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auszugliedern. Zum 1. Oktober 1999 wurde das Unternehmen Axi- va GmbH ausgegru ¨ ndet. Ihr Leistungsangebot erstreckt sich auf prozess- und anlagentechnische Aktivita ¨ ten. All dies bedeutet fu ¨ r die Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter eine sehr große Herausforderung und hat ganz maßgebliche Auswirkungen auf deren Anteil im neuen Unternehmen. Marktmechanismen, wie beispielsweise Preis, Wettbe- werb, Flexibilita ¨ t, sind nun neben technischen Lo ¨ sungen, ausge- feilten Detailergebnissen oder u ¨ bergreifenden Unternehmens- standards wesentliche Elemente der Arbeit geworden. Der Beitrag zeigt die wesentlichen Vera ¨ nderungsprozesse auf und erla ¨ utert, wie man das neue Gescha ¨ ftsprinzip umgesetzt hat. 001 Aufbau und Funktion eines virtuellen biologischen Labors PROF.DR.-ING.ERNSTDIETERGILLES Max-Planck-Institut fu ¨ r Dynamik komplexer technischer Systeme, Leipziger Straße 44, D-39120 Magdeburg. In den modernen Biowissenschaften ru ¨ ckt die medizinische und technische Nutzung zellula ¨ rer Systeme immer sta ¨ rker in den Mit- telpunkt. Hierfu ¨r bedarf es allerdings eines ganzheitlichen Ver- sta ¨ ndnisses der Funktionsweise solcher Systeme, das zur Zeit bestenfalls ansatzweise vorhanden ist. Neben der vorwiegend qua- litativ-beschreibenden Natur der experimentellen Untersuchun- gen ist die Komplexita ¨t zellulla ¨ rer Systeme ein wesentlicher Grund fu ¨ r diesen Sachverhalt. Zellula ¨ re Systeme setzen sich aus beschra ¨ nkt autonomen Funktionseinheiten zusammen, die gegen- u ¨ ber ihrer Umgebung relativ abgeschlossen sind. Sowohl zwischen den Funktionseinheiten als auch zwischen der Vielzahl von Kom- ponenten, aus denen eine Funktionseinheit im Allgemeinen be- steht, existieren durch Stoff- und Informationsflu ¨ sse vermittelte, komplexe Wechselwirkungen. Das ganzheitliche Verhalten zellu- la ¨rer Systeme ist daher gedanklich kaum nachvollziehbar. Ein notwendiger Schritt auf dem Weg zu einer quanti- tativen und ganzheitlichen Verhaltensbeschreibung ist eine sys- tem- und signalorientierte Betrachtungsweise zellula ¨ rer Funkti- onseinheiten (Biosystemtechnik). Eine solche Betrachtungsweise setzt allerdings voraus, dass die Flut zu verarbeitender Daten mit modernen Methoden der Informatik so strukturiert und aufbe- reitet wird, dass sie fu ¨ r eine Untersuchung biologischer Fragestel- lungen mit Hilfe systemwissenschaftlicher Konzepte genutzt wer- den kann. Die bestehende Lu ¨ cke kann demnach nur durch eine enge interdisziplina ¨re Kooperation zwischen Biologie, Informatik und Systemwissenschaften geschlossen werden, s. Abb. Die interdisziplina ¨re Kooperation auf dem Gebiet der Biosystemtechnik soll in die Entwicklung eines in Forschung und Lehre einsetzbaren, virtuellen biologischen Labors mu ¨ nden. Mittels computergestu ¨ tzter Modellierung und Simulati- on wird man in diesem virtuellen Labor in a ¨hnlicher Weise expe- rimentieren ko ¨ nnen wie an realen Systemen im biologischen Labor. In diesem Zusammenhang ist die mathematische Modellierung das wichtigste Werkzeug, um die im Genom gespeicherte Information zuna ¨ chst in Netzwerkstrukturen des Stoffwechsels und der Regu- lation abzubilden und anschließend in dynamisches Verhalten der Funktionseinheiten zu transformieren. Dabei muss sich die mathe- matische Modellierung in ihrer modularen Strukturierung am ebenfalls modularen molekularbiologischen Aufbau der Funkti- onseinheiten orientieren, da nur so eine transparente, flexible und systematische Vorgehensweise garantiert werden kann. Hier- fu ¨ r erforderliche Methoden und Werkzeuge sind in das virtuelle Labor zu integrieren. Langfristig sollen durch Verschaltung von Modellbau- steinen ganze Organismen – z. B. der Modellorganismus Escheri- chia coli – abgebildet werden ko ¨ nnen. Experimentell evaluierte Mo- delle bilden dann nicht nur die Basis fu ¨ r eine quantitative Analyse des dynamischen Verhaltens zellula ¨ rer Systeme, sondern auch fu ¨r ihre zielgenaue Gestaltung mit Hilfe gentechnischer Modifikatio- nen. Eine enge Verknu ¨ pfung von biologischem Wissen, modernen Methoden der Wissensrepra ¨ sentation und -verarbeitung sowie systemtheoretisch orientiertem Denken ero ¨ ffnet so ga ¨ nzlich neue Wege zur Bearbeitung biologischer, medizinischer und bio- technologischer Fragestellungen. 002 Biokatalyse vera ¨ ndert chemische Produktionsprozesse PROF.DR.UDOKRAGL Universita ¨t Rostock, FB Chemie, Abt. fu ¨ r Analytische, Technische & Umweltchemie, D-18051 Rostock; ANDREASLIESE Forschungszentrum Ju ¨ lich GmbH, Institut fu ¨ r Biotechnologie, D-52425 Ju ¨ lich. Biotransformationen haben in den letzten Jahrzehnten einen we- sentlichen Beitrag zum Bereich der „Life Sciences“ geleistet. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Fermentationsverfahren, bei denen aus den Bestandteilen des Na ¨hrmediums (Zucker, Aminosa ¨ uren, Spurenelemente) Produkte aufgebaut werden, und den eigentli- chen Biotransformationen, bei denen meist in einem Schritt ein Ausgangsstoff in das Zielprodukt umgewandelt wird. Produktbei- spiele fu ¨ r den erstgenannten Bereich sind Aminosa ¨ uren, Vitamine, Penicillin- und Cephalosporin-Vorla ¨ ufer sowie rekombinante Pharmaproteine. Fu ¨ r die Biotransformationen im eigentlichen Sinne ko ¨ nnen entweder ganze Zellen oder isolierte Enzyme eingesetzt Abbildung. 924 Life Sciences Chemie Ingenieur Technik (72) 9 I 2000

Aufbau und Funktion eines virtuellen biologischen Labors

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Page 1: Aufbau und Funktion eines virtuellen biologischen Labors

auszugliedern. Zum 1. Oktober 1999 wurde das Unternehmen Axi-va GmbH ausgegruÈ ndet. Ihr Leistungsangebot erstreckt sich aufprozess- und anlagentechnische AktivitaÈ ten.

All dies bedeutet fuÈ r die Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter eine sehr groûe Herausforderung und hat ganz maûgeblicheAuswirkungen auf deren Anteil im neuen Unternehmen.

Marktmechanismen, wie beispielsweise Preis, Wettbe-werb, FlexibilitaÈ t, sind nun neben technischen LoÈ sungen, ausge-feilten Detailergebnissen oder uÈ bergreifenden Unternehmens-standards wesentliche Elemente der Arbeit geworden. Der Beitragzeigt die wesentlichen VeraÈ nderungsprozesse auf und erlaÈutert,wie man das neue GeschaÈ ftsprinzip umgesetzt hat.

001

Aufbau und Funktion einesvirtuellen biologischen Labors

P R O F . D R . - I N G . E R N S T D I E T E R G I L L E S

Max-Planck-Institut fuÈ r Dynamik komplexer technischer Systeme,Leipziger Straûe 44, D-39120 Magdeburg.

In den modernen Biowissenschaften ruÈ ckt die medizinische undtechnische Nutzung zellulaÈ rer Systeme immer staÈ rker in den Mit-telpunkt. HierfuÈ r bedarf es allerdings eines ganzheitlichen Ver-staÈndnisses der Funktionsweise solcher Systeme, das zur Zeitbestenfalls ansatzweise vorhanden ist. Neben der vorwiegend qua-litativ-beschreibenden Natur der experimentellen Untersuchun-gen ist die KomplexitaÈ t zellullaÈ rer Systeme ein wesentlicherGrund fuÈ r diesen Sachverhalt. ZellulaÈ re Systeme setzen sich ausbeschraÈnkt autonomen Funktionseinheiten zusammen, die gegen-uÈ ber ihrer Umgebung relativ abgeschlossen sind. Sowohl zwischenden Funktionseinheiten als auch zwischen der Vielzahl von Kom-ponenten, aus denen eine Funktionseinheit im Allgemeinen be-steht, existieren durch Stoff- und InformationsfluÈ sse vermittelte,komplexe Wechselwirkungen. Das ganzheitliche Verhalten zellu-laÈ rer Systeme ist daher gedanklich kaum nachvollziehbar.

Ein notwendiger Schritt auf dem Weg zu einer quanti-tativen und ganzheitlichen Verhaltensbeschreibung ist eine sys-tem- und signalorientierte Betrachtungsweise zellulaÈ rer Funkti-onseinheiten (Biosystemtechnik). Eine solche Betrachtungsweisesetzt allerdings voraus, dass die Flut zu verarbeitender Datenmit modernen Methoden der Informatik so strukturiert und aufbe-reitet wird, dass sie fuÈ r eine Untersuchung biologischer Fragestel-lungen mit Hilfe systemwissenschaftlicher Konzepte genutzt wer-den kann. Die bestehende LuÈ cke kann demnach nur durch eineenge interdisziplinaÈ re Kooperation zwischen Biologie, Informatikund Systemwissenschaften geschlossen werden, s. Abb.

Die interdisziplinaÈ re Kooperation auf dem Gebiet derBiosystemtechnik soll in die Entwicklung eines in Forschungund Lehre einsetzbaren, virtuellen biologischen Labors muÈ nden.

Mittels computergestuÈ tzter Modellierung und Simulati-on wird man in diesem virtuellen Labor in aÈ hnlicher Weise expe-rimentieren koÈ nnen wie an realen Systemen im biologischen Labor.In diesem Zusammenhang ist die mathematische Modellierung daswichtigste Werkzeug, um die im Genom gespeicherte InformationzunaÈ chst in Netzwerkstrukturen des Stoffwechsels und der Regu-

lation abzubilden und anschlieûend in dynamisches Verhalten derFunktionseinheiten zu transformieren. Dabei muss sich die mathe-matische Modellierung in ihrer modularen Strukturierung amebenfalls modularen molekularbiologischen Aufbau der Funkti-onseinheiten orientieren, da nur so eine transparente, flexibleund systematische Vorgehensweise garantiert werden kann. Hier-fuÈ r erforderliche Methoden und Werkzeuge sind in das virtuelleLabor zu integrieren.

Langfristig sollen durch Verschaltung von Modellbau-steinen ganze Organismen ± z. B. der Modellorganismus Escheri-chia coli ± abgebildet werden koÈ nnen. Experimentell evaluierte Mo-delle bilden dann nicht nur die Basis fuÈ r eine quantitative Analysedes dynamischen Verhaltens zellulaÈ rer Systeme, sondern auch fuÈ rihre zielgenaue Gestaltung mit Hilfe gentechnischer Modifikatio-nen. Eine enge VerknuÈ pfung von biologischem Wissen, modernenMethoden der WissensrepraÈsentation und -verarbeitung sowiesystemtheoretisch orientiertem Denken eroÈ ffnet so gaÈ nzlichneue Wege zur Bearbeitung biologischer, medizinischer und bio-technologischer Fragestellungen.

002

Biokatalyse veraÈ ndert chemischeProduktionsprozesse

P R O F . D R . U D O K R A G L

UniversitaÈ t Rostock, FB Chemie, Abt. fuÈ r Analytische,Technische & Umweltchemie, D-18051 Rostock;

A N D R E A S L I E S E

Forschungszentrum JuÈ lich GmbH, Institut fuÈ r Biotechnologie,D-52425 JuÈ lich.

Biotransformationen haben in den letzten Jahrzehnten einen we-sentlichen Beitrag zum Bereich der ¹Life Sciencesª geleistet. Dabeiist zu unterscheiden zwischen Fermentationsverfahren, bei denenaus den Bestandteilen des NaÈ hrmediums (Zucker, AminosaÈ uren,Spurenelemente) Produkte aufgebaut werden, und den eigentli-chen Biotransformationen, bei denen meist in einem Schritt einAusgangsstoff in das Zielprodukt umgewandelt wird. Produktbei-spiele fuÈ r den erstgenannten Bereich sind AminosaÈ uren, Vitamine,Penicillin- und Cephalosporin-VorlaÈ ufer sowie rekombinantePharmaproteine.

FuÈ r die Biotransformationen im eigentlichen SinnekoÈnnen entweder ganze Zellen oder isolierte Enzyme eingesetzt

Abbildung.

924 L i f e S c i e n c e sChemie Ingenieur Technik (72) 9 I 2000