014. http://europa.eu/rapid/press-release_IP-14-55_de.htm
In vielen Regionen der Welt gibt es bereits jetzt Wasserknappheit. Ein weiteres Risiko besteht
darin, dass durch den ungeheuren Pressdruck beim Fracking Erdbeben entstehen können.
Befürworter der Schiefergasförderung führen an, dass durch das enorme Potential in vielen
Ländern auf viele Jahrzehnte hinaus Erdgas zur Verfügung stünde. Erdgas gilt als sauberere
Alternative zu Kohle und Öl, da bei der Verbrennung weniger Kohlendioxid und andere
Luftschadstoffe freigesetzt werden. Damit könnte die Zeit, bis der Energiebedarf vollständig aus
erneuerbaren Quellen gedeckt werden kann, „klimafreundlicher“ überbrückt werden. Für viele
Länder, welche Gas importieren, würde die Abhängigkeit von einigen wenigen Erdgas-
Exportländern reduziert und somit die Sicherheit der Energieversorgung erhöht werden (Beispiel
Russland). Mehr Angebot an Erdgas würde auch außerhalb der USA zu einer signifikanten
Senkung der Gaspreise beitragen und so auf diverse Wirtschaftssektoren, in welchen Gas
entweder als Energiequelle oder als Rohstoff genutzt wird, eine positive Auswirkung haben.
Ob und wie schnell die Schiefergasförderung in Zukunft weltweit Verbreitung finden wird, hängt
von verschiedenen Faktoren ab. Der technologische Fortschritt spielt dabei eine wichtige Rolle.
Wenn es gelingt die Fördertechnologien zu verbessern, sodass die möglichen Umweltschäden
minimiert werden, so könnte das ein wichtiger Schritt zu mehr Akzeptanz auch in jenen Ländern
führen, die sich bislang gegen das „Fracking“ ausgesprochen haben. Bereits bestehende
Infrastrukturen, wie Pipelines, technisches Knowhow und Besiedelungsdichte spielen auch eine
bedeutsame Rolle. Nicht zuletzt werden die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen
eine wichtige Voraussetzung dafür sein, ob die Schiefergasproduktion in Zukunft auch außerhalb
der USA eine wichtige Rolle im Energieangebot spielen wird. Die Ukraine-Krise und die daraus
resultierenden geopolitischen Veränderungen könnten dazu beitragen, dass man auch in Europa
die Schiefergasproduktion vorantreibt, um die Gas-Importabhängigkeit von Russland zu
verringern.
Anmerkung: Milliarden (109)entsprechen den im angelsächsischen Raum verwendeten Billionen und Billionen (1012)
entsprechen den im angelsächsischen Raum verwendeten Trillionen.
Monika Psenner - Energie-Expertin