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Auf der Suche nach den kosmischen Bomben

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152 Astronornie

Asteroiden und Meteorite werden also nur aufgrund der Grofle unterschieden, wobei die Grenze aber keinesfalls scharf definiert ist.

Fast alle Objekte befinden sich im sogenann- ten Asteroidengiirtel, einem relativ schmalen Gebiet zwischen den Umlaufbahnen der Pla- neten Mars und Jupiter (Abbildung 1). Durch Stofle der Asteroiden untereinander und auf- grund 17011 Storungen Jupiters auf die Korper, werden bisweilen einige Asteroiden aus dem Asteroidengiirtel herauskatapultiert. Ein Teil dieser Objekte gerat auf Umlaufbahnen, die sie in das innere Sonnensystem und in Erd- nahe iiihren.

In jeder wolkenlosen Nacht zeigen die Stern- schnuppen, dai3 die Erde unentwegt aus dem Weltraum bombardiert wird. Mit Geschwin- digkeiten von etlichen Kilometer pro Sekun- de treffen diese Teilchen auf die Lufthiille un- seres Planeten. Wahrend ihres Sturzes durch die inimer dichter werdende Atmosphare hei- zen sich die Partikel auf und vergliihen. Groflere Meteorite iiberstehen die Erhitzung und gelangen schliefllich zum Boden. Auf ih- nen beruht der groflte Teil unseres Wissens iiber die mineralogische Zusammensetzung der Asteroiden.

Obwohl viele Berichte kursieren, nach denen Menschen durch herabfallende Meteorite ver- letzt wurden, gibt es in der westlichen Welt keine zweifelsfrei dokumentierten Todesfalle. Lediglich in chinesischen Chroniken finden sich entsprechende Hinweise. So fie1 bei- spielsweise im Jahre 616 ein Meteorit in ein Rebellenlager, zerstorte Kriegsgerat und tote- te mehrere Menschen [I].

Das Gefahrenpotential

Weder Sternschnuppen noch Meteorite berei- ten den Wissenschaftlern Kopfzerbrechen, wohl aber seit einigen Jahren die groflen Kor- per, angefangen bei hausgroflen Brocken his hin zu Felsen rnit einigen Kilometern Durch- messer. Diese konnen die Atmosphare nahe- zu unbeschadet durchquercn und bilden eine stew Gefahr fur Menschen und prinzipiell so- gar fur die menschliche Zivilisation [2].

Trifft solch ein Asteroid auf die Erdatmos- phare, entscheiden Masse, Mineralogie und Geschwindigkeit iiber sein weiteres Schicksal. Zuriachst wird die Oberflache durch die Rei- bungshitze aufgeschmolzen. Bei kleineren Objekten his etwa 100 in Durchmesser ge- langt die Hitze durch Warmeleitung in das

Inncre und verformt den Asteroiden. Durch mechanische Spannungen zerbrechen diese Korper in einigen Kilometern Hohe, wobei die kinetische Energie in einen Feuerball und cine Druckwelle dissipiert wird. Die Uberre- ste eines Steinasteroiden gelangen danach mit der Frei-Fall-Geschwindigkeit zu Boden, wo sie kleinere Krater hinterlassen. Lediglich Ei- senasteroiden iiberstehen den Sturz durch die Atmosphare nahezu unbeschadet und erzeu- gen groflere Krater, wie denjenigen in der Wiiste von Arizona.

In Abhangigkeit von der Hohe verteilt sich die freigesetzte Energie in der Atmosphare ohne Schaden anzurichteii (Abbildung 2). Am Auftreffpunkt konnen aber auch Brande entziindet und durch die Druckwelle Baume gefallt oder Gebaude beschadigt werden. Die- ses Szenario ahnelt dem einer Atombomben- explosion in der Atmosphare. Die Formeln zur Berechnung der Schaden wurden bei Atomwaffentests entwickelt [S].

Als historisches Beispiel gilt der Tunguska- Meteorit, der 1908 in der Nahe des sibiri- schen Flusses Tunguska niederging (Abbil- dung 3). Insgesamt wurde ein Gebiet von mehr als 2000 km2 verwiistet, mehr als 20 km im Umkreis um die Einschlagstelle (entspre- chend der Grijfle Berlins) wurden Baume ge- knickt und Waldbrande entziindet. Noch in 40 km Entfernung konnten Schaden festge-

Abb. 2. Explosionshohe erdnaher Astero- iden in Abhangigkeit von der freigesetzten Energie. Die offenen Symbole bezeichnen zwolf bekannte Asteroiden mit Durchmes- sern zwischen fiinf und zehn Meter, wobei angenommen wird, dafi alle Objekte eine bestimmte Zusammensetzung aufweisen. Zwei historische Asteroiden werden durch ausgefiillte Symbole dargestellt: A Tungus- ka, 0 Revelstoke. Die durchgezogene Linie, bei der die Druckwelle keine Schaden am Boden hinterlafit, liegt rnit zwei Ausnah- men unterhalb der Symbole. Die gepunkte- te Linie bezeichnet die von der Energie ab- hangige Hohe, bei der Steinasteroiden ex- plodieren [8].

Abb. 3. 1908 verwiistete der Tunguska-Me- teorit ein Gebiet von einigen tausend Qua- dratkilometern. Die Skizze vergleicht dieses Gebiet mit den amerikanischen Stadten New York und Washington, DC. [2].

stellt werden. Als Ursache gilt ein Asteroid von etwa 60 m Durchmesser, der in 8,5 km Hohe explodierte und dabei eine Energie von etwa 10 MT freisetzte [3]. Das entspricht etwa der Energie einer groflen Wasserstoff- bombe.

Asteroiden mit mehr als 100 m Durchmesser konnen den Boden erreichen und Krater von mehreren Kilometern Durchmesser hinterlas- sen. Da ein Teil der kinetischen Energie bei der Kraterbildung verbraucht wird, ist die Gesamtflache der Zerstorung wahrscheinlich nicht grofler, als wenn ein kleinerer Asteroid in der Atmosphare explodiert.

Was fur Folgen haben Einschlage von Astero- iden mit Durchmessern zwischen einem Ki- lometer und fiinf Kilometer? Atomwaffen- tests bieten hier keine Hilfe mehr. Aufgrund von Schatzungen, die zum Teil auf geologi- schen Daten beruhen, wird vermutet, dafl sie Krater von 10 his 15 km Durchmesser erzeu- gen. Grofle Mengen Staub werden dabei in die Stratosphare geblasen, wo sie iiber Jahre hinweg verbleiben. In Analogie zum soge- nannten nuklearen Winter wiirden die Luft- temperaturen um einige Grad fallen und welt- weite Ernteausfalle und Hungersnote waren die Folge. Statistisch erfolgen solche Ein- schlage etwa alle 300 000 Jahre. Noch seltener sind Einschlage von Asteroiden mit mehr als fiinf Kilometer Durchmesser. Nur alle 10 bis

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30 Millionen Jahre finden solche Ereignisse statt. Das sogenannte KT-Ereignis, das vor 65 Millionen Jahren am Ubergang vom Kreide- zum Tertiarzeitalter stattfand und zu einem Massenaussterben verschiedener Lebensfor- men, darunter der Dinosaurier, fiihrte, sol1 durch einen Asteroiden dieser Grofie verur- sacht worden sein (Abbildung 4).

Die erdnahen Asteroiden

Uber 150 der bckannten Asteroiden befinden sich auf Umlaufbahnen, die sie in die Nahe der Erde bringen. Alle derartigen Korper werden als Near Earth Objects (NEO) be- zeichnet. Zu ihnen gehoren auch Kometen, von denen sich viele auf Umlaufbahnen zwi- schen Jupiter und der Sonne befinden, die sie alle paar Jahre in die Nahe der Erdbahn fiihren. Sie machen jedoch nicht mehr als ein Prozent der NEO aus, so dai3 wir sie im fol- genden vernachlassigen konnen.

Keiner der bislang bekannten erdnahen Kor- per bildet eine akute Gefahr. Mond, Mars, Merkur und die Monde der g r o h Planeten zeigen jedoch, dai3 Asteroiden aller Grofle im ganzen Sonnensystem anzutreffen sind und auch heute noch die Planetenoberflachen ver- andern. Besonders die kraterzerfurchte Ober- flache des Mondes gibt wertvolle Hinweise auf die wirkliche Population der erdnahen Asteroiden. Aus der Grofienstatistik der Mondkrater und aus Modellen zur Kraterent- stehung bestimmt man die Grofle der Objek- te, welche diese Krater erzeugten. Die Anzahl N der N E O in Abhangigkeit von ihrem Durchmesser D wird durch ein Potenzgesetz der Form

beschrieben.

Integriert man zwischen verschiedenen Durchmessern, so erhalt man die Zahl aller Asteroiden, die grofier sind als ein gegebener Durchmesser (Abbildung 5). Demzufolge gibt es 320 000 Asteroiden, die grofier als 100 m sind! Zu diesen gesellen sich noch die sogenannten kurzperiodischen Kometen (mit Umlaufzeiten bis etwa fiinf Jahren), die je- doch, wie gesagt, nur ein Prozent zur Zahl der Objekte beitragen.

Langperiodische Kometen bilden eine weitere Komponente der erdnahen Objekte. Pro Jahr werden etwa drei neue langperiodische Ko- meten entdeckt, deren Grofle zwischen drei

Abb. 4. Zeitraum zwischen zwei Asteroiden- treffern, aufgetragen uber der freigesetzten Energie. Bei 0,Ol MT betragt die Unsicher- heit in den Einschlagfrequenzen einige Mo- nate, bei 100 MT einige zehn Millionen Jah- re. Die am oberen Rand angegebenen Durchmesser beruhen auf der Annahme, dafi die Asteroiden eine Geschwindigkeit von 20 km s-' und eine Dichte von 3 g cm-3 besitzen. Eingezeichnet sind der Tunguska- Meteorit von 1908 sowie das Ereignis in der Ubergangszeit zwischen Kreide und Tertiar vor 65 Millionen Jahren [4].

Abb. 5. Anzahl der erdnahen Asteroiden, grofler als ein gegebener Durchmesser. Die Zahlen beruhen auf Beobachtungen der erd- nahen Asteroiden, der Analyse von Mond- kratern und geologischen Daten. Der Feh- lerbereich wird durch die rot markierte Flache eingegrenzt. Kometen erhohen die angegebenen Werte um etwa ein Prozent [2].

und acht Kilometer betragt. Da sie sich mit hoherer Geschwindigkeit bewegen als die Korper im inneren Sonnensystem, tragen langperiodische Kometen auch starker zum Flufi derjenigen Objekte bei, welche dic Erde treffen. Allein 25 YO des gesamten Risikos wird durch sie verursacht.

Statistische Risiken

Interessant ist die Risikoanalyse, die sich aus der statistischen Haufigkeit von Asteroiden- treffern ableiten lai3t. In die Risikoschatzung gehen die Haufigkeit der Asteroiden, die da- von betroffene Landflache und die Bevolke- rungsdichte in dem jeweiligen Gebiet ein.

Ein grofier Asteroid mit einem Durchmcsser von ein his zwei Kilometer, der weltwcite Auswirkungen hat, schlagt einmal in 500 000 Jahren auf der Erde ein (siehe Tabelle 1 und Abbildung 6). Da solche Ereignisse jcde meiischliche Erfahrung iibcrsteigen, definier- ten einige Autoren dic globale Katastrophc so, dai3 mindestens ein Viertel der Weltbevol- kerung bei einem solchen Ercignis getotet wird. Das Risiko fur jeden Menschen betragt dann eiii Viertel. Zusammen mit der jahrli- chen Wahrscheinlichkeit eines Treffers von 1/500 000 folgt, dai3 die jahrliche Wahrschein- lichkeit durch einen groflen Asteroiden zu sterben 1 zu 2 000 000 betragt, etwas hoher als die Gefahr in Amerika durch Botulismus (eine durch Bazillen hervorgerufene Form der Lebcnsmittelvergiftung) umzukomrnen (siehe Tabelle 2).

Ein Tunguska-artiger Asteroid verwiistet ein Gebiet von ctwa 5000 km2 (grob 1/30000 der Erdoberflache ohne Ozeane). Ware die Welt- bevolkerung gleichmai3ig verteilt, so ergabe sich eine jahrliche Wahrscheinlichkeit von etwa 1 zu 30 Millionen, fiinfz,ehn Ma1 gerin- ger als bei einem Einschlag mit weltweiten Folgen (Abbildung 6).

Zwar bedeuten diese Zahlen, dai3 rein stati- stisch pro Jahr etwa 3000 Menschen durch ei- nen grogen, beziehungsweise 200 Menschen durch einen kleincn Asteroiden getijtet wer- den (bei einer Weltbevolkerung von 6 Milliar- den Menschen). Ein grundlegender Unter- schied zwischen dem Risiko von Asteroiden- treffern und eher normalen Katastrophen darf jedoch nicht vergessen werden: Der Ein- schlag eines groflen Asteroiden ist ein auflerst seltenes, einmaiiges Ereignis, das weltweite Konsequenzen auslost. Tornados, Uber- schwemmungen oder Autounfalle gehoren

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Abb. 6. Mittlere jahrliche Todesrate (a) so- wie Todesfalle je Ereignis (b), aufgetragen iiber der von Asteroiden freigesetzten En- ergie. Die gepunktete Linie zeigt das An- wachsen der Todesrate falls bei den Astero- identreffern Flutwellen erzeugt werden. Die rote Flache reprasentiert die Unsicher- heit, ab wann die globale Katastrophe ein- tritt. Ebenfalls eingetragen sind die Durch- messer der Asteroiden (untere Achse) sowie die statistische Wahrscheinlichkeit eines Einschlags [4].

dagegen zur Tagesordnung. Die Risiken kon- nen eigentlich nicht sinnvoll niteinander ver- glichen werden! Nach einem Tornado oder Erdbeben beginnen die Aufraurnarbeiten, und die Uberlebenden machen weiter wie zu- vor. Nach dem Einschlag eines grofien Asteroiden wird kaum etwas bleiben wie es war.

Dieser qualitative Unterschied beeinflufit spiirbar die offentliche Diskussion [4]. Gerin- ges statistisches Risiko verfiihrt offenbar dam, eine Gefahr zu unterschatzen. Die An- gabe einer Todeszahl fiihrt eher zu einer greif- baren Vorstellung von den Ausmafien einer Gef ahr.

Je mehr Tote oder je unvorstellbarer ein Er- eignis, desto starker ist das offentliche Inter- esse. So zeigen Studien, dafi beispielsweise ein

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Flugzeugabsturz, bei dem einige hundert Op- fer zu beklagen sind, mehr Aufmerksamkeit erregt, als die vielen tausend Menschen, die jahrlich bei Verkehrsunfallen sterben. Das Spannungsfeld dieser Extreme ,,statistisches Risiko" und ,,vorstellbare Ausrnai3e" fiihrt schliefilich dam, dai3 manche Menschen eine Gefahr vollig ignorieren, andere jedoch in Pa- nik geraten (Abbildung 7).

SPACEWATCH: Auf der Suche nach Asteroiden

Der erste erdnahe Asteroid, Apollo, wurde bereits 1932 in Heidelberg beobachtet, war jedoch bis zu seiner Wiederentdeckung 1973 verloren. Bis in die siebziger Jahre hinein wa- ren nur wenige N E O bekannt. Seitdem initi- ierten verschiedene Gruppen Beobachtungs-

Tabelle 1: Haufigkeit und mogliche Auswirkung von Asteroiden [4].

Ereignis Durchmesser Energie (MT) Typisches Tote Tote

Uahre) Jahr des Asteroiden Interval1 pro

Atmospharenexplosion < 50 m

Tunguska-artig 50-300 m

Grofie Asteroiden mit 300-600 m eher lokalen Folgen

300 m-1,5 km 300 m-5 km

Globale Katastrophe > 600 m (Untergrenze) Globale Katastrophe > 1,5 km

Globale Katastrophe > 5 km (Obergrenze) KT-Ereignis < 10 krn

< 9 k. A.

9-2000 250

2000-3,5. lo4 35000

2000-2,5. lo4 25000 2000-10' 25000

i , 5 . lo4 7 . 104

2.105 5.105

10' 6 . lo6

108 108

0

5 . lo3

3.105

5.105 1,2 ' 106

i,5 . lo9

i ,5 . lo9

i ,5 . lo9

5 . lo9

0

20

8

20 45

2.104

3.10'

250

50

Tabelle 2: Statistisches Risiko fur einige ausgewahlte Todesursachen (USA) [4].

Todesursache Risiko

Autounfall Mord Feuer Unfall mit Schufiwaffen Einschlag eines Asteroiden oder Korneten (Untergrenze) Stromschlag Einschlag eines Asteroiden oder Kometen Flugzeugabsturz Flut Tornado Giftige Bisse oder Stiche Einschlag eines Asteroiden oder Kometen (Obergrenze) Unfall mit Feuerwerksartikeln Nahrungsmittelvergiftung durch Botulismus

1:lOO 1:300 1900 1:2500 1:3000 1:5000 1:20000 1:20000 1 :30000 1:60000 1 :100000 1 :250000 1:l Million 1:3 Millionen

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programme, um systematisch nach erdnahen Objekten zu suchen. Zu Beginn wurden aus- schliefllich sogenannte Schmidt-Teleskope benutzt. Diese Spiegelteleskope besitzen eine spezielle Optik, welche Verzerrungen am Rand des Bildfeldes korrigiert. Dadurch las- sen sich grofle Felder von etwa vier Quadrat- grad (Do) auf Fotoplatten aufnehmen. Dies entspricht etwa dem zwanzigfachen der Scheibe des Vollmondes.

Trotz der groflen Felder, die mit einer solchen Aufnahme untersucht werden konnen, weisen die Programme einen entscheidenden Nach- teil auf. Die Fotoplatten miissen erst ent- wickelt und dann mit einer zweiten Aufnah- me derselbeii Himmelsregion verglichen wer- den. Ein Asteroid verrat sich durch seine Bewegung am Himmel, das heii3t er befindet sich nur auf einer der Aufnahinen oder hin- terlaflt dort aufgrund seiner Bewegung vor dem Sternenhintergund einen kurzen Strich.

Die erdnahen Asteroiden besitzen eine be- sonders hohe Relativbewegung am Himrnel und verandern deshalb ihre Position sehr schnell. Um sie besser und leichter erkennen zu konnen, wurde 1981 am Kitt PeakObser- vatorium in Arizona ein ,,Spacewatch" ge-

Abb. 7. Die Anzahl der Todesopfer bei verschiedenen Un- fallen und Natur- katastrophen auf- getragen uber dern statistischen Risiko. Ereignisse rnit weit- reichenden Konse- quenzen befinden sich oben, solche mit geringen Aus- wirkungen unten. Je seltener ein Er- eignis eintritt, desto weiter rechts ist es zu finden. Die Pfeile beschreiben diese Einordnung. [4].

nanntes Beobachtungsprogramm eingerich- tet. Dieses Teleskop mit einem Spiegeldurch- messer von 0,9 m ist mit einer Charge-Coup- led-Device-Kamera (CCD) ausgeriistet, we]- che den Himmel auf einen Halbleiterchip abbildet. Die eintreffenden Photonen heben Elektronen in die Leitungsbander des Halbleiters. Damit sich die Elektronen nicht iiber den ganzen Chip verteilen, ist er durch Sperrpotentiale in einzelne Segmente aufge- teilt, die als Bildelemente, oder neudeutsch ,,Pixel", bezeichnet werden. Erst beim Ausle- sen des Chips werden durch Steuerspannun- gen die Potentiale kontrolliert abgebaut und die Elektronen in die Ausleseelektronik ver- schoben und registriert. Diese Instrumente haben den Nachteil eines kleinen Bildfeldes von typischerweise nur wenigen Quadratbo- genminuten. Ihr Vorteil liegt im weiten und li- nearen dynamischen Bereich. Die doppelte Zahl von Elektronen bedeutet, dai3 auch dop- pelt so viel Licht gesamrnelt wurde. Zudem konnen die Bilder unmittelbar nach der Auf- nahme mit einem Computer ausgewertet und betrachtet werden.

Fur Spacewatch wurde ein besonderer, auto- matischer Beobachtungsmodus entwickelt. Das Teleskop wird auf den Himmel gerichtet,

entgegen der ublichen astronomischen Praxis aber nicht der Himmelsdrehung nachgefiihrt. Das CCD ist so im Strahlengang des Tele- skops angebracht, dafl ein Bereich von einer Quadratbogensekunde am Himmel auf je- weds ein Pixel abgebildet wird. Der Himmel dreht sich rnit 15 Bogensekunden pro Sekun- de iiber dem Teleskop weg. Nun liest man pro Sekunde 15 Zeilen des CCD aus und re- gistriert die Elektronen. Dieses Verfahren kompensiert die Erddrehung und die Sterne werden wie iiblich als Punkte abgebildet. Asteroiden, die sich im Sichtfeld der CCD- Kamera befinden, bewegen sich jedoch vor dem Sternhintergrund und erzeugen eine Strichspur, durch die sie sich identifizieren lassen (Abbildung 8) [6].

Trotz des kleineren beobachtbaren Himmels- bereiches entdeckt Spacewatch derzeit genau- so viele Asteroiden, wie die fotographischen Beobachtungsprogramme. Der Grund ist die geringere Grenzhelligkeit der CCD-Kamera im Vergleich zu Fotoplatten, so dai3 sich wc- sentlich lichtschwachere und damit auch viel kleinere Asteroiden auffinden lassen. Der bis- lang kleinste damit entdeckte Asteroid hat einen Durchmesser von etwa fiinf Metern [7] .

Die Zukunft von Spacewatch heist Spaceguard

Ziel der Astronomen ist es, in absehbarer Zeit die Population erdnaher Asteroiden fast voll- standig aufzuspiircn. Hierfiir reicht das Spacewatch-Programm in seiner jetzigen Form jedoch nicht aus. Ein viel groi3eres Himmelsareal muflte Monat fur Monat unter- sucht werden. U m einen potentiell gefahr- lichen Korper moglichst friih zu entdecken, sollte das Beobachtungsvolumen mindestens bis zum Asteroidengiirtel reichen, der etwa 225 Millionen km von der Erde entfernt ist. Dies bedeutet unter anderem, dafl sehr lichtschwache Objekte gefunden werden miissen.

Von Rotation oder Form des Kiirpers einmal abgesehen sind die Asteroiden am hellsten, wenn sie sich in Opposition, von der Erde aus gesehen gegeniiber der Sonne, befinden. Da die Umlaufbahnen der meisten Objekte im Sonnensystem nur wenige Grad gegen die Ekliptik, die Bahnebene der Erde, geneigt sind, beobachtet man sinnvollerweise um den Oppositionspunkt einen etwa 60" langen Streifen entlang der Ekliptik, der sich 60" nordlich und siidlich davon erstreckt.

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Abb. 9. Anzahl der entdeckten erdnahen Objekte nach Ejahriger Laufzeit der Spa- ceguard-Durchmusterung. Bei einer be- stimmten Grenzhelligkeit der Teleskope werden etwa 90 Yo aller Asteroiden mit mindestens 2 km Durchmesser und etwa 80 aller Objekte mit mindestens 500 m Durchmesser gefunden. Objekte, die der Erde sehr nahe kommen, lassen sich leich- ter und haufiger beobachten, so daf3 fast alle potentiell gefahrlichen Asteroiden be- kannt: sein werden [2].

Abb. 8. Acht Spacewatch-Aufnahmen des Asteroiden 1991 BA, dessen Durchmesser 5 bis 10 m betragt. Die Belichtungszeit betrug jeweils 2,s Minuten. Durch seine hohe Geschwin- digkeit hinterlief3 der Asteroid die diinne Strichspur im Zentrum jeder Aufnahme [6] .

Mit dem Potenzgesetz aus Gleichung (1) so- wie weiteren bekannten Parametern der Asteroiden lassen sich die Entdeckungswahr- scheinlichkeiten von Asteroiden abschatzen. Aus diesen Angaben berechnet man die Zahl der Astcroiden, die man bei einer gegebenen Grenzhelligkeit des Teleskops auffinden kann.

Durchmustert man pro Monat 6000 0" kon- tinuierlich uber 25 Jahre hinweg, sollte man 87 % aller N E O finden, die groRer als ein Ki- lometer sind (Abbildung 9). Iinmerhin 91 % aller potentiell gefahrlichcn Asteroiden konn- ten so entdeckt werden.

Fur Kometen mug man die Erwartungen her- unterschrauben. Da langperiodische Kometen unvorhersagbar aus dem auReren Sonnensy- stem einfliegen und ihre Bahnen durch die groRen Planeten erheblich verandert werden konnen, bilden diese Objekte eine standige Gefahrenquelle. N u r etwa ein Drittel aller Kometen groRer als ein Kilometer konnen mit einer dreimonatigen Vorwarnzeit entdeckt werden.

U m diese Entdeckungsrate zu erzielen,

benotigt man allerdings ein globales Netz von Teleskopen. Bei der Verteilung der Such- region ober- und unterhalb der Ekliptik wird im Lauf eines Jahres der game Himmel er- fafit, das heii3t die Beobachtungen reichen vom Himmelsnordpol bis zum Himmelssud- pol. Daher miissen sich Teleskope auf beiden Erdhalbkugeln an der Suche beteiligen. U m Schlechtwetterphasen besser abfangen zu konnen, sollten auf jeder Erdhalbkugel meh- rere Teleskope an unterschiedlichen Standor- ten eingesetzt werden.

Selbst unter guten Bedingungen stehen kaum mehr als 700 Stunden Beobachtungszeit pro Jahr zur Verfiigung, von denen etwa die Half- te fur die Durchmusterung aufgewendet wer- den konnen. Durch sorgfaltige Planung der Beobachtungen geniigen immerhin drei auf- einanderfolgende Nachte, urn die Bahn eines neuentdeckten Asteroiden sicher zu bestim- men.

GroRc CCD-Kameras, mit 2048 x 2048 Pi- xel erfassen knapp 0,25 0" auf einmal, wes- halb mehrere und groRerc CCD notig sind, um die angestrebten 6000 0" pro Monat ab- zudecken. Fotographische Durchmusterun-

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gen mit den erwahnten Schmidt-Teleskopen stehen jedoch nicht zur Debatte, da die Aus- wertung dcr Fotoplatten mit der Geschwin- digkeit der Beobachtungen nicht Schritt hal- ten konnte.

Aus der Studie der NASA geht hervor, dai3 sechs Teleskope mit je zwei Meter Durchmes- ser oder vier Teleskope mit jeweils drei Meter die gestellten Anforderungen dieses ,,Space- guard" genannten Projektes erfiillen [2]. Zu- satzlich miii3te auch noch eine Operations- zentrale geschaffen werden, welche die Beob- achtungen koordiniert, die Archivierung iiberwacht und dafiir Sorge tragt, dai3 einzel- ne Objekte gegebenenfalls von anderen Ob- servatorien genauer untersucht werden.

Und was kostet der Spa&?

Teleskope von zwei bis drei Meter Durch- messcr sind heutzutage technologischer Stan- dard. Zusammen mit dem Gebaude wiirde ein Teleskop etwa sechs Millionen US-Dollar (US$) kosten. Dazu kame je eine Million Dollar fur neue, groi3e CCD-Kameras und Computer. Die sechs Teleskope waren somit fur gerade 48 Millionen US$ zu haben.

Alles in allem fallen einmalige Kosten von 50 Millionen US$ und laufende Kosten von etwa 15 Millionen US$ pro Jahr an. Ein Teil der jahrlichen Kosten liefie sich noch reduzieren, indem man die Teleskope an bereits existie- renden Observatorien installiert. Die Studie sieht Tor, die Teleskope iiber acht Jahre hin- weg zu bauen und zu installieren, so dai3 pro Jahr maximal acht Millionen US$ benotigt wiirden.

Auch iiber internationale Kooperation beim Bau und Unterhalt der Teleskope diskutiert man. Wiirde auch nur ein gefahrlicher Asteroid entdeckt und beseitigt, hatten alle Nationen von diesem Programm profitiert. Es liegt ako nahe, die Kosten weltweit zu ver- teilen. Ein Vorschlag lautet, dai3 die USA fur zwei Teleskope sowie die Operationszentralc zustandig waren, wahrend andere hochtech- nisierte Staaten die restlichen Teleskope er- richten wiirden.

GegenmaRnahmen

Was bleibt zu tun, wenn ein Asteroid oder Komet auftaucht, der sicher mit der Erdc kol- lidieren wird? Bei kleinen Korpern bis etwa 100 m Durchmesser sind Gegenmahahmen praktisch unnotig. Die Objekte explodieren

fast alle in der Atmosphare, so dai3 es genii- gen wiirde, die betroffenen Gebiete zu evaku- ieren. Bei vie1 groi3eren Asteroiden muR man Verfahren finden, wie diese aus der Bahn ge- lenkt oder zerstort wcrden konnten.

Hier diskutieren Wissenschaftler in jiingster Zeit verschiedene Methoden. Besonders die Nukleararsenale der Supermachte konnten ihrer Meinung nach endlich einmal zum Wohl der Menschheit eingesetzt werden. Man konnte zum Beispiel gefahrliche Objekte durch Atomsprengkopfe zerstoren, mug da- bei allerdings beriicksichtigen, dai3 die radio- aktiven Bruchstiicke nach einer Sprengung immer noch die Erde treffen konnten.

Ein anderer Vorschlag sieht vor, einen atoma- ren Sprengkopf von einigen Megatonnen ne- ben einem gefahrlichen Objekt zu ziinden. Dadurch wiirde dessen Oberflache so stark erhitzt, dai3 ein Geysir aus geschmolzenem Gestein herausschieflen wiirde. Der Riickstoi3 gabe dem Asteroiden einen zusatzlichen Im- puls und wiirde so dessen Umlaufbahn an- dern.

Je friiher die Gefahr entdeckt wird, desto we- niger Sprengkraft ist notwendig. Damit ein Korper um die Strecke eines Erdradius von seiner Bahn abgelenkt wird, geniigt eine Ge- schwindigkeitsanderung von

wobei t die Zeit in Jahren zwischen der Sprengung und dem erwarteten Aufprall des Obiekts auf der Erde ist [j].

Literatur

[1] K. Yau, I? Weissman, D. Yeomans; Human Casualties and Structural Damage Due to Meteorite Falls Found in East Asian Histories; Jet Propulsion Laboratory; Vorab- druck (1993).

[2] D. Morrison (Hrsg.); The Spaceguard Survey. Report of the NASA International Near-Earth-Object Detection Workshop; NASA/JPL (1 992).

[3] I? J. Thomas, C. F. Chyba, K. Zahnle, Pressemitteilung; University of Wisconsin (1992).

[4] C. R. Chapman, D. Morrison, Nature 367,33 (1994).

[5] T. J. Ahrens, A. W. Harris, Nature 360, 429 (1 992).

[6] J. V. Scotti, D. L. Rabinowitz, B .G. Marsden, Nature 354,287 (1991).

[7] D. L. Rabinowitz et. al., Nature 363, 704 (1 993).

[8] C. F. Chyba, Nature 363,701 (1993).

[9] A. Unsold, B. Baschek; Der neue Kosmos 4. Auflage S.129ff; Springer Verlag, Berlin (1988).

Potentiell gefahrliche Asteroiden konnen friihzeitig genug entdeckt werden, um Ge- genmaflnahmen iiber viele Jahre hinweg zu planen.

Nur bei Kometen ware eine schnelle Abwehr notwendig. Die Vorwarnzeiten fur langperi- odische Kometen sind sehr kurz. Da sie aus jeder Richtung kommen, werden sie meist erst spat entdeckt. Befande sich solch ein Ko- met auf Kollisionskurs mit der Erde, bliebe nur drei Monate bis ein Jahr Zeit, um auf die Gefahr zu reagieren. Gunnar Radons, geboren 1960 in Mannheim,

1987 Diplom in Physik, 1992 Promotion in Astronomie, jeweils an der Universitat Hei- delberg.

Anschrift: Dr. Gunnar Radons, Schwetzin- gerstrafie 171,68165 Mannheim.

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