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BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 S. 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgebli- chen verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 13 Abs. 1 GG hat das BVerfG bereits entschieden. Danach ist die Ver- fassungsbeschwerde in einem die Entscheidungskompetenz der Kammer begründenden Sinne offensichtlich begrün- det. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen die Bf. in ihrem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG. [12] I. 1. Mit der Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung durch Art. 13 Abs. 1 GG erfährt die räumliche Lebenssphäre des Einzelnen einen besonderen grundrecht- lichen Schutz. Diesem Schutz unterfallen auch beruflich genutzte Räume wie Arztpraxen (vgl. BVerfGE 32, 54, 69 ff.; 76, 83, 88). Erforderlich zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung ist jeden- falls der Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde. Das Gewicht des Eingriffs verlangt Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausrei- chen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen (vgl. BVerfGE 44, 353, 371 f.; 59, 95, 97; BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des Zweiten Senats v. 20. 4. 2004 – 2 BvR 2043/03 u. a. –, NJW 2004, 3171, 3172). Der besondere Schutz von Berufsge- heimnisträgern (§ 53 StPO) gebietet bei der Anordnung der Durchsuchung einer Arztpraxis die besonders sorgfältige Beachtung der Eingriffsvoraussetzungen und des Grund- satzes der Verhältnismäßigkeit. [13] 2. Die Durchsuchung bedarf vor allem einer Recht- fertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetz- lichen Zweck Erfolg versprechend sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein. Schließlich muss der jewei- lige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen (vgl. BVerfGE 42, 212, 220). Der Richter darf die Durchsuchung nur anordnen, wenn er sich aufgrund eigenverantwortlicher Prüfung der Ermittlungen überzeugt hat, dass die Maßnah- me verhältnismäßig ist (vgl. BVerfGE 96, 44, 51). [14] II. Diesen Anforderungen wird der angegriffene Durchsuchungsbeschluss des AG nicht gerecht und die Ent- scheidungen des LG beheben diese Mängel nicht. [15] Die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts ist hier von Verfassungs wegen nicht haltbar. Das LG hat zwar erkannt, dass den Ultraschallbildern, auf denen der Name der Patientin und das Datum des Arzttermins aufgedruckt sind, grundsätzlich ein erheblicher Indizwert dafür zu- kommt, dass die Untersuchung tatsächlich vorgenommen wurde. Es hat dann aber diesen Indizwert durch die abwei- chende Uhrzeit zu Unrecht gänzlich entwertet gesehen. In diese Wertung hat es die nahe liegende Überlegung, die Uhrzeit könne – wie bei technischen Geräten häufig der Fall – ohne Zutun der Bf. falsch eingestellt oder falsch wie- dergegeben worden sein, nicht eingestellt. Hierbei hat es auch nicht bedacht, dass die korrekte Wiedergabe der Uhr- zeit einer Untersuchung regelmäßig keine zentrale Funk- tion eines Ultraschallgeräts ist. So wird zwar insbesondere dem Datum einer Untersuchung regelmäßig besondere Be- deutung für die ärztliche Dokumentation des Gesundheits- zustands eines Patienten oder eines Behandlungsverlaufs zukommen, so dass davon auszugehen sein wird, dass der korrekten Wiedergabe des Datums seitens der ärzte beson- dere Beachtung geschenkt wird. Gleiches kann aber für die exakte Wiedergabe der Uhrzeit einer Untersuchung nicht gelten. Nach Einsichtnahme in die Ermittlungsakten kann auch nicht nachvollzogen werden, warum der schriftlichen Strafanzeige des Ehemanns der Patientin gegenüber den Ultraschallbildern ein derart starker Beweiswert zukom- men sollte. [16] In Anbetracht des relativ geringen Betrugsschadens und der Tatsache, dass ein kaum über bloße Vermutun- gen hinausreichender Tatverdacht bestanden hat, war die Durchsuchung der Arztpraxis unverhältnismäßig. Die Ver- dachtsgründe bewegten sich im Grenzbereich zu vagen An- haltspunkten oder bloßen Vermutungen, die eine Durch- suchung unter keinen Umständen rechtfertigen konnten. Hinsichtlich der Schwere der vorliegenden Straftat ist von Bedeutung, dass der konkrete Sachverhalt keine schwere Tat oder den Eintritt schwerer Tatfolgen erkennen lässt. In die Verhältnismäßigkeitserwägungen hätte auch eingestellt werden müssen, dass mit der Durchsuchung der Praxis- räume empfindliche Daten Dritter (anderer Patientinnen der Bf.) gefährdet waren. [17] Auf dieser Grundlage konnte das staatliche Inte- resse an der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, welchem nach dem Grundgesetz eine hohe Bedeutung zu- kommt (vgl. BVerfGE 100, 313, 388), den schwerwiegen- den Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre der Bf. (vgl. BVerfGE 42, 212, 219; 59, 95, 97; 96, 27, 40; 103, 142, 150 f.) nicht rechtfertigen. [18] Die angegriffenen Beschlüsse sind insgesamt mit der Verfassung unvereinbar. Im Ergebnis kann damit die Frage offen bleiben, ob der angegriffene Durchsuchungs- beschluss auch deswegen als verfassungswidrig anzusehen war, weil nicht nur die Durchsuchung der Praxisräume, sondern auch die Durchsuchung der privaten Wohnung und der Kraftfahrzeuge der Bf. angeordnet worden war. Ebenso dahinstehen kann die Frage, ob die Bf. – da tatsäch- lich nur eine Durchsuchung ihrer Praxisräume stattgefun- den hatte – durch die bloße, nicht vollzogene Anordnung der Durchsuchung auch ihrer privaten Wohnung und ihrer Kraftfahrzeuge überhaupt in ihren Grundrechten verletzt sein kann. [19] III. Die angegriffenen Beschlüsse sind aufzuheben (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Die Sache wird an das LG zurück- verwiesen, das noch über die Kosten des Beschwerdever- fahrens zu entscheiden haben wird. [ . . . ] DOI: 10.1007/s00350-008-2170-3 Aufklärung bei der Behandlung Minderjähriger BGB §§ 823 Abs. 1, 852 a. F. a) Minderjährigen Patienten kann bei einem nur rela- tiv indizierten Eingriff mit der Möglichkeit erheblicher Folgen für ihre künftige Lebensgestaltung ein Veto- recht gegen die Einwilligung durch die gesetzlichen Vertreter zustehen, wenn sie über eine ausreichende Urteilsfähigkeit verfügen. b) Auch über ein gegenüber dem Hauptrisiko des Eingriffs weniger schweres Risiko ist aufzuklären, wenn dieses dem Eingriff spezifisch anhaftet, es für den Laien überraschend ist und durch die Verwirklichung des Risikos die Lebensführung des Patienten schwer belastet würde. c) Im Hinblick auf den Beginn der Verjährungsfrist gemäß § 852 BGB a. F. besteht keine Verpflichtung des Patienten, sich Kenntnisse über fachspezifisch medizi- nische Fragen zu verschaffen. BGH, Urt. v. 10. 10. 2006 – VI ZR 74/05 (OLG München) Problemstellung: Die Entscheidung des VI. Zivil- senats hat aufgrund des Prozessverlaufs ausschließlich die Haftung wegen unzureichender Aufklärung zum Ge- Bearbeitet von Prof. Dr. iur. Volker Lipp, Blumenwall 1, 31737 Rinteln, Deutschland Rechtsprechung MedR (2008) 26: 289−293 289

Aufklärung bei der Behandlung Minderjähriger

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BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 s. 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende entscheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgebli-chen verfassungsrechtlichen fragen zu Art. 13 Abs. 1 GG hat das BVerfG bereits entschieden. Danach ist die Ver-fassungsbeschwerde in einem die entscheidungskompetenz der Kammer begründenden sinne offensichtlich begrün-det. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen die Bf. in ihrem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG.

[12] I. 1. Mit der Garantie der unverletzlichkeit der Wohnung durch Art. 13 Abs. 1 GG erfährt die räumliche Lebenssphäre des einzelnen einen besonderen grundrecht-lichen schutz. Diesem schutz unterfallen auch beruflich genutzte Räume wie Arztpraxen (vgl. BVerfGe 32, 54, 69 ff.; 76, 83, 88). erforderlich zur Rechtfertigung eines eingriffs in die unverletzlichkeit der Wohnung ist jeden-falls der Verdacht, dass eine straftat begangen wurde. Das Gewicht des eingriffs verlangt Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausrei-chen. ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen (vgl. BVerfGe 44, 353, 371 f.; 59, 95, 97; BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des zweiten senats v. 20. 4. 2004 – 2 BvR 2043/03 u. a. –, NJW 2004, 3171, 3172). Der besondere schutz von Berufsge-heimnisträgern (§ 53 stPO) gebietet bei der Anordnung der Durchsuchung einer Arztpraxis die besonders sorgfältige Beachtung der eingriffsvoraussetzungen und des Grund-satzes der Verhältnismäßigkeit.

[13] 2. Die Durchsuchung bedarf vor allem einer Recht-fertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. sie muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetz-lichen zweck erfolg versprechend sein. ferner muss gerade diese zwangsmaßnahme zur ermittlung und Verfolgung der straftat erforderlich sein. schließlich muss der jewei-lige eingriff in angemessenem Verhältnis zu der schwere der straftat und der stärke des tatverdachts stehen (vgl. BVerfGe 42, 212, 220). Der Richter darf die Durchsuchung nur anordnen, wenn er sich aufgrund eigenverantwortlicher Prüfung der ermittlungen überzeugt hat, dass die Maßnah-me verhältnismäßig ist (vgl. BVerfGe 96, 44, 51).

[14] II. Diesen Anforderungen wird der angegriffene Durchsuchungsbeschluss des AG nicht gerecht und die ent-scheidungen des LG beheben diese Mängel nicht.

[15] Die Annahme eines hinreichenden tatverdachts ist hier von Verfassungs wegen nicht haltbar. Das LG hat zwar erkannt, dass den ultraschallbildern, auf denen der Name der Patientin und das Datum des Arzttermins aufgedruckt sind, grundsätzlich ein erheblicher Indizwert dafür zu-kommt, dass die untersuchung tatsächlich vorgenommen wurde. es hat dann aber diesen Indizwert durch die abwei-chende uhrzeit zu unrecht gänzlich entwertet gesehen. In diese Wertung hat es die nahe liegende Überlegung, die uhrzeit könne – wie bei technischen Geräten häufig der fall – ohne zutun der Bf. falsch eingestellt oder falsch wie-dergegeben worden sein, nicht eingestellt. Hierbei hat es auch nicht bedacht, dass die korrekte Wiedergabe der uhr-zeit einer untersuchung regelmäßig keine zentrale funk-tion eines ultraschallgeräts ist. so wird zwar insbesondere dem Datum einer untersuchung regelmäßig besondere Be-deutung für die ärztliche Dokumentation des Gesundheits-zustands eines Patienten oder eines Behandlungsverlaufs zukommen, so dass davon auszugehen sein wird, dass der korrekten Wiedergabe des Datums seitens der ärzte beson-dere Beachtung geschenkt wird. Gleiches kann aber für die exakte Wiedergabe der uhrzeit einer untersuchung nicht gelten. Nach einsichtnahme in die ermittlungsakten kann auch nicht nachvollzogen werden, warum der schriftlichen strafanzeige des ehemanns der Patientin gegenüber den ultraschallbildern ein derart starker Beweiswert zukom-men sollte.

[16] In Anbetracht des relativ geringen Betrugsschadens und der tatsache, dass ein kaum über bloße Vermutun-gen hinausreichender tatverdacht bestanden hat, war die Durchsuchung der Arztpraxis unverhältnismäßig. Die Ver-dachtsgründe bewegten sich im Grenzbereich zu vagen An-haltspunkten oder bloßen Vermutungen, die eine Durch-suchung unter keinen umständen rechtfertigen konnten. Hinsichtlich der schwere der vorliegenden straftat ist von Bedeutung, dass der konkrete sachverhalt keine schwere tat oder den eintritt schwerer tatfolgen erkennen lässt. In die Verhältnismäßigkeitserwägungen hätte auch eingestellt werden müssen, dass mit der Durchsuchung der Praxis-räume empfindliche Daten Dritter (anderer Patientinnen der Bf.) gefährdet waren.

[17] Auf dieser Grundlage konnte das staatliche Inte-resse an der Aufklärung und Verfolgung von straftaten, welchem nach dem Grundgesetz eine hohe Bedeutung zu-kommt (vgl. BVerfGe 100, 313, 388), den schwerwiegen-den eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre der Bf. (vgl. BVerfGe 42, 212, 219; 59, 95, 97; 96, 27, 40; 103, 142, 150 f.) nicht rechtfertigen.

[18] Die angegriffenen Beschlüsse sind insgesamt mit der Verfassung unvereinbar. Im ergebnis kann damit die frage offen bleiben, ob der angegriffene Durchsuchungs-beschluss auch deswegen als verfassungswidrig anzusehen war, weil nicht nur die Durchsuchung der Praxisräume, sondern auch die Durchsuchung der privaten Wohnung und der Kraftfahrzeuge der Bf. angeordnet worden war. ebenso dahinstehen kann die frage, ob die Bf. – da tatsäch-lich nur eine Durchsuchung ihrer Praxisräume stattgefun-den hatte – durch die bloße, nicht vollzogene Anordnung der Durchsuchung auch ihrer privaten Wohnung und ihrer Kraftfahrzeuge überhaupt in ihren Grundrechten verletzt sein kann.

[19] III. Die angegriffenen Beschlüsse sind aufzuheben (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Die sache wird an das LG zurück-verwiesen, das noch über die Kosten des Beschwerdever-fahrens zu entscheiden haben wird. [ . . . ]

DOI: 10.1007/s00350-008-2170-3

Aufklärung bei der Behandlung Minderjähriger

BGB §§ 823 Abs. 1, 852 a. F.

a) Minderjährigen Patienten kann bei einem nur rela-tiv indizierten Eingriff mit der Möglichkeit erheblicher Folgen für ihre künftige Lebensgestaltung ein Veto-recht gegen die Einwilligung durch die gesetzlichen Vertreter zustehen, wenn sie über eine ausreichende Urteilsfähigkeit verfügen.

b) Auch über ein gegenüber dem Hauptrisiko des Eingriffs weniger schweres Risiko ist aufzuklären, wenn dieses dem Eingriff spezifisch anhaftet, es für den Laien überraschend ist und durch die Verwirklichung des Risikos die Lebensführung des Patienten schwer belastet würde.

c) Im Hinblick auf den Beginn der Verjährungsfrist gemäß § 852 BGB a. F. besteht keine Verpflichtung des Patienten, sich Kenntnisse über fachspezifisch medizi-nische Fragen zu verschaffen.BGH, Urt. v. 10. 10. 2006 – VI ZR 74/05 (OLG München)

Problemstellung: Die entscheidung des VI. zivil-senats hat aufgrund des Prozessverlaufs ausschließlich die Haftung wegen unzureichender Aufklärung zum Ge-

Bearbeitet von Prof. Dr. iur. Volker Lipp,Blumenwall 1, 31737 Rinteln, Deutschland

Rechtsprechung

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MedR (2008) 26: 289−293 289

genstand. Nachdem die Patientin mit ihrer Klage gegen den operierenden Arzt wegen eines Behandlungsfehlers gescheitert war, nahm sie den Arzt in Anspruch, der das Aufklärungsgespräch geführt hatte. Die Patientin war zu Beginn der Behandlung etwa 14 Jahre, zum zeit-punkt der Operation etwa 15 1/2 Jahre alt. Der BGH hatte damit zu einigen umstrittenen fragen der Be-handlung eines minderjährigen Patienten stellung zu nehmen, namentlich wer in die Behandlung einwilligen und wen der Arzt daher aufklären muss. seine entschei-dung entwickelt dabei die bisherige Rechtsprechung in begrüßenswerter Weise konsequent weiter.

Zum Sachverhalt: Die Kl. begehrt schmerzensgeld wegen unzu-reichender Aufklärung über die Risiken einer Operation, aufgrund der sie neben anderen folgen querschnittgelähmt ist. Der Bekl. war Oberarzt in der orthopädischen Abteilung der Klinik, in welcher die Operation durchgeführt wurde. träger der Klinik ist der streithelfer.

Die am 16. 8. 1976 geborene Kl. litt ab dem 13. Lebensjahr an ei-ner Adoleszenzskoliose. Nachdem sich konservative Maßnahmen als nicht wirksam gegen die fortschreitende Verkrümmung erwiesen hatten, schlug der Bekl. im Jahr 1990 den eltern der Kl. vor, durch eine Operation die Missbildung zu korrigieren. Am 25. 9. 1990 wur-de ein Aufklärungsgespräch über Vorgehensweise und Risiken bei der Operation durch frau Dr. s. mit den eltern der Kl. in deren Beisein geführt. Die Operation musste verschoben werden, weil die Kl. an starker Akne an den von der Operation betroffenen Haut-stellen litt. Am 12. 1. 1991 führte Dr. Dr. t. ein weiteres Aufklä-rungsgespräch. Die Operation wurde wiederum aufgeschoben, weil eine eigenblutspende versäumt worden war. Die eltern der damals 14-jährigen Kl. unterzeichneten nach dem jeweiligen Aufklärungs-gespräch einen Vordruck mit einer einwilligungserklärung. In den Vordruck ist handschriftlich eingefügt: „u. a. Infektion, Gefäß-, Nervenverletzung, Querschnitt; eigenblut, Retransfusion, nur im Notfall fremdblut“. Von 1990 bis zur Operation war die Kl. in stän-diger Behandlung in der klinischen Ambulanz. Anlässlich der Be-handlungstermine wurden auch Gespräche von den behandelnden ärzten mit der Mutter der Kl. über Risiken und erfolgsaussichten der anstehenden Operation geführt. Die Risiken einer falschgelenkbil-dung (Pseudarthrose) und des operativen zugangs (Verwachsungen im Brustraum und Rippeninstabilitäten) wurden auch nicht bei dem Aufklärungsgespräch angesprochen, das der Bekl. am 18. 2. 1992, dem Vortag der Operation, führte. Dabei unterschrieb neben ihren eltern auch die Kl. die einverständniserklärung. Der Vordruck ist durch folgende handschriftliche eintragungen ergänzt: „Komplika-tionsmöglichkeiten: Neurologische Ausfälle, Infektionen, Blutun-gen, thrombosen, embolien“. Bei der Operation am 19. 2. 1992 kam es zu einer einblutung in den Rückenmarkskanal, die zur Quer-schnittlähmung der Kl. führte. In der folgezeit entwickelten sich neben anderen Beschwerden auch Verwachsungen im Brustraum, falschgelenkbildungen und Rippeninstabilitäten.

Die Kl. macht, nachdem sie erfolglos versucht hat, den operierenden Arzt wegen eines Behandlungsfehlers in Anspruch zu nehmen, gegen den Bekl. schadensersatzansprüche wegen unzureichender Aufklä-rung am 18. 2. 1992 geltend. sie ist der Auffassung, die Aufklärung sei schon deshalb unwirksam, weil Aufklärungsadressaten ihre eltern und nicht sie selbst gewesen seien, obwohl sie am 18. 2. 1992 bereits die sittliche Reife und das erforderliche Verständnis für die Risiken der Operation gehabt habe. Außerdem sei die Aufklärung am 18. 2. 1992 zu spät erfolgt und von ihrem Inhalt her unzureichend gewesen. Die beiden vorhergehenden Aufklärungsgespräche könnten wegen des zeitlichen Abstands nicht in die Beurteilung miteinbezogen werden. Der Bekl. habe Alternativen zum eingriff und dessen Dringlichkeit nicht angesprochen. Auch sei das Risiko der Querschnittlähmung verharmlost worden. Über die Möglichkeit des Materialbruches und der Bildung von Verwachsungen im Brustraum, von falschgelenken und Rippeninstabilitäten sei nicht aufgeklärt worden. Bei Kenntnis dieser Risiken wäre in die Operation nicht eingewilligt worden. Der Anspruch gegen den Bekl. sei nicht verjährt, da die Kl. erst durch das Gutachten des sachverständigen Prof. Dr. P. im Juni 1997 erfahren habe, dass die Aufklärung unzureichend gewesen sei.

Der Bekl. wendet dagegen ein, dass, selbst wenn eine unzureichen-de Aufklärung unterstellt würde, die eltern der Kl. jedenfalls auch bei Kenntnis aller Risiken in eine Operation eingewilligt hätten. Immerhin seien sie das ihnen genannte Risiko einer Querschnittläh-mung eingegangen. Die Ansprüche seien außerdem verjährt.

Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Die Kl. verfolgte mit der vom senat zugelassenen Revision ihren Anspruch weiter.

Aus den Gründen: [6] I. In Übereinstimmung mit dem LG ist das Berufungsgericht der Auffassung, dass die eltern der Kl. in die Operation wirksam eingewilligt hätten. Je-denfalls seien die Ansprüche der Kl. verjährt. zuständige Aufklärungsadressaten seien wegen der Minderjährigkeit der zur zeit der Operation erst 15 1/2 Jahre alten Kl. deren eltern als gesetzliche Vertreter gewesen. Die Aufklärung sei umfassend und rechtzeitig erfolgt, da die Aufklärungs-gespräche v. 25. 9. 1990, 12. 1. 1991 und 18. 2. 1992 in einer zusammenschau zu beurteilen seien. Die Operation habe nach dem ersten Aufklärungsgespräch bis zu ihrer Durch-führung stets im Raume gestanden. Inhaltlich sei ausrei-chend über Durchführungsweise und erfolgsaussichten der relativ indizierten Operation aufgeklärt worden. Den eltern der Kl. sei in verschiedenen Gesprächen von den ärzten ausreichend verdeutlicht worden, dass das Risiko einer Querschnittlähmung bestehe, wenn dieses auch – wie es den tatsachen entspreche – äußerst gering sei. Über die Risiken der falschgelenkbildung und des operativen zu-gangs sei zwar nicht aufgeklärt worden, doch habe es das LG zutreffend als unter keinem Gesichtspunkt plausibel angesehen, dass die eltern der Kl., die nach Aufklärung über das Querschnittrisiko in die Operation eingewilligt hätten, sich bei Kenntnis eines Risikos, das demgegenüber in seiner schwere nicht wesentlich ins Gewicht falle, in einem ernsthaften entscheidungskonflikt befunden hätten. Bei erhebung der Klage mit Klageschrift v. 11. 5. 2000 sei die dreijährige Verjährungsfrist längst abgelaufen gewesen, weil die eltern der Kl. bereits 1992/1993 die erforderliche Kenntnis i. s. von § 852 Abs. 1 BGB a. f. von den geltend gemachten Aufklärungsversäumnissen gehabt hätten.

[7] II. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

[8] 1. a) Nicht zu beanstanden ist allerdings die Auffas-sung des Berufungsgerichts, dass unter den tatsächlichen umständen des streitfalls die Aufklärungsgespräche mit den eltern der damals minderjährigen Kl. zu führen waren. zwar kann minderjährigen Patienten bei einem nur relativ indizierten eingriff mit der Möglichkeit erheblicher folgen für ihre künftige Lebensgestaltung – wovon im streitfall auszugehen ist – ein Vetorecht gegen die fremdbestimmung durch die gesetzlichen Vertreter zuzubilligen sein, wenn sie über eine ausreichende urteilsfähigkeit verfügen. um von diesem Vetorecht Gebrauch machen zu können, sind auch minderjährige Patienten entsprechend aufzuklären, wobei allerdings der Arzt im Allgemeinen darauf vertrau-en kann, dass die Aufklärung und einwilligung der eltern genügt (vgl. senatsurtt. v. 22. 6. 1971 – VI zR 230/69 –, VersR 1971, 929 f.; v. 16. 4. 1991 – VI zR 176/90 –, VersR 1991, 812, 813 [= MedR 1992, 34]; Geiß/Greiner, Arzt-haftpflichtrecht, 5. Aufl., Rdnr. C 115; steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 10. Aufl., Rdnr. 432; differenzierend Wölk, MedR 2001, 80, 83 ff.). es kann dahinstehen, ob die Kl. 1992 bereits über eine ausreichende urteilsfähig-keit verfügte, denn nach den insoweit nicht angegriffenen tatsächlichen feststellungen des Berufungsgerichts wurde dem selbstbestimmungsrecht der Kl. hinreichend Rech-nung getragen. sie war bei den einzelnen Aufklärungsge-sprächen anwesend und hat durch ihre unterschrift unter die einwilligungserklärung v. 18. 2. 1992 bekundet, dass sie mit dem eingriff einverstanden sei.

[9] b) Keine Bedenken bestehen auch gegen die Auffas-sung des Berufungsgerichts, dass der Vater, soweit er bei den zwischen der Mutter der Kl. und den ärzten geführ-ten Gesprächen nicht anwesend war, ausreichend infor-miert worden ist, weil ihm von der Mutter die erhaltenen Informationen mitgeteilt und mit ihm besprochen worden sind. Bei den maßgebenden Aufklärungsgesprächen waren

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außerdem beide elternteile anwesend, da die jeweiligen einwilligungserklärungen von beiden elternteilen unter-zeichnet worden sind.

[10] c) schließlich ist nicht zu beanstanden, dass das Beru-fungsgericht unter den umständen des streitfalls die Auf-klärung für rechtzeitig hielt. zwar wäre das Aufklärungs-gespräch am Vortag der risikoreichen und umfangreichen Operation zweifellos verspätet gewesen, wenn die früheren Aufklärungsgespräche nicht einzubeziehen wären (vgl. zur rechtzeitigen Aufklärung etwa senatsurt. v. 25. 3. 2003 – VI zR 131/02 –, VersR 2003, 1441 ff. m. w. N. [= MedR 2003, 576]). Nach der Rechtsprechung des erkennenden senats hängt die Wirksamkeit der einwilligung davon ab, ob unter den jeweils gegebenen umständen der Patient aus-reichend Gelegenheit hat, sich innerlich frei zu entscheiden. Je nach den Vorkenntnissen des Patienten von dem bevor-stehenden eingriff kann bei stationärer Behandlung eine Aufklärung im Verlauf des Vortages genügen, wenn sie zu einem zeitpunkt erfolgt, der dem Patienten die Wahrung seines selbstbestimmungsrechts erlaubt (vgl. senatsurt. v. 17. 3. 1998 – VI zR 74/97 –, VersR 1998, 766, 767 [= MedR 1998, 360]). es bestehen keine Bedenken dagegen, dass das Berufungsgericht die drei Aufklärungsgespräche in einem zeitlichen zusammenhang gesehen hat. Nachdem die el-tern der Kl. bereits in zwei Gesprächen am 25. 9. 1990 und 12. 1. 1991 über Risiken der Operation informiert worden waren und die Operation seit 1990 stets im Raume stand, erfolgte die abschließende Aufklärung am 18. 2. 1992 zwar noch rechtzeitig, doch ist sie inhaltlich unzureichend.

[11] d) soweit die Revision allerdings die Ausführungen des Berufungsgerichts zur hinreichenden Aufklärung über das Querschnittrisiko, die Möglichkeit des Materialbruchs und die eingeschränkten erfolgsaussichten des eingriffs in zwei-fel zieht, begibt sie sich unter den umständen des streitfalls auf das ihr verschlossene Gebiet der tatsachenwürdigung und setzt ihre eigene Beurteilung an die stelle derjenigen des Berufungsgerichts. Aus Rechtsgründen bestehen inso-weit keine Bedenken gegen dessen Ausführungen.

[12] e) Doch ist die Aufklärung deshalb inhaltlich un-vollständig, weil die Risiken der falschgelenkbildung und des operativen zugangswegs von vorne durch die Brust in den Aufklärungsgesprächen nicht erörtert worden sind. Gegenstand der Risikoaufklärung sind generell alle be-handlungstypischen Risiken, deren Kenntnis beim Laien nicht vorausgesetzt werden kann, die aber für die entschei-dung des Patienten über die zustimmung zur Behandlung ernsthaft ins Gewicht fallen (Geiß/Greiner, a. a. O., Rdnr. C 49). Auch über ein gegenüber dem Hauptrisiko weniger schweres Risiko ist deshalb aufzuklären, wenn dieses dem eingriff spezifisch anhaftet, es für den Laien überraschend ist und durch die Verwirklichung des Risikos die Lebens-führung des Patienten schwer belastet würde (BGHz 126, 386, 389 [= MedR 1995, 25]; senat, urt. v. 12.12.1989 – VI zR 83/89 –, VersR 1990, 522, 523 [= MedR 1990, 135]). Nach den tatsächlichen feststellungen im Berufungsur-teil handelt es sich bei den in Rede stehenden Risiken um operationsspezifische Komplikationen, die sich tatsächlich verwirklicht haben und das Leben der Kl. nachhaltig be-einträchtigen. zutreffend ist deshalb der Ansatz des Be-rufungsgerichts, dass auch diese Risiken im Rahmen der Aufklärung anzusprechen waren, obwohl über das schwe-rere Risiko der Querschnittlähmung aufgeklärt worden ist. Der Hinweis auf das Risiko der Querschnittlähmung, das überdies von den beteiligten ärzten als äußerst gering dar-gestellt worden war, vermochte kein realistisches Bild da-von zu vermitteln, welche sonstigen folgen die Verwirkli-chung der weiteren Risiken der Operation für die künftige Lebensgestaltung der Kl. mit sich bringen konnte. Bei die-ser sachlage führt die fehlerhafte Aufklärung grundsätzlich zur Haftung des Bekl. für die folgen des ohne wirksame einwilligung durchgeführten eingriffs.

[13] f ) entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts fehlt nicht das für die Haftung erforderliche Verschulden des Bekl. soweit der streithelfer meint, der Bekl. sei vor dem Aufklärungsgespräch am 18. 2. 1992 nicht mit dem fall der Kl. befasst gewesen, ist dies in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend, weil der Bekl. nach den von den Beteilig-ten nicht in zweifel gezogenen tatsächlichen feststellungen bereits 1990 den eltern der Kl. die Operation vorschlug. Der Arzt, der seinem Patienten zur Operation rät und ihn über Art und umfang sowie mögliche Risiken dieser Ope-ration aufklärt, begründet dadurch eine Garantenstellung gegenüber dem sich ihm anvertrauenden Patienten (vgl. se-natsurt. v. 22. 4. 1980 – VI zR 37/79 –, VersR 1981, 456, 457). Durch die Übernahme der ärztlichen Aufklärung vor der Operation ist er dafür verantwortlich, dass die einwil-ligung des Patienten in die Operation wirksam ist. Davon geht auch das Berufungsgericht aus. Jedoch durfte sich der Bekl. im Hinblick auf den Inhalt der Dokumentation zur Aufklärung nicht ohne weiteres darauf verlassen, dass in den beiden vorangegangenen Aufklärungsgesprächen eine aus-reichende Risikoaufklärung erfolgt sei. Da die Risiken der Pseudarthrose und des operativen zugangsweges ersichtlich nicht angesprochen worden waren, oblag es dem Bekl., die Aufklärung hinreichend zu vervollständigen und zu diesem zweck sich vor dem abschließenden Aufklärungsgespräch am tag vor der Operation durch einen einblick in die Be-handlungsunterlagen zu vergewissern, inwieweit bereits aufgeklärt worden war. Dass er dies unterlassen hat, obwohl er den Mangel hätte erkennen können, begründet einen Verschuldensvorwurf hinsichtlich der Aufklärung.

[14] 2. zu Recht rügt die Revision, die Auffassung des Berufungsgerichts, die eltern hätten die einwilligung in die Operation auch bei gehöriger Aufklärung über diese Risiken erteilt, beruhe auf verfahrensfehlerhaften tatsäch-lichen feststellungen (§ 286 Abs. 1 zPO). Die Haftung durfte auf der Grundlage der getroffenen feststellungen im streitfall nicht deshalb verneint werden, weil ein entschei-dungskonflikt der eltern der Kl. nicht plausibel, sondern vielmehr anzunehmen sei, dass die einwilligung auch bei Kenntnis der unerwähnt gebliebenen Risiken erteilt wor-den wäre.

[15] a) entgegen der Auffassung der Revision haben sich der Bekl. und der streithelfer bereits in erster Instanz auf eine hypothetische einwilligung der eltern der Kl. beru-fen. Dem Berufungsgericht war es folglich nicht versagt, diese frage zu prüfen (vgl. senatsurtt. v. 17. 3. 1998 – VI zR 74/97 –, VersR 1998, 766, 767 [= MedR 1998, 360]; v. 14. 6. 1994 – VI zR 260/93 –, VersR 1994, 1302 [= MedR 1994, 488]).

[16] b) Der Verpflichtung, plausibel darzulegen, weshalb aus ihrer sicht bei Kenntnis der aufklärungspflichtigen um-stände ihre eltern vor einem entscheidungskonflikt gestan-den hätten, ob sie den ihnen empfohlenen eingriff gleich-wohl ablehnen sollten (vgl. senat, BGHz 90, 103, 111 ff. [= MedR 1985, 224]; urtt. v. 1. 2. 2005 – VI zR 174/03 –, VersR 2005, 694 [= MedR 2005, 527]; v. 26. 6. 1990 – VI zR 289/89 –, VersR 1990, 1238, 1239 [= MedR 1990, 329]), ist die Kl. – entgegen der Auffassung des streithel-fers – hinreichend nachgekommen. Bereits in der Klage-schrift hat sie vorgetragen, dass sie vor der Operation nicht unter Leidensdruck gestanden habe und alle altersüblichen sportarten habe ausüben können. Bei Kenntnis der Opera-tionsrisiken hätte sie eine einwilligung hierzu nicht erteilt. es wäre in jedem fall ihre Volljährigkeit abgewartet wor-den, damit sie die entscheidung selbst hätte treffen kön-nen. zum Beweis für diesen Vortrag hat die Kl. ihre eltern als zeugen angeboten. Auch in der Berufungsbegründung v. 19. 4. 2004 hat die Kl. darauf hingewiesen, dass wegen ihres Befindens eine Operation weder nötig noch dringend gewesen sei. sie habe keine Beschwerden gehabt, sei leis-tungsmäßig nicht eingeschränkt gewesen, habe nicht über

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schmerzen geklagt, am turnunterricht teilgenommen und intensiv Reit- und fahrsport mit Pferden betrieben. Die Operation sei zweimal verschoben worden, einem weiteren Aufschub hätte nichts entgegengestanden. Diese Ausfüh-rungen genügen den Anforderungen, die der erkennende senat an die substantiierung der Plausibilität des entschei-dungskonflikts durch den Patienten stellt (vgl. senat BGHz 90, 103, 111 ff. [= MedR 1985, 224]).

[17] c) Bei dieser sachlage durfte das Berufungsgericht nicht ohne die im Hinblick auf ihr Vetorecht gebotene persönliche Anhörung der Kl. und ohne die Vernehmung der eltern als zeugen zu dem ergebnis gelangen, dass die Voraussetzungen für eine hypothetische einwilligung (vgl. dazu etwa senatsurt. v. 14. 6. 1994 – VI zR 260/93 –, VersR 1994, 1302 f. [= MedR 1994, 488]; v. 1. 2. 2005 – VI zR 174/03 –, VersR 2005, 694 [=MedR 2005, 527]) vor-liegen. Dabei hat es in unzulässiger Weise seine eigene Be-urteilung des Konflikts an die stelle derjenigen der Kl. und ihrer eltern gesetzt, ohne sich ein eigenes Bild durch deren Vernehmung als zeugen bzw. die persönliche Anhörung der Kl. zu verschaffen.

[18] Die Revision rügt zu Recht, dass das LG, auf dessen urt. das Berufungsgericht insoweit Bezug nimmt, die Kl. und ihre eltern nicht zu dem hier in Rede stehenden ent-scheidungskonflikt gehört hat. Bei der Anhörung vor dem LG ging es um die einwilligung in das Querschnittrisiko und nicht um die Risiken der Pseudarthrose und des operativen zugangswegs. entgegen der Auffassung des Berufungsge-richts lässt sich aus der tatsache, dass die eltern der Kl. in das Risiko einer Querschnittlähmung eingewilligt haben, nicht schließen, die Aufklärung über die hier in Rede stehenden weniger schweren Risiken hätte keinen einfluss auf die ein-willigung in die Operation gehabt. es kann nicht außer Acht gelassen werden, dass nach den insoweit revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden feststellungen des Berufungsge-richts in verschiedenen Gesprächen vor der Operation das Risiko der Querschnittlähmung als äußerst gering darge-stellt worden ist. Im Hinblick darauf konnte der eindruck entstanden sein, dass dieses Risiko zu vernachlässigen sei. zu berücksichtigen ist aber auch, dass die Operation ohnehin nur einen teilerfolg erwarten ließ und deswegen selbst bei geglückter Operation nicht mit völliger Beschwerdefreiheit gerechnet werden konnte. Hingegen waren bei Verwirkli-chung der unerwähnt gebliebenen Risiken erhebliche wei-tere Belastungen für die Lebensführung der noch jugendli-chen Kl. gegeben. Nach den bisherigen feststellungen des Berufungsgerichts ist danach nicht auszuschließen, dass die eltern der Kl. bei Kenntnis der möglichen folgen, die mit der konkreten Operationstechnik verbunden waren, Beden-ken bekommen und von dem eingriff Abstand genommen hätten, um zeit zu gewinnen und sich in Ruhe über ihre einwilligung in den eingriff schlüssig zu werden oder um ihn bis zur Volljährigkeit der Kl. aufzuschieben.

[19] Hätte die gebotene Aufklärung zur Versagung der einwilligung und infolgedessen zur Vermeidung der Ope-ration geführt, hat der Bekl. grundsätzlich für deren sämt-liche folgen einzustehen (vgl. senatsurt. v. 30. 1. 2001 – VI zR 353/99 –, VersR 2001, 592 [= MedR 2001, 421]).

[20] 3. entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die im streit befindlichen Ansprüche der Kl. nicht ver-jährt.

[21] a) zu Recht geht das Berufungsgericht allerdings da-von aus, dass für die nach § 852 Abs. 1 BGB a. f. für den Lauf der Verjährung deliktischer Ansprüche erforderliche Kennt-nis von schädigungshandlung und schädigung nicht auf das Wissen der minderjährigen Kl., sondern auf die Kenntnis ihrer eltern als ihrer gesetzlichen Vertreter abzustellen ist, denn auf deren Wissensstand kommt es an, solange der Ge-schädigte beschränkt geschäftsfähig oder geschäftsunfähig ist (vgl. senatsurt. v. 16. 5. 1989 – VI zR 251/88 –, NJW 1989, 2323 m. w. N. [= MedR 1989, 326]). Auch hat es mit Recht

den Kenntnisstand der Rechtsanwälte, die die eltern der Kl. mit der ermittlung und Geltendmachung der Ansprüche beauftragt hatten, in die Prüfung miteinbezogen. Nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 166 Abs. 1 BGB zum so genann-ten Wissensvertreter entwickelt hat, muss sich derjenige, der einen anderen mit der erledigung bestimmter Angele-genheiten in eigener Verantwortung betraut, das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen; dies gilt insbesondere dann, wenn der Geschädigte bzw. dessen gesetzlicher Vertreter einen Rechtsanwalt mit der Aufklä-rung eines sachverhalts beauftragt hat (vgl. BGHz 83, 293, 296; senat, urtt. v. 19. 3. 1985 – VI zR 190/83 –, VersR 1985, 735 f.; und v. 16. 5. 1989 – VI zR 251/88 –, a. a. O.).

[22] b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen jedoch die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht annimmt, die für den Verjährungsbeginn maßgebende Kenntnis der eltern der Kl. i. s. des § 852 Abs. 1 BGB a. f. sei bereits seit 1992/1993 gegeben.

[23] (1) zwar geht das Berufungsgericht zutreffend da-von aus, dass bei schadensersatzansprüchen wegen Auf-klärungsmängeln die Verjährung in der Regel nicht schon beginnt, sobald der nicht aufgeklärte Patient einen schaden aufgrund der medizinischen Behandlung feststellt. Hinzu-treten muss vielmehr auch die Kenntnis, dass der schaden nicht auf einem Behandlungsfehler beruht, sondern eine spezifische Komplikation der medizinischen Behandlung ist, über die der Patient – was dem behandelnden Arzt be-kannt sein musste – hätte aufgeklärt werden müssen (vgl. senatsurt. v. 10. 4. 1990 – VI zR 288/89 –, VersR 1990, 795). Auch ist zutreffend, dass die Vorschrift des § 852 BGB a. f. für den Beginn der Verjährungsfrist nur auf die Kennt-nis der anspruchsbegründenden tatsachen abstellt, nicht je-doch auf deren zutreffende rechtliche Würdigung. fehlen dem Geschädigten die hierfür erforderlichen Kenntnisse, muss er versuchen, sich insoweit rechtskundig zu machen (vgl. senatsurt. v. 20. 9. 1983 – VI zR 35/82 –, VersR 1983, 1158, 1159 [= MedR 1984, 104]).

[24] (2) soweit aber das Berufungsgericht im streitfall eine erkundigungspflicht der klagenden Partei annimmt, kann diese sich nicht auf die fachspezifisch medizinische frage beziehen, inwieweit eine Aufklärung zu erfolgen hatte. Der Patient und sein Prozessbevollmächtigter sind nämlich nicht verpflichtet, sich im Hinblick auf einen Haf-tungsprozess medizinisches fachwissen anzueignen (vgl. senat, BGHz 159, 245, 254 [= MedR 2005, 37]). Da die erteilte Aufklärung insoweit erhebliche Lücken aufwies (oben, sub 1.e)), hat die Kl. erst mit zugang des Gutachtens des Prof. Dr. P. im Juni 1997 davon Kenntnis erlangt, dass es sich bei den eingetretenen Komplikationen der Pseud-arthrose und des operativen zugangswegs, über die nicht aufgeklärt worden ist, nicht um die folgen eines Operati-onsfehlers oder schicksalhafte zufälle handelt, sondern um Risiken, die dem eingriff spezifisch anhaften und über die deshalb hätte aufgeklärt werden müssen. Danach greift die Verjährungseinrede im streitfall nicht.

[25] III. Das Berufungsurteil ist nach alledem aufzuheben und die sache zur Klärung der frage des entscheidungs-konflikts an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Anmerkung

Volker Lipp

Im zentrum der entscheidung des VI. zivilsenats stehen die fragen nach dem umfang der Aufklärungspflicht des

Prof. Dr. iur. Volker Lipp,Blumenwall 1, 31737 Rinteln, Deutschland

Rechtsprechung

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Arztes (dazu 1.), nach dem Adressaten der Aufklärung bei der Behandlung eines minderjährigen Patienten (dazu 2.) und danach, auf wen es bei der hypothetischen einwilli-gung eines Minderjährigen ankommt (dazu 3.).

1. Die Aufklärung soll den Patienten in die Lage ver-setzen, seine persönliche entscheidung zu treffen, ob er sich operieren lassen möchte. sie hat sich deshalb auf alle behandlungstypischen Risiken einer Operation zu erstre-cken, die für diese entscheidung bedeutsam sind und de-ren Kenntnis vom Patienten nicht erwartet werden kann. Der senat bekräftigt die ständige Rechtsprechung, wonach dies auch für Risiken gilt, die selten auftreten oder gegen-über dem Hauptrisiko weniger schwer wiegen, wenn sie die Lebensführung des Patienten erheblich beeinträchtigen können1.

2. Adressat der Aufklärung ist bei einem minderjährigen Patienten derjenige, dem die Gesundheitssorge für den Min-derjährigen obliegt und der deshalb der Behandlung zustim-men muss, d. h. regelmäßig die eltern (§§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1 BGB). Gleichwohl besteht unsicherheit darüber, ob Heranwachsende bereits vor Vollendung des 18. Lebens-jahres allein in ärztliche Maßnahmen einwilligen können, d. h. ob sie insofern teilmündig sind. Der BGH hatte dies einmal im Jahre 1958 in einem obiter dictum bei einem fast 21-Jährigen bejaht, der aus der DDR geflohen und dessen eltern in der DDR nicht erreichbar waren2. In der Literatur wird eine teilmündigkeit des urteilsfähigen Minderjähri-gen vielfach mit Blick auf das Persönlichkeitsrecht des He-ranwachsenden bejaht3. Dabei wird jedoch u. a. übersehen, dass eine derartige generelle einschränkung des elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 s. 1 GG wegen des Gesetzesvorbehalts dem Gesetzgeber vorbehalten ist, der entsprechende Vorschläge jedoch bislang nicht aufgenommen hat4. solange der Patient minderjährig ist, müssen daher die sorgeberechtigten eltern zustimmen und aufgeklärt werden. Der BGH hält daran in der besprochenen entscheidung zu Recht fest5.

soweit der Minderjährige selbst urteilsfähig ist, steht ihm jedoch wegen der immanenten Beschränkung des sorge-rechts durch das Persönlichkeitsrecht des Kindes (§ 1626 Abs. 2 BGB) ein Vetorecht gegen seine ärztliche Behand-lung zu6. Diese bis in die 1970er Jahre zurückreichende Rechtsprechungslinie7 bekräftigt der BGH mit der vorlie-genden entscheidung. Daraus ergibt sich die Verpflichtung des Arztes, auch den urteilsfähigen Minderjährigen so auf-zuklären, dass er sein Vetorecht ausüben kann.

3. Konsequenterweise stellt der BGH dann beim ein-wand des Arztes, die einwilligung wäre auch bei gehöriger Aufklärung erteilt worden (hypothetische einwilligung), auf den entscheidungskonflikt nicht nur der eltern, son-dern auch des urteilsfähigen Patienten ab. Im Prozess ist deshalb der inzwischen i. d. R. erwachsene Patient als Par-tei anzuhören, seine eltern sind als zeugen zu vernehmen. Dies hatte das OLG unterlassen und damit die Beweiswür-digung unzulässigerweise vorweggenommen. Nachdem der Anspruch auch nicht verjährt war – darauf zielt der Leitsatz c) –, war die entscheidung aufzuheben und zur erneuten Verhandlung zurückzuverweisen.

Beendigung einer (zahn-)ärztlichen Gemeinschaftspraxis

BGB § 723; ZPO § 263

1. Ein Wechsel im Mitgliederbestand einer Gesell-schaft bürgerlichen Rechts hat keinen Einfluss auf den Fortbestand eines mit der Gesellschaft geschlossenen Vertrages.

2. Ist im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass eine Kündigung aus wichtigem Grund schriftlich begründet werden muss, kann die Kündigung nur auf die Grün-de gestützt werden, die Gegenstand des Kündigungs-schreibens gewesen sind.

3. Eine einvernehmliche Vertragsaufhebung bei ei-ner Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist darin zu sehen, dass ein Gesellschafter seiner Arbeitsverpflichtung nicht mehr nachkommt und die Gesellschaft diese nicht an-fordert bzw. hierauf verzichtet, wenn der betreffende Gesellschafter eine an seinem Honorarumsatz bemes-sene Gewinnbeteiligung erhält.

4. Einer besonderen Auseinandersetzungsbilanz be-darf es nicht bei der Abwicklung einer Gemeinschafts-praxis nach einvernehmlicher Vertragsaufhebung. (Leitsätze des Bearbeiters)OLG Oldenburg, Urt. v. 6. 12. 2007 – 14 U 91/07 (LG Oldenburg)

Problemstellung: Die Parteien haben über die Rechtsfolgen der Beendigung einer zwischen ihnen gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts gestritten. tatsächlich war in erster Instanz (LG Oldenburg, urt. v. 11. 6. 2007 – 5 O 2403/06 –) strittig gewesen, ob der Kl. nicht lediglich „scheingesellschafter“ einer gegen-über der KzV geführten Gemeinschaftspraxis gewesen ist. Möglicherweise hatte das OLG insoweit ein richtiges Gefühl, als es in den entscheidungsgründen mehrfach von „Praxisgemeinschaft“ spricht, was wohl durch die Art der Gewinnverteilung nach Honorarumsätzen und mangels weiterer Verpflichtungen des Kl. (außer zur einbringung der Arbeitskraft) nahegelegt wurde. Von Interesse ist das urt. des OLG vorzugsweise deshalb, weil das OLG hinsichtlich der erfolgten fristlosen (au-ßerordentlichen) Kündigung davon ausgeht, dass diese mangels Vorbringens entsprechender Kündigungsgrün-de unwirksam war, weil dem vereinbarten Begrün-dungszwang nicht genügt worden ist. Das OLG befasst sich nicht damit, ob der Begründungszwang nicht eine Kündigungserschwernis i. s. des § 723 Abs. 3 BGB ent-hält. Als (unzulässige) Kündigungsbeschränkungen sind jedenfalls über das Gesetz hinausgehende materi-elle Wirksamkeitserfordernisse anzusehen (Westermann, in: Erman, BGB, 11. Aufl. 2004, § 723, Rdnr. 24). Das vom OLG insoweit in Bezug genommene urt. des BGH (v. 27. 6. 2007 – VIII zR 271/06 –, NJW 2007, 2845) besagt insoweit wenig, als die entscheidung sich mit dem Begründungserfordernis bei der Kündigung von Mietverhältnissen befasst, für die § 573 Abs. 3 BGB für den fall der Vermieterkündigung ausdrücklich be-stimmt, dass die Gründe für ein berechtigtes Interesse im Kündigungsschreiben anzugeben sind und andere Gründe nur berücksichtigt werden, soweit sie nachträg-lich entstanden sind. Der umstand, dass das Begrün-

eingesandt von Rechtsanwältin Maria-stephanie Büscher, Jean-Pierre-Jungels-straße 6, 55126 Mainz; bearbeitet von Rechtsanwalt und Notar Dr. iur. franz-Josef Dahm, fachanwalt für Medizinrecht und fachanwalt für Verwaltungsrecht, sozietät schmidt, von der Osten & Huber, Haumannplatz 28–30, 45130 essen, Deutschland

Rechtsprechung

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MedR (2008) 26: 293−295 293

1) BGHz 126, 386, 389 = MedR 1995, 25; Geiß/Greiner, Arzthaft-pflichtrecht, 5. Aufl. 2006, Rdnr. C 49, jew. m. w. N.

2) BGHz 29, 33, 36 f. Allerdings hielt der BGH die einwilligung des Minderjährigen aus anderen Gründen für unwirksam. zur ent-scheidung vgl. Böhmer, MDR 1959, 707; zur weiteren entwicklung der Rechtsprechung vgl. Geiß/Greiner (fn. 1), Rdnr. C 115.

3) Ausführlich Wölk, MedR 2001, 80, 83 ff m. w. N.4) Ausführlich dazu Lipp, freiheit und fürsorge, 2000, s. 29 ff.5) Übersicht über die Rechtsprechung bei Geiß/Greiner (fn. 1), Rdnr.

C 115.6) Dazu Lipp (fn. 4), s. 32 f.7) BGH, NJW 1970, 510, 512 f.; BGH, NJW 1972, 335, 337; BGH,

NJW 1974, 1947, 1950; BGH, NJW 1991, 2344, 2345.