6
32 Bergsteiger 11⁄13 Sprengungen am Berg nötig gemacht hätte und die Aussicht auf den südlichen Teil des Gebirgsstockes schöner gewesen wäre, spiel- te damals keine Rolle. Im Schatten berühmter Gipfel Das Haus ist trotzdem schön geworden. Es wurde im Lauf der Jahrzehnte mehrmals modernisiert und mit der neuesten Technik zur Erzeugung alternativer Energie und ei- ner modernen Kläranlage ausgestattet. Gebietskenner wunderte. Denn der gebürtige Franke Gsänger sei damals zum ersten Mal auf die Reiter Alpe gekommen. »Mein Opa erzählte mir: Der schaute in alle Himmels- richtungen und deutete mit ausgestrecktem Arm spontan auf eine Stelle, auf der das Haus zu erbauen sei«, erinnert sich die Enkelin des Namensgebers der Hütte. »Und einem Ar- chitekten des Führers wagte natürlich nie- mand zu widersprechen.« Dass der von der Sektion eigentlich bevorzugte Platz keine E in sonniger Nachmittag auf der Ter- rasse der Neuen Traunsteiner Hütte. Die Frau am Nebentisch blättert in einer alten Chronik der Traunstei- ner Alpenvereins-Sektion. Auf ei- nem vergilbten Foto ist der damalige Vorsit- zende Karl Merkenschlager zu sehen, wie er im September 1938, also vor ziemlich genau 75 Jahren, die neue Hütte einweiht. »Ein sau- berer Nazi«, üstere ich meiner Freundin zu. »Sieht man dem schon an der Nasenspitze an.« Die Frau nebenan hört es trotzdem und legt die Chronik beiseite. »Ein Nazi war mein Großvater eigentlich nicht«, sagt sie. Aus dem ungewollten Tritt in den Fettnapf entspinnt sich eine interessante Unterhal- tung. Ihr Opa sei der Deutschen Volkspartei (DVP) nahegestanden, erzählt die Dame. »Er wollte die Monarchie zurück und hatte des- halb mit der NS-Ideologie nichts am Hut.« Trotzdem hätten die Nazis bei dem Neubau – die alte Hütte war zu klein geworden – natürlich eine Rolle gespielt. Denn den Standort dieses fortan »Neue Traunsteiner Hütte« oder »Karl-Merkenschlager-Haus« ge- nannten Stützpunktes habe der Baurat Gsän- ger festgelegt, worüber sich damals mancher Foto: Sandra Urbaniak Reif für die Reiter Alpe Der Gebirgsstock gilt als bestgehütetes Geheim- nis zwischen Chiemgau und Berchtesgadener Land. Wer die Reiter Alpe besucht, findet selbst in der Hochsaison Ruhe und Einsamkeit. Die Neue Traunsteiner Hüe, vor 75 Jahren erbaut, ist der ideale Ausgangspunkt für eine Reihe von Gipfel- touren auf dem weitläufigen Hochplateau. Von Günter Kast AUF TOUR

AUF TOUR Reif für die Reiter Alpe - Traunsteiner Hütteregelmäßig die Hütte, um zu sehen, ob etwas Fressbares abfällt. Weil Isidor aber nicht spricht, weiß niemand, wie es ihn

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: AUF TOUR Reif für die Reiter Alpe - Traunsteiner Hütteregelmäßig die Hütte, um zu sehen, ob etwas Fressbares abfällt. Weil Isidor aber nicht spricht, weiß niemand, wie es ihn

32 Bergsteiger 11⁄13

Sprengungen am Berg nötig gemacht hätte und die Aussicht auf den südlichen Teil des Gebirgsstockes schöner gewesen wäre, spiel-te damals keine Rolle.

Im Schatten berühmter Gipfel

Das Haus ist trotzdem schön geworden. Es wurde im Lauf der Jahrzehnte mehrmals modernisiert und mit der neuesten Technik zur Erzeugung alternativer Energie und ei-ner modernen Kläranlage ausgestattet.

Gebietskenner wunderte. Denn der gebürtige Franke Gsänger sei damals zum ersten Mal auf die Reiter Alpe gekommen. »Mein Opa erzählte mir: Der schaute in alle Himmels-richtungen und deutete mit ausgestrecktem Arm spontan auf eine Stelle, auf der das Haus zu erbauen sei«, erinnert sich die Enkelin des Namensgebers der Hütte. »Und einem Ar-chitekten des Führers wagte natürlich nie-mand zu widersprechen.« Dass der von der Sektion eigentlich bevorzugte Platz keine

Ein sonniger Nachmittag auf der Ter-rasse der Neuen Traunsteiner Hütte. Die Frau am Nebentisch blättert in einer alten Chronik der Traunstei-ner Alpenvereins-Sektion. Auf ei-

nem vergilbten Foto ist der damalige Vorsit-zende Karl Merkenschlager zu sehen, wie er im September 1938, also vor ziemlich genau 75 Jahren, die neue Hütte einweiht. »Ein sau-berer Nazi«, fl üstere ich meiner Freundin zu. »Sieht man dem schon an der Nasenspitze an.« Die Frau nebenan hört es trotzdem und legt die Chronik beiseite. »Ein Nazi war mein Großvater eigentlich nicht«, sagt sie.Aus dem ungewollten Tritt in den Fettnapf entspinnt sich eine interessante Unterhal-tung. Ihr Opa sei der Deutschen Volkspartei (DVP) nahegestanden, erzählt die Dame. »Er wollte die Monarchie zurück und hatte des-halb mit der NS-Ideologie nichts am Hut.« Trotzdem hätten die Nazis bei dem Neubau – die alte Hütte war zu klein geworden – natürlich eine Rolle gespielt. Denn den Standort dieses fortan »Neue Traunsteiner Hütte« oder »Karl-Merkenschlager-Haus« ge-nannten Stützpunktes habe der Baurat Gsän-ger festgelegt, worüber sich damals mancher

Foto

: San

dra

Urb

ania

k

Reif für die Reiter AlpeDer Gebirgsstock gilt als bestgehütetes Geheim-nis zwischen Chiemgau und Berchtesgadener Land. Wer die Reiter Alpe besucht, fi ndet selbst in der Hochsaison Ruhe und Einsamkeit. Die Neue Traunsteiner Hütt e, vor 75 Jahren erbaut, ist der ideale Ausgangspunkt für eine Reihe von Gipfel-touren auf dem weitläufi gen Hochplateau. Von Günter Kast

AUF TOUR

bs_2013_11_032_037.indd 32bs_2013_11_032_037.indd 32 19.09.13 11:2819.09.13 11:28

Page 2: AUF TOUR Reif für die Reiter Alpe - Traunsteiner Hütteregelmäßig die Hütte, um zu sehen, ob etwas Fressbares abfällt. Weil Isidor aber nicht spricht, weiß niemand, wie es ihn

11⁄13 Bergsteiger 33

Liebliche Landschaft en, spitze Hörner, einsame Touren

Der Steig aus der Mayrbergscharte zum

Wagendrischelhorn ist mit Drahtseilen gut ge-sichert. Im Hintergrund

das Stadelhorn

bs_2013_11_032_037.indd 33bs_2013_11_032_037.indd 33 19.09.13 11:2919.09.13 11:29

Page 3: AUF TOUR Reif für die Reiter Alpe - Traunsteiner Hütteregelmäßig die Hütte, um zu sehen, ob etwas Fressbares abfällt. Weil Isidor aber nicht spricht, weiß niemand, wie es ihn

34 Bergsteiger 11⁄13

kein Tourismusverband so richtig zuständig fühlt. Auch in Wanderführern ist die Reiter Alpe meist nur eine Randnotiz.Für die Wirtsleute der Hütte mag das ein Standortnachteil sein. Für die Bergfreunde – 80 Prozent sind Stammgäste und kom-men aus der Region – ist es ein Segen. Selbst in den Sommerferien, wenn in pro-minenteren Herbergen Löffel-Liegen im Zwölfer-Lager angesagt ist, geht es auf der »Traunsteiner« gemächlich zu. Nach dem Frühstück schnürt man seine Bergschuhe in aller Ruhe und macht sich dann auf, das etwa zehn Quadratkilometer große Tafel-gebirge zu erkunden, dessen Hochplateau mit den nach allen Seiten steil abfallen-den Wänden wie eine Insel wirkt, wie eine Schüssel, umgeben von Zweitausendern. Auf dem Weg zu den Gipfeln wandert man auf der Hochfl äche über Almen und Wei-den, auf denen Arnika, Akelei, Alpenrosen, Bergastern, Enzian, Speik und Steinraute wachsen – ein wahrer botanischer Garten.

Isidor, das einsame Murmeltier

Auch uralte Zirben gibt es noch. Meist dominieren jedoch Latschenfelder, denn das Gros des Waldes fi el dem Holzbedarf der Reichenhaller Saline zum Opfer. 1829 wurde die Reiter Alpe vom Salinenvertrag ausgenommen, die letzten Zirben durften weiterleben. In den lichten Wäldern füh-len sich Hirsche, Gämsen und sogar einige Birkhühner wohl. Tja, und dann gibt es da noch Isidor, das einzige Murmeltier auf der Reiter Alpe. Zumindest sind die Wirtsleute felsenfest davon überzeugt, dass Isidor hier oben der einzige seiner Art ist. Er besucht regelmäßig die Hütte, um zu sehen, ob

etwas Fressbares abfällt. Weil Isidor aber nicht spricht, weiß niemand, wie es ihn hierher verschlagen hat. Vielleicht war er einfach reif für die Insel und hat sich vom viel besuchten Watzmann abgesetzt…Apropos Watzmann: Nachdem wir am Morgen durch die Steinberggasse zum süd-östlichen »Tellerrand« der Reiter Alpe auf-gestiegen sind, blicken wir jetzt von den Plat-telköpfen hinüber zum Watzmannhaus. Mit dem Fernglas ist die Karawane zu erkennen, die sich zum Hocheck bewegt. Wir hingegen sind völlig allein. Wir könnten jetzt auf dem Böslsteig in die Ramsau zum Hintersee ab-steigen. Wir wollen jedoch die Beletage nicht verlassen und wandern weiter nach Süden. Allmählich wird die Landschaft alpiner, schroffer. Ein Steinernes Meer en miniature liegt vor uns. Und dahinter ragt steil und ab-weisend das Stadelhorn empor. Nach all

1901 erbaut: die alte Traunsteiner Hütt e

Schafe kommen im Frühsommer auf die Alm.

Zum traditionellen Almfest auf der Reiter Alpe gehört auch eine Bergmesse bei der Neuen Traunsteiner Hütt e.

Wir blicken von den Platt elköpfen mit dem Fernglas auf die Watzmannkarawane zum Hocheck – und sind völlig allein.

INFO

Hütte de luxe

Bei Kerzenschein im

Hochzeitszimmer

Auf AV-Hütten erwartet man nicht unbedingt Luxus. Maresi und Tom von der »Neuen Traunsteiner« wissen jedoch, dass sie auf der einsamen Reiter Alpe

aktiv um Gäste buhlen müssen. Sie haben deshalb ein Romantik-Zimmer eingerichtet: mit frischen Blumen, Engels-Bettwäsche und Latschenkiefer-Tinktur auf dem Nachttisch. Gespeist wird im »Hochzeitszimmer« bei Kerzenschein und Panoramablick. Es gibt ein spezielles Menü und bevorzugte Bedienung. Auf Wunsch kommt eine Flasche Sekt aufs Zimmer. Man ahnt schon, worauf das hin-ausläuft: So mancher Gast kam am nächs-ten Morgen mit glänzenden Augen zu Maresi, um zu berichten: »Sie hat Ja gesagt!«

Die Wanderer erwartet eine gemütliche Unterkunft, in der die Hüttenwirte Maresi Herbst und Tom Krüger aus dem nahen Lofer im Salzburger Land seit elf Jahren das Sagen haben. Das Beste für Bergsteiger: Die Hütte ist selten voll belegt. Sie liegt an keinem der bekannten Weitwanderwege, nur die relativ neue »Via Alpina« führt hier vorbei. Die be-rühmten Nachbargipfel der Berchtesgadener Berge, allen voran der Watzmann, tun ein Übriges, damit die Reiter Alpe ein angeneh-mes Schattendasein führt. Vor allem liegt das blumenreiche Hochplateau genau an der Grenze Bayerns zum österreichischen Salzburger Land, was zur Folge hat, dass sich Fo

tos:

Gün

ter

Kas

t, D

AV S

ektio

n Tr

auns

tein

, Tom

Krü

ger

(4)

bs_2013_11_032_037.indd 34bs_2013_11_032_037.indd 34 19.09.13 11:2919.09.13 11:29

Page 4: AUF TOUR Reif für die Reiter Alpe - Traunsteiner Hütteregelmäßig die Hütte, um zu sehen, ob etwas Fressbares abfällt. Weil Isidor aber nicht spricht, weiß niemand, wie es ihn

11⁄13 Bergsteiger 35

1 Über den Schrecksatt el zur Neuen Traunsteiner Hütt e (1560 m)

▶ einfach �3–4 Std.

1050 Hm 1050 Hm

Charakter: Die Standardroute zur einzigen Hütte auf dem Hochplateau; größtenteils schattig und im Wald verlaufend, viele Stufen, fester Weg, auch für Kinder geeignetAusgangspunkt: Wanderparkplatz in Oberjettenberg (640 m)Route: Auf der Forststraße zur »Holz-stube« (Rastnock-Diensthütte); bei der Wegverzweigung links halten und der bergwärts führenden Forststraße weitere 20 Min. folgen, bis links der Wanderweg abzweigt. Man trifft bald auf den parallel zum Forstweg laufenden alten Bergsteig (im Anstieg leicht zu übersehen!) und wandert durch Mischwald weiter bergan. In Serpentinen geht es durch das Kar hinauf zum Schrecksattel (1620 m), der den Durchschlupf durch die steil aufragenden Felsen des Reiter-Alm-Massivs gewährt. Weiter auf breitem Weg über das wellige Hochplateau

2 Großer Weitschartenkopf (1979 m) und Großer Bruder

(1867 m)

▶ einfach �3 Std.

550 Hm 550 Hm

Charakter: Bergwanderung – Ge-mütliche Rundtour zu den beiden Hausbergen der Traunsteiner Hütte, atemberaubende Tiefblicke und tolle Aussicht ins VoralpenlandAusgangspunkt: Neue Traunsteiner HütteRoute: Die beiden Gipfel lassen sich zu einer feinen Rundtour verbinden.

An der Hütte folgt man kurz der Beschilderung zum Weitschartenkopf, zweigt bei der nächsten Gabelung jedoch nach links zum Großen Bruder ab und besteigt diesen Gipfel zuerst. Auf dem Rückweg muss man dann etwas aufpassen, um den Abzweig nicht zu verpassen: Man folgt zuerst dem Anstiegsweg, bis man nach etwa 15 Min. einen Felsen entdeckt, auf den mit roter Farbe WS aufgemalt ist. Hier biegt man links ab und folgt den Steigspuren auf unmarkiertem Weg in östlicher Richtung, bis man kurz vor dem Gipfel des Weitschartenkopfes an dessen »Normalroute« einmündet. In 10 Min. zum Gipfel und danach auf direktem Weg zurück zur Hütte.

3 Reiteralpe-Trilogie: Stadel-horn (2286 m), Wagen-drischelhorn (2251 m) und Großes Häuslhorn (2284 m)

▶ schwierig �8–9 Std.

1550 Hm 1550 Hm

Charakter: Anspruchsvolle Bergtour – die Mega-Rundtour für konditions-starke und erfahrene Bergsteiger zu den höchsten Gipfeln der Reiter Alpe. Wem die Gehzeiten zu lang sind, nimmt sich jeweils nur einen oder zwei Gipfel pro Tag vor.Ausgangspunkt: Neue Traunsteiner HütteRoute: Von der Hütte zur alten Traunsteiner Hütte und hier beim Wegweiser dem linken Steig nach Süden zur Steinberggasse folgen. Auf dem Kamm über die Plattelköpfe nach rechts (Südwesten) der Beschil-derung »Stadelhorn, Wagendrischel-horn« folgen. Beim nächsten Weg-weiser Richtung »Mayrbergscharte« (2055 m) weitergehen – im Frühsom-mer sind eventuell noch mittelsteile Schneefelder zu queren. Von der Scharte zum Stadelhorn aufsteigen (leichte Kraxelei, I) und wieder zurück zur Scharte. Nun auf einem teilweise seilgesicherten Steig (KST-Kategorie B) hinauf zum Wagendrischelhorn und auf dessen »Normalweg« auf der anderen Seite hinab Richtung Roßgas-se (Weg 473). Vor dem Beginn der Rossgasse beim Wegweiser

jedoch nach links (Südwesten) ab-zweigen und zum Großen Häuslhorn ansteigen (Stellen I). Wer mag, nimmt auch noch das Kleine Häuslhorn mit. Sodann durch die Roßgasse zurück zur Hütte

4 Edelweißlahnerkopf (1953 m)

▶ einfach �3–4 Std.

400 Hm 400 Hm

Charakter: Schöner Aussichtsberg am östlichen Ende der Reiteralpe. Gut begehbarer, markierter Bergsteig mit einigen steileren Passagen in teilweise stark verkarstetem Felsgelände. Ständiges Auf und Ab mit vielen Richtungswechseln und eher eingeschränkter Fernsicht. Vom Gipfel schöner Blick zum Hintersee. Bei Nebel Orientierung nicht ganz einfach

Ausgangspunkt: Neue Traunsteiner HütteRoute: Von der Hütte der Beschil-derung zum Edelweißlahnerkopf (Nr. 474) in südöstlicher Richtung folgen. Nach etwa einer Stunde öffnet sich bei einem markanten Felsdurch-stieg der Blick zu den umliegenden Gipfeln. Man stößt bald darauf auf die Verzweigung zum Schottmalhorn (2045 m), einen Pfad, der nach rechts über die Reiter Steinberge zum Böslsteig führt. Man hält sich jedoch weiter nach links und steigt die letzten Meter über verkarstete Felsen zum Holzkreuz des Edelweiß-lahnerkopfes hinauf. Rückweg wie Anstieg. Mit dem Übergang zum Schottmalhorn und Prünzlkopf (2081 m) und dem Rückweg über die Steinberggasse (Einmündung Böslsteig) wird daraus eine genuss-volle Ganztagestour.

Die schönsten Touren rund um die Neue Traunsteiner HütteDas Tafelgebirge Reiter Alpe ist dank seiner Lage im Grenzgebiet zwischen Bayern und Österreich nur spärlich besucht. Wir zeigen Ihnen vier Touren, die zum Entdecken inspirieren.

TOUREN

Herbstnebel auf der Reiter Alpe. Im Hintergrund Wagen-drischelhorn (li.) und die Häuslhörner (re.)

Die Neue Traun-steiner Hütt e ist im Sommer von einem Blumen-meer umgeben.

Tourenkarte 6

Heft mitt e

Tourenkarte 5

Heft mitt e

bs_2013_11_032_037.indd 35bs_2013_11_032_037.indd 35 19.09.13 11:2919.09.13 11:29

Page 5: AUF TOUR Reif für die Reiter Alpe - Traunsteiner Hütteregelmäßig die Hütte, um zu sehen, ob etwas Fressbares abfällt. Weil Isidor aber nicht spricht, weiß niemand, wie es ihn

36 Bergsteiger 11⁄13

Beim Abstieg durch die Roßgasse schmerzen dann doch die Gelenke. Maresi empfi ehlt zum Kuchen deshalb ihren selbstgemach-ten Kräutertee. Ich entscheide mich für den Zirbenschnaps – auch der ist schließlich bio. Bei Kaspressknödelsuppe, Spaghetti mit Bärlauch-Pesto und Marillen-Palatschinken erzählen die Wirtsleute von ihren Nöten. Weil prominente Gipfel fehlten, versuchen sie, Gäste mit Pinzgauer Spezialitäten aus regionalen Zutaten anzulocken.Zum Sonnenuntergang geht’s nochmal auf die Terrasse. Dort sitzt wieder Merkenschla-gers Enkelin. Sie habe noch einen Nachtrag zu meiner »Nazi-Obsession«, sagt sie. Dass es die Neue Traunsteiner Hütte überhaupt gebe – daran seien in der Tat die Nazis mit ihrer »1000-Mark-Sperre« schuld. 1901 hatte die Sektion ein Unterkunftshaus gebaut. Dum-merweise stand die Hütte genau 150 Meter jenseits der Grenze auf österreichischem Ge-biet, als die Nazis 1933 mit dem »Devisenge-setz« den grenzüberschreitenden Tourismus abwürgten. Jeder deutsche Wanderer, der in der Traunsteiner Hütte einkehren wollte, hätte 1000 Reichsmark bezahlen müssen. Das tat natürlich niemand, und die Folge war der vorläufi ge Niedergang dieser belieb-ten Hütte. Das neue Schutzhaus entstand deshalb vorsichtshalber auf bayerischem Territorium – obwohl 1936 die »1000-Mark-Sperre« aufgehoben wurde und im Frühjahr 1938 der »Anschluss« Österreichs ans Deut-sche Reich erfolgt war, so dass die alte Hütte schnell wieder gut besucht war.Heute spielt die Staatsgrenze keine Rolle mehr – wie auch in früheren Zeiten. Schon im 15. Jahrhundert wurde Vieh auf die Rei-ter Alpe aufgetrieben, von Bauern aus dem Pinzgau und dem Berchtesgadener Land. Da-ran hat sich bis heute nichts geändert. Wenn auf der Neuen Traunsteiner das legendäre Almfest steigt, werden deshalb auch viele Bauern kommen. Hüttenwirtin Maresi wird ihnen einen Kräutertee anbieten. Sie werden dann ihren Mann Tom fragen, ob er ihnen einen Zirbenschnaps einschenkt. ◀

KOMPAKT

Reiter Alpe – Kleinod in der GrenzregionAnreise: Mit der Bahn von München nach Traunstein, weiter mit Bus 9526 Richtung »Bad Reichenhall Haupt-bahnhof«, in Unterjettenberg/Schneizlreuth aussteigen;Mit dem Auto auf der A 8 bis Ausfahrt Siegsdorf, nach Inzell und von dort auf der Deutschen Alpenstraße nach Schneizlreuth und weiter in Richtung Berchtesgaden/Ramsau. Oberhalb von Unter-jettenberg zweigt rechts die Straße nach Oberjettenberg ab. Nach knapp zwei Kilo-metern links ab und bis zum Ende der öffentlichen Straße; dort WanderparkplatzAusgangspunkt/Hütt en-zustieg: Wanderparkplatz in

Oberjettenberg (640 m): von hier in drei bis vier Stunden über den Schrecksattel zur Neuen Traunsteiner Hütte (1560 m), leichtester Anstieg, siehe Touren-Tipps. Es gibt noch weitere Zustiege zur Reiteralpe und zur Hütte, die in dem Gebietsführer beschrieben sind, der als pdf-Datei von der Website der Neuen Traunsteiner Hütte heruntergeladen werden kann. Als schönster Zustieg gilt der von Reith (625 m) über den Alpa-Steig (familiengeeignet).Hütt e/Stützpunkt: Neue Traunsteiner Hütte, DAV-Sek-tion Traunstein, zwölf Doppel- und zwei Vierbett-Zimmer, 76 Betten-Lager in 6er-

oder 8er-Räumen. Infos unterwww.traunsteinerhuette.comKarten: Österreichische Karte 1: 25 000, Blatt 3215 West, »Lofer«, herausgegeben vom Österreichischen Bundes-amt für Eich- und Vermes-sungswesen; Topographische Karte 1:50 000 »Berchtesga-dener Alpen«, herausgegeben vom Bayeri-schen Landesvermessungs-amt; Kompass-Karte »Berch-tesgadener Land«, Chiemgauer Alpen, 1:50 000 (in der Kompass-Karte Berchtesgade-ner Land, 1:25 000 fehlt ein Teil der Reiter Alpe)Führer: Fritz Hofmann »Die Reiteralpe«, 227 S., Bad Rei-chenhall 2005, Eigenverlag

Beim Abstieg schmerzen die Ge-lenke. Maresi emp-fi ehlt ihren Kräuter-tee , ich ziehe den Zirbenschnaps vor.

der Wanderei durch liebliche Landschaften sorgt das spitze Horn für den ersten Adre-nalinschub des Tages. Wo soll es da eine für Bergwanderer gangbare Route geben? In der Mayrbergscharte sieht das Ziel nicht mehr gar so furchterregend aus. Man erkennt, dass der Steig auf Bändern geschickt um die steilsten Aufschwünge herumführt. Keine Stunde später stehen wir am Gipfel – mut-terseelenallein. Watzmann, Hochkalter, Großer Hundstod, Birnhorn und Loferer Steinberge präsentieren sich als Panorama, das uns in Demut verharren lässt. Nach dem Abstieg in die Scharte sind wir so eu-phorisiert, dass wir das Wagendrischelhorn gleich noch »mitnehmen«. Auf einem mit Drahtseilen versicherten Steig geht es durch die Südabstürze dem Gipfel entgegen. Wie-der stehen wir allein am höchsten Punkt.

Die 1000-Mark-Sperre der Nazis

Eigentlich wollten wir hier die Kurve krat-zen. Das Große Häuslhorn für morgen auf-sparen und uns stattdessen auf der Hütte dem zum Niederknien guten Aprikosenku-chen von Wirtin Maresi zuwenden. Doch es ist erst früher Nachmittag. Und sind nicht aller guten Dinge drei? Am Gipfel des Häusl-horns treffen wir dann tatsächlich zwei leib-haftige Menschen. Die beiden Salzburger steigen gerade aus der Südwand aus, als wir die Brotzeit auspacken. »Hasenalarm« heißt ihre Route. Sechster Grad, elf Seillängen. Ih-re Augen leuchten. »Pfundig« sei’s gewesen, erzählen sie.Fo

tos:

Gün

ter

Kas

t, S

andr

a U

rban

iak

Beim Aufstieg zum Stadelhorn ist gut gestuft er Fels ein Genuss für den Bergsteiger.

bs_2013_11_032_037.indd 36bs_2013_11_032_037.indd 36 19.09.13 11:2919.09.13 11:29

Page 6: AUF TOUR Reif für die Reiter Alpe - Traunsteiner Hütteregelmäßig die Hütte, um zu sehen, ob etwas Fressbares abfällt. Weil Isidor aber nicht spricht, weiß niemand, wie es ihn

Unterwegs in den Reiter Steinber-gen: im Hintergrund Stadelhorn (li.) und Wagendrischelhorn (Mitt e).

Fordern Sie unseren Produktkatalog an!Tatonka GmbH · Robert-Bosch-Straße 3 · D-86453 Dasing · Fax +49 8205 9602-30

www.tatonka.com

Das Tragesystem X Vent Zero sorgt für maximale Belüftung bei minimalem Kontakt mit dem Rücken. Skill 30

bs_2013_11_032_037.indd 37bs_2013_11_032_037.indd 37 19.09.13 11:2919.09.13 11:29