69
Aufschwung legt Pause ein Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2007 Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose

Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

  • Upload
    others

  • View
    3

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

Aufschwunglegt Pause einGemeinschaftsdiagnose

Herbst 2007

Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose

Page 2: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

Dienstleistungsauftrag desBundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

Der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose gehören an:

ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München[www.ifo.de]

in Kooperation mit:KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich

[www.kof.ethz.ch]

Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel[www.ifw-kiel.de]

Institut für Wirtschaftsforschung Halle[www.iwh-halle.de]in Kooperation mit:

Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschungin der Hans-Böckler-Stiftung

[www.imk-boeckler.de]Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung

[www.wifo.ac.at]

Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung[www.rwi-essen.de]

bei der Mittelfristprognose in Kooperation mit:Institut für Höhere Studien Wien

[www.ihs.ac.at]

2

Page 3: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

3

Page 4: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

4

Page 5: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

5

Page 6: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

6

Page 7: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

Die Weltwirtschaft expandiert im Herbst 2007 immer nochkräftig, doch haben sich die konjunkturellen Risiken erhöht.Die durch die Immobilienkrise in den USA ausgelösten Pro-bleme an den Finanzmärkten haben zu einer Neueinschät-zung von Kreditrisiken geführt. Vielfach wird befürchtet,dies könnte die Finanzierungskosten für Unternehmen er-höhen und die realwirtschaftlichen Aktivitäten belasten.Optimistisch stimmt allerdings, dass die Dynamik der Welt-konjunktur seit geraumer Zeit hoch ist. In den Schwellen-ländern hat sich die ohnehin bereits sehr kräftige Expansionim Verlauf des Jahres 2007 sogar beschleunigt, vor allem imasiatischen Raum und hier insbesondere in China. Hingegensteigt die Produktion in den Industrieländern seit einigerZeit nur noch in moderatem Tempo. In den USA hatte sichdie Konjunktur bereits zur Jahresmitte 2006, ausgehend voneinem Rückgang der Bautätigkeit, spürbar verlangsamt. ImEuroraum und in Japan, wo das reale Bruttoinlandsproduktnoch bis in das laufende Jahr hinein kräftig ausgeweitet wor-den war, schwächte sich die konjunkturelle Grundtendenzab.

Ausgangspunkt der Turbulenzen an den Finanzmärkten wareine Zuspitzung der Immobilienkrise in den USA. Dadurchist die Volatilität an den Finanzmärkten spürbar gestiegen.Es kam zu einer „Flucht in Sicherheiten“, die zu Kursgewin-nen bei Staatstiteln und auch Anleihen erstklassiger Schuld-ner aus dem Unternehmenssektor führte. Für viele andereVermögenstitel haben sich die Risikozuschläge erhöht,wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Dies hat zusam-men mit höheren Kosten der Liquiditätssicherung der Ban-ken zu einer Verschlechterung der Finanzierungsbedingun-gen der Unternehmen geführt.

Auf die akuten Funktionsstörungen am Interbankenmarkthaben die US-Notenbank und die EZB zunächst reagiert,indem sie vorübergehend zusätzliche Liquidität bereitstell-ten. Im weiteren Verlauf verzichtete die EZB auf eine ange-kündigte Zinserhöhung, und die Federal Reserve senkte ih-ren Leitzins. Angesichts der Probleme am Immobilienmarktwird die amerikanische Notenbank bis zum Frühjahr 2008die Zinsen noch weiter senken. Die EZB wird die Leitzinsenwohl zunächst konstant lassen und sie erst nach der Jahres-mitte 2008 anheben.

Die Weltkonjunktur wird im Prognosezeitraum merklich anSchwung verlieren. Ursache hierfür sind weniger die aktuel-len Probleme an den Finanzmärkten, von denen die Institu-te erwarten, dass sie in den kommenden Wochen und Mona-ten abklingen. Bedeutsamer ist, dass die Korrektur am Im-mobilienmarkt in den USA ausgeprägter ist als bislang pro-gnostiziert. Im Euroraum kommt hinzu, dass die Aufwer-tung des Euro dämpfend wirkt und die Geldpolitik nichtmehr expansiv ausgerichtet ist. Auch in Großbritannien,ebenso wie in Japan, verlangsamt sich das Expansionstempoim kommenden Jahr, ohne dass von einem Abschwung ge-sprochen werden kann. Mit der schwächeren Konjunktur inden Industrieländern dürfte eine Verlangsamung des Pro-duktionsanstiegs in den Schwellenländern einhergehen.

Der weltweite Produktionsanstieg wird sich im Jahr 2007 auf2,9 % belaufen und 2008 auf 2,7 %. Davon sind rund 0,6 Pro-zentpunkte allein auf den Zuwachs in China zurückzufüh-ren. Der Welthandel nimmt in diesem und im kommendenJahr nur noch in moderatem Tempo mit Raten von 5,3 bzw.5,8 % zu.

Das wohl größte Risiko für die konjunkturelle Entwicklungder Weltwirtschaft geht von der Immobilienkrise in denUSA aus. Sie könnte sich deutlich länger hinziehen und da-mit die US- Konjunktur merklicher schwächen als in dieserPrognose unterstellt. Verstärkt werden könnten die Folgenrezessiver Tendenzen in den USA für den Euroraum da-durch, dass der Euro gegenüber dem Dollar aufwertet. An-gesichts eines solchen Krisenszenarios sind derzeit andereRisiken in den Hintergrund getreten. Allerdings ist es nichtausgemacht, dass die Weltwirtschaft einen Ölpreisschockauch in einer Phase geringerer wirtschaftlicher Dynamik gutverkraftet. Indes gibt es auch Aufwärtsrisiken. Sollte sich dieSituation am US-Immobilienmarkt bald stabilisieren oderbliebe die Korrektur auf die Wohnungsbauinvestitionen be-schränkt, könnte sich die Konjunktur in den USA rasch wie-der beleben.

Die deutsche Wirtschaft befindet sich nach wie vor in einemkräftigen Aufschwung. Allerdings wird die Konjunktur imlaufenden Jahr durch mehrere Faktoren belastet. Die re-striktive Finanzpolitik dämpft die Inlandsnachfrage, insbe-sondere den privaten Konsum erheblich. Hinzu kommender erneute Anstieg des Ölpreises und die Aufwertung desEuro. Zudem bewirken die jüngsten Turbulenzen an den Fi-nanzmärkten voraussichtlich einen weiteren Dämpfer fürdie Konjunktur. All dies trifft die deutsche Wirtschaft je-doch nicht in einer labilen Situation. Vielmehr haben sichdie Fundamentalbedingungen spürbar gebessert. Spannun-gen, die in früheren Zyklen einen Abschwung oder gar eineRezession ausgelöst haben, zeichnen sich bislang nicht ab,weder von Seiten der Löhne, als auch bei der Inflation. Da-her ist eine ausgesprochen restriktive Geldpolitik unwahr-scheinlich. Vor diesem Hintergrund wird die Expansion sichim Prognosezeitraum zwar verlangsamen. Der Aufschwunggeht aber nicht zu Ende, sondern legt nur eine Pause ein.

Im ersten Halbjahr 2007 hat sich die Konjunktur gegenüberder Vorperiode abgeschwächt. Ausschlaggebend war dieAnhebung der Mehrwertsteuer. Sie dämpfte die Inlands-nachfrage, insbesondere die privaten Konsumausgaben be-trächtlich, zumal Anschaffungen in das Jahr 2006 vorgezo-gen worden waren. Erst im zweiten Quartal weiteten dieVerbraucher ihre Käufe wieder leicht aus. Auch die Woh-nungsbauinvestitionen sanken nach der Steueranhebung er-heblich. Gleichzeitig wurden die Exporte kaum noch ausge-weitet, weil die Industrieproduktion im Ausland etwasschwächer wuchs. Alles in allem nahm das reale Bruttoin-landsprodukt im Durchschnitt des ersten Halbjahres 2007mit einer laufenden Jahresrate von knapp 2 ½ % zu. DieLage auf dem Arbeitsmarkt verbesserte sich dabei bis zu-letzt, wenn auch nicht mehr so rasch wie im Winterhalbjahr.Die registrierte Arbeitslosigkeit bildete sich seit dem Früh-jahr langsamer zurück; dennoch war die saisonbereinigteArbeitslosenquote zuletzt mit 8,8 % um immerhin einenProzentpunkt niedriger als am Ende des Vorjahres. Der

7

Page 8: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

Preisauftrieb hatte sich nach dem Schub durch die Mehr-wertsteuererhöhung zunächst etwas beruhigt. In jüngsterZeit verteuerten sich jedoch insbesondere Energieprodukteund Nahrungsmittel deutlich, so dass die Inflationsrate imSeptember 2,4 % betrug.

Trotz der konjunkturellen Abschwächung sind die Auf-triebskräfte weiterhin intakt. Eine Reihe von Indikatoren,wie die kräftig gestiegen Käufe von Ausrüstungsgütern, dieweiterhin zunehmende Nachfrage nach Industriegütern undder hohe Auftragsbestand sprechen dafür, dass die Kon-junktur wieder Fahrt aufgenommen hat. Daran dürften auchdie Finanzmarktturbulenzen vorerst nichts ändern. Kräftigexpandiert im weiteren Verlauf dieses Jahres die Inlands-nachfrage, insbesondere die Ausrüstungsinvestitionen. Sieprofitieren auch davon, dass Projekte im Hinblick auf dieVerschlechterung der Abschreibungsregeln zu Beginn desJahres 2008 vorgezogen werden. Zudem wird der privateKonsum voraussichtlich stärker aufwärts gerichtet sein, dasich die Arbeitsmarktlage weiterhin verbessert und die ver-fügbaren Einkommen spürbar zunehmen. Die Impulse ausdem Ausland dürften sich etwas verstärken, da die Inlands-nachfrage im übrigen Euroraum sich beschleunigt. Alles inallem dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2007um 2,6 % steigen.

Im kommenden Jahr wird die gesamtwirtschaftliche Pro-duktion in moderatem Tempo zunehmen. Vom Außenhan-del ist ein geringerer Wachstumsbeitrag zu erwarten, da dieWeltwirtschaft verlangsamt expandiert und die Aufwertungdes Euro den Exportanstieg bremst. Die Inlandsnachfragewird die wesentliche Stütze der Konjunktur sein. Insbeson-dere werden die privaten Konsumausgaben spürbar expan-dieren, da die verfügbaren Einkommen deutlich zunehmenund die Finanzpolitik nicht mehr dämpft. Dagegen verlierendie Unternehmensinvestitionen wohl an Schwung. Zum ei-nen ist dies ein Reflex auf das Vorziehen der Käufe in dasJahr 2007, zum anderen verschlechtern sich die Finanzie-rungsbedingungen etwas. Neben den zurückliegenden Zin-sanhebungen der EZB ist hierfür maßgeblich, dass dieMärkten als Folge der jüngsten Turbulenzen künftig wohleine höhere Risikoprämie verlangen. Beeinträchtigt werdendie Finanzierungsbedingungen auch durch rascher steigen-de Arbeitskosten. Für das Jahr 2008 ist mit einem Anstiegdes realen Bruttoinlandsprodukts um 2,2 % zu rechnen. DieVerlaufsrate verringert sich dabei auf 1,5 %, nach 2,3 % indiesem Jahr.

Die Arbeitslosigkeit wird im Verlauf von 2008 langsamersinken als im Jahr 2007; sie dürfte sich im Jahresdurchschnitt2008 auf reichlich 3,4 Millionen belaufen, nach knapp 3,8Millionen in diesem Jahr. Der Preisauftrieb wird mit einerRate von 2,0 % ähnlich hoch sein wie im Jahr 2007. Zwarwird die Inflationsrate dadurch gedrückt, dass die Anhe-bung der Mehrwertsteuer bereits vollständig überwälzt wur-de; die anhaltend günstige Konjunktur vergrößert jedochden Spielraum für Preisanhebungen, und der Ölpreis wirdim Jahresdurchschnitt höher sein als 2007.

Abwärtsrisiken ergeben sich vor allem aus der Immobilien-krise in den USA und den dadurch ausgelösten Turbulenzenan den Finanzmärkten. Die vorliegende Prognose unter-stellt einen glimpflichen Ausgang, wofür auch spricht, dasssich die Lage an den Finanz- und Devisenmärkten zuletztentspannt hat. Neuerliche Überraschungen wie z.B. zusätzli-che Verluste bei Haushalten und Unternehmen und daraus

resultierende negative Reaktionen der Finanzmärkte sindjedoch nicht auszuschließen. Diese würden die Expansion inDeutschland spürbar dämpfen.

Obwohl sich die binnenwirtschaftlichen Wachstumsbedin-gungen in den vergangenen Jahren verbessert haben, ist dieWirtschaftspolitik weiter gefordert. Sie kann zyklische Ver-langsamungen zwar nicht verhindern, hat es aber in derHand, das trendmäßige Wachstum zu stärken.

Die Finanzpolitik sollte dazu ihren Konsolidierungskursfortsetzen und dabei die qualitative Konsolidierung, also dieStärkung der investiven Ausgaben, forcieren. Dies kann ihrgelingen, wenn sie den Ausgabenanstieg weiterhin begrenzt.Die Institute schlagen vor, dass die konjunkturunabhängi-gen Staatsausgaben um 2 % je Jahr zunehmen sollten unddamit langsamer als das nominale Bruttoinlandsprodukt,dessen jährlichen Anstieg sie auf 3 % veranschlagen. So ent-stünde ein Haushaltüberschuss von überschlägig 10 Mrd.Euro je Jahr. Dieser kann für einen Abbau des noch verblei-benden strukturellen Defizits, aber auch für mehr investiveAusgaben oder Steuersenkungen verwendet werden. Derbudgetäre Spielraum könnte erweitert werden, wenn derSubventionsabbau fortgesetzt würde. Die konjunkturab-hängigen Ausgaben insbesondere für die Arbeitsmarktpoli-tik könnten um den langfristigen Ausgabenpfad schwanken,damit die automatischen Stabilisatoren wirken. Allerdingsist derzeit nicht zu erkennen, dass der notwendige Konsoli-dierungskurs fortgesetzt wird. Vielmehr werden die kon-sumtiven Staatsausgaben im kommenden Jahr wieder ver-stärkt steigen. Die prognostizierte Verbesserung des Bud-getsaldos von 0,1 % in Relation zum Bruttoinlandsproduktin diesem Jahr auf 0,3 % im Jahr 2008 ist überwiegend aufdie gute Konjunktur zurückzuführen.

In der Arbeitsmarktpolitik findet der Reformkurs der ver-gangenen Jahre keine Fortsetzung, obwohl die strukturelleArbeitslosigkeit immer noch hoch ist. Vielmehr wird derzeiteher über ein Zurückdrehen bei den bisherigen Reformendiskutiert. Erforderlich sind aber Maßnahmen, die insbe-sondere im Niedriglohnbereich die Anreize für Arbeit erhö-hen und die dauerhafte Integration in den Arbeitsmarktverbessern. Dies würde dazu beitragen, dass sich der be-schäftigungsorientierte Kurs der Lohnfindung fortsetzenwürde.

Die Geldpolitik steht vor einer schwierigen Abwägung zwi-schen weiter bestehenden Inflationsrisiken einerseits, derimmer noch anhaltenden Verunsicherung der Finanzmärkteund höheren Risiken für die Konjunktur andererseits. Erste-res würde dafür sprechen, dass sie die geldpolitischen Zügelanzieht, letzteres für eine abwartende Geldpolitik. Die Insti-tute erwarten, dass die EZB ihren Leitzins fürs Erste unver-ändert lässt. Um steigenden Inflationserwartungen entge-gen zu treten, dürfte sie aber ihre schon für den September2007 angekündigte Zinsanhebung in der zweiten Hälfte deskommenden Jahres nachholen.

8

Page 9: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

Die Weltwirtschaft expandiert im Herbst 2007 zwarimmer noch kräftig, doch haben sich die konjunkturel-len Risiken erhöht. Die durch die Immobilienkrise inden USA ausgelösten Probleme an den Finanzmärk-ten haben zu einer Neueinschätzung von Kreditrisi-ken geführt. Vielfach wird befürchtet, dies könnte dierealwirtschaftlichen Aktivitäten erheblich belasten.Optimistisch stimmt allerdings, dass die Dynamik derWeltkonjunktur seit geraumer Zeit hoch ist. In denSchwellenländern hat sich die ohnehin bereits sehrkräftige Expansion im Verlauf des Jahres 2007 sogarbeschleunigt, vor allem im asiatischen Raum und hierinsbesondere in China. Hingegen steigt die Produk-tion in den Industrieländern seit einiger Zeit nur nochin moderatem Tempo. In den USA hatte sich dieKonjunktur bereits zur Jahresmitte 2006, ausgehendvon einem Rückgang der Bautätigkeit, spürbar abge-schwächt. Im Euroraum und in Japan, wo das realeBruttoinlandsprodukt noch bis in das laufende Jahrhinein kräftig ausgeweitet worden war, schwächte sichdie konjunkturelle Grundtendenz seit dem Frühjahrab.

Ausgangspunkt der Turbulenzen an den Finanzmärk-ten war eine Zuspitzung der Immobilienkrise in denUSA. Die Rating-Agenturen reagierten darauf im Julimit einer Herabstufung einer großen Anzahl vonWertpapieren, die mit Forderungen aus Hypotheken-krediten besichert waren. Daraufhin verloren diese,aber auch andere Vermögenstitel, die auf Kreditfor-derungen beruhen, deutlich an Wert, und zwar sowohlin den USA als auch in Europa. Der Handel mit eini-gen kreditbesicherten Wertpapieren ist nahezu zumErliegen gekommen; in diesen Fällen ist eine Werter-mittlung kaum mehr möglich. In der Folge gerieteninsbesondere Finanzinstitute, die sich kurzfristig aufden internationalen Geldmärkten refinanzieren müs-sen und auf Asset Backed Securities (also durch Ver-mögenswerte besicherte Finanzinstrumente) als Si-cherheiten angewiesen sind, in Liquiditätsprobleme.1

Seither liegen die Zinsen auf den Interbankenmärk-ten in Nordamerika und Europa insbesondere fürDreimonatsgeld ungewöhnlich deutlich über den je-weiligen Leitzinsen. Gegenwärtig scheinen die Liqui-ditätsknappheiten immer noch nicht behoben. DieVolatilität an den Finanzmärkten ist spürbar gestie-gen. Eine „Flucht in Sicherheiten“ hat gegenüber derSituation vor Ausbruch der Turbulenzen zu Kursge-

winnen von Staatstiteln – und auch von Anleihen erst-klassiger Schuldner aus dem Unternehmenssektor –geführt. Für viele andere Vermögenstitel haben sichdie Risikozuschläge erhöht, wenn auch in unter-schiedlichem Ausmaß. 2

Höhere Risikoprämien verteuern realwirtschaftlicheInvestitionen, deren zukünftige Erträge unsicher sind.Allerdings waren diese Prämien in den vergangenendrei Jahren außerordentlich niedrig. Gegenwärtigwerden etwa für europäische Unternehmensanleihenkeine besonders hohen Risikozuschläge beobachtet;beispielsweise sind sie wesentlich niedriger als nachdem Platzen der IT-Blase im Jahr 2000. Zudem habendie Aktienkurse bis Anfang Oktober den Einbruchvom August in etwa wieder aufgeholt. Auch ist das be-kannt gewordene Volumen der Kreditausfälle bisherrecht gering. Sie beschränken sich weiterhin vornehm-lich auf zweitklassige Hypothekenkredite in denUSA, und es ist kaum zu erwarten, dass diese Ausfällezu Insolvenzen von Finanzinstituten in einem Ausmaßführen, das die nationale oder gar die Weltkonjunkturerheblich belasten würde. Freilich verschlimmern dieAusfälle die Immobilienkrise in den USA. Dieserrealwirtschaftliche Effekt sollte aber nicht den Turbu-lenzen an den Finanzmärkten zugerechnet werden.

Allerdings gibt Anlass zur Sorge, dass die bis dato be-grenzten Zahlungsausfälle so große Turbulenzen aus-lösen konnten. Offenbar treten hier einige Fehlent-wicklungen auch in den Strukturen der modernen Fi-nanzmärkte zu Tage. Als problematisch entpuppt sichvor allem, dass Finanzmarktinstrumente, die eine Ver-briefung und den Handel von Krediten auf Sekundär-märkten ermöglichen, in den vergangenen Jahren gro-ße Verbreitung gefunden haben. Sie erlauben es denBanken, durch den Verkauf von KreditforderungenKosten der Eigenkapitalunterlegung einzusparen.Zwar ist die damit verbundene Diversifizierung vonRisiken auch volkswirtschaftlich sinnvoll; allerdingszeigt sich nun beispielhaft auf dem US-amerikani-schen Immobilienmarkt, dass die Weitergabe vonAusfallrisiken an die Kapitalmärkte mit Fehlanreizeneinhergehen kann: Der ursprüngliche Kreditgeberwird möglicherweise die Bonität des Schuldners weni-ger genau kontrollieren. Andererseits fällt den Käu-fern der Produkte wegen deren Komplexität eine ad-äquate Risikokontrolle schwer. Es hat sich zudem ge-zeigt, dass eine Neubewertung im Fall einer Erhöhungvon Ausfallwahrscheinlichkeiten der den Titeln zu-grunde liegenden Sicherheiten schwierig ist. Die posi-tiven Bewertungen vieler Asset Backed Securitiesdurch die Rating-Agenturen erwiesen sich als wenig

9

1 Beispiele, die auch international viel Beachtung fanden, sind die Rettungsaktion für die IKB und der Notverkauf der SachsenLB.2 Für eine Analyse der Turbulenzen auf den Finanzmärkten vgl. auch S. 62–66.

Page 10: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

aussagekräftig, beziehen sie sich doch nur auf das Aus-fallrisiko bei Fälligkeit, nicht aber auf das Risiko, dasssie vor Fälligkeit wegen Bewertungsunsicherheit ihreMarktfähigkeit verlieren. Aufgrund des weltweitenHandels mit kreditbesicherten Vermögenstitelnherrscht zudem Unsicherheit darüber, welche Finanz-institute von der US-Hypothekenkrise besonders be-lastet sind.

Offenbar sind die Bewertungsprobleme besonders fürFinanzinstitute mit hoher Fremdfinanzierungsquotein Verbindung mit ausgeprägter Fristentransformati-on ein ernstes Problem. Wenn diese in Liquiditätseng-pässe geraten, sind sie häufig gezwungen, rasch jeneVermögenswerte zu verkaufen, die an den Kapital-märkten noch ohne allzu große Verluste abgesetztwerden können. Darin lag ein Grund dafür, dass sichder Preisverfall bei einer relativ kleinen Klasse vonVermögenstiteln rasch auf andere Märkte ausbreitete.So sanken die Aktienkurse im August spürbar undauch die Rohstoffpreise gaben deutlich nach. DasMisstrauen gegenüber der Liquiditätsausstattung vonGeschäftspartnern erklärt zum Teil die prekäre Lageauf dem Interbanken-Geldmarkt. Schließlich scheintauch bedenklich, wie leicht es den kürzlich in Schwie-rigkeiten gekommenen Finanzinstituten gefallen war,durch Auslagerungen der Risiken aus ihren Bilanzendie Eigenkapitalanforderungen zu umgehen.

Es gibt also eine Anzahl von Gründen dafür, dass dasVertrauen in einen Teil der neuen Finanzmarktinstru-mente und auch in die Stabilität der internationalenFinanzmärkte gesunken ist. Darin liegt auch eine Er-klärung für das Ausmaß der Ansteckungseffekte aufMärkte für verbriefte Kredite, die mit dem US-Hypo-thekenmarkt direkt wenig zu tun haben. Die Institutehaben in ihrem Frühjahrsgutachten schon darauf hin-gewiesen, dass das Ende des Booms auf den Immobi-lienmärkten in den USA eine erste Bewährungsprobefür die Instrumente darstellt.3 Es wurde konstatiert,dass ihr verbreiteter Einsatz den gegenwärtigen welt-wirtschaftlichen Aufschwung vonseiten der Finanz-märkte begünstigt hat. Dieser Rückenwind wird derKonjunktur in den Industrieländern in nächster Zeitwohl fehlen. Risikoaufschläge auf den Märkten fürUnternehmensanleihen und vor allem für AssetBacked Securities werden im Prognosezeitraum deut-lich höher sein als in den vergangenen drei Jahren. Zu-sammen mit höheren Kosten der Liquiditätssicherungder Banken wird dies dazu führen, dass die Fremdka-pitalfinanzierung von Unternehmen nicht erstklassi-ger Bonität aufgrund höherer Zinsen und verschärfterKonditionen teurer wird. Dies wird zumindest so lan-ge der Fall sein, bis die Akteure auf den Finanzmärk-ten zur Überzeugung gelangen, dass die richtigenKonsequenzen für den Umgang mit den neuen Finan-zierungsinstrumenten gezogen worden sind. Die An-

spannungen auf den Geldmärkten in den USA undEuropa werden sich dagegen wohl deutlich verrin-gern, wenn das Vertrauen der Banken untereinanderwieder steigt, auch weil sich die Transparenz nach undnach erhöht. Ein wichtiger erster Beitrag dazu sind dieVeröffentlichungen der Quartalszahlen der Finanzin-stitute im Herbst.

Die Ereignisse an den Finanzmärkten stellen die No-tenbanken vor die Herausforderung, das Funktionie-ren der Geldmärkte sicherzustellen, auch um negativeWirkungen der Probleme im Bankensektor auf dieübrige Wirtschaft zu begrenzen. Gleichzeitig gilt esaber, das Ziel der Preisniveaustabilität weiter zu ver-folgen. Die gegenwärtig noch fest verankerten, im his-torischen Vergleich niedrigen Inflationserwartungensollten nicht gefährdet werden, bilden sie doch einewichtige Voraussetzung für eine stabile wirtschaftli-che Entwicklung. Zudem sind die langfristigen Folgeneiner Reaktion der Zentralbanken auf Probleme imFinanzsektor für das Verhalten der Finanzinvestorenund das Funktionieren der Finanzmärkte zu beden-ken. Problematisch wäre es, wenn eine expansiveGeldpolitik eine nachhaltige Korrektur der in den ver-gangenen Jahren offenbar überhöhten Risikoneigungverhinderte.

Auf die akuten Funktionsstörungen am Interbanken-markt reagierten die US-Notenbank und die Europäi-sche Zentralbank (EZB) zunächst, indem sie vorüber-gehend zusätzliche Liquidität bereitstellten. Im weite-ren Verlauf gewannen offenbar die Risiken für dieKonjunktur bei den geldpolitischen Entscheidungenan Gewicht. So verzichtete die EZB Anfang Septem-ber darauf, ihren Leitzins zu erhöhen, ein Schritt, dernoch Anfang August signalisiert und von den Finanz-märkten entsprechend erwartet worden war. DieUS-Notenbank senkte ihren Leitzins Mitte Septem-ber um 50 Basispunkte, wobei sie diesen Schritt aus-drücklich damit begründete, negativen Effekten derFinanzmarktprobleme auf die übrige Wirtschaft be-gegnen zu wollen.

Die Entscheidung für eine Lockerung des geldpoliti-schen Kurses (bzw. gegen eine weitere Straffung) wur-de dadurch erleichtert, dass der Verbraucherpreisan-stieg in den Industrieländern trotz insgesamt hohergesamtwirtschaftlicher Kapazitätsauslastung bis zu-letzt moderat war. Auch die Inflationserwartungenverharrten auf niedrigem Niveau. In Reaktion auf dieüberraschend starke Zinssenkung der US-Notenbankhaben sich allerdings zuletzt nicht nur die Konjunktur-erwartungen verbessert, sondern möglicherweiseauch die Inflationserwartungen erhöht. Darauf wei-

10

3 Vgl. Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute (2007), Die Lage der Weltwirtschaft und der deut-schen Wirtschaft im Frühjahr 2007. Berlin, 9.

Page 11: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

sen etwa die Renditen inflationsindexierter US-An-leihen hin.

Vor diesem Hintergrund erscheint es wahrscheinlich,dass die Notenbanken in den kommenden Wochendie Geldpolitik nicht lockern werden, es sei denn, dieSituation an den Finanzmärkten spitzt sich zu odersehr ungünstige Konjunkturdaten deuten auf einestarke Abschwächung der gesamtwirtschaftlichenAktivität hin. Bislang hat sich die Risikoprämie beider Finanzierung von Unternehmensinvestitionen nurmoderat erhöht und die Finanzierungskosten der Un-ternehmen sind von daher nicht drastisch gestiegen.Bleibt es dabei, so ist der negative Impuls für die Kon-junktur, der von dieser Entwicklung ausgeht, zwarspürbar, aber nicht dramatisch.4

In den USA waren die Konjunkturindikatoren bis zu-letzt uneinheitlich. In den kommenden Monaten dürf-ten sich aber die Anzeichen verdichten, dass die Ent-wicklung am Immobilienmarkt die Konjunktur in denUSA weiter dämpfen wird. So erscheint es wahr-scheinlich, dass die US-Notenbank ihren LeitzinsEnde dieses Jahres und Anfang nächsten Jahres wei-ter senkt, dann aber wohl in kleinen Schritten. Ab demFrühjahr dürfte die Federal Funds Rate bei 4,25 % lie-gen.Für die EZB wird die Entscheidung zusätzlich da-durch erschwert, dass die Geldmenge ebenso wie dieKredite an den privaten Sektor nach wie vor weit stär-ker expandierten als auf mittlere Sicht mit dem Zielder Preisniveaustabilität vereinbar erscheint. Einebaldige Zinserhöhung ist jedoch angesichts der etwasschwächeren konjunkturellen Grundtendenz wenigwahrscheinlich, zumal die mit der Lockerung derUS-Geldpolitik verbundene Aufwertung des Euroden Inflationsdruck vorübergehend mindert. Miteiner Aufhellung der konjunkturellen Perspektivenwird die EZB die Leitzinsen in der zweiten Jahreshälf-te 2008 allerdings wohl noch einmal leicht anheben.Auch in anderen europäischen Ländern, in denen dieZinsen teilweise angesichts hoher Kapazitätsausla-stung und angespannter Arbeitsmärkte in den vergan-genen Wochen nochmals angehoben worden sind,dürften die Zinsen auf absehbare Zeit stabil bleiben.Die japanische Notenbank wird wohl ihre Zinsen al-lenfalls ganz allmählich von dem immer noch sehrniedrigen Niveau von 0,5 % aus anheben, ist doch dasVerbraucherpreisniveau in den vergangenen Mona-ten wieder leicht gesunken.

Im Zuge der Finanzmarktturbulenzen haben sichauch beträchtliche Änderungen der Wechselkursrela-

tionen ergeben. Insbesondere wertete der US-Dollargegenüber den übrigen wichtigen Weltwährungen inden vergangenen Wochen erheblich ab. Auf der ande-ren Seite gewannen der Euro und der Schweizer Fran-ken stark an Wert, und auch das britische Pfund werte-te spürbar auf. Hingegen veränderte sich der effektiveWechselkurs des Yen kaum; die japanische Währunghatte aber zwischenzeitlich erheblich an Wert gewon-nen und notiert immer noch merklich stärker als imFrühjahr. Für die Prognose sind unveränderte nomi-nale Wechselkurse unterstellt. Angesichts der gegen-wärtigen Wechselkursdynamik stellt insbesondereeine weitere deutliche Dollarabwertung ein gewichti-ges Risiko für die Prognose dar.5

Die Weltkonjunktur wird im Prognosezeitraum merk-lich an Schwung verlieren. Ursache hierfür sind weni-ger die aktuellen Probleme an den Finanzmärkten,von denen die Institute erwarten, dass sie in den kom-menden Wochen und Monaten abklingen. Zwar ge-hen sie vermutlich nicht spurlos an der Konjunkturvorüber, nicht zuletzt weil sie zu einer Normalisierungder Risikoprämien führen. Auf kurze Sicht ist jedochbedeutsamer, dass die Korrektur am Immobilien-markt in den USA ausgeprägter ist als bislang pro-gnostiziert. Außerdem verlieren Faktoren an Gewicht,die bewirkt haben, dass die Weltkonjunktur bisher dieFlaute der US-Wirtschaft gut verkraftet hat. So wirdsich die Dynamik des privaten Konsums in den USAerst jetzt merklich vermindern, nachdem sich dieSchwäche in der US-Wirtschaft bislang im Wesentli-chen auf den Wohnungsbau konzentriert hat. Im Eu-roraum kommt hinzu, dass die Aufwertung des Eurodämpfend und die Geldpolitik nicht mehr expansivwirkt. Auf der anderen Seite gehen von der Finanzpo-litik 2008 – anders als in diesem Jahr – keine bremsen-den Effekte aus. So dürfte die Abschwächung derKonjunktur im Euroraum moderat ausfallen; die Pro-duktion wird im kommenden Jahr wohl etwa soschnell zunehmen wie das Produktionspotential.Auchin Großbritannien, ebenso wie in Japan, geht das Ex-pansionstempo 2008 im Vergleich zu diesem Jahr zu-rück, ohne dass von einem konjunkturellen Einbruchgesprochen werden kann.

In den Schwellenländern ist die konjunkturelle Ab-schwächung in den USA bislang kaum bemerkbar. Esist allerdings fraglich,ob sich die Konjunktur dort dau-

11

4 Simulationen mit dem makroökonometrischen Modell NiGEM ergeben, dass höhere Kapitalnutzungskosten der Unternehmen infolgeeiner um einen halben Prozentpunkt gestiegenen Risikoprämie das reale Bruttoinlandsprodukt in den USA bzw. im Euroraum bis zum Endedes Prognosezeitraums lediglich um 0,1–0,25 Prozentpunkte dämpfen (vgl. auch Dovern, J., K.-J. Gern, C.-P. Meier, F. Oskamp, B. Sander undJ. Scheide (2007), Weltkonjunktur verliert an Fahrt. Thesen zum 76. Kieler Konjunkturgespräch. Institut für Weltwirtschaft, 43). Da in dieserSimulation die Auswirkungen höherer Risikoprämien auf die Zinsen für Hypotheken und Konsumentenkredite nicht enthalten sind, stelltdieser Wert wohl eine Untergrenze der zu erwartenden Effekte dar. Die Wirkungen eines Anstiegs der langfristigen Realzinsen um einen hal-ben Prozentpunkt können wohl als Obergrenze angesehen werden. Sie sind in diesem Modell rund 0,1 Prozentpunkte höher.5 Zu den Auswirkungen einer Dollarabwertung auf die deutsche Konjunktur vgl. Kasten 3.4 in diesem Gutachten.

Page 12: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

erhaft von der in den USA abkoppeln kann. Dafürspricht, dass die Schwellenländer im Allgemeinendeutlich weniger anfällig als früher gegenüberSchwankungen an den internationalen Finanzmärk-ten sind. Viele Länder haben dank hoher Exporter-löse und Kapitalzuflüsse beträchtliche Devisenreser-ven angehäuft, die das Risiko von Wechselkursturbu-lenzen – wie in den Jahren 1997 und 1998 im Zuge derAsien- bzw. Russlandkrise oder Anfang dieses Jahr-zehnts in Argentinien und Brasilien – deutlich redu-ziert haben dürften. Auch ist die fiskalische Position invielen Ländern – nicht zuletzt in Lateinamerika –stark verbessert. Vor diesem Hintergrund sind die Ak-tienkurse der Schwellenländer in den vergangenenWochen allenfalls kurzzeitig unter Druck geraten, undauch bei den Wechselkursen waren keine deutlichenBewegungen zu beobachten. Ein weiteres Argumentkönnte sein, dass die Abhängigkeit von Exporten indie USA in den vergangenen Jahren geringer gewor-den ist, auch weil der Außenhandel der Schwellenlän-der untereinander an Bedeutung gewonnen hat. Al-

lerdings ist zu bedenken, dass ein großer Teil diesesHandels Folge der zunehmenden Aufspaltung derWertschöpfungskette ist und in einem Austausch vonZwischenprodukten besteht, die letztlich in den Indu-strieländern verbraucht werden. Es gibt sogar Hinwei-se, dass sich der Zusammenhang der Konjunkturzyk-len zwischen den Schwellenländern und den Indu-strieländern nicht verringert, sondern vielmehr ver-stärkt hat.6 Bislang wurde die Exportentwicklung inden Schwellenländern dadurch begünstigt, dass derprivate Konsum in den USA weiter in zügigem Tempoexpandierte, ebenso wie die Einfuhr von Konsumgü-tern, die zu einem besonders hohen Teil aus denSchwellenländern stammen. Sollte der private Kon-sum, wie die Institute erwarten, in den kommendenMonaten zunehmend von der konjunkturellen Ab-schwächung erfasst werden, dürften sich die Aussich-ten für die Ausfuhr der Schwellenländer eintrüben,zumal auch die Konjunktur in den übrigen Industrie-ländern an Schwung verliert. Mit der konjunkturellenAbflachung in den Industrieländern dürfte also auch

12

2006 bis 2008

Gewicht(BIP)in %

Bruttoinlandsprodukt Verbraucherpreise Arbeitslosenquote

Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % in %

2006 2007 2008 2006 2007 2008 2006 2007 2008

IndustrieländerEU 27 33,5 3,1 2,9 2,4 2,2 2,1 2,1 7,9 6,9 6,6

Schweiz 0,9 3,2 2,9 2,5 1,1 1,0 1,1 3,3 3,4 3,2

Norwegen 0,8 2,8 2,9 2,7 2,3 2,1 2,2 2,6 2,6 2,5

West- und Mitteleuropa 35,1 3,1 2,9 2,4 2,2 2,1 2,1 7,8 6,8 6,5

USA 30,5 2,9 1,9 2,1 3,2 2,6 2,2 4,6 4,6 5,0

Japan 10,1 2,2 2,0 1,7 0,3 –0,1 0,3 4,1 3,8 4,0

Kanada 2,9 2,8 2,9 2,8 2,0 2,2 2,1 6,3 6,0 6,0

Industrieländer insgesamt 78,6 2,9 2,4 2,2 2,3 2,0 1,9 6,2 5,7 5,7

SchwellenländerRussland 2,3 6,7 7,5 7,0 . . . . . .

China und Hongkong 6,1 11,1 11,0 10,5 . . . . . .

Indien 2,0 9,4 9,0 8,5 . . . . . .

Ostasien ohne China15,1 5,2 5,5 5,0 . . . . . .

Lateinamerika25,9 5,2 5,0 4,5 . . . . . .

Schwellenländer insgesamt 21,4 6,3 6,2 5,9 . . . . . .

Insgesamt3100,0 3,6 3,2 3,0 . . . . . .

nachrichtlich:Exportgewichtet4

100,0 3,6 3,4 3,0 . . . . . .

Welthandel, real – 8,3 5,3 5,8 – – – – – –

1Gewichteter Durchschnitt aus: Südkorea, Taiwan, Indonesien, Thailand, Malaysia, Singapur, Philippinen. Gewichtet mit dem BIP von 2006 inUS-Dollar. – 2Gewichteter Durchschnitt aus: Brasilien, Mexiko, Argentinien, Kolumbien, Venezuela, Chile. Gewichtet mit dem BIP von 2006 inUS-Dollar. – 3Summe der aufgeführten Ländergruppen. Gewichtet mit dem BIP von 2006 in US-Dollar. – 4Summe der aufgeführten Länder.Gewichtet mit den Anteilen an der deutschen Ausfuhr 2006.Quellen:OECD; IMF;Berechnungen der Institute;2007 und 2008:Prognose der Institute. GD Herbst 2007

Tabelle 1.1

6 Vgl. hierzu Asian Development Bank (2007). Uncoupling Asia: Myth and Reality. Asian Development Outlook 2007. Manila, 66–82.

Page 13: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

eine gewisse Verlangsamung des Produktionsanstiegsin den Schwellenländern einhergehen. Die Zuwächsedürften angesichts der vielerorts hohen Wachstums-dynamik gleichwohl kräftig bleiben.

Der weltweite Produktionsanstieg7 wird sich im Jahr2008 auf 3,0 % belaufen, nach 3,2 % im laufenden Jahr(Tabelle 1.1). Davon sind rund 0,6 Prozentpunkte al-lein auf den Zuwachs in China zurückzuführen; dieSchwellenländer tragen zwar nur rund 20 % zur Welt-produktion bei, aber nahezu die Hälfte zu ihrem der-zeitigen Anstieg. Der Welthandel nimmt in diesemund im kommenden Jahr nur noch in moderatemTempo mit Raten von 5,3 bzw. 5,8 % zu.8

Das wohl größte Risiko für die konjunkturelle Ent-wicklung der Weltwirtschaft liegt in der Möglichkeit,dass sich die Immobilienkrise in den USA noch deut-lich länger hinziehen könnte, als in dieser Prognoseunterstellt. So könnte eine Welle von Insolvenzen pri-vater Haushalte die Immobilienpreise weiter sinkenlassen und andere Vermögenstitel wie Aktien in Mit-leidenschaft ziehen. Erstmals in der jüngeren Ge-schichte würden dann in den USA die Preise für Ver-mögenstitel generell sinken (zwischen 2000 und 2003wurden hingegen die negativen Vermögenseffekte desAktienkursverfalls durch massiv steigende Immobi-lienpreise überkompensiert). Dies könnte in einem„Rückkoppelungseffekt“ Konsumnachfrage, Unter-nehmensgewinne und Investitionsbereitschaft weiterdämpfen. Sowohl die Geld- als auch die Finanzpolitikdürften in einem solchen Fall – ähnlich wie 2000/2001– mit einem expansiven Kurs reagieren. MarkanteZinssenkungen könnten eine weitere Dollarabwer-tung nach sich ziehen. Dies würde insbesondere denWechselkurs des Euro weiter steigen lassen.RezessiveTendenzen in der US-Wirtschaft könnten so in denEuroraum exportiert werden.9 In einem derart un-günstigen Umfeld wäre auch zu befürchten, dass sichdie Turbulenzen an den Finanzmärkten lange hinzie-hen oder gar in eine Finanzmarktkrise münden.

Angesichts eines solchen Krisenszenarios sind andereRisiken, die in den vergangenen Jahren viel diskutiertwurden, zuletzt in den Hintergrund getreten. Dies giltbeispielweise für Risiken, die mit einem Anstieg derÖlpreise verbunden sind. Diese sind auch deshalb we-

niger thematisiert worden, weil die Weltkonjunkturtrotz des drastischen Anstiegs seit 2002 kräftig geblie-ben ist. Es ist freilich nicht ausgemacht, dass die Welt-wirtschaft einen Ölpreisschock auch in einer Situationgeringerer wirtschaftlicher Dynamik gut verkraftet.

Der Prognose ist ein Ölpreis von 80 US-Dollar zu-grunde gelegt; dies entspricht in etwa den Anfang Ok-tober verzeichneten Notierungen. Die Risiken hin-sichtlich der zukünftigen Entwicklung scheinen in bei-de Richtungen erheblich. Die prognostizierte Ab-schwächung der Weltkonjunktur spricht für sich ge-nommen für einen Rückgang der Preise, der sogarkräftig ausfallen könnte, denn Rohstoffpreise reagie-ren häufig stark auf eine veränderte Einschätzung derMarktsituation. Auf der anderen Seite geht auch einreduziertes Wachstum der Weltwirtschaft mit weitersteigendem Ölverbrauch einher. Die Produktion inwichtigen Fördergebieten außerhalb der OPEC sinktseit einiger Zeit, so dass der Ölbedarf zu immer größe-ren Teilen von den Mitgliedern des Kartells bestrittenwird. Die OPEC zeigt sich mit einem hohen Preisni-veau zufrieden und hat auf die vermehrten Anstren-gungen zur Substitution mit der Ankündigung vonZurückhaltung bei Investitionen in Förderkapazitä-ten reagiert. Auch zeigte sich in den vergangenen Jah-ren, dass die Ölproduzenten offenbar ihr Preisziel inDollar anheben, wenn der Außenwert des US-Dollarfällt, um damit die Kaufkraft ihrer Exporterlöse stabilzu halten. Bei anhaltend hoher Auslastung der För-derkapazitäten bleibt das Risiko eines starken Preis-anstiegs erheblich, sollte es zu nennenswerten Pro-duktionsausfällen – beispielweise als Folge politischerEntwicklungen – kommen.

Das Leistungsbilanzdefizit der USA ist zuletzt zwaretwas gesunken, es ist aber nach wie vor hoch. Vordem Hintergrund der konjunkturellen Abschwä-chung in den USA ist nicht ausgeschlossen, dassUS-Wertpapiere an Vertrauen bei den Anlegern ver-lieren und eine rapide Anpassung der Spar- und In-vestitionsentscheidungen in den USA erzwingen,auch wenn die Institute dieses Szenario, das mit stei-genden US-Zinsen und einer massiven Dollarabwer-tung verbunden wäre, nach wie vor nicht für wahr-scheinlich halten.10

Daneben gibt es für die Prognose auch Aufwärtsrisi-ken. Sollte sich die Situation am US-Immobilienmarkt

13

7 Diese Rate bezieht sich auf den in Tabelle 1.1 enthaltenen Länderkreis, wobei die Zuwachsraten mit dem nominalen Bruttoinlandsproduktdes Jahres 2006 in US-Dollar gewichtet wurden. Sie ist nicht unmittelbar vergleichbar mit anderen Angaben für das Wachstum der Weltwirt-schaft, beispielsweise denen des Internationalen Währungsfonds, die Kaufkraftparitäten bei der Gewichtung zugrunde legen und auch hiernicht berücksichtigte Länder einschließen.8 Die niedrige Zuwachsrate für den Welthandel in diesem Jahr ist auf einen ungewöhnlich schwachen und mit der konjunkturellen Entwick-lung nur schwer in Einklang zu bringenden Anstieg im ersten Halbjahr 2007 zurückzuführen.9 Zu einer Beschreibung eines solchen Szenarios und seiner Implikationen für die Konjunktur in Deutschland vgl. Kasten 3.2 und Kasten 3.4in diesem Gutachten.10 Für eine ausführliche Diskussion des Problems der US-Leistungsbilanz und möglicher Entwicklungen vgl. Arbeitsgemeinschaft Herbst2006: 51ff.

Page 14: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

bald stabilisieren oder bliebe die Korrektur (wie bis-her) auf die Wohnungsbauinvestitionen beschränkt,könnte sich die Konjunktur in den USA rasch wiederbeleben. Dies umso mehr, als die Notenbankzinsenbereits spürbar gesenkt worden sind. Sollte die dämp-fende Wirkung der Korrektur am Immobilenmarktbzw. der dadurch ausgelösten Finanzmarktturbulen-zen überschätzt worden sein, wäre eine Entwicklungähnlich der nach der Finanzkrise im August 1998(Staatsbankrott in Russland, Zusammenbruch desHedgefonds LTCM) denkbar, als die US-Notenbankihre Zinsen in der Situation eines bereits fortgeschrit-tenen Aufschwungs deutlich senkte und damit denBoom der Jahre 1999/2000 begünstigte.

Derzeit stellt sich die Wirtschaftslage in den USAzwiespältig dar. Zwar hat die gesamtwirtschaftlicheProduktion im zweiten Quartal überraschend starkzugelegt, allerdings kann dieser Wert nur bedingt alspositives Konjunktursignal gewertet werden, denn derZuwachs ging vor allem auf die beiden „exogenen“Komponenten Exporte und Staatsnachfrage zurück.Abgesehen vom Wirtschaftsbau, welcher bereits seitAnfang 2006 mit teilweise zweistelligen Zuwachsra-ten aufwartet, entwickelte sich die private Binnen-nachfrage schwach. Die Kontraktion der Wohnbauin-vestitionen setzte sich fort, wenn auch etwas verlang-samt. Die Dynamik bei den Ausrüstungsinvestitionenblieb schwach, und der private Konsum legte mit einerauf das Jahr hochgerechneten Rate von 1,4 % nurnoch mäßig zu. Noch bis ins erste Quartal des laufen-den Jahres hinein hatten sich die Konsumenten vonder Trendwende am US-Immobilienmarkt unbeein-druckt gezeigt. Für den weiteren Verlauf der US-Kon-junktur ist die Frage entscheidend, ob sich die Immo-bilienkrise nun doch in einer Abschwächung des pri-vaten Verbrauchs niederschlägt, oder ob die Ursachefür die Konsumschwäche im zweiten Quartal nur imschwächeren Realeinkommenszuwachs – vor allemaufgrund des Wiederanstiegs des Ölpreises – zu su-chen ist. Der zuletzt deutliche Rückgang der Umfra-gewerte zum Konsumentenvertrauen spricht eher da-für, dass die Konsumabschwächung nicht nur vorüber-gehender Natur ist. Zu dem Bild einer außergewöhn-lich schwachen US-Binnennachfrage passt auch, dassdie Importe zuletzt zum ersten Mal seit vier Jahren zu-rückgegangen sind. Die Exporte legten dagegen – be-günstigt durch die Dollarschwäche – um über 7 % zu.Das Defizit im Außenhandel verringerte sich so deut-lich, dass ein erheblicher Teil des gesamtwirtschaftli-chen Produktionsanstiegs auf den Außenbeitrag zu-rückzuführen ist.

Die Lage am Arbeitsmarkt hat sich eingetrübt. Zwarist die Arbeitslosenquote bisher kaum gestiegen, dochhat sich der Anstieg der Beschäftigung in den vergan-genen Monaten in der Tendenz spürbar verlangsamt.Ein Arbeitsplatzabbau vollzieht sich bereits seit Jah-ren im verarbeitenden Gewerbe; nun hat er sich auchim Bausektor verfestigt. Lichtblick bleibt der Dienst-leistungssektor, wo vor allem im Einzelhandel sowieim Gesundheits- und Bildungssektor weiter einge-stellt wurde, allerdings auch hier in geringerem Aus-maß als zuvor.

Im Frühsommer deutete vieles darauf hin, dass dieUS-Notenbank in diesem Jahr die Leitzinsen nichtsenken würde, da sie die inflationären Risiken fürdeutlich größer erachtete als die Gefahren für die ge-samtwirtschaftliche Produktion. Seit August 2007 hatsie jedoch – in Reaktion auf die Turbulenzen an denFinanzmärkten und deutlich schlechtere konjunktu-relle Aussichten – ihre Geldpolitik merklich gelockert:Auf die Senkung des Diskontsatzes11 um 50 Basis-punkte am 17. August 2007 folgte Mitte Septembereine neuerliche Senkung dieses Zinses sowie der Ziel-rate für die Federal Funds Rate um 50 Basispunkte.Die Geldpolitik dürfte damit nicht mehr restriktivwirken. Auch wenn die Gefahren für die Konjunkturaktuell eine prominente Rolle in der Geldpolitik spie-len, so sind die Inflationsrisiken für die Zentralbanknoch nicht gänzlich vom Tisch. Zwar bewegte sich dieKernrate des Konsumentenpreisindex (Konsumen-tenpreise ohne unverarbeitete Lebensmittel undEnergie) zuletzt allmählich in Richtung 2 %-Marke.Von den jüngst wieder deutlich gestiegenen Energie-und Lebensmittelpreisen könnte aber ein erneuterPreisdruck ausgehen. Im Durchschnitt des laufendenJahres wird die Inflationsrate 2,6 % betragen. Imnächsten Jahr wird sie konjunkturbedingt auf 2,2 %sinken.

Unter der von den Instituten getroffenen Annahme,dass sich die Finanzmärkte in den kommenden Mona-ten beruhigen werden, ist nicht mit massiven Zinssen-kungen seitens der Notenbank zu rechnen. Sie dürfteaber auf eine Geldpolitik einschwenken, die die Kon-junktur stützt, falls die konjunkturelle Dynamik inden USA gering bleibt, wie die Institute erwarten. Fürdie Prognose wird angenommen, dass der Leitzins biszum Frühjahr 2008 auf 4,25 % gesenkt wird.

Im Fiskaljahr 2007, das am 30. September endete,dürfte das Defizit im Bundeshaushalt auf 1,2 % in Re-lation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt gefallensein, nach 1,9 % im Jahr zuvor. Hauptursache war eineweiterhin starke Zunahme der Steuereinnahmen, diedie Steuerquote (den Anteil der Steuereinnahmen amBruttoinlandsprodukt) wie schon in den beiden Vor-

14

11 Die Diskontgeschäfte werden vielfach als Notfallrefinanzierungsmöglichkeit angesehen, da sie normalerweise mit deutlich höheren Kos-ten verbunden sind (höherer Zinssatz und strengere Besicherungsvorschriften). In ihrer außerplanmäßigen Sitzung senkte die Notenbanknicht nur den Diskontsatz, sondern verlängerte auch die Laufzeit von einem Tag auf 30 Tage und lockerte die Besicherungsvorschriften.

Page 15: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

jahren ansteigen ließ. Diese Entwicklung wird sich je-doch im Prognosezeitraum infolge der konjunkturel-len Abkühlung umkehren. So werden nach den aktu-ellen Schätzungen des Office of Management andBudget die Bundeseinnahmen im laufenden Fiskal-jahr konjunkturbedingt nur noch um 3,3 % und damitdeutlich schwächer als das nominale Bruttoinlands-produkt zunehmen.

Auf der Einnahmenseite sieht der Budgetentwurf fürdas Fiskaljahr 2008 vor, die in den Jahren 2001 und2003 beschlossenen Erleichterungen bei der Besteue-rung von Dividenden und Kapitalerträgen sowie dieAbsenkung der Grenzsteuersätze bei der Einkom-mensteuer fortzuschreiben. Auch die erhöhten Frei-beträge bei der eigentlich als „Reichensteuer“ konzi-pierten Alternative Minimum Tax, die zuletzt wegender fehlenden Inflationsklausel eine immer höhereZahl von Steuerpflichtigen erfasst hatte, sollen im Fis-kaljahr 2008 noch gültig bleiben, danach aber auslau-fen. Zusammengenommen sind 2008 Steuererleichte-rungen in Höhe von rund 60 Mrd. Dollar (0,5 % in Re-lation zum Bruttoinlandsprodukt) geplant. Ausgaben-seitig sieht der Budgetentwurf eine deutliche Erhö-hung der Verteidigungsausgaben bei gleichzeitigerDämpfung des Wachstums der übrigen diskretionärenAusgaben sowie der Gesundheitsausgaben vor. DieBundesausgaben sollen um 5 % und damit stärker als

die Einnahmen steigen. Insgesamt wird das Budgetde-fizit im laufenden Fiskaljahr auf 1,8 % in Relation zumBruttoinlandsprodukt zunehmen. Damit wird die Fi-nanzpolitik im Fiskaljahr 2008 leicht expansiv ausge-richtet sein. Die Verwerfungen auf den US-Immobi-lienmärkten werden voraussichtlich keine nennens-werten Reaktionen der Finanzpolitik zur Folge haben.Der Präsident hat finanzielle Hilfen für überschuldeteEigenheimbesitzer (ein bail out) ausgeschlossen.Zwar sollen die Anforderungen, die überschuldeteHypothekarschuldner erfüllen müssen, um eine Refi-nanzierung durch die Federal Housing Administrati-on zu erhalten, etwas gelockert werden, aber davonprofitiert nur ein kleiner Prozentsatz der Betroffenen.Dass erlassene Schulden nicht mehr einkommensteu-erpflichtig sein sollen, entlastet nur die Wenigen, de-ren Banken zu einem Schuldenerlass bereit sind, umdie Zahlungsunfähigkeit ihrer Kunden zu verhindern.

Die jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten wer-den für sich genommen die US-Konjunktur wohl nurwenig dämpfen, sie sind aber der Reflex einer gesamt-wirtschaftlichen Störung, die vom US-Immobilien-markt herrührt (Kasten 1.1). Diese Störung ist nochnicht beseitigt und wird die gesamtwirtschaftlicheLage in den USA im Prognosezeitraum belasten.

Die wichtigste Stütze der US-Konjunktur ist schonseit langem der Konsum der privaten Haushalte. Die-ser hängt hauptsächlich – aber nicht nur – von der lau-fenden Einkommensentwicklung ab. Während derletzten Jahre haben einige Sonderfaktoren zu einergewissen Entkopplung von Konsum- und Einkom-mensentwicklung beigetragen. Niedrige Zinsen, eineinsbesondere im Hypothekarbereich wohl zu lockereKreditvergabepolitik der Banken sowie stark steigen-de Immobilien- und Wertpapiervermögen haben zueinem besonders günstigen Konsumklima geführt mitder Folge, dass der Konsum über Jahre schneller alsdas Einkommen zulegte. Für die Prognose ist nunwichtig, dass sich diese Sondereffekte, welche in denvergangenen Jahren das Konsumklima begünstigt ha-ben, mittlerweile in Belastungsfaktoren verwandelthaben. Als Folge der Häufung von Zahlungsausfällenbei den Hypotheken minderer Bonität haben sich dieRahmenbedingungen der Kreditvergabe generell inden vergangenen Monaten grundlegend gewandelt.Die privaten Haushalte werden angesichts zumindestnicht mehr stark steigender Vermögenswerte in Zu-kunft ihre Sparquote erhöhen. Aus diesen Gründensind vom privaten Konsum als der wichtigsten Kom-ponente der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage bisweit ins nächste Jahr hinein nur schwache Wachstums-impulse zu erwarten.

Die Konsumzurückhaltung wird über eine Eintrü-bung der Absatzaussichten die gewerblichen Ausrü-stungs- und Bauinvestitionen belasten. Die Wohnbau-investitionen werden zunächst weiter zurückgehen.

15

2005 bis 2008

2005 2006 2007 2008

Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %

Reales Bruttoinlandsprodukt 3,1 2,9 1,9 2,1

Privater Konsum 3,2 3,1 2,8 1,8

Staatskonsum und-investitionen 0,7 1,8 1,9 2,2

Private Bruttoanlage-investitionen 5,6 2,7 –4,8 0,5

Inländische Verwendung 3,2 2,8 1,4 1,7

Exporte 6,9 8,4 6,6 6,8

Importe 5,9 5,9 2,1 3,2

Außenbeitrag1–0,2 –0,1 0,4 0,3

Verbraucherpreise 3,4 3,2 2,6 2,2

in % des nominalen BIP

Budgetsaldo2–2,6 –1,9 –1,2 –1,8

Leistungsbilanzsaldo –6,1 –6,2 –5,7 –5,3

in % der Erwerbspersonen

Arbeitslosenquote 5,1 4,6 4,6 5,0

1Wachstumsbeitrag. – 2Bundesstaat inkl. Sozialversicherungen,Fiskaljahr.Quellen: U.S. Department of Commerce, Bureau of Economic Ana-lysis; Berechnungen der Institute; 2007 und 2008:Prognose der In-stitute. GD Herbst 2007

Tabelle 1.2

Page 16: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

16

Die gegenwärtige Krise am US-amerikanischen Immobilienmarkt ist insbesondere auf die in den vergangenen Jahrendeutlich gestiegene Bedeutung der Hypothekenkredite minderer Bonität zurückzuführen. Deren Volumen ist in den ver-gangenen Jahren stark gestiegen. Bis zum Jahr 2003 erfüllte die Mehrheit aller Hypothekenkredite noch die Standards derstaatlich geförderten Institutionen Fannie Mae und Freddie Mac. Von den im Jahr 2006 vergebenen Krediten entsprachenschon 61% nicht mehr den Standards1: 15 % waren so genannte prime jumbo loans, 46 % waren so genannte non prime lo-ans davon 25 % Alt-A und 21 % subprime.2

Die gegenwärtigen Probleme resultieren neben der geringen Bonität der Kreditnehmer auch aus der Struktur der Zinsbe-lastung. Die meisten Hypothekenkredite minderer Bonität, die in den Jahren 2005 und 2006 vergeben wurden, sind hybri-de Produkte. Dies bedeutet, dass in den ersten Jahren ein konstanter Zinssatz gezahlt werden muss, in der Restlaufzeit derZinssatz aber variabel ist, das heißt, er wird an den jeweiligen Marktzins angepasst. Bei vielen dieser Kredite liegt der Zinsin den ersten Jahren sogar unter dem Marktzinssatz (teaser). Aufgrund dieser Konstruktion nimmt die Höhe des Schul-dendiensts mit dem Übergang zur variablen Verzinsung deutlich zu, und zwar auch dann, wenn der Marktzins sinkt. Dievorliegenden Daten zeigen, dass das Volumen der Kredite, bei denen es zu einer Zinsanpassung kommt, in den nächstenMonaten tendenziell noch zunehmen wird.

Die Ausweitung der Kreditvergabe im subprime-Segment hatte zwei unmittelbare Konsequenzen. Zum einen ist der Er-werb von Hauseigentum in den vergangenen Jahren leichter geworden, insbesondere für einkommensschwache Haushal-te. Zum anderen ist infolge der Lockerung der Kreditvergabestandards der Anteil notleidender Kredite insbesondere imBereich der subprime mortgages mit variablem Zins deutlich gestiegen (Abbildung 1.1).

Die Lockerung der Kreditvergabestandards hängt wohl zumindest zum Teil mit dem Trend zur Verbriefung von Kredit-forderungen zusammen. Schon seit den achtziger Jahren werden die Kredite zunehmend nicht mehr als Forderungen inden Bilanzen der kreditvergebenen Banken aktiviert, sondern als so genannte mortgage-backed securities verbrieft und anandere Finanzinstitutionen weiterverkauft. Die staatlich geförderten Organisationen Freddie Mac und Fanny Mae sindfür einen Großteil der Verbriefung verantwortlich, aller-dings nur im prime-Segment (Abbildung 1.2).3

Kasten 1.1

1Subprime-Kreditnehmer zeichnen sich dadurch aus, dass (1.) der Schuldendienst mehr als 50 % des Einkommens beträgt und/oder (2.) das Hypothekenvo-lumen mehr als 85 % des besicherten Wertes beträgt. Kreditnehmer, die nicht in diese Kategorie fallen, aber ihr Einkommen nicht vollkommen offenlegen,erhalten so genannte Alt-A-Kredite. Außerdem gibt es Kredite, deren Volumen die Beleihungsgrenzen von Fannie Mae und Freddie Mac überschreitet. Die-se werden als prime jumbo loans bezeichnet.2Vgl. Kiff, J. and P. Mills (2007), Money for Nothing and Checks for Free: Recent Delopments in U.S. Subprime Mortgage Markets. IMF Working PaperWP/07/188. Washington, DC.3Vgl. US Federal Reserve (2007), Flow of Funds. http://www.federalreserve.gov/releases/z1/Current/data.htm. Basis sind die Hypothekenkredite für die Fi-nanzierung von Eigenheimen.

12

2

4

6

8

10

0

12

2

4

6

8

10

0

2000

Subprime(variabler Zins)

Subprime(fixer Zins)

Prime (variabler Zins)

Prime (fixer Zins)

2001 2002 2003 2005 20062004 2007

GD Herbst 2007Quellen: Mortgage Bankers Association ofAmerica (2007)

Anteil der Hypothekenkreditemit Zahlungsrückstand in den USA2000 bis 2007; in %

Abbildung 1.1

Inhaber von Hypothekenkreditforderungenin Prozent aller Hypothekenkreditforderungen

100

10

60

20

40

50

90

70

80

30

0

100

10

60

20

40

50

90

70

80

30

0

1980 1985 1990 1995 2000 2005

GD Herbst 2007

andereBankenVerbriefte Forderungen über die GSEVerbriefte Kreditforderungen in privater Hand

Quellen: Federal Reserve Board; Berechnungen der Institute.

Abbildung 1.2

Page 17: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

Allerdings verlangsamt sich die Kontraktion bereitsseit Ende 2006; für die zweite Jahreshälfte 2008 kön-nen wohl wieder positive Zuwachsraten für die Wohn-bauinvestitionen erwartet werden. Die Exporte blei-ben angesichts der insgesamt positiven Aussichten fürdie Weltwirtschaft und eines weiterhin schwachenDollars über den gesamten Prognosezeitraum eineStütze der Konjunktur, während die Importe verlang-samt zulegen werden (Tabelle 1.2). Für die USA eherungewöhnlich, zeichnen sich die Jahre 2007 und 2008durch einen starken Export bei schwacher Binnen-nachfrage und durch positive Wachstumsbeiträge desAußenhandels aus. Das Leistungsbilanzdefizit wirdvor diesem Hintergrund auf 5,3 % des nominalenBruttoinlandsprodukts sinken.

Die Eintrübung der binnenwirtschaftlichen Lage gehteinher mit einem verlangsamten Beschäftigungsauf-bau und einem – wenn auch nur moderaten – Anstiegder Arbeitslosigkeit. Die Gefahr einer Beschleuni-gung der Kernteuerung reduziert sich in einer solchenSituation deutlich. Die Zinssenkungen der US-Noten-bank sollten dazu beitragen, dass sich die erwähntenkonjunkturellen Belastungsfaktoren vermindern undsich die Binnenkonjunktur gegen Mitte des nächstenJahres wieder belebt (Abbildung 1.3). Für das laufen-de Jahr ist damit zu rechnen, dass das Bruttoinlands-produkt mit 1,9 % zulegt. Im nächsten Jahr dürfte eineZuwachsrate von 2,1 % erreicht werden.

Die konjunkturelle Grundtendenz in Japan ist gegen-wärtig schwer zu bestimmen. Im ersten Halbjahr 2007wurde die gesamtwirtschaftliche Produktion mit einerauf das Jahr hochgerechneten Rate von 2,5 % gegen-über dem zweiten Halbjahr 2006 nochmals recht kräf-tig ausgeweitet. Allerdings ist das Bruttoinlandspro-dukt im zweiten Quartal mit einer Rate von 1,2 % ge-genüber dem Vorquartal gesunken. Dies dürfte zwardie zugrunde liegende konjunkturelle Dynamik un-terzeichnen, doch scheint der Aufschwung in Japan imVerlauf des Jahres spürbar an Kraft verloren zu haben.Insbesondere leistete der Außenbeitrag keinen Bei-trag zur gesamtwirtschaftlichen Expansion mehr, dasich die Zunahme der Exporte deutlich verlangsamte.Bei der Binnennachfrage hat sich der Rückgang derprivaten wie auch der öffentlichen Investitionen be-schleunigt. Zudem ist die Expansion des privatenKonsums weiterhin verhalten. In diesem Zusammen-hang ist von Bedeutung, dass das Verbrauchervertrau-en gesunken ist. Als Gründe werden eine schwächereZunahme der Einkommen und die steigenden Ölprei-se genannt.

Gleichzeitig hat sich der Arbeitsmarkt weiter günstigentwickelt. So ist die Beschäftigung erneut leicht ge-

17

110

90

95

100

10

8

2

4

6

0

2005 2006 2007 2008

105

3,1

1,92,9

2,1

Reales Bruttoinlandsproduktin den USASaisonbereinigter Verlauf

GD Herbst 2007

laufende Jahresrate1 (rechte Skala)Erstes Quartal 2005=100Jahresdurchschnitt2

1 Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresratehochgerechnet.2 Zahlenangaben: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.

Quellen: BEA; Berechnungen der Institute; ab 3. Quartal 2007:Prognose der Institute.

Prognosezeitraum

INDEX %

Abbildung 1.3

In den vergangenen Jahren hat die Verbriefung durch private Finanzinstitute an Bedeutung gewonnen. Insbesonderewurde die Verbriefung von Kreditforderungen jenseits des prime-Segments mit Hilfe der collaterized debt obligations(CDO)4 ausgeweitet.Die damit verbundene Streuung des Risikos sowie die zunehmend einfachere Handelbarkeit der Ri-siken machte eine Ausweitung des Kreditangebots attraktiv. Gleichzeitig hat jedoch diese Entwicklung die Anreize, dieKreditwürdigkeit der Kunden zu prüfen, deutlich gesenkt. Dies erklärt auch, warum die Kreditvergabestandards deutlichgelockert worden sind. Außerdem hat die Verbriefung wohl dazu geführt, dass die Risiken nun auch in den Händen vonInvestoren liegen, die sie schlecht abschätzen können. Die Verbriefung dürfte also die gegenwärtigen Probleme zum Teilverursacht haben; sie trägt aber auch dazu bei, die Folgen zu dämpfen. Obwohl einige Finanzinstitute in größere Zah-lungsschwierigkeiten geraten sind und ein Teil sogar schließen musste, sind die Auswirkungen der gegenwärtigen Kriseauf das US-Bankensystem sehr begrenzt. Die Risiken und die damit verbundenen Zahlungsausfälle schlagen nicht mehrvollständig auf die Bilanzen der US-amerikanischen Banken durch. Vielmehr sind sie aufgrund der Verbriefung interna-tional über viele Finanzinstitute gestreut.

noch Kasten 1.1

4CDOs sind Wertpapiere, deren Inhaber Zahlungen aus einem Pool von Hypothekenkreditforderungen erhält.

Page 18: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

stiegen und die Arbeitslosenquote lag im August mit3,8 % immer noch niedriger als zu Beginn des Jahres.Daher ist es überraschend, dass die Grundentlohnungleicht zurückgegangen ist. Allerdings sind die jüngstenBonuszahlungen nochmals gestiegen.

Die Preise waren zuletzt wieder abwärts gerichtet.Der Verbraucherpreisindex ist ebenso wie die Kernra-te gegenüber dem Vorjahresmonat im August um0,2 % gesunken. Vor diesem Hintergrund hat die japa-nische Notenbank ihre für September signalisierteZinsanhebung verschoben, zumal der Yen im Sommerspürbar an Wert gewonnen hat und das Risiko be-steht, dass er angesichts der Turbulenzen am US-Im-mobilienmarkt weiter aufwertet. Dies würde Exporteund inländische Preisentwicklung zusätzlich dämpfen.Auch deshalb dürfte die Notenbank die Zinsen in die-sem Jahr nicht mehr und im Verlauf des kommendenJahres nur leicht anheben.

Die Finanzpolitik setzt ihren Konsolidierungskursfort. Für das kommende Fiskaljahr, das im April 2008beginnt, ist eine Ausgabenobergrenze vorgesehen, dienur eine geringfügige Ausgabenexpansion zulässt.Umdieses Ziel zu erreichen, wurden lediglich demogra-phisch bedingte Zuwächse im Gesundheitswesen undbei den Altersrenten zugelassen. In anderen Berei-chen, etwa bei den Personalausgaben und den öffent-lichen Investitionen, wurden Kürzungen gegenüber

dem Vorjahr vorgenommen.Wie die Konsolidierungs-strategie von der Einnahmenseite unterstützt werdensoll, ist aufgrund der Regierungsumbildung und derschwierigen Mehrheitsverhältnisse im Parlament ge-genwärtig noch nicht abzusehen.

Im Prognosezeitraum dürfte sich die gesamtwirt-schaftliche Expansion in nur mäßigem Tempo fortset-zen (Abbildung 1.4). Insbesondere für die Exporte istangesichts der Abschwächung der Weltkonjunkturund des höher bewerteten Yen eine Verlangsamungzu erwarten. Die Binnennachfrage dürfte sich festi-gen: Der private Konsum wird von einem weiterenBeschäftigungsaufbau und allmählich kräftiger stei-genden Einkommen begünstigt; dies dürfte auch dieprivaten Investitionen anregen (Tabelle 1.3). Insge-samt erwarten die Institute, dass das reale Bruttoin-landsprodukt im Jahr 2007 um 2,0 % und 2008 um1,7 % expandiert.

Die wirtschaftliche Expansion in den asiatischenSchwellenländern war im ersten Halbjahr 2007 sehrkräftig. In China und in Indien erhöhten sich die Zu-wachsraten des realen Bruttoinlandsprodukts noch-mals und erreichten langjährige Höchststände; in denübrigen asiatischen Schwellenländern war die Pro-duktionsausweitung ebenfalls lebhaft. Die Inflation

18

110

98

102

106

8

6

0

2

4

-2

2005 2006 2007 2008

Prognose-zeitraum

Reales Bruttoinlandsprodukt in JapanSaisonbereinigter Verlauf, in %

GD Herbst 2007

laufende Jahresrate1 (rechte Skala)Erstes Quartal 2005=100Jahresdurchschnitt2

1 Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresratehochgerechnet.2 Zahlenangaben: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.

Quellen: OECD; Berechnungen der Institute; ab 3. Quartal 2007:Prognose der Institute.

1,9

2,2

2,0

1,7

Abbildung 1.4

2005 bis 2008

2005 2006 2007 2008

Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %

Reales Bruttoinlandsprodukt 1,9 2,2 2,0 1,7

Privater Konsum 1,5 0,9 1,7 1,4

Staatskonsum und-investitionen 0,0 –1,3 –0,5 –0,4

Private Bruttoanlage-investitionen 5,1 6,4 1,7 3,3

Inländische Verwendung 1,0 1,2 0,7 0,7

Exporte 6,9 9,6 7,1 4,9

Importe 5,8 4,6 2,0 3,6

Außenbeitrag10,3 0,8 0,7 0,3

Verbraucherpreise –0,3 0,3 –0,1 0,3

in % des nominalen BIP

Budgetsaldo2–6,4 –2,4 –2,8 –3,2

Leistungsbilanzsaldo 3,6 3,9 4,0 4,0

in % der Erwerbspersonen

Arbeitslosenquote 4,4 4,1 3,8 4,0

1Wachstumsbeitrag. – 2Gesamtstaatlich.Quellen: Cabinet Office, OECD; Berechnungen der Institute; 2007und 2008:Prognose der Institute. GD Herbst 2007

Tabelle 1.3

Page 19: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

hat sich in einer Reihe von Ländern beschleunigt, unddie Geldpolitik versucht verschiedentlich, auf eineDämpfung der kräftigen Zunahme der Inlandsnach-frage hinzuwirken. Die Institute erwarten zudem, dassdie moderatere Expansion der Nachfrage in den Indu-strieländern, insbesondere die prognostizierte ver-langsamte Ausweitung des privaten Konsums in denUSA, im Prognosezeitraum zu einer Abschwächungdes Anstiegs der Exporte der asiatischen Schwellen-länder führt. In der Folge dürfte die gesamtwirtschaft-liche Produktion in der Region 2008 nicht mehr ganzso rasch zunehmen wie zuletzt. Ein Einbruch der Kon-junktur ist freilich nicht zu erwarten. Zum einen ist dieWachstumsdynamik ausgesprochen hoch, zum ande-ren bestehen angesichts im Allgemeinen gesunderStaatsfinanzen und vielfach enorm hoher Devisenre-serven erhebliche Puffer zur Abfederung möglichernegativer Schocks.

Die Wirtschaft in China expandierte im ersten Halb-jahr erneut in beeindruckendem Tempo; mit 11,9 %wurde im zweiten Quartal die höchste Zuwachsratedes realen Bruttoinlandsprodukts seit Mitte der neun-ziger Jahre verzeichnet. Die Aufwärtsbewegung warbreit abgestützt, wobei erneut die Investitionen unddie Exporte die größte Dynamik aufwiesen. Die No-tenbank versucht seit einiger Zeit, auf eine Abküh-lung der Konjunktur hinzuwirken und den spekulati-ven Anstieg der Aktienkurse zu dämpfen. Um die Fi-nanzierungskosten für Investitionen zu erhöhen unddie Kreditausweitung zu begrenzen, wurden die No-tenbankzinsen im Verlauf des Jahres in fünf – aller-dings kleinen – Schritten angehoben und der Mindest-reservesatz siebenmal, auf nun 12,5 %, erhöht. UmAnlagen am heimischen Aktienmarkt unattraktiverzu machen, wurden steuerliche Maßnahmen ergriffenund Anlagemöglichkeiten im Ausland erweitert.Auchist die Regierung bestrebt, die Konjunktur durch Zu-rückhaltung bei den öffentlichen Investitionen zudämpfen. Allerdings ist es ihr bislang noch nicht ge-lungen, die Ausgabenexpansion auf lokaler Ebene zuvermindern.

Ein zunehmendes Problem ist die Inflation, die imVerlauf des Jahres kräftig – von 2,2 % im Januar auf6,5 % im August – gestiegen ist. Zwar ist die Infla-tionsbeschleunigung derzeit im Wesentlichen auf ei-nen scharfen Anstieg der Nahrungsmittelpreise zu-rückzuführen; die Preise für Industriewaren steigennach wie vor nur wenig. Gleichwohl besteht das Risi-ko, dass es zu Unzufriedenheit in der Bevölkerungund einem Übergreifen auf die Löhne und anderePreise kommt. Um die Inflation zu dämpfen, hat dieRegierung zunächst einen Preisstopp bei adminis-trierten Preisen verfügt, eine Maßnahme, die wohlnicht geeignet ist,die Inflation nachhaltig zu dämpfen.

Für den Prognosezeitraum erwarten die Institute, dasssich die Maßnahmen zur Dämpfung der Konjunktur

im Verein mit der schwächeren Auslandsnachfrageallmählich in einer Verlangsamung des Anstiegs dergesamtwirtschaftlichen Produktion niederschlagen.Mit 10,5 % dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt inChina allerdings auch 2008 noch in sehr hohem Tempozunehmen.

In den übrigen ostasiatischen Schwellenländern setztesich die zügige Expansion fort; im bisherigen Jahres-verlauf beschleunigte sich die Produktionsausweitungsogar merklich, vor allem dank eines kräftigen Anzie-hens der Industrieproduktion. Impulse kamen insbe-sondere von den Exporten, getragen vor allem voneiner Verbesserung der Konjunktur im Elektronik-sektor. Aber auch die Binnennachfrage zog an, vor al-lem im südostasiatischen Raum. Die robuste Inlands-nachfrage lässt erwarten, dass eine mit dem Nachlas-sen der Nachfrage aus den Industrieländern zu erwar-tende schwächere Ausweitung der Exporte zumindestteilweise kompensiert werden kann.

In Südkorea, der größten Volkswirtschaft dieser Län-dergruppe, expandierte das reale Bruttoinlandspro-dukt im ersten Halbjahr 2007 beschleunigt. Haupt-triebkraft waren auch hier die Exporte. Die Noten-bank sorgt sich angesichts stark erhöhter Liquiditätund rasch steigender Vermögenswerte um die Per-spektiven für die Inflation, auch wenn der aktuellePreisanstieg mit 2 % im August nach wie vor mäßig ist.So erhöhte sie ihre Zinsen im Sommer in zwei Schrit-ten von 4,5 % auf 5 %. Dies dürfte die Erholung desprivaten Konsums angesichts der immer noch hohenVerschuldung der privaten Haushalte in den kom-menden Monaten bremsen und die Investitionsdyna-mik verringern. Bei gleichzeitig verlangsamtem An-stieg der Exporte erscheint ein Rückgang der Zu-wachsrate des realen Bruttoinlandsprodukts von4,5 % in diesem auf 4,0 % im nächsten Jahr wahr-scheinlich.

In Indien setzte sich der gesamtwirtschaftliche Pro-duktionsanstieg im ersten Halbjahr in hohem Tempofort. Das reale Bruttoinlandsprodukt stieg mit einerRate von 9,2 % ähnlich schnell wie im Jahr 2006. Ge-trieben wurde die Expansion abermals von der In-landsnachfrage. Vor allem die Investitionen wurdenerneut mit Raten von rund 15 % kräftig ausgeweitet.Auch der Staatskonsum nahm mit zweistelligen Ratenzu; die Konsolidierung der öffentlichen Haushaltemacht nur langsam Fortschritte, und das gesamtstaat-liche Budgetdefizit liegt nach wie vor in einer Größen-ordnung von mehr als 6 % des Bruttoinlandsprodukts.Auf der Entstehungsseite war der Konjunkturauf-schwung geprägt durch eine rasche Expansion der In-dustrieproduktion und vor allem eine starke Auswei-tung der Bautätigkeit.

Im Zuge des Aufschwungs zog die Inflation deutlichan, von 3,7 % im Sommer 2005 auf 7 % in den ersten

19

Page 20: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

Monaten dieses Jahres. Die Zentralbank reagierte da-rauf mit einer spürbaren Straffung der Geldpolitik;Hypothekenzinsen und Zinsen auf Bankkredite lie-gen derzeit 4 bis 5 Prozentpunkte höher als vor einemJahr. Die Notenbank wurde bei ihren Bemühungen,die Inflation zu dämpfen, durch eine Aufwertung derRupie unterstützt, die im Verlauf des Jahres gegen-über dem US-Dollar bislang um 11 % an Wert gewon-nen hat. Dies hat dazu beigetragen, dass der Verbrau-cherpreisauftrieb sich wieder auf 6,5 % im Juli ver-langsamt hat.Auch zeigen sich inzwischen zunehmendBremsspuren der geldpolitischen Straffung: EineVielzahl von Indikatoren, etwa Industrieproduktion,Kfz-Verkäufe, Bankkreditexpansion oder Exportent-wicklung, deutet auf eine spürbar verlangsamte Aus-weitung der wirtschaftlichen Aktivität im Sommerhin. Angesichts dieser Anzeichen hat die Notenbankihre Zinsen in den vergangenen Wochen wieder etwasgesenkt.

Für den Prognosezeitraum erwarten die Institute eineverlangsamte gesamtwirtschaftliche Expansion, diegleichwohl mit einer Rate von 8,5 % im kommendenJahr immer noch deutlich höher sein wir dals imDurchschnitt der neunziger Jahre. Die Risiken, die fürdie Konjunktur von dem Abschwung in den USA aus-gehen, erscheinen begrenzt angesichts der relativ ge-ringen Offenheit der indischen Wirtschaft – der Anteilder Exporte am Bruttoinlandsprodukt ist mit 22 % imVergleich zu 60 % für den Durchschnitt der asiati-schen Schwellenländer und etwa 40 % in China relativgering – und angesichts des vergleichsweise hohenAnteils an Dienstleistungsexporten. In den kommen-den Monaten dürfte zudem die Zentralbank die geld-politischen Zügel weiter lockern, so dass die Inlands-nachfrage im Verlauf des kommenden Jahres wiederan Fahrt gewinnen wird.

Die russische Wirtschaft blieb im ersten Halbjahr2007 ausgesprochen dynamisch. Die Hauptimpulsekamen von der Binnennachfrage, die mit zweistelligenRaten zulegte. Während die Konsumausgaben vor al-lem infolge hoher Realeinkommenszuwächse undeiner kräftigen Kreditausweitung stiegen, erhöhtensich die Investitionen dank massiver Kapitalzuflüsseaus dem Ausland stark. Dabei wurde etwa ein Drittelder Anlageinvestitionen im Rohstoffsektor getätigt.Der Außenbeitrag dämpfte hingegen den Zuwachsder gesamtwirtschaftlichen Produktion beträchtlich,da die Importe etwa viermal so schnell stiegen wie dieExporte.

Trotz der kräftigen wirtschaftlichen Expansion hatsich die Inflationsrate verringert; sie lag mit knapp8 % im ersten Halbjahr innerhalb des Zielkorridorsder Zentralbank von 6,5 bis 8 %. Das Nachlassen der

Inflation ist vor allem auf einen geringeren Anstiegder Lebensmittelpreise zurückzuführen. Angesichtsdes hohen Lohnauftriebs und einer starken Auswei-tung der Geldmenge dürfte der inflationäre Druck inZukunft allerdings eher wieder zunehmen. Hierzu hatbeigetragen, dass die Notenbank in jüngerer Zeitmehrfach am Devisenmarkt intervenierte, um demdurch anhaltend hohe Kapitalzuflüsse bedingten Auf-wertungsdruck zu begegnen, die zusätzliche Liquidi-tät aber nicht vollständig sterilisiert wurde. Auch wur-de eine Erhöhung der heimischen Energiepreise an-gekündigt, so dass der dämpfende Effekt, der derzeitnoch von den administrierten Preisen auf die Infla-tionsrate ausgeht, auslaufen dürfte.

Im Prognosezeitraum bleiben die Aussichten für dieWirtschaftsentwicklung günstig. Das reale Bruttoin-landsprodukt dürfte auch in den Jahren 2007 und 2008mit 7,5 % bzw. 7 % kräftig zunehmen. Aufgrund stei-gender Einkommen wird der private Konsum weiter-hin stark ausgeweitet. Die Investitionen werden imkommenden Jahr zusätzlich angeregt durch erhöhtestaatliche Ausgaben für Infrastruktur, Ausbildungund Gesundheitswesen, die aus einem neu gebildeten,aus Öleinnahmen gespeisten „Fonds für künftige Ge-nerationen“ finanziert werden. Zudem dürfte die Fi-nanzpolitik vor dem Hintergrund der bevorstehendenParlaments- und Präsidentschaftswahlen expansiverausgerichtet werden.

In Lateinamerika war die Konjunktur im ersten Halb-jahr 2007 weiterhin lebhaft, auch wenn die kräftigenZuwachsraten des Vorjahres zumeist nicht mehr er-reicht wurden. Die Region profitierte von der weiter-hin guten Weltkonjunktur sowie, als Nettoexporteurvon Energieträgern und Rohstoffen, vom neuerlichenstarken Anstieg der Rohstoffpreise seit Jahresbeginn.Die Finanzmarktturbulenzen im Sommer haben La-teinamerika nicht stark betroffen; so sind die Risiko-zuschläge auf Staatstitel aus der Region gegenüberUS-Anleihen nur mäßig gestiegen. Darin spiegelt sichdas gefestigte Vertrauen der Investoren in die makro-ökonomische Stabilität der meisten Länder, ein Ver-trauen, das auch auf den Leistungsbilanzüberschüssender vergangenen Jahre und auf Konsolidierungserfol-gen in den meisten öffentlichen Haushalten beruht.Zuletzt haben freilich in vielen Ländern der Regiondie Inflationsraten angezogen, auch bedingt durchden Preisanstieg für Nahrungsmittel; die Notenban-ken werden darauf wohl mit einer etwas restriktiverenPolitik reagieren. Vor allem wird aber die Nachfrage-schwäche aus den USA dazu führen, dass sich die kon-junkturelle Entwicklung in Lateinamerika im Winter2007/2008 leicht verlangsamt.

20

Page 21: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

In Brasilien setzte sich die positive wirtschaftlicheEntwicklung im ersten Halbjahr 2007 fort. Die Dyna-mik der Unternehmensinvestitionen war weiterhinhoch. Dabei halfen (auch real) sinkende Zinsen: Diebrasilianische Zentralbank hat den Leitzins schritt-weise von knapp 20 % im Herbst 2005 auf aktuell11,25 % gesenkt. Allerdings ist auf Grund der zuletztetwas gestiegenen Inflationsrate, die nur noch gering-fügig unterhalb des Inflationsziels der Notenbank von4,5 % liegt, nun mit einer abwartenden Haltung derGeldpolitik zu rechnen. Die Realeinkommen derHaushalte steigen kräftig, und so entwickeln sich dieprivaten Konsumausgaben zu einer Stütze der brasi-lianischen Wirtschaft. Darüber hinaus wird das vonder Regierung angekündigte Programm zur Wachs-tumsförderung (PAC) durch öffentlich finanzierte In-vestitionen in die Infrastruktur die Binnennachfragetreiben. Der starke Anstieg der Nachfrage an den in-ternationalen Rohstoffmärkten wird die Exportdyna-mik trotz der jüngsten Aufwertung des brasilianischenReal hoch halten. Alles in allem wird die Wirtschaft inBrasilien in den Jahren 2007 und 2008 nur wenig lang-samer expandieren als im vergangenen Jahr.

Die Zunahme des realen Bruttoinlandsproduktes inMexiko hat sich ausgehend von einer hohen wirt-schaftlichen Dynamik im ersten Halbjahr 2007 deut-lich verlangsamt. Verantwortlich hierfür zeichnet ne-ben einer schwächeren Investitionstätigkeit der Un-ternehmen und einer weniger expansiven Entwick-lung der privaten Konsumausgaben insbesondere dieschwächere konjunkturelle Entwicklung in den USA,dem wichtigsten Exportmarkt. Als Folge dessen hatsich die Ausfuhr im ersten Halbjahr deutlich verlang-samt. Auch die Aktienkurse haben auf Grund der ho-hen Abhängigkeit der mexikanischen Wirtschaft vonder Entwicklung in den USA mit Ausbruch der Fi-nanzmarktturbulenzen deutlich nachgegeben, erhol-ten sich zuletzt aber wieder. Nachdem das Verbrau-cherpreisniveau im Zuge der hohen konjunkturellenDynamik und gestiegener Rohstoffpreise, vor allemaber bedingt durch den starken Anstieg der Maisprei-se als Folge der verstärkten Bioethanolproduktion(Tortilla-Krise), im Verlauf des Jahres 2006 merklichzugelegt hatte, stabilisierte sich die Inflationsrate zuJahresbeginn bei rund 4 %. Sie liegt damit über derZielrate, die von der Notenbank mit 3 % angegebenwird. Die Inflation dürfte in Folge der konjunkturel-len Verlangsamung im Prognosezeitraum langsam zu-rückgehen, so dass die Zentralbank die Leitzinsen vonaktuell 7,25 % nicht weiter erhöhen wird. Die Investi-tionstätigkeit der Unternehmen sollte zunehmendvon den weiterhin insgesamt günstigen Finanzierungs-konditionen profitieren. Im Prognosezeitraum wirddie Wirtschaft zunächst noch etwas schwächer expan-dieren und im Verlauf des Jahres 2008, auch im Zugeder Belebung in den USA, dann wieder an Dynamikgewinnen. Der Zuwachs des realen Bruttoinlandspro-dukts wird im laufenden Jahr 3,1 % und im kommen-den Jahr 3,8 % betragen.

21

Page 22: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

Die Wirtschaft im Euroraum expandierte im erstenHalbjahr 2007 etwas langsamer als zuvor (Abbil-dung 2.2). Exporte und Investitionen legten nur nochmoderat zu. Der Quartalsverlauf wurde von einigenSonderfaktoren geprägt: Die Konsumausgaben derprivaten Haushalte im Euroraum stagnierten zu Be-ginn des Jahres, vor allem weil die Verbrauchsausga-ben in Deutschland infolge der Mehrwertsteuererhö-hung zurückgingen; die Erholung im zweiten Quartalfiel trotz günstiger Beschäftigungsentwicklungschwach aus. Außerdem wurden wegen des mildenWinters Bauinvestitionen vorgezogen, wodurch sichdie deutliche Abschwächung der Investitionen imVerlauf des ersten Halbjahres erklärt. Der Außenhan-del trug positiv zur gesamtwirtschaftlichen Expansionbei: Die Exporte stiegen moderat, die Importe nurverhalten. Die Verlangsamung der wirtschaftlichenExpansion im zweiten Quartal war in allen großenLändern des Euroraums zu erkennen. Sie kam inso-fern überraschend, als vor allem in Deutschland, aberauch in Frankreich und Italien, die Stimmungsindika-toren ausgesprochen günstig waren.

Die Löhne stiegen trotz des konjunkturellen Auf-schwungs weiterhin nur verhalten. Dies trug wohl zurweiteren Verbesserung der Situation am Arbeits-markt bei: Die Zahl der Beschäftigten lag im zweitenQuartal um 1¾ % über der im Vorjahresquartal. DieArbeitslosenquote sank auf 6,9 % (August). Damit istsie 0,8 Prozentpunkte niedriger als Anfang 2001, aufihrem Tiefpunkt während des letzten Konjunkturzyk-lus, obwohl der Produktionsanstieg während des da-maligen Aufschwungs deutlich höher war. Auch ist ge-genwärtig ein nennenswerter Lohnschub nicht zu er-kennen, was darauf hindeutet, dass die strukturelleArbeitslosigkeit im Euroraum deutlich gesunken ist,wohl auch infolge veränderten Verhaltens der Tarif-parteien und arbeitsmarktpolitischer Reformen.

Der Anstieg der Preise verlief moderat. Die Infla-tionsrate – gemessen am Harmonisierten Verbrau-cherpreisindex – lag im September bei 2,1 %; zuvorwar sie vor allem aufgrund von Basiseffekten bei denEnergiepreisen niedriger gewesen. Die Kerninfla-tionsrate war recht stabil; im August lag sie bei 2 %.

Die öffentlichen Haushalte in den Ländern des Euro-raums profitieren auch in diesem Jahr von konjunktu-

rell bedingt höheren Einnahmen. Nachdem das Defi-zit bereits im vergangenen Jahr um rund einen Pro-zentpunkt auf 1,6 % in Relation zum Bruttoinlands-produkt gesunken ist, dürfte es im Jahr 2007 weiter auf0,8 % fallen (Tabelle 2.2).

Der Rückgang des strukturellen Defizits wird aller-dings geringer sein. Zum einen ist die Finanzpolitik ineinigen Mitgliedsländern mit einem nahezu ausgegli-chenen Haushalt oder gar Haushaltsüberschüssen,wie etwa Spanien, den Niederlanden oder Irland, ex-pansiv ausgerichtet. Zum anderen zeichnet sich in ei-nigen Mitgliedsstaaten mit Haushaltsdefiziten einNachlassen in den Sparbemühungen ab; die Ausgabenwerden über das Maß hinaus erhöht, das in den Stabi-litätsprogrammen festgelegt wurde, oder es wurdenSteuersenkungen beschlossen, die nicht gegenfinan-ziert sind. So beabsichtigt etwa Frankreich, in diesemJahr das konjunkturbereinigte Defizit um weniger alsdie im Stabilitätsprogramm vorgesehenen 0,5 Pro-zentpunkte zu senken. In der gegenwärtigen Situation,die durch einen Rückgang der Arbeitslosigkeit und ei-nen starken Anstieg der Steuereinnahmen gekenn-zeichnet ist, sollte das Defizit entsprechend den Vor-gaben des überarbeiteten Stabilitäts- und Wachstums-pakts merklich zurückgeführt werden. Demnachmüssten die Länder mit Haushaltsdefiziten ihr struk-turelles Defizit um mehr als 0,5 Prozentpunkte zu-rückführen. Dies trifft aber lediglich auf Deutschlandzu.12

Im kommenden Jahr wird die Finanzpolitik im Euro-raum sogar leicht expansiv ausgerichtet sein. InDeutschland und Frankreich werden die Unterneh-mens- bzw. Einkommensteuersenkungen nur teilwei-se durch eine zurückhaltende Ausgabenpolitik finan-ziert. Ein nennenswerter Abbau des Haushaltsdefizitsist lediglich in Portugal geplant. Infolge von Einschnit-ten im öffentlichen Sektor sowie im Gesundheitswe-sen wird dort das Defizit 2008 erstmals seit dem Jahr2000 wieder unter der Maastricht-Grenze von 3 % lie-gen und damit das laufende Defizitverfahren voraus-sichtlich eingestellt. Insgesamt wird das aggregierteDefizit im Euroraum im kommenden Jahr allerdingsnoch von der guten Konjunktur profitieren und wie indiesem Jahr 0,8 % in Relation zum Bruttoinlandspro-dukt betragen.

Die monetären Rahmenbedingungen für die Wirt-schaft im Euroraum haben sich deutlich verschlech-

22

12 Zwar geht auch in Italien das Defizit in diesem Jahr sehr stark zurück, doch ist dies nur einem Basiseffekt geschuldet. Einmalmaßnahmenhaben dort die Defizitquote im vergangenen Jahr um rund 2 Prozentpunkte erhöht; vgl. Arbeitsgemeinschaft Frühjahr 2007. 17.

Page 23: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

tert. Hierzu haben nicht zuletzt die Finanzmarkttur-bulenzen beigetragen. Akutes Symptom der Verwer-fungen sind seit Anfang August ein Vertrauensverlustund eine erhöhte Liquiditätsvorhaltung der Ge-schäftsbanken am europäischen Interbankenmarktangesichts der Gefahr von massiven Verlusten bei ein-

zelnen Marktteilnehmern und Liquiditätsengpässen.Die Geldmarktzinsen zogen daraufhin deutlich an.Zwar hat die EZB vorübergehend die Liquidität er-höht und auf die geplante Zinserhöhung verzichtet;die Liquiditätsengpässe am Geldmarkt halten abernach wie vor an. So wird Dreimonatsgeld seit Ende

23

2006 bis 2008

Gewicht(BIP)in %

Bruttoinlandsprodukt1 Verbraucherpreise2 Arbeitslosenquote3

Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % in %

2006 2007 2008 2006 2007 2008 2006 2007 2008

Deutschland 19,9 2,9 2,6 2,2 1,8 2,2 2,1 8,4 6,7 6,0

Frankreich 15,4 2,0 1,8 1,8 1,9 1,4 1,7 9,5 8,6 8,2

Italien 12,8 1,9 1,8 1,5 2,2 2,0 2,1 6,8 6,1 6,0

Spanien 8,4 3,9 3,9 2,5 3,6 2,5 2,7 8,5 8,0 7,8

Niederlande 4,6 3,0 2,6 2,1 1,7 1,6 1,9 3,9 3,4 3,3

Belgien 2,7 3,2 2,7 2,2 2,3 1,5 1,8 8,2 7,5 7,3

Österreich 2,2 3,3 3,3 2,5 1,7 1,8 1,9 4,7 4,3 4,1

Griechenland 2,1 4,3 4,0 3,3 3,3 2,7 2,9 8,9 8,5 8,4

Finnland 1,5 5,5 4,8 3,2 1,3 1,4 1,8 7,7 6,9 6,6

Irland 1,5 5,7 5,0 4,0 2,7 2,7 2,7 4,4 4,4 4,5

Portugal 1,3 1,3 1,8 1,6 3,0 2,4 2,1 7,7 8,2 8,2

Slowenien 0,3 5,2 6,2 5,0 2,5 3,2 2,8 6,0 5,0 4,8

Luxemburg 0,3 6,2 6,0 5,0 3,0 2,1 2,1 4,7 4,9 4,9

Euroraum4,573,0 2,8 2,6 2,1 2,2 1,9 2,1 7,9 7,0 6,6

Großbritannien 16,3 2,8 2,9 2,3 2,3 2,3 2,1 5,4 5,3 5,4

Schweden 2,7 4,2 3,5 3,1 1,5 1,5 2,0 7,1 5,9 5,8

Dänemark 1,9 3,5 2,0 1,8 1,9 1,6 2,0 3,8 3,6 3,3

EU 16493,9 2,9 2,7 2,2 2,2 2,0 2,1 7,4 6,6 6,4

Polen 2,3 6,1 6,4 5,2 1,3 2,3 2,6 13,8 10,5 9,6

Tschechien 1,0 6,4 5,8 4,9 2,1 2,4 2,6 7,1 5,6 5,3

Ungarn 0,8 3,9 2,3 3,4 4,0 8,0 4,0 7,5 7,6 7,5

Rumänien 0,8 7,7 6,3 6,0 6,6 4,0 4,1 7,3 6,8 6,3

Slowakei 0,4 8,3 8,7 8,0 4,3 1,9 2,5 13,4 11,0 10,2

Litauen 0,2 7,7 7,5 6,5 3,8 4,9 5,0 5,6 4,8 4,4

Bulgarien 0,2 6,1 6,0 5,6 7,4 5,8 5,0 9,0 7,2 6,7

Zypern 0,1 3,8 4,0 3,5 2,2 1,9 2,0 4,6 4,6 4,3

Lettland 0,1 11,9 10,2 8,2 6,6 8,7 7,0 6,8 5,9 5,7

Estland 0,1 11,2 9,0 8,0 4,4 5,8 5,5 5,9 5,0 4,6

Malta 0,0 3,2 3,0 2,3 2,6 0,4 2,0 7,3 6,5 6,5

Neue EU-Mit-gliedsländer 6,1 6,4 6,0 5,3 3,2 3,6 3,3 10,0 8,2 7,6

EU 274100,0 3,1 2,9 2,4 2,2 2,1 2,1 7,9 6,9 6,6

nachrichtlich:Exportgewichtet6

100,0 3,4 3,2 2,6 2,3 2,2 2,2 – – –

1Die Zuwachsraten sind untereinander nicht voll vergleichbar, da sie für einige Länder um Arbeitstageeffekte bereinigt sind, für andere – wiefür Deutschland – nicht. – 2EU16 Harmonisierter Verbraucherpreisindex. – 3Standardisiert. – 4Summe der aufgeführten Länder. BIP und Ver-braucherpreise gewichtet mit dem BIP von 2006 in US-Dollar, Arbeitslosenquote gewichtet mit der Zahl der Erwerbspersonen von 2006. –52006: Euroraum plus Slowenien. – 6Summe der aufgeführten Länder. Gewichtet mit den Anteilen an der deutschen Ausfuhr 2006.Quellen:Eurostat; IMF;OECD;Statistisches Bundesamt;Berechnungen der Institute;2007 und 2008:Prognose der Institute. GD Herbst 2007

Tabelle 2.1

Page 24: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

August zu einem Zinssatz von über 4,7 % gehandelt,mehr als einen halben Prozentpunkt höher als nochMitte Juli. Bereits vor den Turbulenzen waren die mo-netären Rahmenbedingungen im Euroraum infolgeder abermaligen Erhöhung des Hauptrefinanzie-rungssatzes um ¼ Prozentpunkt im Juni dieses Jahresetwas ungünstiger geworden (Abbildung 2.1). Insge-samt sind die Dreimonatszinsen seit April um reich-lich ¾ Prozentpunkte gestiegen, während die Renditezehnjähriger Staatsanleihen weitgehend unverändertblieb und die Kreditzinsen leicht stiegen. Der Eurowertete gegenüber dem US-Dollar um knapp 4 % auf,real effektiv um knapp 1 %.Positiv beeinflusst wurdendie Finanzierungsbedingungen durch den Anstieg derAktienkurse; der Euro STOXX 50 lag Anfang Okto-ber um 13 % über dem Niveau im April.

Die Kreditentwicklung im Euroraum ist weiterhinkräftig; im August nahmen die Buchkredite um 11,2 %zu. Dabei wurden die Kredite an nicht-finanzielle Ka-pitalgesellschaften mit einer Rate von 14,2 % amstärksten ausgeweitet, die Kredite an private Haushal-te mit 7,0 %. Die Kreditausweitung war ein Grund für

den abermals starken Anstieg der Geldmenge M3(11,6 %).13

Vor dem Hintergrund der Finanzmarktturbulenzen istzu erwarten, dass die Finanzierungsbedingungen imPrognosezeitraum ungünstiger sein werden als nochvor einigen Monaten. Die Zahlungsausfälle amUS-amerikanischen Hypothekenmarkt haben dazugeführt, dass Risiken an den internationalen Finanz-märkten insgesamt höher bewertet werden, insbeson-dere im Kreditbereich. Darauf deutet hin, dass dieRenditedifferenz zwischen Unternehmensanleihenmittlerer Bonität (BBB-Rating) und Staatsanleihenseit Juli um 0,4 Prozentpunkte gestiegen ist. Hinzukommt, dass nicht zuletzt auch in Deutschland das Ei-genkapital der Banken verstärkt zur Begleichung vonVerlusten und zur Finanzierung von vormals außer-halb der Bilanz (z. B. in so genannten Conduits) ge-führten längerfristigen Kapitalanlagen verwendetwerden dürfte. Dies lässt erwarten, dass Kredite in Zu-kunft teurer werden bzw. die Kreditvergabe der Ban-ken an Unternehmen und private Haushalte restrikti-ver gehandhabt wird.

Erste Belege dafür finden sich im Bank Lending Sur-vey der EZB vom Oktober 2007, aus dem hervorgeht,dass 31% der befragten Banken die Bedingungen füreine Kreditvergabe an Unternehmen im dritten Quar-tal 2007 verschärft haben.14 Dies ist zwar nicht alleinauf die Finanzmarktturbulenzen, sondern auch aufdas konjunkturelle Umfeld zurückzuführen. Dochinsbesondere bei Krediten an Großunternehmen ge-ben rund 40 % der Banken an, dass die Verwerfungeneinen zumindest leichten Einfluss auf die Kreditver-gabebedingungen gehabt haben, und fast 50 % derBanken erwarten einen kontraktiven Einfluss in dennächsten drei Monaten. Dabei scheinen insbesondereKredite für Unternehmensfusionen (M&A) betroffenzu sein. Im Vergleich dazu ist der Einfluss auf Kreditean Haushalte bisher recht gering. So haben im drittenQuartal 2007 lediglich 12 % der befragten Bankenihre Vergabepraxis für Immobilienkredite an Haus-halte verschärft, während Konsumentenkredite sogargeringfügig leichter zu bekommen waren. Nur rund20 % der Banken erwarten hier für die nächsten dreiMonate einen verstärkten Einfluss der Finanzmarkt-turbulenzen. All dies reflektiert auch die verschlech-terten Refinanzierungsbedingungen der Banken. Ins-besondere die Verbriefung von Immobilien- und Un-ternehmenskrediten ist nach Angabe von mehr alszwei Dritteln der Banken etwas oder deutlich schwie-riger geworden. Allerdings ist der Anteil der Banken,

24

2002 bis 2008; in % des nominalen BIP

2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Deutschland –3,7 –4,0 –3,7 –3,2 –1,7 0,1 0,3

Frankreich –3,2 –4,1 –3,6 –3,0 –2,5 –2,4 –2,7

Italien –2,9 –3,5 –3,5 –4,2 –4,4 –2,2 –2,1

Spanien –0,3 0,0 –0,2 1,1 1,8 1,4 0,5

Niederlande –2,0 –3,1 –1,8 –0,3 0,6 –0,8 –0,1

Belgien 0,0 0,1 0,0 –2,3 0,2 –0,1 –0,1

Österreich –0,5 –1,6 –1,2 –1,6 –1,4 –0,8 –0,6

Griechenland –5,2 –6,2 –7,9 –5,5 –2,6 –2,3 –2,6

Finnland 4,1 2,5 2,3 2,7 3,9 3,8 3,7

Irland –0,4 0,4 1,4 1,0 2,9 1,6 0,9

Portugal –2,9 –2,9 –3,3 –6,1 –3,9 –3,5 –2,9

Slowenien –2,5 –2,8 –2,3 –1,5 –1,4 –1,5 –1,4

Luxemburg 2,1 0,4 –1,2 –0,3 0,1 0,6 0,4

Euroraum2–2,5 –3,0 –2,8 –2,5 –1,6 –0,8 –0,8

1Gemäß Abgrenzung nach dem Vertrag von Maastricht. – 2Summeder Länder; gewichtet mit dem BIP von 2006 in Euro.Quellen: Eurostat; Europäische Kommission; 2007 und 2008:Prognose der Institute. GD Herbst 2007

Tabelle 2.2

13 Diese Zahlen deuten eine hohe Liquiditätsausstattung der Wirtschaft an, die eine mittelfristige Gefahr für die Preisstabilität im Euroraumdarstellen kann (vgl. Carstensen, K. (2007), Is Core Money Growth a Good and Stable Inflation Predictor in the Euro Area? Kiel Working Pa-pers 1318. Institut für Weltwirtschaft, Kiel.). Allerdings hat sich die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes aus verschiedenen Gründen in denvergangenen Jahren deutlich verringert, so dass auch über dem Referenzwert der EZB liegende Steigerungen der Geldmenge mit dem Infla-tionsziel der EZB konform sein können (vgl. Bordes, Ch., L. Clerc, L. and V. Marimoutou (2007), Is there a structural break in equilibrium ve-locity in the euro area? Notes D’Etudes et de Recherche 165. Banque de France, Paris; Sorbe, S. und T. Wolmershäuser (2007), MittelfristigeInflationsprognose: Das Dilemma der Zwei-Säulen-Strategie der EZB. ifo Schnelldienst 60 (11): 16–24).14 Von den deutschen Banken gaben allerdings nur 25 % an, ihre Kreditvergabe restriktiver zu handhaben.

Page 25: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

die eine weitere Verschärfung der Probleme in derZukunft sehen, gemessen an den Erwartungen für diekommenden drei Monate rückläufig. Dies spricht da-für, dass sich die Refinanzierungsbedingungen imVerlauf dieses Jahres leicht entspannen werden.

Für die Prognose unterstellen die Institute, dass es denBanken in den nächsten Monaten gelingt, die Trans-parenz der Anlagen zu erhöhen und mögliche Verlust-quellen zu identifizieren, und dass die EZB im Fallegravierender Liquiditätsprobleme dem Markt erneutMittel zur Verfügung stellt. Unter diesen Annahmendürften sich die Vertrauenskrise und damit die Liqui-ditätsengpässe nach und nach auflösen. Allerdingslegt der Bank Lending Survey der EZB nahe, dass so-wohl die Kredit- als auch die Refinanzierungsbedin-

gungen zumindest im vierten Quartal noch von denFinanzmarktturbulenzen betroffen sein werden. DieInstitute erwarten, dass die EZB den Hauptrefinan-zierungssatz im Euroraum im laufenden Jahr auf demgegenwärtigen Niveau belässt und auch im kommen-den Jahr zunächst abwartet, wie sich die Perspektivenfür die Preisniveaustabilität entwickeln.15 Erst wennsich die Konjunkturaussichten aufgehellt haben wer-den, wird sie in der zweiten Jahreshälfte die ursprüng-lich für September 2007 geplante Anhebung des Leit-zinses um 25 Basispunkte nachholen. Die Zinsen fürStaatsanleihen dürften etwas steigen, sobald sich dieUnsicherheit an den Märkten legt und die Renditedif-ferenz zu Unternehmensanleihen wieder etwas sinkt.Für den Wechselkurs des Euro gegenüber demUS-Dollar ist ein Wert von 1,40 unterstellt.

25

Zur monetären Lage im Euroraum

7

% %

% % % %

Index1.Q. 1999 = 100 US-Dollar/Euro

4

5

6

3

2

1

7

4

5

6

3

2

1

Nominalzinsen1

Kreditzinsen

langfristig

realer effektiverWechselkurs des Euro

(linke Skala) 2

nominaler WechselkursUS-Dollar/Euro(rechte Skala)

kurzfristig

gegenüber Vormonat 4

gegenüber Vorjahresmonat

Veränderungsratedes HVPI

Kerninflationsrate MittelfristigesInflationsziel6

Referenzwertder EZB

GD Herbst 2007

Preisentwicklung5Veränderung der Geldmenge M33

Wechselkurs

110

95

100

105

90

85

80

1,5

1,1

1,2

1,3

1,4

1,0

0,9

0,8

14

6

10

12

4

2

0

14

6

10

12

4

2

0

2000 2001 2002 20031999 2004 2005 2006 2007

3,5

1,5

2,0

2,5

3,0

1,0

0,5

0,0

2000 2001 2002 20031999 2004 2005 2006 2007

3,5

1,5

2,0

2,5

3,0

1,0

0,5

0,0

1Kurzfristig = 3-Monats-EURIBOR; langfristig = zehnjährige Staatsanleihen; Kreditzinsen = vor 2003: Unternehmenskredite mit einerLaufzeit von mehr als 1 Jahr, nach 2003: Zinssatz für Kredite im Neugeschäft bis zu einer Mio. Euro an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaftenmit einer anfänglichen Laufzeit von einem bis fünf Jahren.– 2Weiter Länderkreis.– 3M3 = Bargeldumlauf, täglich fällige Einlagen, Einlagenmit einer vereinbarten Laufzeit von bis zu 2 Jahren, Einlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist von bis zu 3 Monaten, Repogeschäfte,Geldmarktfondsanteile und -papiere, Schuldverschreibungen bis zu 2 Jahren; Index, saisonbereinigt, zentrierte Dreimonatsdurchschnitteder Veränderungsraten in %.– 4Auf Jahresrate hochgerechnet.– 5HVPI = Harmonisie rter Verbraucherpreisindex; Kerninflationsrate =Veränderungsrate des HVPI ohne Energie, Nahrungsmittel, Alkohol und Tabak.– 6Die EZB sieht ihr Ziel der Preisstabilität bei Inflationsratenvon "unter, aber nahe 2%" als erfüllt an.

Quellen: Europäische Zentralbank; Eurostat; Deutsche Bundesbank; Berechnungen der Institute.

Abbildung 2.1

15 Dafür spricht, dass der Präsident der EZB bei der Pressekonferenz am 4.10.2007 zum ersten Mal seit langem nicht mehr das Wort „akkom-modierend“ zur Beschreibung der konjunkturellen Wirkung der Geldpolitik verwendete. An den Finanzmärkten ist dies als Signal aufgefasstworden, dass die EZB in der nahen Zukunft keine Zinserhöhung anstrebt.

Page 26: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

Die bis zuletzt deutlich aufwärts gerichtete Industrie-produktion, die gut gefüllten Auftragsbücher und diehohen Werte der Vertrauensindikatoren bei Wirt-schaft und Konsumenten sprechen dafür, dass die Pro-duktion im Euroraum im dritten Quartal 2007 wiederstärker expandiert hat. Allerdings gibt es seit demSommer eine Reihe von Faktoren,die gegen Jahresen-de und im Jahr 2008 den Aufschwung im Euroraumbelasten werden. Die Turbulenzen auf den Finanz-märkten haben, wie jüngste Vertrauensindikatorenzeigen, den Optimismus von Unternehmen und Haus-halten gedämpft. Der Verlust an Vertrauen gegenübereinigen wichtigen neuen Finanzmarktinstrumentenwird wohl auch die Fremdfinanzierungskosten derUnternehmen ein Stück weit erhöhen. Dazu kommendämpfende Effekte von der Außenwirtschaft: DieKonjunktur in den USA wird sich erst einmal weiterabschwächen. Außerdem belastet die real effektiveAufwertung des Euro die Wettbewerbsfähigkeit derProduzenten im Euroraum.

Es gibt allerdings gute Gründe für die Einschätzung,dass die dämpfenden Effekte keinen Abschwung imEuroraum auslösen. So lässt der hohe Auslastungs-grad der Kapazitäten Erweiterungsinvestitionen fürUnternehmen weiterhin attraktiv erscheinen. Ihre Fi-nanzierung wird nach wie vor durch eine gute Ge-winnlage begünstigt,nicht zuletzt,weil der Lohnstück-kostenanstieg offensichtlich moderat bleibt (Tabel-

le 2.3). Gleichzeitig wird sich der Beschäftigungsauf-bau nur wenig verlangsamt fortsetzen. Zusammen mitetwas schneller steigenden Löhnen wird dies den pri-vaten Konsum anregen. Er dürfte mit einer Rate von2,3 % deutlich rascher steigen als in den Jahren zuvor.Dämpfend wirkt allerdings, dass die Phase der hohenPreissteigerungen bei Immobilien in einigen Länderndes Euroraums, vor allem in Spanien, offenbar vor-über ist. Die positiven Wirkungen eines Anstiegs desImmobilienvermögens auf den Konsum lassen damitnach. Außerdem entfällt ein wesentlicher Anreiz fürden Wohnungsbau, der erheblich an Schwung verlie-ren dürfte. Insgesamt wird der Anstieg des realenBruttoinlandsprodukts in diesem Jahr wohl 2,6 % undim kommenden Jahr 2,1 % betragen (Abbildung 2.2).Die gesamtwirtschaftliche Kapazitätsauslastungnimmt damit im Prognosezeitraum kaum noch zu.Auch der Rückgang der Arbeitslosigkeit wird sichdeutlich verlangsamen. Die Verbraucherpreise dürf-ten in diesem und im kommenden Jahr um 1,9 % bzw.2,1 % zulegen.

26

112

100

102

108

10

6

0

2

4

-2

Reales Bruttoinlandsprodukt im EuroraumSaisonbereinigter Verlauf, in %

GD Herbst 2007

laufende Jahresrate 1 (rechte Skala)Erstes Quartal 2004=100Jahresdurchschnitt2

1 Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresratehochgerechnet.2 Zahlenangaben: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.

Quellen: Eurostat; Berechnungen der Institute;ab 3. Quartal 2007: Prognose der Institute.

2005 2006 2007 2008

Prognose-zeitraum

2,1

2,6

2,8

1,5

8110

106

104

Abbildung 2.2

2005 bis 2008

2005 2006 2007 2008

Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %

Reales Bruttoinlandsprodukt 1,5 2,8 2,6 2,1

Privater Konsum 1,5 1,8 1,6 2,3

Öffentlicher Konsum 1,3 1,9 1,9 2,2

Bruttoanlageinvestitionen 2,6 5,0 4,8 3,0

Inländische Verwendung 1,7 2,6 2,3 2,3

Exporte14,3 8,0 5,7 4,4

Importe15,1 7,8 5,2 5,1

Außenbeitrag2–0,2 0,2 0,3 –0,2

Verbraucherpreise32,2 2,2 1,9 2,1

Lohnstückkosten 0,8 1,0 1,5 1,9

in % des nominalen BIP

Budgetsaldo4–2,5 –1,6 –0,8 –0,8

Leistungsbilanzsaldo 0,0 –0,1 –0,2 0,1

in % der Erwerbspersonen

Arbeitslosenquote58,6 7,9 7,0 6,6

1Einschließlich Intrahandel. – 2Wachstumsbeitrag. – 3Harmonisier-ter Verbraucherpreisindex. – 4Gesamtstaatlich. – 5Standardisiert.Quellen: Eurostat; Europäische Zentralbank; Berechnungen der In-stitute;2007 und 2008:Prognose der Institute. GD Herbst 2007

Tabelle 2.3

Page 27: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

Die konjunkturelle Entwicklung in Frankreich ver-läuft nach wie vor gedämpft. Allerdings hat sich dasExpansionstempo der französischen Wirtschaft seitJahresbeginn – im Unterschied zu den meisten Län-dern des Euroraums – im Halbjahresvergleich leichtbeschleunigt; in der Verlaufsrate konnte die Dynamikim zweiten Quartal 2007 wieder zum Durchschnitt desEuroraums aufschließen. Maßgeblich hierfür war eineleichte Belebung der Binnennachfrage. So sind dieKonsumausgaben der privaten Haushalte nach derschwachen Entwicklung zum Jahresende 2006 deut-lich gestiegen.Gleichzeitig wurde der Staatsverbrauchverstärkt ausgeweitet. Demgegenüber ist der Wachs-tumsbeitrag des Außenhandels weiterhin negativ,auch wenn die Exporte an Dynamik gewannen.

Die französische Regierung hat eine Fortsetzung derexpansiven Finanzpolitik angekündigt. So zeichnetsich für den Prognosezeitraum eine neuerliche Ver-schlechterung der Budgetposition ab. Zum Teil fehlenallerdings noch konkrete Beschlüsse. Auch sieht derBudgetentwurf vor, dass den entlastenden Maßnah-men Ausgabensenkungen (z.B. durch einen Abbauder Zahl der Staatsbeschäftigten) gegenüber stehen.Gleichwohl ist angesichts des immer noch hohen Defi-zits eine Annäherung an die kritische 3 %-Marke imkommenden Jahr wahrscheinlich.

Der private Verbrauch wird auch in den kommendenQuartalen die Konjunktur stützen. Dabei profitierendie privaten Haushalte von einem fortgesetzten, deut-lichen Zuwachs der realen Nettoeinkünfte. Zwar ver-harrt der nominale Lohnanstieg gegenwärtig bei 3 %.Gleichzeitig hat sich jedoch der Preisauftrieb verlang-samt; die Inflationsrate lag im August bei 1,3 %, nach1,9 % im Jahresdurchschnitt 2006. Zudem setzte sichder Beschäftigungsaufbau beschleunigt fort; die Ar-beitslosenquote verringerte sich zuletzt auf etwa 8 %und erreichte damit den niedrigsten Stand seit 1982.Nicht zuletzt kommt die Senkung von Steuern undAbgaben hinzu, die die Kaufkraft der privaten Haus-halte stärkt.

Gleichzeitig mehren sich die Anzeichen, dass die fran-zösische Industrie ihre Schwächephase allmählichüberwindet.Nachdem die Wirtschaft in den Vorjahrenaufgrund einer ungünstigen Warenstruktur nur wenigan der kräftigen weltwirtschaftlichen Entwicklungpartizipieren konnte, sind die Auftragseingänge – ins-besondere die Bestellungen aus dem Ausland – seitJahresbeginn deutlich gestiegen. Zudem lassen ersteMonatsdaten für die zweite Jahreshälfte 2007 einespürbare Ausweitung der Industrieproduktion erwar-ten, zumal die Produktionsaussichten trotz der jüngs-ten Finanzmarktturbulenzen nach wie vor mehrheit-

lich positiv eingeschätzt werden. Vor diesem Hinter-grund erwarten die Institute für Frankreich einen ver-gleichsweise robusten Anstieg der Produktion mit Ex-pansionsraten von jeweils 1,8 % in den Jahren 2007und 2008. Allerdings bleibt die Zuwachsrate des rea-len Bruttoinlandsprodukts damit erneut hinter der imEuroraum insgesamt zurück.

Die wirtschaftliche Erholung in Italien, die 2006 ein-gesetzt hatte, geriet in der ersten Jahreshälfte 2007 insStocken. Das reale Bruttoinlandsprodukt legte (nachdem sprunghaften Anstieg im vierten Quartal) nurnoch geringfügig zu. Auch im dritten Quartal diesesJahres dürfte die konjunkturelle Dynamik gering ge-blieben sein. Darauf lässt der Rückgang der Industrie-produktion im Juli schließen. Die Finanzmarktturbu-lenzen haben überdies die Stimmung der italienischenUnternehmen laut Umfragen deutlich verschlechtert.

In der ersten Jahreshälfte 2007 konnte der Exportnicht mehr ausgeweitet werden, auch weil die Kon-junktur in Deutschland, dem wichtigsten Abnehmer-land, nachließ. Die Investitionsdynamik schwächtesich ebenfalls ab.Der private Konsum entwickelte sichdagegen relativ robust, stimuliert von einer Auswei-tung der Beschäftigung, der Realeinkommen und vonsteuerlichen Anreizen (beim Kauf neuer Autos).

Die Verbesserung der Arbeitsmarktlage setzte sich imersten Halbjahr 2007 fort. Die Kehrseite des kräftigenBeschäftigungswachstums in Italien, das sich relativstark auf befristete Stellen stützt, ist jedoch das schwa-che Produktivitätswachstum. Die Arbeitslosenquotedürfte in diesem Jahr um einen halben Prozentpunktauf gut 6 % zurückgehen. Sie liegt damit inzwischendeutlich unter dem Durchschnitt des Euroraums,nachdem sie in den neunziger Jahren noch weit darü-ber lag. Dies ist ein Erfolg des Abbaus von Schwarzar-beit, der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes undsteuerlicher Anreize.Der Preis dafür liegt in einer Du-alisierung des Arbeitsmarktes: stark geschützte tradi-tionelle Arbeitsplätze auf der einen Seite, äußerst fle-xible neue Arbeitsplätze (besonders für Jugendliche)auf der anderen Seite.

Das Budgetdefizit war im Jahr 2006 aufgrund von Ein-malmaßnahmen (insbesondere der Mehrwertsteuer-rückerstattung für Firmenautos) besonders hoch. Inden Jahren 2007 und 2008 dürfte das Defizit mit reich-lich 2 % in Relation zum Bruttoinlandsprodukt deut-lich niedriger ausfallen. Für den Fall einer stärkerenKonjunkturabschwächung ist Italien damit aber im-mer noch schlecht gerüstet. Die EU-Kommissiondrängt deshalb die Regierung, die wirtschaftliche Be-lebung zu Haushaltskonsolidierung und Strukturre-formen zu nutzen.

27

Page 28: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

Italien wies in den vergangenen Jahren ein im euro-päischen Vergleich sehr niedriges Wachstum auf. Eszählte weder zu jener Ländergruppe im Euroraum,die ihre Wirtschaftskraft durch eine Verbesserung derrelativen Lohnstückkostenposition stärken konnte,noch zu jener Ländergruppe, die von niedrigen Real-zinssätzen profitierte. Ein wichtiger Grund dafür liegtdarin, dass der Markt für Hypothekarkredite in Italien(anders als in Spanien) wenig entwickelt ist. Gleich-zeitig litt die Textil- und Bekleidungsindustrie, die inItalien einen relativ hohen Anteil am industriell-ge-werblichen Sektor darstellt, in besonderem Maß unterder Konkurrenz aus China.

Im Prognosezeitraum wird die italienische Wirtschaftum durchschnittlich etwa 1,5 % expandieren und da-mit weiterhin schwächer als der übrige Euroraum. DieInlandsnachfrage dürfte sich relativ robust entwi-ckeln, die Dynamik der Exportnachfrage wird jedochinfolge der Abkühlung der Weltkonjunktur und derEuroaufwertung nachlassen. Der Preisauftrieb wirdbei etwa 2 % verharren. Neben den Energiepreisenziehen auch die Preise für wichtige Grundnahrungs-mittel an.

Die kräftige Expansion der spanischen Wirtschafthielt im ersten Halbjahr 2007 unvermindert an. Dasreale Bruttoinlandsprodukt erhöhte sich weiter miteiner laufenden Jahresrate von rund 4 %. Die guteKonjunktur beruhte in hohem Maß auf Bruttoanlage-investitionen und privatem Konsum, aber auch derExport konnte zuletzt deutlich zulegen. Aufgrund deshohen Wirtschaftswachstums ging die Arbeitslosen-quote weiter zurück, wenngleich langsamer als in denJahren zuvor. Sie liegt inzwischen nur noch um einenProzentpunkt über dem Durchschnitt des Euroraums.Die hohen Beschäftigungszuwächse wurden aller-dings durch schwache Produktivitätsgewinne erkauft.

Die Inflationsrate ging im bisherigen Jahresverlauftrotz der guten Konjunktur deutlich zurück und bliebdamit unter den Erwartungen. Sie lag mit 2,2 % nurnoch leicht über dem Euroraum-Durchschnitt. DieVerschlechterung der internationalen preislichenWettbewerbsfähigkeit setzte sich damit allerdingsfort.

Vom langjährigen Wirtschaftsaufschwung profitiertenauch die öffentlichen Haushalte. Die günstige Budget-entwicklung im bisherigen Jahresverlauf deutet da-rauf hin, dass der Budgetsaldo in diesem Jahr trotzeiner Einkommensteuersenkung weiter einen merkli-chen Überschuss aufweisen wird (1,4 % in Relationzum Bruttoinlandsprodukt). Für 2008 sind weitere ex-pansive fiskalpolitische Maßnahmen geplant; bei

nachlassendem Produktionsanstieg dürfte der Über-schuss deutlich zurückgehen.

Die wirtschaftliche Entwicklung war in den vergange-nen Jahren durch eine starke Expansion der Binnen-nachfrage geprägt. Niedrige Realzinssätze stimulier-ten die Bauinvestitionen, insbesondere den Woh-nungsbau. Überdies kam es zu einem starken Anstiegder Haus- und Wohnungspreise. Die stark expandie-rende Binnennachfrage ließ das Leistungsbilanzdefi-zit auf voraussichtlich 9 % im Jahr 2007 (gemessen amBruttoinlandsprodukt) hinaufschnellen. Höhere Zins-sätze, steigende Leerstände und größere Vorsicht derBanken bei der Gewährung von Hypothekarkreditendürften allerdings zu einer Wende im Wohnbau- undHauspreiszyklus führen; die Preise für Wohnimmobi-lien stiegen zuletzt nicht mehr, und die Baugenehmi-gungen gingen zurück. Angesichts der großen Bedeu-tung des Wohnungsbaus für die gesamtwirtschaftlicheProduktion – sein Anteil am realen Bruttoinlandspro-dukt ist auf 8 % gestiegen – haben die Konjunkturrisi-ken damit deutlich zugenommen.

Wegen der erwarteten Abschwächung auf dem Immo-bilienmarkt dürfte die spanische Wirtschaft 2008 nurnoch um 2,5 % expandieren. Ein Rückgang der Ver-mögenswerte und ein schwächerer Beschäftigungsan-stieg dürften den privaten Konsum langsamer steigenlassen, obwohl die mit Jahresbeginn wirksame Ein-kommensteuerreform die verfügbaren Einkommenstärkt. Der Beitrag der Nettoexporte wird zwar wie inden vergangenen Jahren negativ bleiben, aber wegender Abschwächung der Expansion der Binnennach-frage in geringerem Ausmaß als in der Vergangenheit.

Die Inflationsrate wird im Prognosezeitraum leichtauf 2,7 % steigen. Damit wird sie nochmals um einenhalben Prozentpunkt über dem Durchschnitt im Eu-roraum liegen. Ein Ende der jahrelangen Verschlech-terung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit zeichnetsich noch nicht ab.

In Großbritannien setzte sich der Aufschwung in derersten Jahreshälfte 2007 in unvermindertem Tempofort. Im ersten und zweiten Quartal nahm das realeBruttoinlandsprodukt mit einer laufenden Jahresratevon jeweils 3,3 % zu. Der private Konsum profitiertevon einem Anstieg der verfügbaren Einkommen undexpandierte etwas stärker. Der Staatsverbrauch hin-gegen stieg in abgeschwächtem Tempo. Die öffentli-chen Investitionen waren, im Gegensatz zu den priva-ten Investitionen, sogar rückläufig. Das Defizit im Au-ßenhandel konnte angesichts der Aufwertung desPfundes im bisherigen Jahresverlauf nicht reduziertwerden.

28

Page 29: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

Die Inflationsrate lag im März mit 3,1 % mehr als ei-nen Prozentpunkt über dem Inflationsziel der Bank ofEngland von 2 %. Daraufhin erhöhte diese den Leit-zins auf 5,75 %. Mittlerweile hat sich der Preisanstiegjedoch beruhigt; er lag im August mit 1,8 % wieder un-ter dem Zielwert. Der Krise an den Finanzmärkten istdie britische Zentralbank zunächst mit einer abwar-tenden Haltung entgegengetreten, mit der Begrün-dung, ein Eingreifen würde eine leichtfertige Risiko-übernahme der Finanzinvestoren begünstigen. Inzwi-schen hat aber auch sie dem Geldmarkt zusätzliche Li-quidität zur Verfügung gestellt. Eine weitere Zinser-höhung ist unwahrscheinlicher geworden; die Institu-te rechnen mit konstanten Leitzinsen im Prognose-zeitraum.

Für ein vorsichtiges Agieren der Notenbank sprichtauch, dass in Großbritannien das Risiko eines Ein-bruchs am Immobilienmarkt besteht. Die realen Häu-serpreise sind dort in den vergangenen 12 Jahren umrund 160 % gestiegen16 und damit sogar stärker als inden USA. Auch die Verschuldung der privaten Haus-halte hat stark zugenommen.17 Da die Hypothekenzudem in der Regel flexibel verzinst sind, führen diebisherigen Zinserhöhungen der Zentralbank zu einersteigenden Zinsbelastung der Schuldner. Aufgrundder Neubewertung der Risiken ist außerdem für Neu-kunden mit wenig Eigenkapital der Zinsaufschlagdeutlich gestiegen. Dies hat bereits für eine Abnahmeder Baubeginne gesorgt und deutet darauf hin, dassdie Wohnungsbauinvestitionen im Prognosezeitraumzumindest deutlich schwächer expandieren werdenals im bisherigen Jahresverlauf. Allerdings erwartendie Institute keinen Einbruch am Immobilienmarkt.So spricht der im internationalen und im intertempo-ralen Vergleich niedrige Anteil der Wohnungsbauin-vestitionen am Bruttoinlandsprodukt dafür, dass derin Großbritannien zu verzeichnende Immobilien-preisanstieg nicht primär spekulationsgetrieben ist.

Die Lage der öffentlichen Finanzen hat sich vor allemkonjunkturell bedingt verbessert. Im abgelaufenenFiskaljahr 2006/2007 sank das Defizit um einen halbenProzentpunkt auf 2,7 % in Relation zum Bruttoin-landsprodukt. Nach Einschätzung der Regierung istdamit auch die golden rule erfüllt, nach der über denZyklus ausschließlich Investitionen kreditär finan-ziert werden dürfen. Im kommenden Jahr sollen dieAusgaben real nur noch um 2 % steigen und damitwohl schwächer als das Bruttoinlandsprodukt.

Im Prognosezeitraum wird die britische Wirtschaft inabgeschwächtem Tempo expandieren. Zum einen

wird sich die Belastung der privaten Haushalte durchZinszahlungen erhöhen und die Ausweitung des pri-vaten Konsums bremsen. Zum anderen dürfte auchdie Sparquote wieder steigen, nachdem sie mittlerwei-le auf ein historisch sehr niedriges Niveau gesunkenist. Die Wohnungsbauinvestitionen werden schwächerexpandieren als im vergangenen Jahr, auch wenn da-von auszugehen ist, dass es nicht zu einer deutlichenKorrektur kommt. Der Fehlbetrag im Außenhandeldürfte erst im kommenden Jahr zurückgehen. Insge-samt wird das reale Bruttoinlandsprodukt in diesemJahr um 2,9 % und im nächsten Jahr um 2,3 % zuneh-men.

In den neuen Mitgliedsländern der EU hat sich derAnstieg der Produktion im ersten Halbjahr nach derstarken Beschleunigung im Jahr 2006 kaum abge-schwächt, in einigen Ländern (Polen, Slowakei) sogarnochmals erhöht. In den baltischen Staaten war dieDynamik erneut besonders hoch. Hier zeigen sich zu-nehmend Überhitzungserscheinungen wie hohePreissteigerungen, massive Leistungsbilanzdefiziteund boomende Haus- und Wohnungspreise. Sehrkraftvoll war die Entwicklung auch in der Slowakei,allerdings ohne bisher gravierende Ungleichgewichtezu verursachen. Sie wurde vor allem von neuen Auto-werken ausländischer Hersteller getragen. In Ungarnexpandierte die Wirtschaft dagegen nicht einmal halbso rasch wie im Durchschnitt der neuen Mitgliedslän-der. Hier hatte die Regierung Mitte 2006 einen re-striktiven fiskalpolitischen Kurs eingeschlagen, umdie gravierenden makroökonomischen Ungleichge-wichte zu korrigieren.18

Die Konjunktur in Mittel- und Osteuropa wurde inzunehmendem Maße von der Binnennachfrage getra-gen, deren Expansion nicht zuletzt auf eine gestiegeneVerschuldungsbereitschaft der privaten Haushalte zu-rückging. Der Konsumboom schlug sich in hohen Im-portsteigerungen und Leistungsbilanzdefiziten nie-der.Einen Importanstieg zog auch die Ausweitung derprivaten Investitionen nach sich, die durch niedrigeRealzinsen, hohe Kapazitätsauslastung, ausländischeDirektinvestitionen und Mittel aus EU-Fonds stimu-liert wurden. Auch die Exporte nahmen weiterhinkräftig zu, vor allem dank ausländischer Direktinves-

29

16 Berechnet anhand des Nationwide Hauspreisindex, deflationiert mit dem Einzelhandelspreisindex.17 Nach Berechnungen von Girouard et al. (2006: 7) sind die privaten Haushalte in Großbritannien zudem stärker verschuldet als in denUSA.(Vgl.Girouard,N.,M. Kennedy and C. André (2006),Has the Rise in Debt Made Households More Vulnerable? OECD Economics De-partment Working Paper 535. Paris.)18 Vgl. auch Gligorov V. and S. Richter (2007), High Growth Continues, with Risks of Overheating on the Horizon. WIIW Research Re-ports 341, Special Issue on Economic Prospects for Central, East and Southeast Europe. Wien.

Page 30: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

titionen, die zum erfolgreichen Strukturwandel in derIndustrie beitrugen.

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt entspannte sich imersten Halbjahr 2007 weiter. Das hohe Wirtschafts-wachstum führte in fast allen Ländern zu einer deutli-chen Verringerung der Arbeitslosigkeit. In Polen undder Slowakei war der Rückgang der Arbeitslosenquo-ten besonders markant, sie blieben jedoch in beidenLändern zweistellig und damit die höchsten in der EU.Die Ausnahme vom positiven Arbeitsmarkttrend bil-dete Ungarn, wo die Arbeitslosigkeit infolge der Kon-solidierungspolitik leicht zunahm. In den neuen Mit-gliedsländern insgesamt ging die Verringerung derArbeitslosigkeit zuletzt vor allem auf einen Anstiegder Beschäftigung zurück. Die Nachfrage nach Ar-beitskräften reagiert inzwischen deutlich auf die wirt-schaftliche Expansion. Erste Anzeichen von Arbeits-kräftemangel sind in jenen Ländern zu beobachten,die eine hohe Abwanderung nach Westeuropa auf-weisen.

Die Preise stiegen in den meisten neuen Mitgliedslän-dern im Verlaufe dieses Jahres deutlich rascher als imEuroraum. Besonders hoch war die Teuerung in Un-garn wegen der Anhebung indirekter Steuern zurKonsolidierung des Budgets. In den baltischen Staa-ten trägt die konjunkturelle Überhitzung zum Preis-auftrieb bei. Die Inflationsrate stellt hier ein zentralesHindernis für die Einführung des Euro dar. In der Slo-wakei ließ dagegen der Verbraucherpreisanstieg trotzder sehr kräftigen wirtschaftlichen Expansion deut-lich nach.

Die starke Ausweitung der Konsum- und Hypothe-karkredite, die auch durch die steigende Präsenz aus-ländischer Banken und die damit verbundene Ver-schärfung des Wettbewerbs im Bankensektor bedingtist, bringt auf mittlere Sicht Risiken mit sich. Das Kre-ditvolumen der privaten Haushalte hat in vielen Län-dern, gemessen am Einkommensniveau, hohe Werteerreicht. Bei rasanter Kreditexpansion verschlechtertsich in der Regel auch die Bonität der Kreditnehmer.Schließlich löst ein Kreditboom häufig spekulativeBlasen auf den Immobilienmärkten aus. Die Immobi-lienpreise zogen vor allem in einigen Hauptstädtenbereits kräftig an.

Die Lage der öffentlichen Finanzen ist in den neuenMitgliedsländern unterschiedlich. Ungarn weist einsehr hohes Defizit auf, die baltischen Länder einenÜberschuss. In mehreren neuen Mitgliedsländern(insbesondere in Polen und Ungarn) liegt im relativhohen Budgetdefizit ein Hindernis für die baldigeÜbernahme des Euro. Eine restriktive finanzpoliti-sche Linie zeichnet sich dennoch in den meisten Län-dern nicht ab.

Die Konjunktur in den neuen Mitgliedsländern wirdsich 2008 nur leicht abschwächen. Der Produktionsan-stieg dürfte 2008 ähnlich wie im Euroraum um einenhalben Prozentpunkt niedriger ausfallen als 2007. Erwird vor allem von Bauinvestitionen und privatemKonsum getragen sein. Die Dynamik der Exportewird sich im Gefolge der Abschwächung der Weltkon-junktur etwas verlangsamen. Der Anstieg der Ver-braucherpreise dürfte auch 2008 über der 3 %-Markebleiben, obwohl sich der Preisauftrieb in Ungarn nachdem extremen Anstieg im Jahr 2007 wieder normali-sieren wird.

30

Page 31: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

Die deutsche Wirtschaft befindet sich seit zwei Jahrenin einem kräftigen Aufschwung. Allerdings wird dieKonjunktur im laufenden Jahr durch eine Reihe vonFaktoren belastet. So dämpft die restriktive Finanzpo-litik die Inlandsnachfrage erheblich, der private Kon-sum hat sich nach der Mehrwertsteuererhöhung zuJahresbeginn noch nicht wieder durchgreifend erholt.Hinzu kommt der erneute Anstieg des Ölpreises, undder Euro hat spürbar aufgewertet. Schließlich bedeu-ten die jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärktenvoraussichtlich einen weiteren Dämpfer für die Kon-junktur. All dies trifft die deutsche Wirtschaft jedochnicht in einer labilen Situation. Vielmehr haben sichdie Fundamentalbedingungen so weit gebessert undder Aufschwung so weit gefestigt, dass die Belastun-gen nicht zu einem Einbruch der Konjunktur führendürften. Die wirtschaftliche Expansion wird sich fort-setzen, wenngleich sich das Tempo gegenüber demkräftigen Anstieg im Jahr 2006 spürbar verlangsamt.Spannungen, die in früheren Zyklen einen Ab-schwung oder sogar eine Rezession ausgelöst haben,zeichnen sich bislang nicht ab. So werden die Lohn-kosten in Deutschland und im Euroraum im Progno-sezeitraum nicht übermäßig zunehmen, und das Risi-ko, dass das Inflationsziel der EZB deutlich über-schritten wird, ist gering.Daher ist eine ausgesprochenrestriktive Geldpolitik unwahrscheinlich. Alles in al-

lem kommen die Institute zu dem Urteil, dass der Auf-schwung noch nicht zu Ende geht, sondern lediglichunterbrochen wird.

Im ersten Halbjahr 2007 hat sich die konjunkturelleExpansion gegenüber dem hohen Tempo im Vorjahrabgeschwächt. Ausschlaggebend war die restriktiveFinanzpolitik. Sie dämpfte die Inlandsnachfrage, ins-besondere die privaten Konsumausgaben. So war derKaufkraftentzug infolge der Anhebung der Mehr-wertsteuer zu Jahresbeginn beträchtlich; erst im zwei-ten Quartal weiteten die Verbraucher ihre Käufe wie-der leicht aus, nachdem diese zuvor – auch als Folgeder in das Jahr 2006 vorgezogenen Anschaffungen –drastisch verringert worden waren. Auch die Woh-nungsbauinvestitionen sanken nach der Steueranhe-bung erheblich. Gleichzeitig nahmen die Exporte, dieim Jahr 2006 außerordentlich kräftig gestiegen waren,kaum noch zu; maßgeblich hierfür war, dass sich dieExpansion der Industrieproduktion im Ausland etwasabflachte. Alles in allem nahm das reale Bruttoin-landsprodukt im Durchschnitt des ersten Halbjahres2007 mit einer laufenden Jahresrate von knapp 2½ %zu.

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sich bis zuletztverbessert. Allerdings nahm die Zahl der Erwerbstäti-gen – ebenso wie das Arbeitsvolumen – seit dem Früh-jahr nicht mehr so rasch zu wie zuvor. Dies hängt zum

31

2003 bis 2008

2003 2004 2005 2006 2007 2008

Reales Bruttoinlandsprodukt(Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %) –0,2 1,1 0,8 2,9 2,6 2,2

Reales Bruttoinlandsprodukt, kalenderbereinigt(Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %) –0,2 0,6 1,0 3,1 2,7 1,9

Erwerbstätige1 (1 000 Personen) 38 726 38 880 38 846 39 088 39 760 40 080

Arbeitslose (1 000 Personen) 4 377 4 381 4 861 4 487 3 780 3 450

Arbeitslosenquote2 (in %) 10,2 10,1 11,1 10,3 8,7 7,9

Verbraucherpreise3

(Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %) 1,1 1,6 2,0 1,7 2,1 2,0

Lohnstückkosten4

(Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %) 0,8 –0,3 –1,0 –1,1 0,7 1,3

Finanzierungssaldo des Staates5

in Mrd. Euro –87,3 –83,6 –75,6 –37,3 2,2 8,4

in % des nominalen Bruttoinlandsprodukts –4,0 –3,8 –3,4 –1,6 0,1 0,3

Leistungsbilanzsaldo (Mrd. Euro) 40,9 94,9 103,1 117,2 145 154

1Im Inland. – 2Arbeitslose in % der inländischen Erwerbspersonen (Wohnortkonzept). – 3Verbraucherpreisindex (2000 = 100). – 4Im Inland ent-standene Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmer bezogen auf das reale BIP je Erwerbstätigen. - 5 In der Abgrenzung der Volkswirtschaftli-chen Gesamtrechnungen (ESVG 95).Quellen: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; Deutsche Bundesbank; 2007 und 2008: Prognose der Institute.

GD Herbst 2007

Tabelle 3.1

Page 32: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

einen mit der schwächeren konjunkturellen Expansi-on zusammen, zum anderen mit der Tatsache, dass dieWitterung im ersten Quartal dieses Jahres besondersmilde war. Die registrierte Arbeitslosigkeit bildetesich seit dem Frühjahr langsamer zurück; dennoch wardie saisonbereinigte Arbeitslosenquote (in der Ab-grenzung der Bundesagentur für Arbeit) zuletzt mit8,8 % um immerhin einen Prozentpunkt niedriger alsam Ende des Vorjahres.

Der Preisauftrieb hatte sich nach dem Schub in denersten Monaten dieses Jahres, der durch die Mehr-wertsteuererhöhung bedingt war, zunächst etwas be-ruhigt. In jüngster Zeit verteuerten sich allerdings so-wohl Energieprodukte als auch Nahrungsmittel deut-lich. Im September erhöhte sich die Inflationsrate auf2,4 %.

Trotz der konjunkturellen Abschwächung sind nachdem Urteil der Institute die endogenen Auftriebskräf-te weiterhin intakt, so dass sich die Expansion inzwi-schen wieder beschleunigt hat. Dafür spricht eine Rei-he von Indikatoren. So sind die Investitionen der Un-ternehmen bis zuletzt kräftig gestiegen, die Käufe vonAusrüstungsgütern legten im bisherigen Jahresverlaufweiterhin mit zweistelligen Raten zu. Eine positiveEinschätzung durch die Unternehmen zeigt sich auchbei den Umfragen; zwar wurde die Geschäftslage inden vergangenen Monaten schlechter beurteilt als zu-vor, der Indikator ist aber auf einem hohen Niveau ge-blieben.Ferner ist die Nachfrage nach Industriegütern– bereinigt um die umfangreichen Großaufträge – biszuletzt auf breiter Front gestiegen. Der Auftragsbe-stand – beispielsweise gemessen an der von der Deut-schen Bundesbank berechneten Order-Capacity-Ra-tio – hat sogar einen neuen Höchststand erreicht. Füranhaltend positive Konjunkturerwartungen durch dieUnternehmen spricht zudem, dass die Zahl der sozial-versicherungspflichtig Beschäftigten weiter deutlichzunimmt. Insgesamt ist damit zu rechnen, dass dieKonjunktur wieder Fahrt aufgenommen hat. Darandürften auch die Finanzmarktturbulenzen nichts än-dern, denn allem Anschein nach haben sie die Stim-mung in der Wirtschaft bislang nicht wesentlich ge-drückt. Gegen einen Konjunkturpessimismus sprichtauch, dass die Aktienkurse in Deutschland nach demkräftigen Rückgang im August wieder in der Nähe ih-res Höchststandes notieren.

Für den weiteren Verlauf dieses Jahres ist damit zurechnen, dass die Inlandsnachfrage an Schwung ge-winnt. Triebkraft bleiben dabei die Ausrüstungsinves-titionen, deren Expansion zudem dadurch begünstigtwird, dass Projekte im Hinblick auf die Verschlechte-rung der Abschreibungsregeln zu Beginn des Jahres2008 vorgezogen werden. Die Institute veranschlagendiesen Effekt auf 6 Mrd. Euro. Auch wird der privateKonsum voraussichtlich aufwärts gerichtet sein. Dasich die Arbeitsmarktlage weiterhin verbessert und

die verfügbaren Einkommen spürbar zunehmen, istmit einem Anstieg der Konsumausgaben im zweitenHalbjahr zu rechnen. Auch aus dem Ausland dürftensich die Impulse etwas verstärken. Zwar fallen dieUSA konjunkturell zurück; im übrigen Euroraumwird sich die Expansion der Inlandsnachfrage aber be-schleunigen. Im Jahr 2007 dürfte das reale Bruttoin-landsprodukt um 2,6 % steigen (Tabelle 3.1).

Im kommenden Jahr wird die gesamtwirtschaftlicheProduktion in moderatem Tempo zunehmen, und dieKapazitätsauslastung wird sich – ausgehend von demhohen Stand am Ende dieses Jahres – wohl wenig än-dern. Dabei wird die Inlandsnachfrage kräftig expan-dieren und die wesentliche Stütze der Konjunktursein; hingegen ist vom Außenhandel ein nur geringerWachstumsbeitrag zu erwarten, da die Weltwirtschaftlangsamer expandiert als in den Vorjahren und dieAufwertung des Euro den Exportanstieg bremst (Ta-belle 3.2). Da die verfügbaren Einkommen deutlichzunehmen dürften und die Finanzpolitik nicht mehrdämpft, werden die privaten Konsumausgaben spür-bar expandieren. Dagegen verlieren die Unterneh-mensinvestitionen wohl an Schwung. Zum einen istdies ein Reflex auf das Vorziehen der Käufe in dasJahr 2007, zum anderen verschlechtern sich die Finan-zierungsbedingungen etwas. So werden die zurücklie-genden Zinsanhebungen der EZB zunehmend wirk-sam. Daneben dürften sich die Kredite verteuern, weilan den Märkten als Folge der jüngsten Turbulenzeneine höhere Risikoprämie verlangt werden dürfte;

32

2006 bis 2008; in Prozentpunkten

2006 2007 2008

Konsumausgaben 0,7 0,2 1,5

Private Haushalte20,6 –0,1 1,1

Staat 0,2 0,3 0,4

Anlageinvestitionen 1,1 1,0 0,6

Ausrüstungen 0,6 0,8 0,4

Bauten 0,4 0,2 0,1

Sonstige Anlagen 0,1 0,1 0,1

Vorratsveränderungen –0,1 0,2 –0,1

Inlandsnachfrage 1,8 1,4 2,0

Außenbeitrag 1,1 1,1 0,2

Exporte 5,1 3,5 3,0

Importe –4,0 –2,4 –2,8

Bruttoinlandsprodukt32,9 2,6 2,2

1Zur Definition vgl. Tabelle 3.11. Abweichungen in den Summendurch Runden der Zahlen. – 2Einschließlich privater Organisatio-nen ohne Erwerbszweck. – 3Veränderung gegenüber dem Vorjahrin %.Quellen: Statistisches Bundesamt; 2007 und 2008: Prognose derInstitute. GD Herbst 2007

Tabelle 3.2

Page 33: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

dies wird die Investitionsneigung jedoch nicht allzusehr belasten, zumal die Unternehmen aufgrund derguten Gewinnsituation ihre Investitionen großenteilsaus Eigenmitteln finanzieren. Die Zunahme der Er-träge wird dadurch beeinträchtigt, dass die Arbeits-kosten etwas rascher zunehmen als im laufenden Jahr.Die Tariflöhne werden im Jahr 2008 um durchschnitt-lich 2,6 % höher sein als im laufenden Jahr (Kas-ten 3.1); die Effektivlöhne dürften wegen der sich wei-ter bessernden Lage auf dem Arbeitsmarkt etwasschneller steigen. Gemessen an den Lohnstückkostengewinnt die deutsche Wirtschaft gegenüber den übri-gen Ländern im Euroraum nur noch leicht an preisli-cher Wettbewerbsfähigkeit. Insgesamt werden dieUnternehmensinvestitionen aber weiterhin stärkerals im mittelfristigen Trend zulegen.

Für das Jahr 2008 ist mit einem Anstieg des realenBruttoinlandsprodukts um 2,2 % zu rechnen. Die Ver-laufsrate verringert sich dabei auf 1,5 %, nach 2,3 % indiesem Jahr. Die Arbeitslosigkeit dürfte im Jahresver-lauf langsamer sinken als im Jahr 2007; sie dürfte sichim Jahresdurchschnitt 2008 auf reichlich 3,4 Millionenbelaufen, nach knapp 3,8 Millionen in diesem Jahr.Der Preisauftrieb wird mit einer Rate von 2,0 % ähn-lich hoch sein wie im Jahr 2007. Zwar wird die Infla-tionsrate dadurch gedrückt, dass die Anhebung derMehrwertsteuer bereits vollständig überwälzt wurde;die anhaltend günstige Konjunktur vergrößert jedochden Spielraum für Preisanhebungen, und der Ölpreiswird im Jahresdurchschnitt höher sein als 2007. DieInflationsrate in Deutschland wird auch im kommen-den Jahr in etwa so hoch sein wie im übrigen Euro-raum.

Die Unsicherheit über die weitere wirtschaftlicheEntwicklung hat in den vergangenen Monaten zuge-nommen. Abwärtsrisiken ergeben sich vor allem ausder Immobilienkrise in den USA und den dadurchausgelösten Turbulenzen an den Finanzmärkten. Dievorliegende Prognose unterstellt einen glimpflichenAusgang, wofür auch spricht, dass sich die Lage an denFinanz- und Devisenmärkten etwas entspannt hat.Neuerliche Überraschungen wie z.B. zusätzliche Ver-luste bei Haushalten und Unternehmen und darausresultierende negative Reaktionen der Finanzmärktesind jedoch nicht auszuschließen. Daher haben die In-stitute mit verschiedenen makroökonometrischenModellen eine Reihe von Risikoszenarien simuliert.Die Ergebnisse sind an verschiedenen Stellen desGutachtens beschrieben. Sie lassen den Schluss zu,dass die deutsche Wirtschaft zwar negativ betroffenwäre. Doch selbst in einem Szenario, in dem gleichzei-tig mehrere Risikofaktoren wirksam werden, z. B. dieImmobilienpreise in den USA einbrechen, die Ak-tienkurse in den Industrieländern kräftig sinken undder Euro erheblich aufwertet, wären die Effekte wohlnicht so groß, dass mit einer Rezession in Deutschlandzu rechnen wäre (Kasten 3.2). Risiken bestehen auchhinsichtlich der inländischen Wirtschaftspolitik. Sowürde eine Abkehr vom Kurs, der die Flexibilität aufdem Arbeitsmarkt erhöht und so zu einer anhalten-den Lohnzurückhaltung beigetragen hat, die Auf-schwungkräfte beeinträchtigen.19

Indes kann die Konjunktur auch besser laufen als pro-gnostiziert. Die Leitzinsen sind derzeit niedriger alsnoch vor kurzem erwartet, vor allem in den USA, aberauch im Euroraum. Sollten die Unsicherheiten aufden Finanzmärkten rascher verschwinden als erwar-

33

. Der Rohölpreis beträgt im Prognosezeitraum im Durchschnitt 80 US-Dollar je Barrel (Sorte Brent).. Der Welthandel nimmt in diesem Jahr um 5,3 % und im kommenden Jahr um 5,8 % zu.. Der Wechselkurs liegt im Prognosezeitraum bei 1,40 US-Dollar je Euro.Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deut-schen Wirtschaft bleibt im Jahresdurchschnitt 2008 gegenüber 2007 in etwa unverändert.. Die Europäische Zentralbank wird den maßgeblichen Leitzins zunächst bei 4,0 % belassen und in der zweiten Jahres-hälfte 2008 auf 4,25 % anheben. Die Kapitalmarktzinsen steigen geringfügig.. Die Tarifverdienste je Stunde erhöhen sich im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt in diesem Jahr um 1,9 % und imnächsten um 2,6 %.. Die Unternehmen ziehen im laufenden Jahr Investitionen in Höhe von 6 Mrd. Euro vor, um sich die bis zum Jahresen-de geltenden degressiven Abschreibungssätze zu sichern.. Die Finanzpolitik ist im kommenden Jahr leicht expansiv ausgerichtet. Die Steuerbelastung der Unternehmen wirdverringert, und die Staatsausgaben werden verstärkt ausgeweitet. Der Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherungwird Anfang 2008 um 0,3 Prozentpunkte gesenkt, der zur Pflegeversicherung zur Jahresmitte um 0,25 Prozentpunkteangehoben.

Kasten 3.1

19 Das Konsortium IWH/IMK/WIFO vertritt die Auffassung, dass die inländische Wirtschaftspolitik in dieser Hinsicht kein nennenswertesRisiko für die Konjunktur im Jahr 2008 darstellt. Die Lohnsteigerungen für 2008 sind bereits teilweise fixiert und relativ moderat geblieben;auch die diskutierten Arbeitsmarktreformen gefährden die Konjunktur nicht. Für das Konsortium besteht das Risiko vielmehr darin, dass dieÜbertragung des Export- und Investitionsbooms auf den privaten Konsum nicht gelingt. Letzterer wird auch durch Lohnzurückhaltung ge-schwächt.

Page 34: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

34

Im Folgenden wird versucht, die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen einer Verschärfung der US-Immobilienkrise mitHilfe von Modellsimulationen abzuschätzen. Die Ergebnisse sind mit Vorsicht zu interpretieren, da es in der Vergangen-heit keine gleichartige Krise gegeben hat, die zu einer Modellvalidierung herangezogen werden könnte. Immerhin kannein Eindruck möglicher Konsequenzen gewonnen werden.

Wie im internationalen Teil dieses Berichts dargelegt, besteht in den USA das Problem, dass bisher erst ein kleiner Teilder Subprime-Hypotheken von der zwei- bis dreijährigen Eingangsphase niedriger Fixverzinsung in die Phase einer vielhöheren und flexiblen Verzinsung übergegangen ist.1 Bis Ende 2008 steht monatlich einem Kreditvolumen von jeweilsmehr als 20 Mrd. US-Dollar eine erhebliche Zinsanpassung bevor, die sehr viele der einkommensschwachen Subpri-me-Schuldner überfordern und zu einer Ausweitung der Hausverkäufe führen könnte. Dies würde die Immobilienpreisedeutlich sinken lassen und die Konsumbereitschaft spürbar dämpfen. Als Folge könnten die Unternehmensgewinne unddamit die Aktienkurse in den USA sowie auf den anderen wichtigen Börsen zurückgehen. Erstmals in der jüngeren Ge-schichte würden dann in den USA die Vermögenspreise generell sinken (zwischen 2000 und 2003 wurden hingegen dienegativen Vermögenseffekte des Aktienkursverfalls durch massiv steigende Immobilienpreise überkompensiert).

Um die Auswirkungen dieses Szenarios zu quantifizieren, wurden Simulationsrechnungen mit den ökonometrischenWeltmodellen OEF2 und NiGEM3 durchgeführt. In Szenario I wird angenommen, dass die Aktienkurse auf den wichtigs-ten Weltbörsen sowie die Immobilienpreise in den USA im Vergleich zur Basislösung im 4. Quartal 2007 um 10% sinken.In diesem Fall fällt das BIP 2008 laut Oxford-Modell in den USA um 0,6 % und in Deutschland um 0,5% niedriger aus alsin der Basislösung. Im Jahr 2009 wären die Auswirkungen noch gravierender. Das BIP in den USA und in Deutschlandwürde um 1,9 bzw. 1,2 % gegenüber der Basislösung sinken (Tabelle 3.3). Dafür ist in erster Linie die Dämpfung der Kon-sum- und Investitionsnachfrage maßgebend. Auch laut NiGEM liegt das BIP in beiden Ländern sowohl 2008 als auch2009 unter der Basislösung. Allerdings sind die Auswirkungen auf Deutschland weniger dramatisch: in beiden Jahren liegtdas BIP 0,3 % unter der Basislösung. Zudem beträgt der Einbruch in den USA nach 1,1 % in 2008 nur noch 0,8 % in 2009und schwächt sich damit schon wieder ab, in erster Linie durch eine Belebung der Unternehmensinvestitionen und derExporte.

In Szenario II wird zusätzlich angenommen, dass die US-Notenbank – ähnlich wie 2000/2001 – mit deutlichen Zinssen-kungen um 1,25 Prozentpunkte reagiert und damit eine Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar um 15 % bewirkt. In

Kasten 3.2

1Vgl. IMF (2007), Global Financial Stability Report – Financial Market Turbulence: Causes, Consequences, and Policies. Washington, DC, 8.2Vgl. Oxford Economic Forecasting, www.oef.com.3Vgl. National Institute of Economic and Social Research (2007), Basic Model Details, via Internet (6.10.2007) www.niesr.ac.uk/pdf/nigem3.pdf.

2008 bis 2009; Abweichungen von der Basislösung in %, reale Größen

Szenario IAktienkurse global -10%,

US-Immobilienpreise -10%

Szenario II, wie I plusSenkung der US-Leitzinsen um 1,25 Prozentpunkte,

Euroaufwertung gegen Dollar um 15%

OEF NiGEM OEF NiGEM

2008 2009 2008 2009 2008 2009 2008 2009

USABIP –0,6 –1,9 –1,1 –0,8 0,3 –0,1 –0,2 0,4

Privater Konsum –0,9 –2,5 –2,1 –2,1 –0,3 –1,4 –2,0 –2,3

Bruttoinvestitionen2–0,6 –2,5 –0,6 0,8 0,5 0,7 2,0 3,2

Exporte –0,7 –1,3 –0,7 –0,2 1,7 2,5 1,2 2,1

Importe –1,3 –3,4 –3,1 –2,6 –1,0 –2,8 –3,7 –4,7

DeutschlandBIP –0,5 –1,2 –0,3 –0,3 –0,5 –1,0 –0,7 –0,9

Privater Konsum –0,6 –1,2 –0,3 –0,7 0,2 0,0 –0,4 –1,5

Bruttoinvestitionen2–0,4 –1,4 0,0 0,4 –0,2 –0,8 0,1 0,9

Exporte –0,8 –1,6 –1,4 –1,1 –0,8 –1,2 –3,0 –2,7

Importe –0,8 –1,6 –1,1 –0,9 0,2 0,4 –1,8 –1,8

1Die Schocks erfolgen jeweils im 4. Quartal 2007. – 2Im NiGEM-Modell: Unternehmensinvestitionen ohne Bauten.Quelle:Berechnungen der Institute. . GD Herbst 2007

Tabelle 3.3

Page 35: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

tet, würde die Geldpolitik expansiver wirken als hierunterstellt. Dies könnte die konjunkturelle Dynamik,die in Deutschland nach wie vor kräftig ist, verstärken.Allerdings würde sich dann das Risiko erhöhen, dasssich mittelfristig das Preisklima weiter verschlechtert.

Wie diese Risikodiskussion beispielhaft zeigt, sindKonjunkturprognosen generell unsicher. Diese Unsi-cherheit lässt sich an einem Intervall um den Progno-sewert verdeutlichen, das hier aus den Prognosefeh-lern der zurückliegenden Gemeinschaftsdiagnosenberechnet wurde (Abbildung 3.1 und Kasten 3.3). Da-nach liegt die Zuwachsrate des realen Bruttoinlands-produkts im Jahr 2008 mit einer Wahrscheinlichkeitvon rund zwei Dritteln in einem Intervall von 1,2 bis3,2 %.

Nach der kräftigen Expansion in der zweiten Hälftedes vergangenen Jahres20 sind die Exporte im erstenHalbjahr 2007 nur schwach gestiegen. Während dieWarenausfuhren in die EU-Mitgliedstaaten – insbe-sondere in die neuen Mitgliedsländer – und zuletztauch wieder nach Russland und China zunahmen, sinddie Exporte in die USA in Folge der Aufwertung desEuro und der dort schwachen Investitionskonjunktureingebrochen (Abbildung 3.2).

Für das zweite Halbjahr 2007 deuten die Auftragsein-gänge aus dem Ausland auf eine beschleunigte Zu-nahme der Exporte hin. Insbesondere bei den Investi-tionsgüterproduzenten sind umfangreiche Aufträgeeingegangen. Außerdem befinden sich die Exporter-wartungen, trotz einer leichten Verschlechterung injüngster Zeit, auf einem hohen Niveau. Regional be-trachtet werden sich in erster Linie die Lieferungen indie für den deutschen Export besonders wichtigen eu-ropäischen Länder deutlich erhöhen, und zwar umdurchschnittlich 8,4 % im Jahr 2007, da dort die Kon-

junktur recht robust ist und die deutsche Wirtschaftüber eine gute preisliche Wettbewerbsposition ver-fügt.Die Ausfuhren in die USA,auf die knapp 9 % derExporte entfallen, dürften jedoch in Folge der vergan-genen starken Abwertung des Dollar gegenüber demEuro weiterhin schwach bleiben. Hingegen werdendie Lieferungen nach China (Anteil am Export: rund3 %) abermals kräftig ausgeweitet, da hier die zusätz-liche Nachfrage aufgrund der anhaltend hohen wirt-schaftlichen Dynamik die dämpfende Wirkung derEuro-Aufwertung deutlich überkompensiert (Tabel-le 3.5). In der ersten Hälfte des kommenden Jahreswird die Ausfuhrdynamik etwas nachlassen, vor allemweil der Konsum in den USA schwächer expandiert.Zudem dämpft die zurückliegende Aufwertung desEuro. Im weiteren Jahresverlauf werden die Exportedadurch stimuliert, dass die Konjunktur in wichtigenAbnehmerländern wieder an Schwung gewinnt. Allesin allem werden die Exporte von Waren und Dienst-leistungen im Jahr 2008 um 6,5 % steigen, nach 7,8 %in diesem Jahr (Abbildung 3.3).

35

diesem Fall läge laut Oxford-Modell das BIP der USA 2008 um 0,3 % über der Basislösung, in 2009 um 0,1 % darunter. InDeutschland wird hingegen der expansive Impuls des höheren US-Wachstums 2008 durch den dämpfenden Effekt derEuroaufwertung kompensiert: Wie in Szenario I wäre das BIP um 0,5 % kleiner als in der Basislösung. Im Jahr 2009 wäremit einem Rückgang des BIP um 1 % gegenüber der Basislösung zu rechnen, also geringfügig weniger als in Szenario I.Während das NiGEM für die USA einen etwas anderen Verlauf ergibt (–0,2 % in 2008 und 0,4 % in 2009), sind die Aus-wirkungen für Deutschland sehr ähnlich mit einem Rückgang des BIP gegenüber der Basislösung um 0,7 % in 2008 und0,9 % in 2009. Die im Vergleich zum Oxford-Modell stärkere Dämpfung des privaten Konsums und der Exporte wirddurch den relativen Rückgang der Importe kompensiert.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die negativen Auswirkungen einer verschärften Immobilienkrise in den USA auf diedeutsche Wirtschaft nach den vorliegenden Modellsimulationen erheblich sein könnten.

noch Kasten 3.2

Prognoseintervalle für die Zunahme des realenBruttoinlandsprodukts 2007 und 2008

1

1Angegeben sind die Werte für die Wahrscheinlichkeit für dasPrognoseergebnis von 90%, 68% und 50%.Quelle: Berechnungen der Institute.

0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

3,00

3,50

4,00

4,50

2007 2008

0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

3,00

3,50

4,00

4,50

90

68

50

50

68

90

GD Herbst 2007

Abbildung 3.1

20 Dabei ist der für das vierte Quartal 2006 ausgewiesene Ausfuhrwert durch nicht periodengerecht zugeordnete Nachmeldungen überhöht,so dass zu Jahresbeginn 2007 die tatsächliche Exportdynamik unterzeichnet wurde; vgl. Statistisches Bundesamt (2007), Inlandsproduktbe-rechnung, Vierteljahresergebnisse, 4. Vierteljahr 2006. Fachserie 18: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Reihe 1.2. Wiesbaden.

Page 36: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

36

Prognosen sind stets mit Unsicherheit behaftet, die erfahrungsgemäß mit zunehmendem Prognosehorizont größer wird.Dessen sollten sich Nutzer von Prognosen stets bewusst sein. Daher wird die Prognoseunsicherheit erstmals im Rahmender Gemeinschaftsdiagnose quantifiziert. Dabei wird ein gebräuchliches Verfahren verwendet, das auf einer Auswertungder Prognosefehler früherer Herbstgutachten der Institute beruht.

Im Durchschnitt des Zeitraums 1991 bis 2006 waren die Gemeinschaftsdiagnosen wie wohl fast alle Prognosen, die imHerbst abgegeben wurden, zu optimistisch bezüglich der Wirtschaftsaussichten im kommenden Jahr.1 Die Verzerrung ge-messen am mittleren Fehler beträgt 0,5 Prozentpunkte, die Streuung gemessen am mittleren absoluten Prognosefehlerliegt bei 0,9 Prozentpunkten (Tabelle 3.4). Auf den ersten Blick mag dies viel erscheinen. Jedoch entsprechen die Wertenahezu genau denen anderer im Herbst publizierter Vorhersagen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Sachverständi-genrat, die OECD und die EU-Kommission ihre Prognosen erst im November der Öffentlichkeit vorstellen, wodurch sienach Abschluss der Gemeinschaftsdiagnose bekannt werdende Informationen nutzen können, um die Treffsicherheit ih-rer Prognose zu erhöhen. Umgekehrt ist der IWF bei dem Vergleich hier im Nachteil, weil er seine Prognosen bereits imSeptember veröffentlicht.

Andere Maße für den Informationsgehalt bezüglich der künftigen Entwicklung sind das „noise-to-signal“-Verhältnis undder Theil’sche Ungleichheitskoeffizient. Ersteres setzt die Varianz der Prognosefehler ins Verhältnis zur Varianz derVeränderungsraten des BIP, letzterer zur Varianz der Fehler sogenannter naiver Prognosen. Beide Maße sind bei denPrognosen der Gemeinschaftsdiagnose kleiner als Eins. Beim Theil’schen Koeffizienten gilt dies sowohl, wenn das zuletzterreichte BIP-Niveau als auch wenn die zuletzt beobachtete Veränderungsrate für das folgende Jahr fortgeschrieben wer-den. Alle Prüfmaße zeigen, dass die Prognosen der Gemeinschaftsdiagnose ihren Nutzern im Durchschnitt helfen, dieUnsicherheit über das kommende Jahr zu verringern.

Sofern eine Prognose unverzerrt ist, kann man den Root Mean Squared Error (RMSE) als Fehlerstreuung interpretierenund zur Konstruktion von Konfidenzbändern verwenden. Da die Prognosen allerdings – wie erwähnt – in der Tendenz et-was zu optimistisch sind, dürfte der RMSE eine verzerrte Schätzung der Fehlerstreuung sein. Zur Behebung dieses Pro-blems wird vorgeschlagen, die Prognosefehler zunächst um die Verzerrung zu korrigieren und anschließend die Streuungneu zu berechnen.2 Eine entsprechende Transformation liefert für die Gemeinschaftsdiagnose eine korrigierte Fehler-streuung von 1,0 Prozentpunkten. Unterstellt man eine Normalverteilung der Prognosefehler, dann sollte der „wahre“Wert für das Prognosejahr mit einer Wahrscheinlichkeit von 68 % in einem Bereich liegen, der sich ergibt, wenn man zumPrognosewert die Fehlerstreuung hinzuzählt bzw. subtrahiert; dieser so genannte 1�-Bereich wird in der Literatur häufigverwendet. Bei dem für 2008 vorhergesagten BIP-Wachstum von 2,2 % liegt das 68 %-Konfidenzintervall zwischen 1,2und 3,2 %. Konfidenzbänder mit anderen Wahrscheinlichkeiten lassen sich entsprechend ermitteln (Abbildung 3.1). Un-geachtet der Größe des Unsicherheitsbereichs stellt die Vorhersage doch den für zukunftsgerichtete Entscheidungen vonden Instituten als am wahrscheinlichsten erachteten Wert dar.

Kasten 3.3

1Die Prognosen werden hier mit den Angaben der ersten vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten vierteljährlichen Volkswirtschaftlichen Gesamt-rechnungen verglichen. Spätere Revisionen werden nicht berücksichtigt. Bis 1994 werden dabei Prognosen für Westdeutschland, danach für Gesamt-deutschland betrachtet.2Barrell, R and R. Metz (2006), An Assessment of NIESR Forecast Accuracy: US and Euro Area GDP and Inflation. National Institute Economic Review196: 36–39.

Prognosen für das jeweils folgende Jahr, 1991 bis 2006

Institution IWF Gemeinschafts-diagnose EU-Kommission OECD Sachverständi-

genrat

Veröffentlichungsmonat September Oktober November November November

Mittlerer Fehler 0,78* 0,46 0,42 0,32 0,28

Mittlerer absoluter Fehler 1,20 0,91 0,92 0,92 0,89

Root Mean Squared Error 1,65 1,14 1,11 1,14 1,14

Noise-to-signal-Verhältnis11,56 0,75 0,71 0,75 0,75

Theil'scher Ungleichheitskoeffizientbei Annahme eines unveränderten

BIP-Niveaus 0,82 0,57 0,55 0,57 0,57

bei Annahme eines unverändertenZuwachses des BIP 0,91 0,63 0,61 0,63 0,63

1Varianz des Prognosefehlers in Relation zur Varianz der BIP-Wachstumsraten. – *Verzerrung signifikant auf dem 95 %-Niveau.Quelle:Berechnungen der Institute. GD Herbst 2007

Tabelle 3.4

Page 37: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

37

Außenhandel Deutschlands nach Ländern und RegionenSpezialhandel; saisonbereinigte Quartalswerte in Mrd. Euro

EU 15

USA

Russland

China

OPEC-Staaten2

Neue EU-Länder1

125

115

22

9

14

12

14

12

6

5

6

5

28

95

105

16

20

18

5

10 10

24

26

45

6

1

2 2

1 1

12

10

8

6

4

55

8

2

4 4

2 2

14

65

10

3

6 6

3 3

16

18

75

85

12

14

4

8

7

6

8 8

4 4

20

22

35

2

4

0

0 0

0 0

2

GD Herbst 2007

Ausfuhr Einfuhr

125

115

95

105

45

55

65

75

85

35

28

24

26

12

10

8

6

4

14

16

18

20

22

2

22

16

20

18

6

8

10

12

14

2

4

9

5

1

2

3

4

8

7

6

0

Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen der Institute.

1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007

1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007

1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007

1

2Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Lettland, Litauen, Estland, Slowenien, Malta, Zypern, Bulgarien, Rumänien.-Algerien, Libyen, Nigeria, Venezuela, Irak, Iran, Saudi-Arabien, Kuwait, Katar, Vereinigte Arabische Emirate, Indonesien.

Abbildung 3.2

Page 38: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

Für die vorliegende Prognose haben die Institute ei-nen Kurs des US-Dollar gegenüber dem Euro von1,40 unterstellt, doch erscheint vor dem Hintergrundder hohen Auslandsverschuldung der USA und derkonjunkturellen Verlangsamung dort eine weitere

Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar nichtausgeschlossen. Für die deutsche Wirtschaft wäre diesmit einem Verlust an preislicher Wettbewerbsfähig-keit im Ausland wie im Inland verbunden, durch dendie Konjunktur voraussichtlich gedämpft würde,selbst wenn man stabilisierende Effekte durch niedri-gere Einfuhrpreise – nicht zuletzt bei Rohstoffen –und damit niedrigere Inflation und niedrigere Zinsenin Rechnung stellt. In welchem Maße die Konjunkturdamit gebremst würde, haben die Institute mit Hilfe

38

2005 bis 2007; Spezialhandel in jeweiligen Preisen

Ländergruppe2005 2006 1. Hj. 2007

Mrd. Euro Anteilin %

in %des BIP1 Mrd. Euro Anteil

in %in %

des BIP1 Mrd. Euro Anteilin %

in %des BIP1

Insgesamt 786,3 100,0 35,0 893,6 100,0 38,5 478,4 100,0 40,5

EU 27 505,7 64,3 22,5 567,9 63,6 24,5 314,3 65,7 26,6

darunter:Euroraum 339,6 43,2 15,1 376,5 42,1 16,2 209,7 43,8 17,7

Neue EU-Länder276,0 9,7 3,4 93,1 10,4 4,0 52,8 11,0 4,5

NAFTA380,7 10,3 3,6 90,9 10,2 3,9 42,3 8,8 3,6

Ostasien462,1 7,9 2,8 72,9 8,2 3,1 36,3 7,6 3,1

darunter:China 21,2 2,7 0,9 27,5 3,1 1,2 14,0 2,9 1,2

Übrige Länder 137,8 17,5 6,1 161,9 18,1 7,0 85,5 17,9 7,2

1In % des nominalen Bruttoinlandsprodukts. – 2Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland, Litauen, Malta, Zypern, Ru-mänien, Bulgarien. – 3USA, Kanada, Mexiko. – 4Japan, China, Hongkong, Taiwan, Singapur, Thailand, Indonesien, Malaysia, Philippinen, Südko-rea. Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen.Quellen:Statistisches Bundesamt;Deutsche Bundesbank;Berechnungen der Institute. GD Herbst 2007

Tabelle 3.5

Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen der Institute;ab 3.Quartal 2007: Prognose der Institute.

320

170

200

60

45

0

15

30

-15

2006 2007 2008

230

260

290

Reale ExporteSaison- und arbeitstäglich bereinigter VerlaufVerkettete Volumenangaben in Mrd. Euro

GD Herbst 2007

laufende Jahresrate1 (rechte Skala)Mrd. Euro (linke Skala)Jahresdurchschnitt2

1 Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresratehochgerechnet.2Zahlenangaben: Veränderung der Ursprungswerte gegenüberdem Vorjahr in %.

Prognose-zeitraum

2003 2004 2005

2,5

10,07,1

12,5

7,8

6,5

Abbildung 3.3

2003 bis 2008

2003 2004 2005 2006 2007 2008

Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %

Exporte, real 2,5 10,0 7,1 12,5 7,8 6,5

Waren 3,1 10,4 7,5 12,8 7,9 6,8

Dienstleistungen –1,2 7,8 4,9 10,5 7,2 4,5

Importe, real 5,4 7,2 6,7 11,2 6,0 6,9

Waren 6,7 8,6 7,3 12,9 6,2 7,2

Dienstleistungen 0,9 2,2 4,5 4,6 4,9 6,0

Terms of Trade 1,0 –0,4 –1,3 –1,5 0,1 0,2

in Mrd. Euro

Außenbeitrag,nominal 85,9 111,0 113,3 126,4 154,6 164,0

Leistungsbilanz-saldo2 40,9 94,9 103,1 117,2 145 154

1In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.– 2In der Abgrenzung der Zahlungsbilanzstatistik.Quellen: Statistisches Bundesamt; Deutsche Bundesbank; Berech-nungen der Institute; 2007 und 2008: Prognose der Institute.

GD Herbst 2007

Tabelle 3.6

Page 39: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

verschiedener makroökonometrischer Modelle quan-tifiziert. Es zeigt sich, dass eine weitere Abwertungdes Dollar auf einen Kurs von 1,50 die deutsche Ex-portdynamik zwar deutlich dämpfen würde. Die Spu-ren im gesamten Konjunkturbild blieben jedoch be-grenzt (Kasten 3.4).

Die Importe haben sich in der ersten Hälfte diesesJahres nur leicht erhöht. Neben der schwachen Ex-pansion der Exporte dämpfte der Rückgang derNachfrage nach Gebrauchsgütern in Folge der Mehr-wertsteuererhöhung. Im Prognosezeitraum werdendie Einfuhren deutlich rascher expandieren. Im lau-fenden Jahr verstärken sich zunächst die Impulse vom

Export und den Investitionsaktivitäten der Unterneh-men. Im kommenden Jahr treibt vor allem die spürba-re Ausweitung der Konsumausgaben der privatenHaushalte die Importe an. Im Jahresdurchschnitt wer-den die Einfuhren von Waren und Dienstleistungenim Jahr 2008 mit 6,9 % kräftiger steigen als in diesemJahr (6,0 %) (Abbildung 3.4).

Die Einfuhrpreise zogen im Verlauf des ersten Halb-jahres erstmals seit einem Jahr wieder an. Ausschlag-gebend hierfür waren die stark gestiegenen Welt-marktnotierungen für Rohstoffe, wobei nicht nur dasjüngste Hoch des Ölpreises eine Rolle spielte, sondernauch die fortgesetzte Verteuerung anderer Rohmate-

39

Konjunkturelle Wirkungen einer Abwertung des US-Dollar

Zur Quantifizierung des Einflusses der Wechselkursentwicklung auf die Konjunktur haben die Institute Simulationsrech-nungen mit dem NiGEM-Weltmodell1, dem OEF-Weltmodell2 sowie den Deutschlandmodellen des IWH3 und des RWIEssen4 durchgeführt. Dabei wurde analysiert, welche Wirkungen auf die Konjunktur zu erwarten sind, wenn der Dollar zuBeginn nächsten Jahres gegenüber allen Währungen mit flexiblen Wechselkursen um rund 7 % abwertet. Für den Eurowürde dies bedeuten, dass der Wechselkurs gegenüber dem Dollar von 1,40 auf 1,50 springt. Es zeigt sich, dass die damitverbundene effektive reale Aufwertung des Euro um 1,3 % die Exporte deutlich dämpft. Gleichzeitig senkt die Geldpoli-tik aufgrund des niedrigeren Inflationsdrucks die Zinsen; dadurch wird die gesamtwirtschaftliche Aktivität stimuliert, sodass der Bremswirkung über den Außenhandel zum Teil entgegengewirkt wird. Zudem wird der private Verbrauch durchdie niedrigeren Zinsen, aber auch durch die Verbesserung der Terms of Trade angeregt.

Die konjunkturellen Wirkungen werden naturgemäß vonModell zu Modell unterschiedlich quantifiziert (Tabelle3.7). In allen Modellen bleibt die Zunahme der Exportemerklich hinter dem Referenzszenario ohne Wechsel-kursänderung zurück. Dabei ist der Effekt im Modell desIWH mit 0,2 % im zweiten Jahr am niedrigsten, währenddie Ausfuhr im RWI-Modell mit 1,7 % am stärksten ge-dämpft wird. Für die Importe bietet sich kein einheitlichesBild. Während in den Modellen des IWH und von OEFdie Importe aufgrund der verschlechterten preislichenWettbewerbsfähigkeit Deutschlands steigen, dominiertim RWI-Konjunkturmodell und in NiGEM der negativeEffekt des verringerten Niveaus der Gesamtnachfrage aufdie Einfuhren. Der Gesamteffekt auf das reale Bruttoin-landsprodukt wird im ersten Jahr von allen Modellenweitgehend übereinstimmend geringer eingeschätzt(–0,1 % bis –0,2 %) als im zweiten Jahr (die Spannweitebeträgt hier –0,2 bis –0,7 %).5 In allen Modellen wären dieEffekte größer, würde die EZB nicht durch eine expansi-vere Geldpolitik der Dämpfung entgegenwirken. Aller-dings zeigen sich mit Blick auf die Modellierung der Zen-tralbankreaktion erhebliche Differenzen; während dieReaktion im OEF-Modell mit über einem Prozentpunktrelativ stark ist, liegen die Zinsen in den anderen Model-len nur geringfügig unter denen der Basislösung.

Kasten 3.4

1Vgl. für eine Beschreibung des Modells NIESR (2007), Basic Model Details. Via internet (6. Oktober 2007) http://www.niesr.ac.uk/pdf/nigem3.pdf.2Vgl. hierzu www.oef.com.3Vgl. für eine Beschreibung einer früheren Modellversion Brautzsch, H.-U. und C. Dreger (1997), Dokumentation: Das makroökonomische Modell desIWH – Version 1.0. IWH-Diskussionspapiere 55/1997. Halle.4Vgl. hierzu eine frühere Version des Modells, Barabas, G. und R. Döhrn (2006), Konjunktur und Arbeitsmarkt. Simulationen und Projektionen mit derIAB-Version des RWI-Konjunkturmodells. IAB-Forschungsbericht 2006: 20. Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg, 8–23.5Die Ergebnisse bezüglich des BIP-Effekts im NiGEM-Modell sowie im Modell des IWH decken sich mit denen, die der Sachverständigenrat (2004) mithilfeeines strukturellen vektorautoregressiven Modells errechnet hat. Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung(2004), Erfolge im Ausland – Herausforderungen im Inland. Jahresgutachten 2005/2005. Wiesbaden, TZ 824–842.

Abweichung von der Basislösung in %

Zins-reaktionder EZB2

Exporte Importe BIP

real

1.Jahr

2.Jahr

1.Jahr

2.Jahr

1.Jahr

2.Jahr

1.Jahr

2.Jahr

NiGEM –0,3 –0,3 –0,6 –0,7 –0,1 –0,1 –0,1 –0,2

OEF –1,1 –1,1 –0,6 –0,8 0,6 0,7 –0,2 –0,5

IWH 0,0 –0,1 –0,1 –0,2 0,3 0,2 –0,1 –0,3

RWI Essen –0,1 –0,1 –0,6 –1,7 –0,2 –0,3 –0,1 –0,7

1Als Impuls wurde eine Abwertung des US-Dollar gegenüber allenWährungen mit flexiblen Wechselkursen um 7 % eingestellt. ImRWI-Konjunkturmodell wurde dieser Impuls durch eine Aufwer-tung des Euro gegenüber dem US-Dollar um 0,10 USD/EUR appro-ximiert. Der Impuls wurde jeweils im ersten Quartal des erstenJahres wirksam. – 2 Abweichung von der Basislösung in Prozent-punkten.Quelle:Berechnungen der Institute. GD Herbst 2007

Tabelle 3.7

Page 40: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

rialien. Unter der Annahme, dass der Ölpreis im Pro-gnosezeitraum 80 US-Dollar je Barrel beträgt, werdendie Einfuhrpreise in diesem und im kommenden Jahrleicht steigen. Auch die Ausfuhrpreise ziehen im Pro-gnosezeitraum etwas an, zunächst aufgrund verteuer-ter Inputfaktoren und im kommenden Jahr infolge dersteigenden Lohnstückkosten. Per saldo verbessernsich die Terms of Trade in beiden Jahren geringfügig(Tabelle 3.6).

Die Unternehmen haben in der ersten Hälfte diesesJahres ihre Ausrüstungsinvestitionen kräftig erhöht.Die fortgesetzt günstigen Absatzperspektiven vor al-lem im Ausland und die hohe Kapazitätsauslastunghaben sie nochmals zur Erweiterung ihrer Produk-tionsanlagen angeregt. Die Unternehmen haben sichdamit zugleich die bis zum Jahresende befristete de-gressive Abschreibung gesichert. Zwar sind die Zin-sen am Kapitalmarkt gestiegen, die Eigenkapitalbasisder Unternehmen ist aber nach wie vor solide undschuf die finanzielle Basis für den Kauf neuer Ausrü-stungsgüter. So wurden die Kredite an Unternehmenund Selbständige im vergangenen Jahr trotz hoher In-

vestitionen nur um 1½ % ausgeweitet, im ersten Halb-jahr 2007 waren sie sogar leicht rückläufig.

Seit der Jahresmitte erhöhen die Unternehmen ihreInvestitionen in Sachanlagen in einem etwas langsa-meren Tempo. Darauf deuten die Auftragseingängeaus dem Inland bei den Herstellern von Investitions-gütern hin, deren Aufwärtsbewegung sich zuletzt ver-ringert hat. Allerdings werden weiterhin Investitionenangesichts des Wegfalls der günstigen degressiven Ab-schreibung am Jahresende vorgezogen.21 Dies zeigtsich insbesondere an einer kräftigen Zunahme derNeuzulassungen für Nutzfahrzeuge (Abbildung 3.5).Impulse gehen auch vom Förderprogramm zur An-schaffung emissionsarmer schwerer Nutzfahrzeugeaus, das die KfW zum 1. September dieses Jahres auf-gelegt hat. Insgesamt werden die Ausrüstungsinvesti-tionen im Jahr 2007 ihren Stand vor Jahresfrist umreichlich 10 % übertreffen.

Im kommenden Jahr werden die vorgezogenen Inves-titionen fehlen. Zudem sind schwächere Impulse vonder Weltwirtschaft und ungünstigere Finanzierungs-bedingungen infolge der Turbulenzen an den interna-tionalen Finanzmärkten zu erwarten. Stützend wirktallerdings die nach wie vor gute Ertrags- und Bilanzsi-tuation der Unternehmen. Im nächsten Jahr dürftendie Ausrüstungsinvestitionen um 5 % steigen (Abbil-dung 3.6).

Wie weit sich die zu Jahresbeginn 2008 in Kraft treten-de Reform der Unternehmensbesteuerung im kom-menden Jahr auswirken wird, lässt sich derzeit nurschwer quantifizieren. Für Unternehmen entsteht einAnreiz, Investitionsprojekte vermehrt in Deutschlanddurchzuführen. Das Volumen rentabler Investitionen

40

Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen der Institute;ab 3. Quartal 2007: Prognose der Institute.

285

160

185

60

45

0

15

30

-15

2006 2007 2008

210

235

260

Reale ImporteSaison- und arbeitstäglich bereinigter VerlaufVerkettete Volumenangaben in Mrd. Euro

GD Herbst 2007

laufende Jahresrate1 (rechte Skala)Mrd. Euro (linke Skala)Jahresdurchschnitt2

1 Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresratehochgerechnet.2 Zahlenangaben: Veränderung der Ursprungswerte gegenüberdem Vorjahr in %.

Prognose-zeitraum

2003 2004 2005

6,9

6,0

11,2

6,7

7,2

5,4

Abbildung 3.4

30

0

25

15

5

-10

0

-15

20012000 2002 2003 2004 2005 2006 2007

10

20

5

10

15

Neuzulassungen von LastkraftwagenSaisonbereinigte Werte,2-Monatsdurchschnitten geglättet

durch Bildung von

Quellen: Eigene Berechnungen nach Angaben des Kraftfahrt-bundesamtes.

:

Neuzulassungen in 1000

GD Herbst 2007

Veränderungen gegenüberdem Vormonat in%

-5

Abbildung 3.5

21 Die Institute gehen von einem Vorzieheffekt in Höhe von 6 Mrd. Euro aus. Das entspricht rund 3 % des jährlichen Volumens an Ausrü-stungsinvestitionen.

Page 41: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

in Sachkapital dürfte allerdings abnehmen, weil dieReform Finanzanlagen begünstigt; hinzu kommt dernegative Effekt infolge des Wegfalls der degressivenAbschreibung.

Die Bauinvestitionen waren zu Jahresbeginn weitergestiegen. Dazu hatte die ausgesprochen milde Witte-rung maßgeblich beigetragen. Nach der Abarbeitungder in die Wintermonate vorgezogenen Bauprojektefehlten dann vielfach entsprechende Anschlussaufträ-ge; so ist die Investitionstätigkeit im zweiten Quartalkräftig zurückgegangen.

Im Wohnungsbau waren wegen der Abschaffung derEigenheimzulage und der Mehrwertsteuererhöhungviele Aktivitäten in das Jahr 2006 vorgezogen worden.Als Folge werden die Wohnungsbauinvestitionen indiesem Jahr gedrückt. Im nächsten Jahr werden sie –wenn auch nur graduell – zunehmen. Ausschlagge-bend dafür ist, dass sich die Nachfrage nach Eigenhei-men allmählich erholt. Stützend wirken die steigen-den Einkommen der privaten Haushalte. Die Auf-tragseingänge und Genehmigungen haben sich bereitsstabilisiert, nachdem sie zuvor kräftig zurückgegan-

gen waren. Der Geschosswohnungsbau, der nach10 Jahren Rückgang für Anleger zuletzt wieder at-traktiv geworden ist, nimmt sehr langsam zu. Die Mo-dernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen am Alt-baubestand dürften allerdings im nächsten Jahr nachAbklingen des Reflexes auf die vorgezogenen Bauak-tivitäten wieder positiv zu Buche schlagen. Insbeson-dere werden die Sanierungsmaßnahmen im energeti-schen Bereich aufgrund der hohen Energiepreise undder Einführung des Energiepasses für die Vermietungvon Immobilien an Bedeutung gewinnen. Insgesamtwerden die Wohnungsbauinvestitionen in diesem undim nächsten Jahr stagnieren (Tabelle 3.8).

Die gewerblichen Bauinvestitionen sind im Verlaufdes ersten Halbjahres 2007 gesunken. Dies betraf al-lerdings nicht die baulichen Aktivitäten, sondern lagan den per saldo rückläufigen Grundstückskäufen derUnternehmen.22 Frühindikatoren, wie Auftragsein-gänge und Baugenehmigungen, signalisieren für denweiteren Verlauf eine Zunahme der Investitionstätig-keit im Wirtschaftsbau. Sie steht vor allem im Zusam-menhang mit den immer noch lebhaften Ausrüstungs-investitionen. Insbesondere in der Industrie werdenwieder mehr Fabrik- und Werkstattgebäude errichtet.Mit vermehrten Investitionen ist der Genehmigungs-statistik zufolge auch im Beherbergungsgewerbe, imHandel und bei sonstigen Bürobauten zu rechnen. Zu-dem wird die Bahn wieder verstärkt in das Strecken-netz investieren. Im nächsten Jahr schwächt sich dasInvestitionstempo etwas ab. Dies beruht darauf, dassdie Ausrüstungsinvestitionen nicht mehr so kräftigausgeweitet werden und die Finanzierungsbedingun-gen sich eintrüben. Die gewerblichen Bauten nehmenin beiden Jahren um 4 % zu.

Die öffentlichen Bauinvestitionen werden im Progno-sezeitraum nochmals kräftig zulegen. Das erheblichhöhere Steueraufkommen veranlasst insbesonderedie Gemeinden, notwendige Bauvorhaben umzuset-zen. Auch dürften sie das KfW-Programm für die

41

2006 2004 2005 2006 2007 2008

Anteilin %

Veränderung gegenüberdem Vorjahr in %

Wohnbauten 57,8 –3,0 –3,8 4,3 0,0 –0,2

Nichtwohnbauten 42,2 –4,9 –2,1 4,3 4,6 3,7

Gewerblicher Bau 30,4 –3,5 –0,9 4,0 4,0 4,0

Öffentlicher Bau 11,8 –8,1 –5,2 4,9 6,3 2,8

Bauinvestitionen 100,0 –3,8 –3,1 4,3 2,0 1,5

Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen der Institute;2007 und 2008:Prognose der Institute. GD Herbst 2007

Tabelle 3.8

Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen der Institute;ab 3. Quartal 2007: Prognose der Institute.

65

35

40

50

30

0

10

20

-10

2006 2007 2008

45

50

55

Reale Investitionen in AusrüstungenSaison- und arbeitstäglich bereinigter VerlaufVerkettete Volumenangaben in Mrd. Euro

GD Herbst 2007

laufende Jahresrate1 (rechte Skala)Mrd. Euro (linke Skala)Jahresdurchschnitt2

1 Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresratehochgerechnet.2 Zahlenangaben: Veränderung der Ursprungswerte gegenüberdem Vorjahr in %.

Prognose-zeitraum

2003 2004 2005

4060

5,0

10,1

8,3

6,0

1,2

4,6

Abbildung 3.6

22 Kauf und Verkauf von Grundstücken werden in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen als Investition bzw. Desinvestition ge-bucht.

Page 42: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

energetische Sanierung kommunaler Gebäude ver-stärkt nutzen. Zudem stockt der Bund seine Investi-tionen in Verkehrswege auf, auch fördert er den Aus-bau von Kindertagesstätten. Die staatlichen Bauin-vestitionen steigen in diesem Jahr um 6,3 % und imJahr darauf um 2,8 %.

Alles in allem werden die Bauinvestitionen im Jahr2007 um 2 % und im Jahr darauf um 1,5 % steigen(Abbildung 3.7). Dämpfend wirkt in diesem Jahr in al-len Bausparten der deutliche Preisanstieg, der nichtnur aus der Anhebung der Mehrwertsteuer, sondernauch aus einer erheblichen Verteuerung von Bauma-terialien resultiert. Hinzu kommt, dass in einzelnenGewerken kaum noch Kapazitäten frei waren. ImPrognosezeitraum wird sich der Preisanstieg mit derabflachenden Baukonjunktur deutlich verlangsamen.

Der private Konsum hat in diesem Aufschwung bis-lang keine Dynamik entfaltet. Zwar war er in derzweiten Hälfte des vergangenen Jahres merklich ge-stiegen, auch weil die Verbraucher im Vorfeld derMehrwertsteuererhöhung in beträchtlichem UmfangKäufe vorgezogen hatten. In Reaktion darauf und we-gen des Kaufkraftentzugs durch die Erhöhung derMehrwert- und der Versicherungsteuer sanken dieKonsumausgaben im ersten Quartal 2007 dann aber

kräftig; die Sparquote erhöhte sich merklich. Im Früh-jahr hat sich der private Konsum bei unverändert ho-her Sparquote zwar wieder etwas belebt. Alles in al-lem lagen aber die realen Verbrauchsausgaben in derersten Jahreshälfte saisonbereinigt um 1,1 % unterdem Stand vom zweiten Halbjahr 2006. Die Verbrau-cher schränkten ihre Käufe vor allem bei langlebigenGebrauchsgütern wie Pkw und Einrichtungsgegen-ständen ein. Ausgeweitet wurden hingegen die Käufevon kurzlebigen Gebrauchsgütern wie die von Schu-hen und Bekleidungsartikeln.

In der zweiten Hälfte dieses Jahres dürften die priva-ten Haushalte ihre Konsumausgaben verhalten erhö-hen. Die Mehrwertsteueranhebung drückt wohl im-mer noch etwas die Anschaffungsbereitschaft, undauch die gestiegenen Öl- und Nahrungsmittelpreiseentziehen Kaufkraft. Die Beschäftigung nimmt aberweiter zu, und die höheren Tarifabschlüsse der dies-jährigen Lohnrunde werden nach und nach wirksam.Bei leicht nachgebender Sparquote nehmen die rea-len Konsumausgaben saisonbereinigt im zweitenHalbjahr voraussichtlich um 1 % im Vergleich zumersten Halbjahr zu. Im Jahresdurchschnitt 2007 dürf-ten sie gleichwohl stagnieren (Abbildung 3.8).

Im nächsten Jahr ist mit einer spürbaren Zunahme desprivaten Konsums zu rechnen. Bei weiter steigendemArbeitsvolumen und rascher zunehmenden Effektiv-

42

Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen der Institute; ab 3.Quartal 2007: Prognose der Institute.

63

42

45

20

5

-10

5

0

-15

2006 2007 2008

48

51

54

Reale BauinvestitionenSaison- und arbeitstäglich bereinigter VerlaufVerkettete Volumenangaben in Mrd. Euro

GD Herbst 2007

laufende Jahresrate1 (rechte Skala)Mrd. Euro (linke Skala)Jahresdurchschnitt2

1 Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresratehochgerechnet.2 Zahlenangaben: Veränderung der Ursprungswerte gegenüberdem Vorjahr in %.

2003 2004 2005

1057

15

1,52,0

4,3

-3,1-3,8

-1,6

60 32,0

-15,1 -18,0

Prognose-zeitraum

Abbildung 3.7

Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen der Institute; ab 3.Quartal 2007: Prognose der Institute.

325

290

295

12

3

-6

-3

0

-9

2003 2006 2007 2008

300

305

310

Reale Konsumausgaben der privaten Haushaltea

Saison- und arbeitstäglich bereinigter VerlaufVerkettete Volumenangaben in Mrd. Euro

GD Herbst 2007

laufende Jahresrate1 (rechte Skala)Mrd. Euro (linke Skala)Jahresdurchschnitt2

1 Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresratehochgerechnet.2 Zahlenangaben: Veränderung der Ursprungswerte gegenüberdem Vorjahr in %.

Prognose-zeitraum

2003 2004 2005

6315

1,9

-0,11,0

-0,10,1

0,2

9320

Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck.a

Abbildung 3.8

Page 43: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

verdiensten werden die Bruttolöhne und -gehälter zü-gig expandieren. Netto gerechnet wird das Plus jedochmerklich geringer sein als im laufenden Jahr, weil dieEinkommensteuerbelastung der Arbeitnehmer pro-gressionsbedingt verstärkt zunimmt und insbesonderedie Beitragssätze zur Sozialversicherung per saldo nurgeringfügig verringert werden. In der Arbeitslosen-versicherung wird zwar der Beitragssatz zu Jahresbe-ginn von 4,2 auf 3,9 % gesenkt, doch wird der Bei-tragssatz in der Pflegeversicherung in der Jahresmittevon 1,7 auf 1,95 % erhöht. Die monetären Soziallei-stungen, die im laufenden Jahr vor allem infolge dergesunkenen Arbeitslosigkeit deutlich rückläufig sind,werden 2008 wieder etwas zulegen (0,8 %). Hierzuträgt bei, dass die Anpassung der gesetzlichen Alters-renten zur Jahresmitte mit etwa 1½ % deutlich höherals in diesem Jahr ausfallen dürfte. 23 Außerdem stei-gen die Ausgaben für das Elterngeld. Ferner werdenverschiedene Transfers im Rahmen arbeitmarktpoliti-scher Maßnahmen sowie die BAföG-Leistungen er-höht. Die Zahlungen von Arbeitslosengeld werdendagegen aufgrund der günstigen Beschäftigungsent-wicklung weiter sinken. Unter Einrechnung der wohlwieder stärker expandierenden Entnahmen aus denGewinnen und Vermögenseinkommen werden dieverfügbaren Einkommen um 3,5 % zunehmen, realum 1,7 %. Die höhere Arbeitsplatzsicherheit und dieverbesserten Einkommensperspektiven dürften dieAnschaffungsbereitschaft erhöhen. Einem größerenRückgang der Sparquote wirkt allerdings die ver-stärkte private Altersvorsorge entgegen. Anreizedazu gibt die nochmals steigende Förderung im Rah-men der Riester-Rente (Erreichen der Endstufe). Ins-gesamt wird im Jahr 2008 der private Konsum real um1,9 % steigen.

Die gesamtwirtschaftliche Produktion nahm im Ver-lauf des Jahres 2006 mit 3,9 % ähnlich kräftig zu wieim Boom von 1999/2000. Anfang 2007 schwächte sichdie Dynamik ab. Im Verlauf der ersten Jahreshälfte er-höhte sich das Bruttoinlandsprodukt saisonbereinigtmit einer annualisierten Rate von nur 1,6 %. Dies istjedoch kein Indiz für ein Nachlassen der zyklischenAuftriebskräfte, sondern vor allem die Folge der Er-höhung der Mehrwertsteuer zu Beginn dieses Jahres;insbesondere die Produktion von Gebrauchsgüternging zurück. Die Umsätze im Einzelhandel mit langle-bigen Konsumgütern nahmen ab. Der Einfluss derSteueranhebung auf die Bautätigkeit wurde im erstenQuartal durch das ungewöhnlich milde Winterwetterüberdeckt, das sehr hohe Bauaktivitäten zuließ. Ent-sprechend deutlich war der Rückgang allerdings imzweiten Quartal. Insgesamt nahm die Erzeugung imverarbeitenden Gewerbe im Verlauf des ersten Halb-jahres mit einer annualisierten Rate von reichlich 5 %zu. Im tertiären Sektor profitierten vor allem der Sek-tor Verkehr und Nachrichtenübermittlung und die un-ternehmensnahen Dienstleister von der günstigenEntwicklung in der Industrie.

Im Verlauf der zweiten Jahreshälfte beschleunigt sichdie Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Produktiondeutlich (Tabelle 3.9). Zwar sind einige Konjunkturin-dikatoren gesunken. Die Auftragsbestände sind abernach wie vor sehr hoch. So zeichnet sich ein starkerAnstieg der Industrieproduktion ab. Die Impulsekommen dabei insbesondere aus dem Inland, wobeidie Nachfrage vor allem nach Investitionsgütern kräf-tig sein wird, da nach dem Jahreswechsel die degressi-ve Abschreibung für Ausrüstungsgüter entfällt. Infol-ge der dadurch bewirkten Steigerung der Produktion

43

2006 2007 2008

I II III IV I II III IV I II III IV

Private Konsumausgaben 3,4 0,7 1,4 3,4 -7,0 2,5 2,0 1,7 1,6 1,6 1,6 1,6

Ausrüstungsinvestitionen –2,2 24,3 –2,4 10,9 15,7 10,3 6,6 11,7 –4,3 4,5 4,9 5,3

Bauinvestitionen –15,1 32,7 8,0 6,2 5,8 –18,0 2,7 1,0 0,5 1,7 1,8 1,9

Sonstige Anlagen 5,1 10,7 7,8 10,3 -10,9 13,1 8,2 12,6 0,8 3,2 3,2 3,2

Inländische Verwendung 0,9 3,5 2,7 –3,6 6,8 –2,2 3,1 3,0 1,2 1,3 2,5 2,5

Exporte 21,1 7,2 13,9 23,0 -1,2 3,6 8,6 7,1 5,3 5,3 5,9 5,9

Importe 16,0 2,9 14,9 5,4 8,7 –3,5 10,2 7,6 5,6 5,5 8,6 8,6

Bruttoinlandsprodukt 3,4 5,4 3,0 4,0 2,2 1,0 2,8 3,0 1,3 1,4 1,6 1,6

1Saison- und arbeitstäglich bereinigte Werte. Veränderung gegenüber dem Vorquartal in % auf Jahresrate hochgerechnet.Quellen:Statistisches Bundesamt;Berechnungen der Institute;ab 3. Quartal 2007:Prognose der Institute. GD Herbst 2007

Tabelle 3.9

23 Neben dem (entsprechend der Rentenformel modifizierten) Bruttolohnanstieg je Beschäftigten im Jahr 2007 wirkt der Nachhaltigkeits-faktor aufgrund des zuletzt deutlichen Beschäftigungsanstiegs Renten steigernd, dem wirken die Anhebung des Beitragssatzes in der gesetzli-chen Rentenversicherung im Jahr 2007 und die (weitere) Erhöhung des Altersvorsorgeanteils im selben Jahr entgegen.

Page 44: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

von Vorleistungs- und Investitionsgütern wird auchdie Wertschöpfung von Unternehmensdienstleisternweiter zunehmen. Den Herstellern von Gebrauchs-und Verbrauchsgütern sowie dem Handel und denprivaten Dienstleistern kommt erst allmählich diestärkere Konsumnachfrage zugute (Tabelle 3.10). Ins-gesamt wird das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahrum 2,6 % zunehmen (Abbildung 3.9). Kalenderberei-nigt ergibt sich wegen der im Vergleich zu 2006 gerin-geren Zahl von Arbeitstagen sogar ein Anstieg um2,7 %. Damit schätzen die Institute die Entwicklungdes Bruttoinlandsprodukts ähnlich ein wie die Ge-meinschaftsdiagnose vom Frühjahr (Kasten 3.5).

Im kommenden Jahr verliert die Weltkonjunktur anSchwung und die Finanzierungsbedingungen werdenungünstiger sein. Dies dämpft die Produktion von In-vestitionsgütern, die auch deshalb weniger stark zu-

nehmen dürfte, da Investitionen in das Jahr 2007 vor-gezogen wurden. Stützend wirkt die Zunahme derProduktion von konsumnahen Waren und Diensteninfolge der Ausweitung der Konsumausgaben der pri-vaten Haushalte. Alles in allem wird sich der Anstiegdes Bruttoinlandsprodukts auf 2,2 % verringern. Be-reinigt um die dann höhere Zahl von Arbeitstagenwird das Bruttoinlandsprodukt allerdings nur um1,9 % gegenüber dem Vorjahr zunehmen.

In den neuen Bundesländern (ohne Berlin) nahm dasBruttoinlandsprodukt im ersten Halbjahr mit 3,2 %gegenüber dem Vorjahreszeitraum leicht überdurch-schnittlich zu (Deutschland: 2,9 %). Ausschlaggebendwar die kräftig expandierende Industrieproduktion.Hier kam die verbesserte preisliche Wettbewerbsfä-higkeit zum Tragen. Die industrielle Wertschöpfunglag um 12,7 % über dem Stand vor Jahresfrist

44

2006 und 2007

2006 2007

3. Quartal 4.Quartal 1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal

UrsprungswerteVeränderung gegenüber dem Vorjahresquartal in %

Bruttoinlandsprodukt 2,7 3,7 3,3 2,5 2,4 2,1

darunterBruttowertschöpfung der Wirtschaftsbereiche 2,9 3,6 3,5 2,9 2,6 2,6

Produzierendes Gewerbe 5,1 6,2 6,5 4,6 4,5 4,7

darunterVerarbeitendes Gewerbe 5,6 6,6 7,5 6,2 6,2 6,5

Baugewerbe 5,6 10,6 16,3 0,3 –0,9 –2,5

Handel, Gastgewerbe , Verkehr undNachrichtenübermittlung 3,5 5,3 3,3 2,7 2,0 1,8

Finanzierung, Vermietung undUnternehmensdienstleistungen 2,6 3,0 3,2 3,2 3,2 3,5

Öffentliche und private Dienstleister 0,3 –0,1 0,5 0,5 –0,2 –0,4

Saison- und arbeitstäglich bereinigte WerteVeränderung gegenüber dem Vorquartal in %

Bruttoinlandsprodukt 0,7 1,0 0,5 0,3 0,7 0,8

darunterBruttowertschöpfung der Wirtschaftsbereiche 0,8 0,8 0,8 0,6 0,7 0,8

Produzierendes Gewerbe 1,6 1,1 1,9 0,0 1,4 1,2

darunterVerarbeitendes Gewerbe 1,7 1,4 2,8 0,3 1,6 1,5

Baugewerbe 1,7 2,1 2,1 –5,2 0,3 0,3

Handel, Gastgewerbe , Verkehr undNachrichtenübermittlung 1,0 1,3 –0,8 1,2 0,4 1,0

Finanzierung, Vermietung undUnternehmensdienstleistungen 0,6 0,8 0,8 1,0 1,1 1,0

Öffentliche und private Dienstleister –0,1 0 0,4 0,1 –0,3 0,1

Quellen:Statistisches Bundesamt;ab 3. Quartal 2007:Prognose der Institute. GD Herbst 2007

Tabelle 3.10

Page 45: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

45

Die Prognose für den Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2007 vom Frühjahr in Höhe von 2,4 % wur-de geringfügig auf 2,6 % angehoben. Größere Korrekturen ergeben sich bei den Komponenten des realen BIP (Tabel-le 3.11).

Beim privaten Konsum ist es zwar – wie prognostiziert – am Jahresanfang infolge der Mehrwertsteueranhebung zu einemdeutlichen Rückgang der Verbrauchsausgaben gekommen, an den sich eine Erholung angeschlossen hat. Im Jahresdurch-schnitt dürfte der private Konsum 2007 aber lediglich stagnieren; im Frühjahr war noch ein Zuwachs um 1 % erwartetworden. Zu der Neueinschätzung hat beigetragen, dass die amtlichen Angaben für die Entwicklung des realen Einzelhan-delsumsatzes, die damals zur Abschätzung des Mehrwertsteuereffekts auf den Konsum herangezogen worden waren,deutlich nach unten korrigiert worden sind. Bei der Änderung der Konsumprognose schlägt außerdem zu Buche, dass dieSparquote der privaten Haushalte nicht stagnieren, sondern leicht zunehmen dürfte. Schließlich fällt der Anstieg der Ver-braucherpreise angesichts höherer Rohstoffpreise etwas stärker als erwartet aus. Die Ausrüstungsinvestitionen dürftenstärker als im Frühjahrsgutachten erwartet steigen. Die Bauinvestitionen entwickeln sich dagegen schlechter als damalsprognostiziert. Alles in allem wird der Wachstumsbeitrag der Inlandsnachfrage (einschließlich der Vorratsveränderun-gen) zum realen BIP nunmehr um 0,3 Prozentpunkte geringer veranschlagt.

Auch die Dynamik der Ausfuhren fällt schwächer aus, weil der Welthandel im Vergleich zur Vorhersage im Frühjahrsgut-achten schwächer expandiert. Da aber die Prognose der Einfuhren noch stärker nach unten revidiert wurde, steuert derAußenbeitrag jetzt ein größeres Plus zum Anstieg des BIP bei.

Kasten 3.5

Verwendung des realen Bruttoinlandsprodukts

Frühjahrsgutachten Herbstgutachten Prognosekorrektur für 2007

Prognosewerte für 2007 Prognosewerte für 2007 Differenz der Wachstums-raten bzw. -beiträge

Veränderungin % gegen-über Vorjahr

Wachstums-beitrag in

%-Punkten1

Veränderungin % gegen-über Vorjahr

Wachstums-beitrag in

%-Punkten1

Spalte (3)abzüglichSpalte (1)

Spalte (4)abzüglichSpalte (2)

(1) (2) (3) (4) (5) (6)

Inlandsnachfrage 1,8 1,7 1,5 1,4 –0,3 –0,3

Privater Konsum 0,9 0,5 –0,1 –0,1 –1,0 –0,6

Staatlicher Konsum 1,1 0,2 1,8 0,3 0,7 0,1

Ausrüstungen 6,2 0,5 10,1 0,8 3,9 0,3

Bauten 2,7 0,3 2,0 0,2 –0,7 –0,1

Sonstige Anlageinvestitionen 5,9 0,1 4,7 0,1 –1,2 0,0

Vorratsveränderungen – 0,2 – 0,2 – 0,0

Außenbeitrag – 0,8 – 1,1 – 0,3

Ausfuhr 8,4 3,8 7,8 3,5 –0,6 –0,3

Einfuhr 7,5 –3,0 6,0 –2,4 –1,5 0,6

Bruttoinlandsprodukt 2,4 2,4 2,6 2,6 0,2 0,2

Nachrichtlich:Bruttoinlandsprodukt USA 2,3 – 1,9 – – –

Bruttoinlandsprodukt Euroraum 2,5 – 2,6 – – –

Welthandel 7,5 – 5,3 – – –

Verbraucherpreise 1,8 – 2,1 – – –

1Beiträge der Nachfragekomponenten zur Veränderung des Bruttoinlandsprodukts (Lundberg-Komponenten). Der Wachstumsbeitrageiner Nachfragekomponente ergibt sich aus der Wachstumsrate gewichtet mit dem nominalen Anteil des Aggregats am BIP aus demVorjahr. Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen. Angaben für das BIP: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.Quelle:Berechnungen der Institute. GD Herbst 2007

Tabelle 3.11

1Die jetzt vorgelegte Herbstprognose wird von einem neu zusammengesetzten Kreis von Wirtschaftsforschungsinstituten erstellt und ist von daher mit derFrühjahrsprognose nur eingeschränkt vergleichbar.

Page 46: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

(Deutschland: 6,9 %). Die Bauproduktion schwanktesehr stark durch die ungewöhnlichen Witterungsein-flüsse. Ein Großteil des Überhangs an Bauaufträgenaus dem vergangenen Jahr dürfte im ersten Quartalabgearbeitet worden sein. Der Handel hat seinen Tief-punkt infolge des Kaufkraftentzugs durch die Anhe-bung der Mehrwertsteuer inzwischen erreicht. ZumZuwachs der Wertschöpfung trugen im Gefolge derkräftigen industriellen Aktivitäten auch das Verkehrs-und Nachrichtenübermittlungsgewerbe sowie die un-ternehmensnahen Dienstleister bei. Für den weiterenVerlauf des Jahres 2007 signalisieren die Auftragsein-gänge und die Stimmungsindikatoren eine Abschwä-chung des Produktionsanstiegs im ProduzierendenGewerbe. Die Industrieunternehmen schätzen zwarihre künftigen Geschäfte weiterhin sehr positiv ein,erwarten allerdings geringere Umsatzzuwächse alsbisher. Der starke Rückgang der Baugenehmigungendeutet darauf hin, dass die Bauproduktion weiter sin-ken wird. Die Wertschöpfung im Produzierenden Ge-werbe wird deshalb verlangsamt expandieren. Insge-samt wird die gesamtwirtschaftliche Produktion inOstdeutschland mit 3 % in diesem Jahr und um 2,5 %im kommenden Jahr zunehmen und damit kräftigerals in den alten Bundesländern.

Nach dem moderaten Anstieg der Tarifverdienste jeStunde in den vergangenen Jahren weist die DeutscheBundesbank für die erste Jahreshälfte 2007 bei denGrundvergütungen einen Zuwachs gegenüber demVorjahreszeitraum von 1,2 % aus, unter Berücksichti-gung von Einmalzahlungen sogar nur einen von 1,1 %,was der jahresdurchschnittlichen Steigerung im Jahr2006 entspricht. Die Effektivlöhne je Arbeitnehmerhaben sich in der ersten Jahreshälfte um 1,5 % erhöhtund damit etwas rascher als die monatlichen Tariflöh-ne (1,4 %). Die Lohndrift war damit erstmals seit Lan-gem wieder positiv. Wahrscheinlich wurden wiedermehr zuschlagspflichtige Überstunden geleistet. Auchdürften aufgrund der guten Gewinnsituation verstärktBonuszahlungen geflossen sein. Hinzu kam ein wiedersteigender Anteil von Vollzeitbeschäftigten.

Für den Prognosezeitraum lassen die vorliegendenLohnabschlüsse einen stärkeren Anstieg der Tariflöh-ne erwarten. Nach Angaben des Tarifarchivs des WSIbetrug die Abschlussrate der im ersten Halbjahr aus-gehandelten Verträge 3,7 %. Wirksam wird in diesemJahr unter Berücksichtigung der unterschiedlichenGeltungsdauer und der Verhandlungsergebnisse ver-gangener Jahre ein Anstieg von 2,3 %, nach 1,5 % imVorjahr. Unter der Berücksichtigung von tarifvertrag-lich vereinbarten Sonderzahlungen, die im Jahr 2007niedriger sind als im Jahr 2006, dürften die tariflichenStundenlöhne im zweiten Halbjahr um 2,5 % zuneh-men, womit im Jahresdurchschnitt ein Anstieg von1,9 % erreicht werden dürfte. Für das kommende Jahrwird eine Zunahme der tariflichen Stundenlöhne um2,6 % erwartet. Der Effektivlohnanstieg pro Arbeit-nehmer dürfte bei weiterhin hoher Kapazitätsausla-stung mit Raten von 2,1 % (2007) bzw.3,0 % (2008) et-was darüber liegen.

Die gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten werdendamit in diesem Jahr voraussichtlich erstmals seit 2003wieder leicht steigen (0,7 %). Für das kommende Jahrprognostizieren die Institute eine etwas stärkere Zu-nahme um 1,3 %.

Die Verbraucherpreise sind im Verlauf dieses Jahreskräftig gestiegen. Hierzu trug bei, dass der Regelsatzder Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte angehobenwurde. Zudem zog der Ölpreis kräftig an. Zu Bucheschlug außerdem, dass in einigen Bundesländern imApril Studiengebühren eingeführt wurden; dies hatfür sich genommen das Preisniveau um 0,2 Prozent-punkte erhöht. Zur Jahresmitte wurden überdies mitdem Ende der staatlichen Preisaufsicht vielerorts dieStrompreise angehoben. Schließlich zogen die Preisefür Nahrungsmittel auf dem Weltmarkt beträchtlich

46

Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen der Institute;ab 3. Quartal 2007: Prognose der Institute.

600

500

520

16

12

0

4

8

2,2

2,6

2,9

0,8

1,1-0,2

-4

2006 2007 2008

540

560

580

Reales BruttoinlandsproduktSaison- und arbeitstäglich bereinigter VerlaufVerkettete Volumenangaben in Mrd. Euro

GD Herbst 2007

laufende Jahresrate1 (rechte Skala)Mrd. Euro (linke Skala)Jahresdurchschnitt2

1 Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresratehochgerechnet.2 Zahlenangaben: Veränderung der Ursprungswerte gegenüberdem Vorjahr in %.

Prognose-zeitraum

2003 2004 2005

Abbildung 3.9

Page 47: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

an. Maßgeblich dafür ist eine weltweit kräftig steigen-de Nachfrage, auch infolge der zunehmenden Nut-zung von Agrarrohstoffen zur Kraftstofferzeugung.Hinzu kommen kurzfristige Angebotsverknappungendurch Ernteausfälle, insbesondere in Australien.Dämpfend auf den Preisanstieg wirkten dagegen dieStagnation der Lohnstückkosten wie auch die Auf-wertung des Euro. Alles in allem blieb die Inflations-rate in den ersten acht Monaten des Jahres unter zweiProzent. Hierzu trug auch bei, dass die Preise für Heiz-öl und Kraftstoffe in diesem Zeitraum unter Vorjah-resniveau blieben.

Im September wurde diese Marke dann erstmals deut-lich überschritten. Auch in den kommenden Monatendürften die Inflationsraten eine Zwei vor dem Kommaaufweisen, weil die Energiepreise im Verlauf des zwei-ten Halbjahres 2006 rückläufig gewesen waren, wäh-rend sie in diesem Jahr seit dem Frühjahr deutlich stei-gen und mittlerweile den Vorjahresstand übertreffen.Die Mehrwertsteuererhöhung wird dagegen nichtmehr in nennenswertem Umfang zusätzlich auf dasPreisniveau wirken, die Überwälzung dürfte abge-schlossen sein. Im Verlauf des Jahres 2008 dürften dieInflationsraten allmählich wieder sinken. Zwar wer-den die gestiegenen Ölpreise zunächst auf die Preiseanderer Energieträger durchwirken; bei Strom undGas sind bereits Preiserhöhungen angekündigt. Zu-dem wird die Deutsche Bahn im Dezember die Fahr-preise im Regional- und Fernverkehr um durch-schnittlich 2,9 % erhöhen. Bei Nahrungsmittelpreisenist mit weiteren Steigerungen zu rechnen. Schließlichverstärkt sich der Anstieg der Lohnstückkosten, wasin den Preisen teilweise weitergegeben werden dürfte.Gegenzurechnen ist allerdings, dass 2008 im Vorjah-resvergleich die Mehrwertsteuererhöhung nicht mehrwirksam ist. Alles in allem wird sich das Verbraucher-preisniveau im Jahresdurchschnitt 2007 um 2,1 % er-höhen; im Jahr 2008 um 2,0 %.

Nach dem starken Anstieg der Beschäftigung im ver-gangenen Jahr hat sich die Lage auf dem Arbeits-markt 2007 weiter gebessert. Die Zahl der Erwerbstä-tigen stieg im Verlauf der ersten acht Monate um448 000. Zu Jahresbeginn fiel die Steigerung überauskräftig aus, da infolge des ungewöhnlich milden Wet-ters in witterungsabhängigen Bereichen die Beschäfti-gung höher war als üblich. Danach schwächte sich derAnstieg ab. Seit Mai erhöhte sich die Zahl der Er-werbstätigen nur um 26 000 je Monat. Die Gesamtzahlder Erwerbstätigen war im August um 638 000 höherals im Vorjahr. Positiv auf die Situation auf dem Ar-beitsmarkt hat sich wohl auch die moderate Lohnent-wicklung ausgewirkt; zudem wurde der Anstieg derArbeitskosten durch die Senkung der Sozialbeiträgegedämpft.

Zum überwiegenden Teil erfolgte die Zunahme derErwerbstätigkeit durch weitere Einstellungen von so-zialversicherungspflichtig Beschäftigten, deren Zahlvon Januar bis Juli um 350 000 stieg (Abbildung 3.10).Die Nachfrage nach Arbeitskräften erstreckt sich hiermittlerweile auf nahezu alle Wirtschaftsbereiche.Rückläufig war der Personalbestand lediglich im Kre-dit- und Versicherungsgewerbe und in der öffentli-chen Verwaltung.

Aber auch die Zahl der Mini-Jobs stieg wieder kräftig.Im Verlauf des ersten Halbjahres nahm sie um knapp100 000 zu, obwohl die Politik seit Mitte des vergange-nen Jahres die Anreize für diese Beschäftigungsformvermindert hatte, indem sie die Arbeitgeberpauschalefür Steuern und Sozialbeiträge anhob. Zunächst sankdie Zahl der Mini-Jobs tatsächlich; dann aber warenwohl insbesondere konjunkturbedingt wieder mehrMinijobber gefragt, da diese rasch bei Auftragsspitzenoder zur Entlastung von Fachkräften eingestellt wer-den können.

Die Zahl der Arbeitslosen sank im Verlauf der erstenacht Monate um 350 000 und damit deutlich wenigerstark, als die Erwerbstätigkeit stieg. Dieses Musterentspricht wieder der für Aufschwungphasen üblichenEntwicklung, in der ein Teil der Neueinstellungendurch Personen aus der stillen Reserve erfolgt. Im ver-gangenen Jahr war dies umgekehrt, da viele zunächstals arbeitslos gezählte erwerbsfähige Personen aus derKartei entfernt wurden, da sich herausstellte, dass siedem Arbeitsmarkt aus unterschiedlichen Gründennicht zu Verfügung standen.

Durch die sehr lebhafte Nachfrage nach Arbeitskräf-ten erhielten zunehmend auch Langzeitarbeitsloseeine Chance. Ihre Zahl reduzierte sich spürbar undwar im September um 376 000 niedriger als im Vor-jahr. Damit ist ihr Anteil an der Gesamtheit der Ar-beitslosen deutlich niedriger als ein Jahr zuvor, mit zu-letzt 39,1 % aber immer noch recht hoch. Außerdemgibt es rund 2,4 Millionen Personen, die Arbeit su-chen, aber nicht als Arbeitslose gezählt werden; daswaren im September 100 000 mehr als im Vorjahr. Zudieser Gruppe gehören insbesondere Teilnehmer anarbeitsmarktpolitischen Maßnahmen (Tabelle 3.12),darunter auch Personen, die in sogenannten Arbeits-gelegenheiten angestellt sind (Ein-Euro-Jobber), so-wie von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer undPersonen, die nur geringfügig oder zu schlechten Kon-ditionen beschäftigt sind.

Im nächsten Jahr gehen von den Arbeitskosten keineentlastenden Wirkungen auf die Beschäftigung aus.Der Lohnanstieg dürfte sich verstärken; es ist dannmit einem Anstieg der tariflichen Stundenlöhne um2,6 % zu rechnen. Die Steigerung des Arbeitnehmer-entgelts je Stunde dürfte mit 2,4 % in etwa beschäfti-gungsneutral sein.

47

Page 48: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

Zunächst wird sich der kräftige Beschäftigungsauf-schwung fortsetzen (Abbildung 3.11). Darauf deutetunter anderem die anhaltend hohe Zahl an offenenStellen hin. Allerdings lassen Indikatoren wie das ifoBeschäftigungsbarometer erwarten, dass die Zu-wachsraten in den kommenden Monaten leicht zu-rückgehen dürften. Weiterhin vollzieht sich der Auf-bau der Erwerbstätigkeit weitgehend durch die Ein-stellung von sozialversicherungspflichtig Beschäftig-ten. Die Nachfrage nach Arbeitskräften erfolgt vor-wiegend in den an der Produktion von Export- und In-vestitionsgütern beteiligten Branchen. Insgesamtdürfte die Zahl der Erwerbstätigen im Jahr 2007 um684 00024 steigen. Für das kommende Jahr ist infolgeder weitaus langsameren Gangart der Konjunktur eindeutlich geringerer Beschäftigungsaufbau zu erwar-

ten. Neueinstellungen erfolgen nun überwiegend inden konsumabhängigen Branchen. Die Erwerbstätig-keit dürfte im Jahresverlauf von 2008 um nur noch200 000 zunehmen. Wegen des hohen Ausgangsni-veaus bedeutet dies jedoch für den Jahresdurchschnitteine Steigerung um 310 000 (Abbildung 3.12).

Die Zahl der Arbeitslosen wird zunächst immer nochweniger stark abnehmen als die Beschäftigung zu-nimmt, da ein Teil der Neueinstellungen aus der Stil-len Reserve erfolgt. Da auch das Arbeitskräftepoten-zial etwas sinkt, wird die registrierte Arbeitslosigkeitim späteren Prognosezeitraum stärker abnehmen alsdie Erwerbstätigkeit steigt. Insgesamt rechnen die In-stitute damit, dass die Zahl der Arbeitslosen im Jah-resdurchschnitt von 2007 um 707 000 auf 3,8 Mill. Per-

48

Ausgewählte Komponenten der Erwerbstätigkeit

27 500

27 000

26 500

26 000

25 500

300

200

100

-100

-300

-200

0

2003 2004 2005 2006 2007 2008

270

584

129

-325

-446

-621

Prognose-zeitraum

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte1

GD Herbst 2007

Veränderungen gegenüber Vorquartal in 1 000 Personen(rechte Skala)Saisonbereinigter Verlauf in 1 000 Personen (linke Skala)Jahresdurchschnitt in 1 000 Personen3 (linke Skala)

400

-50

0

50

100

150

250

300

350 350

400

300

0

250

200

-50

150

100

50

57

121

88

-24

-64 -12

Prognose-zeitraum

Förderung der Selbständigkeit2

350

400

300

0

250

200

-50

150

100

5012

213

68 -11 -19

Prognose-zeitraum

Zusatzjobs

350

400

300

0

250

200

-50

150

100

50

5 250

3 500

3 750

4 000

4 250

4 500

4 750

5 000 200

250

150

0

50

100

-100

-50

172

420 2944

81

58

Prognose-zeitraum

Ausschließlich geringfügig Beschäftigte1

1 Saisonbereinigt.– 2Gründungszuschuss, Einstiegsgeld, Ich-AG, Überbrückungsgeld. – 3Zahlenangaben: Veränderung gegenüber demVorjahr in 1000 Personen.

Quellen: Bundesagentur für Arbeit; Berechnungen der Institute; ab 3. bzw. 4. Quartal 2007: Prognose der Institute.

2003 2004 2005 2006 2007 2008

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2003 2004 2005 2006 2007 2008

200

Abbildung 3.10

24 Diese gegenüber der Prognose der Institute vom Frühjahr deutlich höhere Zunahme ergibt sich auch als Folge einer Datenrevision desStatistischen Bundesamtes, durch die die Zahl der Erwerbstätigen zum Jahresbeginn um ca. 150 000 Personen höher ausgewiesen wurde.

Page 49: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

sonen abnimmt. Für 2008 ist mit einem weiterenRückgang um 330 000 zu rechnen, die Quote sinktdann von 8,7 auf 7,9% (Tabelle 3.13).

Durch die anhaltend lebhafte Nachfrage nach Ar-beitskräften in den nächsten Monaten werden weiter-hin auch Langzeitarbeitslose eine Chance auf einenArbeitsplatz bekommen, zumal diese ab Oktoberdurch neue Maßnahmen gefördert werden sollen. Ar-beitgeber, die schwer vermittelbare Langzeitarbeits-lose25 einstellen, erhalten hohe Lohnkostenzuschüsse.Außerdem sollen Arbeitslose unter 25 Jahren ohneBerufsabschluss besonders gefördert werden.26 Durch

diese Maßnahmen werden zwar Personen mit Ver-mittlungshemmnissen eingestellt, doch ist aufgrundvon Verdrängungseffekten offen, ob per saldo zusätz-liche Arbeitsplätze geschaffen werden. Es ist keines-wegs auszuschließen, dass lediglich die Struktur derArbeitslosen beeinflusst wird und dass insbesonderedie Beschäftigungschancen von Personen aus der stil-len Reserve beeinträchtigt werden.

In Ostdeutschland hat sich die Lage am Arbeitsmarktnoch deutlicher verbessert als in Westdeutschland.Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftig-

49

2004 bis 2007; in 1 000 Personen

2004 2005 2006 2007

Qualifizierung 279 183 189 190

Berufliche Weiterbildung 184 114 119 120

Eignungsfeststellungs- und Trainingsmaßnahmen 95 69 70 70

Beschäftigungsbegleitende Leistungen 389 411 401 364

Förderung abhängiger Beschäftigung 154 88 102 129

Personal-Service-Agenturen 28 17 8 4

Eingliederungszuschüsse 110 60 82 110

Einstellungszuschüsse bei Neugründung bzw. Vertretung 16 10 7 7

Einstiegsgeld (Variante: Beschäftigung) 0 1 5 8

Förderung der Selbständigkeit 235 323 299 235

Gründungszuschuss 0 0 8 88

Überbrückungsgeld 84 83 63 3

Existenzgründungszuschuss 151 234 210 125

Einstiegsgeld (Variante: Selbständigkeit) 0 6 18 19

Beschäftigung schaffende Maßnahmen 131 287 344 324

Arbeitsgelegenheiten nach § 16 (3) SGB II 0 201 293 282

Arbeitsgelegenheiten nach § 199 i.V. mit § 10 SGB III(„Initiative für Arbeitslosenhilfebezieher”) 12 24 0 0

Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen 86 48 44 39

Traditionelle Strukturanpassungsmaßnahmen 31 13 6 2

Beschäftigung schaffende Infrastrukturmaßnahmen 2 1 1 1

Freie Förderung 33 24 25 25

Kurzarbeiter 151 126 67 70

Altersteilzeit 80 92 102 115

Nichtarbeitslose Arbeitslosengeldempfängernach § 428 SGBIII 221 233 256 230

Arbeitslose nach §§ 125,126 SGBIII 40 42 44 42

Insgesamt 1 324 1 398 1 428 1 360

Quellen:Bundesagentur für Arbeit;2007:Prognose der Institute. GD Herbst 2007

Tabelle 3.12

25 Arbeitgeber können zwei Jahre lang Lohnkostenzuschüsse von bis zu 75% des Bruttoentgelts einschließlich der Arbeitgeberbeiträge zurSozialversicherung bekommen, wenn sie schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose sozialversicherungspflichtig beschäftigen. Gefördert wer-den „arbeitsmarktferne“ ALG-II-Empfänger im Alter von über 25 Jahren mit mehreren Vermittlungshemmnissen, bei denen eine „normale“Vermittlung innerhalb der nächsten zwei Jahre nicht zu erwarten ist. Der Beschäftigungszuschuss kann wiederholt gewährt werden.26 Für die Einstellung von Arbeitslosen unter 25, die mindestens sechs Monate arbeitslos waren, können Arbeitsgeber ein Jahr lang einenQualifizierungszuschuss bekommen. Er beträgt 50 % des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgeltes, wobei mindestens 15 Prozentpunkte fürdie Qualifizierung des Arbeitnehmers zweckgebunden sind.

Page 50: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

ten nahm im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjah-reszeitraum um 149 000 bzw. 3 % zu (Westdeutsch-land: 2,4 %). Die Zahl der registrierten Arbeitslosensank im gleichen Zeitraum um 207 000. Auch im wei-teren Verlauf dieses und des nächsten Jahres wird sichder Beschäftigungsaufbau fortsetzen. Die registrierteArbeitslosigkeit wird in diesem Jahr um 190 000 undim nächsten um knapp 70 000 abnehmen. Dies ist auchauf die Abwanderung und den demographisch be-dingten Rückgang des Arbeitsangebots zurückzufüh-ren. Die Arbeitslosenquote beträgt 14,4 % in diesemund 13,7 % im nächsten Jahr. Sie ist damit immer nochdoppelt so hoch wie in Westdeutschland.

Das Budgetdefizit des Staates ist im vergangenen Jahrin Relation zum BIP von 3,4 auf 1,6 % gesunken (Ta-belle 3.14). In diesem Jahr wird sich die Finanzlage desStaates weiter verbessern. Voraussichtlich wird erst-mals seit 1989 ein geringer Haushaltsüberschuss er-zielt werden.27 Ausschlaggebend hierfür ist zum einen,dass die kräftige Konjunktur zu erheblichen Mehrein-nahmen sowie zu einem deutlichen Rückgang derZahlungen an Arbeitslose führt; zum anderen dürfteder um konjunkturelle Einflüsse bereinigte Finanzie-rungssaldo um 0,8 Prozentpunkte sinken.

Die Verbesserung der Finanzlage beruht vor allem aufdeutlich höheren Steuereinnahmen. Ausschlaggebendsind zum einen Steuerrechtsänderungen, insbesonde-

50

2000 = 100 2000 = 100

103

102

103

102

101 101

96 96

97 97

98 98

99 99

100 100

95 95

2003 2004 2005 2006 2007 2008

Arbeitsstunden

gErwerbstäti enzahl

GD Herbst 2007

Prognose-zeitraum

Geleistete Arbeitsstunden1 und Zahl derErwerbstätigen2 im Inland

1 Index, 2000 = 100; saison- und kalenderbereinigt.2 Index, 2000 = 100; saisonbereinigt.

Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen der Institute;Prognose der Institute.3. Quartal 2007:

Abbildung 3.11

500

200

100

400

300

-200

-100

0

-361

316

-330

-707

-374

480

4

161-45

257

310

684

Arbeitslose500

200

100

400

300

-500

-100

0

2003 2004 2005 2006 2007 2008

-200

-300

-400

Prognose-zeitraum

Prognose-zeitraum

GD Herbst 2007

Veränderungen gegenüber Vorquartal in 1 000 Personen(rechte Skala)Saisonbereinigter Verlauf in 1 000 Personen (linke Skala)Jahresdurchschnitt in 1 000 Personen1 (linke Skala)

Erwerbstätige und ArbeitsloseSaisonbereinigter Verlauf

Erwerbstätige Inländer

1 Zahlenangaben: Veränderungen der Ursprungswerte gegenüberVorjahr in 1000 Personen.

Quelle: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit;Berechnungen der Institute; ab 3.bez. 4.Quartal 2007: Prognoseder Institute.

40300

40050

39800

39550

39300

39050

38800

38550

38300

38050

5250

5050

4850

4650

4450

4250

4050

3850

3650

3250

3450

Abbildung 3.12

27 Der Überschuss im Jahr 2000 war allein auf die Erlöse aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen zurückzuführen.

Page 51: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

re die Anhebung der Mehrwert- und der Versiche-rungsteuer zu Beginn des Jahres (Tabelle 3.15). Zumanderen sind die hohen Zuwächse konjunkturell be-dingt. Mit zunehmender Beschäftigung und höheren

Löhnen steigt das Aufkommen der Lohnsteuer imlaufenden Jahr verstärkt. Zudem fließen die veranlag-ten Steuern aufgrund höherer Gewinne kräftig, auchwenn im Gefolge der Turbulenzen an den Finanz-

51

2003 bis 2008; Jahresdurchschnitte in 1 000 Personen

2003 2004 2005 2006 2007 2008

Deutschland

Erwerbstätige Inländer 38 633 38 794 38 749 39 006 39 690 40 000

Arbeitnehmer 34 560 34 572 34 393 34 614 35 240 35 520

darunter:Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte1

27 007 26 561 26 237 26 366 26 950 27 220

Marginal Beschäftigte25 131 5 607 5 799 5 887 5 935 5 960

darunter:Ausschließlich geringfügig Beschäftigte1

4 322 4 742 4 771 4 815 4 896 4 954

Zusatzjobs3– 12 225 293 282 263

Selbständige 4 073 4 222 4 356 4 392 4 450 4 480

darunter:Förderung der Selbständigkeit4

114 235 323 299 235 223

Pendlersaldo 93 86 97 82 70 80

Erwerbstätige Inland 38 726 38 880 38 846 39 088 39 760 40 080

Personen im erwerbsfähigen Alter555 596 55 359 55 063 54 746 54 520 54 440

Erwerbstätigenquote669,5 70,1 70,4 71,2 72,8 73,5

Arbeitslose 4377 4381 4 861 4 487 3 780 3 450

Arbeitslosenquote710,2 10,1 11,1 10,3 8,7 7,9

Arbeitslosenquote gemäß BA-Definition810,5 10,5 11,7 10,8 9,0 8,2

Erwerbslose93703 3 931 3 893 3 432 2 700 2 300

Erwerbslosenquote108,7 9,2 9,1 8,1 6,4 5,4

Westdeutschland11

Erwerbstätige Inländer1231 143 31 282 31 317 31 531 32 045 32 315

Personen im erwerbsfähigen Alter543 706 43 588 43 430 43 285 43 180 43 130

Erwerbstätigenquote671,3 71,8 72,1 72,8 74,2 74,9

Arbeitslose 2753 2 783 3 247 3 007 2 489 2 227

Arbeitslosenquote78,1 8,2 9,4 8,7 7,2 6,4

Arbeitslosenquote gemäß BA-Definition88,4 8,5 9,9 9,1 7,6 6,9

Ostdeutschland11

Erwerbstätige Inländer127 490 7 512 7 432 7 475 7 645 7 685

Personen im erwerbsfähigen Alter511 890 11 771 11 633 11 461 11 340 11 310

Erwerbstätigenquote663,0 63,8 63,9 65,2 67,2 67,9

Arbeitslose 1624 1 599 1614 1480 1291 1 223

Arbeitslosenquote717,8 17,6 17,8 16,5 14,4 13,7

Arbeitslosenquote gemäß BA-Definition818,5 18,4 18,7 17,3 15,3 14,5

1Berechnet als Durchschnitt der Monatswerte. – 2 Personen, die keine voll sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben, jedoch nachdem Labour-Force-Konzept als Erwerbstätige zählen, wenn sie wenigstens eine Wochenstunde arbeiten. – 3Ohne Zusatzjobs der optierendenKommunen. – 4Gründungszuschüsse, Existenzgründungszuschüsse, Überbrückungsgeld und Einstiegsgeld. – 5Bevölkerung im Alter von 15bis 64 Jahren. – 6Erwerbstätige Inländer in % der Erwerbsfähigen. – 7Arbeitslose in % der inländischen Erwerbspersonen (Erwerbstätige In-länder einschließlich Arbeitsloser). – 8Arbeitslose in % aller zivilen Erwerbspersonen. – 9Definition der ILO. – 10Erwerbslose in % der inländi-schen Erwerbspersonen (Erwerbstätige Inländer einschließlich Erwerbsloser). – 11Westdeutschland: alte Bundesländer ohne Berlin, Ost-deutschland: neue Bundesländer einschließlich Berlin. – 12Ab 2007: Schätzung der Institute auf Basis der Länderergebnisse der Erwerbstäti-genrechnung von Februar/März 2007.Quellen: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; Arbeitskreis Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder (Rechen-stand:Februar/März 2007);2007 und 2008:Prognose der Institute. GD Herbst 2007

Tabelle 3.13

Page 52: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

märkten der steuerliche Gewinn einiger Banken deut-märkten der steuerliche Gewinn einiger Banken deut-lich sinken dürfte. Die Steuereinnahmen insgesamtwerden um 9,1 % expandieren.28 Dagegen werden dieEinnahmen aus Sozialbeiträgen stagnieren. Zwarnimmt die sozialversicherungspflichtige Beschäfti-gung merklich zu, doch ist der durchschnittliche Bei-tragssatz zur Sozialversicherung im Jahresdurch-schnitt per saldo um 1,3 Prozentpunkte geringer als imVorjahr. Alles in allem legen die Einnahmen des Staa-tes um 4,9 % zu.

Die Ausgaben des Staates steigen in diesem Jahrmerklich schwächer als die Einnahmen; sie werdenum 1 % erhöht. Dies beruht zu einem großen Teil aufdem Rückgang der monetären Sozialleistungen. Maß-geblich sind die Abnahme der Arbeitslosigkeit und –damit einhergehend – die geringeren Zahlungen fürArbeitslose. Ausgabensteigernd wirkt hingegen, dassdie Renten zur Mitte des Jahres um 0,54 % angehobenwurden; zudem ist die Umstellung des Erziehungsgel-des auf das Elterngeld mit Mehrausgaben verbunden.

Die Ausgaben für Vorleistungskäufe und sozialeSachleistungen werden verstärkt zunehmen; hierschlägt auch die Anhebung des Regelsatzes der Mehr-wertsteuer zu Buche. Auch legen die Arbeitnehmer-entgelte trotz des fortgesetzten Personalrückgangsleicht zu, denn die Beschäftigten im öffentlichenDienst erhalten in diesem Jahr Einmalzahlungen, dieu.a. nach Besoldungsstufe und Beschäftigungsverhält-nis differenziert sind. Schließlich werden die Bruttoin-vestitionen des Staates erneut kräftig aufgestockt.Ausschlaggebend hierfür ist, dass Städte und Gemein-den den über Jahre aufgestauten Bedarf an Infra-strukturinvestitionen abbauen; zudem schlägt die Er-höhung des Regelsatzes der Mehrwertsteuer zu Bu-che.

Die Zinsausgaben des Staates nehmen kräftig zu. Ne-ben der im Vorjahr gestiegenen Neuverschuldungwirkt sich aus, dass der durchschnittlich zu zahlendeZins auf Staatsschulden steigen dürfte. In den vergan-genen Jahren hatte er sich verringert, weil das Zinsni-

52

1991 bis 2008; in Relation zum nominalen BIP in %

Staatseinnahmen StaatsausgabenFinan-

zierungs-saldo

Nach-richtlich:

Zinssteuer-quote2Insgesamt

darunter:Insgesamt

darunter:

Steuern Sozial-beiträge

Zins-ausgaben

Brutto-investitionen

1991 43,4 22,0 16,8 46,3 2,7 2,6 –2,9 12,2

1992 44,8 22,4 17,2 47,2 3,1 2,8 –2,5 14,1

1993 45,2 22,4 17,7 48,2 3,2 2,7 –3,0 14,3

1994 45,6 22,3 18,2 47,9 3,2 2,5 –2,3 14,2

1995a

44,9 21,9 18,3 48,1 3,5 2,2 –3,2 15,9

1996 46,0 22,4 19,0 49,3 3,5 2,1 –3,3 15,5

1997 45,7 22,2 19,2 48,4 3,4 1,8 –2,6 15,3

1998 45,9 22,7 18,9 48,0 3,4 1,8 –2,2 14,8

1999 46,6 23,8 18,7 48,1 3,1 1,9 –1,5 13,2

2000b

46,4 24,2 18,3 47,6 3,2 1,8 –1,2 13,0

2001 44,7 22,6 18,2 47,6 3,1 1,7 –2,8 13,5

2002 44,4 22,3 18,2 48,1 2,9 1,7 –3,7 13,1

2003 44,5 22,3 18,3 48,5 3,0 1,6 –4,0 13,3

2004 43,3 21,8 17,9 47,1 2,8 1,4 –3,8 13,0

2005 43,5 22,0 17,7 46,9 2,8 1,4 –3,4 12,7

2006 43,8 22,8 17,3 45,4 2,8 1,4 –1,6 12,2

2007 44,1 23,9 16,5 44,0 2,8 1,5 0,1 11,6

2008 43,6 23,7 16,3 43,3 2,7 1,5 0,3 11,4

1In der Abgrenzung der VGR. – 2Zinsausgaben des Staates in Relation zum Steueraufkommen. – aOhne Vermögenstransfers im Zusammen-hang mit der Übernahme der Schulden der Treuhandanstalt und der Wohnungswirtschaft der ehemaligen DDR (per saldo 119,6 Mrd. €). –bOhne Erlöse aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen (50,8 Mrd. €).Quellen:Statistisches Bundesamt;Berechnungen der Institute;2007 und 2008:Prognose der Institute. GD Herbst 2007

Tabelle 3.14

28 Dabei ist berücksichtigt, dass inländischen Anteilseignern ausländischer Kapitalgesellschaften im Prognosezeitraum (und wohl auch nochdanach) gemäß einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs Körperschaftsteuer erstattet wird, die bis zum Jahr 2000 in den damaligenEU-Staaten gezahlt und entsprechend dem damals geltenden deutschen Körperschaftsteuersystem nicht erstattet worden war.

Page 53: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

veau gesunken war und zudem hoch verzinsliche,langfristige Schulden durch kurzfristige, geringer ver-zinsliche ersetzt worden waren.

Im Jahr 2008 werden die Einnahmen des Staates um2,5 % steigen und damit nicht mehr so kräftig wie inden zwei Jahren zuvor. Zwar legt die Lohnsteuer mit

dem anhaltenden Beschäftigungsaufbau und deutlichsteigenden Löhnen kräftig zu, doch führt die zu Be-ginn des Jahres in Kraft tretende Reform der Unter-nehmensbesteuerung zu Steuerausfällen, die sichnach Berechnungen des Bundesministeriums der Fi-nanzen auf 6,6 Mrd. Euro belaufen. Die Sozialbeiträ-ge werden um 2,4 % zunehmen. Der Anstieg bleibt

53

Haushaltsentlastungen (+) und Haushaltsbelastungen (-) in Mrd. € gegenüber 2006

2007 2008

Abgaben 18,43 13,94

Anhebung des Regelsatzes der Umsatzsteuer von 16 auf 19 %322,75 23,33

Erhöhung des Regelsatzes der Versicherungsteuer von 16 auf 19 % 1,74 1,65

Anhebung des Einkommensteuerspitzensatzes für nichtgewerbliche Einkünfte über 250.000/500.000 für Ledige/Verheiratete von 42 auf 45 % 0,13 0,78

Reform der Unternehmensbesteuerung 2008 – –6,64

Befristete Anhebung der degressiven Abschreibung für bewegliche Anlagegüter –2,66 –3,75

Anhebung der Grenzen für die Umsatz-Ist-Besteuerung 0,98 1,23

Erweiterte Absetzbarkeit von haushaltsnahen Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungs-aufwendungen in Privathaushalten –0,77 –0,77

Absetzbarkeit von erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten sowie erwerbsbedingten Pflege- undBetreuungskosten –0,40 –0,40

Eindämmung von missbräuchlichen Steuergestaltungen und von Umsatzsteuerbetrug 0,87 1,06

Beschränkung der Verlustverrechnung von Steuerstundungsmodellen 1,07 1,59

Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm 0,60 1,03

Streichung der Pendlerpauschale für die ersten 20 km 1,27 2,53

Reduzierung des Sparerfreibetrags von 1 370 (2 740 für Verheiratete) auf 750/1 500 0,63 0,75

Einführung einer Biokraftstoffquote 1,07 0,93

Weitere Steuerrechtsänderungen40,24 0,46

Reduktion des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung um 2,3 %-Punkte zum 1.1.2007 undum 0,3 %-Punkte zum 1.1.2008 –17,80 –20,20

Anhebung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung5 um 0,4 %-Punkte zum 1.1.2007 3,05 3,15

Erhöhung des durchsch. Krankenkassenbeitragssatzes5 im Jahr 2007 um 0,6 %-Punkte 5,40 6,05

Anhebung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung5 um 0,25 %-Punkte zum 1.7.2008 – 0,90

Begrenzung der Sozialbeitragsfreiheit für Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge und Erhöhungder Pauschalabgabe für geringfügig Beschäftigte im gewerblichen Bereich 0,26 0,26

Ausgaben 1,92 –2,70

Abschaffung der Eigenheimzulage 1,27 2,01

Kürzung von Subventionen 0,40 0,20

Aufstockung sozialer Leistungen6–0,97 –2,91

Änderungen der Anspruchsvoraussetzungen beim ALG-II für 18 bis 25-Jährige 0,40 0,40

Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung 0,42 0,42

GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz 1,40 1,80

Aufstockung der Leistungen der Pflegeversicherung – –0,50

Aufstockung der Forschungsausgaben –0,50 –1,00

Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und die Betreuungsinfrastruktur („Krippenplätze“) –0,50 –1,50

Förderprogramm für Klimaschutz und Energieeffizienz – –0,87

Aufstockung der Entwicklungshilfe – –0,75

Insgesamt 20,35 11,25

1Ohne makroökonomische Rückwirkungen. – 2Ohne Berücksichtigung der finanziellen Auswirkungen von Maßnahmen, die schon früher inKraft getreten sind, wie z.B. die Kürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld, die Verringerung der Eigenheimzulage, die Wirkung des Al-tersvorsorgeanteils (Riester-Treppe) und des Nachhaltigkeitsfaktors bei der Rentenversicherung sowie ohne „heimliche“ Steuererhöhungen.– 3Entstehungsmäßig; in finanzstatistischer Abgrenzung beläuft sich das Mehraufkommen im Jahr 2007 auf 19,4 Mrd. €. – 4BeispielsweiseEinschränkung der Absetzbarkeit der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer, Neuregelung der Besteuerung von Energieerzeugnis-sen und Änderung der Stromsteuer, Erhöhung der Vorsteuerpauschale für land- und forstwirtschaftliche Umsätze u.a. – 5Nach Abzug derMehrausgaben des Staates für Beiträge von Empfängern sozialer Leistungen an den jeweiligen Sozialversicherungszweig. – 6Anhebung desArbeitslosengeldes II in den neuen Bundesländern auf Westniveau, Einführung eines einkommensabhängigen Elterngelds – saldiert mit Er-ziehungsgeld, Erhöhung der Ausbildungsbeihilfen und Einführung von Eingliederungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose sowie für ältereMenschen.Quellen:Bundesministerium der Finanzen;Berechnungen und Schätzungen der Institute. GD Herbst 2007

Tabelle 3.15

Page 54: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

deutlich hinter dem der Bruttolöhne und -gehälter zu-rück, zumal der durchschnittliche Beitragssatz zur So-zialversicherung leicht sinkt; der Beitragssatz zur Ar-beitslosenversicherung soll nach den derzeitigen Pla-nungen zu Beginn des Jahres um 0,3 Prozentpunktereduziert, der zur Pflegeversicherung zur Jahresmitteum 0,25 Prozentpunkte angehoben werden.

Die Ausgaben des Staates werden im kommendenJahr etwas stärker als in den Vorjahren steigen, undzwar um 1,9 %. Angesichts des kräftig steigendenSteueraufkommens wird der restriktive Ausgaben-kurs aufgegeben. So werden die laufenden Sachauf-wendungen insbesondere im Verteidigungsetat undim Bereich Bildung und Forschung gesteigert. Auchdie Arbeitnehmerentgelte werden kräftig zunehmen.Der Tarifvertrag für die Länder sieht eine Lohnerhö-hung um 2,9 % vor; in den übrigen Bereichen ist mitähnlichen Abschlüssen zu rechnen. Hingegen werdenEinmalzahlungen entfallen. Darüber hinaus ist in ein-zelnen Bereichen mit einer Ausweitung des Personal-bestandes zu rechnen. Zudem expandieren die sozia-len Sachleistungen kräftig; hier schlägt zu Buche, dassdie Leistungen der Pflegeversicherung aufgestocktwerden. Die monetären Sozialleistungen werden imkommenden Jahr wieder zunehmen. Zwar werden dieAusgaben für Arbeitslosengeld und ArbeitslosengeldII infolge des Rückgangs der Arbeitslosigkeit sinken,doch werden die Altersrenten voraussichtlich deutlichangehoben; dabei wirkt der Nachhaltigkeitsfaktor einweiteres Mal rentenerhöhend. Zudem werden zusätz-liche Eingliederungsmaßnahmen für Langzeitarbeits-lose eingeführt und die Ausbildungsbeihilfen aufge-stockt. Die öffentlichen Bruttoinvestitionen werdenauch im Jahr 2008 deutlich ausgeweitet, denn die Fi-nanzlage der Gemeinden ist nach wie vor günstig. Deraufgestaute Erneuerungsbedarf bei öffentlichen In-vestitionsgütern wird nur langsam abgebaut. Investi-tionserhöhend wirkt dabei der Ausbau der Infrastruk-tur für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren.

Der Haushaltsüberschuss des Staates wird im kom-menden Jahr in Relation zum nominalen Bruttoin-landsprodukt von 0,1 auf 0,3 % steigen. Allerdingswird das strukturelle Defizit anders als in den Vorjah-ren zunehmen. Zum einen kommt es zu Minderein-nahmen infolge der Reform der Unternehmensbe-steuerung, zum anderen wird der Ausgabenkurs gelo-ckert. Alles in allem ist die Finanzpolitik im Jahr 2008leicht expansiv ausgerichtet.

54

Page 55: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer robus-ten konjunkturellen Verfassung. Zwar wirken diedurch die Immobilienkrise ausgelöste schwächere Ex-pansion in den USA und die damit im Zusammen-hang stehenden Turbulenzen an den Finanzmärktendämpfend, doch dürfte dies nach Einschätzung der In-stitute in Deutschland keinen Abschwung auslösen.Vielmehr stehen die Chancen nicht schlecht, dass sichder Aufschwung fortsetzt. Die Aussichten bleibenzum einen günstig, weil die Weltwirtschaft weiterhinkräftig wachsen dürfte. Zum anderen haben sich diebinnenwirtschaftlichen Wachstumsbedingungen inden vergangenen Jahren verbessert, wozu auch dieWirtschaftspolitik beigetragen hat.

Die Finanzpolitik hat den Ausgabenanstieg eng be-grenzt, so dass die Staatsausgaben in Relation zum no-minalen Bruttoinlandsprodukt in den vergangenenJahren gesunken sind und in diesem Jahr voraussicht-lich auf 44,0 % zurückgehen (Tabelle 3.14). Damitdürfte sie das trendmäßige Wachstum gestärkt haben.Empirische Studien weisen darauf hin, dass hoheStaatsquoten, insbesondere wenn sie mit einem hohenAnteil konsumtiver Staatsausgaben einhergehen, sichauf mittlere Frist negativ auf das Wachstum auswir-ken.29 Zudem wurden Steuervergünstigungen abge-baut, Steuersätze gesenkt und die Tragfähigkeit dersozialen Sicherungssysteme erhöht. Negativ auf diegesamtwirtschaftliche Expansion dürfte sich aber aus-gewirkt haben, dass die Konsolidierung zu Lasten derinvestiven Ausgaben erfolgte.

Im Bereich der Arbeitsmarktpolitik steht eine ab-schließende Evaluierung der Maßnahmen der vergan-genen Jahre zwar noch aus, der anhaltend kräftige Ab-bau der Arbeitslosigkeit, große Fortschritte bei derVerringerung der Langzeitarbeitslosigkeit und diewieder wachsende Erwerbsbeteiligung älterer Arbeit-nehmer sind aber Indizien für positive Wirkungen.Kräftig zugenommen hat vor allem die Zahl der so-zialversicherungspflichtig Beschäftigten. Sie war zu-letzt (saisonbereinigt) um fast 800 000 größer als imTiefpunkt am Jahresende 2005. Damit ist sie kräftigergestiegen als während des gesamten Aufschwungs inden neunziger Jahren. Dazu hat auch die moderateLohnentwicklung beigetragen. Der Anstieg der Löh-ne blieb einige Jahre unter der beschäftigungsneutra-len Rate, die sich aus dem trendmäßigen Produktivi-tätswachstum und der trendmäßigen Inflation ergibt.Daran hatten auch die Arbeitsmarktreformen Anteil.

Es kommt nun darauf an, dass die Wirtschaftspolitiksich von der guten Konjunktur nicht zu dem Schlussverleiten lässt, sie hätte genug für die Förderung desWachstums getan. Sie kann zwar zyklische Verlangsa-mungen nicht verhindern, sie hat es aber in der Hand,das trendmäßige Wachstum zu beeinflussen. Dazumüssen alle Politikbereiche beitragen.

Will die Finanzpolitik das strukturelle Defizit abbau-en und einen über den Zyklus annähernd ausgegliche-nen Haushalt erreichen, muss die Haushaltskonsoli-dierung fortgesetzt werden. Dies kann ihr gelingen,wenn sie den Ausgabenanstieg weiterhin begrenzt aufeine Rate, die deutlich unterhalb des Wachstums desnominalen Bruttoinlandsprodukts liegt. Bei den kon-sumtiven Staatsausgaben müssen dazu Begehrlichkei-ten abgewiesen werden, die aufgrund der augenblick-lich guten Haushaltslage aufkommen. So entstündeauch Spielraum, damit in einem konjunkturellen Ab-schwung die automatischen Stabilisatoren wirkenkönnen, ohne dass erneut hohe Haushaltsfehlbeträgeauflaufen oder gar ein übermäßiges Defizit entsteht.Um die Wachstumskräfte zu stärken, müssen zugleichdie investiven Staatsausgaben gesteigert werden.Zwar nehmen die öffentlichen Investitionen seit 2006stärker zu als das Bruttoinlandsprodukt, gemessen andem beträchtlichen Nachholbedarf im Bereich der In-frastruktur sind sie aber nach wie vor gering. Spiel-raum für höhere investive Ausgaben – also eine quali-tative Konsolidierung – kann geschaffen werden,wenn Steuervergünstigungen und Finanzhilfen weiterverringert werden. Hier sind die Möglichkeiten beiweitem noch nicht ausgeschöpft. Handlungsbedarfbesteht weiterhin bei der Unternehmensbesteuerung,wo die 2008 in Kraft tretende Reform weit hinter denVorschlägen aus der Wissenschaft zurückbleibt, nachdenen ein einfaches, transparentes und entschei-dungsneutrales Steuersystem geschaffen werdensoll.30 Zudem wird die Belastung der Einkommendurch die Einkommensteuer zunehmen, weil die Steu-erprogression verstärkt greift. Wenn auch für eine„große Steuerreform“, die in der Vergangenheit vonZeit zu Zeit erforderlich war, um insbesondere dieseinflationsbedingten Progressionswirkungen zu korri-gieren, in der näheren Zukunft wohl nicht die budge-tären Spielräume vorhanden sein werden, so sollte dasBelastungsniveau zumindest nicht weiter steigen. Be-reits kurzfristig kann die Abgabenbelastung dadurchreduziert werden, dass der Beitragsatz zur Arbeitslo-senversicherung stärker gesenkt wird als von der Bun-desregierung geplant.

55

29 So findet der Sachverständigenrat in seinem Jahresgutachten 2002/2003 in einer internationalen Panel-Studie einen negativen Zusammen-hang zwischen Wachstum und Höhe der Staatsquote. Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung(2002), Zwanzig Punkte für Beschäftigung und Wachstum. Jahresgutachten 2002/03. Stuttgart: Metzler-Poeschel. Für einen Literaturüberblickvgl. Temple, J. (1999), The new Growth Evidence. Journal of Economic Literature 37: 145–146.30 Vgl. Arbeitsgemeinschaft Frühjahr 2006, 56–57.

Page 56: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

Eine Fortsetzung des notwendigen Konsolidierungs-kurses ist derzeit allerdings nicht zu erkennen. Im Ge-genteil: die konsumtiven Staatsausgaben werden 2008voraussichtlich wieder verstärkt aufgestockt. Alles inallem dürfte die Finanzpolitik 2008 nach Einschätzungder Institute – gemessen an den diskretionären Maß-nahmen – expansiv ausgerichtet sein. Dazu trägt zwarauch die Unternehmensteuerreform bei, was mitBlick auf die von ihr zu erwartenden positiven Wachs-tumswirkungen wohl noch hinzunehmen wäre. Derexpansive Impuls geht aber darüber hinaus. Dabeidarf man sich nicht davon blenden lassen, dass derStaatshaushalt 2007 und 2008 einen Überschuss auf-weisen dürfte. Die Verbesserung des Budgetsaldos istüberwiegend auf die gute Konjunktur zurückzufüh-ren.

In der Arbeitsmarktpolitik findet der Reformkurs dervergangenen Jahre keine Fortsetzung, und dies, ob-wohl die strukturelle Arbeitslosigkeit immer nochhoch ist. Vielmehr wird derzeit eher über ein Zurück-drehen bei den bisherigen Reformen diskutiert. Sowird erwogen, die Zeitarbeit, auf die ein wesentlicherAnteil des jüngsten Beschäftigungsaufbaus entfällt,wieder stärker zu reglementieren und die Bezugsdau-er von Arbeitslosengeld, die erst mit den Hartz-Refor-men verkürzt wurde, für ältere Arbeitnehmer wiederzu verlängern. Zudem wurden in einigen „sensitiven“Sektoren Mindestlöhne bereits eingeführt oder ihreEinführung steht unmittelbar bevor. Ferner wurdenwieder Programme eingeführt, mit denen zulasten desSteuerzahlers subventionierte Arbeitsplätze für Pro-blemgruppen des Arbeitsmarktes geschaffen werdensollen, obwohl frühere Evaluierungen dieser Form derArbeitsmarktpolitik kein gutes Zeugnis ausstellen.Erforderlich sind dagegen weitere Maßnahmen, dieinsbesondere im Niedriglohnbereich die Anreize fürArbeit erhöhen und die dauerhafte Integration in denArbeitsmarkt verbessern.31 Modelle, wie dies im Ein-zelnen geschehen könnte, wurden u.a. vom Sachver-ständigenrat und den Wirtschaftsforschungsinstitutenvorgelegt.32 Dies würde dazu beitragen, dass sich derbeschäftigungsorientierte Kurs der Lohnfindung fort-setzen würde.

Die Löhne dürften, orientiert man sich an den bisheri-gen Tarifabschlüssen, im kommenden Jahr mit einerRate steigen, die im Großen und Ganzen beschäfti-gungsneutral ist. Diese Rate wird bei 2,5 bis 3 % gese-hen. Gefährdet wird die moderate Lohnentwicklungallerdings von zwei Seiten. Zum einen gewinnen of-fenbar Berufsgewerkschaften an Einfluss, womit dieLohnfindung auf eine Ebene verlagert würde, die zutendenziell höheren Lohnabschlüssen führt. Zum an-

deren hat sich die Inflation in Deutschland zuletzt be-schleunigt. Damit ist nicht auszuschließen, dass in denTarifrunden des kommenden Jahres härter um einenKaufkraftausgleich gerungen wird. Werden deshalbhöhere Lohnzuwächse vereinbart, dürfte dies den Be-schäftigungsaufbau gefährden. Denn die höherenEnergie- und zum Teil auch Lebensmittelpreise sindim Wesentlichen die Folge steigender Weltmarktprei-se, so dass der kräftige Preisanstieg keinen höherenVerteilungsspielraum begründet.

Die Europäische Zentralbank steht bei weiter beste-henden Inflationsrisiken einerseits, der immer nochanhaltenden Verunsicherung der Finanzmärkte undhöheren Risiken für die Konjunktur andererseits voreiner schwierigen Abwägung. Ersteres würde dafürsprechen, dass sie die geldpolitischen Zügel anzieht,um aufkeimenden Inflationsgefahren entgegenzutre-ten, zumal die Liquiditätsausstattung im Euroraumimmer noch reichlich ist. Die derzeit labile Lage derFinanzmärkte und höhere Konjunkturrisiken spre-chen indes für eine abwartende Geldpolitik. Von da-her dürfte die EZB ihren Leitzins fürs Erste unverän-dert lassen. Um steigenden Inflationserwartungenentgegen zu treten, dürfte die EZB ihre schon für denSeptember 2007 angekündigte Zinsanhebung in derzweiten Hälfte kommenden Jahres nachholen.

Die Finanzpolitik in Deutschland kann auf einige Er-folge verweisen. So wurde in den vergangenen Jahrender Anstieg der Staatsausgaben eng begrenzt, und dieStaatsquote sank spürbar. Dabei wurden per saldoauch Finanzhilfen und Steuervergünstigungen verrin-gert. Daneben ging die Belastung durch Sozialbeiträ-ge zurück. Insgesamt ist man dem Ziel eines struktu-rell ausgeglichenen Haushalts nahe gekommen.

Dennoch bleibt die Finanzpolitik auf zahlreichen Ge-bieten gefordert. Dabei geht es nicht um konjunktur-politisch motivierte Maßnahmen wie etwa die Reakti-on auf die zu erwartende leichte Abschwächung dergesamtwirtschaftlichen Expansion in Deutschland;um konjunkturelle Schwankungen abzumildern,reicht es in der Regel aus, die automatischen Stabilisa-toren wirken zu lassen. Vielmehr sollte eine Strategieim Vordergrund stehen,mit der das Wachstum und dieBeschäftigung mittelfristig gefördert werden. Ele-mente einer solchen Strategie haben die Institute infrüheren Gutachten wiederholt beschrieben.33 Dem-nach sollte die „qualitative Konsolidierung“ der öf-

56

31 Eine abweichende Meinung dazu vertritt das Konsortium IWH/IMK/WIFO; vgl. dazu Fußnote 42.32 Einen Überblick über verschiedene Ansätze findet man in der Sonderausgabe des ifo Schnelldienst 60 (4): Reformkonzepte zur Erhöhungder Beschäftigung im Niedriglohnbereich.33 Vgl. Arbeitsgemeinschaft Frühjahr 2007, 53–55.

Page 57: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

fentlichen Haushalte Vorrang haben. Dabei geht es inder Ausgabenpolitik um eine verstärkte Ausrichtungauf wachstumsfördernde Maßnahmen, also auch umeine Umschichtung von konsumtiven Ausgaben hinzu Investitionen in Sach- und Humankapital; bedenk-lich ist nämlich, dass die Nettoinvestitionen des Staa-tes in den vergangenen Jahren wiederholt gesunkensind. In dem Maße, wie die Staatsquote verringertwird, sollte die Belastung durch Steuern und Sozialab-gaben gesenkt werden; Bedingung ist dabei, dass derHaushalt strukturell ausgeglichen ist. Die Politik soll-te einhergehen mit einer Abnahme der Schuldenquo-te auf ein Niveau, das mit der langfristigen Tragfähig-keit der öffentlichen Finanzen vereinbar ist.An diesenMaßstäben sollte sich die Finanzpolitik messen lassen.Die Strategie der qualitativen Konsolidierung zieltalso nicht auf eine Rückführung des Budgetdefizitsper se. Denn ob eine Finanzpolitik gut oder schlechtist, kann nicht an der Höhe der Neuverschuldung fest-gemacht werden; beispielsweise kann man einenHaushalt dadurch ausgleichen, dass man die Steuernerhöht, was wachstumsschädlich sein dürfte.

Für eine mittelfristig ausgerichtete Strategie ist derZeitpunkt günstig. Denn anders als in den Jahren 2002bis 2005 geht es nicht mehr darum, kurzfristig Maß-nahmen zu ergreifen, um ein übermäßiges Budgetde-fizit zu vermeiden und dabei gleichzeitig auf eine labi-le Konjunktur Rücksicht zu nehmen. Die Institute hal-ten für die nächsten Jahre eine Politik für wünschens-wert und machbar, die das Wachstum fördert. Sie be-zieht sich vor allem auf die weiterhin erforderlicheKonsolidierung der öffentlichen Haushalte, die Sen-kung der Sozialabgaben und den Verzicht auf Steuer-erhöhungen. Für eine Stärkung der Wachstumskräftestellen die vorgeschlagenen Maßnahmen eine Min-destanforderung dar. Doch kann und sollte die Politikdurchaus ehrgeizig sein. Auch wenn eine durchgrei-fende Steuersenkung aus heutiger Sicht unrealistischscheint, weil sie von der Politik derzeit mehrheitlichnicht gewünscht wird, sehen die Institute darin nachwie vor einen wesentlichen Beitrag für ein höheresPotentialwachstum und für eine höhere Beschäfti-gung in Deutschland.

Manchen Beobachtern mag es unrealistisch erschei-nen, wenn gefordert wird, dass das Budget annäherndausgeglichen sein soll, während gleichzeitig Steuerngesenkt und investive Ausgaben des Staates erhöht

werden. Allerdings ist es – wie die nachstehendenAusführungen zeigen – durchaus möglich, Fortschrittebei allen drei Zielen zu machen, zumal sich die Finanz-lage des Staates erheblich günstiger darstellt als nochvor wenigen Jahren. Dies erfordert aber eine Strate-gie, die der Staat für eine längere Zeit durchhaltenmuss, indem er Ausgabendisziplin zeigt. Vorausset-zung für das Gelingen ist, dass der Anstieg der Staats-ausgaben begrenzt wird. So haben sich die Institutewiederholt dafür ausgesprochen, einen Pfad für diekonjunkturunabhängigen Staatsausgaben festzule-gen. Die konjunkturabhängigen Ausgaben, die im We-sentlichen die Ausgaben der Bundesagentur für Ar-beit und die ALG-II-Ausgaben umfassen, sollten da-gegen mit der Konjunktur „atmen“ können; dies stelltsicher, dass die automatischen Stabilisatoren wirkenkönnen.34

Um Spielraum für höhere investive Ausgaben und fürSteuersenkungen zu erhalten, sollte der Anstieg derAusgaben flacher verlaufen als der des mittelfristigen(nominalen) Produktionspotentials. Schätzungen zu-folge wächst diese Größe in Deutschland um rund 3 %pro Jahr. Wenn beispielsweise die genannten Staats-ausgaben mittelfristig um 2 % pro Jahr stiegen, würdedie Staatsquote zunächst jährlich um knapp einen hal-ben Prozentpunkt sinken. Die Ausgabenpolitik be-fand sich in den vergangenen Jahren auf einem Kurs,der noch ehrgeiziger war. Dies war indes auch deshalberforderlich, weil erhebliche Anstrengungen notwen-dig waren, um die damals hohen Budgetdefizite zuverringern. Alles in allem bedeutet der vorgeschlage-ne Ausgabenpfad keineswegs, dass der Staat einendrastischen Sparkurs fährt und die konsumtiven Aus-gaben gekürzt werden müssten; sie könnten vielmehrweiterhin steigen.

Bei einem Anstieg der konjunkturunabhängigen Aus-gaben um 2 % und einer Elastizität der Staatseinnah-men von reichlich 0,9 würde der Budgetsaldo jährlichum rund 10 Mrd. Euro steigen. Dies wäre der Spiel-raum, der sich allein aus der Umsetzung der vorge-schlagenen qualitativen Konsolidierungsstrategie er-gäbe. Der Überschuss könnte, sofern das Budgetstrukturell ausgeglichen ist, beispielsweise dazu ver-wendet werden, die investiven Ausgaben des Staatesauszuweiten, was ein Ziel der Bundesregierung ist.Verwendete man Jahr für Jahr die gesamten 10 Mrd.Euro dafür, könnte die Investitionsquote des Staatesum knapp einen halben Prozentpunkt angehobenwerden.35 Alternativ könnte der Überschuss dafür ge-nutzt werden, die Steuerbelastung zu senken oder sie

57

34 Eine auf Ausgabenzielen basierende Haushaltspolitik wurde in den USA mit dem Budget Enforcement Act in den Neunzigerjahren erfolg-reich praktiziert, während die Haushaltspolitik zuvor mit dem Gramm-Rudman-Hollings Act, der wie der Stabilitäts- und Wachstumspakt aufder Vorgabe von jährlichen Defizitzielen basierte, gescheitert war. Auch die in Westdeutschland in den achtziger Jahren praktizierte Konsoli-dierungsstrategie, die sich auf im Finanzplanungsrat vereinbarte Ausgabenziele stützte, war insgesamt erfolgreich. Vgl. Gebhardt, H. (2001).Konsolidierungskurs durch Ausgabenziele sichern. RWI : Konjunkturberichte 52 (2): 125–168.35 Die öffentlichen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung betragen in Relation zum Bruttoinlandsprodukt weniger als 1 %. Zusam-men mit den privaten Aufwendungen liegen sie bei rund 2,5 % und damit immer noch unter dem Lissabon-Ziel von 3 %.

Page 58: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

zumindest nicht steigen zu lassen. Die „heimlichenSteuererhöhungen“, die nach dem Vorschlag der In-stitute vermieden werden sollten, belaufen sich der-zeit auf rund 5 Mrd. Euro pro Jahr. Wollte man darü-ber hinaus die Steuern generell senken, könnte derrestliche Betrag von 5 Mrd. Euro dafür genutzt wer-den.

Der Spielraum für die qualitative Konsolidierungwäre größer, wenn der Ausgabenpfad flacher ange-setzt würde und damit zusätzliche Einsparpotentialegenutzt würden. Vorschläge hierzu haben viele Öko-nomen immer wieder vorgelegt, darunter auch die In-stitute. Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen gehörenneben dem Abbau von Subventionen die Verminde-rung und effiziente Ausgestaltung von arbeitsmarkt-politischen Maßnahmen, der Abbau von Privilegienbei der Beamtenversorgung und der Bürokratieab-bau.

Einsparvorschläge wurden zum Teil in der Politik auf-genommen, etwa in Form der Koch/Steinbrück-Listezum Subventionsabbau.36 Diese umfasste Steuerver-günstigungen in Höhe von 83,5 Mrd. Euro und Fi-nanzhilfen von 43,9 Mrd. Euro. Zur Kürzung vorge-schlagen wurden 38,9 Mrd. Euro bzw. 38,5 Mrd. Euro,davon insgesamt 15,8 Mrd. Euro im Zeitraum 2004 bis2006. Realisiert wurde nur ein Teil des Vorschlags.Die aus dem Abbau von Steuervergünstigungenresultierenden Mehreinnahmen belaufen sich auf3,9 Mrd. Euro (2004), 1,0 Mrd. Euro (2005) und1,0 Mrd. Euro (2006); aus der Kürzung von Finanzhil-fen ergaben sich Einsparungen von jeweils rund1,5 Mrd. Euro in den Jahren 2004 bis 2006. Über dieVorschläge hinausgehend wurden allerdings einigeSteuervergünstigungen stärker reduziert oder sogarabgeschafft wie z.B. die Eigenheimzulage.37

Die Institute empfehlen, die noch nicht umgesetztenKürzungen der Koch/Steinbrück-Liste rasch vorzu-nehmen. Darüber hinaus sollten aber auch weitereSteuervergünstigungen abgebaut werden, die von ih-nen als politisch nicht kürzbar eingestuft wurden. Solässt sich z. B. die Steuerfreiheit von Sonntags-, Feier-tags- und Nachtzuschlägen aus ökonomischer Sichtnicht rechtfertigen. Eigentlich sollten alle Steuerver-günstigungen und Finanzhilfen des Bundes, der Län-der, der Gemeinden und der Bundesagentur für Ar-beit überprüft werden.

Die oben skizzierte Rechnung illustriert, dass esdurchaus einen großen Spielraum zur Senkung derSteuern und zur Ausweitung der produktiven Ausga-ben gibt. Er wird mit der Zeit sogar größer, weil die

vorgeschlagenen Maßnahmen auf mittlere Sicht dasWachstum stärken würden.

Die Ausgabenpolitik, die einige Zeit restriktiv ausge-richtet war, wird im kommenden Jahr angesichts gutgefüllter Kassen gelockert. Eine deutliche Zunahmeder konsumtiven Ausgaben ist jedoch aus konjunktur-und wachstumspolitischer Sicht äußerst problema-tisch: Konjunkturpolitisch, weil damit im Aufschwungdie gesamtwirtschaftliche Nachfrage weiter angeregtwird und die Politik prozyklisch wirkt; wachstumspoli-tisch, weil man bei den Ausgaben langfristige Bindun-gen eingeht, während die Einnahmen teilweise nurtemporär reichlicher fließen, so dass die Gefahr be-steht, dass man im nächsten Abschwung wieder beiden investiven Ausgaben kürzt. Die Politik steht un-verändert vor der Aufgabe, klare Prioritäten zu setzenund konkrete Sparvorschläge für den Fall zu machen,dass neue, „unabweisbare“ Ausgaben zu finanzierensind.

Mit Verweis auf die gute Haushaltslage wurde sogarder Ruf laut, den Ausgabenkurs noch stärker als indieser Prognose unterstellt zu lockern und dabei ins-besondere die konsumtiven Ausgaben zu steigern.Dies würde aber dem Ziel der Konsolidierung wider-sprechen. So weist der Staatshaushalt strukturell, alsoum Konjunktureinflüsse bereinigt, ein Defizit auf, dassich in Relation zum Bruttoinlandsprodukt nachSchätzungen der Institute im Jahr 2007 auf etwa 0,5 %beläuft. Auch sind die Fehlbeträge beim Bund, bei et-lichen Ländern und vielen Gemeinden immer nochhoch. Zudem liegt die Schuldenstandsquote mit64½ % in diesem und 62½ % im nächsten Jahr weiter-hin über der im Maastricht-Vertrag festgelegtenGrenze von 60 %. Ferner ist zu bedenken, dass eingroßer Teil der Abnahme des Defizits in jüngster Zeitauf einen ungewöhnlich kräftigen Anstieg der ge-winnabhängigen Steuern zurückzuführen ist – eineTendenz, die sich nicht fortsetzen wird.

Ziel der Bundesregierung muss es nach den Bestim-mungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts sein,über den Konjunkturzyklus hinweg ein annäherndausgeglichenes Budget zu erreichen. Nachdem in derPhase der konjunkturellen Schwäche (2001 bis 2004)die in das Steuer- und Transfersystem eingebauten au-tomatischen Stabilisatoren mehr oder weniger wirkenkonnten und konjunkturbedingte Haushaltsfehlbe-träge weitgehend hingenommen worden waren, müs-sen nun bei guter Konjunktur Überschüsse erzieltwerden, um über den gesamten Zyklus einen Budget-

58

36 Ausgangspunkt für die Liste war die Schätzung des Subventionsvolumens durch das Institut für Weltwirtschaft. Für eine aktuellere Schät-zung vgl. Boss, A. und A. Rosenschon (2006), Der Kieler Subventionsbericht: Grundlagen, Ergebnisse, Schlussfolgerungen. Kieler Diskus-sionsbeiträge 423. Institut für Weltwirtschaft, Kiel.37 Es wurden allerdings auch neue Steuervergünstigungen eingeführt.

Page 59: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

ausgleich zu erreichen. Würde man jetzt in denSparanstrengungen nachlassen, bestünde die Gefahr,dass sich in konjunkturellen Schwächephasen – denErfahrungen seit Anfang der siebziger Jahre entspre-chend38 – rasch wieder hohe Fehlbeträge einstellen.Zudem soll nach dem modifizierten Stabilitäts- undWachstumspakt der Abbau des strukturellen Defizitsin Jahren, in denen die gesamtwirtschaftliche Expansi-on über der trendmäßigen Zuwachsrate liegt, sogarverstärkt werden.

Die gesamtwirtschaftliche Steuerquote ist im Jahr2007 aufgrund der Erhöhung der Mehrwertsteuersprunghaft gestiegen. Sie wird nach der Schätzung desArbeitskreises „Steuerschätzungen“ mittelfristigtrotz der Unternehmensteuerreform leicht zuneh-men.39 Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dasssich die Einkommensteuerbelastung progressionsbe-dingt vergrößern wird. Zum anderen erhöht der Ab-bau von Steuervergünstigungen für sich genommendie Steuerbelastung.

Das Ausmaß der heimlichen Steuererhöhungen hängtinsbesondere von der Elastizität des Lohnsteuerauf-kommens ab, dem weitaus größten Teils des Einkom-mensteueraufkommens. Diese beträgt gegenwärtigbezogen auf die Lohnsumme knapp 1,9. Steuerpflich-tige, deren Einkommen real oder lediglich inflations-bedingt steigen, gelangen in eine höhere Progressions-stufe, wodurch die Steuerbelastung zunimmt. Unter-stellt man einen Lohnanstieg um jahresdurchschnitt-lich 3 %, belaufen sich die progressionsbedingtenSteuermehreinnahmen auf rund 4,5 Mrd. Euro proJahr. Für den Effekt auf die Arbeitsanreize ist die Ver-änderung der Steuersätze entscheidend. Beispielswei-se würde der Grenzsteuersatz eines durchschnittli-chen Lohnsteuerzahlers in den Jahren 2007 bis 2011um rund 0,8 Prozentpunkte auf 31,0 %, der Durch-schnittssteuersatz um ebenfalls 0,8 Prozentpunktesteigen.40 Auch dann, wenn man nicht nur die Einflüs-se des Steuertarifs, sondern auch die der Regeln fürdie Abzugsbeträge berücksichtigt, ist damit zu rech-nen, dass die Belastung typischer Gruppen der Be-schäftigten um knapp einen Prozentpunkt steigenwird.

Der dämpfende Effekt auf die Beschäftigung und dasBruttoinlandsprodukt hängt u.a. von der Elastizität

des Arbeitsangebots in Bezug auf den Nettoreallohnab. Einige Ökonomen schätzen die Elastizität derZahl der Arbeitsstunden in Bezug auf den Reallohnfür Frauen auf 0,3 und für Männer auf 0,2.41 Ange-sichts dieser Werte könnte ein Anstieg der Steuerbe-lastung um knapp einen Prozentpunkt zu einemRückgang des Arbeitsangebots um rund 0,2 % führen.

Zur Lösung des Problems der heimlichen Erhöhungder Einkommensteuer gibt es verschiedene Möglich-keiten. Eine wäre, jährlich per Gesetz die Abzugsbe-träge bei der Ermittlung des zu versteuernden Ein-kommens und alle Stufen des Einkommensteuertarifs(einschließlich des Grundfreibetrags) zu ändern. Eineandere Möglichkeit wäre eine automatische Anpas-sung auf dem Wege der Indexierung. Diese könntesich an der Entwicklung des Nominaleinkommensorientieren. Für jeden Steuerpflichtigen bliebe dieSteuerquote konstant, wenn sich sein Einkommen wieim Durchschnitt für alle Beschäftigten veränderte.Die Anpassung des Einkommensteuertarifs – aller-dings nur entsprechend dem Anstieg des Verbrau-cherpreisniveaus – ist in den Industrieländern keines-wegs selten. So werden in den USA seit 1981 wichtigeElemente des Einkommensteuerrechts jedes Jahr an-gepasst, nämlich die persönlichen Freibeträge, dieStandardabzüge und die Stufen des Tarifs.

Der Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherung sollnach derzeitiger Beschlusslage zum 1. Januar 2008 von4,2 % auf 3,9 % sinken. Dies hätte bei der erwartetenkonjunkturellen Entwicklung zur Folge, dass der Bud-getüberschuss der BA im Jahr 2008 rund 5 Mrd. Eurobeträgt. Vor diesem Hintergrund ist zu erwägen, denBeitragssatz stärker als vorgesehen zu senken. Dabeiist jedoch sicher zu stellen, dass man hier nicht zu weitgeht. Es muss vermieden werden, dass der Beitrags-satz in einer möglichen Schwächephase der Konjunk-tur angehoben werden muss. Dies würde prozyklischwirken. Der Beitragssatz kann aus heutiger Sicht zu-sätzlich um einen halben Prozentpunkt reduziert wer-den. Damit dürfte der Haushalt der BA 2008 einenleichten Überschuss aufweisen. Sollte die Zahl derArbeitslosen in einem Konjunkturabschwung wiedersteigen, so könnten die Defizite durch die angesam-melten Rücklagen für einige Jahre abgedeckt werden.

59

38 Die gesamtstaatliche Verschuldung ist seit den siebziger Jahren von Konjunkturzyklus zu Konjunkturzyklus gestiegen. Die Schulden-standsquote hat von 17 % im Jahr 1970 auf 67,5 % im Jahr 2006 zugenommen.39 Der Arbeitskreis Steuerschätzungen hat ohne Berücksichtigung der Unternehmensteuerreform einen Anstieg der Steuerquote von22,3 % (2007) auf 22,7 % (2011) errechnet, mit der Reform ist für 2011 eine Steuerquote von 22,5 % zu erwarten.40 Für die folgenden Berechnungen vgl. Boss, A., A. Boss und T. Boss (2006), Der deutsche Einkommensteuertarif: Weiterhin eine Wachs-tumsbremse? Kieler Arbeitspapiere 1304. Institut für Weltwirtschaft, Kiel.41 Vgl. Haan, P. und V. Steiner (2004), Distributional and Fiscal Effects of the German Tax Reform 2000. A Behavioral Microsimulation Ana-lysis. DIW Discussion Papers 419. Berlin.

Page 60: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

Die budgetären Spielräume der BA wären größer,würde die Bundesregierung im kommenden Jahrnicht auf die Reserven der Bundesagentur zurückzu-greifen. So will sie den Aussteuerungsbetrag, den dieBA für diejenigen Arbeitslosen abführen muss, die amEnde der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes nocherwerbslos sind und die dann bei Bedürftigkeit ALGII beziehen, durch einen Eingliederungsbeitrag erset-zen, der die Hälfte der Eingliederungs- und Verwal-tungskosten für ALG II-Empfänger abdecken soll.Hieraus würden sich Mehrausgaben der Bundesagen-tur in Höhe von 3 Mrd. Euro ergeben. Letztlich wür-den also die Beitragszahler zur Konsolidierung desBundeshaushalts herangezogen. Damit würde einegesamtgesellschaftliche Aufgabe, für die eigentlich dieSteuerzahler insgesamt aufkommen sollten, durcheine Abgabe allein auf das Arbeitseinkommen finan-ziert.

Für eine stärkere als die geplante Senkung des Bei-tragssatzes spricht auch, dass die Bundesregierung an-dernfalls im Prognosezeitraum ihr Ziel verfehlen wür-de, die Sozialabgabenbelastung auf weniger als 40 %der versicherungspflichtigen Entgelte zu drücken; da-mit wollte sie dazu beitragen, die Lohnnebenkostenzu verringern und den Einsatz des Faktors Arbeit at-traktiver zu machen. Die Belastung, die derzeit 40,6 %beträgt, würde sich bei der gegenwärtigen Planung imJahr 2008 kaum verringern, zumal der Satz zur Pflege-versicherung zur Jahresmitte um 0,25 Prozentpunkteangehoben wird.

Die oben genannten Vorschläge der Institute stellen –wenn auch relativ kleine – Schritte dar, wie die Finanz-politik zu mehr Wachstum und Beschäftigung beitra-gen könnte, und sie sind daher als eine Mindestanfor-derung an die Finanzpolitik in den kommenden bei-den Jahren anzusehen. Ein größerer Schritt wäre ge-tan, wenn darüber hinaus das Steuersystem grundle-gend reformiert würde und dabei die Einkommens-teuersätze spürbar gesenkt würden.

Die Bundesregierung hat solche Vorschläge aber bis-lang abgelehnt, entweder weil Steuersenkungen nichtals erforderlich angesehen oder als nicht finanzierbareingestuft werden. Will man, was wachstumspolitischgeboten ist, die Steuern und Sozialabgaben senkenund gleichzeitig die investiven Ausgaben, z.B. für eine

modernere Infrastruktur, bessere Bildungseinrichtun-gen und den Ausbau der Krippenplätze, steigern, sosollte dies durch Einsparungen bei den konsumtivenAusgaben, insbesondere – wie oben beschrieben – denFinanzhilfen des Staates geschehen. Durch eine Be-grenzung des Ausgabenanstiegs würde der Spielraumgeschaffen,um die Einkommensteuersätze zu senken.

Eine Reduktion der Einkommensteuer ohne eine ent-sprechende Kürzung der Ausgaben und der Steuer-vergünstigungen verbietet sich angesichts des Konso-lidierungsbedarfs. Es ist allerdings nicht zwingend er-forderlich, Steuersenkungen auf die Zeit zu verschie-ben, in der das strukturelle Budgetdefizit vollständigabgebaut ist. Wenn glaubwürdig versichert wird, dassEinsparpotenziale ausgeschöpft werden und der An-stieg der Ausgaben eng begrenzt bleibt, können mit-telfristig die Steuern gesenkt werden, ohne den Kon-solidierungsprozess zu gefährden. Eine grundlegendeReform des Steuersystems müsste im Übrigen – wie invergangenen Gutachten dargestellt – auch eine um-fassende Reform der Unternehmensbesteuerung ein-schließen. Die positiven Wirkungen auf das Wirt-schaftswachstum würden wiederum dazu beitragen,dass die Staatsfinanzen langfristig tragfähig sind.

Will man das Steuersystem nicht grundlegend refor-mieren, gleichwohl für alle die Steuern senken, könnteder Solidaritätszuschlag (z.B. in drei Stufen) abge-schafft werden. Dies hätte nicht – wie oft suggeriert –zur Folge,dass die Transfers zugunsten der neuen Län-der geringer als sonst ausfielen;denn das Aufkommen,das der Solidaritätszuschlag erbringt (2007: 12,6 Mrd.Euro), ist nicht zweckgebunden für die Förderung derneuen Bundesländer.

Seit mehreren Jahrzehnten ist die Arbeitslosenquotein Deutschland im Trend gestiegen. Die Reaktion derWirtschaftspolitik auf diese Entwicklung war langeZeit darauf gerichtet, die sozialen Folgen für die Ar-beitslosen abzumildern und das Arbeitsangebot zu re-duzieren. So wurden in den achtziger Jahren Frühver-rentungsmodelle gestartet und die maximale Bezugs-dauer von Arbeitslosengeld wurde verlängert. Diesführte zu einem „Teufelskreis“. Das relativ engma-schige soziale Netz führte zu geringeren Arbeitsanrei-zen, höheren Anspruchslöhnen und zu einem stärke-ren Lohnanstieg; überdies wurden die Lohnkosten

60

42 Das Konsortium IWH/IMK/WIFO vertritt die Auffassung, dass die derzeit hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland kein reines Angebots-problem ist. Ausgelöst wurden die schubartigen Erhöhungen der Arbeitslosenquote stets durch Schocks, wie die Ölpreiskrisen vergangenerJahrzehnte, oder dem Aktienmarktcrash und der wirtschaftlichen Abschwächung in den Vereinigten Staaten zu Beginn dieses Jahrzehnts. UmVerhärtungen auf dem Arbeitsmarkt zu verhindern, ist auch die Konjunkturpolitik gefragt. Gleichwohl teilt das Konsortium die Ansicht, dassarbeitsmarktpolitische Reformen individuelle Beschäftigungschancen erhöhen und mittelfristig positiv auf das Produktionspotential wirken.Deutlich höhere Bildungsinvestitionen, mit denen das Produktivitätsniveau insbesondere auch der Geringqualifizierten erhöht wird, sindnicht nur mit Blick auf die Wirtschaftskraft Deutschlands, sondern auch aus gesellschaftspolitischer Sicht einer merklich steigenden Lohn-spreizung überlegen.

Page 61: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

über steigende Abgabensätze erhöht und die Anreizefür Arbeitslose gesenkt, schnell wieder Arbeit aufzu-nehmen. Zudem wirkte ein relativ strenger Kündi-gungsschutz wohl dämpfend auf die Beschäftigungs-entwicklung.

Angesichts der dramatischen Zunahme der Arbeitslo-sigkeit wurden im vergangenen Jahrzehnt einige Re-formmaßnahmen eingeleitet, um den Arbeitsmarkt zuflexibilisieren. Beispielsweise wurden geringfügigeBeschäftigungsverhältnisse ermöglicht, die entwedergar nicht oder nur zu geringeren Sätzen der Sozialver-sicherungspflicht und der Lohnsteuer unterliegen,und der Kündigungsschutz wurde etwas gelockert.Die rot-grüne Bundesregierung hat 1999 einen Teildieser Maßnahmen wieder zurückgenommen. Als zuBeginn dieses Jahrzehnts die Arbeitslosigkeit wiederdeutlich stieg, wurde mit der Agenda 2010 und denHartz-Reformen ein neuer Anlauf unternommen, denArbeitsmarkt flexibler zu gestalten. So wurden die ge-ringfügige Beschäftigung in Form der Mini- undMidi-Jobs und die Selbständigkeit in Form derIch-AG gefördert, der Kündigungsschutz wurde fürkleine Unternehmen gelockert und die Zeitarbeitwurde weiter dereguliert.

Durch diese Reformen wurden in großem Umfang„atypische“ Beschäftigungsverhältnisse gefördert, die„Normalarbeitsverhältnisse“ wurden zunächst nurwenig berührt. Die Hartz-IV-Reformen enthaltenaber zwei Elemente, die zumindest im Ansatz dieChance bieten, die Arbeitslosigkeit im Kern stärkerzu bekämpfen:

– Durch die Integration von Arbeitslosenhilfe undSozialhilfe für Erwerbsfähige wurde das Systemverbessert, nach dem Erwerbstätige mit einem ge-ringen Arbeitseinkommen Zuzahlungen des Staa-tes beziehen, um ein höheres Gesamteinkommenzu erzielen. Die konkreten Regelungen mögen an-gesichts der hohen Transferentzugsraten nicht opti-mal sein, im Grundsatz ist es aber dadurch möglich,dass die Lohnkosten der Unternehmen besondersbei Geringqualifizierten sinken und die Arbeitneh-mer trotzdem ein sozial akzeptables Einkommenerzielen können.

– Die maximale Bezugsdauer von Arbeitslosengeldwurde auf 12 Monate beschränkt (ab einem Altervon 55 Jahren auf 18 Monate). Danach erfolgt (ab-gesehen von befristeten Zuschlägen) eine Grundsi-cherung, die unabhängig vom früheren Einkom-men ist (ALG II). Dies erhöht den Druck auf dieArbeitslosen, wieder früh aktiv eine Beschäftigungzu suchen und auch Arbeitsstellen anzunehmen,deren Entgelt oder sonstige Konditionen unter ih-rem früheren Lohn liegen.

Seit einiger Zeit wird vorgeschlagen, diese Reformenzu modifizieren oder gar ganz zurückzunehmen. Sowird gefordert, die Bezugsdauer von Arbeitslosengeldinsbesondere für Ältere zu verlängern. Außerdemwird die Meinung vertreten, dass das „Aufstocken“von niedrigen Erwerbseinkommen durch staatlicheZahlungen zur Ausbeutung des Staates durch die Un-ternehmen führe oder dass es gar mit der Menschen-würde nicht vereinbar sei, wenn Vollzeitbeschäftigteeinen staatlichen Zuschuss benötigen, um ein sozialakzeptables Gesamteinkommen zu erzielen. Notwen-dig sei deshalb die Einführung eines Mindestlohns.Von anderen wird vorgeschlagen, „vollzeitnah“ Be-schäftigten mit einem niedrigen Einkommen einenErwerbstätigenzuschlag zu zahlen und den Kinderzu-schlag zu erhöhen. Auch wird vorgeschlagen, die Er-höhung des Rentenzugangsalters wieder zu senkenoder mit mehr Ausnahmen zu versehen (Erwerbsmin-derungsrente) und die Leiharbeit stärker zu regulie-ren. Beschlossen wurde bereits, Arbeitsplätze für„Problemgruppen“ wie Jugendliche oder ältere Ar-beitslose zu subventionieren.

Auch wenn die Hartz-Reformen viele problematischeElemente enthalten und die Evaluierung ihrer Wir-kungen teilweise noch aussteht, halten die Institutediese Forderungen für bedenklich. Seit dem Frühjahr2005 ist die Zahl der Arbeitslosen saisonbereinigt umetwa 1,3 Mill. gesunken. Ein wesentlicher Teil desRückgangs dürfte zwar konjunktureller Natur sein. Esspricht jedoch manches dafür, dass die Hartz-Refor-men einen Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeitgeleistet haben, auch wenn man berücksichtigt, dassetwa 300 000 Ein-Euro-Jobs geschaffen wurden undStatistikbereinigungen stattgefunden haben. In einerBetriebsbefragung haben Unternehmen berichtet,dass Initiativbewerbungen von Arbeitslosen und dieKonzessionsbereitschaft von Bewerbern gegenüberfrüher deutlich gestiegen seien, was den Beschäfti-gungsaufbau stütze.43 Außerdem profitieren Personenüber 50 überdurchschnittlich vom Aufschwung aufdem Arbeitsmarkt. Im Verlauf des Jahres 2006 stiegz.B. die sozialversicherungspflichtige Beschäftigungvon über 50-jährigen um 4,9 %. Insgesamt hat sie nurum 1,6 % zugenommen.44 Auch dies kann plausibelmit der Hartz-IV-Reform begründet werden, da diesedie Arbeitsanreize vor allem für Ältere deutlich er-höht hat (Verkürzung der maximalen Bezugsdauervon Arbeitslosengeld und Einschränkung von Früh-verrentungsmodellen). Es ist absurd, mit Verweis aufdie bessere Kassenlage eine Revision der Reformenzu fordern,durch die diese Erfolge gefährdet würden.

Generell muss bei weiteren Reformmaßnahmen da-rauf geachtet werden, die Arbeitsanreize zu stärken,die Lohnkosten insbesondere für Niedrigqualifizierte

61

43 Vgl. A. Kettner und M. Rebien (2007), Hartz-IV-Reform – Impulse für den Arbeitsmarkt. IAB Kurzbericht 19/2007. Nürnberg.44 Bundesagentur für Arbeit (2007), Arbeitsmarktberichterstattung: Situation von Älteren auf dem Arbeitsmarkt – Erwerbstätigkeit, Beschäf-tigung und Arbeitslosigkeit. Nürnberg.

Page 62: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

weiter zu reduzieren und die Ausgaben des Staatesmöglichst nicht zu erhöhen. Deshalb ist es nicht ziel-führend, mit einer neuen Leistungskategorie „Er-werbstätigen- und Kinderzuschuss“ ein neues Trans-fersystem zu etablieren. Schon der bisherige Kinder-zuschlag verursacht hohe Verwaltungskosten, ist ver-teilungspolitisch problematisch und schwächt die Ar-beitsanreize. Die stark verbesserte finanzielle Lageder Arbeitslosenversicherung darf nicht dazu benutztwerden, neue Ausgabenprogramme zu starten. Über-schüsse sollten vielmehr für eine weitere Senkung desBeitragssatzes verwendet werden.

Beschäftigungspolitisch kontraproduktiv wären nichtnur die Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslo-sengeldes, sondern auch die Erschwerung von Leihar-beit oder die Subventionierung von Arbeitsplätzenfür bestimmte „Problemgruppen“. Wer prekäre Ar-beitsverhältnisse und eine Dualisierung des Arbeits-marktes beklagt, sollte sich darüber klar sein, dass diesdurch eine Politik verstärkt wird, die den Arbeits-markt nicht generell flexibilisiert, wie durch die allge-meine Lockerung des Kündigungsschutzes, sondernnur auf partielle Lösungen setzt wie die Förderungvon Minijobs oder Leiharbeit. Aber auch diese par-tiellen Ansätze ermöglichen es den Unternehmen, fle-xibler zu agieren und sie tragen zu einer Moderationdes Lohnanstiegs bei. Eine Rücknahme der Reformengefährdet eine weiterhin dringend erforderliche Bes-serung der Arbeitsmarktlage.

Bereits in früheren Gemeinschaftsdiagnosen wurdedie Ablehnung eines Mindestlohnes begründet. Zwarwurde nicht verkannt, dass in bestimmten Situationen(z.B. bei einem Monopson) ein Mindestlohn eine be-schäftigungssteigernde Wirkung und positive Effekteauf die Humankapitalbildung haben kann. Die über-wiegende Zahl empirischer Studien deutet jedoch aufnegative Beschäftigungseffekte von Mindestlöhnenhin.45 Die Gefahr ist sehr groß, dass im politischenEntscheidungsprozeß ein Mindestlohn festgesetztwird, der die Produktivität vieler Geringqualifizierterdeutlich überschreitet. So dürften mehr als 11 % allerArbeitnehmer in Westdeutschland und mehr als 25 %in Ostdeutschland einen Stundenlohnsatz von weni-ger als 7,50 ¤ erhalten.46 Es ist schwer vorstellbar, dassein Mindestlohn in dieser Höhe die Beschäftigungnicht verringert. Die Wirtschaftspolitik bevorzugt der-zeit branchenspezifische Mindestlohnregelungen.Durch Einbeziehung zusätzlicher Branchen in das

Entsendegesetz werden Tarifverträge, die teilweisenur von Minderheiten beschlossen werden, als allge-meinverbindlich erklärt. Dieses Vorgehen kann unterbeschäftigungs- und wettbewerbspolitischen Ge-sichtspunkten noch schädlicher sein als eine allgemei-ne Mindestlohnregelung.

Das monetäre Umfeld im Euroraum war bis vor weni-gen Wochen insgesamt günstig. Zwar wertete derEuro spürbar auf. Ein Gegengewicht bildeten aber dieim historischen Vergleich nach wie vor niedrigen No-tenbank- und Kapitalmarktzinsen, geringe Risikoprä-mien und steigende Aktienkurse. Seit Mitte Juli habensich die monetären Rahmenbedingungen allerdingsdeutlich verschlechtert. So ist es zu einer allgemeinenNeueinschätzung der Anlagerisiken gekommen, inderen Folge die Zinsdifferenzen zwischen Staatsanlei-hen und Papieren mit höherer Risikobewertung zuge-nommen haben. Auch die Aktienkurse gerieten zeit-weise unter Druck, wobei insbesondere Bankaktienbetroffen waren. Vor allem aber ist es im Interbanken-markt zu schweren Störungen gekommen. Ausgelöstwurden die Turbulenzen an den Finanzmärkten durchdie zunehmenden Zahlungsausfälle bei Hypotheken-krediten in den Vereinigten Staaten, die an Schuldnermit geringer Zahlungsfähigkeit vergeben worden wa-ren (so genanntes Subprime-Segment). Diese Ausfällehaben dazu geführt, dass die Qualität forderungsbesi-cherter Finanzpapiere, die im Zuge des stürmisch stei-genden Handels mit verbrieften Krediten bzw. Kredit-risiken in den vergangenen Jahren an Finanzinvesto-ren weltweit verkauft worden waren, zunehmend inZweifel gezogen wurde. Die erhöhte Risikowahrneh-mung übertrug sich auch auf kurzfristige besichertePapiere (Asset Backed Commercial Paper, ABCP)und längerfristige Wertpapiere, die mit anderenAssets als Hypotheken besichert sind. In der Folgeentstanden ein hohes Maß an Unsicherheit und zumTeil dramatische Wertverluste dieser Finanzanlagen,deren Ausmaß schwer zu beziffern ist, da der Handelmit diesen Papieren teilweise zum Erliegen kam. DieVerwerfungen spiegeln den Mangel an Erfahrung undWissen über die Risiken wider, die mit diesen relativneuen Finanzprodukten verbunden sind. Auch Regu-lierungslücken47 und Anreizprobleme48 mögen eineRolle gespielt haben.

62

45 Vgl. Neumark, D. and W. Wacher (2006), Minimum Wages and Employment. A Review of Evidence from the New Minimum Wage Re-search. NBER Working Paper 12663. Cambridge, MA.46 Vgl. Ragnitz, J. und M. Thum (2007), Zur Einführung von Mindestlöhnen: Empirische Relevanz des Niedriglohnsektors. ifo Schnelldienst60 (10): 33–35.47 Die jetzt in Schwierigkeiten geratenen Zweckgesellschaften dürften auch mit dem Ziel gegründet worden sein, die Bankenregulierung zuumgehen.48 Vgl. hierzu die Ausführungen im internationalen Teil auf S. 9.

Page 63: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

Unsicherheit herrscht über das Ausmaß der Kredit-ausfälle und vor allem darüber, in welchem Umfangdie Zahlungsrückstände bei Hypothekenkrediten zuForderungsausfällen führen werden. Aufgrund derzum Teil langen Verbriefungskette und komplexenZusammensetzung der Finanzprodukte sowie der ein-zuhaltenden Fristen kommt ein Forderungsausfall erstnach Monaten beim „Endgläubiger“ an.49 Unklar istangesichts des weltweiten Handels mit Kreditrisikenauch, welche Investoren letztlich diese Papiere in ih-ren Portfolios halten und ob sie die potentiellen Ver-luste verkraften können.

Da viele Banken für ein gutes Rating ihrer Zweckge-sellschaften (Conduits), die in solchen forderungsbesi-cherten Wertpapieren engagiert sind, entweder eineLiquiditätsgarantie für die Finanzierung der langfristi-gen Forderungen mit kurzfristigen Commercial Pa-pers und/oder eine Garantie für die Qualität der ver-brieften Forderungen übernommen haben, waren siesowohl vom Wertverfall dieser Forderungen als auchvom Einbruch des Marktes von besicherten Commer-cial Papers betroffen. Resultat war schließlich, dassnicht nur der Handel mit hypothekenbesichertenWertpapieren zum Erliegen gekommen ist; auch dasVertrauen der Banken untereinander hat derart gelit-ten, dass sich die Banken mit den an sich üblichen

wechselseitigen Ausleihungen kurzfristiger Liquiditätdeutlich zurückhalten. Entsprechend liegt der Zins fürDreimonatsgeld seit Mitte August erheblich über demHauptrefinanzierungssatz der EZB, zuletzt betrug erknapp 4,7 %. Die aktuellen Risikoprämien am Inter-bankenmarkt können quantifiziert werden, indem derDreimonats-EURIBOR mit dem Overnight IndexSwap (OIS) mit einer Laufzeit von drei Monaten (Ab-bildung 4.1) verglichen wird.50 Solange die Transak-tionen am Interbankenmarkt störungsfrei verlaufen,sind beide Zinssätze fast identisch und daher gleicher-maßen geeignet, die Markterwartungen über zukünf-tige Zinsschritte der EZB abzubilden. Seit Beginn derFinanzmarktturbulenzen entwickeln sich EURIBORund OIS jedoch in unterschiedliche Richtungen. Amaktuellen Rand beträgt der Risikoaufschlag desEURIBOR gegenüber dem OIS 0,7 Prozentpunkteund zeigt bislang keine Tendenz sich zurückzubilden.Ein Grund für das Auseinanderdriften ist, dass Liqui-ditäts- und Kreditrisiken bei den OIS keine Rollespielen, da Swap-Geschäfte nicht zur Bereitstellung fi-nanzieller Mittel herangezogen werden, sondern le-diglich der Absicherung von Zinsrisiken dienen. So-mit spiegeln die OIS-Zinsen vorwiegend die Erwar-tungen über den als Folge der Turbulenzen geänder-ten Kurs der EZB wider, während der Risikoaufschlagals Maß für die Verwerfungen am Geldmarkt inter-pretiert werden kann.

Trotz der Probleme an den Finanzmärkten haben sichbislang die Kosten der Unternehmensfinanzierungüber den Kapitalmarkt nicht wesentlich erhöht. Zwarsind die Renditen für Unternehmensanleihen (AAAund BBB) seit Jahresbeginn um rund 0,4 bzw. 0,6 Pro-zentpunkte gestiegen, seit Ende Juli sind sie demge-genüber nahezu unverändert. Lediglich die Renditenvon Unternehmensanleihen mit schlechterem Rating(CCC) nahmen deutlich zu, und zwar um etwa 2 Pro-zentpunkte.51 Im Gegenzug ging das Niveau der Ren-diten von Staatstiteln deutlich zurück, so dass die Dif-ferenz zwischen den Renditen von Unternehmensan-leihen und denen von Staatsanleihen im Rahmen derallgemeinen Neubewertung von Risiken spürbar zu-nahm (Abbildung 4.2). Im historischen Vergleich sinddie Risikoprämien aber immer noch nicht besondershoch; sie entsprechen ziemlich genau dem Durch-schnitt des dargestellten Zeitraums. Die erhöhte Unsi-cherheit auf den Finanzmärkten schlug sich bei denAktienmärkten in erster Linie in einer erhöhten Vola-

63

Dreimonats-EURIBOR und erwarteter Geldmarktzins2005 bis 2007

5,0 5,0

2,0 2,0

2,5 2,5

3,0 3,0

4,0 4,0

4,5 4,5

3,5 3,5

1,5 1,5

Overnight Index Swaps(3 Monate)

Mindestbietungssatz

EURIBOR (3 Monate)

2005 2006 2007JanJanJan AprAprApr JulJulJul OktOktOkt

Quelle: Europäische Zentralbank; Reuters. GD Herbst 2007

Abbildung 4.1

49 In den USA wird eine Zahlung als rückständig eingestuft, wenn der Kreditnehmer mindestens 15 Tage in Verzug ist. Nach 90 Tagen wirddie Kreditforderung als nicht eintreibbar betrachtet und der Prozess der Schuldumwandlung oder der Liquidierung setzt ein. Eine Schuldum-wandlung kann die Stundung oder Reduzierung der Zinsbelastung umfassen. Die Liquidierung erfolgt in Form einer freiwilligen Eigentums-übertragung, welche bis zu 12 Monate dauern kann, oder in Form einer Zwangsvollstreckung, die bis zu 18 Monate dauern kann (Kiff, J. andP. Mills (2007), Money for Nothing and Checks for Free: Recent Developments in US Subprime Morgage Markets. IMF Working Pa-per WP/07/188. Washington, DC, 10).50 Bei einem OIS handelt es sich um einen Tausch fester Zinszahlungen gegen variable Zinszahlungen. Am Euro-Geldmarkt ist der variableZins an den EONIA-Satz (Euro OverNight Index Average) gebunden, der einen gewichteten Durchschnitt vertraglich vereinbarter Zinssätzefür unbesicherte Tageskredite am Interbankenmarkt des Euroraums darstellt. Somit spiegelt der Zinssatz des OIS mit einer Laufzeit von dreiMonaten den von den Marktteilnehmern erwarteten durchschnittlichen Tagesgeldsatz der nächsten drei Monate wider.51 Vgl. Bank of England (2007), Quarterly Bulletin 47 (3): 355.

Page 64: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

tilität nieder, während das Kursniveau des EuroSTOXX wieder in der Nähe des historischen Höchst-standes liegt.

Ein Risiko für die gegenwärtige konjunkturelle Ent-wicklung besteht allerdings darin, dass die Banken in-folge der großen Unsicherheit oder aufgrund von Li-quiditätsproblemen auch erstklassigen Schuldnernnur zu deutlich schlechteren Konditionen Kredite ein-räumen oder es gar zu einer Kreditklemme kommenkönnte. Die Institute erwarten dies jedoch nicht. Zwarhaben sich die Vergabebedingungen für langfristigeKredite an Großunternehmen in Deutschland im drit-ten Quartal merklich verschärft. Insgesamt haben sichdie Bedingungen für Unternehmenskredite aber nursehr leicht verschlechtert, für Haushaltskredite habensie sich sogar verbessert.52

Angesichts der Ereignisse an den Finanzmärkten hatdie EZB zunächst Maßnahmen ergriffen, welche dieFunktionsfähigkeit des Geldmarktes sicherstellten,auch um die negativen Wirkungen der Turbulenzenauf die übrige Wirtschaft zu begrenzen. Sie muss je-doch das Ziel der Preisniveaustabilität und die mittel-fristigen Inflationserwartungen im Auge behalten.Außerdem muss sie die langfristigen Folgen eines Ein-

greifens der Zentralbanken für das Verhalten der Fi-nanzinvestoren und ein gesundes Funktionieren derFinanzmärkte bedenken. So könnte eine dauerhaftüberhöhte Risikoneigung der Investoren die Folgesein, sollten die wirtschaftlichen Verluste im Zuge dergegenwärtigen Korrektur der Risikoeinschätzungendurch Maßnahmen der Notenbanken im Endeffekt zueinem erheblichen Teil sozialisiert werden. Diese Sor-ge scheint in der aktuellen Diskussion aber übertrie-ben: Als Lender of Last Resort gewährleistet die Zen-tralbank die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte imFalle einer Liquiditätskrise, nicht das Überleben ein-zelner Banken.

Die EZB hat angesichts der akuten Funktionsstörun-gen am Interbankenmarkt ebenso wie auch dieUS-Notenbank zusätzliche Liquidität bereitgestellt;ferner hat sie auf die vorgesehene Erhöhung desHauptrefinanzierungssatzes um einen Viertel Pro-zentpunkt verzichtet. Im Detail hat die EZB erstmalsam 9. August – also etwa eine Woche nach dem star-ken Anstieg der Dreimonatszinsen – mit der Bereit-stellung kurzfristiger Liquidität reagiert (Abbil-dung 4.3). Vom 9. bis zum 14. August wurden insge-samt vier zusätzliche Tendergeschäfte mit eintägigerLaufzeit und einem Volumen von bis zu 95 Mrd. Eurogetätigt. Die zur Verfügung gestellten Volumina nah-men im Verlauf allerdings wieder ab: Die größte Men-ge wurde am 9. August bereitgestellt, während das Vo-lumen am 14. August nur noch knapp 8 Mrd. Euro be-trug. Trotz dieser zusätzlichen Tendergeschäfte konn-te die EZB einen weiteren Anstieg der Dreimonats-zinsen auf etwa 4,75 % bis Ende August nicht verhin-dern. Die EZB änderte Ende August ihre Praxis undführte erstmalig am 24. August außerhalb der regel-mäßigen Tenderabfolge ein zusätzliches längerfristi-ges Refinanzierungsgeschäft mit einer Laufzeit vondrei Monaten durch. Das Volumen dieser Transaktionbetrug 40 Mrd. Euro. Hinzu kam ein weiteres zusätzli-ches längerfristiges Refinanzierungsgeschäft am13. September mit einem Volumen von 75 Mrd. Euround einer Laufzeit von ebenfalls drei Monaten.

Durch die letztgenannten Maßnahmen stieg die ge-samte von der Zentralbank zur Verfügung gestellteLiquidität aber nur für eine sehr begrenzte Zeit, näm-lich für die eine Woche nach dem 13. September, an.Danach kam es zu einem Rückgang der gesamtenMenge an Zentralbankgeld, da das Volumen derHauptrefinanzierungsgeschäfte (Laufzeit eine Wo-che) stark zurückging. Verantwortlich hierfür ist weni-ger ein Rückgang der Gebote der Banken, sondernvielmehr eine geringere Zuteilungsquote seitens derEZB, welche bei den Hauptrefinanzierungsgeschäftenseit Anfang September von etwa 80 % auf etwa 60 %gesunken ist. Somit hat sich die Summe der von der

64

Renditen von Unternehmens-und Staatsanleihen im Euroraumin %

8 4

2 1

4 2

6 3

0 0

Quelle: Citigroup; ECB; Feri und Berechnungen der Institute.

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 20072006

GD Herbst 2007

Risikoaufschlag auf Unternehmensanleihen (rechte Skala)

Rendite von Staatsanleihen (durchschnittliche Laufzeit)

Rendite von BBB-Unternehmensanleihen(durchschnittliche Laufzeit)

Abbildung 4.2

52 Vgl. Bank Lending Survey des Eurosystems, Ergebnisse für Deutschland, Oktober 2007, Download am 12.10.2007 von http://www.bundes-bank.de/volkswirtschaft/vo_veroeffentlichungen.php. Zur Entwicklung im Euroraum vgl. auch EZB (2007), Euro Area Bank Lending Survey.Frankfurt, Oktober 2007, und die Diskussion auf S. 22–25.

Page 65: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

EZB bereitgestellten Liquidität seit Beginn der Liqui-ditätskrise kaum geändert, während sich die Fristig-keitsstruktur am Interbankenmarkt stark in Richtunglängerfristige Finanzierungsgeschäfte verschoben hat.Dadurch ist es der EZB zwar gelungen, einen weite-ren Anstieg des Dreimonats-EURIBOR zu verhin-dern. Die Interventionen der EZB am Markt für Drei-monatsgeld führten allerdings zu keiner Normalisie-rung dieser Kurzfristzinsen. Kurzfristige zusätzlicheTendergeschäfte spielten, wie erwähnt, nur zu Beginnder Liquiditätskrise eine nennenswerte Rolle. AnfangSeptember wurde eine liquiditätszuführende Aktionin Höhe von etwa 42 Mrd. Euro durchgeführt und eswurden dem Markt Mitte September auf ähnlicheWeise 60 Mrd. Euro entzogen.

Trotz der Verwerfungen an den Finanzmärkten er-scheint eine Zinssenkung der EZB aus heutiger Sichtnicht erforderlich. Die EZB sollte aber angesichts derFinanzmarktturbulenzen und der etwas restriktiverenKreditvergabepraxis im Euroraum zunächst auf dienoch vor kurzem geplante Zinserhöhung verzichtenund die weitere Entwicklung abwarten. Zwar dürfteder Anstieg des HVPI in den kommenden Monatenvorübergehend über 2 % liegen. Hier kommen aller-dings vor allem Basiseffekte zum Tragen. Rund0,3 Prozentpunkte des gegenwärtigen Anstiegs desHVPI gehen zudem allein auf die Mehrwertsteuerer-höhung in Deutschland zurück, die einen Einmalef-fekt darstellt und keine geldpolitische Reaktion erfor-dert. Für einen unveränderten Zinssatz spricht auchdie Fortschreibung einer geschätzten Taylor-Regel53

auf der Basis der von den Instituten prognostiziertenEntwicklung von Bruttoinlandsprodukt und Inflati-on.54 Diese Regel beschreibt die Zinsentwicklung dervergangenen Jahre recht gut55 (Abbildung: 4.4), istaber nicht normativ zu interpretieren.

Andererseits gibt es Argumente, die dafür sprechen,die Zinserhöhung nur um einige Monate aufzuschie-

65

Quelle: Europäische Zentralbank; Berechnungen der Institute.

6

0

2

2001 2005

3

4

5

Taylor-Regel mit zeitvariablem natürlichen Zinsin %

GD Herbst 2007

1999 2003 2007

1

6

0

2

3

4

5

1

90%-Konfidenzintervall

Taylor-Zins

Abbildung 4.4Liquiditätsbereitstellung der EZB2007

600

4,5

4,6

4,7

4,8

4,9

0

3,9

100

4,0

200

4,1

400

4,3

500

4,4300

4,2

-100 3,8

Quelle: Europäische Zentralbank; Berechnungen der Institute.

Jun Jul Aug Sep

GD Herbst 2007

Kurzfristiger Zins (Euribor) (rechte Skala)Längerfristige FinanzierungsgeschäfteZusätzliche längerfristige FinanzierungsgeschäfteHauptrefinanzierungsgeschäfteSonstige Tendergeschäfte

Mrd. %

Abbildung 4.3

53 Danach strebt die EZB einen Dreimonats-Geldmarktzins ( )it oberhalb (unterhalb) des natürlichen Niveaus an, wenn die tatsächliche In-flationsrate π t höher (niedriger) als die Zielinflation( *)π und/oder die Produktion( )yt höher (niedriger) als das Produktionspotential( )*yt ist.Unter Berücksichtigung eines zeitvariablen Trendwachstums( )*∆yt , mit dessen Hilfe ein zeitvariabler Neutralzins approximiert wird, des zins-glättenden Verhaltens der EZB sowie der Tatsache, dass die Geldpolitik vorausschauend auf die erwartete Inflationsrate in einem Jahr

( )Et tπ +4 reagiert, ergibt sich folgende Schätzung: i i yt t t= + + +−0 64 0 36 0 77 211 66

111 66 13 81

, , ,( , ) ( , ) ( , )

* *∆ π , ( ) , ( ) $( , )

*

( , )

*58 1 103 30

44 50

E y yt t t t tπ π ε+ − + −⎡⎣⎢

⎤⎦⎥

+ (t-Werte in

Klammern). Die Inflationserwartungen sind dabei dem Survey of Professional Forecasters entnommen. Als mittelfristiges Inflationsziel wirdein Wert von 1,9 % unterstellt. Die Produktionslücke ( )*y yt t− wird als prozentuale Abweichung des realen Bruttoinlandsprodukts von sei-nem mittelfristigen Trend berechnet; dabei wird der Trend mithilfe des HP-Filters über ein Quasi-Echtzeitverfahren geschätzt, bei dem für je-den Zeitpunkt nur bereits zur Verfügung stehende Daten zur Berechnung der Produktionslücke genutzt werden. Vgl. auch die Diskussion inArbeitsgemeinschaft Frühjahr 2006, 64.54 Da die Taylor-Regel vorausschauend ist, muss auch eine Inflationsannahme für das Jahr 2009 getroffen werden. Übereinstimmend mit denmittelfristigen Inflationserwartungen des Survey of Professional Forecasters wird hier eine Rate von 2,0 % unterstellt.55 Natürlich ist die Gleichung nicht in der Lage, den aufgrund der Finanzmarktturbulenzen erfolgten Anstieg der Geldmarktzinsen im drit-ten Quartal abzubilden.

Page 66: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

ben. Dazu zählen insbesondere die nach wie vor kräf-tige Ausweitung der Geldmenge sowie die Tatsache,dass die mittelfristigen Inflationserwartungen mit2,0 % erstmals nicht mehr mit dem Inflationsziel derEZB vereinbar sind.56 So hat auch die EZB in ihremaktuellen Monatsbericht trotz der Finanzmarktturbu-lenzen weiterhin die Aufwärtsrisiken der Inflations-entwicklung betont. Aus diesem Grund halten es dieInstitute für angebracht, dass die EZB in der zweitenJahreshälfte 2008 mit einer Zinsanhebung um einenviertel Prozentpunkt reagiert.

66

56 Vgl.EZB (2007),Ergebnisse des Survey of Professional Forecasters der EZB für das dritte Quartal 2007.Monatsberichte 2007 (8):46–49.

Page 67: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

67

Vorausschätzung für die Jahre 2007 und 2008

2006 2007 2008

2007 2008

1. Hj. 2. Hj. 1. Hj. 2. Hj.1. Entstehung des Inlandsprodukts, Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr

Erwerbstätige 0,6 1,7 0,8 1,8 1,6 1,0 0,6

Arbeitszeit, arbeitstäglich 0,5 0,2 –0,6 0,6 –0,1 –0,6 –0,6

Arbeitstage –0,7 –0,3 0,9 –0,4 –0,1 0,8 1,0

Arbeitsvolumen, kalendermonatlich 0,5 1,7 1,1 2,0 1,3 1,2 1,1

Produktivität12,4 0,9 1,1 0,8 0,9 1,3 0,9

Bruttoinlandsprodukt, preisbereinigt 2,9 2,6 2,2 2,9 2,3 2,4 2,0

2. Verwendung des Inlandsprodukts in jeweiligen Preisena) Mrd. Euro

Konsumausgaben 1 783,4 1 816,5 1 880,7 880,2 936,4 913,6 967,0

Private Haushalte21 357,5 1 380,2 1 431,2 669,9 710,3 697,1 734,2

Staat 425,9 436,3 449,4 210,3 226,0 216,6 232,9

Anlageinvestitionen 417,1 451,6 469,4 213,8 237,8 222,5 246,9

Ausrüstungen 173,7 189,6 196,7 89,2 100,4 93,4 103,3

Bauten 217,2 235,1 244,8 111,8 123,3 115,7 129,1

Sonstige Anlageinvestitionen 26,3 26,9 27,9 12,8 14,1 13,5 14,5

Vorratsveränderung3–4,7 1,4 0,3 7,3 –6,0 3,6 –3,4

Inländische Verwendung 2 195,8 2 269,4 2 350,4 1 101,3 1 168,2 1 139,8 1 210,6

Außenbeitrag 126,4 154,6 164,0 80,9 73,6 89,1 74,9

Exporte 1 046,5 1 131,0 1 216,3 552,4 578,6 595,3 621,0

Importe 920,1 976,4 1 052,3 471,5 504,9 506,3 546,1

Bruttoinlandsprodukt 2 322,2 2 424,0 2 514,4 1 182,2 1 241,8 1 228,8 1 285,5

b) Veränderung in % gegenüber dem VorjahrKonsumausgaben 2,0 1,9 3,5 1,6 2,1 3,8 3,3

Private Haushalte22,3 1,7 3,7 1,4 1,9 4,1 3,4

Staat 1,0 2,5 3,0 2,5 2,5 3,0 3,0

Anlageinvestitionen 6,7 8,3 4,0 10,5 6,3 4,1 3,8

Ausrüstungen 7,1 9,2 3,7 8,6 9,7 4,7 2,9

Bauten 6,8 8,2 4,1 13,2 4,1 3,5 4,8

Sonstige Anlageinvestitionen 3,7 2,4 3,8 1,7 3,0 5,4 2,4

Inländische Verwendung 3,0 3,4 3,6 3,0 3,7 3,5 3,6

Exporte 14,0 8,1 7,5 9,9 6,4 7,8 7,3

Importe 14,3 6,1 7,8 6,6 5,7 7,4 8,1

Bruttoinlandsprodukt 3,5 4,4 3,7 4,6 4,2 3,9 3,5

3. Verwendung des Inlandsprodukts, verkettete Volumenangaben (Referenzjahr 2000)a) Mrd. Euro

Konsumausgaben 1 642,8 1 648,1 1 680,1 805,4 842,7 822,6 857,5

Private Haushalte21 242,1 1 240,5 1 264,4 604,8 635,7 617,1 647,3

Staat 400,7 407,7 415,8 200,7 207,0 205,7 210,2

Anlageinvestitionen 427,2 450,9 465,3 213,4 237,5 220,3 245,0

Ausrüstungen 191,2 210,5 221,0 98,5 112,1 104,3 116,7

Bauten 207,8 211,9 215,1 101,4 110,5 101,9 113,2

Sonstige Anlageinvestitionen 30,1 31,5 33,2 14,8 16,7 15,9 17,3

Inländische Verwendung 2 054,4 2 085,8 2 130,3 1 022,0 1 063,8 1 042,3 1 088,0

Exporte 1 038,4 1 119,2 1 191,9 547,9 571,3 584,6 607,2

Importe 911,0 965,3 1 032,2 467,5 497,8 497,3 534,9

Bruttoinlandsprodukt 2 183,0 2 239,3 2 289,4 1 101,9 1 137,4 1 128,8 1 160,6

b) Veränderung in % gegenüber dem VorjahrKonsumausgaben 0,9 0,3 1,9 0,3 0,3 2,1 1,8

Private Haushalte21,0 –0,1 1,9 –0,2 –0,1 2,0 1,8

Staat 0,9 1,8 2,0 2,1 1,4 2,5 1,5

Anlageinvestitionen 6,1 5,5 3,2 7,4 3,9 3,2 3,2

Ausrüstungen 8,3 10,1 5,0 9,7 10,6 5,9 4,1

Bauten 4,3 2,0 1,5 6,0 –1,4 0,5 2,4

Sonstige Anlageinvestitionen 6,7 4,7 5,5 4,3 5,0 7,5 3,7

Inländische Verwendung 1,9 1,5 2,1 1,4 1,7 2,0 2,3

Exporte 12,5 7,8 6,5 9,7 6,0 6,7 6,3

Importe 11,2 6,0 6,9 6,9 5,1 6,4 7,5

Bruttoinlandsprodukt 2,9 2,6 2,2 2,9 2,3 2,4 2,0

Page 68: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

68

Vorausschätzung für die Jahre 2007 und 2008

2006 2007 2008

2007 2008

1. Hj. 2. Hj. 1. Hj. 2. Hj.4. Preisniveau der Verwendungsseite des Inlandsprodukts (2000=100), Veränderung in % gegenüber dem VorjahrPrivate Konsumausgaben2

1,4 1,8 1,7 1,6 2,0 2,0 1,5

Konsumausgaben des Staates 0,2 0,7 1,0 0,4 1,0 0,5 1,5

Anlageinvestitionen 0,6 2,6 0,7 2,9 2,3 0,8 0,7

Ausrüstungen –1,1 –0,9 –1,2 –0,9 –0,8 –1,2 –1,1

Bauten 2,4 6,2 2,6 6,8 5,6 2,9 2,3

Exporte 1,3 0,3 1,0 0,2 0,3 1,0 1,0

Importe 2,8 0,1 0,8 –0,2 0,5 1,0 0,6

Bruttoinlandsprodukt 0,6 1,8 1,5 1,7 1,8 1,5 1,4

5. Einkommensentstehung und -verteilunga) Mrd. Euro

Primäreinkommen der privaten Haushalte21 708,4 1 763,7 1 839,6 863,4 900,4 903,6 936,0

Sozialbeiträge der Arbeitgeber 223,4 225,8 231,5 108,8 117,0 111,5 120,0

Bruttolöhne und -gehälter 926,0 962,3 998,8 453,1 509,2 471,7 527,1

Übrige Primäreinkommen4559,0 575,6 609,3 301,5 274,2 320,4 288,9

Primäreinkommen der übrigen Sektoren 296,5 335,5 343,3 151,1 184,4 154,6 188,7

Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen) 2 004,9 2 099,3 2 182,8 1 014,5 1 084,8 1 058,2 1 124,6

Abschreibungen 339,5 344,8 351,3 172,1 172,7 174,7 176,6

Bruttonationaleinkommen 2 344,4 2 444,1 2 534,1 1 186,6 1 257,5 1 232,9 1 301,2

nachrichtlich:Volkseinkommen 1 751,2 1 816,3 1 892,8 875,5 940,7 917,2 975,5

Unternehmens- und Vermögenseinkommen 601,9 628,2 662,5 313,6 314,5 334,0 328,5

Arbeitnehmerentgelt 1 149,4 1 188,1 1 230,3 561,9 626,2 583,3 647,0

b) Veränderung in % gegenüber dem VorjahrPrimäreinkommen der privaten Haushalte2

3,3 3,2 4,3 3,6 2,9 4,7 4,0

Sozialbeiträge der Arbeitgeber 2,5 1,1 2,5 1,1 1,1 2,5 2,6

Bruttolöhne und -gehälter 1,5 3,9 3,8 3,5 4,3 4,1 3,5

Bruttolöhne und -gehälter je Beschäftigten 0,9 2,1 3,0 1,5 2,6 3,1 2,8

Übrige Primäreinkommen46,6 3,0 5,9 4,6 1,2 6,3 5,4

Primäreinkommen der übrigen Sektoren 7,8 13,1 2,3 13,9 12,6 2,3 2,3

Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen) 3,9 4,7 4,0 5,0 4,5 4,3 3,7

Abschreibungen 1,2 1,6 1,9 1,3 1,8 1,5 2,3

Bruttonationaleinkommen 3,5 4,3 3,7 4,4 4,1 3,9 3,5

nachrichtlich:Volkseinkommen 3,6 3,7 4,2 4,0 3,4 4,8 3,7

Unternehmens- und Vermögenseinkommen 7,2 4,4 5,5 5,9 2,9 6,5 4,4

Arbeitnehmerentgelt 1,7 3,4 3,5 3,0 3,7 3,8 3,3

6. Einkommen und Einkommensverwendung der privaten Haushalte2

a) Mrd. EuroMasseneinkommen 984,6 1 003,0 1 024,4 480,6 522,5 489,2 535,3

Nettolöhne und -gehälter 605,4 627,1 644,7 292,4 334,8 300,0 344,7

Monetäre Sozialleistungen 458,8 451,5 455,2 226,2 225,3 227,2 228,0

abz. Abgaben auf soziale Leistungen,verbrauchsnahe Steuern 79,7 75,6 75,5 38,0 37,6 38,1 37,4

Übrige Primäreinkommen4559,0 575,6 609,3 301,5 274,2 320,4 288,9

Sonstige Transfers (Saldo)5–49,9 –56,8 –58,3 –28,7 –28,1 –29,0 –29,3

Verfügbares Einkommen 1 493,7 1 521,9 1 575,4 753,4 768,5 780,5 794,9

Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche 22,2 24,6 26,5 11,7 12,9 12,5 14,0

Konsumausgaben 1 357,5 1 380,2 1 431,2 669,9 710,3 697,1 734,2

Sparen 158,4 166,3 170,7 95,2 71,1 96,0 74,7

Sparquote (%)610,5 10,8 10,7 12,4 9,1 12,1 9,2

b) Veränderung in % gegenüber dem VorjahrMasseneinkommen 0,3 1,9 2,1 1,1 2,6 1,8 2,5

Nettolöhne und -gehälter 0,4 3,6 2,8 2,9 4,2 2,6 3,0

Monetäre Sozialleistungen –0,2 –1,6 0,8 –2,6 –0,6 0,4 1,2

abz. Abgaben auf soziale Leistungen,verbrauchsnahe Steuern –1,5 –5,1 –0,2 –6,8 –3,3 0,3 –0,7

Übrige Primäreinkommen46,6 3,0 5,9 4,6 1,2 6,3 5,4

Verfügbares Einkommen 1,9 1,9 3,5 1,8 2,0 3,6 3,4

Konsumausgaben 2,3 1,7 3,7 1,4 1,9 4,1 3,4

Sparen 1,5 5,0 2,6 6,1 3,5 0,8 5,1

Page 69: Aufschwung legt Pause ein - Gemeinschaftsdiagnosegemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2018/10/GD... · 2018. 10. 18. · Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

69

Vorausschätzung für die Jahre 2007 und 2008

2006 2007 2008

2007 2008

1. Hj. 2. Hj. 1. Hj. 2. Hj.7. Einnahmen und Ausgaben des Staates7

a) Mrd. EuroEinnahmen

Steuern 530,5 578,5 593,8 285,3 293,2 292,1 301,7

Sozialbeiträge 401,1 400,5 410,1 193,8 206,7 198,4 211,7

Vermögenseinkommen 17,4 17,6 18,0 10,6 7,0 11,1 7,0

Sonstige Transfers 14,3 14,1 14,3 6,7 7,4 6,9 7,5

Vermögenstransfers 9,2 10,0 10,1 5,2 4,9 5,2 5,0

Verkäufe 44,4 46,1 47,1 22,1 24,0 22,6 24,6

Sonstige Subventionen 0,4 0,4 0,4 0,2 0,3 0,2 0,3

Insgesamt 1017,2 1067,2 1093,8 523,8 543,5 536,3 557,5

AusgabenVorleistungen8

269,3 279,5 289,3 134,7 144,9 139,4 149,9

Arbeitnehmerentgelt 167,7 168,9 173,0 80,6 88,4 82,4 90,5

Vermögenseinkommen (Zinsen) 64,9 67,1 67,6 33,1 34,0 33,3 34,3

Subventionen 26,8 27,0 27,3 13,0 14,1 13,1 14,2

Monetäre Sozialleistungen 428,5 421,8 425,2 211,5 210,3 212,3 212,9

Sonstige laufende Transfers 35,2 35,7 37,3 18,0 17,8 19,2 18,1

Vermögenstransfers 30,8 30,0 29,0 16,5 13,6 15,3 13,7

Bruttoinvestitionen 32,8 36,3 38,1 16,0 20,3 16,1 22,0

Nettozugang an nichtprod. Vermögensgütern –1,4 –1,3 –1,4 –0,6 –0,8 –0,7 –0,7

Insgesamt 1 054,5 1 065,1 1 085,4 522,6 542,4 530,5 555,0

Finanzierungssaldo –37,3 2,2 8,4 1,2 1,0 5,8 2,6

b) Veränderung in % gegenüber dem VorjahrEinnahmen

Steuern 7,6 9,1 2,6 10,4 7,8 2,4 2,9

Sozialbeiträge 1,1 –0,1 2,4 –0,5 0,2 2,4 2,4

Vermögenseinkommen 23,0 1,2 2,4 6,1 –5,5 4,4 –0,7

Sonstige Transfers –21,4 –1,2 1,3 –1,5 –0,9 2,1 0,7

Vermögenstransfers –7,1 8,7 1,0 9,3 8,1 0,0 2,2

Verkäufe 0,0 3,9 2,3 4,1 3,7 2,3 2,2

Sonstige Subventionen – – – – – – –

Insgesamt 4,1 4,9 2,5 5,6 4,3 2,4 2,6

AusgabenVorleistungen8

1,8 3,8 3,5 3,9 3,7 3,6 3,5

Arbeitnehmerentgelt –0,4 0,7 2,4 0,6 0,8 2,3 2,5

Vermögenseinkommen (Zinsen) 3,7 3,5 0,7 3,3 3,6 0,5 1,0

Subventionen –1,7 0,9 1,1 1,1 0,6 1,5 0,8

Monetäre Sozialleistungen –0,5 –1,6 0,8 –2,5 –0,6 0,4 1,2

Sonstige laufende Transfers –0,5 1,5 4,5 0,3 2,7 6,8 2,1

Vermögenstransfers –11,5 –2,4 –3,4 –2,4 –2,5 –6,9 0,9

Bruttoinvestitionen 6,9 10,8 4,9 19,2 4,9 0,4 8,5

Nettozugang an nichtprod. Vermögensgütern – – – – – – –

Insgesamt 0,2 1,0 1,9 0,7 1,3 1,5 2,3

1Preisbereinigtes Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigenstunde. – 2Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck. – 3Ein-schließlich Nettozugang an Wertsachen. – 4Selbständigeneinkommen/Betriebsüberschuss sowie empfangene abzüglich geleistete Vermö-genseinkommen. – 5Empfangene abzüglich geleistete sonstige Transfers. – 6Sparen in % des verfügbaren Einkommens (einschließlich derZunahme betrieblicher Versorgungsansprüche). – 7Gebietskörperschaften und Sozialversicherung. – 8Einschließlich sozialer Sachleistungenund sonstiger Produktionsabgaben.Quellen: Statistisches Bundesamt (Fachserie 18: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen); Berechnungen der Institute; 2007 und 2008:Prognose der Institute. GD Herbst 2007