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UNIVERSITÄT BASEL Audiovisuelle Analyse des Musikvideoclips „Hurt“ von Johnny Cash Forschungsarbeit Cristina Pileggi Seminar für Medienwissenschaft Seminar: Analyse audiovisueller Medienprodukte Dozent: Dr. Daniel Klug MA – Philosophisch-historische Fakultät Medienwissenschaft (im 8. Semester) Musikwissenschaft (im 8. Semester) 15.09.2014

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UNIVERSITÄT BASEL

Audiovisuelle Analyse des Musikvideoclips „Hurt“

von Johnny Cash Forschungsarbeit

Cristina Pileggi

Seminar für Medienwissenschaft Seminar: Analyse audiovisueller Medienprodukte

Dozent: Dr. Daniel Klug

MA – Philosophisch-historische Fakultät Medienwissenschaft (im 8. Semester) Musikwissenschaft (im 8. Semester)

15.09.2014

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Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS ________________________________________________________________________ 1

1. EINLEITUNG ______________________________________________________________________________ 2

2. MUSIKVIDEOCLIP ALS AUDIOVISUELLES MEDIENPRODUKT _______________________________________ 4

2.1 AUDIOVISION UND MUSIKVIDEOCLIP ____________________________________________________________ 4

2.2 BILDEBENE: DARSTELLENDES UND DARGESTELLTES ___________________________________________________ 8

2.3 TONEBENE: MUSIK UND TONTRÄGER ___________________________________________________________ 11

2.4 TEXTEBENE: GESUNGENE SPRACHE ____________________________________________________________ 14

3. METHODIK MIT TRAVIS ___________________________________________________________________ 16

3.1 DIE TRANSKRIPTION ______________________________________________________________________ 16

3.2 DIE ANALYSE ___________________________________________________________________________ 16

3.3 DIE INTERPRETATION______________________________________________________________________ 17

4. KONTEXTUELLE UND MUSIKSPRACHLICHE VORANALYSE DES SONGS HURT _________________________ 18

4.1 CASHS KONTEXT _________________________________________________________________________ 18

4.2 ORIGINAL VERSUS COVERVERSION _____________________________________________________________ 22

4.3 „A LIAR’S CHAIR“ – ZUR SONGTEXT-ANALYSE _____________________________________________________ 24

4.4 MUSIKALISCHE VORANALYSE ZU JOHNNY CASHS HURT _______________________________________________ 26

5. VISUELLE ANALYSE DES MUSIKVIDEOCLIPS HURT VON JOHNNY CASH _____________________________ 29

5.1 DARSTELLENDES UND DARGESTELLTES __________________________________________________________ 29

5.2 MONTAGE UND SEQUENZANALYSE ____________________________________________________________ 31

6. AUDIOVISUELLE ANALYSE MIT ANSCHLIESSENDER INTERPRETATION ______________________________ 34

7. SCHLUSSWORT __________________________________________________________________________ 40

QUELLEN _________________________________________________________________________________ 41

LITERATUR _______________________________________________________________________________ 41

INTERNET ________________________________________________________________________________ 42

SONSTIGE ________________________________________________________________________________ 43

ANHANG _________________________________________________________________________________ 44

A. SONGTEXT HURT _________________________________________________________________________ 44

B. TRANSKRIPTION HURT ______________________________________________________________________ 45

C. SUPERSTRUKTUR „GOES AWAY IN THE END“ [01:10–01:14] ___________________________________________ 48

D. SUPERSTRUKTUR „YOU ARE SOMEONE ELSE / I AM STILL RIGHT HERE“ [02:20–02:30] __________________________ 48

E. SUPERSTRUKTUR „MY SWEETEST FRIEND“ [02:36–02:43] ____________________________________________ 49

F. SUPERSTRUKTUR „MY EMPIRE OF DIRT“ [02:57–03:05] ______________________________________________ 49

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1. Einleitung

Musikvideoclips bestehen aus der Kombination von Song und Bild, deren Verhältnis

zueinander Schwerpunkt dieser Forschungsarbeit ist. Die Analyse audiovisueller

Medienprodukte gründet auf einer Produktanalyse von Akustischem und Optischem. Die

ästhetische Korrelation dieser beiden Komponenten kann in jedem audiovisuellen

Medienprodukt variieren (aV, Av oder AV)1. Jene Art von Audiovision (AV), welche im

Musikclip vorliegt, ermöglicht eine unabhängige Untersuchung von Bild und Klang.

Ein Musikvideoclip ist für die Visualisierung und (ursprünglich) für die

Kommerzialisierung eines Popsongs zuständig. Beim Analysegegenstand dieser

Forschungsarbeit handelt es sich um den Musikvideoclip Hurt2 von Johnny Cash aus dem im

Jahr 2002 erschienenen Album American IV: The Man Comes Around. Die Entstehung dieses

Songs beruht auf einzelnen autobiographischen Episoden aus Johnny Cashs Leben, welche

im vierten Kapitel eingehend dargelegt werden. Bei Cashs Hurt handelt es sich zudem um

eine Coverversion; das Original stammt aus dem Jahr 1994 von der Band Nine Inch Nails. Da

zur originalen Version kein Musikclip produziert wurde, bietet es sich an, die Rolle der

Coverversion und den dazugehörigen Musikclip im Zusammenhang mit dessen Erfolg zu

erörtern. Dabei sollen insbesondere die Bild-Ton-Text-Relationen in den Fokus genommen

werden. Anlehnend an Michael Altrogge stellt sich die Frage nach der Sinngenerierung,

welche durch die simultane Rezeption von Bild und Ton entsteht. So stellt sich die Frage, wie

die Visualisierung und der Klang formal montiert sind. Gibt es beispielsweise Parallelen bei

der Geschwindigkeit der Bildfolge und dem musikalischen Tempo, und sind die Bildschnitte

auf den musikalischen Rhythmus abgestimmt? Darauf aufbauend sollen auch inhaltliche

Konnotationen beachtet und bewertet werden. Inwiefern korrelieren Bild, Klang und Text

inhaltlich?3

Die Analyse findet mithilfe der Web-Applikation trAVis statt, wodurch die Bild-, Text-

und Tonebenen gut sichtbar ins Verhältnis gesetzt und somit analysiert werden können. Die

Untersuchung erfolgt in drei Schritten: Transkription, Analyse und Interpretation. Über das

Analyseprogramm trAVis wird zunächst eine detaillierte Transkription der Bild-, Text- und

Tonebene durchgeführt. Innerhalb der Bildebene lässt sich weiter zwischen Dargestelltem –

1 Vgl. Kap. 2.1. 2 Vgl. YouTube: Johnny Cash – Hurt (Real GQ – Good Quality). URL : http://www.youtube.com/watch?v=McV7pjwVFbE (zuletzt aufgerufen am 15.09.2014). 3 Vgl. Schmidt, Axel / Neumann-Braun, Klaus / Autenrieth, Ulla: Viva MTV! Reloaded. Musikfernsehen und Videoclips crossmedial. Baden-Baden: Nomos, 2009. S. 17.

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also allen Dingen, die im Bild sichtbar sind, beziehungsweise die mit der Frage „Was wird auf

dem Bild gezeigt?“ beantwortet werden können – und Darstellendem, bildtechnischen

Elementen wie Kameraführung und Kameraeinstellungen, die die Frage nach dem „Wie“

abdecken, unterscheiden. Auf der Ebene des Textes wird inhaltlich wie auch rhythmisch im

Metrum ermittelt. Schliesslich wird die Musik in Form einer Partitur und in Form von

Akkordfolgen ausgelegt.

Die Untersuchung erfolgt über die angefertigte Transkription in mehreren

Teilanalysen. Da der Song vor dem Musikclip präexistiert und die Biographie des Interpreten

mit dem Song verwickelt ist, beginnt die Analyse beim Song: In welchem Kontext ist er

entstanden? Welche Bezüge zum Original lassen sich finden? Welche sozio-kulturelle

Botschaft enthält der Text und wie verhält sich die Musik hierzu? Die letzten zwei

Teilanalysen sind schliesslich der Bildebene gewidmet: Das Dargestellte und das Darstellende

bilden die erste Auslegung, die Montage und die Sequenzanalyse die zweite. Ziel der Analyse

ist es, anhand von Johnny Cashs Musikvideoclip Hurt zu zeigen, wie Bild-, Text- und

Tonebene in einem audiovisuellen Medienprodukt kombiniert funktionieren.

Interpretiert wird schliesslich anhand der getätigten Vorüberlegungen und der

Musikvideoanalyse. Dabei werden die aus der Analyse gewonnenen Resultate in einen

formellen wie auch inhaltlichen Kontext gesetzt. Bevor es zu dieser Ausarbeitung kommt,

muss vorweggenommen werden, dass die Analyse sowie die Interpretation auf

exemplarischen Sequenzen aus der Musikclip-Transkription basieren, damit die oben

festgesetzten Forschungsfragen möglichst exakt beantwortet werden können und der

Umfang andernfalls zu gross für diese Forschungsarbeit wäre.

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2. Musikvideoclip als audiovisuelles Medienprodukt

Musikvideoclips sind audiovisuelle Medienprodukte (Vgl. Kap. 2.1), welche aus den drei

Ebenen Bild (Vgl. Kap. 2.2), Ton (Vgl. Kap. 2.3) und Text (Vgl. Kap. 2.4) konstituiert sind.

2.1 Audiovision und Musikvideoclip

Audiovision setzt sich aus den zwei Begriffen Akustik und Optik zusammen. Sie bezeichnet

die simultane Rezeption der Sinneseindrücke Hören und Sehen beziehungsweise von Ton

und Bild.4 Deshalb repräsentiert der Terminus Audiovision „[…] alle Medien, die mit auditiven

und visuellen Mitteln arbeiten.“5 Das Zusammenwirken von Ton und Bild kann dabei in

dreierlei Hinsicht unterschieden werden. Die Audiovision (Av) äussert sich durch das im

Vordergrund liegende Akustische, das das Optische fordert. In einer Oper beispielsweise

erscheint das Visuelle indirekt über das Auditive, wobei umgekehrt das Visuelle das

Akustische unterstützen kann. Im Stummfilm hingegen handelt es sich um eine Audiovision

(aV): Die erklingende Musik folgt dem Bild. Das Akustische ist dem Optischen untergeordnet,

kann aber seinerseits Akzente im Bild setzen. Die vollkommene Verbindung von Bild und Ton

bezeichnet schliesslich die Audiovision (AV), wobei beide Komponenten unabhängig

voneinander existieren und agieren. Hier bringt das Optische das Akustische genauso wie

das Akustische das Optische hervor.6 Diese Form von Audiovision lässt sich in

Musikvideoclips und ähnlichen audiovisuellen Medienprodukten finden.

Musikvideoclips sind audiovisuelle Medienprodukte, bei denen Musikstücke in Form

einer Audiovision (AV) in einer Dauer von drei bis fünf Minuten präsentiert werden.7 Da die

Musik beim Musikclip – anders als beim Film – jedoch präexistiert und das Bild erst später

rhythmisch und szenisch angepasst hinzugefügt wird, besteht hier ein inverses Verhältnis

von Akustischem und Optischem.8 Die Audiovision „[…] erfolgt im Musikclip somit zunächst

durch die Visualisierung von populärer Musik und eben nicht durch die Musikalisierung von

4 Vgl. Jost, Christofer / Klug, Daniel / Schmidt, Axel / Reautschnig, Armin / Neumann-Braun, Klaus: Computergestützte Analyse von audiovisuellen Medienprodukten. Wiesbaden: Springer VS, 2013. S. 19. 5 Klug, Daniel: (Un-)Stimmigkeiten. Zur Darstellungspraxis des lip synching in der Audio-Vision des Musikclips. In: Populäre Musik, mediale Musik? Transdisziplinäre Beiträge zu den Medien der populären Musik. Hrsg. von Christofer Jost, Daniel Klug, Axel Schmidt und Klaus Neumann-Braun. Baden-Baden: Nomos, 2011. S. 204. 6 Vgl. ebd.: S. 205. 7 Vgl. Jost, Christofer / Neumann-Braun, Klaus / Schmidt, Axel: Bild-Text-Ton-Analyse intermedial – am Beispiel von Musik(video)clips. In: Sprache intermedial. Stimme und Schrift, Bild und Ton. Hrsg. von Arnulf Deppermann und Angelika Linke. Berlin/New York: de Gruyter, 2010. S. 471. 8 Vgl. Klug (2011): S. 210; ebenfalls vgl. Jost, Christofer / Neumann-Braun, Klaus / Klug, Daniel / Schmidt, Axel: Der Song im Zeichen der Audiovision. Einführung in ein disparates Forschungsfeld. In: Die Bedeutung populärer Musik in audiovisuellen Formaten. Hrsg. von Christofer Jost, Klaus Neumann-Braun, Daniel Klug und Axel Schmidt. Baden-Baden: Nomos, 2009. S. 11; oder vgl. Schmidt/Neumann-Braun/Autenrieth (2009): S. 14.

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Bildereignissen.“9 Die hier angesprochene populäre Musik verweist auf eine dritte Ebene,

welche bisher in der Definition von Audiovision ungeachtet blieb: die (Song-)Textebene. Der

vom Musiker komponierte Song besteht aus den zwei Materialelementen Ton und Text, die

in der Produktion des Musikclips von einem Regisseur durch Bilder visualisiert werden.10

Somit setzt sich ein Musikvideoclip aus den drei Materialebenen Bild, Ton und Text

zusammen.11 Diese Verschachtelung der verschiedenen medialen Ebenen macht aus dem

Musikclip ein plurimediales Artefakt. Die Kombination von und die Interaktion zwischen Bild,

Ton und Text lassen es zugleich auch als intermediales Phänomen (Bild-Ton-Text-Analyse)

erscheinen. Die Intermedialität kann ferner in verschiedene Subdimensionen erweitert

werden, da – wie in der Ausführung der andersartigen Audiovisionen beschrieben wurde –

der Schwerpunkt der Ebenen und deren Kombination unterschiedlich ausfallen kann (zum

Beispiel Bild-Ton-Analyse, Text-Ton-Analyse oder Bild-Text-Analyse).12 Erst diese

differenzierte Intermedialität gibt dem Musikclip seine Ästhetik; oder wie es Christofer Jost

et al.13 formulierten: „Erst diese asymmetrische Verschachtelung von Symbolsystemen im

Musikvideo vermag jene intermedialen Verhältnisse, jene Ästhetik hervorzubringen, für die

der Clip sprichwörtlich geworden ist (‚Clipästhetik‘).“14

Die Ästhetik im Musikclip impliziert zwei weitere wichtige Eigenschaften, die in der

Literatur mehrmals erwähnt werden: die Reproduzierbarkeit und die technische

Manipulierbarkeit. Denn zum einen lässt sich das audiovisuelle Medienprodukt beliebig oft

unabhängig von Zeit und Raum reproduzieren. Zum anderen besteht die Möglichkeit, das

audiovisuelle Produkt technisch zu bearbeiten beziehungsweise künstlerisch zu

manipulieren. Durch die eigene Clipästhetik sind Musikclips zudem nicht nur künstlerische,

sondern auch ökonomische Phänomene.15 Der Vergleich zu Werbeclips erscheint plausibel,

zumal die Struktur der Werbefilme als Vorlage diente: Die Sequenz ausdrucksstarker Bilder

9 Klug (2011): S. 210. 10 Vgl. Jost/Neumann-Braun/Autenrieht (2010): S. 470. 11 Vgl. Jost/Klug/Schmidt/Reautschnig/Neumann-Braun (2013): S. 20. 12 Vgl. ebd.: S. 48; und vgl. Jost/Neumann-Braun/Schmidt (2010): S. 476f. 13 Vgl. Jost/Klug/Schmidt/Reautschnig/Neumann-Braun (2013). 14 Ebd.: S. 48. 15 Vgl. Klug, Daniel / Neumann-Braun, Klaus: All eyes on… music? In: Imageb(u)ilder. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Videoclips. Hrsg. von Thomas Mania, Henry Keazor und Thorsten Wübbena. Münster: Telos Verlag, 2011. S. 62f.

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in kurzer Sendezeit verspricht eine intensive und vor allem effektive Rezeption.16 Einzig

durch die Addition einer visuellen Ebene steigt das Verkaufspotential des Songs.17

Genau wie Werbeclips sind Musikvideoclips für das Fernsehen konzipiert.

Promotionsfilme für Popsongs gab es bereits ab den 1960er Jahren im Fernsehen zu sehen.

Einer der Kurzmusikfilme, der der heutigen Clipästhetik am nächsten kommt, ist das im Jahr

1975 erschienene, von Bruce Gowers gedrehte Video Bohemian Rhapsody von Queen. Der

Musikfernsehsender MTV strahlte in den USA ferner erstmals im Jahr 1981 einen Musikclip

in der Form aus, wie er heutzutage bekannt ist. Es handelte sich um den im Jahr 1979 von

Russel Mulcahy gedrehten Videoclip Video Killed the Radio Star.18 Mit der weltweiten

Entwicklung der Musikfernsehsender erlangten Musikclips eine immer grössere Bekanntheit

und wurden zum absoluten populären Massenprodukt der 1990er Jahre. Der kommerzielle

Aufstieg dauerte jedoch nicht allzu lange. Dies ist vor allem den neuen elektronischen

Medien, insbesondere dem Internet, zu verdanken, welches eine neue Bewegung in die

populäre Musikbranche brachte. Nun konnten Musikclips individuell und ohne grosse Kosten

produziert und verbreitet werden.19 Musikfernsehsender werden demzufolge immer rarer,

dennoch bleiben Musikclips „das wichtigste Instrument zur massenmedialen Bewerbung

eines Pop-Stars und seiner Songs.“20

War gestern der Werbeeffekt für den Song zentral, so ist heute die künstlerische

Form im Musikclip wichtig. In der Literatur lassen sich einige Klassifikationsversuche von

Musikvideoclips finden, welche zumeist aus empirischen Analysen hervorgehen. Reinhard

Kungel unterscheidet Musikvideos zwischen dem (fingierten) Konzertvideo, dem Story-Clip

und der Collage. Hierbei handelt es sich um Darstellungsebenen, welche in einem

Musikvideo parallel nebeneinander existieren können.21 Im Gegensatz dazu hat Holger

Springsklee eine strengere Kategorisierung von Musikclips durchführt. Er unterscheidet

zwischen vier verschiedenen Cliparten: Performance-Clips, Seminarrative Clips, Narrative

Clips und Art-Clips. Performance-Clips stellen fast ausschliesslich Musikaufführungen des

16 Vgl. Schwan, Alexander: Zwischen Klangbildern und bebilderten Klängen. Marginalien zur Videobild-Sprache von Pop und Rock. In: Hören und Sehen – Musik audiovisuell. Band 45. Hrsg. vom Institut für Neue Musik und Musikerziehung Darmstadt. Mainz: Schott, 2005. S. 264. 17 Vgl. ebd.: S. 249. 18 Vgl. Sandmann, Thomas: Die Musikvideo-Produktion im zeitlichen Wandel. In: Imageb(u)ilder. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Videoclips. Hrsg. von Thomas Mania, Henry Keazor und Thorsten Wübbena. Münster: Telos Verlag, 2011. S. 33. 19 Vgl. Klug/Neumann-Braun (2011): S. 63f. 20 Ebd.: S. 65f. 21 Vgl. Altrogge, Michael: Tönende Bilder. Interdisziplinäre Studie zu musik und Bildern in Videoclips und ihrer Bedeutung für Jugendliche. Band 2: Das Material: Die Musikvideos. Berlin: VISTAS, 2001. S. 15.

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Musikers oder der Band dar. Dabei können bereits vorhandene und extra für den Clip

aufgenommene (Live-)Auftritte zum Kurzfilm montiert werden. Seminarrative Clips

visualisieren zum Teil den Songtext. Auch hier können bereits vorhandene Aufnahmen,

Filmszenen und sonstige textnahe Szenen mithilfe von Statisten eingebaut werden, die teils

zum Musiker passen und teils den Musiktext unterstützen. Ähnlich funktionieren narrative

Clips: Anhand verschiedener Mittel wird eine (lineare) Geschichte erzählt, wobei der Musiker

vermehrt als Schauspieler auftritt und der Clip eine grössere Similarität zum Film aufweist.

Schliesslich vereinen Art-Clips avantgardistische Filmelemente mit Elementen aus der

bildenden Kunst zu einer eigenen Videokunst.22 Die Unterscheidungen, die Springsklee

unternommen hat, basieren auf der Rolle des Musikers und seiner Umgebung, der

Filmtechnik und der Darstellungsart. Altrogge pointiert hierzu, dass die Kategorien der

narrativen und semi-narrativen Clips schwierig zu unterscheiden seien, zumal die einzige

Unterscheidung zwischen den beiden Kategorien die eingefügten Darsteller in den semi-

narrativen Clips sind, welche jedoch in narrativen Clips genauso vorhanden sein könnten.23

Ganz anders versucht Jan Schenkewitz, Musikvideos zu bestimmen. Er unterscheidet

dabei die Musikgenres Pop und Rock, um den musikkulturellen Kontext zu berücksichtigen.

Vor allem in Musikclips, in denen die musikalische Aufführungspraxis im Zentrum stehe, sei

es zudem unabkömmlich, die Form der Darstellungsebene, die Clipästhetik, festzumachen.

Schenkewitz‘ Ansatz bleibt hinsichtlich der verschiedenen Cliparten unbestimmt, verfolgte

jedoch die Idee einer visuellen und akustischen Relation, welche weiter segmentierbar ist.

Altrogge verwirft den weiteren Versuch eines Klassifikationsmodells von Schenkewitz und

schlägt indes eine theoretische Vorgehensweise vor. So stellt er folgende drei Thesen auf,

die die strukturelle Korrelation von Bild und Ton veranschaulichen sollen:24

„1. Die Koinzidenz einzelner musikalischer und visueller Ereignisse, […] 2. strukturelle

Parallelen, die sich über längere Zeit hinweg oder durchgängig aufgrund eines gemeinsamen

Rhythmus von Bild- und Musikbewegung ergeben, und 3. Parallelen hinsichtlich der formalen

Organisation des Materials – wie beispielsweise im Fall der Übereinstimmung der Verse mit

bestimmten wiederkehrenden Bildfolgen (Superstrukturen).“25

22 Vgl. Rötter, Günther: Videoclips und Visualisierung von E-Musik. In: Musik multimedial. Filmmusik, Videoclip, Fernsehen. Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert, Band 11. Hrsg. von Josef Kloppenburg. Laaber: Laaber-Verlag, 2000. S. 268-269. 23 Vgl. Altrogge (2001): S. 15. 24 Vgl. ebd.: S. 15f. 25 Ebd.: S. 18.

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Sobald die Zusammenhänge zwischen Musik und Bild definiert sind, kann laut Altrogge eine

Rezeptions- und Wirkungsanalyse von Musikvideos durchgeführt werden.26 Nachdem in der

Einleitung der Fokus dieser Forschungsarbeit auf die Produktanalyse gelegt wurde, bezieht

sich die hier ausgeführte Analyse lediglich auf die drei Thesen von Altrogge und wird deshalb

nicht weiter in der Rezeptionsanalyse vertieft.

2.2 Bildebene: Darstellendes und Dargestelltes

Ein wichtiges Materialelement des Musikvideoclips ist das Bild. Das Bild visualisiert

Darstellendes und Dargestelltes. Zum Darstellenden gehören alle technischen Elemente wie

Kameraführung, Kameraeinstellung und Kameraperspektive. Das Dargestellte hingegen ist

alles Visualisierte: Personen, Figuren, Gegenstände, Setting, Bewegungen, Schriften sowie

visuelle Effekte, Licht und Farben.27

Grundsätzlich existieren zwei Kamerabewegungs-Modi: die Drehung um die eigene

Achse und die Fortbewegung von A nach B. Die Drehung kann weiter in drei verschiedene

Arten differenziert werden: Beim Schwenken dreht sich die Kamera horizontal, beim Neigen

kippt die Kamera auf vertikaler Ebene. Im Gegensatz zu diesen beiden Dreharten ändert sich

der Gegenstand im Bild bei der dritten Variante, dem Rollen, nicht, hier variiert lediglich die

Perspektive. Die Fortbewegung der Kamera geschieht durch Kamerafahrten und über

Kranaufnahmen. Jede dieser Kamerabewegungen beeinflusst das Verhältnis zwischen

Dargestelltem und Kamera. In dieser Hinsicht ist das Darstellende eine wichtige Komponente

für den Bildinhalt und dessen Rezeption.28 Die Kamera ermöglicht nämlich Einblicke in das

Geschehen, wie sie einem Konzert- oder Theaterbesucher verborgen blieben. Vor allem in

Bezug auf die Kopplung von Bild und Musik gewinnt die Kameraführung an Bedeutung. Denn

die Kamerahandlungen setzen die performenden Musiker in „Verhältnis zu ihrer Umgebung

[…], wodurch Vorstellungen von realweltlicher Klangerzeugung und –wahrnehmung

aufgerufen und im selben Moment gebrochen werden können.“29 Die musikalische Dynamik

wird dadurch anhand der den Musiker umkreisenden oder hervorholenden Aufnahme

26 Vgl. ebd.: S. 19. 27 Vgl. Jost/Klug/Schmidt/Reautschnig/Neumann-Braun (2013): S. 24f. 28 Vgl. Monaco, James: Film verstehen. Kunst, Technik, Sprache, Geschichte und Theorie des Films und der Medien. Mit einer Einführung in Multimedia. Deutsche Fassung hrsg. von Hans-Michael Bock. Hamburg: Reinbek, 2007 (9. Auflage; 1. Auflage: 1977). S. 93. 29 Jost, Christofer / Klug, Daniel / Schmidt, Axel / Neumann-Braun, Klaus: Populäre Musik und Medien. Zur Einführung. In: Populäre Musik, mediale Musik? Transdisziplinäre Beiträge zu den Medien der populären Musik. Hrsg. von Christofer Jost, Daniel Klug, Axel Schmidt und Klaus Neumann-Braun. Baden-Baden: Nomos, 2011. S. 18.

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akzentuiert.30 Folglich „werden Eindrücke von expressivem Verhalten produziert, die keine

zweite mediale Erscheinungsform der populären Musik zu produzieren vermag.“31

Im Gegensatz zum Darstellenden, setzt sich der Bildinhalt aus Dargestelltem

zusammen. Gegenstände werden in einer bestimmten Komposition eingerahmt (Mise en

Scène) und in einer gewählten Kameraeinstellung aufgenommen. Die Einstellungsgrösse

kann von der Panorama-Einstellung, über die Totale bis hin zur Gross- und Detailaufnahme

variieren. In welcher Einstellung das Bild dargestellt wird, lässt sich durch den

festzusetzenden Schwerpunkt entscheiden. Hierbei spielen Licht, Farbe und Setting eine

wichtige Rolle. Ist beispielsweise die Kulisse von grosser Bedeutung, so wird das Bild in der

Totale gezeigt. Soll hingegen die Person oder Figur näher betrachtet und auf ihre Mimik

beziehungsweise Gestik geachtet werden, wird sie in einer Nah- oder sogar Detailaufnahme

dargestellt. Das Zusammenspiel von Licht und Farbe determiniert hierbei die Kontrastschärfe

und kann seinerseits wiederum das Wesentliche in den Vordergrund stellen.32 Das Licht kann

jedoch auch für die Festlegung der Zeit relevant sein. Je nach Winkel, aus dem die

Lichtquelle scheint, lässt sich die Tageszeit der im Film dargestellten Zeit eruieren. Die

Unterscheidung zwischen erzählter und dargestellter Zeit ist ein weiterer zu analysierender

Faktor. Die Erzählzeit eines Musikvideos ist immer durch die eigene Dauer vorgegeben. Die

erzählte Zeit wiederspiegelt die chronologisch sich abspielende Zeit, wie sie beispielsweise in

einem reinen Performance-Clip vorzufinden ist. Die Dauer der Performance entspricht

folglich der erzählten Zeit und der Erzählzeit zugleich. Im Gegensatz dazu hebt sich die

dargestellte Zeit innerhalb eines Clips von der Erzählzeit des Musikvideos ab. Die Zeitspanne

der dargestellten Zeit dauert meist länger und wird über Zeitsprünge erzählt. Diese Art von

Zeiterzählung lässt sich beispielsweise in narrativen Clips finden. Für die Musikclipanalyse ist

die Ermittlung der Zeiterzählung insofern relevant, als dass sie Zusammenhänge von Bild und

Musik identifiziert. Dabei sind Musik beziehungsweise Songtext als „erzählende Instanz“33

und die sichtbar performende Person als „darstellende Instanz“34 zu unterscheiden.35

Jost et al. konstatieren in der Veröffentlichung Populäre Musik und Medien36, „dass

durch den Clip die Herstellung von Sinnbezügen forciert wird[…]“.37 Dies geschehe aufgrund

30 Vgl. ebd.: S. 18f. 31 Ebd.: S. 19. 32 Vgl. Monaco (2007): S. 113f. 33 Jost/Klug/Schmidt/Reautschnig/Neumann-Braun (2013): S. 26. 34 Ebd. 35 Vgl. ebd.: S. 25f. 36 Vgl. Jost/Klug/Schmidt/Neumann-Braun (2011).

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der gesellschaftlichen Institutionalisierung des Bildes als Sinnträger.38 Zur in Musikvideos

häufig anzutreffenden Grossaufnahme stellte Helga de la Motte-Haber fest, dass

insbesondere bei dieser Einstellungsgrösse durch den dabei entschwindenden Hintergrund,

der Songtext im Vordergrund steht und das Gesungene deshalb seine Bedeutung nicht

verliert.39 Parallel dazu erwähnt de la Motte-Haber die Enthebung von der Realität dank

sequentiell aneinandergereihten Grossaufnahmen. Durch den Verlust der Perspektive, der

aus den verschiedenen Ausschnitten des Dargestellten folgt, gehe die Beziehung zur

gesamten Illustration verloren.40

Musikvideos bringen durch ihre Fülle an „Zitationen und Anspielungen auf

Hintergrundtexte wie bekannte Personen/Stars, Filme, politische Ereignisse, historische

Begebenheiten, religiöse Symbolwelten u.v.a.m.“41 bestimmte Assoziationen hervor. Samy

Deluxes Musikclip zu Poesiealbum42 aus dem Jahr 2011 ist ein gutes Beispiel aus der

deutschen Hip-Hop-Szene für die Darstellung verschiedenster Andeutungen in einem

einzigen Song.43 Die Illustrationen zum Text sind hier zum Teil abstrakt gehalten und können

erst durch latentes Wissen konnotiert werden. Konnotationen werden darüber hinaus je

nach Kultur mehrdeutig verstanden. Das aus der eigenen Erfahrung gewonnene Wissen wird

aktiviert und neu arrangiert. Was also rezipiert wird, wird zunächst aus dem Kontext

genommen (de-kontextualisiert) und in einem neuen Kontext eingefügt (re-

kontextualisiert).44

Die Abfolge der Bilder in einem Musikclip erfolgt meist durch sehr schnelle

Schnittfolgen. Die Dichte der Bilder lässt deshalb den Clip oft „überladen und

zusammenhangslos“45 wirken. Erst durch Zufügen der musikalischen Ebene können die

37 Ebd.: S. 19. 38 Vgl. ebd. 39 Vgl. Rötter (2000): S. 278. 40 Vgl. ebd. Mit „das Ganze“ ist der Kurzfilm beziehungsweise die Abfolge der Bildkomposition gemeint. Diese entsteht durch die Montage, welche wiederum die Zusammensetzung von Rohmaterial (Bilder) zu einem Ganzen (Film) bezweckt. Vgl. hierzu: Monaco (2007): S. 218f. 41 Schmidt/Neumann-Braun/Autenrieth (2009): S. 15. 42 Vgl. YouTube: Samy Deluxe – Poesie Album (Official Music Video) [HQ]. URL: http://www.youtube.com/watch?v=4bU4_cE4RTk (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014). 43 Die Andeutungen laufen meist über den gerappten Songtext und den Visualisierungen: Zunächst kritisiert er Deutschlands Musikbranche („In 'nem Land, wo man sogar mit 'nem Hit floppt / Wo der Soul keine Seele hat, der Rock nich‘ rockt“), visualisiert „100 Karat“ mit einem Diamanten, „radikal“ mit dem anarchistischen Symbol eines umkreisten A und „verirrt“ mit einem Labyrinth, nennt bekannte Dichter wie Schiller und Goethe („Ich bin so Schiller, so Goethe, so bitter, so böse / Noch immer der grösste Poet, der hier lebt“), tätigt Wortspiele („Bis ihr alle Brecht wie Bertolt“), benutzt Homonyme („ich mache Scheine, scheine indem ich Reime reime“) und weist schliesslich unterschwellig auf bekannte Werke hin („Der Richter und Henker für Dichter und Denker / er stürzte ab, denn er war von der Dürre matt“). 44 Vgl. Schmidt/Neumann-Braun/Autenrieht (2009): S. 15. 45 Jost/Neumann-Braun/Schmidt (2010): S. 472.

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Bilder in einen Kontext gesetzt werden.46 Diese Kohärenzbildung bleibt auch dann weiter

bestehen, wenn es sich um Teilvisualisierungen handelt. Denn Teilvisualisierungen

demonstrieren, dass nicht jeder Klangmoment eine „visualisierbare Tonquelle“47 benötigt,

um eben jene Kohärenz in der Musik zu bilden. Auf der Tonebene genügt das Darstellen

einzelner Klangelemente, um die gesamte Musik zu hören.48 Während „bildtechnische,

musikbezogene Teilvisualisierungen“49 auf einzelnen Elementen des Dargestellten (zum

Beispiel einem Bandmitglied oder einzelnen Instrumenten) basieren, werden bei

„handlungstechnischen, personenbezogenen Teilvisualisierungen“50 Teile einer Performance

gezeigt (ein Quartett wird beispielsweise lediglich über die spielende Geige visualisiert).

Teilvisualisierungen verdeutlichen also jene Art von Audiovision, wie sie in Musikclips

vorzufinden ist; reale Vorstellungen von Raum beziehungsweise Körper und Klang werden

gebrochen.51 Teilvisualisierungen sind im Musikclip somit „etablierte und daher unauffällige,

jedoch ebenso eindeutige und aussagekräftige Indizien für die prinzipielle Unmöglichkeit

einer kausal bedingten Audiovision.“52

2.3 Tonebene: Musik und Tonträger

Die Tonebene eines Musikclips basiert mehrheitlich auf einer in einem Tonstudio

produzierten Aufnahme. Diese Aufnahme setzt sich aus mehreren Klangspuren zusammen,

die über unterschiedliche Arbeitsschritte zu einem Ganzen montiert werden. Hierzu gehören

grob formuliert die Tonaufnahme, die Abmischung und das Mastering. Der technische

Eingriff manipuliert den Song insofern, als dass klangliche Akzentuierungen so hergestellt

werden können, wie sie in der Live-Performance nicht existieren. Dadurch werden

beispielsweise Lautstärke und Dynamik der verschiedenen Instrumentalspuren abgeglichen

oder eben hervorgehoben.53

46 Vgl. ebd. 47 Klug (2011): S. 212. 48 Dies mag bezüglich der Definition von Audiovision (AV) paradox klingen. Der Kontext beziehungsweise die Kohärenz, von der hier die Rede ist, verändert sich jedoch je nach Kombination. Dieselben Bilder und dieselbe Musik haben je nachdem unabhängig voneinander einen jeweils anderen Sinn, als jene Bedeutung, welche sie in der Kombination generieren. 49 Klug (2011): S. 212. 50 Ebd. 51 Vgl. ebd. 52 Ebd. 53 Vgl. Jost/Klug/Schmidt/Reautschnig/Neumann-Braun (2013): S. 31f.

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Obwohl die Aufnahme mehrere Tonspuren zu einem vollen Klang vereint, kann dieser

differenziert wahrgenommen werden. Helmut Rösing unterscheidet in diesem

Zusammenhang zwischen gewöhnlichem, sprachlichem und musikalischem Hören:

„Beim gewöhnlichen Hören wird auf direktem Weg über die Schallqualität der ‚tönend

bewegten Formen‘ die Einordnung der in ihnen enthaltenen Umweltinformationen in den

eigenen semantischen Raum vollzogen; beim sprachlichen Hören dagegen werden die

Schallereignisse fast ausschliesslich in ihrer syntaktischen Funktion als Zeichenträger

historisch gewachsener, konventionalisierter Bedeutungen aufgefasst; […] musikalisches

Hören schliesslich stellt eine Synthese von gewöhnlichem und sprachlichem Hören dar. Die

Qualität der Schallereignisse (‚Klangfarbe‘) und die syntaktischen Funktionen ergeben ein

komplexes Gefüge des beziehenden Hörens.“54

Audiovisuelle Medien rezipiert man laut Rösing überdies zu 81% über das Optische und zu

19% über das Akustische.55 Doch selbst diese neunzehn Prozent werden entweder mit realen

optischen Sachverhalten oder mit imaginativen Bildern aufgefasst. Zuschauer seien darüber

hinaus von der musikalischen Optik im Fernsehen konditioniert und würden deshalb

beispielsweise „Orffs ‚O fortuna‘-Chor aus den Carmina burana […] mit Bildern für Nestlé

Produkte [oder] Beethovens Schlusschor aus der 9. Sinfonie mit Pfanni-Knödeln“56 in

Verbindung setzen. Diese „Zwangsassoziationen“57, die aus den wiederholt gezeigten

Werbeclips folgen, lassen (fast) keine reine Klangrezeption des Musikwerkes mehr zu.58 Es ist

jedoch unkorrekt, die Visualität in der Musik lediglich den audiovisuellen Medien wie

Musikclips und Werbeclips anzulasten. Aufgrund der Multimedialität in der Musik fungiert

deshalb der Klang als ästhetisches Mittel, das Optik und Akustik vereint. Was mit

Multimedialität in der Musik gemeint ist, soll im Folgenden kurz erläutert werden.

Musiker benutzen bestimmte (musikalische) Medien, um anschaulich mittels Musik

zu kommunizieren. Jedes Instrument, jede Tonart, die Anzahl der Musiker in einem

Musikstück wird in diesem Zusammenhang als musikalisches Medium verstanden, zumal

jedes dieser Medien eine eigene Ästhetik hat und diese vom Komponisten intentional

eingesetzt werden. Die Auswahl zwischen der Wahl eines Gitarren- oder Geigenklangs

unterliegt einer ästhetischen Reflexion. Noch stärker wirkt die Besetzung des Instrumentes, 54 Rösing, Helmut: Musikrezeption versus Musikästhetik. Versuch einer Annäherung. In: Festschrift. Walter Wiora zum 90. Geburtstag. Hrsg. von Christoph-Hellmut Mahling und Ruth Seiberts. Tutzing: Hans Schneider, 1997. S. 358. 55 Vgl. Rösing, Helmut: Das klingt so schön hässlich. Gedanken zum Bezugssystem Musik. Hrsg. von Alenka Barber-Kersovan, Kai Lothwesen und Thomas Phleps. Bielefeld: transcript, 2005. S. 169. 56 Ebd. 57 Ebd. 58 Vgl. ebd.: S. 169f.

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wenn (zumeist bildliche) Konnotationen zur Historie hergestellt werden können. Erklingt

beispielsweise ein Cembalo, so erscheinen (Film-)Bilder aus barocker Zeit. Bei einem

Pianoforte aus heutiger Zeit hingegen bleibt diese Konnotation aussen vor. Dasselbe gilt bei

der Auswahl der Tonart: Jede Tonart, beginnend mit der Unterscheidung des Tongeschlechts

von Dur und Moll, bringt ihre eigene Klangästhetik hervor. Wie viele Instrumenten- und

Vokalspuren im Klang gekoppelt werden, entscheidet ebenfalls der Komponist. Insofern

erzeugt der musikalische Autor mit diesen hier aufgrund deterministischer Vereinfachung

sogenannten musikalischen Medien selbst eine optische Ebene in seinem Klangwerk,

wodurch klar wird, dass der Musik selbst schon immer eine bestimmte Ästhetik innewohnt.59

Rösing vergleicht weiter „[diese] Faszination einer in möglichst vielen Wahrnehmungsebenen

auskomponierten multimedialen Verknüpfung von intersensoriellen Vorstellungswelten“60

mit dem „Gesamtkunstwerk“.61

Die Analogie zum Gesamtkunstwerk erscheint insofern plausibel, als verschiedene

Ebenen des Visuellen und Akustischen ineinander verschmelzen und neue Sinngehalte in

einem „realitätsabgehobenen Kontext“62 bilden.63 Dennoch werden diese Sinngehalte nicht

erst durch die Kombination erzeugt, die Tonebene selbst besitzt sie schon. Oder mit Rösings

Worten ausgedrückt: „[…] Musik erhält nicht Sinn, sondern sie verleiht ihn.“64 Alleine die

Tonebene muss somit als komplexes Ausdruckskonstrukt perzipiert werden, das selbst einen

multimedialen Kontext besitzt. Durch das Hinzufügen eines sozialen Kontexts, kann sich der

Sinngehalt nochmals verschieben. Für die theoretische Analyse ist an diesem Punkt die

Luhmann’sche Systemtheorie zu nennen. Die Abstrahierung der Komponenten in binäre

Codes verhilft zu einer systematischen Analyse. Die Wissenschaftler Jost, Neumann-Braun

und Schmidt65 unterscheiden in ihrer Analyse soziale und ästhetische Codes. Das Ästhetische

bedeute die Kombination der verschiedenen musikalischen Elemente, die zum Klang führen,

und das Soziale bezeichne den Sinnzusammenhang, den dieser Klang nach aussen bildet.

Während beispielsweise die Melodie nur den ästhetischen Code beinhaltet, wirkt die

Vokalstimme in diesem binären Codekomplex sowohl als Ästhetisches im Sinne eines

59 Vgl. ebd.: S. 175f. 60 Ebd.: S. 176. 61 Vgl. ebd. 62 Ebd.: S. 178. 63 Vgl. ebd. 64 Rösing (1997): S. 359. 65 Vgl. Jost/Neumann-Braun/Schmidt (2010).

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Klanggebildes, als auch als Soziales aufgrund der äusserlichen Bedeutungsbildung über die

Textebene.66

2.4 Textebene: gesungene Sprache

Die Textebene gründet im Kontext der Popmusik auf den Songtext. Im Musikvideoclip

handelt es sich nicht um einen verschriftlichten Text, sondern um einen gesungenen

beziehungsweise vorgetragenen Text.67 In der Musikwissenschaft spricht man hierbei von

der Vokalstimme. Die Vokalstimme vereint Musik und Text zu einem Affekt, der seinerseits

eine bestimmte Bedeutung ausstrahlt. Diese Bedeutung hängt einerseits mit musikalischen

Eigenschaften wie Tonart, Stimmung, Rhythmus, Gesangstradition und Klangkörper

zusammen, andererseits ist sie mit einer Textsprache gekoppelt, welche selbst einen Sinn

ausdrückt. Textklang und Textinhalt bewirken somit einen expressiven Sinnzusammenhang,

der nicht unbedingt mit der eigentlichen Textbedeutung übereinstimmen muss.68 Singt

beispielsweise die Vokalstimme im Totentanz Ad mortem festinamus aus dem Llibre

Vermell69 in freudigem Klang und tanzendem Rhythmus, so generiert der Kontext einen

divergierenden Sinn im Verhältnis zur eigentlichen Bedeutung des Textinhalts. Das

Musikstück beschreibt eine Sterbesituation, rezipiert wird jedoch fröhliche Tanzmusik. Die

bildliche Darstellung zu diesem Musikstück zeigt einen offenen Sarg, der ein sich nicht

bewegendes Skelett beinhaltet. In diesem Beispiel kontrastieren also Text- und Musikebene,

wohingegen die Bildebene das Ganze wiederum in einem dritten Kontext visualisiert.

Die Korrelation von und die Konnotation zwischen gesungenem Text, gespielter

Musik und gezeigtem Bild im Musikclip funktioniert auf ähnliche Art und Weise. Der

Songtext bildet zwar die Verbindung zwischen Bild und Musik, dennoch ist der Text

unabhängig von der Audiovision. Der Songtextinhalt kann einerseits verbildlicht oder

andererseits tonmalerisch imitiert werden. Im ausgeprägtesten Fall korrelieren alle drei

Ebenen miteinander. Eine solche Situation herrscht zum Beispiel im Musikclip Burn it down70

von Linkin Park. Während der Leadsänger Chester Bennington die Chorusverse „We’re

building it up / To break it back down“ singt, hebt er auf „up“ seinen Kopf hoch und richtet

66 Vgl. ebd.: 485. 67 Vgl. ebd.: 470. 68 Vgl. Jost/Klug/Schmidt/Reautschnig/Neumann-Braun (2013): S. 30f. 69 Vgl. Fol. 26v/27r. In: Llibre Vermell de Montserrat, Medici Codex, 1399. 70 Vgl. YouTube: Linkin Park – BURN IT DOWN (Official Music Video). URL: https://www.youtube.com/watch?v=dxytyRy-O1k (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014).

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seinen Blick wieder nach unten zum Boden auf das Wort „down“. Simultan dazu bewegt sich

die Melodie nach oben beziehungsweise nach unten. Die Visualisierung und Musikalisierung

vereinzelter Textteile, wie hier kurz illustriert, geben jedoch längst keinen Aufschluss auf den

eigentlichen Textsinn. Denn in Bezug auf die vorhin besprochene Luhmann’sche

Systemtheorie enthält der Songtext beide Codes. Einerseits ist er ästhetisch mit der Musik

und dem Bild gekoppelt, wie es im Linkin Park-Beispiel ebenfalls zu konstatieren ist: Die

vokale Performance wird, passend zum Crossover-Genre von Rock und Pop, eher schreiend

als singend ausgeführt. Andererseits kann der Text eine soziale Botschaft vermitteln oder ist

zumindest in einem sozialen Kontext zu betrachten. Der Songtext wird somit über eine

weitere Bedeutungsebene erweitert: das Zwischen-den-Zeilen-Lesen. Vor allem in der

Popmusik, die auf unterschiedlichen Musiktraditionen baut, ist die Botschaft des Songtextes

von erheblicher Relevanz.71 Für die Analyse bedeutet dies, dass eine Zerlegung und

Unterscheidung von Text und Kontext unabdingbar ist.72

71 Vgl. Jost/Klug/Schmidt/Reautschnig/Neumann-Braun (2013): S. 30. 72 Vgl. Obert, Simon: Komplexitäten und Reduktionen. Zu einigen Prämissen der Popmusikanalyse. In: Black Box Pop. Analysen populärer Musik. Hrsg. von Dietrich Helms und Thomas Phleps. Bielefeld: transcript, 2012. S. 13f.

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3. Methodik mit trAVis

Das Analysetool trAVis entstand im Rahmen des Forschungsprojekts Bild-Text-Ton-Analysen

am Beispiel der Gattung Videoclip am Seminar für Medienwissenschaft der Universität Basel

unter der Leitung von Prof. Klaus Neumann-Braun. Das online zur Verfügung gestellte

Instrumentarium bietet die Möglichkeit, eine exakte Transkription der Bild-, Text- und

Tonebene eines audiovisuellen Medienprodukts herzustellen (Vgl. Kap. 3.1).73 Anhand dieser

Transkription lässt sich das Material in Form von „Segmentierung und

Bedeutungszuweisung“74 analysieren (Vgl. Kap. 3.2). Schliesslich werden in der

Interpretation die Ergebnisse aus der Analyse kontextualisiert (Vgl. Kap. 3.3).75

3.1 Die Transkription

Mittels trAVis lassen sich Musikvideos, die sich als audiovisuelle Werke im Grunde „einer

vollständigen Verschriftlichung entziehen“76, transkribieren. Eine Transkription anzufertigen

bedeutet, einen Analysegegenstand zu verschriftlichen, der bisher nicht in schriftlicher Form

vorliegt. Es ist eine prozessuale Übertragung von Rezipierbarem in ein schriftliches

Dokument. Dieses Protokoll erfasst die Resultate der „Beobachtungstätigkeiten“77 und dient

somit der Analysehilfe, um den zu untersuchenden Gegenstand rekonstruktabel auszulegen.

Dabei gibt die Ausdeutung den Ablauf des Analysegegenstandes vollständig und sachlich

wieder. Eine Transkription ermöglicht in einem zweiten Schritt eine objektive Analyse und

„steht damit im Anspruch der Registrierung und Fixierung faktischer Ereignisabläufe und

Handlungsvollzüge.“78

3.2 Die Analyse

Die Analyse bezweckt eine systematische und objektive Annäherung und Auslegung des zu

untersuchenden Materials. In Bezug auf den Analysegegenstand erfolgt die Auslegung in

doppelter Hinsicht: Einerseits lassen sich Erkenntnisse aus der Transkription ziehen,

andererseits müssen eben jene Erkenntnisse geprüft werden. Insofern verhilft die

73 Vgl. trAVis: Musikzentriertes Transkriptionsprogramm für audiovisuelle Medienprodukte. URL: http://www.travis-analysis.org/travis/info (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014). 74 Jost/Klug/Schmidt/Reautschnig/Neumann-Braun (2013): S. 58. 75 Vgl. ebd. 76 Ebd.: S. 57. 77 Ebd.: S. 62 78 Ebd.:

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Transkription zu einer Segmentierung des Analysematerials, welche dann strukturell

relationiert werden muss. Dieses In-Beziehung-setzen der Erkenntnisse führt zu

Sinngenerierungen von Darstellungszusammenhängen.79 Die Frage „Was wird mit welchen

Mitteln […] dargestellt […]?“80 kann somit medial beantwortet werden. Nun gilt es, die

Analyse auf eine weitere pragmatischere Ebene zu bringen, zumal das audiovisuelle

Medienprodukt auch in einem sozialen Kontext steht. Die Sinngenerierung auf dieser Ebene

funktioniert über sozio-kulturelle Zusammenhänge, um die Frage nach dem „Wozu“ zu

beantworten beziehungsweise die „Verortung des Dargestellten sowie der Art des

Darstellens vor dem Hintergrund des Wissens um typische Darstellungsformen und –inhalte

sowie deren typische Funktionen“81 festzulegen. Ziel der Analyse ist demzufolge, strukturelle

Phänomene und ihre Relationen durch Bedeutungszuweisungen darzulegen.82

3.3 Die Interpretation

Die in der Analyse bereits erwähnte sozio-kulturelle Verortung wird in der Interpretation

weiter vertieft. Hierbei wechselt der Fokus des Musikclips als Analysegegenstand zum

Musikclip als Artefakt einer Kultur. Während in der Transkription und der Analyse der

Gegenstand an sich Zentrum der Untersuchung ist, geht es bei der Interpretation vielmehr

um die Platzierung und den Stellenwert des Analysegegenstandes in einem kulturellen

Kontext. In welchem Zusammenhang gründet die Existenz eines solchen Medienprodukts?

Welche Botschaft vermittelt dieses audiovisuelle Medienprodukt? Welchen Stellenwert

erlangt es in einer populärkulturellen Gesellschaft? Die Bedeutungszuweisung aus der

Analyse wird somit auf der Ebene des Gesamtzusammenhangs gehoben und mittels

Hintergrundwissen interpretiert.83

79 Vgl. ebd.: S. 66f. 80 Ebd.: S. 67. 81 Ebd.: S. 68. 82 Vgl. ebd.: S. 69. 83 Vgl. ebd.: S. 70f.

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4. Kontextuelle und musiksprachliche Voranalyse des Songs Hurt

Der Song Hurt wurde seit seiner Erstveröffentlichung über die Band Nine Inch Nails mehrfach

gecovert. Eine der bekanntesten und erfolgreichsten Covers bleibt Johnny Cashs Version. Die

Hintergründe dieser Coverversion (Vgl. Kap. 4.1), der Vergleich zur Originalversion (Vgl. Kap.

4.2), der verschleierte Songtext (Vgl. Kap. 4.3) und die musikalische Voranalyse (Vgl. Kap.

4.4) sollen in einem ersten Schritt vor der Bild-Analyse formuliert werden.

4.1 Cashs Kontext

„Hello, this is Johnny Cash!“84 Auf diese Weise begrüsste der Mann in Schwarz sein Publikum

von der Bühne aus und begann seine begehrten Auftritte. Johnny Cash entwickelte sich vom

armen Baumwollbauern zum musikalischen Star, weiter zum Drogenabhängigen über den

Spirituellen bis hin zum Legendären. Aus diesem Grund und weil er auch bildlich auf

exemplarische Situationen seines Lebens im Musikclip zurückgreift, ist es von bedeutender

Rolle, Johnnys „Odyssee“85 (wie er sein Leben nannte), zusammenfassend mithilfe der

Biographie von Stephen Miller86 zu illustrieren.

Schon früh kam der junge J.R. (Johnnys bürgerlicher Name)87 mit Musik in Kontakt;

seine Mutter, Carrie Rivers, pflegte im Hause Cash die musikalische Erziehung der Kinder.88

Eines der ersten Lieder, das sich Johnny erinnert, gehört zu haben (etwa im Jahr 1936), war

das oft von seiner Mutter gesungene Lied There’s a Mother Always Waiting.89 Seine erste

Gitarre kaufte sich J.R. für etwa 20 Mark90, als er bei der Air Force als Funker in Landsberg

(Deutschland) arbeitete.91 Die Air Force war im Übrigen zuständig für den Namenswechsel:

Die Luftwaffe akzeptierte keine Initialen, so nannte sich J.R. ab diesem Moment John R.

Cash.92 In Johnnys frühem musikalischem Schaffen finden sich viele religiöse Bezüge, welche

auch sehr späte Songs kennzeichnen, obwohl sich die Plattenfirmen zum Teil gegen diese Art

84 Vgl. Miller, Stephen: Johnny Cash. Das Leben einer amerikanischen Ikone. Berlin: Bosworth, 2003. S. 166. Und vgl. YouTube: Johnny Cash-The Last Great American / Documentary on BBC 2004. URL: https://www.youtube.com/watch?v=xjxFdTTy1hU (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014). 85 Miller (2003): S. 263. 86 Vgl. Miller (2003). 87 Vgl. ebd.: S. 10. 88 Vgl. ebd.: S. 27f. 89 Vgl. YouTube: Pete Seeger‘s Rainbow Quest – Johnny Cash and June Carter (Full Episode). URL: https://www.youtube.com/watch?v=GDBtrzka2X4 (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014), [23:44–26:08]. 90 Damals waren 20 Mark umgerechnet etwa 5 Dollar. 91 Vgl. ebd.: S. 48f. 92 Vgl. ebd.: S. 46. Dieser Name wurde dann später – wie es die Plattenfirma Sun Records initiierte - wiederum in Johnny geändert mit dem Argument, dass sich dieser Name besser an junge Leute verkaufe als John. Vgl. ebd.: S. 62.

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der Spiritualität stellten.93 Religion und Musik waren zwei Grundfesten aus der Erziehung

seiner Eltern, die Johnnys Leben prägten. Weniger schöne Momente in seiner Kindheit

begleiteten ihn genauso auf unterschiedlicher Art und Weise.

Im Jahr 1937 überflutete der Mississippi grosse Teile des Landes. Von dieser

Katastrophe blieb die Familie Cash nicht verschont. Der Fluss überschwemmte den gesamten

Besitz und die Familie musste von Dyess nach Kingsland flüchten. Aus dieser Geschichte

entstand später der Song Five Feet High and Rising (1959), der davon erzählt, wie Johnnys

Mutter seinen Vater immer wieder nach der Höhe des Wassers fragte. Als die Flut „five feet

high and rising“ erreichte, mussten sie die Flucht ergreifen.94 Im Musikclip Hurt wird mittels

einer Schwarz-Weiss-Illustration aus Johnnys Filmarchiv auf die Mississippi-Flut Bezug

genommen.95 Der Tod seines älteren Bruders Jack, der bei einem Arbeitsunfall im

Jugendalter im Jahr 1944 ums Leben kam, stellte den zweiten prägenden Punkt in der

Lebensgeschichte Cashs dar. Dies ging Johnny so nahe, dass sich sein Verhalten ab diesem

Zeitpunkt veränderte: Seine Introvertiertheit steigerte sich und seine Gefühle vermittelte er

nur noch über seine Gedichte und Songs.96

Am 21. Juni 1955 erschien bei Sun Records (unter der Leitung von Sam Philips)

Johnnys erste Platte Hey! Porter / Cry! Cry! Cry!, die er mit seinen Freunden Marshall Grant

und Luther Perkins, die zusammen Johnny Cash and the Tennessee Two bildeten, aufnahm.

Mittlerweile war Johnny mit Vivian Liberto verheiratet und hatte eine Tochter.97 Johnnys

musikalischer Erfolg wuchs nach und nach. Der grosse Durchbruch gelang ihm bereits ein

Jahr später mit dem Hit I Walk the Line.98 Der Star Johnny Cash baute sein Image parallel zu

seinem aufsteigenden Erfolg auf, wobei seine schwarze Kleidung zu seinem grössten

Markenzeichen wurde.99 Die tiefe Stimme von Johnny hat der Musikwissenschaftler Henry

Pleasants folgendermassen definiert: „Die beherrschende Stimme liegt irgendwo im

Niemandsland zwischen Sprechen und Singen.“100 Johnny verweigerte jegliche Genre-

93 Vgl. ebd.: S. 60. 94 Vgl. YouTube: Pete Seeger‘s Rainbow Quest – Johnny Cash and June Carter (Full Episode). URL: https://www.youtube.com/watch?v=GDBtrzka2X4 (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014), [27:30–29:40]. Und vgl. Miller (2003): S. 20f. 95 Vgl. YouTube: Johnny Cash – Hurt (Real GQ – Good Quality). URL : http://www.youtube.com/watch?v=McV7pjwVFbE (zuletzt aufgerufen am 15.09.2014), [02:50–02:52]. 96 Vgl. Miller (2003): S. 33f. 97 Vgl. ebd.: S. 67f. 98 Vgl. ebd. 99 Vgl. ebd.: S. 80. Vgl. auch zu Man in Black, 1971: Ebd. S. 241f. 100 Ebd. S. 255.

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Zuordnungen seiner Musik,101 zumal er selbst gerne musikalisches Neuland betrat und damit

experimentierte:102 „Ich will nicht nur als Country-Sänger bekannt sein. Nennt mich, wie ihr

wollt. Ich habe mehr Pop- als Country-Platten verkauft, also bitte steckt mich in keine

Schublade oder irgendein Klischee.“103

Mit dem grossen Musikerfolg und den anstrengenden Tourneen kam es zum

übermässigen Pillen-Verschleiss.104 Paradoxerweise handelte es sich hierbei einerseits um

Amphetamine, die eine aufputschende Wirkung haben und ihn bei der Anstrengung der 300

Shows pro Jahr105 energetisch unterstützten, andererseits waren es Schlaftabletten, da er

aufgrund der hohen Dosis Amphetamine kaum Schlaf fand. In einigen Filmdokumentationen

aus den frühen 1960ern sieht man einen deutlich unruhigen, etwas introvertierten Cash, der

kaum stillsitzen kann.106 Johnnys nicht mehr unter Kontrolle zu bringender Drogenkonsum

ging sogar soweit, dass er einerseits seine vier Töchter vernachlässigte und andererseits

mehrmals das Publikum, seine Fans, enttäuschte.107 Doch nicht einmal die Hilfe seiner

zweiten Frau June Carter, die seine Pillen, sobald sie sie fand, die Toilette hinunterspülte,108

konnte ihn von den Drogen fernhalten. June Carter stand mit Johnny ab Ende 1961 auf der

Bühne. Sie begleitete ihn auf seinen Tourneen und wurde bald zu Johnnys Partnerin und

bester Freundin. Sie war diejenige, die ihm in jeder Lebenssituation half und ihn

unterstützte.109

Im Oktober 1965 kam es zum Höhepunkt seiner Drogenabhängigkeit, als er am El

Paso International Airport wegen Drogenschmuggels verhaftet wurde. Schliesslich kam

Johnny mit einer Busse über 1‘000 Dollar und 30 Tagen Haft glimpflich davon.110 Johnnys

Drogenproblem blieb jedoch weiterhin ungelöst. Nach einigen vergleichbaren Situationen

entschloss sich Johnny im Jahr darauf, psychologische Hilfe anzunehmen, besonders weil es

die Vermutung gab, dass Johnny den Tod seines Bruders noch nicht verarbeitet habe, und er

deshalb mit psychischen Problemen zu kämpfen habe.111 In seiner Autobiographie schrieb er

101 Vgl. ebd.: S. 154, 167 und 191. 102 Vgl. ebd.: S. 108. 103 Ebd.: S. 167. 104 Vgl. ebd.: S. 99f. 105 Vgl. ebd.: S. 149. 106 Vgl. YouTube: Pete Seeger‘s Rainbow Quest – Johnny Cash and June Carter (Full Episode). URL: https://www.youtube.com/watch?v=GDBtrzka2X4 (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014). 107 Vgl. Miller (2003): S. 111f. und 125. 108 Vgl. ebd.: S. 156. 109 Vgl. ebd.: S. 118f. 110 Vgl. ebd.: S. 157f. 111 Vgl. ebd.: S. 176f.

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detailliert über die Qualen, die ihm der Drogenentzug verschaffte: Magenkrämpfe und

Alpträume, Schmerzen am ganzen Körper, Schlafen oder Ausruhen war unmöglich.112

Trotz seiner Abwesenheit als auftretender Star während des Drogenentzuges, liessen

sein musikalischer Erfolg und die Nachfrage nach mehr nicht nach. 1968 kam es zu der

berühmten Live-Aufnahme im Folsom State Gefängnis und ein Jahr später erschien das

daran anknüpfende Album Johnny Cash At San Quentin, die ihn nochmals zu höchster

Popularität brachten.113 Seinen Gewinn investierte Cash in verschiedene Immobilien wie zum

Beispiel „The House of Cash“, das zunächst als Studio und später als Museum genutzt

wurde.114 Ausserdem trat er in mehreren Filmen und Fernsehshows auf.115 Auf diesen

Aufnahmen ist – im Vergleich zu den 60er-Jahre-Aufnahmen – ein sehr ruhiger, fast scheuer

Johnny Cash zu sehen.116

Nach seinem Drogenentzug in den frühen 1970ern fand Johnny zusammen mit June

zurück zum Christentum. Seine spirituelle Ader führte zu mehreren Reisen nach Israel und

dem Besuch diverser Bibelkurse. In Israel drehten Johnny und June sogar einen Christus-

Film, The Gospel Road (1973),117 der im Musikvideoclip Hurt ansatzweise ebenfalls zu sehen

ist.

Johnny war zwar weiterhin beliebt, doch sein Dasein als Musiker und Star verlor in

den Jahren zwischen 1981 und 1985 seinen Glanz, so dass CBS Records Nashville immer

mehr Gelder für Johnnys Produktionen strich und den Vertrag schliesslich 1986 nicht mehr

erneuerte.118 Johnny Cashs Karriere drohte zu enden, bis ihn 1993 der Rock- und Rap-

Produzenten Rick Rubin kontaktierte. Er wolle sich mit ihm treffen und mit ihm neue Platten

aufnehmen. Bald darauf wurde der Vertrag unterschrieben und es wurde mit den

Aufnahmen der American Recordings-Alben begonnen. Rubin war in vielerlei Hinsicht Sam

Philips sehr ähnlich: Er liess Johnny sich selbst sein, er wollte nicht den Star, sondern Johnny

112 Vgl. ebd.: S. 189. Trotz Entzug gab es später immer wieder kleine Rückfälle. Vgl. ebd.: S. 310f. 113 Vgl. ebd.: S. 190f. und 210f. 114 Vgl. ebd.: S. 223f. 115 Vgl. ebd.: S. 233f, 237f. 116 Vgl. YouTube: This is Your Life – Johnny Cash (1971) (1 of 2). URL: https://www.youtube.com/watch?v=79wVETxFkSQ (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014) und YouTube: This is Your Life – Johnny Cash (1971) (2 of 2). URL: https://www.youtube.com/watch?v=WEdU8KhNGuA (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014). 117 Vgl. Miller (2003).: S. 258f. 118 Vgl. ebd.: S. 324f. Und vgl. YouTube: Cash vs. Music Row – 1 of 5. URL: https://www.youtube.com/watch?v=whMqU5Z42a4 (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014), [ab 04:29].

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Cash und seine Musik. Dadurch konnte Johnny seine „dritte Karriere“119 starten, sein

Comeback. 120

Im letzten Album vor seinem Tod American IV: The Man Comes Around erscheint die

Single und Coverversion Hurt. Obwohl weitere Projekte geplant waren, soll Cash mit dieser

Aufnahme sein Lebenswerk zu Ende bringen; seine Stimme klingt bereits fragil,

zerbrechlich.121 Das Musikvideo zur Aufnahme erstellte Mark Romanek. Dieser wollte

dezidiert einen Musikclip für Johnny drehen und Rubin war bei der Produktion von Hurt

einverstanden.122 Die Arbeitsweise von Romanek beschreibt Henry Keazor folgendermassen:

„Der Regisseur schaut sich oft, bevor er einen neuen Clip drehen soll, die (zumeist durch

Musikvideos bestimmte) mediale Vorgeschichte des oder der von ihm zu inszenierenden Stars

an und kommentiert diese sodann sozusagen mit seinem neuen Video […].“123 Der Clip wurde

2002 im Haus von Johnny und June gedreht.124 Es vermittelt über die Bildsprache auf

eindrucksvolle Weise Botschaften gegen Drogen, die hier im letzten Kapitel näher betrachtet

werden (Vgl. 6.). Der Erfolg von Johnny Cashs Hurt wurde mit zwei Country Music Awards

(Music Video of the Year und Single oft he Year) und einem Grammy für das Best Short Form

Music Video gepriesen.125

4.2 Original versus Coverversion

Die Musik und der Songtext der Originalversion Hurt stammen von Trent Reznor, der ihn

zusammen mit seiner Band Nine Inch Nails im Album The Downward Spiral im Jahr 1994

herausbrachte. Kaum zehn Jahre später erschien Johnny Cashs Coverversion. In einem

Interview mit dem Musikmagazin Rolling Stone erklärte Reznor, wie schwierig es für ihn war,

zu akzeptieren, dass ein anderer Musiker einen seiner persönlichsten Songs gecovert hat:

„Rick sent me a CD of it. I listened to it, and it seemd incredibly strange and wrong to me to

hear that voice with my song. I thought, ‚Here’s this thing that I wrote in my bedroom in a

119 Miller (2003): S. 377. 120 Vgl. ebd.: S. 376f. 121 Vgl. Just, Steffen: Nine Inch Nails‘ „Hurt“: Ein Johnny-Cash-Original. Eine musik- und diskursanalytische Rekonstruktion musikalischer Bedeutungen. In: Black Box Pop. Analysen populärer Musik. Hrsg. von Dietrich Helms und Thomas Phleps. Bielefeld: transcript, 2012. S. 181. 122 Vgl. YouTube: The Work of Director Mark Romanek (Directors Label Series). URL: https://www.youtube.com/watch?v=RVKX1LjosNU (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014), [29:54–34:44]. 123 Keazor, Henry: „(…) a total rip-off of Kubrick’s movie?“ Die Rezeption von 2001 – A Space Odyssey im Musikvideo. In: Populäre Musik, mediale Musik? Transdisziplinäre Beiträge zu den Medien der populären Musik. Hrsg. von Christofer Jost, Daniel Klug, Axel Schmidt und Klaus Neumann-Braun. Baden-Baden: Nomos, 2011. S. 196. 124 Vgl. Just (2012): S. 184. 125 Vgl. ebd.: S. 171.

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moment of frailty, and now Johnny Cash is singing it.‘ It kind of freaked me out.“126 Einen

Song zu covern bedeutet, eine neue Fassung eines bereits publizierten Musikwerkes auf den

Markt zu bringen. Trotz der vorgenommenen Modifikationen muss das originale Werk noch

gut identifizierbar sein.127 Wicke und Ziegenrücker unterscheiden genauer zwischen der

Neufassung und der Neuinterpretierung, wobei die Neufassung eine rein kommerzielle

Musikproduktion sei.128 Während die Neuinterpretierung auch privat aufgeführt oder

zumindest in nicht-kommerziellem Rahmen medial verbreitet werden kann (zum Beispiel

über die YouTube-Plattform), berührt die kommerzielle Veröffentlichung einer Neufassung

beziehungsweise eines „Remakes“129 immer auch rechtliche Grundlagen (beispielsweise

Urheberrechte).130

Im Vergleich zu Reznors Originalversion änderte Cash nur wenig. Dennoch gibt Cash

durch wenige Eingriffe seiner Coverversion eine ganz andere Farbe. Am extremsten erklingt

ein solcher Eingriff gleich im ersten Takt: die verminderte Quinte in der Stufe i wird durch

einen einfachen Dreiklang simplifiziert. Der fast schon dissonante Effekt wird somit in einen

harmonischen a-Moll-Akkord umgedeutet. Beide Versionen stehen in Moll: bei Reznor in h-

Moll, bei Cash in a-Moll. Die aus Strophe, Pre-Chorus und Chorus bestehende Lied-Struktur

ist mit kleinen insignifikanten Abweichungen gleich. Die Orientierung am Original lässt sich

auch an der Akkordfolge und der Gesamtdynamik feststellen.131 Im Songtext sind genau zwei

Veränderungen festzustellen: Im Pre-Chorus hängt Cash ein „And“ vor dem Vers „You could

have it all“132 an und der erste Vers der zweiten Strophe heisst bei Cash „I wear this crown of

thorns“133 und nicht wie in der originalen Fassung „I wear this crown of shit“.134

Signifikante Abweichungen lassen sich in der rhythmischen Struktur ermitteln. Das

Tempo ist mit 80 Schlägen pro Viertel im Original langsamer als in der Coverversion, deren

Tempoangabe 90 Schläge pro Viertel aufweist. Beim langsameren Tempo erhalten die

126 Delli Gatti, Joseph: Religious Symbolism and Insights for the song „Hurt“ by Trent Reznor. 2009. URL: http://joey.mimweddings.com/Bloggy/?p=86 (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014). 127 Vgl. Pendzich, Marc: Von der Coverversion zum Hit-Recycling. Historische, ökonomische und rechtliche Aspekte eines zentralen Phänomens der Pop- und Rockmusik. In: Populäre Musik und Jazz in der Forschung. Interdisziplinäre Studien. Band 11. Hrsg. von Rainer Dollase, Hans-Jürgen Feurich, Thomas Münch, Albrecht Schneider, Ilse Storb und Peter Wicke. Münster: LIT, 2004. S. 2. 128 Vgl. ebd.: S. 59. 129 Ebd.: S. 59f. 130 Die rechtlichen Anforderungen bei Coverversionen wurden in den letzten Jahren ausgiebig festgelegt. Für die Vertiefung der Thematik wird folgend empfohlen: Vgl. Ebd.: S. 9f. 131 Die detaillierte Ausführung lässt sich in der musikalischen Voranalyse (5.4) finden. 132 Vgl. Anhang A, Zeilen 13 und 29. 133 Vgl. Anhang A, Zeile 17. 134 Die Änderung in „I wear this crown of shit“ zu „I wear this crown of thorns“ wurde bereits von Nine Inch Nails vorgenommen (Vgl. Kap. 5.3). Aufgrund der bekannteren Version mit „crown of shit“, wird deshalb oft fälschlicherweise vermutet, dass Cash den Vers zu „crown of thorns“ modifiziert hat.

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Einzeltöne eine stärkere Gewichtung, es ergibt sich der Eindruck von Unebenheiten oder

einem beinahe auseinanderfallenden Klang. Das erhöhte Tempo in der Coverversion

hingegen verdichtet den Klang. Dieses Klangphänomen kann vor allem in der Strophe

beobachtet werden, wenn die erste Stufe in eine verminderte Quinte fällt (Original) bzw.

sich im harmonischen a-Moll-Dreiklang festigt (Coverversion).

Nine Inch Nails haben keinen Musikvideoclip zum Song gedreht. Es gibt jedoch einen

von ihnen während der Live-Aufführung gezeigten Kurzfilm. Dieser Kurzfilm wird im

Vordergrund grossflächig projiziert, wodurch Trent Reznor auf der Bühne hinter der

Projektion praktisch unsichtbar wirkt. Ohne das Visualisierte hier detailliert zu beschreiben,

ist dennoch zu bemerken, dass die Bilder unter anderem verletzte oder gar sterbende/tote

Menschen, Tiere und Pflanzen, Naturkatastrophen und Kriegsszenen, Verwesung und Leben,

oder schliesslich starke Symbole illustrieren, wie beispielsweise die Schlange, die durch eine

lange Sequenz und den langsamen Zoom-In einen gewissen Höhepunkt in der Visualisierung

darstellt. Kurz gefasst: Die Visualisierung stellt die natürliche Kraft der Zerstörung und den

unbändigen Kampf ums Überleben dar.135 Ob der Musikclip zu Johnny Cashs Version

ebenfalls das humanitäre Leid illustriert, wird an späterer Stelle (Kap. 5) ausführlich

analysiert.

4.3 „A liar’s chair“ – zur Songtext-Analyse

Latente Botschaften in der Musik lassen sich seit den ersten Musikhandschriften finden.

Johann Sebastian Bach verewigte sich selbst in seinem unvollendeten Werk Contrapunctus

XIV136 aus der Kunst der Fuge (BWV 1080), Antonio Vivaldi imitierte in seinen Vier

Jahreszeiten op. 8 tonmalerisch Naturphänomene und Alban Berg verankerte seine Liebe zu

Hanna Fuchs in der Lyrischen Suite für Streichquartett mit den Tönen a-b-h-f; Ziel der

Komponisten war stets ihre reale Intention und Konnotation zum Werk vor der Masse zu

bewahren.137 Ähnlich verschleiert ist Reznors Songtext zu Hurt. Hier kommt nun aber nicht

135 Vgl. YouTube: Nine Inch Nails – Hurt (Live). URL: http://www.youtube.com/watch?v=fb4qyuR7_cc (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014). 136 In Takt 193 erklingen die Töne b-a-c-h. Diese sind im Notensystem so positioniert, dass wenn man sie mit einer Linie verbindet, ein Kreuz entsteht. Da dies Bachs letztes Werk ist, könnte man es als religiöse Verabschiedung und Verewigung interpretieren. 137 Mit „Masse“ wird hier jener gesellschaftliche Anteil gemeint, der diese Musik auf visueller (in Form von Notenschriften) oder akustischer Ebene (in Form von audiovisuellen Medien wie z.Bsp. CDs) erwirtschaftet hat, der jedoch auf den ersten Blick bzw. beim ersten Gehörgang die Konnotation nicht gleich feststellt. Dafür bedarf es einer genaueren Analyse von Kontext und Historie, wie hier am Beispiel von Johnny Cashs Hurt vorgenommen wird.

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die Analyse einer Tonfolge zum Einsatz, sondern das sogenannte Zwischen-den-Zeilen-lesen

im Songtext.

Steffen Just definiert den Songtext folgendermassen: „Im Allgemeinen erzeugen

Songtexte einen Rahmen (einen sprachlichen Raum) oder eine Handlung (erzählen ggf. eine

Geschichte), worin sich die Sängerin (als Protagonistin) oder der Sänger (als Protagonist)

positioniert bzw. in den sie oder er von den Hörer_Innen positioniert wird.“138 Trent Reznor

hat den Hurt-Text – wie er es in seinem Interview im Rolling Stone formulierte – in einem

„schwachen Moment“139 geschrieben. Hierzu manifestierte Cash, dass es der beste

Antidrogen-Song sei, den er je gehört habe:140 „It’s a song about a man’s pain and what

we’re capable of doing to ourselves and the possibility that we don’t have to do that

anymore.“141 Folgerichtig bot der Text Cash ein grosses Identifikationsmoment: Er selbst

musste mit dem Druck eines Musikstars, mit einer langjährigen Drogenabhängigkeit und

dem damit verbundenen Schmerz leben.142

In seiner Ausführung änderte Cash vor allem den Vers „crown of shit“ zu „crown of

thorns“143. Diese Änderung entstammt jedoch nicht aus eigener Initiative. Nine Inch Nails

hatten bereits beide Textmöglichkeiten gesungen, so dass Cash sich vermutlich für jene

Version mit der christlichen Konnotation entschieden hat. Eine Dornenkrone wird im

Christentum zum Symbol für das menschliche Leid. Die Krone alleine aber symbolisiert

Macht, sie repräsentiert eine hohe Position. Wer eine Krone trägt, hat einen hohen

Stellenwert. Als Jesus Christus bei seiner Kreuzigung eine Krone aus Dornen aufgepresst

bekam, wurde damit einerseits seine hohe und wichtige Position als König der Juden

angezeigt, durch die Verwendung der Dornenzweige wurde er jedoch andererseits

gleichzeitig herabgesetzt und verspottet, die Dornen fügten ihm zusätzlich Schmerz zu.144

Gleich im nächsten Vers heisst es im Songtext weiter „Upon my liar’s chair“145. In

diesem Zusammenhang ist „liar“ ein Wortspiel, denn wörtlich übersetzt bedeutet es Lügner.

Akustisch rezipiert man jedoch das Wort „lyre“ (Leier). Die Leier ist ein Saiteninstrument aus

der Antike. Bekannt ist sie vor allem als Orpheus-Instrument, dem Musikgott aus der

griechischen Mythologie. Zusätzlich ist „the lyre chair“ ein Stuhl mit einem Holzrücken in

138 Just (2012): S. 179. 139 Delli Gatti (2009): URL: http://joey.mimweddings.com/Bloggy/?p=86 (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014). 140 Vgl. Just (2012): S. 180. 141 Ebd. 142 Vgl. Miller (2003): S. 99f., 111 und 189. Vgl. auch Kap. 4.1. 143 Anhang A., Zeile 17. 144 Vgl. Delli Gatti (2009): URL: http://joey.mimweddings.com/Bloggy/?p=86 (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014). 145 Anhang A., Zeile 18.

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Form einer Leier. Dieser dekorative Thron aus viktorianischer Zeit ist zwar sehr prunkvoll,

aber unbequem.146

„And you could have it all / My empire of dirt“147, singt Cash wiederholt im Chorus-

Teil. „Dirt“, also der Dreck, hat zwei entgegengesetzte Bedeutungen. Einerseits symbolisiert

der Dreck das Endprodukt aller Dinge. Dreck ist leblos und wertlos. Auf der anderen Seite

jedoch ist der Dreck beziehungsweise die Erde sehr nährstoffreich und hat dadurch die

Möglichkeit – beispielsweise bei einer Pflanze mit etwas Wasser und Sonnenlicht – neues

Leben zu erschaffen. Dieses Paradoxon nehmen Reznor und Cash textlich am Songende

wieder auf: „And you could have it all / My empire of dirt / […] If I could start again / A

million miles away / I would keep myself / I would find a way.“148 Der Sänger singt von

seinem wertlosen Imperium, das er gerne abgibt. Könnte er neu starten, weit entfernt von

seinem Dreck, würde er anders handeln. Der Songtext handelt also von einer Person, welche

ihre Entscheidungen bereut und schmerzlich feststellt, dass sie ihre Existenz damit

verschwendet hat. Denn alles was ihr bleibt, ist ein Reich aus Verlust, Dreck und Elend.149

4.4 Musikalische Voranalyse zu Johnny Cashs Hurt

Die hier erarbeitete musikalische Voranalyse basiert auf einer empirischen

musikwissenschaftlichen Analyse. Aufgrund der Präexistenz des Songs und der

dazugehörenden Partitur, macht es Sinn, die detaillierte Musikanalyse vor der Bildanalyse

durchzuführen. Der Schwerpunkt liegt auf theoretischen Ansätzen aus der Harmonielehre

und Tonästhetik, auf der musikalischen (Gesamt-)Dynamik und der Instrumentierung.

Der Song Hurt ist in einer klassischen Liedform strukturiert. Es besteht aus Strophen,

Refrains und einer Art Bridge beziehungsweise Coda. Im Vergleich zur Struktur des Originals

weicht die Coverversion nur minimal ab: einige Takte wurden verlängert, andere

weggelassen. Johnny Cashs Version von Hurt steht, wie oben bereits erwähnt, in der Tonart

a-Moll.150 Da jede Tonart ihre eigene Ästhetik und somit auch ihren eigenen Ausdruck hat, ist

es an dieser Stelle der Analyse relevant, die Charakterisierung der verwendeten Tonarten

auszulegen. So wird die Tonart a-Moll auf sehr ähnliche Art und Weise mit Beschreibungen

146 Vgl. Delli Gatti (2009): URL: http://joey.mimweddings.com/Bloggy/?p=86 (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014). 147 Anhang A., Zeilen 13/14 und 29/30. 148 Anhang A., Zeilen 29/30 und 33–36. 149 Vgl. Delli Gatti (2009): URL: http://joey.mimweddings.com/Bloggy/?p=86 (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014). 150 Vgl. Just (2012): S. 172.

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wie „klagend“, „ehrbar“, „gelinde“, „süss“, „suchend“ und „fremd“ charakterisiert.151

Beispiele aus der klassischen Musik zeigen die spezifische Verwendung genau dieser

Beschreibungen. So erklingt in Bachs Liebes-Arie Aus Liebe will mein Heiland sterben

(Matthäus Passion) ein Moment der Klage und Fremde152, wo hingegen in Beethovens

Violinsonate op. 23 eine suchende a-Moll-Bewegung153 ertönt. Das romantisierte a-Moll, die

suchende, melancholische Fremde drücken Franz Schubert mit seiner Sonate in a-Moll (D.

845) und Frédéric Chopin mit seiner Prélude op. 28,2 aus. Im Laufe der Musikgeschichte

entwickelte sich der Ausdruck der Tonart weiter, blieb jedoch stets im Rahmen der Klage und

des Fremden, Suchenden.154 In seiner Ästhetik der Tonarten155 beschreibt Alfred Stenger

dieses Phänomen folgendermassen:

„Während Schubert, Schumann und Brahms die Tonart oft mit musikalischen Kontrastebenen

verbinden – Lyrisches wird vorgestellt, um negiert zu werden und danach erneut

fortgesponnen –, verwenden Mendelssohn a-Moll primär als Ausgangspunkt für die

Entfaltung seiner weitgespannten melodischen Linien, Wagner als herbe Klage, Sibelius als

Todessymbol, Mahler als entlegene Expression.“156

Wird nun die Charakterisierung der Tonart a-Moll mit dem Kontext des Songs in Verbindung

gesetzt, können einige Parallelen festgestellt werden. Einerseits ist in Johnny Cashs Hurt ein

sublimes Reuegefühl herauszuhören, welches Richard Wagners „herber Klage“157

nahekommt. Andererseits wird die Fremdheit in der Tonart und Gustav Mahlers sogenannte

„entlegene Expression“158 durch die fremde Rhythmik und dem langsamen Tempo im

Vergleich zu Johnnys restlichen Musik wiederspiegelt. Wird weiter das Musikvideo zu Cashs

Hurt betrachtet und als Abschiedswerk wahrgenommen, so grenzt hier die Verwendung der

Tonart a-Moll schon fast an Jean Sibelius‘ „Todessymbol“159.

Der Akkordverlauf im Song ist eher simpel gehalten, er bedarf jedoch trotzdem einer

ausführlicheren Betrachtung. Die Strophe besteht aus vier Schlägen in a-Moll, zwei Schlägen

in C-Dur und zwei Schlägen in Dsus2, folglich ist sie aus den Stufen i, iii und iv

151 Vgl. Stenger, Alfred: Ästhetik der Tonarten. Charakterisierungen musikalischer Landschaften. Wilhelmshaven: Florian Noetzel, 2005. S. 122 152 Diese Fremde wird gar auf der Textebene im Vers „von einer Sünde weiss er nichts“ wiederaufgenommen. 153 Diese a-Moll-Bewegung lässt sich durch die Auf- und Abwärtsbewegung von arpeggierten Dreiklängen charakterisieren, die modulierend zum a-Moll-Dreiklang führen. 154 Vgl. Stenger (2005); S. 122f. 155 Vgl. Stenger (2005). 156 Ebd.: S. 128. 157 Ebd. 158 Ebd. 159 Ebd.

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zusammengesetzt. Diese zwei Takte werden acht Mal wiederholt, wobei im letzten Takt der

Strophe ein reiner d-Moll-Akkord zum G-Dur-Akkord führt. Die Überleitung zum Pre-Chorus

wirkt dadurch dominant, zumal G-Dur die Dominante der Tonikaparallele160 von a-Moll ist.

Die Akkordfolge des Pre-Chorus und des Chorus besteht schliesslich aus Am⁷, Fadd9, C-Dur

und G-Dur. In der Stufentheorie setzen sie sich folglich aus den Stufen i, iii, vi und vii

zusammen. Geht man hingegen erneut von der Tonikaparallele aus, so lässt sich wiederum

ein insistierender subdominantischer und dominantischer Klang161 finden, der sich auditiv

stark von der Strophe abhebt.

In der ersten Strophe erklingen die Akkorde arpeggiert über das Gitarrensolo. Später

im Pre-Chorus und Chorus wird dieses von einem Piano begleitet, wodurch die Grundschläge

stärker betont werden und der Klang sich immer mehr festigt. Dynamisch baut sich folglich

der Klang Stück für Stück auf, bis er am Ende der zweiten Strophe hintergründig mit einer

Mellotronfläche komplett verdichtet wird. Hierbei rückt der Gesang ein wenig in den

Hintergrund, so dass der schlagende Orgelpunkt immer stärker im Vordergrund erklingt.162

Die Gestaltung der Melodie ist bei Cash simpel gehalten und bleibt in seinem Ambitus

des Bassbaritons. Der aufgrund seines Alters nicht mehr so volle, fast zögerliche Klang seiner

Stimme besitzt weiter einen narrativen Charakter. Die erklingende Sonorität bei Cash zielt

auf „Konsonanz und Einheitlichkeit“163.164 Diese stehen im Prozess „einer Umdcodierung von

Rockcodes (verzerrte Gitarren, Dissonanzen, kraftvoll, laut und hoch gesungene Vocals) zu

Codes des Country bzw. Folk (akustische Atmosphäre, Konsonanzen, Vocals mit narrativem

Charakter), […]“165. Die Mischung aus populärer Simplizität und musikalischen Countrycodes

gibt Cashs Song Hurt seine einzigartige Note.

160 Die Tonikaparallele von a-Moll ist C-Dur. 161 Die Subdominante der Tonikaparallele von a-Moll ist F-Dur und die Dominante der Tonikaparallele von a-Moll ist G-Dur. 162 Vgl. Just (2012): S. 173. 163 Ebd.: S. 177. 164 Vgl, ebd. 165 Ebd.

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5. Visuelle Analyse des Musikvideoclips Hurt von Johnny Cash

Das Analyseprogramm trAVis ermöglicht mittels der dabei heraustretenden Transkription166,

wie oben ausführlich beschrieben, eine chronologische und simultane Analyse der Bild-,

Text- und Tonebene eines audiovisuellen Medienprodukts. Die Analyse des

Forschungsgegenstands (Musikclip Hurt von Johnny Cash) läuft auf rein deskriptiver Ebene

ab. Die Deskription der Bildebene wird zum einen in „Darstellendes und Dargestelltes“167

(Vgl. Kap. 5.1) und zum anderen in „Montage und Sequenzanalyse“ (Vgl. Kap. 5.2) unterteilt.

5.1 Darstellendes und Dargestelltes

Für die Analyse wurden auf der Bildebene acht verschiedene Eigenschaften differenziert:

Setting, Kamera, Symbole, Person, Performance, Ausdruck beziehungsweise Bewegung,

Instrumente und Biographie. Diese lassen sich jeweils in den zwei Oberkategorien

Darstellendes und Dargestelltes unterteilen.

Die ausgewählten, zur Kategorie des Darstellenden gehörenden Kamera-Patterns

sollen die verschieden verwendeten Kameraeinstellungen aufzeigen. Insgesamt wurden 69

verschiedene Einstellungsgrössen-Patterns168 in die Transkription eingefügt; zumal der Fokus

auf dem bei der Musikclip-Produktion gegenwärtigen Johnny Cash liegt, fungieren rund 40

dieser Patterns zur Darstellung des „Johnny alt“.169 Auffällig sind hierbei die gehäuften

Gross- und Nahaufnahmen170 seines Gesichtes sowie noch stärker die Detailaufnahmen171

seines Gesichtes und seiner die Musik unterstreichenden Hände. Anhand dieser Aufnahmen

lassen sich auf der Ebene des Dargestellten Ausdruck und Bewegungen des Protagonisten

analysieren. Gegenstände mit Symbolwert sind entweder in der Gross- oder der

Nahaufnahme dargestellt und werden dadurch – wie es de la Motte-Haber festgestellt hat –

von der Realität enthoben. Grössere Sprünge in der Darstellungsweise weisen zwei

Sequenzen172 auf, in denen die Einstellungsgrössen jeweils von der grösseren zur kleineren

in kurzer Zeit wechseln und somit einen Zoom-In simulieren. Die Kamera ist während des

166 Vgl. Anhang B. 167 Vgl. Kap. 2.2. 168 Es handelt sich um folgende Einstellungsgrössen: drei Totale, drei Halbtotale, drei Amerikanische, 14 Halbnahe, 14 Nah-, 15 Gross- und 17 Detailaufnahmen. 169 Der Musikclip spielt mit den gegenüberstellenden Einblendungen eines „jungen“ und eines „alten“ Johnny Cash zur Zeit der Cliperstellung. 170 Es sind insgesamt elf Gross- und sieben Nahaufnahmen. 171 Es sind insgesamt 16 Detailaufnahmen. 172 1. Sequenz im Zeitraum 00:40–00:44 Minuten: Wechsel von der Totale zur Halbtotale und schliesslich zur Nahaufnahme. 2. Sequenz im Zeitraum 01:25–01:33 hat die Reihenfolge einer Totale, Halbnah, Halbtotale, Halbnah, Nah- und schliesslich Detailaufnahme.

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ganzen Musikclips mehrheitlich statisch. Erst in den letzten zwei Sequenzen bewegt sich die

Kamera. Im Zeitraum von der 03:34 zur 03:37 Minute gleitet die Kamera im Zoom-Out und

dunkelt das Bild ab. Gleich darauf schwenkt die Kamera in einer anderen Szenerie zunächst

nach unten, beschleunigt in einem horizontalen Schwenk und bleibt am Ende in der

Detailaufnahme stehen.

Auf der Ebene des Dargestellten lassen sich 28 Performance-Sequenzen finden,

welche zum Teil mit der Visualisierung der Instrumente (Gitarre oder Klavier) kombiniert

sind.173 Aber vor allem das Klavier erscheint oft im Bild ohne Bezug auf eine Aufführung.

Entgegen dem üblichen Performance-Bild von Johnny Cash – er mit seiner (schwarzen)

Martin-Gitarre – gelangt das Klavier in diesem Musikvideo vermehrt zum Einsatz. Lediglich in

drei Bildfolgen erscheint der „alte“ Cash und in fünf weiteren Sequenzen der „junge“ Johnny

mit seiner Gitarre. Die Instrumente sind ferner mit dem Setting fest verbunden: Während

der „alte“ Johnny mit seiner Gitarre im Wohnzimmer auftritt, sitzt er in einem anderen Raum

an seinem Flügel (Klavierraum). Das dritte Setting des „alten“ Cash befindet sich im

Esszimmer. In jedem dieser Zimmer sitzt Johnny Cash auf einer Art Thron. Die Zimmer

differenzieren sich nicht alleine durch die verschiedenartige Mise en Scène, sondern auch

durch die unterschiedliche Beleuchtung. Während das Wohnzimmer eher dunkel wirkt und

eine golden schimmernde Lichtquelle von Cashs Linken erscheint, liegt die Lichtquelle im

hier sogenannten Klavierraum im Hintergrund, so dass der Vordergrund in dunkle Farben,

fast schwarz, getaucht scheint. Das Esszimmer hingegen ähnelt dem Wohnzimmer: Die

Lichtquelle in diesem Raum kommt jedoch von Johnnys Rechten. In all diesen Settings

schimmert das Licht in goldener Farbe und lässt dadurch alles andere dunkel wirken.

Vor allem im Ess- und Wohnzimmer sind weiter einige Symbole zu finden, die

entweder in Gross- oder in Nahaufnahmen gedreht wurden und somit akzentuiert werden.

Hingewiesen wird ausserdem auf bestimmte Situationen aus Johnnys Leben. Die

Visualisierung geschieht hierbei vor allem über Roh- beziehungsweise Archivmaterial. Diese

Bilder stehen farblich wie auch kontextuell in starkem Kontrast zu den Bildern in den

erwähnten und näher analysierten Settings. Wie und in welcher Reihenfolge diese Bilder

zusammengesetzt sind, soll im nächsten Kapitel ausgeführt werden.

173 Vgl. Teilvisualisierungen im Kap. 2.2.

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5.2 Montage und Sequenzanalyse

Der Musikclip Hurt zählt insgesamt 139 klare Schnitte, wovon fast die Hälfte (66 Schnitte)

alleine im letzten Pre-Chorus bis zur Coda (02:31 bis 03:34 Minuten) auftauchen. Es gibt

ausserdem drei weitere Montage-Elemente: eine Ab- und Aufblende in der Zeitspanne von

Minute 01:37 bis 01:39, eine sehr kurze Überblende in der Minute 03:21 und ganz am

Schluss eine nur eine Sekunde lange Abblende. Insgesamt wird im 03:49-Minuten-Musikclip

141 Mal das Bild gewechselt. Damit ergibt sich eine durchschnittliche Dauer von 1.62

Sekunden pro Bild. Ausserdem ist eine Parallele zwischen Bildwechsel und Rhythmik

festzustellen, zumal das Bild jeweils im Takt beziehungsweise auf die Viertelschläge

wechselt. Darüber hinaus wiederspiegelt sich das erhöhte Tempo der Musik gegen Ende des

Musikclips auch in der schnellen Bildabfolge. In der folgenden Sequenzanalyse werden die

Bilder thematisch zugeordnet und sequentiell aufgelistet.

Der Musikclip beginnt mit drei Symbolen (einem Mann, der eine schwere Last trägt,

einem reitenden Indianer und einen prunkvollem Obstkorb), die alle lichttechnisch und

farblich homogen zu den folgenden Bildern passen. Darauf wird „the man in black“, der

„alte“ Johnny Cash, auf einem Thron im Wohnzimmer sitzend, mit seiner schwarzen Martin-

D-35-Gitarre auf dem Schoss in drei unterschiedlichen Einstellungsgrössen abgebildet: einer

Detailaufnahme seiner auf der Gitarre spielenden Hände, einer Halbnahaufnahme und einer

Nahaufnahme seines Gesichts. Nach einem klaren Schnitt in der 22. Sekunde sieht der

Rezipient zunächst die wehende amerikanische Flagge und in einer zweiten Visualisierung

dieselbe Flagge neben dem Schild, worauf „House of Cash Museum / Closed to public“ steht.

Die dominierende Farbe in diesen Bildern ist hellblau, ein starker Kontrast zu den bisherigen

schwarz-goldfarbenen Darstellungen. Mit dem in die Ferne schauenden Cash kehrt das Bild

ins Wohnzimmer zurück. Dieses Mal beginnend mit einer Nahaufnahme, überleitend zu

einer amerikanischen Einstellungsgrösse, bis es im sogenannten Klavierraum zu einer

Detailaufnahme kommt, worauf Cashs Hände über dem geschlossenen Klavierdeckel

visualisiert werden. Zwei Grossaufnahmen des „alten“ Johnny zeigen konsekutiv seine

Mimik, einmal im Wohnzimmer in die Ferne blickend, einmal im Klavierraum nach unten

schauend. Die darauf folgende Sequenz beinhaltet in drei Schritten den simulierenden

Zoom-In in die Aussenseite des geschlossenen Museums „House of Cash“. Abermals sieht

man den „alten“ Johnny Cash in seinem Wohnzimmer singen und dann am Klavier sitzen.

Von schwarz-gold wechseln die Farben in den nächsten Visualisierungen eines Zuges nun zu

schwarz-weiss. Im Zeitraum zwischen der 56. Sekunde und der Minute 01:25 werden

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abwechslungsweise Archivbilder des „jungen“ und des „alten“ Johnny am Klavier gezeigt.

Darauf folgt wiederum eine Bildsequenz, welche einen Zoom-In simuliert, dieses Mal jedoch

in einem Innenraum des geschlossenen Cash-Museums. Zu sehen sind unter anderem leere

Regale und Scherben einer eingerahmten Schallplatte. Drei verschiedene

Einstellungsgrössen visualisieren den „alten“ Johnny am Flügel, bevor es zu schwarz-weiss

Szenen aus einem Gefängnis und einer Abblende kommt.

Erneut aufgeblendet wird das Bild im Inneren des Johnny Cash-Museums, wo Fotos

und Büsten den Cash-Mythos im leeren Raum weiter aufleben lassen. Eine 1,5-Sekunden-

lange Filmsequenz aus dem Film A Gunfight (1971)174 leitet zur zweiten Strophe über.

Während dieser sitzt Johnny an einem prunkvoll dekorierten Esstisch vor Hummer, Kaviar

und Champagner, was den Luxus suggeriert. Der Rezipient nimmt ausserdem bei einer

Hausbesichtigung des „jungen“ Cashs visuell teil. Diese sich farblich wiederum stark

kontrastierenden Bilder des „alten“ und „jungen“ Cash wechseln sich während der gesamten

zweiten Strophe ab. Im Pre-Chorus wird June Carter eingeführt. Auch diesmal wechseln sich

Bilder von früher und „heute“ ab. Die gegenwärtige June ist wie auch Johnnys Gitarre fest

mit dem Wohnzimmer-Setting assoziiert. Im Übergang zum Chorus erscheint ein Bild, in dem

ein Haus von Wasser überschwemmt wird.

Ab diesem Moment beginnt der „alte“ Cash am Esstisch mit zitternder Hand Wein

über das Essen zu schütten. Diese Sequenz wird unter anderem durch Bilder des Museum-

Innenraums, des „jungen“ Johnny und der gegenwärtigen June Carter unterbrochen. Die

Bildabfolge läuft dabei ab der Minute 03:07 immer schneller ab, es kommt hier also zu einer

Steigerung. Diese Bilder beinhalten mitunter Archivbilder des „jungen“ Cash, die Kreuzigung

Christi, applaudierendes Publikum, eine fahrende Lokomotive und schliesslich den „alten“

Johnny am Klavier, der immer denselben Ton, nämlich das tiefe c, spielt. Im Kontrast zu

diesem schnell-abwechselnden Bildfluss, gibt es ab der Minute 03:29 einen plötzlichen Halt,

der fast schon wie Slow Motion wirkt. Der „alte“ Johnny sitzt am Klavier, die goldene

Lichtquelle im Hintergrund. Der Song verstummt auf der Minute 03:33. Ein letztes schwarz-

weisses Bild eines sehr „jungen“ Cash auf der Bühne, am Ende eines Auftritts mit Blick nach

unten, erscheint. Durch Abdunklung und später durch einen klaren Schnitt kehrt das Bild

wieder zurück zum „alten“ Johnny am Klavier. Nun bewegt zunächst Johnny seinen Kopf

174 In anderen Aufnahmen hört man an dieser Stelle Johnny das Filmzitat „You stay the hell away from me you hear!“ sagen. Vgl. YouTube: Johnny Cash – Hurt. URL: http://www.youtube.com/watch?v=3aF9AJm0RFc (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014).

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nach unten, die Kamera folgt seiner Bewegung und schwenkt vertikal seinem Oberkörper

entlang. Durch einen beschleunigten horizontalen Schwenk verfolgt das Bild dann Johnnys

Arme und bleibt schliesslich in der Detailaufnahme stehen. Nun schliesst er den

Klavierdeckel, streift zwei Mal mit seinen Händen darüber und das Bild wird abgeblendet.

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6. Audiovisuelle Analyse mit anschliessender Interpretation

Der Musikclip zu Johnny Cashs Hurt vermittelt mittels Bildsprache und Musik starke

symbolische Botschaften, auf die hier näher eingegangen wird. Dabei werden die

ausgelegten Elemente der Analysen aus den Kapitel 4 und 5 (Vgl. 4.1, 4.2, 4.3 und 4.4; Vgl.

5.1 und 5.2) miteinander verbunden und auf einer bedeutungs- und botschafts-

vermittelnden Ebene interpretiert. Das Analyseprogramm trAVis ermöglicht eine

chronologische Transkription und Analyse. Darauf folgt nun eine zwar nahe am

Analysegegenstand, jedoch nicht zwingend chronologisch laufende und an exemplarischen

Situationen festgemachte Interpretation, zumal an diesem Punkt der Analyse die

gekoppelten Inhalte und Sinnkonstruktionen im Zentrum stehen.

Vor einem dunklen Hintergrund erscheint als Erstes eine Figur; ein „alter“ Mann mit

Bart, der gebückt eine schwere Last mit sich trägt. Dass der Musikclip ausgerechnet mit

dieser Figur beginnt, könnte man als Parallele zu Johnnys gegenwärtigem Dasein deuten. Die

nächsten zwei Nahaufnahmen illustrieren eine Indianerfigur auf einem Pferd, also einen

Krieger, und einen üppigen Obstkorb, Symbol für Reichtum und Prunk. Diese drei Symbole

könnten so Momente, die Cashs Leben zum Zeitpunkt der Aufnahme prägten, wiedergeben.

Gleich darauf sieht man ihn auf einer Art Thron im Wohnzimmer mit seiner schwarzen

Martin-D-35-Gitarre performen; er selbst ebenfalls in schwarz gekleidet. Der Thron, „liar’s

chair“, kann im Zusammenhang mit Königtum und Musik als starkes Symbol für eine in der

Musikwelt sehr versierte Person (in diesem Fall Johnny Cash), die auf einem Lügen-Thron

sitzt, welcher Unannehmlichkeiten bereitet, gelten. „The Man in Black“ sieht während des

Auftritts gegen die gold-leuchtende Lichtquelle in die Ferne, als würde er mental

zurückblicken und seine Narration starten.175

Die amerikanische Flagge im nächsten Bild soll auf Johnnys Patriotismus hinweisen

und das nebenstehende Schild „House of Cash / Museum / Closed to public“ ist

aussagekräftiges Symbol des Nicht-Mehr-Existierenden. Genauso effektvoll und von Vanitas

befallen sind die Bilder von Johnny im sogenannten Klavierraum: In den dargestellten

Grossaufnahmen ähnelt sein Gesicht einer Mumie,176 Johnny Cash ist hier nur noch Schatten

seiner selbst. Die Lichtkomposition im aktuellen Johnny-Bild ist auf eine Weise gestaltet, die

die Konnotation zu einer untergehenden Sonne hervorruft,177 vergleichbar mit Johnnys

175 Vgl. Anhang B.i, 00:00–00:22. 176 Vgl. Miller (2003): S. 420. 177 Die dargestellte Zeit ist hier demnach die Abendzeit. Vgl. Kap. 2.2.

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endender Karriere beziehungsweise sogar mit Cashs endendem Leben. Die Bilder sind

kontrastreich, goldene Farben sind mit schwarz oder sehr dunklen Farben kombiniert. Diese

Farblichkeit unterscheidet sich stark zu den eher in blau gehaltenen Bilder des „jungen“ Cash

(mit Ausnahme der schwarz-weiss Aufnahmen). Der dadurch markierte Licht- und

Farbkontrast symbolisiert die Momente von Tag und Nacht beziehungsweise Leben und

Lebensende.178 Der Wechsel zwischen lebendig Erforschendem und Abschliessendem zeigt

sich in der 2. Strophe noch stärker: Während der „alte“ Johnny von seinem Esszimmer die

Verse „I wear this crown of thorns / Upon my liar’s chair“179 singt, wechseln die Bilder zum

„jungen“ Johnny, der ein Haus besichtigt. Der „alte“ Johnny erzählt weiter „Full of broken

thoughts / I cannot repair“180 und unterstützt seine Narration gestisch. Das Bild wechselt

zurück zum „jungen“ Cash vor dem Haus, der versucht, einen Blick durch das Fenster in das

Innere des Hauses zu werfen. Der schnelle Schnitt zum „alten“ Johnny lässt die Situation so

erscheinen, als würde der „junge“ Cash von aussen den „alten“ Johnny im Innern des Hauses

erblicken und zeigt eindrucksvoll das Spiel zwischen altem und neuem Selbst. Dieser innere

Monolog wird schliesslich durch die letzten Verse der zweiten Strophe „You are someone

else / I am still right here“181 und den dazu illustrierten Bildern, in denen der „alte“ Johnny

direkt in die Kamera schaut und mit dem Zeigefinger auf „You“ signifiziert, nochmals

betont.182 Paradoxerweise ändert sich bei diesem letzten Vers, in dem Johnny singt, er „sei

noch immer hier“, die Klanglichkeit von Moll in Dur. Die typische in der Pop-Musik

verwendete Kadenz C-D-G – deutet man den eigentlich in a-Moll geschriebenen Song in

seine Paralleltonart – und die darauffolgenden Septakkorde streben nach Veränderungen

und nicht nach Stillstand. Im Allgemeinen ist die Musik nicht greifbar, sie entschwindet in

verschiedene Richtungen. Hauptsächlich ist der Song zwar in a-Moll geschrieben, doch die

Analyse zeigt, dass der Song theoretisch genauso in C-Dur mit einigen tonfremden Akkorden

(wie Am⁷ im Chorus-Teil) zu deuten möglich wäre. Dieses Nicht-Greifbare wiederspiegelt die

Schaffensart von Johnny Cash und seine allgemein nicht in eine bestimmten Gattung

einzuordnende Musik.

Im Zusammenhang mit dem Text und auch rein visuell referenziert der Regisseur

Marc Romanek auf einige elementare Situationen aus Johnnys Leben. Beispielsweise

178 Vgl. Just (2012): S. 184f. 179 Vgl. Anhang A, Zeilen 17 und 18. 180 Vgl. Anhang A, Zeilen 19 und 20. 181 Vgl. Anhang A, Zeilen 23 und 24. 182 Vgl. Anhang D. Und Vgl. Just (2012): S. 185.

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erscheint auf dem Songtext „Goes away in the end“183 ein Bild von Carrie Rivers Cash,

Johnnys verstorbener Mutter.184 Sie war für ihn nicht nur als Mutter prägend, sondern vor

allem, weil sie ihn in die Welt der Musik einführte. Ihr Tod (1991) hinterliess bei Johnny tiefe

Spuren, verlor er mit ihr doch jene heile Welt, in der There’s a Mother Always Waiting185.

Seinem Kollegen Ralph Emery offenbarte Cash damals: „Den Sarg meiner Mutter zu

schliessen war für mich das Schlimmste, das ich je tun musste, […]“186. Ähnlich semantisch

besetzt ist jene Audiovision, in der June zum ersten Mal im Musikclip auftritt. Sie verkörpert

die im Pre-Chorus gesungene „My sweetest friend“187.188 June ist also diejenige, die laut

Reznors Songtext vom Interpreten verletzt wird („I will make you hurt“189). Einmal mehr

scheint June, genau wie über all die Jahre auch, jene emotionale Kraft unterstützend zu

bewahren, die ihr physisch und (in Vergangenheit psychisch) schwacher Mann nicht halten

kann.190 Interessanterweise erscheint June auf einer Treppe, wo im Hintergrund ein Bild von

Carrie Rivers hängt. Der Verweis auf die zwei wichtigsten Frauen und Referenzpunkte in

Cashs Leben ist eindeutig. Aufgrund des plötzlichen Tods von June im Mai 2003, erhält im

Nachhinein der Vers „Everyone I know / Goes away in the end“191 doppelte Bedeutung: Der

vorhin mit Carrie Rivers Tod in Verbindung gebrachte Sinninhalt, lässt sich nachfolgend auch

mit Junes Tod koppeln. Die Totale in der Minute 02:34 zeigt Johnny auf seinem Sessel

sitzend, zu seiner Rechten im Hintergrund auf der Treppe steht June und etwas weiter höher

an der Wand hängt das Bild der verstorbenen Mutter. Johnny sieht die zwei Frauen aus

seiner Position nicht, doch seine Aufführung lässt vermuten, dass er von ihnen singt und

dass er sie spürt, während sie über ihn weilen. Steffen Just interpretiert diese Sequenz sogar

so, dass sich „das Thema ‚Tod‘ quasi allgegenwärtig auf Cashs Umfeld ausgeweitet wird.“192

Im Musikclip wird auf weitere exemplarische Situationen aus Cashs Biographie

hingewiesen: Zwei Schwarz-Weiss-Bilder zeigen Gefängnisszenen, welche auf Cashs Konzert

im Gefängnis, die daraus resultierenden Gefängnisaufnahmen, und möglicherweise sogar auf

seine eigene Haft referieren. Die Sequenz wird durch die im Musikclip selten verwendete

183 Vgl. Anhang A, Zeile 12. 184 Vgl. Anhang C. Und Vgl. Just (2012): S. 185. 185 Vgl. YouTube: Pete Seeger‘s Rainbow Quest – Johnny Cash and June Carter (Full Episode). URL: https://www.youtube.com/watch?v=GDBtrzka2X4 (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014), [23:44–26:08]. 186 Vgl. Miller (2003): S. 359. 187 Vgl. Anhang A, Zeile 26. 188 Vgl. Anhang E. Vgl. auch „Superstrukturen“ im Kap. 2.1 oder Altrogge (2001): S. 18. 189 Vgl. Anhang A, Zeile 32. 190 Vgl. Streissguth, Michael: Johnny Cash. The Biography. Philadelphia: Da Capo Press, 2006. S. 279f. 191 Vgl. Anhang A, Zeilen 11–12 und 27–28. 192 Just (2012): S. 185.

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Technik der Abblende abgedunkelt, als würde ein Lebensabschnitt beendet und ein neues

Kapitel begonnen werden. Bei der Aufblende erscheinen Bilder aus dem Inneren des

geschlossenen Museums, in dem der Mythos Johnny Cash einerseits weiterhin lebt und

andererseits gefangen bleibt.193 Das Thema Gefängnis begleitete Johnny über viele Jahre,

wobei es sogar soweit interpretiert werden kann, dass Johnny – vermutlich ab dem

Todeszeitpunkt seines geliebten Bruders – sein ganzes Leben gefangen in seiner Musik,

gefangen in seinem Selbst war.

Daraufhin folgt eine 2,5-Sekunden lange Sequenz aus dem Film A Gunfight (1971), in

der Johnny Cash sich abrupt gegen die Kamera dreht, nach oben schaut und „You stay the

hell away from me you hear!“ sagt.194 Im Film wendet sich Johnny Cash einer anderen

Filmfigur zu; unklar bleibt der Zusammenhang, in dem Romanek dieses Filmzitat kurz vor der

zweiten Strophe im Musikclip einfügt. Aus der Analyse ergeben sich zwei Vermutungen:

Entweder soll der kurz vorher erscheinende Mythos des Johnny Cash vom aktuellen Johnny

fernbleiben, wobei der sogenannte „aktuelle Johnny“ in diesem Bild eine Filmfigur spielt und

deshalb nicht er selbst ist. Möglich wäre aber auch eine Art der Antizipation und

Vorbereitung des darauf folgenden, bereits näher beschriebenen, inneren Monologs

zwischen dem „jungen“ und dem „alten“ Johnny. Gerade in dieser Sequenz wird der Kampf

zwischen J.R. Cash und dem Star Johnny Cash ersichtlich.

In der Sequenz vor dem Gefängnis sind bereits einige Bilder vom Innern des

Museums zu sehen. Die auf dem Boden liegende eingerahmte Schallplatte, deren

Glaseinrahmung zersprungen ist, wird zunächst in der Nah-, dann in einer Detailaufnahme

dargestellt. In dieser Detailaufnahme ist der Name Columbia Records klar ersichtlich, jener

Plattenfirma, für die Cash in den 1980ern keine Gewinne einbrachte und die ihm schliesslich

im Jahr darauf den Vertrag kündigte. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass Romanek

genau diese Visualisierung über den Songtext „I will let you down“195 montierte und somit

auf die beidseitige Vernachlässigung der langjährigen Zusammenarbeit zwischen Johnny und

Columbia Records anspielt.

Eine solch eindeutige Referenzierung, direkt in die Kamera, wie sie oben beim Wort

„You“ beschrieben wurde, gibt es im gesamten Musikclip ein einziges weiteres Mal, nämlich

als der „alte“ Johnny im letzten Chorus sein Kelch erhebt, Rotwein über den gedeckten Tisch

193 Vgl. Anhang B, ii. 194 Vgl. YouTube: Johnny Cash – Hurt. URL: http://www.youtube.com/watch?v=3aF9AJm0RFc (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014). 195 Vgl. Anhang A, Zeile 15.

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schüttet und dabei direkt in die Kamera singt „And you could have it all / My empire of

dirt“196. Rotwein steht im Christentum für das Symbol des Blut Christi. Da Johnny vor allem in

sehr frühen und späten Jahren sein Dasein extrem religiös lebte, könnte diese Konnotation

intentional vom Regisseur und Johnny selbst gewählt worden sein. Wird die Konnotation in

diesem Sinne weiter geführt, so würde Johnny sein für ihn wertloses Hab und Gut („empire

of dirt“197) mit dem von Jesus geopferten Blut überschütten.198 Wie in den Darstellungen des

letzten Abendmahls sitzt Johnny am Tisch und opfert seinen materiellen Wert. Ohne sich mit

Christus gleichzusetzen, visualisiert Cash seine eigene Opferung durch das ganze Musikvideo.

Die Musik hatte bei Johnny immer Vorrang; seine Musik begleitete ihn über die gesamte

„Odyssee“199, alles andere wurde vernachlässigt. Nur selten sieht man im Musikvideo Johnny

in Gesellschaft anderer Menschen (einzige Ausnahme bilden June und zwei seiner Kinder,

aber selbst diese litten unter seiner Vernachlässigung). Cash stellt sich hier als Mann dar, der

alles – und damit auch sich selbst – für seine Musik geopfert hat. Seine zitternde Hand, die

den Wein schüttet, weist ferner auf den nun alten, kranken Mann hin, der nichts mehr zu

verlieren hat und der sein Dasein deshalb entblösst.

Die erbrachten Opfer – Scheidung, Vernachlässigung seiner Kinder, Enttäuschungen

aufgrund des Drogenkonsums – fügten im Moment des Geschehens womöglich den

Beteiligten mehr Schmerz zu als ihm selbst. Im Musikclip ist ein applaudierendes Publikum zu

sehen;200 seine Fans, die den Star Johnny Cash auf der Bühne sehen wollen. Doch wie oft ist

Johnny aufgrund seines Drogenproblems nicht aufgetreten? Schmerzlich erinnert sich

Johnny zurück, als er mit geballten Fäusten, zitternd in sich versinkt.201 Die daraus

rückwirkende Erfahrung hämmert schmerzlich in seinem Körper, was der Rezipient durch die

schnelle Bildfolge und dem über Nagel und Hammer oder der auf dem Klavier spielenden

Hand visualisierten hämmernden Darstellungen ab der Coda wahrnimmt. Hier sieht man

Johnny konstant das tiefe c auf der Klaviatur spielen; womöglich eine Anspielung auf Cashs

tiefe Stimmlage und somit eine Art Personifizierung seines Selbst. An dieser Stelle singt

Johnny die Verse „If I could start again / A million miles away / I would keep myself“202.

Übersetzt und interpretiert bezeichnen sie einen Cash, der zwar erneut durch die Musikwelt

196 Vgl. Anhang A, Zeilen 29 und 30. 197 Vgl. Anhang A, Zeile 30. 198 Vgl. Anhang F. 199 Miller (2003): S. 263. 200 Vgl. YouTube: Johnny Cash – Hurt (Real GQ – Good Quality). URL : http://www.youtube.com/watch?v=McV7pjwVFbE (zuletzt aufgerufen am 15.09.2014), [03:11]. 201 Vgl. ebd. : [03:12]. 202 Vgl. Anhang A, Zeilen 33–35.

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gehen würde, jedoch möglichst auf andere Art und Weise beziehungsweise mit geringerer

Opferbereitschaft. Aus dem Songtext lässt sich weiter deuten, dass der Sänger zwar nicht

weiss, ob dies funktionieren würde, aber er würde es zumindest versuchen („I would find a

way“203).

Der plötzliche visuelle wie auch akustische Halt im letzten Vers effektuiert eine noch

tiefer wirkende Stille. Nachdem Johnny den letzten Vers „I would find a way“204 fertig

gesungen hat, erscheint kurz eine schwarz-weiss Bildaufnahme, die wohl das Ende eines

Auftritts zeigt. Das Bild wechselt zurück zum „alten“ Johnny, die anhaltende Stille wird visuell

durch die Kamerabewegung gebrochen. In dieser letzten Detailaufnahme wirkt der Deckel

des Flügels wie ein Sargdeckel. Wird die Stille als musikalisches Mittel betrachtet, so endet

der Musikclip audiovisuell in einer Todessymbolik205.

203 Vgl. Anhang A, Zeile 36. 204 Vgl. ebd. 205 Vgl. Kap. 4.4.

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7. Schlusswort

Diese Forschungsarbeit zielt auf die Darlegung der kombinierten Funktionsweise der Bild-,

Text- und Tonebene eines audiovisuellen Medienprodukts anhand von Johnny Cashs

Musikvideoclip Hurt. Die Produktanalyse geschah mittels verschiedener Teilanalysen, womit

die Definition jener Audiovision (AV), wie sie in Musikvideoclips vorkommt, bestätigt wurde.

Jede Komponente eines Musikvideoclips kann getrennt rezipiert, analysiert und in einem

bestimmten Kontext interpretiert werden. Die Kombination aller drei Ebenen (Bild, Text,

Ton) ruft durch die gegenseitige Unterstützung und Akzentuierung eine dritte

Bedeutungsebene hervor, welche in der pragmatischen Analyse und schliesslich in der

Interpretation ausgeführt wurde. Diese letzte Analyse demonstriert ebenfalls, dass es sich

bei diesem Musikclip um eine Mischform der oben dargestellten Cliparten handelt und

deshalb eine klare Klassifikation davon nicht möglich ist.

Insgesamt lässt sich der Musikclip Hurt von Johnny Cash mit den Begriffen

Vergänglichkeit, Abschied und Verfall charakterisieren. Dabei werden musikalische Ästhetik

und präexistierender Text mit biographischen Bildern gekoppelt. Die Aufnahmen des

„jungen“ Cash visualisieren den berühmten Popstar, die Bilder des „alten“ Johnny hingegen

zeigen das daraus resultierende Dasein eines Popstars: Eine grosse Anzahl gewonnener

Preise, prunkvoll gedeckte Tische, Kristallkrüge und goldene Statuen runden zusammen mit

dem Thronsessel das Bild eines vom Erfolg gekrönten Popstars ab. Am Ende des Liedes –

symbolisch stehend für das Lebensende – wird diese Materialität nichtig, der Prunk zerfällt

zu einem „empire of dirt“. Losgelöst von der anfänglichen visualisierten Last, verabschiedet

sich der Protagonist mit einer stillen Erleichterung. Die musikalische Ästhetik der Tonika a-

Moll betont genau diese suchende Schwebe im ganzen Song. Schliesslich lässt sich der

gesuchte Trost an der Stelle wiederfinden, an der die Verse „If I could start again / A million

miles away / I would keep myself / I would find a way“206 gesungen werden. In seinem

letzten Musikclip verabschiedete sich Johnny Cash von seinen Fans somit audiovisuell mit

einem goldfarbenen, gleichsam überirdischen Schimmer im Hintergrund.

206 Vgl. Anhang A, Zeilen 33–36.

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Quellen

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URL : http://www.youtube.com/watch?v=McV7pjwVFbE (zuletzt aufgerufen am 15.09.2014).

YouTube: Johnny Cash – The Last Great American / Documentary on BBC 2004.

URL: https://www.youtube.com/watch?v=xjxFdTTy1hU (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014).

YouTube: Linkin Park – BURN IT DOWN (Official Music Video).

URL: www.youtube.com/watch?v=dxytyRy-O1k (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014).

YouTube: Nine Inch Nails – Hurt (Live).

URL: http://www.youtube.com/watch?v=fb4qyuR7_cc (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014).

YouTube: Pete Seeger‘s Rainbow Quest – Johnny Cash and June Carter (Full Episode).

URL: https://www.youtube.com/watch?v=GDBtrzka2X4 (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014).

YouTube: Samy Deluxe – Poesie Album (Official Music Video) [HQ].

URL: www.youtube.com/watch?v=4bU4_cE4RTk (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014).

YouTube: The Work of Director Mark Romanek (Directors Label Series).

URL: https://www.youtube.com/watch?v=RVKX1LjosNU (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014).

YouTube: This is Your Life – Johnny Cash (1971) (1 of 2).

URL: https://www.youtube.com/watch?v=79wVETxFkSQ (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014).

YouTube: This is Your Life – Johnny Cash (1971) (2 of 2).

URL: https://www.youtube.com/watch?v=WEdU8KhNGuA (zuletzt aufgerufen am 11.09.2014).

Sonstige

Musikhandschrift:

Ad Mortem Festinamus. Fol. 26v/27r. In: Llibre Vermell de Montserrat, Medici Codex, 1399.

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Anhang

A. Songtext Hurt Text: Trent Reznor [] Johnny Cashs Änderungen

1. Strophe 1 I hurt myself today 2 To see if I still feel 3 I focus on the pain 4 The only thing that’s real 5 The needle tears a hole 6 The old familiar sting 7 Try to kill it all away 8 But I remember everything Pre-Chorus 9 What have I become? 10 My sweetest friend 11 Everyone I know 12 Goes away in the end Chorus 13 [And] you could have it all 14 My empire of [dirt] 15 I will let you down 16 I will make you hurt 2. Strophe 17 I wear this crown of [thorns] 18 Upon my liar’s chair 19 Full of broken thoughts 20 I cannot repair 21 Beneath the stains of time 22 The feeling disappear 23 You are someone else 24 I am still right here Pre-Chorus 25 What have I become? 26 My sweetest friend 27 Everyone I know 28 Goes away in the end Chorus 29 [And] you could have it all 30 My empire of [dirt] 31 I will let you down 32 I will make you hurt Coda 33 If I could start again 34 A million miles away 35 I would keep myself 36 I would find a way

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B. Transkription Hurt

i. 1. Strophe

ii. Pre-Chorus und Chorus

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iii. 2. Strophe

iv. Pre-Chorus und Chorus

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v. Coda (bzw. Chorus‘)

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C. Superstruktur „Goes away in the end“ [01:10–01:14]

D. Superstruktur „You are someone else / I am still right here“ [02:20–02:30]

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E. Superstruktur „My sweetest friend“ [02:36–02:43]

F. Superstruktur „My empire of dirt“ [02:57–03:05]