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Augmented Reality in der Planung Proseminar Augmented Reality in der Anwendung Institut f¨ ur Computervisualistik, Universit¨ at Koblenz Prof. Dr. Stefan M¨ uller Dipl.-Inform Martin Schumann Dipl.-Inform Dominik Gr¨ untjens Philipp Brandt [email protected] 5. Juni 2011 1

Augmented Reality in der Planung - Uni Koblenz-Landaucg/ss11/pro... · Augmented Reality (im Folgenden: AR) beschreibt eine moderne Technik, die ... wie in Abb. 3 zu sehen, eingesetzt

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Augmented Reality in der Planung

Proseminar Augmented Reality in der Anwendung

Institut fur Computervisualistik, Universitat KoblenzProf. Dr. Stefan Muller

Dipl.-Inform Martin SchumannDipl.-Inform Dominik Gruntjens

Philipp Brandt

[email protected]

5. Juni 2011

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Page 2: Augmented Reality in der Planung - Uni Koblenz-Landaucg/ss11/pro... · Augmented Reality (im Folgenden: AR) beschreibt eine moderne Technik, die ... wie in Abb. 3 zu sehen, eingesetzt

Abstract

Computer bestimmen immer mehr unsere Welt und digitale Elemente sind mitt-lerweile uberall zu finden. Augmented Reality bezeichnet dieses Phanomen durcheine Technologie, von der die Grundervater der Informatik nur traumen konn-ten und es vielleicht sogar getan haben. Im Gegensatz zur virtuellen Realitat er-schaffen Augemented Reality Systeme keine eigene Welt, sondern invadieren dieGegebene mit neuen, virtuellen Elementen. Bereits in den 90er Jahren wurdenSysteme entwickelt, die eine augmentierte Realitat fur die Unterhaltungsbrancheerschufen. Doch sind in den letzten Jahren auch große Fortschritte auf ganzlichanderen Gebieten entstanden. So findet man heute Augmented Reality in derMedizin, dem Tourismus, dem Marketing- und vielen anderen Bereichen wie-der. Der Fokus dieser Arbeit liegt aber auf der Anwendung in der industriellenPlanung, zeigt, wie Augmented Reality uberhaupt funktioniert und wie man siezur Planung und Entwicklung industrieller und architektonischer Projekte ein-setzen kann. Daruber hinaus werden einige Programme und Systeme vorgestellt,die heute schon auf diesem Gebiet zum Einsatz kommen.

1 Einfuhrung

1.1 Augmented Reality

Augmented Reality (im Folgenden: AR) beschreibt eine moderne Technik, diees ermoglicht, in eine vorhandene Szenerie der Realitat virtuelle Objekte ein-zufugen und zu manipulieren (siehe [NABD10]). Das Wort Augmentation stammtvom lateinischen augmen und bedeutet Zuwachs.Im optimalen Fall soll der Benutzer keinen Unterschied mehr zwischen den Ob-jekten der realen Szenerie und den augmentierten erkennen. Da in der Realitatnaturlich immer bis zu einem gewissen Grad Einschrankungen gemacht wer-den mussen, ist ein optimales AR-System zum aktuellen Zeitpunkt nicht derStandard. Daher hat Ronald T. Azuma in seiner Definition von AR 3 Kriterienaufgestellt, die ein solches System erfullen muss (siehe [Azu97]):

• Die Kombination von Realitat und Virtualitat

• Interaktivitat in Echtzeit

• Ausrichtung der virtuellen Objekte an die dreidimensionale Welt

Diese Definition besitzt in der internationalen Fachwelt eine hohe Gultigkeit.Zur Realisierung eines AR-Systems benotigt man 4 Komponenten, welche mit-einander in Verbindung stehen mussen. Im Optimalfall geschieht dies wireless,was gerade fur das Planen und Arbeiten in einer Werkshalle von großter Bedeu-tung ist. Folgende Komponenten bilden ein AR-System (siehe [NABD10]):

• Trackingsystem

• Visualisierungssystem

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• Datenerhaltungssystem

• Szenegenerator

Das Trackingsystem besteht ublicherweise aus ein oder mehreren Kameras, wel-che die reale Arbeitsumgebung aufzeichnen und an den Szenegenerator weiterlei-ten. Bei diesem handelt es sich um einen Rechner mit einer AR-Software, der mitHilfe der erhaltenen Szenerie die korrekten Positionen der zu augmentierendenObjekte berechnet und diese Informationen zusammen mit den aufgezeichnetenBildern an das Visualisierungssystem verschickt, welches das zusammengefugteAR-Bild dem Anwender darstellt (siehe [Sch08]). Welche Arten von Systemenes gibt, liegt nicht im Fokus dieser Arbeit. Sogenannte ”Head-Mounted Dis-plays”(im Folgenden: HMD) bedurfen dennoch einer Erwahnung, da sie bei denim Folgenden verwendeten Anwendungen eine wichtige Rolle spielen.

1.2 Industrielle Planung

Um uber Industrielle Planung (im Folgenden: IP) zu schreiben, muss erst ein-mal der Begriff ”Industrielle Planung”geklart sein. Hierunter ist das Planen,Entwickeln und Prasentieren neuer Prototypen, sowie das Verbessern und Op-timieren bestehender Gerate und Ablaufe in Werkshallen, Maschinenbau- undArchitekturfirmen gemeint. Diese Gebiete kann man grob in drei Kategorienaufteilen.Die erste ist die Planung von Geraten und Maschinen im Endstadium. Dar-unter fallen unter anderem Automobile und Flugzeuge sowie deren Prototy-pentwicklung. Zum Anderen fallt unter IP aber auch die Planung und Ent-wicklung von Metamaschinen und Arbeitsumgebungen (sog. ”worksites”), dieselbst wieder zur Herstellung von oben Genanntem eingesetzt werden. So wer-den auch vollstandige Werkshallen, die zur Herstellung einer neuen Entwicklungeingesetzt werden, mit Hilfe von AR-Unterstutzung geplant. Die dritte Katego-rie der IP ist die Planung von architektonischen Großprojekten. Im Folgendenwird auf die unterschiedlichen Anwendungsbereiche genauer eingegangen undreprasentative Beispielen vorgestellt.

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Abbildung 1: Aufnahme eines Crash-Tests mit uberlagertem AR-Raster [Fri03]

2 Anwendungsbereiche

2.1 Flug- und Fahrzeugentwicklung

Die Flug- und Fahrzeugindustrie ist der Vorreiter und das Aushangeschild derindustriellen AR-Anwendung. In der Prototypentwicklung speziell von Fahrzeu-gen werden AR-Tools eingesetzt, um schon in der Planungsphase eines neuenFahrzeuges neue Bauteile in einem alten Modell oder einem fruhen Planungsmo-dell zu ersetzen und verschiedene Varianten auszuprobieren. So bekommt derPlaner schon ausgesprochen fruh einen sehr detailreichen Eindruck des Fahr-zeuges und kann schon Veranderungen und Optimierungen vornehmen, bevoruberhaupt eine wirkliche Modellierung stattfindet. Unter diesem Aspekt kommtdas Programm ”Unifeye Prototyping” unter anderem bei der Audi AG zum Ein-satz (siehe [OH03]). Mehr zu seiner Funktionsweise findet sich in der Sektion3.1. Die gleiche Software wird ebenfalls benutzt, um Kunden vor dem Kauf dieMoglichkeit zu geben, sich im Autohaus verschiedene Varianten eines Modellsanzuschauen und sich vor Ort fur eine komplett individualisierte Ausstattung zuentscheiden, bevor sie das Auto auch nur einmal live gesehen haben. Diese Artvon Kundenbetreuung kommt einem Automobilhersteller in ebensolchem Maßezu Gute, wie die Optimierung von Produktionsablaufen. Zudem bringt AR großeVorteile auf dem Gebiet der Crash-Test Auswertung, was nicht nur finanzielleVorteile mit sich bringt, sondern auch die Sicherheit eines jeden Autofahrersverbessert. Das AR-System legt ein Raster des errechneten und erwunschtenResultats des Crash-Testes uber das aufgezeichnete Bild eines realen Tests, wasdazu fuhrt, dass der Forscher unmittelbar sieht, an welchen Stellen und in wel-chem Ausmaß der reale Prototyp dem erhofften Ergebnis nicht entspricht undverbessert werden muss (Abb. 1). Diese Methode ist ohne AR nicht moglich,weshalb diese vor allem in Sicherheitsfragen nicht mehr aus der Automobilin-dustrie wegzudenken ist (siehe [NABD10]).

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Abbildung 2: Simulation einer Umsetzanlage, visualisiert in der Halle des iwb[fWuB11]

Weiterhin kommt AR in der Automobilherstellung großflachig und erfolgreichzum Einsatz (siehe [Fri03]), indem sie die Arbeiter bei der Montage bestimmterBauteile unterstutzt. Das System, in diesem Falle ”ARVIKA” (siehe Sektion3.2), zeigt dem Arbeiter ein visuelles Modell des gerade zu verarbeitenden Bau-teils in der realen Umgebung an, wodurch er unmissverstandlich erkennen kann,wie und an welcher Stelle er das reale Teil verbauen muss (siehe [Kra07]).Ein verbreitetes Problem im Flugzeugbau ist das Verlegen großer Kabelbaume.Hier spielt vor allem Sicherheit eine große Rolle. Da jedes Kabel an seinem rich-tigen Platz sein muss, muss der Monteur den Uberblick behalten und zu jederZeit wissen, was er tut. Ein AR-System mit einem HMD kann diesen Prozessnicht nur immens beschleunigen, sondern auch gleichzeitig fur die notige Fehler-vermeidung sorgen. Der Arbeiter muss lediglich noch die Kabel-ID aussprechen,das System erkennt dies und zeigt ihm die korrekte Montageposition an. Zudemvermerkt es diese ID als verlegt und speichert die Information im Datenbank-system. Auch hier kommt wieder ARVIKA zum Einsatz (siehe [NABD10]).

2.2 Planung und Bau von worksites

Die Planung von Werkshallen und Konstruktionsumgebungen wurde bisher primarauf Papier mit Hilfe von 2D Zeichnungen und an Bildschirmen mit CAD (Com-puter Aided Design) Modellen realisiert. Diese Art der Planung ist sehr feh-leranfallig und benotigt erfahrene Planer um ein produktives Ergebnis zu er-zielen. Bei der Planung eines solchen Projektes sind sehr viele Faktoren zuberucksichtigen, die man mit dem Einsatz von AR kaum ubersehen kann. Darun-ter fallen unter anderem die Berucksichtigung des Platzbedarfs oder moglicherbenotigter Anschlusse, welche man in der realen Umgebung sofort sieht (sie-he [fWuB11]). Ein fur diese Zwecke eingesetztes AR-System des Institutes fur

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Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften der Technischen UniversitatMunchen sieht man in Abb. 2.Doch nicht nur das Planen solcher worksites wird durch AR-Anwendung starkvereinfacht. Ebenso ist es moglich, die Arbeitsbedingungen und Logistik an die-sen zu verbessern, indem man beispielsweise zusammen mit den Arbeitern ineine solche AR-Umgebung einsteigt und ermittelt, wie deren Arbeitsablaufe von-statten gehen (siehe [Wan06]). Dadurch ist nicht mehr nur allein der Planer furden Aufbau der Maschinen verantwortlich, sondern er wird von mehreren Per-sonen unterstutzt, die alle von der Funktionalitat der Gerate im Endstadiumprofitieren. Zudem fließt so mehr Fachwissen aus verschiedenen Gebieten in diePlanung mit ein. Das fuhrt zu einer besseren Einschatzung der benotigten Res-sourcen und deckt eventuelle Fehler auf, die sonst erst nach der Produktionentdeckt worden waren und den Arbeitsprozess beeinflussen konnten.Die heutige Zeit ist unstetig. Neue Modelle sind schneller verganglich. So istes ublich, standig neue Prototypen zu entwerfen und die Produktion auf neueModelle umzustellen. Dieser Trend beeinflusst stark die Planung und den Bauder benotigten worksites, welche jetzt nicht mehr Jahre- oder gar Jahrzehnte-lang eine Produktreihe produzieren sollen, sondern eventuell schon nach eini-gen Monaten wieder umgestellt werden mussen. Daher ist eine haufige Umpla-nung und Neugestaltung vonnoten, die es nicht erlaubt, im Vorfeld wochenlangzu Planen. Mit Hilfe eines bestehenden Repertoires an AR-Modellen der vor-handenen Maschinen im Datenbanksystem, ist es dem Planer ein Leichtes, diebenotigten Modelle abzurufen und in sein AR-System zu laden (siehe [Alt03]).Damit kann in kurzester Zeit ein neuer digitaler worksite-Aufbau erstellt undeventuell neu benotigte Maschinen angefordert werden. Die dadurch gewonneneFlexibilitat fuhrt zu hoheren Gewinnspannen der Produktionsfirmen und bes-seren Moglichkeiten, Produkte weiterzuentwickeln und zu verbessern.

2.2.1 Arbeitsplatzergonomie

Im Normalfall ist die Modellierung verschiedener Arbeitsplatze (sog. ”workpla-ces”) fur eine Firma zu kostenaufwandig, gerade bei sich haufig veranderndenworksites. Daher sind die workplaces meistens fur die Arbeiter sehr unergono-misch und oftmals auch durch die Maschinerie im Umfeld sehr begrenzt. Umdieses Problem zu losen, wird AR, wie in Abb. 3 zu sehen, eingesetzt. Die Soft-ware errechnet das Sichtfeld und die Bewegungsfreiheit eines Arbeiters und zeigtdiese dem AR-Anwender an. Dadurch wird es sehr einfach, Kisten, Werkzeugbo-xen und andere Elemente des workplaces so aufzustellen, dass die Arbeiter durchnichts behindert werden und der Platz ergonomisch genutzt werden kann, indemman haufig benotigte Teile in das direkte Sichtfeld der Arbeiter stellt. So ist ei-ne sehr gute Einrichtung moglich, ohne vorher den workplace kostenaufwandigmodellieren zu mussen. Außerdem ist es so sehr einfach, neue Arbeitsplatze inneuen oder veranderten worksites einzurichten, da die benotigten Daten bereitsim Datensystem der AR-Software gespeichert sind (siehe [DSAP03]).

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Abbildung 3: Bewegungsfreiheit und Blickwinkel eines Arbeiters im augmentier-ten Arbeitsplatz [DSAP03]

2.3 Planung von Architektur

Die 3. Kategorie der IP entfernt sich ein wenig von klassischen Maschinenbaupro-jekten und zielt auf die Planung von architektonischen Großprojekten wie zumBeispiel Brucken und Hochhausern ab. Vorab sei erwahnt, dass der Einsatz vonAR-Systemen nicht in Konkurrenz mit aktuellen Planungstools der Architektenstehen, sondern vielmehr eine Unterstutzung und Vereinfachung bieten soll. Sowird der Architekt der Zukunft vermutlich immer noch seinen Entwurf erst aufPapier in 2D skizzieren, bevor er ihn in ein 3D Modell im Rechner umwandeltund schlussendlich dann mit seinem HMD am geplanten Bauort steht, um sichdas Gebaude dort in voller Große anzuschauen. Das bringt den Vorteil mit sich,dass man die Entwurfsskizzen und Modelle nicht mehr nur durch die Scheibeeines Computermonitors oder in Miniaturgroße auf dem Schreibtisch betrachtenmuss, sondern es in Realgroße an seinem eigentlichen Bauplatz bewundern kann,bevor der Bau beginnt. Naturlich soll dieses Verfahren nicht nur zur Befriedi-gung des Architekten genutzt werden, sondern vielmehr zur weiterfuhrendenPlanung. An einem Modell in Echtgroße, eingebettet in seine Umgebung, er-kennt man viel deutlicher Aspekte, die unbedingt verandert werden mussen, umnicht die Asthetik der Szenerie zu gefahrden. Hinzu kommt, dass der ArchitektMoglichkeiten sieht, sein Gebaude besser an die Umgebung anpassen zu konnen.Er kann nun viel komfortabler das Gebaude in Zusammenhang mit der Welt, inder es nachher stehen soll, designen.Doch wie schon in den anderen Kategorien der IP kann auch hier das Systemnicht nur zu Planungs- und Entwicklungszwecken genutzt werden, sondern auchzur Prasentation und Kundenbetreuung. Im Laufe der Zeit sind beispielsweiseimmer mehr Personen an der Planung und dem Bau eines Gebaudes interes-siert. Was fruher der Architekt mit den Bauherren besprach, interessiert heu-

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Abbildung 4: Visualisierung einer Brucke in einer realen Landschaft mit Hilfeeines AR-Systems [Kra07]

te mehrere Parteien, wie Generalunternehmer, Bauherrenvertreter, Ingenieureund weitere Architekten. Um all diesen Gruppen ein fachgerechtes und schnel-les Prasentieren aktueller Planungsfortschritte zu vereinfachen, ist geplant, aufden Baustellen AR-Systeme einzusetzen, mit denen mehrere Personen zur sel-ben Zeit das Modell in Echtgroße umlaufen und betrachten konnen und allemoglichen Vorschlage zur Farbe, Material und anderen architektonischen Kom-ponenten besprochen und teilweise vor Ort schon modelliert werden konnen. Eingutes Beispiel fur einen solchen Einsatz eines AR-System ist die Debatte um dieDresdner Waldschlosschenbrucke aus dem Jahr 2007. Bei ihrer Planung wurdenviele Stimmen laut, dass es sich um Landschafts- und Stadtbildzerstorung han-dele, obwohl Kritiker nur Konzeptbilder der Brucke aus dem Internet kannten.Der Bedarf an Bildmaterial war in der Bevolkerung sehr groß und man hattemit Hilfe des oben beschriebenen AR-Systems beispielsweise eine Projektion derBrucke in die Landschaft setzen konnen (ahnlich dem in Abb. 4), welches sichjeder Burger mit Hilfe eines ihm zur Verfugung gestellten HMD hatte anschauenkonnen (siehe [Kra07]). Gruppen von ca. 10 Personen gleichzeitig waren fur einsolches Unterfangen problemlos denkbar.Durch solche und viele weitere Ideen lasst sich erkennen, dass der Einsatz vonAR auch in der Architektur in Zukunft kein abwegiger Traum sein wird. EinSystem, was schon heute von Architekten -allerdings noch nicht vor Ort, son-dern im aktuellen Stadium noch am Planungstisch- zum Einsatz kommt, ist”ARTHUR” und wird in Sektion 3.3 naher vorgestellt.

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Abbildung 5: Unifeye Prototyping im Einsatz bei der Entwicklung eines Auto-mobils [1311]

3 Anwendungsbeispiele

3.1 Unifeye

Unifeye ist ein AR-SDK, das von der Firma metaio vertrieben wird. Es gibt Uni-feye Plattformubergreifend als ”Mobile”- und ”Stationary”- Version. Fur die IPam interessantesten ist allerdings die ”Engineer” Variante, die speziell fur indu-strielle Planung und Entwicklung bereitgestellt wird. Die Software wird, wie inSektion 2.1 erwahnt, bereits von Audi, aber bspw. auch von Volkswagen erfolg-reich eingesetzt (siehe [NABD10]). Fur die Automobilplanung stellt metaio das”Unifeye Prototyping” Tool zur Verfugung, mit dessen Hilfe es den Ingenieurenmoglich ist, virtuelle Bauteile in zukunftige Automobilprototypen einzusetzenund so zu ermitteln, ob diese Teile Platz finden, oder ob es zu Komplikationenbezuglich Platz oder Montage kommen wird. Solche Probleme konnten bisherimmer erst in der physischen Montage entdeckt und behoben werden. Das be-deutete einen technischen und finanziellen Mehraufwand in der Entwicklung. InAbb. 5 sieht man Unifeye Prototyping in einer solchen Situation.

3.2 ARVIKA

ARVIKA ist ein vom Bundesministerium fur Bildung und Forschung (BMBF)finanziertes Forschungsprojekt und steht fur ”Augmented Reality for Develop-ment, Production and Service”. Ziel des 1999 ins Leben gerufenen Projektes istes, die Produktentstehung im industriellen Bereich, vor allem Automobil- undFlugzeugbau, zu verbessern. Außerdem sollte die deutsche Industrie im Bereichder AR gefordert werden, um der internationalen Konkurrenz stand zu halten.Abb. 1 entstand bspw. im Zuge des ARVIKA Projektes. Ebenfalls die Kon-

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Abbildung 6: ARVIKA beim Erstellen von Kabelbaumen zum Bau eines ”Eu-rofighter” [DSAP03]

struktion der in 2.1 erwahnten Kabelbaume in Flugzeugen wird durch ARVIKAunterstutzt (Abb. 6). Durch die Intention, mit ARVIKA viele Unternehmen, dar-unter auch mittelstandische, zu fordern, wurde es auf einer offenen Systemplatt-form angelegt, wodurch nicht nur Highend-planungen moglich waren, sondernman auch ein Tool entwerfen konnte, welches man dem Lowend-techniker zurHand gab, der damit Montage- und Reparaturfunktionen am endgultigen Pro-dukt, bspw. dem Fahrzeug, durchfuhren konnte. In Abb. 7 sieht man ein Systemder BMW AG, das einem Arbeiter anzeigt, wie er fachgerecht die Abdeckung desMotors entfernen soll. Dabei ist der Motor mit den aufgeklebten Trackinghilfendas reale Objekt, welches er durch sein HMD sieht und die Schraubenschlusselmit den Pfeilen zeigen ihm virtuell die Arbeitsschritte an, die er nachvollziehenmuss. Die erwahnten schwarzen Aufkleber mit weißen Quadratmustern werdenublicherweise eingesetzt, um dem Trackingsystem das Tracken zu erleichtern,indem sie an festgelegte Punkte des Objekts geklebt oder gelegt werden, derenPositionen dem Trackingsystem bekannt sind.ARVIKA Anwendungen fur den industriellen Einsatz sollen freihandiges Arbei-ten ermoglichen. Daher muss das System mit einem HMD-Anschluss funktio-nieren, um den Techniker nicht zu behindern (siehe [Fri03]).

3.3 ARTHUR

ARTHUR ist die Abkurzung fur ”Augmented Round Table for Architecture andUrban Planing” und wurde 2004 auf der CEBIT zum ersten Mal vorgestellt. DieSoftware dieses Tools erzeugt auf einem Rundtisch ein virtuelles Abbild der zuplanenden Szenerie. Außerdem ermoglicht es mehreren Betrachtern mittels ei-ner Datenbrille, das Modell simultan zu umgehen und zu bearbeiten, wie es aneinem realen Modelltisch ublich ist. Dazu berechnet die Software das Modelljeweils korrekt aus den aktuellen Standpunkten aller Betrachter und zeichnetes in der passenden Perspektive in das Display des jeweiligen HMD. Reale Mo-

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Abbildung 7: Montage eines BMW Motors mit Hilfe eines ARVIKA tools [Fri03]

delle werden ublicherweise aus Styropor oder Holz hergestellt, was in der Regelmehrere Tage in Anspruch nimmt (siehe [NABD10]). Wurde ein solches Mo-dell nach einem weiteren Treffen analysiert, mussen etwaige Anderungen wiederneu modelliert werden. Die durch den Einsatz von ARTHUR gewonnene Ar-beitszeit ist enorm. Es erspart das Erstellen von ”klassischen” Modellen undvermindert die Anzahl der Besprechungen einer ganzen Planungsgruppe zu ein-zelnen Modellfortschritten, da Anderungen direkt vor Ort am virtuellen Modellvorgenommen werden konnen. Allerdings soll auch hier das System nicht das in-dividuelle Arbeiten des Architekten ersetzen, sondern lediglich erganzen. So istbeispielsweise vorgesehen, dass ein Architekt wie ublich an seinem Desktop PCeinen CAD-Entwurf eines Gebaudes, oder Gebaudeteiles erstellt. Dieses Modellkann spater in die ARTHUR Oberflache geladen und auf dem Planungstischplatziert werden. Dennoch ist es mittlerweile auch moglich, 3D Objekte mitFingergesten direkt zu erzeugen und im Modell zu verschieben und skalieren.Dazu stellt ARTHUR einen Bausatz von ublichen Formen und Figuren bereit,aber ermoglicht es dem Benutzer auch, per Hand Linien und Formen zu zeich-nen. Diese noch nicht sehr einfach zu bedienende Funktion kam bereits auch beiunerfahrenen Benutzern gut an. In Abb. 8 sieht man wie ein Architekt das rotmarkierte Gebaudemodell bearbeitet, welches in einer komplett augmentiertenStadt steht. Im Juli 2007 waren am ARTHUR-Projekt bereits bekannte Namenwie das Frauenhofer Institut fur angewandte Informationstechnik, das BartlettCollege in London und das Aachener Architekturburo Linie4 beteiligt (siehe[Kra07]).

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Abbildung 8: ARTHUR im Einsatz bei der urbanen Planung [Kra07]

4 Fazit

Trotz des hohen finanziellen Aufwandes, der notig ist, um Augmented Reality inder Planung und Entwicklung industrieller Arbeit zu etablieren, kommt sie im-mer mehr zum Einsatz. Der gewonnene Nutzen ist sowohl finanziell als auch ar-beitsergonomisch enorm. Staatlich subventionierte Projekte wie ARVIKA gebennicht nur Highend-Unternehmen wie VW oder AUDI die Moglichkeit, diese neueTechnik einzusetzen, sondern zielen ganz deutlich darauf ab, mittelstandischeUnternehmen zu fordern und ihnen die Moglichkeit zu geben, am Weltmarktkonkurrenzfahig zu sein.Die Moglichkeiten, die durch AR geboten werden sind gigantisch und es ist da-von auszugehen, dass die Forschung auf diesem Gebiet in naher Zukunft nocheiniges an Fortschritt leisten wird. Man kann allerdings jetzt schon sagen, dassmanche Arbeitsablaufe in der Industrie bereits revolutioniert wurden. Um es mitden Worten der ARVIKA Pressekonferenz von 2003 abzuschließen: ”AugmentedReality ist keine Utopie mehr, durch ARVIKA wurde AR zu einer realisierbarenVision!” (siehe [Fri03]).

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Literatur

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