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Arzneiverordnung in der Praxis THERAPIEEMPFEHLUNGEN DER ARZNEIMITTELKOMMISSION DER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT 2. AUFLAGE 2010

Arzneiv er or dnung in der Praxis...INHALT Empfehlungen zur Therapie der Tabakabhängigkeit („Raucherentwöhnung“) 2. Auflage 2010 Arzneiverordnung in der Praxis, Band 37 Sonderheft

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Page 1: Arzneiv er or dnung in der Praxis...INHALT Empfehlungen zur Therapie der Tabakabhängigkeit („Raucherentwöhnung“) 2. Auflage 2010 Arzneiverordnung in der Praxis, Band 37 Sonderheft

Arzneiverordnungin der Praxis

THERAPIEEMPFEHLUNGEN DER ARZNEIMITTELKOMMISSION DER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT 2. AUFLAGE 2010

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Evidenz in der Medizin

Die Wirksamkeit eines Arzneimittels bzw. einer the-rapeutischen Maßnahme kann nur dann als nach-gewiesen gelten, wenn hierzu Belege, das heißt eineausreichende „Evidenz“, aus validen klinischen Prü-fungen vorliegen.In der Wertigkeit haben Nachweise zum Erreichen

bedeutender therapeutischer Ziele wie Reduktionvon Morbidität und Mortalität Vorrang vor Nach-weisen der Beeinflussung von Surrogatparameternwie z. B. Senkung von Blutdruck, HbA1C oder LDL-Cholesterin. Der Wirksamkeitsnachweis sollte wich-tigste Grundlage für eine therapeutische Entschei-dung sein. Die Indikationsstellung zur Therapiemuss ebenso unerwünschte Arzneimittelwirkungenwie erwünschte Zusatzwirkungen berücksichtigen,für die allerdings oft eine vergleichbare Evidenz nichtvorliegt.

Die Therapieempfehlungen versuchen, insbeson-dere mit den „Kategorien zur Evidenz“ trans-parent zu machen, für welchen Wirkstoff und für wel-che Indikation eine Wirksamkeit belegt ist. Ergebnisseklinischer Studien können aber nur eine Grundlageder ärztlichen Therapieentscheidung sein, da eineVielzahl individueller Gegebenheiten des einzelnenPatienten berücksichtigt werden muss und Unter-schiede zwischen Studien- und Versorgungsrealitätdie Regel sind. Hinzu kommt, dass es nicht für alletherapeutischen Maßnahmen Belege zur Wirksam-keit gibt bzw. geben kann. Auch für diese Situationfinden sich in den Therapieempfehlungen Hinweise.Letztlich ist der Arzt hier gefordert, auf der Basis bis-lang vorliegender Kenntnisse und Erfahrungen denPatienten auf bestmögliche Weise zu beraten und zubegleiten.

Kategorien zur Evidenz

Aussage (z. B. zur Wirksamkeit) wird gestützt durch mehrere adäquate, valide klinischeStudien (z. B. randomisierte kontrollierte klinische Studie) bzw. durch valide Metaanalysenoder systematische Reviews randomisierter kontrollierter klinischer Studien. PositiveAussage gut belegt.

Aussage (z. B. zur Wirksamkeit) wird gestützt durch zumindest eine adäquate, valideklinische Studie (z. B. randomisierte kontrollierte klinische Studie). Positive Aussage belegt.

Negative Aussage (z. B. zu Wirksamkeit oder Risiko) wird gestützt durch eine oder mehrereadäquate, valide klinische Studien (z. B. randomisierte kontrollierte klinische Studie), durchvalide Metaanalysen bzw. systematische Reviews randomisierter kontrollierter klinischerStudien. Negative Aussage gut belegt.

Es liegen keine sicheren Studienergebnisse vor, die eine günstige oder schädigendeWirkung belegen. Dies kann begründet sein durch das Fehlen adäquater Studien, aberauch durch das Vorliegen mehrerer, aber widersprüchlicher Studienergebnisse.

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I N HA LT

Empfehlungen zur Therapie derTabakabhängigkeit(„Raucherentwöhnung“)

2. Auflage 2010

Arzneiverordnung in der Praxis, Band 37Sonderheft 2 (Therapieempfehlungen) November 2010

VORWORT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

GRUNDLAGEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Vorbemerkungen zu Ätiologie, Pathogenese und Epidemiologie . . . . . . 5

Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

THERAPIE. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

Therapieziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

Nichtmedikamentöse Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

Pharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Besondere Patientengruppen oder Erkrankungsformen. . . . . . . . . . . . . 18

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

LITERATUR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

ANHANG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

Kurzgefasster Leitlinien-Report zur Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

Verzeichnis der Mitarbeiter/Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

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Tabakerzeugnisse enthalten und emittieren bei Verbrennung nachweislich vieleSchadstoffe und bekannte gesundheitsschädigende Karzinogene. Richtlinie 2001/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2001

Das Gesundheitsrisiko des Rauchens ist evident. Die Schädlichkeit derInhaltsstoffe des Tabaks hat Eingang in europäische Richtlinien gefunden.Es ist belegt und weithin bekannt, dass Rauchen zu Krebs, kardiovaskulärenund pulmonalen Erkrankungen und einer Vielzahl anderer gesundheitlicherStörungen führen kann. Insgesamt ist Rauchen damit der häufigste undbedeutendste vermeidbare Risikofaktor von Erkrankungen und vorzeitigerSterblichkeit mit etwa 100.000 bis 140.000 Todesfällen pro Jahr allein inDeutschland (1;2). Warnhinweise hierzu finden sich auf jeder Zigaretten-schachtel.Dennoch raucht in Deutschland etwa ein Drittel der Bevölkerung (3). Amstärksten gefährdet sind Personen in jüngerem Alter, aber auch Personen, diealleinstehend leben, sei es durch Trennung, Scheidung, Tod des Partners oderPersonen, die unter Arbeitslosigkeit, psychischen Erkrankungen, Drogen-abhängigkeit, AIDS leiden (1;4;5). Nur einem geringen Prozentsatz derRaucher gelingt es ohne weitere Hilfe, mit dem Rauchen aufzuhören (6).Selbst abstinenzwillige Patienten mit bereits schweren Vorerkrankungenschaffen es oft nicht, das Rauchen aufzugeben, da in vielen Fällen eineAbhängigkeit vorliegt (4;7). Dies unterstreicht die Notwendigkeit, „die Raucherberatung und -entwöh-nung zu einem festen Bestandteil der Patientenbehandlung zu machen“ (8). Die hier vorliegende Neuauflage der Therapieempfehlungen versucht, aufder Grundlage der Evidenz aus wichtigen klinischen Studien, aus systemati-schen Reviews sowie nationalen und internationalen Leitlinien Transparenz zuschaffen, welche insbesondere pharmakotherapeutischen Maßnahmen zurBehandlung der Tabakabhängigkeit geeignet sind. Für viele Patienten wirddabei eine kombinierte Behandlung, bestehend aus nichtmedikamentösenMaßnahmen, wie z. B. Beratung und einer medikamentösen Therapie, inerster Wahl einer Nikotinersatztherapie, zu empfehlen sein. Die Therapieempfehlungen lagen der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie,Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), der Deutschen Gesellschaftfür Pneumologie (DGP), der Deutschen Krebsgesellschaft und der DeutschenGesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) zur Kommentierung vor. DieTherapieempfehlungen repräsentieren den Konsens der an der Erarbeitungbeteiligten Mitglieder und des Vorstandes der Arzneimittelkommission.

Prof. Dr. med. R. LasekProf. Dr. med. W.-D. LudwigArzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

1. Fiore MC, Bailey WC, Cohen SJ et al: Treating tobacco use and dependence. Clinical practiceguideline. Rockville; MD: U.S. Department of Health and Human Services. Public HealthService, 2000.

2. Schulze A, Lampert T: Bundes-Gesundheitssurvey: Soziale Unterschiede im Rauchverhalten undder Passivrauchbelastung in Deutschland. Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Berlin:Robert-Koch-Institut, 2006.

3. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.: Jahrbuch Sucht 2010. Geesthacht: NeulandVerlagsgesellschaft mbH, 2010; 49-68.

4. Hoch E, Muehlig S, Hofler M et al.: How prevalent is smoking and nicotine dependence inprimary care in Germany? Addiction 2004; 99: 1586-1598.

5. Kalman D, Morissette SB, George TP: Co-morbidity of smoking in patients with psychiatric andsubstance use disorders. Am J Addict 2005; 14: 106-123.

6. Hughes JR, Keely J, Naud S: Shape of the relapse curve and long-term abstinence amonguntreated smokers. Addiction 2004; 99: 29-38.

7. Breitling LPh, Rothenbacher D, Stegmaier C et al.: Aufhörversuche und -wille bei älterenRauchern. Deutsches Ärzteblatt 2009; 106: 451-455.

8. Lindinger P, Batra A, Pötschke-Langer M: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung(BZgA), Bundesärztekammer (BÄK) (Hrsg.): Rauchfrei: Leitfaden zur Kurzintervention beiRaucherinnen und Rauchern. BZgA, BÄK. Köln, Berlin 2006.

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Tabakabhängigkeit – 2. Auflage 2010 Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

VORWORT

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Vorbemerkungen zuÄtiologie, Pathogeneseund Epidemiologie

GesundheitsschädigendeWirkungen des Tabakkonsums

Rauchen ist die häufigste vermeid- bare Ursache von Erkrankungen undvorzeitigen Todesfällen (1). So sterbenin Deutschland jedes Jahr zwischen90.000 und 140.000 Raucher anden Folgen des langjährigen Tabak-konsums (2), das heißt täglich ca.300 Menschen. Rauchen ist die Ur-sache von Krebserkrankungen vielerOrgane (Lunge, Larynx, Mundhöhle,Pharynx, Ösophagus, Pankreas, Blase,Niere, Cervix, Magen, akute Leuk-ämie), arteriosklerotischer Herz-Kreis-lauferkrankungen (subklinische Arte-riosklerose, KHK, zerebrovaskuläre Er-krankung, Aortenaneurysma), der chro-nisch obstruktiven Lungenerkrankung(3) und vielen anderen Krankheiten (1).Die Kosten für das Gesundheitswesensind trotz des späten Auftretens der ta-bakassoziierten Erkrankungen immensund werden inklusive der indirektenKosten für Arbeitsunfähigkeit, Frühin-validität und Übersterblichkeit inDeutschland auf 21 Mrd. Euro pro Jahrgeschätzt (4). Langzeitstudien belegen, dass schon

das Rauchen von einer bis vier Ziga-retten pro Tag ein deutlich erhöhtesGesundheitsrisiko bedingt. So ist bereitsbei diesen Konsummengen das Risikofür Lungenkrebs bei Frauen fünffachund bei Männern dreifach erhöht (5).Darüber hinaus gibt es einen direktenZusammenhang zwischen der Anzahlder gerauchten Zigaretten und demAuftreten von Folgeerkrankungen. Vorallem steigt das Risiko von Krebser-krankungen der Atemwege mit derDauer und Höhe des Tabakkonsums an(6). Der Alterungsprozess von Körper-

zellen wird durch das Rauchen be-schleunigt. Das Rauchen einer PackungZigaretten pro Tag über einen Zeitraumvon 40 Jahren bewirkt eine zusätzlicheAlterung von ca. sieben Jahren (6). Beioperativen Eingriffen treten Wundhei-lungsstörungen und erhöhte Infek tions-risiken auf. Das Rauchen der Eltern be-

einträchtigt das Wachstum und die Ent-wicklung des ungeborenen Kindesund verringert das Geburtsgewicht(1). Weiterhin erhöht das Passivrauchenbei Kindern das Risiko für Atemwegs-erkrankungen, Asthma, Allergien, Mit-telohrentzündungen, plötzlichen Kinds-tod, bei Erwachsenen für koronareHerzerkrankung und Lungenkrebs (7).

Epidemiologie

Trotz des leichten Rückgangs des Rau-chens lag die Raucherprävalenz imJahr 2009 bei Männern bei 33,9 % undbei Frauen bei 26,1% (bei der über18-jährigen Bevölkerung) (8). Runddie Hälfte der rauchenden Männerund etwa ein Drittel der rauchendenFrauen geben an, mehr als 20 Ziga-retten täglich zu konsumieren (9).Etwa 56 % bis 80 % aller Raucher gel-ten als nikotinabhängig (10). DasDurchschnittsalter, in dem die erste Zi-garette geraucht wird, liegt bei 13 bis14 Jahren (11).Der Rückgang der Raucher in

Deutschland in den letzten Jahren istim internationalen Vergleich nur geringund liegt weit hinter den Forderungender WHO zurück. 80 bis 90 % aller Rau-cher wollen prinzipiell mit dem Rau-chen aufhören, sind jedoch dazu nichtin der Lage. Denn speziell die Abhän-gigkeit ist der wesentliche Grund fürdie erfolglosen Versuche, das Rauchenohne fachkundige Behandlung zu be-enden (12). Menschen mit psychiatri-schen Erkrankungen (Schizophrenie,Depression, bipolare Störung, Angst-störungen, ADHS, posttraumatischeBelastungsstörung) oder die Drogenverwenden, rauchen zudem häufigerals die Allgemeinbevölkerung (13).

Entstehung und Aufrecht- erhaltung der Tabakabhängig-keitEinflussfaktoren für einen Beginn desTabakkonsums sind zunächst sozialeVerstärker, die Koppelung des Rauchensan positive Werthaltungen (Jugend-lichkeit, Sportlichkeit, Extraversion,unkonventionelles Handeln, u. a. ver-mittelt durch die Werbung), die hoheVerfügbarkeit, die (vergleichsweise)erschwinglichen Kosten, die besonde-re Bedeutung des Zigarettenkonsums

als Ausdruck „erwachsenen“ Verhaltensund die Möglichkeit, die Zugehörigkeitdes Rauchers zur attraktiv erlebtenSozialgruppe („peer group“) auszu-drücken (14). Für die Aufrechterhaltung des Ta-

bakkonsums werden die psychologi-schen und biologischen Verstärker-wirkungen des Tabakkonsums be-deutsam. Der Konsum von Nikotinwird zunehmend als angenehm undbefriedigend erlebt, führt zu dem Er-leben einer gesteigerten Wachheit,Aufmerksamkeit und Konzentrations-fähigkeit, sowie der Dämpfung desHungergefühls, aber auch zum Gefühlder Überwindung von Nervosität undAngst. Nikotin ist dabei diejenige vonca. 4000 Substanzen im Tabakrauch,die die angenehmen Effekte vor allemüber die Ausschüttung von Dopaminim so genannten Belohnungs- und Ver-stärkungssystem des menschlichenGehirns vermittelt (15;16).Die Automatisierung des Rauchver-

haltens wird recht schnell durch klas-sische sowie operante Konditionie-rungsvorgänge verfestigt, so dass da-durch Verhaltensverstärkung bzw. Ab-hängigkeit entsteht. Abhängigkeit zeigt sich in den

Diagnosekriterien des Abhängigkeits-syndroms (siehe dort, im Jargon wirdvon Rauchern oft von „Suchtdruck“oder „Schmacht“ gesprochen und der„Unfähigkeit aufzuhören“ bzw. „nichtwieder mit dem Rauchen anzufan-gen“). Diesen Vorgängen liegen kom-plexe neuroadaptative Vorgänge imGehirn zugrunde (wie z. B. eine er-höhte Nikotinrezeptordichte im ZNS(17–19). Wahrscheinlich besteht beivielen Rauchern eine genetische Dis-position zur Aufnahme und/oder Auf-rechterhaltung abhängigen Tabak-konsums (z. B. in Form bestimmter Po-lymorphismen zentraler Dopaminre-zeptoren, des Dopamintransporters,der Nikotinrezeptoren oder des niko-tinabbauenden Cytochromsystems).

GesundheitsökonomischeRahmenbedingungen

Im Vergleich zu anderen Behand-lungsformen in der Medizin ist die An-wendung evidenzbasierter Raucher-entwöhnungsmaßnahmen hochgra-

Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Tabakabhängigkeit – 2. Auflage 2010

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dig kosteneffektiv und sollte allen Rau-chern zugute kommen (1). Nach derUS-Leitlinie kann die Kostenerstattungmedikamentöser und verhaltensbezo-gener Therapien die Abstinenzraten umdas 1,3- bis 2-fache erhöhen (1;20;21).Auch finanzielle Anreize des Arbeitge-bers haben sich als wirksam erwiesen(22). Entsprechend hat die Bundes-ärztekammer gefordert, die Tabakab-hängigkeit als Krankheit anzuerkennenund entsprechende gesundheitspoliti-sche Rahmenbedingungen zu schaffen(108. Deutscher Ärztetag 2005).

Diagnostik

RaucheranamneseEmpfohlen wird die Erhebung derRauchgewohnheiten anhand folgenderMerkmale (23):

� Anzahl und Art (filterlos, mit Filter,extrem niedrige Nikotinwerte) dertäglich konsumierten Zigaretten,

� Konsummuster (kontinuierlich, in-termittierend, nächtliches Rauchen),

� Latenz bis zur ersten Zigarette desTages,

� Alter bei Rauchbeginn, � bisherige Abstinenzphasen,� frühere Abstinenzversuche,� Risikofaktoren für einen frühen Rück-fall (Depressionen, Suchterkrankun-gen, Gewichtsprobleme, Rauchver-halten in der Umgebung),

� Einnahme von (insbesondere psy-chotropen) Medikamenten,

� (tabakassoziierte) Begleiterkrankun-gen (kardiovaskulär, gastrointestinal,Allergien, Karzinome, Lungener-krankungen, psychische Störungen)und therapierelevante Einflussfak-toren (Gravidität, Zahnprothesen).

Diagnosekriterien

Zur Diagnose der Abhängigkeit (bzw.des so genannten Nikotin- bzw. Ta-bakabhängigkeitssyndroms nach ICD-10 (24) bzw. DSM-IV (25) gehörenmindestens drei der sechs nachfol-gend genannten Kriterien, die im Ver-lauf des letzten Jahres gleichzeitig auf-getreten sein müssen: 1. Ein starker Wunsch oder Zwang, Ta-bak zu konsumieren (im Jargon„Suchtdruck“).

2. Eine eingeschränkte Kontrolle überDauer und Umfang des Konsums(„Kontrollminderung“).

3. Entzugserscheinungen bei Reduk-tion oder Beendigung des Rau-chens; Konsum, um die Entzugs-symptome zu mildern.

4. Toleranzentwicklung, d. h. um einegleich bleibende Wirkung zu erzie-len, sind zunehmend höhere Dosenerforderlich.

5. Anhaltender Konsum trotz desNachweises körperlicher Folge-schäden.

6. Vernachlässigung anderer Aktivitä-ten und Interessen zugunsten desRauchens (z. B. erkennbar an derVorrangigkeit des Rauchens unmit-telbar in einer Theaterpause, nachdem Verlassen eines Kinos etc.).

Das Nikotin-EntzugssyndromEin Entzugssyndrom (26) wird ange-nommen, wenn bei plötzlicher Been-digung/Reduktion des Rauchens min-destens vier der folgenden Kriterienvorliegen wie

� depressive/dysphorische Stimmung,� Schlafstörungen,� Reizbarkeit/Irritabilität, Nervositätoder Aggressivität/Ärger,

� Unruhe/Angst oder Besorgnis,� verminderte Konzentrationsfähig-keit,

� verlangsamter Puls (Verringerungum acht Schläge/Minute im Durch-schnitt),

� gesteigerter Appetit oder Ge-wichtszunahme.

Ergänzend muss gelten:

�Diese Symptome verursachen Lei-densdruck in sozialen, beruflichenoder anderen Funktionsbereichen.

�Die Symptome sind nicht durch an-derweitige medizinische oder psy-chische Krankheitsfaktoren erklär-bar.

Entzugssymptome beginnen wenigeStunden nach dem Rauchstopp und er-reichen innerhalb der ersten zwei Tageeinen Höhepunkt. Die meisten Sym-ptome dauern einige Tage, oft vier Wo-chen, sind aber oft nach sieben bis

zehn Tagen deutlich abgeschwächtoder auch verschwunden. Das Verlan-gen nach Rauchen kann sechs Mona-te oder länger persistieren. Dabei können die Entzugssymptome

individuell höchst unterschiedlich aus-fallen; sie sind nach dem Stopp des Zi-garettenrauchens stärker ausgeprägt alsbei anderen Tabakprodukten. Die Dau-er der Entzugssymptome ist oft ehermit einem Rückfall verbunden als de-ren Intensität.Die Abhängigkeit von psychotropen

Substanzen besteht in der Regel le-benslang. Auf der Basis neurobiologi-scher und klinischer Forschungser-gebnisse ist davon auszugehen, dassbei abhängigen Rauchern auch derkontrollierte Konsum von Tabakpro-dukten in der Regel zeitlebens nichtmehr möglich ist und das Rauchendurch Änderungen von Verhaltens-mustern aufgegeben werden muss(27).

Der Schweregrad der Abhän-gigkeit

Der Schweregrad der Abhängigkeitkann durch den Fagerström-Test for Ni-cotine Dependence (FTND); (28;29)(Abbildung 1) bestimmt werden. Je höher der Punktwert des FTND,

desto geringer ist die Wahrscheinlich-keit für das Erreichen einer Abstinenz.Mehr als drei Punkte im Fagerström-Test gelten als Hinweis auf eine mit-telschwere bis schwere Abhängigkeit.Der Einsatz des Fagerström-Tests wirdals diagnostisches Instrument emp-fohlen (23;30). Die beiden wichtigstenIndikatoren der Abhängigkeit werdendurch die Fragen 2 und 4 im soge-nannten „Verkürzten Fagerström-Test“erfasst (30).

Biochemische Parameterzur Bestimmung der Rauch-intensitätDie biochemischen Parameter, wie dieMessung der Nikotin-Plasma-Kon zent-ration und des Cotinin-Spiegels in Se-rum, Speichel und Urin sowie dieMessung der Kohlenmonoxidkonzen-tration (CO) in der Ausatemluft könnenals objektive Maße zur Bestimmung derIntensität des Rauchens herangezogenwerden (30).

Tabakabhängigkeit – 2. Auflage 2010 Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

GRUND LAG EN

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Im Rahmen spezialisierter Behand-lungen und Intensivtherapien wirdempfohlen, vor und nach dem Rauch-stopp eine CO-Messung durchzufüh-ren, da diese Maßnahme einfach undkosteneffektiv ist, den Raucherent-wöhnungserfolg validiert und durchRückmeldung den Raucher weiter zurAbstinenz motivieren kann (30–32). Mittlerweile liegen verschiedene

Messgeräte vor, die unterschiedlicheVorgaben bezüglich der Dauer der In-halation und der Dauer der Exhalationmachen. Ein CO-Wert < 10 ppm gilt allge-

mein als Nachweis aktueller Absti-nenz, wobei der Zeitpunkt der Mes-sung relativ zum letzten Zigaretten-konsum (oder Tabakrauchexposition)berücksichtigt werden muss (33). Eindurchschnittlicher Raucher mit einemTageskonsum von etwa 20 Zigarettenerreicht einen CO-Wert von 15 bis 30ppm, während Raucher mit einemhohen Zigarettenkonsum (von mehr als25 Zigaretten/Tag) CO-Werte von > 40ppm erreichen (34). CO-Werte könnengroßen Tageschwankungen unterlie-gen und durch Latenz zwischen Ex-

position und Messung, individuelleRauchgewohnheiten („Paffen“ versusInhalation), Art des konsumierten Pro-duktes (z. B. Wasserpfeife) stark ver-fälscht werden.

Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Tabakabhängigkeit – 2. Auflage 2010

GRUND LAG EN

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Abbildung 1: Fagerström-Test zur Beurteilung der Schwere der Nikotinabhängigkeit (FTND)

Nachfolgend finden Sie eine Reihe von Aussagen, die im Zusammenhang mit dem Rauchen zutreffen können.

Frage Antwort Punkte

1. Wann rauchen Sie Ihre erste Zigarette nach dem Aufstehen? Innerhalb von 5 Minuten. 3 Punkte� Innerhalb von 6 bis 30 Minuten. 2 Punkte� Innerhalb von 31 bis 60 Minuten. 1 Punkt

Es dauert länger als 60 Minuten. 0 Punkte

2. Finden Sie es schwierig, an Orten, an denen das Rauchen verboten ist(z. B. in der Kirche, in der Bibliothek, im Kino usw.) auf das Rauchenzu verzichten? Ja. 1 Punkt� Nein. 0 Punkte

3. Auf welche Zigarette würden Sie nicht verzichten wollen? Die erste nach dem Aufstehen. 1 PunktEine andere. 0 Punkte

4. Wie viele Zigaretten rauchen Sie pro Tag? Mehr als 30. 3 Punkte21 – 30. 2 Punkte11 – 20. 1 PunktWeniger als 10. 0 Punkte

5. Rauchen Sie in den ersten Stunden nach dem Erwachenim Allgemeinen mehr als am Rest des Tages? Ja. 1 Punkt

Nein. 0 Punkte

6. Kommt es vor, dass Sie rauchen, wenn Sie krank sind und tagsüberim Bett bleiben müssen? Ja. 1 Punkt

Nein. 0 Punkte

Tabakabhängigkeit: 0–2 = sehr niedrig; 3–4 = niedrig; 5 = mittel; 6–7 =hoch; 8–10 = sehr hoch(Übersetzung nach (28))

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Therapieziele

Tabakkonsum erfolgt überwiegend inForm von Rauchtabak, speziell in Formvon Zigaretten. Tabakkonsum in Formvon Zigarren und Pfeifen oder rauch-losem Tabak ist in Deutschland vonnachrangiger Bedeutung. Im Folgen-den wird daher allein auf das Zigaret-tenrauchen Bezug genommen. Nichtalle Empfehlungen sind auf andereKonsumformen übertragbar. Grundsätzlich ist die Raucherent-

wöhnung bei jedem Patienten in allenLebensabschnitten sinnvoll vor demHintergrund der zahlreichen bekann-ten Raucherschäden. Tabakabhängig-keit ist nach ICD-10 und DSM-IV einechronische Erkrankung, die oft einewiederholte Behandlung und multipleAbstinenzversuche erforderlich macht. Die Raucherentwöhnung hat vier

wichtige Ziele:

1. Beendigung des Tabakkonsumszum Schutz vor tabakkonsumbe-dingter Morbidität und Mortalität,

2. Behandlung von Erkrankungen, diemit dem Rauchen assoziiert sind(chronisch obstruktive Lungener-krankung (COPD), Ulcus ventricu-li, Hypertonie, koronare Herz-krankheit (KHK), periphere arte-rielle Verschlusskrankheit (pAVK),Hypercholesterinämien, Diabetesmellitus etc.),

3. Förderung der Rehabilitation nachErkrankungen, die mit dem Rau-chen verknüpft sind (z. B. nachdurchgemachtem Myokardinfarkt,Schlaganfall, Amputation einer Ex-tremität, postoperativer Rehabilita-tion und Wundheilung) und

4. Schutz der Nichtraucher.

Es besteht unzureichende Evidenz zuden langfristigen gesundheitlichenVorteilen einer Rauchreduktion bzw.auch dem Gebrauch anderer, ver-meintlich weniger schädlicher Tabak-produkte. Diese Methoden sind daherals Mittel der Raucherentwöhnungnicht zu empfehlen (35). Der eine oder andere Raucher wird

nach einer längeren Rauchperiode mitreduzierter Zigarettenzahl selbst zuder Einsicht einer vollständigen Auf-

gabe des Rauchens finden. Der ver-ringerte Zigarettenkonsum ermöglichtoft einen leichteren Ausstieg. DerÜbergang von der Zigarette zur Zigarreoder Tabakpfeife ist keine günstige Lö-sung.

NichtmedikamentöseTherapien

Alle Ärzte, nicht nur Vertreter einzelnerFachgebiete, sollten unmittelbar jedemPatienten, der raucht, raten aufzuhö-ren (36;37). In allen Bereichen des Ge-sundheitssystems sollten professionel-le Helfer Erfahrung mit evidenzbasier-ten Raucherentwöhnungsmethodenhaben (1). Der Rauchstatus sollte re-gelmäßig dokumentiert werden(1;30;36). Zur Dokumentation desRauchverhaltens wird ein klinischesErfassungs-/Erinnerungssystem (z. B.Marker, Sticker auf Karteikarten, elek-tronische Patientenakten etc.) emp-fohlen (1;30;36).

Minimalintervention(< 3 Minuten)

Sie besteht aus drei Elementen, der Er-hebung des Rauchstatus („Ask“), derklaren Aufforderung zum Rauchstopp(„Brief Advise“) und dem Angebot(„Cessation/Refer“) von bzw. der Ver-mittlung zu professionellen Hilfsan-geboten (Entwöhnungsspezialisten,Rauchertelefone etc.). Das Procedere(als ABC-Ansatz nach Fiori et al. (38),erreichbar unter (39)) kann wie folgtablaufen:

1. Abfragen des Rauchstatus: „Rau-chen Sie?“ („Ask“) Bei jedem Kontakt mit dem Patientensollte der Rauchstatus festgestellt wer-den.2. Anraten des Rauchverzichtes: „Ichempfehle Ihnen: Hören Sie auf zu rau-chen!“ („Brief Advice“)Bei Rauchern: Klare1, eindeutige undpersönliche Aufforderung zum Rauch-stopp.Bei Ex-Rauchern: Verhindern von Rück-fälligkeit.Bei Nichtrauchern: Bestärkung in der Ab-stinenz.3. Entwöhnungsangebot / Verwei-sen: „Es gibt folgende Unterstüt-

zungsmöglichkeiten…, bitte wendenSie sich an …“ („Cessation / Refer“),d. h. ein Angebot von und/oder Ver-mittlung zu professionellen evidenz-basierten Hilfsangeboten.

Allein der Rat des Arztes, mit dem Rau-chen aufzuhören, bewirkt nach einemCochrane Review bereits eine geringe,aber signifikante Verbesserung der Er-folgsrate und ist daher empfehlenswert(1;40). Es gibt Evidenz, dass bereits mi-nimale Interventionen von wenigerals drei Minuten Gesprächszeit dieAbstinenzraten erhöhen (1). Dabeibesteht eine enge Beziehung zwi-schen der Intensität der Beratung unddem Entwöhnungserfolg, je häufigerund intensiver die Kontakte, destohöher die Aufhörwahrscheinlichkeit(1).Die Empfehlung, aufzuhören, sollte

auch gegeben werden, wenn eine in-tensive Behandlung nicht angewandtwerden kann (1). Bei jedem Patientensollte dann geklärt werden, ob es phy-sische oder medizinische Gründe (z. B.Medikamente) gibt, die die Entwöh-nung beeinflussen könnten. Die meisten Patienten versuchen

und die meisten Therapeuten emp-fehlen eher einen abrupten Rauchstopp(so genannte „Punkt-Schluss-Metho-de“) als allmähliches Reduzieren. Es be-steht die Vorstellung, dass die abrup-te Methode wirksamer ist, allerdings istfür keine Methode ein Vorteil durchentsprechende Studien gesichert (41).Es wird aber auch empfohlen, diediesbezügliche individuelle Präferenzdes Patienten zu berücksichtigen (42;43).

Tabakabhängigkeit – 2. Auflage 2010 Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

TH E RAP I E

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1 Klar bedeutet, Hinweise zu geben, dass es fürden Patienten wichtig ist, aufzuhören und dassder Arzt helfen kann. Nur den Konsum zu re-duzieren, ist nicht genug. Auch gelegentlichesRauchen oder leichtes Rauchen ist immernoch gefährlich. Eindeutig bedeutet zu ver-mitteln, dass das Aufhören die wichtigsteMaßnahme ist, die Gesundheit jetzt und in derZukunft zu schützen. Persönlich bedeutet, ak-tuelle Beschwerden ggf. mit dem Rauchen inVerbindung zu bringen und Auswirkungenauf die spezielle Lebenssituation (z. B. Kosten,Gefährdung der Gesundheit der Kinder) an-zusprechen.

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Abbildung 2: Modell der Behandlung der Tabakabhängigkeit

Kurzintervention(< 10 Minuten)

Bei Patienten mit aktuellerMotivation zum Rauchverzicht

Dazu gehören neben schon genanntenElementen der Minimalinterventionweitere Elemente, bezeichnet insge-samt als die sogenannten 5 „A’s“, diesich als effektiv erwiesen haben(1;36;38;44) und deshalb angewendetwerden sollten:

1. Abfragen des Rauchstatus („Ask“):„Rauchen Sie?“ (siehe Minimalinter-vention)2. Anraten des Rauchverzichtes („Ad-vice“): „Sie sollten aufhören zu rau-chen!“ (siehe Minimalintervention)3. Ansprechen der Bereitschaft, un-mittelbar aufzuhören („Assess“):„Wollen Sie jetzt aufhören zu rau-chen?“4. Assistieren beim Rauchverzicht(„Assist“): „Wenn Sie für einen Absti-nenzversuch bereit sind, kann ich Sieunterstützen!“. Strategien zur Imple-mentierung umfassen Hinweise wie fol-gende (30). Es sollte(n):

� (gemeinsam) der erste Rauchver-zichtstag (ein Tag ohne besondere Be-lastung oder Stress), auch bei all-

mählicher Reduktion, bestimmt werden(Wenn Patienten sich auf einen erstenRauchverzichtstag nicht festlegen wol-len, sollte eine Behandlung in einemspäteren Kontakt erneut angesprochenwerden; es kann auch Informations-material mitgegeben werden.),

� auf komplette Abstinenz gedrängtwerden. Nicht ein einziger Zug nachdem ersten Rauchverzichtstag solltegenommen werden,

� die Erfahrungen mit möglichen frühe-ren Abstinenzphasen bzw. Rückfällenberücksichtigt, z. B. Ehefrau, Partner,Freunde, Mitarbeiter von der Ver-zichtsabsicht informiert oder um Un-terstützung gebeten werden,

� Tabakprodukte aus der unmittelbarenUmgebung entfernt werden,

� Hindernisse aufzuhören oder Auslöser,wieder anzufangen inklusive Ent-zugssymptome antizipiert werden(z. B. Routinen ändern, Auslöser um-gehen; zuckerlose Kaugummis oderBonbons, Paprika- oder Karottenstrei -fen empfehlen),

� Orte und Situationen gemieden wer-den, die gewohnheitsmäßig mit demRauchen gekoppelt sind,

� „Belohnungen“ festgelegt werden(z. B. Kino, Theater, Besuche, Telefo-nate),

� jeder rauchfreie Tag mit vollem Be-wusstsein und als Erfolg erlebt werden,

� auf Selbsthilfematerialien hingewiesenwerden.

5. Arrangieren der Folgekontakte(„Arrange“): Der erste Folgekontaktsollte innerhalb der ersten Woche einenbis drei Tage (45) nach Rauchstoppstattfinden. Ein weiterer Kontakt soll-te innerhalb des ersten Monats nachRauchstopp erfolgen.Dabei sollte(n)� alle bisherigen Probleme (z. B. Ge-

wichtszunahme oder residuale Ent-zugssymptome) und mögliche zu-künftige Risikosituationen identifiziertund angesprochen werden,

� bei Erfolg dem Patienten gratuliert undso weitere Abstinenz gefördert werden.

Damit werden zwar Rückfälle nicht ver-hindert, aber die Interaktion mit demArzt erhöht die Wahrscheinlichkeit,dass sich der Patient bei Rückfälligkeitoder im Vorfeld weiterer Abstinenz-versuche wieder meldet. Im Fall einesRückfalls sollten die Umstände analy-siert, die zum Rückfall geführt haben,und die Bereitschaft zu erneuter Ab-stinenz eruiert werden. In diesem Fallist es sinnvoll, eine Intensivbehandlunganzubieten und diese bei Zustimmungdurchzuführen.

Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Tabakabhängigkeit – 2. Auflage 2010

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Arrangierender

Folgekontakte

Assistierenbei Aufhören

Ansprechenbei Motivation

Anratenaufzuhören

AbfragenAlle!

OhneMotivation

Erhöhung der Motivation mit 5 R’sRelevanz Risiken Reize Riegel Repetition

Rückfall-verhütung

PrimärePrävention

Rückfall

Intensiv-behandlung

(inkl. Pharmakotherapie)

AllePatienten

Rückfall

ja

nein früher nein Motivation erhöht abstinent

ja

Modifiziert nach (1).

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Bei Patienten ohne aktuelleMotivation zum Rauchverzicht

Grundsätzlich sollten bei diesen Pa-tienten zusätzlich Interventionen mit-hilfe der Technik der Motivierenden Ge-sprächsführung (46) angewendet wer-den, um die Ausstiegsbereitschaft zu er-höhen (1). Es gibt Hinweise in der Li-teratur, dass die Motivierende Ge-sprächsführung wirksam Aufhörver-suche in der Zukunft fördert (1). Nachder Methode der Motivierenden Ge-sprächsführung werden Ambivalenzendes Rauchers identifiziert und an der je-weiligen Ambivalenzklärung gearbeitet.Grundannahme ist, dass bei den meistenRauchern ein grundsätzlicher Aufhör-wunsch besteht, dieser jedoch nochnicht handlungsbestimmend gewordenist. Durch die Auseinandersetzung mitdiesem Aufhörwunsch, wird die Verän-derungsbereitschaft des Patienten ge-fördert. Individuelle Motive, Ideen undVorstellungen des Rauchers, die gegendas Rauchen sprechen, werden dabeivom Therapeuten positiv bekräftigt.

Die vier grundlegenden Vorgehens-weisen in der Motivierenden Gesprächs-führung sind:

1. Emphatie ausdrücken� Dazu sollen offene Fragen gestellt

werden (z. B. „Wie wichtig ist es für Siemit dem Rauchen aufzuhören?“, „Waskönnte passieren, wenn Sie aufhö-ren?“).

� Über aktives Zuhören soll Verständnisrückgemeldet werden („Sie denken,durch Rauchen vermeiden Sie eine Ge-wichtszunahme.“) oder Zusammen-fassungen („Ihnen macht das RauchenSpaß, aber Ihren Partner stört es.“,„Sie befürchten, dass es zu einerschweren Krankheit führen könnte,wenn Sie weiter rauchen.“).

2. Diskrepanz entwickeln� Der Zwiespalt zwischen dem aktuellen

Verhalten (Rauchen) und den Wertenund Zielen des Patienten soll ange-sprochen werden (z. B. Schutz der Kin-der vor Passivrauchen, Vorbildfunk ti-on).

� Die Veränderungsbereitschaft des Pa-tienten soll verstärkt und die Vorteileder Abstinenz deutlich gemacht wer-den.

3. Flexibel mit dem Widerstand desPatienten umgehen.

� Die subjekitven Theorien des Patientensollten nicht relativiert (nicht recht-haberisch sein), sondern ausgedrücktwerden, dass der innere Konflikt desBetroffenen verstanden wird.

� Das Interesse an Aufhörstrategiensollte erfragt werden.

� Die Autonomie und Selbstbestimmtheitdes Patienten sollten respektiert wer-den.

4. Selbstwirksamkeitsüberzeugungunterstützen

� Auf eventuelle frühere Erfolge sollte hin-gewiesen werden.

� Frühere Erfahrungen des Patientenmit Aufhörversuchen sollten aufge-griffen und ggf. in die Entwicklungneuer Strategien einbezogen werden.

Konkret kann der Arzt durch Anwen-dung der sogenannten 5 „R’s“ versu-chen, die Motivation der Patienten zurAbstinenz direkt zu beeinflussen((1;44), Abb. 2), die da sind:� Relevanz („Relevance“): Der Patient

soll erkennen, warum das Aufhörenfür ihn persönlich wichtig ist, z. B.durch den Hinweis auf bestehendeoder drohende Gesundheitsgefahren.Auch Widersprüche zu Werten undGrundhaltungen des Patienten könnenin diesem Zusammenhang angespro-chen werden (z. B. Schutz der Kindervor Passivrauchen oder Vorbildfunk tiongegenüber den Kindern).

� Risiken („Risks“): Die Schäden desRauchens sollten möglichst spezifischfür den Patienten mit Bezug auf die ei-gene Krankheitsgeschichte, Situationbzw. Disposition angesprochen wer-den. Es sollte darauf hingewiesen wer-den, dass „Light-“ oder „Mild“-Ziga-retten keine gesündere Alternativedarstellen. Akute Risiken sind z. B.Kurzatmigkeit, Verschlechterung vonBronchitis und Asthma, Schädigungder Schwangerschaft, Impotenz, In-fertilität; langfristige Risiken: Herzin-farkt, Schlaganfall, Lungen- und an-dere Krebserkrankungen; Umweltrisi-ken: Lungen- , Asthma- und Herzer-krankungen für Passivraucher (Partner,Kinder), niedriges Geburtsgewicht derKinder bei schwangeren Raucherinnen;plötzlicher Kindstod.

� (An-)Reize („Rewards“): Anreizeschaffen: „Gute Gründe“ für denRauchverzicht vermitteln, z. B. Ge-sundheitsverbesserung und allgemei-nes Wohlbefinden, körperliche Fitness,verbesserter Schlaf, Geldersparnis,sich „unabhängig“ fühlen; Verbesse-rung des Geschmacks- und Geruchs-sinns; Erhöhung der Attraktivität (schö-nere Haut und Zähne, angenehmererGeruch von Kleidung, Haaren undAtem), Imageverbesserung und Er-höhung der Glaubwürdigkeit (z. B.Ärzte oder Sportler rauchen nicht),Vorbildfunktion gegenüber Kindernetc.

� Riegel („Roadblocks“): Hindernisseidentifizieren helfen, wie Vorerfah-rungen mit Entzugssymptomen, Ver-stimmungszuständen, Gewichtszu-nahme, Angst zu scheitern, man-gelnde soziale Unterstützung aberauch positive Verstärker wie die sti-mulierende und beruhigende Nikotin-wirkung („Freude am Rauchen“).

� Repetition („Repetition“): Wieder-holen der Aufforderung und der Grün-de für einen Rauchstopp: Das wieder-holte Ansprechen noch unmotivierteroder rückfälliger Patienten, erneuteinen Abstinenzversuch zu unterneh-men, verstärkt die kognitive Dissonanzund motiviert den Raucher auf Dauerzu einer Veränderung.

Rückfallverhütung

Raucher, die erst seit kurzem nichtmehr rauchen, haben ein erhöhtesRückfallrisiko, wobei Rückfälle auchnach Monaten und Jahren noch vor-kommen können (1). Die beste Me-thode zur Rückfallverhütung sind Be-ratungsgespräche zwischen Arzt undPatient, wobei mindestens vier Kon-takte mit mehr als zehn Minuten Ge-sprächszeit empfohlen werden. In diesen Kontakten sollten jeweils

bisherige Erfolge und Vorteile der Ab-stinenz bekräftigt, sowie Probleme be-sprochen werden, die möglicherweisemit dem Aufhören einhergehen (z. B.Entzugssymptome, Gewichtszunah-me, Stimmungsschwankungen, kom-pensatorischer Alkoholkonsum, sozia-le Verführungssituationen, gegebe-nenfalls unerwünschte Wirkungen ver-wendeter Medikation). Dadurch wird

Tabakabhängigkeit – 2. Auflage 2010 Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

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die Chance erhöht, dass der Patientsich noch vor einem möglichen Rück-fall an den Arzt wendet, um dessen Un-terstützung zu erhalten. Die Auswir-kung der Kurzintervention im Sinneeiner Rückfallprävention ist derzeit je-doch noch wenig erforscht (47).Trotzdem werden folgende Maß-

nahmen zur Rückfallprävention emp-fohlen (1):� Weitere Nachsorgekontakte mit dem

Patienten (persönlich oder telefonisch)vereinbaren.

� Auf Beratungstelefone oder Entwöh-nungsangebote bzw. Selbsthilfegrup-pen verweisen.

� Bei anhaltendem Rauchverlangen odergravierenden Entzugssymptomen eineArzneimitteltherapie anbieten.

� Bei anhaltender negativer Stimmungbis hin zu depressiven Symptomen aneinen Spezialisten/Facharzt überwei-sen.

� Bei Gewichtsproblemen körperlicheAktivität empfehlen und den Patientendarüber aufklären, dass eine mäßigeGewichtszunahme (bis zu 4 kg) zuerwarten ist, die mit der Umstellungdes Stoffwechsels einhergeht. Weiter-hin sollte darauf hingewiesen wer-den, dass die Gesundheitsvorteile einemäßige Gewichtszunahme übertref-fen. Die Bedeutsamkeit einer gesun-den Ernährung und eines aktiven Le-bensstils für die Begrenzung der Ge-wichtszunahme sollte hervorgeho-ben und in schwierigen Fällen ein Er-nährungsberater zu Rate gezogenwerden.

IntensivbehandlungDie meisten Raucher hören spontanvon sich aus oder nach einer Mini-mal-/Kurzintervention mit dem Rau-chen auf. Für diejenigen, für die einesolche Intervention nicht ausreicht,kommen intensivere, individualisierteBehandlungen bzw. auch eine Kom-bination aus medikamentöser und ver-haltensbezogener Therapie in Frage(„stepped-care-approach“; (43)). Diemeisten dieser Intensivtherapien be-ruhen auf dem transtheoretischen Mo-dell von Prochaska und DiClemente etal. (48). Dieses Modell geht von fol-genden Stadien der Verhaltensände-rung aus (stages of change): Phase der

Absichtslosigkeit (precontemplation),Phase der Absichtsbildung (contem-plation), Vorbereitungsphase (pre-paration), Aktionsphase (action) undErhaltungsphase (maintenance). DieWirksamkeit dieses Modells ist hin-länglich belegt (49). In klinischen Studien haben sich In-

tensivbehandlungen als effektiver er-wiesen als Kurzinterventionen (1). Da-bei besteht eine positive Relation zwi-schen der Dauer der persönlichenKontakte und dem Erfolg der Be-handlung (1). Im Rahmen einer Intensivbehand-

lung sollten mindestens vier Patien-tenkontakte von mehr als zehn Minu-ten Dauer stattfinden (1). Diese Kon-taktfrequenz hat sich als besonderswirksam zur Erhöhung der Abstinenz-raten erwiesen. Bei acht Kontakten istdie Abstinenzwahrscheinlichkeit ge-genüber nur einer Sitzung auf das Dop-pelte erhöht (Odds ratio 2,3; 95 %CI : 2,1–3,0) (1). Die Intensivbehandlung kann in Ein-

zelgesprächen, in einer Raucherent-wöhnungsgruppe (50) oder durch Te-lefonberatung durchgeführt werden(1). Die Aufhörwahrscheinlichkeit ver-doppelt sich durch gruppentherapeu-tische Intervention gegenüber wenigerintensiven Behandlungsmaßnahmenwie beispielsweise dem alleinigen Ein-satz von Selbsthilfematerialien. So-wohl Gruppentherapie als auch Ein-zelberatung haben sich in diesem Zu-sammenhang als effektiv erwiesen,wobei zwischen beiden Methodenkein signifikanter Unterschied im Hin-blick auf die Aufhörraten besteht(42;50).Bei der Intensivbehandlung wird

neben der verhaltensbezogenen auchdie medikamentöse Therapie angebo-ten, weil eine Kombination aus beidenElementen die höchste Wirksamkeit imHinblick auf Abstinenzraten erreicht.Elemente der Intensivbehandlung

mit nachweisbarer Wirksamkeit sind(1;30;36): � Arzneitherapeutische Maßnah-

men (1;36). Im Vergleich zur Bera-tung allein nimmt die Abstinenz-wahrscheinlichkeit durch zusätzli-che Medikation um das 1,7-fache(CI: 1,3–2,1) zu (37);

� Verhaltenstherapie in Einzel- undGruppensetting (1) (z. B. mit Ver-mittlung von Problemlösestrategienund dem Training bestimmter Be-wältigungsfertigkeiten (coping skills)(1);

� Identifikation von Rückfallsitua-tionen und Rückfallmanagement(43);

� Einbezug sozialer Unterstützung(1), z. B. durch den Therapeuten, derden Patienten im Hinblick auf seineSelbstwirksamkeitsüberzeugung undAbstinenzzuversicht bestärkt, durchFamilienangehörige (z. B. Partner),die sich tolerant gegenüber ent-zugsbedingten Stimmungsschwan-kungen zeigen, durch Freunde undBekannte, denen gegenüber derBetroffene sich bezüglich seines Ab-stinenzversuchs „outet“) ;

� Selbsthilfematerialien und ent-sprechende Internetseiten (1);

� Raucherberatungstelefone (1).

Wie auch bei der Minimal- und Kurz-intervention sollte bei allen Patientender Behandlungsverlauf erhoben unddokumentiert werden. Erfolge solltenin den Folgekontakten bekräftigt wer-den. Bei Misserfolg sollte der Rauch-status erhoben (z. B. Erhebung der An-zahl der gerauchten Zigaretten) undUnterstützung bei der Problembewäl-tigung angeboten werden (z. B. beiEntzugssymptomen, Rauchverlangen inbestimmten Situationen, eventuellenunerwünschten Wirkungen von Me-dikamenten und bei kompensatori-schem Alkohol- und/oder Drogen-konsum bzw. auch anderen Formender Suchtverlagerung).Der Alkoholkonsum sollte proble-

matisiert und mit der Erhöhung desRückfallrisikos in Zusammenhang ge-bracht werden. Da Alkohol das Rauch-verlangen triggern kann, sollte zu-mindest in den ersten rauchfreien Wo-chen möglichst darauf verzichtet wer-den. Es ist nicht abschließend geklärt, in-

wieweit auch Kaffeekonsum dasRauchverlangen triggern bzw. die ge-wohnheitsmäßige Verknüpfung vonKaffeekonsum und Zigaretterauchen ei-nen Rauchrückfall auslösen kann. Da-her sollte der Kaffeekonsum proble-

Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Tabakabhängigkeit – 2. Auflage 2010

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matisiert und im Fall einer vom Pa-tienten angegebenen Verknüpfungeingeschränkt werden, sofern der Pa-tient damit einverstanden ist. Sollte dasnicht der Fall sein, ist das zu respek-tieren. Bei Kurzrückfällen (d. h. Ausrut-

schern mit zunächst punktuellem Ta-bakkonsum („lapse“ oder „slip“), diedann aber zu einem vollständigenRückfall ins alte Konsummuster („re-lapse“) führen, sollte zunächst eruiertwerden, ob die Patienten bereit sind,wieder zur Abstinenz zurückzukehren(1). Ist das der Fall, sollten zusätzlichepsychotherapeutische, soziale odergegebenenfalls arzneitherapeutischeMaßnahmen angeboten werden. Da-bei sind Präferenzen der Patientenund ihre Entscheidungsgründe zu be-rücksichtigen. Sind Arzneimittel bereitseingesetzt worden, ist zu klären, ob derGebrauch bestimmungsgemäß er-folgte und gegebenenfalls die gleicheMedikation erneut verwendet werdenkann. Wenn rückfällige Patienten ak-tuell keinen erneuten Abstinenzversuchunternehmen wollen, sollte weiter ander Motivation gearbeitet werden, ge-gebenenfalls zu einem späteren Zeit-punkt einen weiteren Abstinenzversuchzu unternehmen. Weiterhin ist es vonVorteil für den Entwöhnungsprozess,die Gründe für die Rückfälligkeit zuanalysieren, um auf Risikosituationen(z. B. Entzugssymptome, inadäquateAnwendung der Maßnahmen) künf-tig besser vorbereitet zu sein bzw.diese gegebenenfalls umgehen zukönnen. Sofern bisher keine Nikotinersatz-

stofftherapeutika (NET) zum Einsatz ge-kommen sind und Entzugssymptomeeinen Rückfall ausgelöst haben, ist derEinsatz von NET angemessen (siehe un-ten). Bei entzugssymptombedingterRückfälligkeit unter Einnahme von NETist ggf. eine andere Darreichungsformoder Dosierung bzw. auch die Kombi-nation zweier NET zu erwägen. DieKombination eines langsam anfluten-den NET-Pflasters mit einem schnellerresorbierbaren NET-Kaugummi er-möglicht neben der kontinuierlichenBereitstellung von Nikotin zusätzlich dieschnellere Nikotinzufuhr im Falle spon-tanen Rauchverlangens (siehe unten).

Sind NET bereits eingesetzt worden,sollten Arzneimittel der 2. Wahl (sieheunten) erwogen und eingesetzt wer-den. Selbstverständlich müssen alleKontraindikationen, Risiken, Warnun-gen, Vorsichtsmaßnahmen oder Ne-benwirkungen der Arzneimittel der 1.und 2. Wahl sorgfältig abgewogenwerden. Auch ist zu bedenken, dassAdhärenz bzw. Compliance der emp-fohlenen Maßnahmen Voraussetzungfür den Erfolg ist. Diese wird oft da-durch eingeschränkt, dass Patienten dieEmpfehlungen bezüglich Dauer oderDosis der Anwendung nicht einhalten. Haben Raucher Vorerfahrungen

mit Raucherentwöhnungsmittelngemacht, haben sie oft erfahren, dassdie Anwendung einfach und gut ver-träglich ist. Sollte es zu einem Rückfallgekommen sein, ist das weitere Vor-gehen allerdings nicht ganz klar. Sogibt es Hinweise, dass die erneuteVerwendung derselben Substanz kaumeinen Vorteil bietet, andere Hinweisezeigen trotzdem Erfolge (1). Um die Adhärenz bzw. Compliance

der Patienten zu erhöhen, muss auf dieBefürchtungen hinsichtlich einer Ge-wichtszunahme eingegangen wer-den, deren gesundheitliche Folgenzwar weniger schwerwiegend sind alsdie Fortführung des Rauchens, dieaber subjektiv dennoch sehr belastendsein kann und häufig dazu führt, dassgerade Frauen wieder zu rauchen be-ginnen. Durch Vermittlung von Infor-mationen zur Gewichtskontrolle undRegulationsmechanismen sollte aufdieses Thema eingegangen werden(z. B. physische Aktivität, Umstellungauf gesunde Ernährung, Diäten mitniedriger Kalorienzahl). Allerdings gibtes bislang keine sichere Methode, umdie Gewichtszunahme vollständig zuvermeiden (51). Es wurde gezeigt, dass körperliche

Aktivität (z. B. Sport, Gymnastik, aberauch Bewegung allgemein) gut wirk-sam ist, um von Entzugserscheinungenund Rauchverlangen abzulenken (52),weshalb sie ausdrücklich empfohlenwird (53).Bei einer erfolgreichen Raucherent-

wöhnung ist zu bedenken, dass derWegfall des Tabaks im Körper die An-wendung von Arzneimitteln zur Be-

handlung anderer, oft chronischer Er-krankungen modifizieren kann (43).Metabolische Prozesse in der Leberwerden vor allem durch Abbrandpro-dukte des Tabaks stimuliert (Induktionder Cytochrom-P450-Enzyme 1A1,1A2 sowie eventuell 2E1), was unteranderem auch zu einem beschleunig-ten Abbau verschiedener Arzneimittelführt (wie z. B. von Theophyllin, Imi-pramin, Haloperidol, Koffein, Phenyl-butazon, Estradiol, Pentazocin, Fluvo-xamin, Olanzapin, Clozapin). Dadurchkann es beim Rauchstopp zu erhöhtenSerumkonzentrationen und Wirksam-keitssteigerungen der betroffenen Arz-neimittel kommen (cave Clozapin undAgranulozytosegefahr). Auch die Auf-nahme von subkutan injiziertem Insu-lin wird durch das Rauchen vermindert,so dass höhere Dosen beim Raucher in-jiziert werden müssen; nach demRauchstopp wird dieser Prozess ins Ge-genteil verkehrt und es ist zu bedenken,ob die Insulindosis reduziert werdenmuss.

Pharmakotherapie

Bei der Tabakabhängigkeit werden –wie auch bei anderen chronischen Er-krankungen – multimodale Behand-lungsansätze empfohlen, Arzneimittelsind ein zentrales Element solcherMultikomponenten-Behandlungen. Die Kombination der Beratung mit

einer Arzneimitteltherapie wird allenRauchern empfohlen (1) – es sei denn,es gibt Kontraindikationen oder Nut-zen und Effektivität sind unsicher, z. B.bei schwangeren Frauen, rauchfreienTabakkonsumenten, leichten Rauchern(Konsum unter zehn Zigaretten) oderKindern und Jugendlichen (1). DieKombination der Beratung mit derArzneitmittelherapie ist effektiver alsBeratung allein oder alleinige Medika-tion (1), weshalb – wenn immer mög-lich und angemessen – beide Maß-nahmen zusammen angewendet wer-den sollen.Patienten kann auch dann eine Arz-

neimitteltherapie angeboten werden,wenn sie keine psychosoziale Therapiewünschen (3). Es ist allerdings zu be-denken, dass sich die Abstinenzwahr-scheinlichkeit um das 1,4-fache (CI:

Tabakabhängigkeit – 2. Auflage 2010 Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

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1,2–1,6) durch zusätzliche Beratunggegenüber der alleinigen Medikationerhöht (2).

Arzneimittel der ersten Wahl

Nikotinersatzstofftherapie(NET)

Nikotin ist die wichtigste suchterzeu-gende und konsumerhaltende Sub-stanz im Tabakrauch, die über nikotin-erge Azetylcholinrezeptoren im ZNS so-wohl anregende als auch beruhigendepsychotrope Wirkungen vermittelt.Das Prinzip der therapeutischen Niko-tinanwendung liegt darin, nach demRauchstopp durch eine vorüberge-hende, ausreichend hoch dosierteNikotinsubstitution initiale, oft massiverlebte Entzugssymptome, wie Ver-stimmung, Nervosität, Konzentrati-onsstörungen und das Rauchverlangenoder auch gastrointestinale Symptomezu vermindern, ohne dass die übrigenSchadstoffe der Zigarette zugeführtwerden. Da die NET lediglich Nikotinenthält, sind selbst bei längeranhal-tendem Gebrauch die bekannten kar-zinogenen oder teratogenen Folgendes Tabakkonsums nicht zu erwarten;dies gilt auch für kardiovaskuläre Schä-den, die durch den Wegfall des imRauch enthaltenen gefäßaktiven Koh-lenmonoxids (CO) sich eher verbes-sern. Durch eine NET sind maximaleNikotinbelastungen im Serum, wie sieder Raucher durch den Tabakkonsumerlebt, in der Regel nicht zu erreichen.Längerfristig wird die Kopplung der Ta-bakabhängigkeit mit dem Rauchritualaufgehoben, was Voraussetzung füreine Verhaltensveränderung im Sinneder Entwöhnung ist. Die Nikotinersatzstofftherapie gilt

aufgrund der günstigen Wirkung-Risi-ko-Relation als Arzneitherapie der ers -ten Wahl („first-line-medication“; (1))(siehe Tabelle 1).

Zur Wirksamkeit der NET liegenzahlreiche kontrollierte Studien

vor. Die Bewertung dieser Studien imRahmen systematischer Reviews bzw.Metaanalysen zeigt, dass der Einsatzder NET gegenüber Plazebo oderNichtbehandlung zu einer Erhöhungder Erfolgswahrscheinlichkeit um den

Faktor 1,5–2 (relatives Risiko, Odds Ra-tio) für einen Rauchstopp führt(1;35;37;54–56). Die Wirksamkeit derverschiedenen NET-Darreichungsfor-men (Tablette, Kaugummi, Pflaster,Inhalator) war dabei ähnlich (37;57).Bei Kombination einzelner dieser Dar-reichungsformen ließen sich höhere Er-folgsraten als bei Monotherapie erzie-len (37) (s. u.).

Die metaanalytische Auswertung vonNET-Studien mit einem Follow-up vonzwei bis acht Jahren wies auf eine ver-minderte absolute Langzeitwirkunghin, die möglicherweise wie bei ande-ren chronischen Erkrankungen erneu-te Behandlungsperioden erfordert (58).Die Anwendung der NET ist einfach

und bei sachgemäßer Handhabung fürden Raucher ungefährlich. Als uner-wünschte Wirkungen oder Überdo-sierungserscheinungen gelten Übel-keit, Erbrechen, Schwindel, Kopf-schmerz, Schlaflosigkeit und/oder all-gemeines Unwohlsein. Allerdings las-sen sich unerwünschte Wirkungen vonNikotinpräparaten im Einzelfall nichtimmer sicher von Entzugserscheinun-gen nach einem Rauchstopp unter-scheiden. Die NET kann von allen Rauchern

genutzt werden. Kontraindikationen bestehen bei

instabiler Angina pectoris, Prinzmetal-Angina, schweren Herzrhythmusstö-rungen und akutem Schlaganfall. NachHerzinfarkt ist die NET innerhalb der er-sten zwei Wochen mit Vorsicht anzu-wenden. Bei hochgradiger Form der Abhän-

gigkeit haben sich die höheren Dosie-rungen der NET (beim Pflaster, Kau-gummi und der Sublingualtablette) alseffektiv erwiesen, vor allem wenn stär-kere Entzugssymptome auftreten (1).Mittlerweile sind in Deutschland Ni-kotinpflaster mit bis zu 25 mg Wirk-stoffgehalt erhältlich.Nach einjähriger Abstinenz ist mit ei-

ner durchschnittlichen Gewichtszu-nahme von 4–6 kg zu rechnen (51).Für Raucher, die sehr besorgt bezüglichder Gewichtszunahme sind, können dieEmpfehlung und der Hinweis ange-messen sein (30), dass NET – und zwardas 4 mg Kaugummi und die 4 mg

Sublingualtablette – sowie Bupropioneine Gewichtszunahme verzögern,aber nicht verhindern. Dies gilt aller-dings nicht für das Nikotinpflaster.Gut gesicherte Daten zu effizientenMaßnahmen zur langfristigen Ge-wichtsreduktion nach Rauchstopp lie-gen jedoch nicht vor (51).Die NET wird nicht von den Kassen

erstattet. Die Kosten betragen je nachDarreichungsform, Dosis und Abnah-memenge im Regelfall ca. 2,50 bis 3,00Euro pro Tag und entsprechen damitetwa den Aufwendungen, die der Rau-cher bislang für den Tabakkonsum er-bracht hat.

Anwendungshinweise zu deneinzelnen Darreichungsformen

Nikotinpflaster

Je nach Pflasterstärke stellen Nikotin-pflaster einem Raucher, der regelmä-ßig über den Tag verteilt einen relativgleichmäßigen Tageszigarettenkon-sum hatte, Nikotin über die Zeit von 16bis zu 24 Stunden (bei sehr starkenRauchern) im Körper bereit. Statt einerpulsatilen Anflutung beim Rauchenwird Nikotin aus dem Pflaster konti-nuierlich bereitgestellt. Pflaster sind als transdermale Pflaster

meist in drei Stärken verfügbar, äqui-valent zum Tageszigarettenkonsumvon > 10, > 20 und > 30 Zigaretten.Die übliche Dosis ist 8 mg bzw. 7 mgpro 16 Stunden oder 16 mg bzw.14 mg pro 16 Stunden oder 24 mgbzw. 21 mg pro 24 Stunden pro Tag.Die übliche Anwendungszeit beträgt6–14 Wochen (Tabelle 1). Darüberhinaus gibt es mittlerweile Pflaster mit25 mg pro 24 Stunden.Ausreichende Nikotinspiegel kom-

men aufgrund der Pharmakodynamikallerdings erst nach 30 bis 60 Minutenzustande; die Gefahr einer Unterdo-sierung kann angesichts einer unsi-cheren Dosisfreisetzung gegeben sein,eine Anwendung „im Notfall“ ist nichtmöglich. Das Pflaster sollte regelmäßigzum Einsatz kommen, täglich ge-wechselt und morgens auf die Haut-oberfläche (wechselnd z. B. Oberarm,Rücken, Brust) stets auf eine anderetrockene, unbehaarte, saubere Haut-stelle geklebt werden.

Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Tabakabhängigkeit – 2. Auflage 2010

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Bei stärkeren Rauchern sollte mit ei-ner höheren Dosierung begonnenwerden; auch kann man Präparatewählen, die wochenweise absteigendeDosisstärken erlauben („Step-down-Dosierung“ (1)). Sehr starke Raucher(mit einem Tageszigarettenkonsumvon mehr als 40 Zigaretten) und star-ken Entzugserscheinungen könnendurch die Kombination zweier Pflasterauch höhere Nikotinspiegel erzielen.Gegebenenfalls ist hier die Kombina-tion verschiedener Nikotinersatzpro-dukte (z. B. Pflaster und Kaugummi) zuerwägen. Als lokale Nebenwirkungen können

Hautirritationen, ein „Brennen“ oderallergische Reaktionen auftreten (Kon-traindikation bei chronisch-generali-sierten Hauterkrankungen). Die Be-handlungszeit sollte zwei bis drei Mo-nate betragen (1).

Nikotinkaugummi oder -tablettenNikotinkaugummi oder Sublingual-bzw. Lutschtabletten („Lozenge“) wer-den oft eingesetzt bei einer nur gerin-gen bis mittelstarken Nikotinabhän-gigkeit (nach dem Fagerström-Test< 5), wenn ein mäßiger Tageszigaret-tenkonsum (ca. 5 bis 15 Zigaretten/Tag) betrieben wird, wenn außerdemin ungleichmäßigen Abständen ge-raucht wird (beispielsweise bevorzugtin den Abendstunden oder unter so-zialen Verstärkerbedingungen), wennheftiges Verlangen („craving“) an-fallsweise auftritt oder wenn ein soge-nanntes Konfliktrauchen in belastendenSituationen betrieben wird.Bei starken Rauchern wird die 4mg-

Variante gegenüber der 2 mg-Varian-te des Nikotinkaugummis empfohlen(1).Mit Hilfe des Nikotinkaugummis ge-

lingt es dem Raucher, auch in Situa-tionen, in denen er nach einer raschenNikotinaufsättigung verlangt, inner-halb von 15 bis 30 Minuten wirksameNikotinspiegel aufzubauen. Im Fall ei-ner Pflasterallergie stellt die Anwen-dung von Nikotinkaugummi oder -ta-bletten die beste Alternative dar. Da Ni-kotin über die Mundschleimhaut ab-sorbiert wird, sollte das Kaugummiganz langsam und über einen Zeitraumvon mindestens einer halben Stunde

gekaut oder in der Backentasche de-poniert werden. Es sollte nur solangelangsam und vorsichtig gekaut werden,bis der Effekt von Nikotin spürbarwird. Sobald ausreichende Mengen anNikotin abgegeben wurden, sollte es inder Backentasche „geparkt“ werden.Bei zu schnellem Kauen können Über-dosierungserscheinungen in Form vonSpeichelfluss, Übelkeit, Sodbrennen,Aufstoßen oder Herzklopfen auftre-ten. In sehr seltenen Fällen kommt eszu einer Abhängigkeitsentwicklungvon Nikotinkaugummi. Das Nikotin-kaugummi sollte daher als Arzneimit-tel und nicht als Genussmittel einge-setzt werden. Lokale Reizerscheinungenim Mund, zum Teil auch gastritischeBeschwerden, treten vor allem dannauf, wenn sehr heftig und intensiv ge-kaut wird. Nach etwa 30 Minuten istdas Kaugummi zu ersetzen. Im Regel-fall sollte ein Kaugummi pro Stunde ge-kaut werden, maximal 16 Stück proTag. Nach sechs bis acht Wochen soll-te die durchschnittliche Dosis reduziertund bis zur zwölften Woche ganz aus-geschlichen werden.

Lutschtabletten enthalten 1, 2 oder4 mg Nikotin und sind in unter-schiedlichen Geschmacksrichtungenerhältlich; die Sublingualtablette ent-hält 2 mg Nikotin. Diese Anwendun-gen sind einfach, mit ihnen ist ein ra-scher Wirkungseintritt verbunden.Empfohlen wird die Einnahme einer Ta-blette pro Stunde für leichte Raucher,zwei Tabletten pro Stunde für schwe-re Raucher (maximal 30 Stück/Tag).Die Anwendung wird für die Dauer vondrei Monaten, nicht länger als zwölfMonate, empfohlen (1;43). Nach zweibis drei Monaten sollte eine schritt-weise Reduzierung der Dosierung er-folgen.Die Sublingualtablette löst sich un-

ter der Zunge auf, das Nikotin wirdüber die Mundschleimhaut resorbiert.Um eine optimale Wirkung zu erzielen,sollte die Tablette nicht geschlucktoder gekaut werden. Die häufigstenunerwünschten Wirkungen sindSchluckauf und Übelkeit, brennendeSensationen auf der Mundschleim-haut, ein wunder Rachen, Husten,trockene Lippen und geschwürige Ver-änderungen am Mund. Ähnlich wie

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beim Nikotinkaugummi ist ein Miss-brauch bzw. eine Abhängigkeitsent-wicklung in seltenen Fällen nicht aus-zuschließen. Mit dem Nikotininhalerwird die Ni-

kotinaufnahme über die Zigarette imi-tiert. Über ein Mundstück wird Niko-tin aus einer Patrone ohne Verbren-nungsprozess inhaliert. Jede Patrone er-setzt etwa vier Zigaretten. Im Rahmeneiner Entwöhnungsbehandlung mussdie tägliche Dosis allmählich reduziertwerden. Der Nikotininhaler ist wiedas Nikotinkaugummi auch zur Rauch-reduktion mit dem Ziel der Abstinenzzugelassen. Nebenwirkungen treten inForm lokaler Reizungen im Mund-Ra-chen-Raum sowie in Form von Husten,Schluckauf, Übelkeit, Kopfschmerzenund Schwindel auf.

Kombination von NET-DarreichungsformenuntereinanderIndikationen für eine Kombinations-behandlung aus Nikotinpflaster und Ni-kotinkaugummi bzw. Nikotinpflasterund Nikotinnasenspray liegen bei einerstarken Tabakabhängigkeit (> 6 Punk-te im Fagerström-Test) und hohem Ta-geszigarettenkonsum (> 30 Zigaret-ten/Tag) vor; in diesen Fällen reicht einNikotinpflaster oder -kaugummi oftnicht aus (30;36). Die Kombination istebenfalls zu empfehlen, wenn die Ein-zelanwendung sich als nicht ausrei-chend erwiesen hat (30;36).Die Behandlungsintention sieht vor,

Entzugserscheinungen durch die kon-tinuierlichen Wirkspiegel, die durch dasNikotinpflaster aufgebaut werden, zuverhindern; darüber hinaus soll fürunvermutet auftretende Verlangenssi-tuationen eine Möglichkeit zur vor-übergehenden und intensiven Niko-tinsubstitution zur Verfügung gestelltwerden. Als effektiv gilt die Nikotinpflaster-

anwendung von mehr als 14 Wochenin Kombination mit Nikotinkaugummi2 mg (ad libitum; untersucht in Studienbis zu 52 Wochen). Es ist zu beachten,dass die Gefahr der Aufrechterhaltungder Tabakabhängigkeit durch die Kom-bination mit einem schneller verfüg-baren Nikotinersatzpräparat verstärktwird.

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Langzeitanwendung Langzeitanwendung (kontinuierlichmehr als sechs Monate bis zu einemJahr und darüber hinaus) von Pflasternund Kaugummi kann geeignet sein fürRaucher mit andauernden Entzugser-scheinungen, mit Rückfällen nach ei-nem Raucherstopp oder bei entspre-chendem Wunsch (1). Die Anwen-dung ist nicht mit einem bekanntenGesundheitsrisiko verbunden, die Ent-wicklung einer Abhängigkeit von NETist ungewöhnlich, aber zu bedenken.Das Ziel sollte Abstinenz bleiben, aberselbst die Langzeitanwendung vonNET (dann meist Pflaster mit Kau-gummi ad libitum) ist gegenüber demRauchen mit seinen Gesundheitsrisikenvorzuziehen.

NET-Anwendung vor demRauchstopp

Studien haben untersucht, ob beinichtabstinenzwilligen Rauchern nichtwenigstens der Konsum verringert

(„harm reduction“) und dann lang-fristig eine Abstinenzmotivation er-reicht werden kann. Die Evidenz ausden vorliegenden Studien ist limitiertund inkonsistent. Auch in der jüngstenLeitlinie des U.S. Department of Healthand Human Services wurde hierzukeine Empfehlung ausgesprochen(1;30;35;59). Sollte im Einzelfall so vor-gegangen werden, sind Raucher aufmögliche Überdosierungserscheinun-gen von Nikotin (z. B. Übelkeit, Er-brechen, Benommenheit) hinzuweisen.

Arzneimittel der zweiten Wahl

Aufgrund des weniger günstigen Nut-zen-Risiko-Verhältnisses werden diebeiden zugelassenen Arzneimittel (Bu-propion, Vareniclin) als Arzneimittel derzweiten Wahl angesehen (Tabelle 2).Diese Arzneimittel sollten bei wieder-holtem Therapieversagen von NETund weiter bestehendem Abstinenz -wunsch unter Berücksichtigung derKontraindikationen und Risiken wegen

der generellen Gesundheitsschädendes Rauchens in der Raucherentwöh-nung Anwendung finden.

Bupropion

Der Mechanismus, über den die Rau-cherentwöhnung mit Bupropion er-reicht wird, ist unklar. Zwar ist der Zu-sammenhang zwischen Rauchen undDepression bekannt, die Wirksamkeit istjedoch unabhängig davon, ob De-pressivität bei Patienten vorliegt odernicht. Beispielsweise hemmt Bupropi-on an neuronalen Synapsen vor allemdie Wiederaufnahme von Noradrena-lin, in geringerem Maße auch von Do-pamin; auch sollen nikotinerge Syn-apsen blockiert werden. Damit könn-te erklärt werden, dass die durch denRauchstopp induzierten nikotinbe-dingten Entzugserscheinungen ver-mindert werden.In Deutschland ist Bupropion unter

jeweils unterschiedlichen Präparate-namen zur Depressionsbehandlung

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Tabelle 1: Nikotinersatzstoff (NET) als Arzneimittel der ersten Wahl (UAW: unerwünschte Arzneimittelwirkungen, IA: Arzneimittelinteraktionen, pd: pharmakodynamische IA, pk: pharmakokinetische IA, KI: Kontraindika-tionen); ausführliche Angaben siehe Fachinformationen

Wirkstoff Tagesdosierung (mg) Wichtige UAW, IA, KI

NET als Pflaster

NET als Kaugummi

Bei > 10 Zigaretten/Tag: 7 bzw. 8 mg/16 Std.

Bei > 20 Zigaretten/Tag: 14 bzw.16 mg/24 Std.

Bei > 30 Zigaretten/Tag: 21 bzw. 24 mg/24 Std.

Es kann eine höhere Dosisstärke für 6 Wochen,dann für weitere Wochen (eine) geringereDosisstärke(n) verwandt werden.

2 mg: maximal 24 Stück/Tag.

4 mg: maximal 15 Stück/Tag.

Anwendung für 12 Wochen, dann allmählicheReduktion;

UAW: Allgemein: Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Kopf-schmerz, Herzklopfen, Schlaflosigkeit,allgemeines Unwohlsein.

An der Haut: Irritationen, „Brennen“, allergische Reak-tionen.

Im Mund: Schleimhautreizung, Speichelfluss, Sod-brennen, Aufstoßen.

IA: Relevante Wechselwirkungen zwischenNikotin und weiteren Wirkstoffen sind nichtgesichert. Es ist zu beachten, dass Rauchenmit Enzyminduktion einhergeht und Rauch-stopp eine verminderte Clearance verschie-dener Stoffe zur Folge haben kann.

Dies kann Wirksamkeit und Verträglichkeitvon Medikamenten beeinflussen.

KI: Kurz zurückliegender Herzinfarkt, instabileAngina pectoris, Prinzmetal-Angina, schwe-re Herzrhythmusstörungen, akuter Schlag-anfall, chronisch-generalisierte Hauterkran-kungen.

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und zur Raucherentwöhnung (Dosie-rung siehe Tabelle 2a) im Handel. Bu-propion ist verschreibungspflichtig.

Zur Wirksamkeit von Bupropionbei der Raucherentwöhnung lie-

gen mehrere klinische Studien mit ei-nem Vergleich zur Plazebogabe vor.Metaanalysen dieser Studien zeigeneine der NET vergleichbare Verdopp-lung der Abstinenzwahrscheinlichkeitnach fünf bis sechs Monaten (1;54;60;61).

Die zahlreichen unerwünschten Wir-kungen und Kontraindikationen vonBupropion begründen seine Stellungals Mittel der zweiten Wahl. Die häu-figsten Nebenwirkungen während derBehandlung mit Bupropion sind Schlaf-störungen, Mundtrockenheit und Kopf-schmerzen, aber auch Schwindel, Un-ruhe, Hautausschlag, Juckreiz (Urtika-ria), Schwitzen, Blutdrucksteigerung,Übelkeit und Obstipation. In der Regelverschwinden diese Beschwerden nachwenigen Wochen der Behandlung.Zu den seltenen, aber schwerwiegen-den Nebenwirkungen zählen allergi-sche Reaktionen, Synkopen oder ge-neralisierte Krampfanfälle.

Kontraindikationen liegen vor beiÜberempfindlichkeit gegenüber Bu-propion, bei Bulimie/Anorexia nervo-sa, schwerer Leberzirrhose, bipolarerStörung, einem bekannten Tumor desZNS und einem abrupten Alkohol-oder Benzodiazepinentzug. Patientenmit einem derzeitigen Krampfleidenoder jeglicher Anamnese von Krampf-anfällen sollten von der Behandlungausgeschlossen werden. Medikamen-tengruppen, die die Krampfschwelleherabsetzen (Antipsychotika, Antide-pressiva, Theophyllin und systemischeSteroide, Antimalariamittel, Tramadol,Chinolone, sedierende Antihistamini-ka) sollten nicht gleichzeitig gegebenwerden. Bezüglich der Interaktionen ist zu

bedenken, dass Bupropion vor allemüber CYP2B6 metabolisiert wird; damitsind Interaktionen mit solchen Arznei-mitteln möglich, die ebenfalls CYP2B6-Substrate sind (z. B. Cyclophosphamid,Ifosfamid) oder dieses Enzym hemmen(z. B. Clopidogrel, Ticlopidin, Orphe -

nadrin) oder allgemeine Enzyminhibi-toren (z. B. Valproat, Cimetidin) oder-induktoren (z. B. Carbamazepin, Phe-nobarbital, Phenytoin) sind. Bupropi-on und sein Hauptmetabolit Hydro-xybupropion hemmen CYP2D6; da-durch wird die Elimination gleichzeitigverabreichter CYP2D6-Substrate ver-zögert und bei diesen Mitteln eine Do-sisreduktion bzw. ein Therapiebeginnim unteren Dosisbereich erfordert; zusolchen CYP2D6-Substraten gehörenbestimmte Antidepressiva (z. B. Desi-pramin, Imipramin, Paroxetin), Anti-psychotika (z. B. Risperidon, Thiorida-zin), Betablocker (z. B. Metoprolol) undKlasse-1C-Antiarrhythmika (z. B. Fle-cainid, Propafenon). Nach dem Ab-setzen einer Therapie mit irreversi-blen MAO-Inhibitoren (z. B. Tranylcy-promin) ist unbedingt ein Abstandvon 14 Tagen einzuhalten, bevor Bu-propion gegeben wird. Bei reversiblenMAO-Hemmern (z. B. Moclobemid) istein Zeitraum von 24 Stunden ausrei-chend. Die Verordnung von Bupropion zur

Raucherentwöhnung ist mit einer ent-sprechend intensiven Beratung zukombinieren. So empfiehlt es sich,gemeinsam mit dem Patienten einenkonkreten Rauchverzichtstag festzu-legen, der in der zweiten Behand-lungswoche liegen sollte. In der erstenTherapiewoche soll der Patient in denersten sieben Tagen eine Tablette(150 mg Bupropion), ab dem achtenTag zwei Tabletten (morgens undnachmittags) für die Dauer von siebenbis neun Wochen einnehmen. VieleRaucher bemerken bereits in den erstenBehandlungstagen eine weniger be-friedigende Rauchwirkung; ihre Ziga-retten „schmecken“ nicht mehr sowie gewohnt. Bupropion kann mit Nikotinpflaster

kombiniert werden; damit sind höhe-re Erfolgsquoten berichtet worden alsbei einer Monotherapie (1); allerdingshat die kombinierte Anwendung vonBupropion und Nikotinpflaster aucheine höhere Nebenwirkungsrate zurFolge. Die Kosten von Bupropion – die Ta-

geskosten entsprechen etwa einerSchachtel Zigaretten – werden von denKassen nicht übernommen.

VareniclinVareniclin ist seit 2007 in Deutschlandzur Raucherentwöhnung bei Erwach-senen zugelassen. Vareniclin ist ein par-tieller Agonist des alpha4-beta2-Ace-tylcholinrezeptors im zentralen Ner-vensystem. Die Wirksamkeit beruhtauf einer Linderung des Rauchverlan-gens und der Entzugssymptome. Zu-sätzlich sollen die antagonistischenEigenschaften dazu führen, dass durchZigaretten zugeführtes Nikotin am Re-zeptor keine Wirkung entfalten kannund so der Belohnungs- und Verstär-kungseffekt beim Rauchen reduziertwird.

Kontrollierte Studien zur Rau-cherentwöhnung mit Vareniclin

im Vergleich zu Plazebo bzw. fehlendermedikamentöser Therapie erbrachteneine zwei- bis dreifach erhöhte Wahr-scheinlichkeit eines Rauchstopps (1;54;62;63). Vareniclin zeigte sich hinsicht-lich der Nichtraucherraten dem Bu-propion (RR 1,52), weniger deutlichauch der NET (RR 1,31), überlegen(63).

Nach einer niedrigeren Initialdosis(Tag 1 bis 3: 0,5 mg/Tag; Tag 4 bis 7:2 x 0,5 mg/Tag) wird eine Dosierungvon 2 x täglich 1 mg Vareniclin für etwazwölf Wochen empfohlen (siehe auchTabelle 2b) (64).Das potentielle Auftreten zahlrei-

cher, zum Teil schwerwiegender un-erwünschter Arzneimittelwirkungenund besondere Vorsichtsmaßnah-men begründen auch die Einordnungvon Vareniclin als Mittel der zweitenWahl. Die häufigsten Nebenwirkungensind Übelkeit, Depressionen, Suizid-gedanken und Schwindelgefühle. In-zwischen sind auch Berichte über Ver-kehrsunfälle und Stürze aufgrund vonBewusstlosigkeit, Verwirrtheit oderSchwindelanfällen bekannt geworden;es existieren Berichte über Sehstörun-gen, Herzrhythmusstörungen, Krampf-anfälle, Hautreaktionen und Diabetesmellitus. Nach der Zulassung haben Be-richte über unerwünschte neuropsy-chiatrische Symptome wie Depressio-nen, Agitation und Suizidgedanken zuWarnhinweisen z. B. der FDA und derEMA geführt und wurden auch in die

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Tabelle 2a: Bupropion als Arzneimittel der zweiten Wahl (UAW: unerwünschte Arzneimittelwirkungen, IA: Arzneimit-telinteraktionen, pd: pharmakodynamische IA, pk: pharmakokinetische IA, KI: Kontraindikationen);ausführliche Angaben siehe jeweilige Fachinformationen

Wirkstoff Tagesdosierung (mg) Wichtige UAW, IA, KI

Bupropion Für die ersten 7 Tage:1 x 150 mg/Tag danach Rauchstopp,

ab dem 8. Tag: 2 x 150 mg/Tag für 8 Wochen (zwischen denaufeinander folgenden Einzeldosen muss eineZeitspanne von mindestens 8 Stunden liegen).

UAW: Häufig:Schlafstörungen, Mundtrockenheit undKopfschmerzen, aber auch Schwindel,Unruhe, Hautausschläge, Juckreiz (Urtika-ria), Schwitzen, Blutdrucksteigerungen,Übelkeit, Obstipation.

Selten:allergische Reaktionen, Synkopen, generali-sierte Krampfanfälle.

IA: Bupropion kann Abbau verschiedener Wirk-stoffe verzögern (pk): Antidepressiva (Desi-pramin, Imipramin, Paroxetin), Antipsychoti-ka (Risperidon, Thioridazin), Betablocker(Metoprolol), Klasse-IC-Antiarrhythmika(Propafenon, Flecainid); Enzyminduktoren(Carbamazepin, Phenytoin) oder -hemmer(Valproat) können Wirkung und Verträglich-keit von Bupropion beeinflussen (pk); er-höhte Nebenwirkungsrate bei gleichzeitigerEinnahme von Levodopa oder Amantadinmöglich.

Die gleichzeitige Behandlung mit einemMAO-Hemmer ist kontraindiziert.

KI: Zerebrales Anfallsleiden; Bulimie/Anorexie,schwere Leberzirrhose, bipolare Erkran-kung, Tumor des ZNS, Alkohol- oder Ben-zodiazepinentzug, gleichzeitige Behand-lung mit einem MAO-Hemmer.

Tabelle 2b Vareniclin als Arzneimittel der zweiten Wahl (UAW: unerwünschte Arzneimittelwirkungen, IA: Arznei-mittelinteraktionen, pd: pharmakodynamische IA, pk: pharmakokinetische IA, KI: Kontraindikationen);ausführliche Angaben siehe Fachinformationen

Wirkstoff Tagesdosierung (mg) Wichtige UAW, IA, KI

Vareniclin Für 3 Tage: 1 x 0,5 mg,für 4 Tage: 2 x 0,5 mg,dann Rauchstopp,

dann ca. 12 Wochen Fortführung mit 2 x 1 mg(bzw. 1 x 1 mg bei Kreatinin-Clearance < 30ml/min).

UAW: Übelkeit, Schwindel, Depressionen, Suizid-gedanken, Agitation.

IA: Bei Kombination mit NET (KI, s. u.) tratenvermehrt Übelkeit, Kopfschmerzen, Erbre-chen, Schwindel, Dyspepsie und Müdigkeitauf.

KI: Kombination mit NET,cave: Nierenfunktionsstörungen; neuro-psychiatrische Patienten.

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deutsche Fachinformation aufgenom-men (1;63;65).

Patienten sollten über möglicheunerwünschte neuropsychiatrischeArzneimittelwirkungen aufgeklärtwerden. Bei Auftreten von Verhal-tensauffälligkeiten oder depressivenVerstimmungen muss Vareniclin ab-gesetzt werden. Die Verordnung beiPatienten mit psychiatrischen Vorer-krankungen sollte nur nach sorgfältigerNutzen-Risiko-Abwägung, gegebe-nenfalls unter Einbeziehung einesPsychiaters erfolgen. Die Eliminationvon Vareniclin erfolgt überwiegendunverändert renal; daher sollte Vare-niclin bei Patienten mit schweren Stö-rungen der Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance < 30 ml/Min) mit Vorsichtangewandt und die Maximaldosis auf1 x 1 mg/Tag begrenzt werden. Vare-niclin darf wegen seiner nikotinanta-gonistischen Eigenschaften nicht inKombination mit NET eingesetzt wer-den.

Arzneimittel der dritten WahlFür diese Arzneimittel, wie Clonidinoder Nortriptylin besteht keine Zu-lassung für die Raucherentwöhnung.Wenige Untersuchungen dienen als Be-leg für eine Wirkung von Clonidin inder Raucherentwöhnung (1;66), derEinsatz ist durch erhebliche Neben-wirkungen (wie Sedation und Blut-druckabfall) jedoch eingeschränkt; ab-ruptes Absetzen führte zu Symptomenwie Unruhe, Agitation, Kopfschmerzenund Zittern sowie Blutdruckerhöhung.Auch für Nortriptylin liegen günstigeBerichte in der Raucherentwöhnungvorwiegend bei depressiven Patientenvor (60). Die Anwendungsbeschrän-kungen (Kontraindikationen, Risiken)müssen bei Anwendung im Einzelfallbeachtet werden.

Nicht empfehlenswerte /umstrittene Strategien

Medikamente

Für Antidepressiva vom SSRI-Typ (z. B. Fluoxetin, Sertralin),

Anxiolytika/Benzodiazepine, Beta-blocker und Opioidantagonisten wieNaltrexon liegen in der Raucherent-wöhnung keine sicheren Wirksam-

keitsnachweise vor (1;60;67). Sie wer-den deshalb nicht empfohlen.

AversionstherapieIntensivierte Rauchexposition wird we-gen mangelnder Belege und der po-tentiellen Gefahren nicht empfohlen(30;68).

Akupunktur und ähnliche Inter-ventionen

Ein systematisches Review der Coch-rane Collaboration zeigte, dass es fürdie Akupunktur und die weiteren Ver-fahren wie Elektrostimulation oder La-serakupunktur keine konsistenten wis-senschaftlichen Wirksamkeitsbelegegibt (69).

Hypnosetherapie

Ein Review der Cochrane-Gruppe vonneun Studien fand unzureichende Evi-denz, um die oft heterogen durchge-führten Hypnosetherapien zur Rau-cherentwöhnung zu empfehlen (70).

Besondere Patienten-gruppen oder Erkran-kungsformen

Leichte Raucher und nicht-zigarettenrauchende Tabak-konsumenten

Leichte Raucher (unter zehn Zigarettenpro Tag) sollten identifiziert und ihnenintensiv nahegelegt werden, aufzu-hören; entsprechende Gesprächsin-terventionen sollten angewendet wer-den (1).Auch Konsumenten von Schnupfta-

bak, Kautabak, sowie Pfeifenraucherund andere nichtzigarettenrauchendeTabakkonsumenten sollten identifiziertund ihnen dringlich angeraten werden,aufzuhören. Entsprechende Gesprächs -interventionen wie bei Rauchern soll-ten angewendet werden.

Schwangere Raucherinnen

Rauchen in der Schwangerschaft ist mitder größte modifizierbare Risikofaktorfür schwangerschaftsbezogene Krank-heiten und Todesfälle (wie Spontan-abort, Frühgeburten, plötzlicher Kinds-tod, verzögerte Entwicklungen derKinder etc. (71). Wegen der schwer-

wiegenden Risiken des Rauchens für dieSchwangere und ihren Fötus sollten,wenn immer möglich, persönliche(psychosoziale) Interventionen ange-wendet werden, die das Ausmaß derMinimalintervention (mit dem Rat auf-zuhören) überschreiten (72); die Ab-stinenzquoten werden damit um das1,8-fache erhöht. (CI: 1,4–2,3; (1)).Eine möglichst frühe Abstinenz in der

Schwangerschaft ist anzustreben, dochist auch das Aufhören zu jeglichemZeitpunkt in der Schwangerschaft vonNutzen. Entsprechend sollten Inter-ventionen zur Rauchentwöhnung so-wohl beim Erstkontakt als auch im Lau-fe der Schwangerschaft immer wiederangewandt werden. Sollten NET erwogen werden, sind

einerseits die Risiken der Nikotinexpo-sition und andererseits die Risiken desRauchens, eine Nikotinaufnahme aberauch eine Aufnahme von Kohlen-monoxid und von über 4000 weiterenpotentiell toxischen Substanzen mit derSchwangeren oder auch stillendenMüttern zu diskutieren (30). Bei An-wendung von Nikotinpflastern wirdempfohlen, dass Schwangere nachtsdas Pflaster entfernen (30).

Kinder und Jugendliche(12–17 Jahre)

Passivrauchen ist schädlich für Kinder.Gesprächsinterventionen bei den Elternmit der Frage nach dem Rauchen unddem Rat, aufzuhören um (auch) dieKinder zu schützen und den Eltern Hil-fen anzubieten, haben sich als effektiverwiesen und werden empfohlen (30).Die hohe Gefahr der Abhängigkeits-entwicklung bei einem starken Tabak-konsum in jugendlichem Alter recht-fertigt die frühe Intervention bei Kin-dern und Jugendlichen, auch wenn dieAbhängigkeitskriterien noch nicht er-füllt sind (73).Ärzte sollten Kinder und Jugendliche

nach dem Rauchen fragen und eineunmissverständliche Botschaft vermit-teln, vollständig abstinent zu sein (30);Gesprächsinterventionen (in Studienoft mehr als sechs Kontakte) erhöhendie Abstinenzwahrscheinlichkeit umdas 1,8-fache (1). Auch gibt es Hin-weise, dass komplexe Strategien unterBezug des transtheoretischen Modells

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(siehe oben) eine gewisse Wirksamkeithaben (74). In dieser Klientel gab es nurwenige Studien zu NET, die aber kei-ne Wirksamkeit zeigten. Trotzdemempfiehlt die englische Leitlinie desNHS (36) den begrenzten Einsatz vonNET im Einzelfall bis maximal zwölf Wo-chen.Weder Bupropion noch Vareniclin

sollte Kindern oder Jugendlichen an-geboten werden (36).

Patienten mit Lungenerkran-kungen und kardiovaskulärenErkrankungen Patienten mit COPD weisen eine be-sonders hohe Tabakabhängigkeit auf.Ein Entwöhnungskonzept, das sowohlmedikamentöse als auch psychoso-ziale Unterstützung umfasst, zeigt sichanhand der vorliegenden Evidenz fürCOPD-Patienten effektiver als Einzel-maßnahmen (31;75).Nach der S3-Leitlinie für COPD-Pa-

tienten (31) hat die Raucherentwöh-nung positive Auswirkungen auf Lun-genfunktion, Luftnot, Husten, Exazer-bationsrate und Sterblichkeit.Patienten mit koronaren Herzer-

krankungen profitieren bezüglich derAbstinenzrate von psychosozialen In-terventionen – je intensiver, desto bes-ser (5). Sie gehen entgegen früherenBerichten der Medien kein erhöhtes Ri-siko ein, wenn sie Nikotinpflaster be-nutzen (1;76). Allerdings empfiehltdie Packungsbeilage ihre Anwendungmit Vorsicht; dies gilt vor allem (in-nerhalb der ersten zwei Wochen) nachHerzinfarkt, bei schweren Arrhythmienund bei instabiler Angina pectoris (1).

Psychiatrische Patienten(inklusive Suchterkranke)

Der starke Tabakkonsum bei Patientenmit einer psychischen Erkrankung unddie daraus resultierende erhöhte Mor-bidität und Mortalität macht eine aufdie psychische Begleiterkrankung zu-geschnittene intensivierte Behandlungerforderlich. Ziel der Behandlung ist dieTabakabstinenz, wenigstens jedochder reduzierte Tabakkonsum (23).Bei Patienten mit gleichzeitig oder

früher bestehenden psychiatrischenErkrankungen ist in den ersten 14 Ta-gen nach Rauchstopp eine besonders

enge Überwachung notwendig, dadiese (vor allem bei Depressionen oderSchizophrenien) exazerbieren können.Gegebenenfalls ist ein Psychiater hin-zuzuziehen. Patienten mit früherenDepressionen profitieren von Bupro-pion und Nortriptylin, aber NET scheintauch bei diesen Patienten erfolgreichzu sein (1).

Weitere Patientengruppen

Für besondere Gruppen wie HIV-Pa-tienten, Patienten aus bildungsfernenSchichten oder mit niedrigem sozio-ökonomischen Status, ältere Raucher,Frauen und andere sind spezielle Emp-fehlungen noch zu erarbeiten (1).Speziell für hospitalisierte Patienten

wird eine Intensivbehandlung emp-fohlen (1), die – unabhängig von derAufnahmediagnose – während derHospitalisation beginnt und wenig-stens einen Nachsorgekontakt nachvier Wochen umfasst (77).

Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Tabakabhängigkeit – 2. Auflage 2010

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AADHS = Aufmerksamkeitsdefizit-/Hy-peraktivitätsstörung

AHRQ = Agency for Healthcare Re-search and Quality

CCI = KonfidenzintervallCO = KohlenmonoxidCOPD = chronisch obstruktive Lun-generkrankung

CYP = Cytochrom P450

DDEGAM = Deutsche Gesellschaft fürAllgemeinmedizin

DKG = Deutsche Gesellschaft für Kar-diologie

DGP = Deutsche Gesellschaft fürPneumologie

DGPPN = Deutsche Gesellschaft fürPsychiatrie, Psychotherapie undNervenheilkunde

DKG = Deutsche KrebsgesellschaftDSM IV = Diagnostisches und Stati-stisches Handbuch PsychischerStörungen

EEMA = European Medicines Agency

FFDA = Food and Drug Administrati-on

FTND = Fagerström-Test für Nikotin-abhängigkeit

HHbA1c = Glykohämoglobin

IIA = ArzneimittelinteraktionenICD-10 = Internationale Klassifikationder Krankheiten

IQWiG = Institut für Qualität undWirtschaftlichkeit im Gesund-heitswesen

KKHK = Koronare HerzkrankheitKI = Kontraindikationen

LLDL = Low Density Lipoprotein

MMAO = Monoaminooxidase-Hem-mer

NNET = Nikotinersatzstofftherapie, Ni-kotinersatztherapeutika

NICE = National Institute for ClinicalExcellence

PpAVK = periphere arterielle Ver-schlusskrankheit

pd = pharmakodynamischpk = pharmakokinetisch

RRR = relatives Risiko

SSSRI = Selektive Serotonin-Rückauf-nahme-Inhibitoren

UUAW = unerwünschte Arzneimittel-wirkungen

WWHO = World Health Organization

ZZNS = Zentralnervensystem

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ABKÜRZUNG SV E R Z E I C HN I S

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1 U.S. Department of Health and Human Ser-vices: Treating tobacco use and depen-dence: 2008 update. Clinical practice gui-deline. Rockville, MD; May 2008.

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5 Barth J, Critchley J, Bengel J: Psychosocial in-terventions for smoking cessation in patientswith coronary heart disease. Cochrane Da-tabase Syst Rev 2008; Issue 1: CD006886.

6 Doll R, Peto R, Boreham J, Sutherland I: Mor-tality in relation to smoking: 50 years' ob-servations on male British doctors. BMJ2004; 328: 1519.

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8 Lampert T, List SM: Tabak - Zahlen und Fak-ten zum Konsum. In: Deutsche Hauptstel-le für Suchtfragen e. V., Jahrbuch Sucht2010. Geesthacht: Neuland Verlagsgesell-schaft mbH, 2010; 48-68.

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Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Tabakabhängigkeit – 2. Auflage 2010

L I T E RATUR

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Page 22: Arzneiv er or dnung in der Praxis...INHALT Empfehlungen zur Therapie der Tabakabhängigkeit („Raucherentwöhnung“) 2. Auflage 2010 Arzneiverordnung in der Praxis, Band 37 Sonderheft

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Tabakabhängigkeit – 2. Auflage 2010 Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

L I T E RATUR

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Kurzgefasster Leitlinien-Report zur Methodik

Weitergehende Ausführungen siehe(1). Die Erarbeitung der Therapie-empfehlungen der Arzneimittelkom-mission der deutschen Ärzteschaft(AkdÄ) erfolgt unter wesentlicher Be-rücksichtigung der „Beurteilungskrite-rien für Leitlinien in der medizinischenVersorgung – Beschlüsse der Vorstän-de von Bundesärztekammer und Kas-senärztlicher Bundesvereinigung, Juni1997“ (2).

1. Gründe

Formaler Anlass für die Erarbeitung derTherapieempfehlungen waren die „Arz-neimittel-Richtlinien“ für die vertrags-ärztliche Versorgung, in denen dieBerücksichtigung der Therapieemp-fehlungen der Arzneimittelkommissionder deutschen Ärzteschaft empfohlenwurde (3). Es entspricht zudem derGrund- und Gründungsintention derArzneimittelkommission, gesichertesWissen der Pharmakotherapie in dietägliche Verordnungspraxis zu über-führen, um bestehenden therapeuti-schen Defiziten zu begegnen.

2. Ziele der Empfehlungen/Leitlinien

Ziel der Empfehlungen/Leitlinien ist es,soweit möglich Transparenz zu schaf-fen, welche therapeutischen „End-punkte“ (Senkung von Letalität, Mor-bidität, symptomatische Besserung,Beeinflussung von Surrogatparame-tern) mit den einzelnen Maßnahmender Pharmakotherapie nach Aussageklinischer Studien zu erreichen sind.Diese Transparenz ist Voraussetzung füreine rationale und wirtschaftliche Arz-neitherapie und dient dem grundle-genden Ziel aller Medizin, nämlich derSicherung und Verbesserung der ge-sundheitlichen Versorgung der Pa-tienten. Die Arzneimittelkommissionder deutschen Ärzteschaft ist sich da-bei bewusst, dass derartige Empfeh-lungen/Leitlinien niemals allen Einzel-fällen in der medizinischen Praxis ge-recht werden können. Sie sind alseine solide Plattform der therapeuti-schen Vernunft zu verstehen, die aberselbstständiges und verantwortliches

ärztliches Handeln im Individualfallweder einschränken noch ersetzenkann.

3. Adressaten

Die Empfehlungen/Leitlinien wurden,entsprechend dem Geltungsbereichder Arzneimittel-Richtlinien, vorran-gig für niedergelassene, hauptsächlichim allgemeinmedizinischen/hausärzt-lichen Bereich tätige Ärzte konzipiert,können aber in gleicher Weise auchdem in der Klinik tätigen Arzt hilfreichsein.

4. Autoren/Herausgeber

Die Therapieempfehlungen/Leitlinienwerden herausgegeben von der Arz-neimittelkommission der deutschenÄrzteschaft. Die bereits 1911 zur För-derung einer rationalen Arzneimittel-therapie gegründete Kommission istheute ein wissenschaftlicher Fachaus-schuss der Bundesärztekammer und re-krutiert sich aus Mitgliedern der ver-schiedensten medizinischen Fachge-biete. Dies ist wesentliche Grundlagefür die interdisziplinäre Erstellung derTherapieempfehlungen der Arznei-mittelkommission, in deren Arbeits-gruppen neben den Vertretern derdas Thema betreffenden Disziplinenimmer auch Allgemeinmediziner, Phar-makologen und/oder klinische Phar-makologen und ggf. Biometriker ein-bezogen sind. Die Mitglieder der Ar-beitsgruppen erklären dem Vorstandvorab potentielle Interessenkonflikte.

5. Träger/Finanzierung

Die Geschäftsstelle der Arzneimittel-kommission der deutschen Ärzteschaftwird finanziert von Bundesärztekam-mer und Kassenärztlicher Bundesver-einigung.

6. Themenauswahl

Um eine willkürliche Themenwahl zuvermeiden, stützte sich die Arzneimit-telkommission grundlegend auf dieEVaS-Studie (3), die Auskunft darübergibt, mit welchen 20 Hauptanliegenoder Hauptdiagnosen Patienten denallgemeinmedizinisch tätigen Arzt auf-suchen. Weitere Gesichtspunkte zur Er-stellung von Therapieempfehlungensind vermutete therapeutische Defizi-

Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Tabakabhängigkeit – 2. Auflage 2010

ANHANG

23

te (z. B. Tumorschmerzbehandlung),Gebiete mit größeren therapeutischenUnsicherheiten bei gleichzeitig hoherPrävalenz (z. B. Behandlung von Rük-kenschmerzen oder funktionellen Ma-gen-Darm-Störungen) und Gebiete, fürdie nachgewiesen wurde, dass durchkonsequente Behandlung eine Reduk-tion von Morbidität und/oder Letalitätzu erreichen ist (z. B. Therapie von Fett-stoffwechselstörungen und der arte-riellen Hypertonie). Der Beschluss zurErarbeitung von Therapieempfehlun-gen wird vom Vorstand der Arznei-mittelkommission gefasst.

7. Erstellung und Konsensus-prozess

Therapieempfehlungen der Arznei-mittelkommission werden von denentsprechenden Fach- und allge-meinmedizinischen Mitgliedern nacheinem festgelegten Prozedere erar-beitet (Abbildung 1). Themenauswahl,Aufstellung der Arbeitsgruppe und Li-teraturaufarbeitung erfolgen wie unter4., 6. und 8. skizziert. Ein vom feder-führenden Autor erstelltes Erstmanu-skript wird innerhalb der Arbeitsgrup-pe konsentiert und danach einem Pa-nel vorwiegend allgemeinmedizinisch-hausärztlich arbeitender Kollegen zurKritik insbesondere hinsichtlich derPraxistauglichkeit vorgelegt. Dies ist einProzess, der einen persönlichen, schrift-lichen, zum Teil auch anonymisiertenMeinungsabgleich und in der Folgezahl- und umfangreiche Textmodifi-kationen beinhaltet. Auf den seit meh-reren Jahren hierfür institutionalisierten„Therapie-Symposien“ der Arzneimit-telkommission wird das noch vorläufi-ge Papier der Öffentlichkeit zur Dis-kussion gestellt und nachfolgend na-tionalen oder internationalen wissen-schaftlichen Fachgesellschaften zurKommentierung übergeben. Letztlichmuss die Therapieempfehlung vomVorstand der Kommission im Konsensals publikationsreif verabschiedet wer-den.*

8. Identifizierung undInterpretation der Evidenz

Am Anfang aller Überlegungen zur Evi-denzermittlung für Therapieempfeh-lungen steht die klinische Fragestellung,

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für welche therapeutisch relevantenAussagen die Darstellung des Belegt-heitsgrades anhand der Literatur wün-schenswert bzw. erforderlich erscheint.Es folgt eine Literaturrecherche, die ab-hängig vom Gegenstand einen ex-tensiven oder auch nur ergänzendenCharakter z. B. dann trägt, wenn, wiebei den Therapieempfehlungen derArzneimittelkommission üblich, aus-gewiesene Spezialisten bereits übereinen hinreichenden Fundus verfü-gen. Die Recherchen werden in Da-tenbanken, wie z. B. Medline, Coch-rane Library, Drugdex, durchgeführt,enthalten aber auch Suchen in den In-ternetangeboten z. B. der Agency forHealthcare Research and Quality(AHRQ), des National Institute forHealth and Clinical Excellence (NICE),des Instituts für Qualität und Wirt-schaftlichkeit im Gesundheitswesen(IQWiG), der Canadian Medical Asso-ciation, des Scottish IntercollegiateGuidelines Network, des New ZealandGuidelines Project sowie auf den In-ternetseiten der nationalen und inter-nationalen wissenschaftlichen Fach-gesellschaften. Gegenstand der Su-che sind in der Regel publizierte ran-domisierte kontrollierte Studien, Me-taanalysen, systematische Reviews,ggf. auch als Bestandteil bereits exi-stierender Leitlinien. Die Rechercheer-gebnisse werden nach Ein- und Aus-schlusskriterien selektiert, die sich vonder speziellen Fragestellung ableiten.Die Bewertung der Studien hat allge-meingültigen biometrischen Anforde-rungen, wie z. B. Eignung der Haupt-zielkriterien für die Aussage, hinrei-chende Fallzahl, Repräsentativität derStudienpopulation, relevante Dosie-rungen und Signifikanz des Ergebnis-ses, Rechnung zu tragen, muss aber er-forderlichenfalls auch den Besonder-heiten der Arzneimittelprüfung beibestimmten Erkrankungen gerechtwerden (siehe z. B. europäische Leitli-nie zur Prüfung von Antidementiva).Systematische Fehler sind prinzipiell aufder Ebene der Informationsselektionund -bewertung möglich. Es wird ver-sucht, ihr Auftreten durch Sorgfalt beider Recherche und interpersonellen Ab-gleich bei der Bewertung zu minimie-ren. Der Belegtheitsgrad wird anhand

von vier Stufen kategorisiert (sieheSeite 2: Kategorien zur Evidenz). DieAussagen zur Evidenz müssen prioritärin die entsprechenden therapeuti-schen Überlegungen einbezogen wer-den, sind aber nur ein – wenn auchsehr bedeutsames – Instrument imKonzert der therapeutischen Ent-scheidung (siehe auch Punkt 2. undSeite 2 „Evidenz in der Medizin“). DieLimitierung evidenzbasierter Klassifi-zierungen zeigt sich in Situationen, indenen keine oder nur unzureichendeklinische Studien vorhanden sind, zumTeil weil der Durchführung, wie bei-spielsweise bei der Tumorschmerzthe-rapie, verständliche ethische Bedenkenentgegenstehen.

9. PharmakoökonomischeAspekte

Die Arzneimittelkommission erkenntdie Bedeutung von Kostenaspekten imSinne einer wirtschaftlichen Arznei-mittelverordnung. Bei unumstrittenerPriorität der Qualitätssicherung wirdsich die Arzneimittelkommission daherauch Fragen der Wirtschaftlichkeitnicht verschließen, sofern sie sich mitden Prinzipien einer rationalen Phar-makotherapie zum Wohle der Patien-ten in Einklang bringen lassen. In denTherapieempfehlungen der Arznei-mittelkommission sind Einsparpoten-ziale implizit, denn auf lange Sicht isteine rationale Pharmakotherapie zu-meist auch eine rationelle Therapie. Alsärztliche Leitlinie und auch aus kapa-zitären Gründen widmen sich daherdie Therapieempfehlungen vorrangigder Beurteilung von Wirksamkeit und,soweit es die Daten gestatten, der Ri-siken der Arzneimitteltherapie. In die-sem Kontext muss auch erwähnt wer-den, dass es für viele therapeutische In-terventionen bislang nur eine unzu-reichende und den Daten zur Wirk-samkeit kaum vergleichbare pharma-koökonomische Datenlage gibt. Zu-dem ist auf die Gefahr hinzuweisen,dass „mit Kosten-Nutzen-Analysen …soziale und moralische Entscheidungenpseudorational verdeckt“ werden, „dieeigentlich normativer Natur und dahernur politisch zu lösen sind“ (4).

10. Gestaltung

Ein sorgfältig erarbeiteter Inhalt ver-langt eine adäquate Form. Obwohl kei-ne gesicherten Erkenntnisse über denEinfluss der Gestaltung auf die Wirkungvon Leitlinien vorliegen, geht die Arz-neimittelkommission davon aus, dasseine übersichtliche druckgraphischeGestaltung, eine für alle Therapie-empfehlungen gleiche Gliederung undeine konzise, aber dennoch klare Dik-tion die Attraktivität des Informati-onsangebots erhöhen und damit auchdie Bereitschaft fördern, sich mit demThema auseinanderzusetzen.

11. Aktualisierung

Eine Überarbeitung und Neuauflageder Empfehlungen ist in der Regel nachdrei Jahren vorgesehen. Dies ist auchabhängig vom Aktualisierungsbedarfund kann daher früher, ggf. auch spä-ter, erfolgen (5).*

12. Vorlage bei wissenschaft-lichen Fachgesellschaften

Die hier vorliegenden Therapieemp-fehlungen wurden folgenden wissen-schaftlichen Fachgesellschaften zurKommentierung vorgelegt: DeutscheGesellschaft für Pneumologie (DGP),Deutsche Krebsgesellschaft (DKG),Deutsche Gesellschaft für Kardiologie(DGK), Deutsche Gesellschaft für Psych-iatrie, Psychotherapie und Nerven-heilkunde (DGPPN), Deutsche Gesell-schaft für Allgemeinmedizin (DEGAM).Die Aufführung der genannten Fach-gesellschaften ist nicht gleichbedeu-tend mit Meinungsidentität zu Leitli-nieninhalten oder Einarbeitung bzw.Akzeptanz der Kommentare.*

13. Implementierung undVerbreitung

Auf der Grundlage der ausführlichenevidenzgestützten Therapieempfeh-lungen werden eine Kurzfassung(Handlungsleitlinie) „für den Praxis-schreibtisch“ und eine Patienteninfor-mation erstellt. Auf Anfrage könnenauch Inhalte der Therapieempfehlun-gen (z. B. Abbildungen und Tabellen)für Fort- und Weiterbildung bezogenwerden. Es ist zentrales Anliegen derArzneimittelkommission der deutschen

Tabakabhängigkeit – 2. Auflage 2010 Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

ANHANG

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Pharmakologie angeregt, die Thera-pieempfehlungen in der Lehre zu nut-zen, um so bereits Studenten eine evi-denzbasierte Sicht der Pharmakothe-rapie nahe zu bringen.

14. Evaluation

Die Evaluation von Therapieempfeh-lungen hinsichtlich ihres Einflusses aufArzneiverordnung, Kosten und Beein-flussung verschiedener therapeutischerZiele wird zunächst im Rahmen vonEinzelprojekten angestrebt.

Literatur1. Lasek R, Müller-Oerlinghausen B: Therapie-empfehlungen der Arzneimittelkommissionder deutschen Ärzteschaft – Ein Instrument zurQualitätssicherung in der Arzneimittelthera-pie. Z Arztl Fortbild Qualitatssich 1997; 91:375-383.

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Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Tabakabhängigkeit – 2. Auflage 2010

ANHANG

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Ärzteschaft, die wissenschaftlich fun-dierten Therapieempfehlungen einemmöglichst großen Ärztekreis als Leitfa-den für die eigene therapeutische Pra-xis zugänglich zu machen. Ärzte, diedie Therapieempfehlungen der AkdÄnicht kostenfrei über ihre kassenärztli-chen Vereinigungen zugestellt be-kommen, können die Therapieemp-fehlungen als Einzelhefte oder imAbonnement gegen eine Gebühr er-halten (siehe letzte Umschlagseite). DieTherapieempfehlungen sind im Inter-net unter www.akdae.de frei zugäng-lich. Die für Arzneimittelfragen zu-ständigen Mitarbeiter in den KVenwerden als Multiplikatoren einer ra-tionalen Arzneimitteltherapie regel-mäßig über die erscheinenden Thera-pieempfehlungen informiert. Die Arz-neimittelkommission hat weiter ineiner Information an alle Lehrstuhlin-haber für Pharmakologie und Klinische

* Eventuell zusätzliche Informationen, Ergän-zungen, Aktualisierungen oder Kommentare:siehe Homepage der AkdÄ.

Abbildung 1: Vorgehen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) bei der Erstellung vonTherapiempfehlungen

Öffentliche Präsentation und Diskussionauf Therapie-Symposien der AkDÄ

Diskussion und Konsensusfindungin der Arbeitsgruppe

Abstimmung mitHausärztepanel

Vorstand der AkdÄ

Freigabe zur Publikation

Literaturaufarbeitungund Erstellung

eines ersten Manuskripts

Erstellung einerArbeitsgruppe

Themenselektion

Abstimmung mitwissenschaftlichenFachgesellschaften

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Tabakabhängigkeit – 2. Auflage 2010 Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

ANHANG

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Verzeichnis der Mitarbeiter/Autoren

Herausgeber:

Arzneimittelkommission der deutschen ÄrzteschaftVorsitzender: Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig (keine Interessenkonflikte)

Arbeitsgruppe

Name Ort Fachrichtung Interessenkonflikte

Prof. Dr. med. Lutz G. Schmidt, Schweinfurt Nervenheilkunde Keine(federführender Autor)

Prof. Dr. med. David Groneberg Berlin Arbeitsmedizin, Honorare für VortragstätigkeitenDoping, von den Firmen Eumecom, GSK Tabakabhängigkeit und Astellas

PD Dr. med. Winfried Häuser Saarbrücken Innere Medizin, Beratertätigkeit für die FirmenPsychosomatik Eli Lilly und Pfizer

Dr. med. Martina Pötschke-Langer Heidelberg Deutsches KeineKrebsforschungs-zentrum

Prof. Dr. med. Rainer Lasek Berlin Pharmakologie, KeineInnere Medizin

Prof. Dr. med. Klaus Mörike Tübingen Klinische KeinePharmakologie

Panel niedergelassener Vertragsärzte

Name Ort Fachrichtung Interessenkonflikte

Dr. med. Jürgen Bethscheider Schiffweiler Allgemeinmedizin Keine

Dr. med. Hans Harjung Griesheim Innere Medizin Keine

Prof. Dr. med. Wilhelm Niebling Titisee-Neustadt Allgemeinmedizin Keine

Dr. med. Michael Zieschang Darmstadt Innere Medizin, KeineNephrologie

Page 27: Arzneiv er or dnung in der Praxis...INHALT Empfehlungen zur Therapie der Tabakabhängigkeit („Raucherentwöhnung“) 2. Auflage 2010 Arzneiverordnung in der Praxis, Band 37 Sonderheft

Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Tabakabhängigkeit – 2. Auflage 2010

I M P R E S S UM

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RedaktionArzneimittelkommissionder deutschen Ärzteschaftvertreten durch den VorstandProf. Dr. med. Dietrich Höffler(v.i.S.d.P.)Prof. Dr. med. Rainer LasekProf. Dr. med. Wilhelm NieblingKaroline LuzarDipl.-Biol. Henry Pachl

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© Arzneimittelkommission derdeutschen Ärzteschaft, Berlin 2010Die Therapieempfehlungen ein-schließlich Handlungsleitlinie sindurheberrechtlich geschützt. Jede Ver-wertung in anderen als gesetzlichzugelassenen Fällen bedarf der vor-herigen Genehmigung der AkdÄ.

Die in den TE enthaltenen Dosie- rungs angaben sind Empfeh lun gen.Sie müs sen dem einzelnen Patien tenund seinem Zu stand angepasst wer- den. Die an ge ge benen Dosie run genwur den sorg fäl tig überprüft. Da wirjedoch für die Richtig keit die ser An- ga ben keine Gewähr über nehmen,bitten wir Sie drin gend, die Dosie- rungs empfeh lun gen der Her stel lerzu beachten.

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