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Auftragsvergabe nach sozialen Kriterien
Was ist in der Kommune möglich? ‐ Ein Beispiel aus dem Landkreis Forchheim
Lisa Badum
Die beiden ursprünglichen öffentlich‐rechtlichen Vergabegrundsätze der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit sollen gemäß EU‐Regelung auch durch „vergabefremde“ ökologische und soziale
Aspekte ergänzt werden können, sofern diese bereits in der Ausschreibung erwähnt werden.
Allerdings ist die faktische Anwendung dieser Kriterien in Deutschland weiterhin schwierig und die
rechtliche Lage ungeklärt. Dies wird anhand des Antrags zu sozialen Kriterien bei der
Auftragsvergabe, den Bündnis 90/Die Grünen im Kreistag Forchheim stellten, erläutert.
Nationales Vergaberecht
300 Milliarden Euro geben Bund, Länder, Landkreise und Gemeinden jährlich für öffentliche
Aufträge aus. Kommunen und Gebietskörperschaften stellen daher mit ihren Investitionen einen
wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. Da es sich um öffentlich‐rechtliche Vergaben handelt, gibt es
genaue Regelungen, wie die Ausschreibung vonstatten gehen muss. Insbesondere in diesem
Bereich besteht die Gefahr und die Möglichkeit für einseitige Vorteilsnahme, weswegen den
rechtlichen Erfordernissen und ihrer Einhaltung große Aufmerksamkeit geschenkt werden muss.
Das Vergaberecht ist unterteilt in die Vergabe‐ und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) (etwa
Hochbau‐, und Tiefbaumaßnahmen), die Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) und die
Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF). Unter freiberuflichen Leistungen versteht
man etwa die Planungsleistung einer Architektin.
Wichtig ist der Auftragswert der Maßnahme: unterhalb der Schwellenwerte gilt nationales,
oberhalb der Schwellenwerte EU‐Recht. Der Schwellenwert für die Vergabe von Bauaufträgen liegt
bspw. bei fünf Millionen Euro. Verallgemeinernd kann gesagt werden, dass der Großteil der
Vergabeverfahren gemäß der VOB‐Basisparagraphen (§ 3 VOB/A Abschnitt 1) abgehandelt wird.
Danach gibt es wiederum genaue Schwellenwerte, die festlegen wann es eine öffentliche
Ausschreibung geben muss, wann es eine beschränkte Ausschreibung geben darf – nur bestimmte
Unternehmen werden gebeten ein Angebot abzugeben – (laut der Regierung von Mittelfranken ist
dies bei 300.000 € im Tiefbau, 150.000 € für Rohbauarbeiten im Hochbau ohne weitere
Einzelbegründung möglich) und wann eine freihändige Vergabe erfolgen kann (ab 30.000 Euro).
Aus meiner Erfahrung heraus ist die beschränkte Ausschreibung der Regelfall. Nach Eingang sollen
die Angebote auf ihre Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit hin geprüft werden. Sparsamkeit
bedeutet, dass das niedrigste Gebot den Ausschlag gibt. Oftmals wird einfach so verfahren, da
Wirtschaftlichkeit nicht so leicht zu definieren ist. Das bayerische Wirtschaftsministerium weist
noch auf Wertungskriterien wie die Entwicklung der Wartungs‐ und Energiekosten eines Bauwerks,
aber auch nichtmonetäre Faktoren wie etwa Benutzerfreundlichkeit bei einer öffentlichen
Einrichtung hin.1 Insgesamt ist die günstigste Relation zwischen dem verfolgten Zweck und den
einzusetzenden Ressourcen (Zweck‐Mittel‐ Relation) anzustreben. Ursprünglich sind diese beiden
Grundsätze die einzigen Vergabegrundsätze, die bei Ermittlung eines Auftragsnehmers eine Rolle
spielen sollen. Wirtschaftlichkeit könnte aber noch in einem weiteren Sinne gefasst werden.
Nachhaltigkeit könnte miteinbezogen werden.
„Vergabefremde“ Aspekte
Das deutsche Vergaberecht wird immer mehr durch europäische Vorgaben beeinflusst. Nach
formellen Vorschriften (Regelung des Vergabeverfahrens oberhalb des Schwellenwerts), kamen mit
den europäischen Richtlinien 2004/17/EG[1] und 2004/18/EG[2] auch Neuerungen im materiellen
Vergaberecht. Seit deren vollständiger Umsetzung zum 24. April 2009 ist auch die Hinzunahme von
ökologischen und sozialen Aspekten bei der Auftragsvergabe explizit möglich.
Dazu heißt es in der Richtlinie 2004/18/EG, Artikel 26: „Die öffentlichen Auftraggeber können
zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags vorschreiben, sofern diese mit dem
Gemeinschaftsrecht vereinbar sind und in der Bekanntmachung oder in den
Verdingungsunterlagen angegeben werden. Die Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags
können insbesondere soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen.“
Andere Kriterien sind also zulässig, allerdings müssen diese mit dem Auftragsgegenstand
zusammenhängen, sie dürfen dem Auftraggeber keine unbeschränkte Entscheidungsfreiheit
einräumen, sie müssen ausdrücklich im Leistungsverzeichnis oder in der Bekanntmachung des
Auftrages genannt sein und sie müssen alle tragenden Grundsätze des Gemeinschaftsrechtes,
insbesondere das Diskriminierungsverbot beachten. Der Gesetzgeber hätte europarechtlich
gesehen außerdem die Möglichkeit, die Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Faktoren
verbindlich vorzuschreiben. Obwohl die Richtlinie bereits in nationales Recht übernommen wurde,
gibt es weiterhin Kontroversen um den Artikel 26 und dessen Anwendung. Bündnis 90/Die Grünen
haben daher 2008 in einem Antrag gefordert, dass strittige Begriffe wie „Nachhaltigkeit“
bundeseinheitlich definiert, die Vergabe‐ und Verdingungsordnungen (VOL, VOB, VOF)
1 Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie, Das wirtschaftlichste Angebot
entsprechend geändert werden und ein EU‐weiter Leitfaden sozialer Vergabekriterien (Ablehnung
ausbeuterischer Kinderarbeit, Förderung von Ausbildung, Mindestlöhne etc.) erarbeitet wird.2
Soziale Aspekte bei der Auftragsvergabe im Landkreis Forchheim
Der Fraktionsvorsitzende der Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen Karl Waldmann stellte
am 26. Januar 2010 folgenden Antrag:
Soziale Aspekte bei öffentlichen Aufträgen
Auszug aus dem Sachverhalt: „Dadurch wird gesellschaftlicher Armut gleichermaßen
entgegengewirkt wie fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche mit all ihren Folgen. Die
novellierten EU‐Vergaberichtlinien und deren Umsetzung in nationales Recht […] ermöglichen nun
explizit die Anwendung sozialer Aspekte wie oben gefordert. Das hat mittlerweile nicht nur der
Berliner Senat umgesetzt, sondern auch das Erzbistum Bamberg bedient sich […] dieser
Vergabekriterien.“
Beschlussvorschlag:
„Der Landkreis Forchheim als öffentlicher Auftraggeber bedient sich zukünftig bei der Vergabe
öffentlicher Aufträge sozialer Vergabekriterien. Demnach sind Tariftreue und die Ausbildung junger
Menschen Voraussetzungen, die Anbieter erfüllen müssen, um bei der Vergabe eines Auftrags
durch den Landkreis Forchheim Berücksichtigung zu finden.“
Damit stehen die Forchheimer Kreisgrünen ganz in der Linie grüner Politik, so hieß es im
bündnisgrünen Bundestagswahlprogramm 2009:
„Etwa dann, wenn Gemeinden ihre Aufträge nicht nur an die Anbieterin oder den Anbieter mit
dem niedrigsten Preis vergeben, sondern auch die Fragen, ob ein Unternehmen ökologisch
produziert, nach Tarif bezahlt, Menschen mit Behinderung beschäftigt, junge Leute ausbildet oder
Gleichstellung im Betrieb praktiziert, ein Vergabekriterium sind. Das billigste Angebot ist nicht
immer das wirtschaftlichste. Und oft genug zahlt dann das Gemeinwesen drauf. Wir wollen, dass
die sozialen und die Nachhaltigkeitskriterien im Vergaberecht rechtssicher und handhabbar
ausgestaltet werden.“3
Die Verwaltung des Landratsamts schlug dem Kreistag vor, dem Antrag nicht zuzustimmen mit der
2 Deutscher Bundestag, Drucksache 16/8810 3 Bundestagswahlprogramm 2009 Bündnis90/Die Grünen, S. 48
Begründung, dass die Option der Anwendung von sozialen und ökologischen Kriterien zwar formal
ins Recht aufgenommen wurde, allerdings jegliche Arbeitshilfen für Kommunen, wie sie mit dieser
Regelung praktisch umgehen sollten, bis dato nicht vorhanden seien. Die Verwaltung sah sich
daher nicht in der Lage mit einer Festschreibung der Tariftreue und der Ausbildung Jugendlicher
für alle öffentlichen Aufträge umzugehen. Bei der Diskussion äußerten andere Kreisräte Bedenken,
ob eine solche Regelung nicht wettbewerbswidrig sei.
Daraufhin reichte Waldmann eine modifizierte Fassung des Antrags ein:
"Der Landkreis Forchheim wendet künftig grundsätzlich soziale Kriterien bei der Vergabe
öffentlicher Aufträge an. Die Verwaltung wird angewiesen einen Handlungsleitfaden zu entwickeln,
der eine praktikable und breite Anwendung von sozialen Vergabekriterien sicherstellt.
Insbesondere soll dabei Wert auf Tariftreue und Ausbildung junger Menschen gelegt werden. Im
Falle der begründeten Nichtanwendung sozialer Vergabekriterien soll im Kreisausschuss berichtet
werden."
Auch diese Formulierung wurde jedoch vom Gremium abgelehnt, obwohl alle Anwesenden die
Intention für gut und richtig hielten. Konkrete Fragen wie die Festlegung der zu Verfügung
stellenden Ausbildungsplätze in einer Firma oder die Regelung für Branchen ohne bundesweite
Tarifabschlüsse kamen auf und deren Regelung auf kommunaler Ebene schien rätselhaft. Illka
Wege, Mitarbeiterin von MdB Kerstin Andreae schreibt dazu: „Wichtig wären deshalb ein
bundesweites Tariftreuegesetz und eine EU‐Richtlinie zur sozialen Beschaffung, die
Tariftreueregelungen ausdrücklich ermöglicht“.
Fazit
Seit längerem wird in Deutschland konstatiert, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer
weiter auseinandergeht. Die Mittelschicht erodiert an ihren Rändern und schon jetzt ist jede siebte
Person in Deutschland von Armut bedroht.4 Über sechs Millionen Menschen arbeiten im
Niedriglohnsektor, mit hoher Wahrscheinlichkeit muss der Staat später ihre Rente aufstocken. In
dieser Situation muss der Staat die ihm zustehenden Möglichkeiten ausschöpfen, diese
gesellschaftliche Entwicklung zu stoppen. Oftmals wird darauf verwiesen, dass es nun einmal nicht
möglich wäre in die Privatwirtschaft einzugreifen. Als ein wichtiges Instrument wird der
Mindestlohn von CDU/CSU und FDP abgelehnt. Wenn auch darüber keine Einigung besteht, sollte
die öffentliche Hand zumindest in staatlichen Einrichtungen und in der Vergabe ihrer Mittel strenge
Prüfmaßstäbe anlegen, um menschenwürdigen Lohn zu garantieren. Mit der Modernisierung des
4 http://www.welt.de/die-welt/politik/article6445436/Studie-Jeder-siebte-Deutsche-ist-von-Armut-bedroht.html
Vergaberechts vom 24.04.2009 ist eine solche Steuerungswirkung möglich. Es sollte nun endlich
Rechtssicherheit und ‐klarheit geschaffen werden und die Kommunen, die Länder und der Bund
sollten auch vorangehen und diese durch ihre eigene Rechtspraxis schaffen. In erster Linie ist hier
der Bund gefordert, dem bisher offensichtlich nicht an einer gründlichen Umsetzung der Richtlinie
2004/18/EG gelegen war.
Literaturverzeichnis
*Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr, und Technologie (2002). Das
wirtschaftlichste Angebot. Hinweise zur richtigen Wertung im Vergabeverfahren.
http://www.stmwivt.bayern.de/pdf/wirtschaft/Wirtschaftlichtes_Angebot.pdf
*Leitfaden Rechnungsprüfung (2003). Hanns Seidel Stiftung: München.
*http://de.wikipedia.org/wiki/Vergaberecht
*http://www.regierung.mittelfranken.bayern.de/aufg_abt/konjunkturpaketII/Vergabemerkblatt_12_0
78_2010.pdf
* Richtlinie 2004/18/EG
http://simap.europa.eu/docs/simap/nomenclature/32004l18de.pdf
*Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB)
*http://www.welt.de/die-welt/politik/article6445436/Studie-Jeder-siebte-Deutsche-ist-von-Armut-
bedroht.html