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Aus dem Leben der Wanderfalken. Von Camill fiugg, Oberweimar. (Hierzu die Tafeln XIII--XXI.) Ein Wanderfalkenpaar gab die Anregnng zn vielen Tagebueh- aufzeiehnungen, aus denen des Naehstehende genommen wurde. Den Wanderfalken (I;'(deo pere qri~,us) in der freien Natur zu sehen, war meine Sehnsucht Jahre hindureh auf allen Wandernngen in meiner thiiringisehen Heimat. Ich hatte sehon manehes tiber ihn getesen nnd hatte oft in nnserem pri~historisehen Museum, in dem sieh auch eine kleine Abteilung ansgestopfter V6gel befindet, vet dem Wanderfalken gestanden. Die anderen RanbvSgel der Heimat kannte ieh, ieh hatte sie alle sehon in der Freiheit gesehen, abet dieser eine fehlte mir noeh, ihn konnte ieh noch nieht in die Natnr einordnen. Welch seh6ner Angenbliek war es nnn, als ieh zum ersten Male dieses herrliehe Tier herabsehweben sah, -- mir entgegen! Auf eine k'ahle Fiehte liel3 er sieh nieder; sic steht dieht tiber der Felswand an den Nordh~ngen des lieblieben Ilmtales bei dem Dorfe Oettern, 2 ~Vegstnnden siidlich yon Weimar, zwisehen Berka nnd Mellingen; hier war seine l-Ieimat Munter rauseht der kleine Flul3 dutch des freundliehe Triiumen dieser Waldberge, die welt im iVesten in diimmerndem Blau versinken. Des Tal ist niebt breit and mtindet bald naeh Osten zu in eine weige frn&tbare Aue, die sich veto Siiden nach Norden hinzieht,- vor Zeiten eine Sti~tte riesiger Urwelttiere. Jetzt liegen friedliehe Dgrfer weir siehtbar umhergestreut, heifer blinkend mit ihren retch Dgehern and weigen Giebeln. Hier fallen die Ufer steil ab, 30 Meter steigen die Kalksteinwgnde senkreeht aus dem Tale empor, gekrSnt veto sehweigenden Walde. Diese Felsen, an denen noeh vor 60 J-ahren der Uhu hauste,- heute immer noeh die gesuehteste Stiitte vieler kteiner, friedlieher Siinger -- sind der Ort, an dem ieh mehrere Jahre hindureh mit groBer Liebe immer wieder des Gleiehe beobaeh~ete, und des der Inhalt dieser Sehilderung ist: einige Jahre arts dem Leben der Wanderfalken. Niehts in der weiten Umgebnng ist ihnen so lieb wie ihre Fels- wand. Deft sind sic Tag und Nacht~ J ahr aus~ Jahr ein,- dort

Aus dem Leben der Wanderfalken

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Page 1: Aus dem Leben der Wanderfalken

A u s d e m L e b e n der W a n d e r f a l k e n .

Von Camill fiugg, Oberweimar.

(Hierzu die Tafeln XIII--XXI.)

Ein Wanderfalkenpaar gab die Anregnng zn vielen Tagebueh- aufzeiehnungen, aus denen des Naehstehende genommen wurde.

Den Wanderfalken (I;'(deo pere qri~,us) in der freien Natur zu sehen, war meine Sehnsucht Jahre hindureh auf allen Wandernngen in meiner thiiringisehen Heimat. Ich hatte sehon manehes tiber ihn getesen nnd hatte oft in nnserem pri~historisehen Museum, in dem sieh auch eine kleine Abteilung ansgestopfter V6gel befindet, vet dem Wanderfalken gestanden. Die anderen RanbvSgel der Heimat kannte ieh, ieh hatte sie alle sehon in der Freiheit gesehen, abet dieser eine fehlte mir noeh, ihn konnte ieh noch nieht in die Natnr einordnen.

Welch seh6ner Angenbliek war es nnn, als ieh zum ersten Male dieses herrliehe Tier herabsehweben sah, - - mir entgegen!

Auf eine k'ahle Fiehte liel3 er sieh nieder; sic steht dieht tiber der Felswand an den Nordh~ngen des lieblieben Ilmtales bei dem Dorfe Oettern, 2 ~Vegstnnden siidlich yon Weimar, zwisehen Berka nnd Mellingen; hier war seine l-Ieimat

Munter rauseht der kleine Flul3 dutch des freundliehe Triiumen dieser Waldberge, die welt im iVesten in diimmerndem Blau versinken. Des Tal ist niebt breit and mtindet bald naeh Osten zu in eine weige frn&tbare Aue, die sich veto Siiden nach Norden h i n z i e h t , - vor Zeiten eine Sti~tte riesiger Urwelttiere. Jetzt liegen friedliehe Dgrfer weir siehtbar umhergestreut, heifer blinkend mit ihren retch Dgehern and weigen Giebeln. Hier fallen die Ufer steil ab, 30 Meter steigen die Kalksteinwgnde senkreeht aus dem Tale empor, gekrSnt veto sehweigenden Walde. Diese Felsen, an denen noeh vor 60 J-ahren der Uhu h a u s t e , - heute immer noeh die gesuehteste Stiitte vieler kteiner, friedlieher Siinger - - sind der Ort, an dem ieh mehrere Jahre hindureh mit groBer Liebe immer wieder des Gleiehe beobaeh~ete, und des der Inhalt dieser Sehilderung ist: einige Jahre arts dem Leben der Wanderfalken.

Niehts in der weiten Umgebnng ist ihnen so lieb wie ihre Fels- wand. Deft sind sic Tag und Nacht~ J ahr aus~ Jahr e i n , - dort

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LXXXI ] Alls dem Leben der ~Vanderfatken. 3zi5 I~Ieft 2 ]

leben sie. Stundenlang sitzen sie auf dfirrem, ragendem Aste in k~niglicher Ruhe, mit scharfem Auge sp~hend; der Tag zieht an ihnen vorbei, und naehts seh~itzt sie der unzug~ngliehe Fels.

[Jm dieses Leben zu belausehen, baute ich mir ffir den n~ehsten Frfihling eine H~itte auf der Wiese im Tale. Von hier aus wollte ich die Falken zuerst beobaehten, bis sie, durch die'Jungen an ihre Brut- st~tte gekettet, den Horst nicht mehr so leicht verlassen, wenn etwas Ungew6!mliehes in ihrer N~he auftaueht. Fiir die Beobaehtungen aus n~ehster N~he lieg ieh mir einen grogen Korb flechten, der an der Felswand, ganz nahe dem itorst, h~ngen und micl~ bergen sollte.

Der Frfihling war gekommen. Ieh ging nun oft zu meinem Versteck auf die Wiese. Sobald ich

n}iher kam, hSrte ich Bin verhaltenes Rufem Eek, eek, eek schien es mir zu klingen, wie aus weiter Ferne~ aber der Ruf kam vom Felsen her. Ich entdeckte die Falken, wie sie den Felsen unter lebhaftem Gegaeker naeh einer geeigneten NiststMte absuehten. Das ~Veibehen legte sich nieder, kusehelte und drehte sich hin und her, richtete sich wieder auf und erwartete so in geduekter Stellung das M~nnchen, mit dem es dann yon neuem weiter auskundschaftete.

Naeh etwa einer ~Voehe war der Nistplatz bestimmt, ein Fels- vorsprung, 5--7 Meter unter dem Waldsaume, yon ungefghr 1 Meter Breite, unzug~nglieh Nr Tiere und Mensehen. Nut yon oben fair Erde herab, die im Laufe vieler, vieler Jahre dutch Regen und die kleinen Wurzeln der Pflanzen, die dort wuehern, zusammen mit dem SteingerSll zu einer festen Deeke geworden war, - - im Sommer eine bltihende Wildnis inmitten der bleiehen, weilggrauen Kalksteinfelsen.

Die FMken br[iten niimlich nicht regehn~l~ig an derselben Horst- stelle; in diesem Jahre hatten sie einen Platz zmn Nisten gew~hlt, den sie frtiher fast immer gehabt haben sollen, und der an der steilsten und h5chsten Stelle der ~Mswand liegt.

Aueh nicht alle Jahre schreiten sie zur Brut. In den ftinf Jahren meiner Beobachtungen brtiteten sie nut 1929, 1931 nnd 193"2.

In der Zeit vor dem Briiten waren beide Falken sehr erregt. Sie schienen nfir besonders seheu, sie flogen unruhig umher, sie sehrieen viel und verweilten aneh nie so lange auf ihren Lieblingspl~ttzen wie dann sp~ter naeh der B r n t z e i t , - auf der Linde, auf der sie sieh gepaart hatten ~md der kahlen Piehte, dieht fiber dem ttorste.

Mit dem B r t t t e n , - es war Anfang April, - - begann eine stitlere Zeit. Meist sat3 das Weibchen auf den Eiern, nut far wenige Stunden

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am Tage 15ste es das M~nnchen ab. W~hrend des Br~itens hSrte ich yore Weibchen oft wimmerndes Rufen, das immer starker wurde and am Ende wie kreeg, kreeg, kreeg kla.ng. Auch ruekte es in Ab- st~nden mit dem Kopfe und der hinteren K6rperh~lfte. Das M~innchen sebrie manchmal ohne jeden ersiehtlichen Grand leise in hohen TSnen.

Ich beobaehtete ~orl~nfig noeh alles yon meiner Hiitte ira Tale aus. Vor mir anf dem Stativ Bin 12 ~ vergrSt3erndes Fernglas, das mir mein Studienfeld ganz nahe brachte and reich in eine Wunderwelt scbauen lieg. Der Horst lag in dieser friiben Jahreszeit noch unbe- schiitzt yon Gr~sern und Zweigen da. Das Weibchen lieg sieh dnrch nichts stSren, ieh konnte bis an die ]~'e]sen herangehen; es flog niem~ls auf. Bei dem ~I~,nnchen half mir alle Vorsicht nichts, hatte es mich. entdeckt, fliiehtete es anfgeregt nach einem der nahen Rastpl~tze and kehrte nnr spgt nnd sehr zSgernd zuriick. Doeh sah ieh dann meist das Weibchen herzueilen, nm sieh ohne Seheu auf seine Eier nieder- zulassen. Das Mgnnehen semen mir im ganzen schener zn sein Ms das Weibehen; das war aueh anger der Brutzeit zu bemerken. Beim Braten hatte es den gopf gegen die J~'elswand gewendet, seine Ge- fghrtin aber lag parMlel zur Felswand. Sie bewegten sie, h dabei sehr wenig und flogen nut selten, manehmsl erst naeh einem halben Tag ab, und dana nur. un~ zn fressen oder sieh zu entleeren. Die meiste Zeit sag das weibliehe Tier auf den Eiern, wf, hrend das M~innchen Beute herbeisehaffte. Sobald der Falke tiber dem Felsen ersehien, sehrie die brtitende Falkenmntter, erhob sieh langsam yon den Eiern, flog ab und hotte die Bente. Nut fiir wenige Minuten war dana der Horst frei.

So verging ein ganzer Monat, nnd damit war die Zeit des mt~he- vollen Stilleliegens fUr die Tiere vorbei. Denn die Jungen waren ge- sebttipft. Es war am 6. Mai. An diesem Tage flog das Weibehen mehrere Mate aaf, um sieh yon einer Felsstelle etwas zum Fressen zu holen. Es krSlofte heute am Horst and legte sieh danaeh wieder nieder. Gegen Abend bemsrkte i& ein weigliehes Wotlkltimpehen vor dem Fltigel der Alien, das abet sofort wieder unter ihm versehwand. Am 8. Mai Ntterte das Weibehen die Jungen zmn ersten Male, es gab ihnen die winzigen Fleisehteilehen unter hMblautem Gegaeker. Zwei Tage sp~ter warden die kteinen sehon dreimal gefuttert, um 9 Uhr, 12,30 Uhr und 18,30 Uhr. Der 11. Mai wurde noeh interessanter. Ieh kam 6 Uhr morgens ~uf die Wiese. Das Weibehen lag auf dem Itorst. 6,30 Uhr flog es dem Mi~nnehen entgegen, das yon dem Walde herkam, nahm ibm die Bente ab und gab den Jungen za fressen.

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LXXXI] Heft 9 ] Aus dem Leben der Wunderfulken. 3~[7

7.30 Uhr erschien das M[mnchen wieder mit "einem Vogel, den sich das Weibchen in der fiblichen Weise in der Luf% holte. Es ffitterte erst nnd fraI3 dann selbst davon. [0,30 Uhr wurden die Jungen wieder geatzt, mit dem Rest der vorigen Beute. 19,30 Uhr brachte das M~nnehen eine weil3e Taube; das Weibchen holte sie sich und krSpfte sie an einer anderen Ste]le des Felsens. Der friihe Morgen des 16. Mai braehte neue Ertebnisse. Als ich 4,30 Uhr nach dem Horst sah, fiitterte das Weibchen schon. Danach flog es auf einen Ast in der N~he. 51/4 Ubr braehte das Mfinnchen eine Drossel. Das Weibchen nahm sie ab, flog zum Horst, yon da, ohne zu fhttern, auf eine Felskanze] und verbarg die Beute alert. Nach einer Viertelstunde kam schon wieder das M~tnnchen mit eiltem kleineren Vogel veto Walde her, bloekte dicilt fiber dem Horste auf, das Weibchen kam hinzu, sie sehrieen beide kl~.glieh, das Weibchen nahm den Vogel ~b und versteckte ihn ebenfalls auf dem Felsvorsprung. Das M~nnchen verschwand bald wieder im Walde und brachte 6~/~ Uhr einen Star, der an der gleiehen Stelle verborgen wurde. Diese Stunden hatte das Weibehen auf einem Baume zugebracht. Jetzt, a]s das M~nnchen in seine N[the kam, liet3 es sieh zum Horst herabf~llen und w~rmte die Jungen wieder.

In den warmsten Stunden dieser ]etzten Tage sah ich das Weibehen oft auf einem umgestfirzten Baume in der Sonne "sitzen. Dort ruhte es aus, mit angezogenem Fang, und zog jede seiner herrlichen Federn ordnend durch den Schnabel. Es machte mir den Anschein, ats sei die Falkennmtter reeht zufrieden.

Eine reichliche Woehe war vergangen, in der das Weibehen den ganzen Tag auch bei warmem Wetter die Jungen huderte und hSchstens zwei- bis dreimal am Tage fiitterte. Nur in der Nacht blieb es am Horst, verschwand aber mit dem Morgengrauen.

Die Falken erwaehten schon ziemlich friih. Sie itogen in zitternden, hatbriitte]nden Bewegungen ohne jedes Schreien vor dem Felsen umber. Darauf begab sich einer sofort auf die Jagd, der andere - - meist dan Weibchen - - blieb besonders am Morgen gem hier. Waehe hie]t immer ein Wanderfalke. Erst sp~ter, als die Jungen ungef~hr 4 Wochen alt waren, liei~en sie die Alten manchmal allein.

Die Zeit ffir meine n~heren Beobachtuagen und fiir die photo- graphische Arbeit war nun gekommen.

Meine Briider h~lfen mir den Versteckkorb an den Felsen bringen. D~s war eine schwierige und auch nicht ungef~hrliche Arbeit. Wegen

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[J.f. 0. 348 Camitt Gugg: [ 1933

der scheuen FMken wollte ich den Korb in der Naeht aufh~ngen, aber das war wegen der Dunkelheit und des steilen Abhanges nicht mSglieh. Es mugte atso am Tage geschehen. Zwei Drahtseile hielten den Korb. Er wurde oben vom Walde herabgelassen, und die Seile schlangen wit fest um kri~ftige BSume. Trotz gr/Jgter Vorsieht rollten Steine und Bliitter nach, die zwar keine @efahr ftir die Falken waren, da der Horst 5 m seitlich lag, aber dutch das laute Poltern der Steine und Rascheln der BlOtter sehreekten die FMken 5ngsttich sehreiend auf und beruhigten sich erst nach einer hMben Stunde wieder. Von ihrem Baume aus sahen sic nun dem fremden Treiben, vielleieht nicht ohne Sorge, zu. Naeh 3 Stnnden angestrengter Arbeit hing der Korb in riehtiger Lage zum [-Iorst. nnd wir verliegen den Platz. Eine wichtige Arbeit war getan, ieh war froh. Am ngehsten Tage beobachtete ich nut aus groger Entfernnng, mn zu sehen, ob die FMken sieh an das Versteek gew6hnten.

Die wenigen Stunden der Naeht schlief ieh in einer Sehenne im Dorfe im Hem Nachts mn 2 Uhr stand Jeh auf, denn noch vor Tages- grauen wollte ich im Versteck sitzen. Nit Bergstock, Rucksack und Seil ging ich durehs schlafende I)orf zum Flusse, mieh zu waschen. Das frisehe Wasser verseheuehte die letzte Miidigkeit. Nach kurzem ~Vege dureh Wiesen, Felder und den jungen Bergwald war ich bald auf der H~he. Im Osten d~mmerte der Morgen. Im Tale sang der erste Vogel, ein Gartenrotsehwiinzchen. Ieh war an Oft und Stetle.

Vorsiehtig seilte ieh reich ab. Kein Steinchen durfte fallen, denn der FMke sag auf den Jungen and besehtitzte sie vor der Naehtkiihle. Als ieh nun in den Korb steigen wollte, schreekte der Falke wieder auf und rief aufgeregt, heiser gegegegegegeg. Das Herz pochte mir; ich verhielt reich sofort ganz still, his am Horste alles wieder ruhig war. Dann kletterte ieh in meinen Versteckkorb und richtete reich h~uslieh ein. Es war ein ganz eigenartiges Geftiht, an der Felswand so fiber dem rausehenden Wasser in der Tiefe, in dem Korbe zu schweben. Anfangs wagte ieh keine Bewegung zu maehen, ja kaum zu atmen, und so entging mir auch kein Laut des ringsum erwaehenden Lebens.

Diese Stunden vor Sonnenaufgang in ihrer erhabenen Feierliehkeit werden mir unvergeglich bleiben.

Unmittelbar vor mir lag der ltorst; ieh konnte durch eine Oeffnung neben dem Spiegel der Kamera direkt hineinblicken. Der Falke hockte hMb aufgerichtet tiber seinen Jungen und sehlief. Gern hgtte ieh diesen Anblick trener Miitterliehkeit im Bride festgehalten. Aber in diesen frtihen ~orgenstunden reiehte das Licht Nr eine AuNahme noch nieht aus. Sparer dann, als es gerade hell genug wurde, flog der Falke

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lautlos ab. [cb land ihn auf der Fichte wieder, wo er sich putzte and in den ersten wgrlnenden Strahlen der Morgensonne sein Gefieder ordnete. Die weiBen Wollkliimpehen im Horst bewegten sieh aueh sehon, 3 Junge, yon denen die Ntesten 12 Tage alt waxen. Das Jiingste sah sehr schwgchlich aus und war auch sehon am dritten Tage verschwunden. Wahrseheinlioh war es gestorben und yon den Alten weggetragen worden. Die beiden anderen waren krRt%ig nnd bewegten oft die kleinen Fliigel. Doch schien sie das anzustrengen, denn nach wenigen Minuten sehon schliefen sie wieder ein.

So verstriehen Stunden. Ieh wartete mit Spannung auf den Alten, dat~ er zam Horst kRme, hSrte aber nur ein ~ngstliehes Rnfen. Er war yon der Fichte auf den alten Lindenstamm geflogen. Warren schrie er nur so? Ich konnte niehts finden, was ihn h~tte ersehreeken kgnnen. Da das Schreien aber nicht nachliel3 und der Falke sogar einmal dicht am Versteck vortiberflog, bemerkte ich, wie in dem Morgenwinde das Dach meines Korbes, das aus einem alten Regenmantel bestand, auf und nieder flatterte. Diese unbekannte Bewegung war wohl der Grund so ~ingstlicher Aufregung; als ich dann das Dach festgemaeht hatte, war der Falke aueh sofort beruhigt. Naeh einer Weile fief das Falken- weibehen wieder; das war gegen 1/26 Uhr. SehnelI bliekte ieh naeh jener Riehtung nnd sah, wie es dem aakommenden M~innehen bei immer heftigerem Geschrei die Beute in der bekannten Weise abnahm and in hastigem Fluge nun dem Horste zusteuerte. Ich sah dutch die Kamera auf den Horst. Es war noeh alles still. Pl5tzlich hSrte ieh rausehende Fltigelsehlgge, und tier Falke fiel am Horstrande ein. I-Ioeh aufgeriehtet, gewaltig, mit sehlagender Jdrust verharrte er etwa 20 Sekunden lang wie versteinert in dieser Stellung. Keine Bewegung, kein Laut stSrten ihn! Sein sehwarzes, unerbittlich Mares Ange war wie yon dunkler Wehmut erfiillt; wie ein dunkles Jnwel, in bernsteingelbem" Ring gefal~t, lag es in dem stolzen, edlen Kopfe. Er btiekte naeh seiner Bente im linken Fang hinunter, maehte dann einige hinkende Sehritte auf die Jungen zu und begann mit der Fiitterung, die eine halbe Stunde dauerte. Oft sah er auf nnd hielt inne. Als die Jungen satt waren und niehts mehr wollten, gaekerte er, frag den Rest und flog davon.

[ch atmete auf. Es war also gehngen; nichts yon meiner An- wesenheit hatte der schal:f~iugige, scheue, mit3trauisehe Falke gemerkt. Ohne einen Sehrei war er abgeflogen. Die Dunenjnngen schliefen ein.

Begliiekt notierte ieh mein erstes Erlebnis hier im Korb. Dann a13 ieh mein Brot, nnd bald fielen mir die Augen zu. Doeh die un- gewohnte Lage in solehem Versteek liel~ reich nieht dange ruhen, ich

go~irn, f. Orn, LXXXI. Jahr~-. Aprii 1933, 93

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[J. f. 0. 350 Cam{ll Gugg: L 1933

erwachte bald wieder. Und das war gut, denn im n~ehsten Augenbliek war das Weibchen wieder am Horst. Jetzt aber nur fiir wenige Augen- blic.ke, ohne zu fiittern. Gleieh darauf ersehien das M~nnehen und fiitterte volle 30 Minuten. Das war gegen 10 Uhr.

Merkwiirdig bei diesem Paar war, dag nieht das Weibchen, sondern das einj~hrige M~nnehen weniger seheu am JrIorst verweilte.

Um 13 Uhr fiitterte das Miinnehen wieder; da maehte ich meine erste Aufnahme. Die unruhige Bewegtheit dieser Tiere w}ihrend der Fiitterung hat es mir sehr sehwer gemaeht, denn ich konnte wegen des sehwaehen Liehtes an der Nordwand nieht den schnellsten Moment anwenden. An das Rasseln des Kameraversehlusses batten sich die Fa]ken sehnell gewShnt. Sie achteten bald iiberhaupt nieht mehr auf ein Geriiuseh aus dem Korbe. Ieh erlebte noeh die n~iehste Ffitterung vom Weibehen mn 15 Uhr, and dann verliet3 ieh fiir diesen Tag mein Versteek~ um zu Hause die Platten zu entwiekeln. Ieh konnte es ja kaura erwarten, das Ergebnis zn sehen.

Eine Woche lang war ieh nun sehon t~glieh in dem Versteek ge- wesen. Die Jungen waren jetzt 3 Woehen alt. Sie stolperten im Nest herum, riefen sehon so ~hnlich wie die Alten und folgten ihnen mit den Augen h a & . Federspitzen yon 1 Zentimeter Lih~ge s~iumten jetzt Fliigel und Sehwanz. Das VerhMten tier Alten war aneh anders geworden. Sie hielten sieh nieht mehr so lange am Horst auf, sie kamen hastig, dabei braehen sie die Pflanzen urn, die wfihrend dieser Woehen hoeh- gewaehsen waren; sie ftitterten hSehstens 15 Minuten.

Jeden Tag sail ieh einen Fortsehritt an den J ungen, und wie erstaunt war i&, als sie, naeh kaum aeht Tagen, den alten Wanderfalken sehon ganz i~hnlieh geworden waren. Das weiehe Dunenpolster war dem Feder- kleid gewiehen, jetzt waren sie einen Mortar alt. Sie sprangen im Horst herum und sehhgen mit den ]?liigeln; dutch dieses wilde Toben war der Horst kahl gefegt; an Bl~ttern, Steinen und Erde hingen unzahlige Dunen. Die Federn der gerupften VSgel, Reste der angefressenen Beute, ein Sehultergtirtelskelett mit den beiden Sehwingen einer Haus- taube, zwei rote Fiinge mit den gelben Ringen yon Brieftauben. halbe Drosseln und Stare mit den Beinen noeh daran, lagen umher; so sail Jell es alle Tage.

Eine Woche war vergangen nnd damit der letzte Tag heran- gekommen, an dem die Jnngen noeh im Horste waren. Zufiillig be- merkten sie reich dies Mal beim Hineinsteigen in den Korb, ersehreekten sich dabei sehr und fltiehteten an das entfernteste Horstende. Sie

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LXXXII* Aus dern Leben der Wunderfalken. 351 Hef t 2

s e h r i e e n in e i n e m fort~ h i s s ie r e i c h n i c h t m e h r s a h e n . F a s t d e n g a n z e n

T a g h i e [ t e n sie s i ch j e t z t au l~e rha lb de s H o r s t e s a n d e m schr~ig ab -

f a ] l e n d e n F e l s v o r s p r u n g auf. W e n n s ie H u n g e r s p i i r t e n , k a m e n sie in

d e n H o r s t u n d s p r a n g e n wie t o l l u m h e r . D a b e i f i e l en E r d e u n d S t e i n e

h i n n n t e r . S i e i i b t e n in g r 5 g t e r G e s c h w i n d i g k e i t i h r e Fl i igeI , f r a g e n u n d

z e r r t e n m i t e i n g e s c h t a g e n e m F a n g a n d e n V o g e l r e s t e n h e r r e n , b i s s ie

e r s e h 5 p f t w a r e n . D a n n s a g e n s ie w i e d e r s t i l t o d e r l e g t e n s i ch n i e d e r

a n d sehl iegen .

W i e u n e r m i i d l i e h j e t z t d i s A l t e n a u f B e u t e au s s e in nml~ten , u m

d ie J u n g e n s a t t zu b e k o m m e n , z e i g t a m b e s t e n die f o l g e n d e T a b e l l e

d e r l e t z t e n T a g e :

11. J u n i y o n M o r g e n s 6 U h r b i s N a c h m i t t a g s 15 U h r .

6~15 Uhr : Weibchen mit S t a r - - 7 , 4 5 Uhr: Weibchen mit Taube - - 7,47 Uhr : Weibehen mit der Beute (Drosse]) des M~nnchens --- 9~20 Uhr : ~Veibehen mit un- kenntl ieher Beute - - 9,45 Uhr : -Weibchen mit der Beute (Star) des M i ~ n n c h e n s - 12:05 Uhr : Weibchen mit Drossel - 14~16 Uhr : Weibchen mit Taube -- 14~30 Uhr : Weibchen mit der Beute (unkennt]ieh) des Mi~nnchens.

12. J u n i y o n l ~ ' I o r g e n s 3 U h r h i s N a c h m i t t a g s 16:30 U h r .

3~20 Uhr : Falke hockt auf der Fichte - - 4,15 Uhr: die Jungen schlafen noch: Kopf im Gefieder - - 5 Uhr : Weibchen fliegg yon der Fichte ab --- Junge versuchen zu fressen - - 5,10 Uhr : Weibchen mi~ Beute auf der Fiehte, fliegt umher, komm~ abet nieht zum Hors t - - 5,40 Uhr : Weibchen mit Beute (Taabe) zu t to r s t - - 5~43 Uhr: Weibehen br ingt den Jungen die Beute des Mgnnchens - - 6,50 U h r : Weibehen bringt wieder die Beute (Drossel) des l~Iilnnchens zmn t Iors t - - es regnet leise - - Weibehen hat seig 7,10 Uhr die Fieh~e verlassen - - -Mgnnehen am F e t s - die Jungen stehen oder liegen last den ganzen Tag am t to rs thang - - 9,80 Uhr : Junge zum Fressen im Nors t - - Bins hat sieh niedergelegt, alas andere ist wieder for~ - - es ist 10,10 Uhr - - yon den Alten ist noch niehts zu sehen - - die Sonne seheint tells - - 10,55 Uhr : !~I~nnehen rait kleinem Vogel auf der Fichte - - Junge auf einmM im ttorst~ sehreien and sehen naeh ibm - - Weibchen dann am Fe]s: entweder die Beute gefressen oder versteckt ; erseheint je tzt auf anderem Stamm- platz - - 11,15 Uhr : Mgnnchen st51~t auf Bussard und kehrt auf hohe Bnche zur~ck - - 11,45 U h r : M~nnehen auf der Fiehte - - 12.15 Uhr : erscheint t~{gnnehen mit kleinem Vogel auf der Fichte~ fliegt hin and her, "~Veibchen fehlt woN, das die Beute ab- n immt - - lg,30 Uhr : Weibehen erseheint mit Beate am I tors t - - fliegt darauf auf Linde - - Miinnchen dieht darunter auf abgestorbener, junger Fichte - - 12,40 Uhr : Weibehen auf der Fiehte, lgl]t die Fliigel h~ingen - - Miinnchen nieht mehr da -~ 14 Uhr : es regnet wieder - - 14,30 Uhr : Junges friflt im [ tors t - 14~45 Uhr : weehselt Weibehen den Sitz - - 15,30 Uhr : Junge schreien~ da Miinnehen in tier Luft kreist - - 16 Uhr : Weibehen br ingt die Beute (Star) des l~Ignnehens zum t torst .

13. J u n i y o n ~ ' i o r g e n s 4,30 U h r b i s 1 K i t t a g s 14 U h r .

4,55 Uhr: Mi~nnchen br ingt Beute zum Horst, f~llt fast herunter, da die Jungen es 5berwiiltigen - - vor 6 Uhr fliegt Mi~nnehen mit Beute viel bin und her - - 6 Uhr :

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~ [J . f. 0. 30'2 Camill Gugg : ~ 1933

Weibchen kommt mit Taube zum Horst - - 6,19 Uhr: 3([iinnchen fliegt mit Beute umher~ lockt ein Junges yore Horst weg and gibt die Bemire auf eiaem Felsblock einige ~'Ieter iiber dem Horst a b - - 7 , 3 0 Uhr: beide ]%Iken auf de r °F ieh te - 7~4:0 Uhr: Miinnchen uact Weibehen nicht m.ehr auf der Fichte =-8,45 Uhr: We~behen bringt Beute zum Horst - - 10.~5 Uhr : ?¢1gnnehen auf Stammplatz unter tier Fiehte - - 10,55 Uhr: kommt Weibehen mit weiiter Taube, rui0ft sie auf tier Linde die Jungen ruhen -- 11.15 Uhr: Weibehen kommt mi~ tier gerupften und halbg'efressenen Taube zum Horst - - ausgeflogener Junge kehrt nieht wieder in den ttorst zuriick~ schreit jetzt viel - - 13~5 Uhr: bringt Weibchen Bente zum gorst -~ ausgetlog'ener schreit jedes Mal lange.

Tauben und gr6gere VSgel braehten die Falken meist ohne Kopf und Brust, etwas gerupft, zum I-Iorst. H~ufig blieb die nieht reinlieh verzehrte Beute im Hors t liegen, wurde aber in der ersten Zeit aueh oft naeh der ~ii t terung yon den Alten mitgenommen. Auger den genannten Beutetieren t~nd ieh an den Rupfpl~tzen Pedern yon igebhuhn, Feldlerehe, Goldammer und Buehfink. Ein Kiebitzskelett mit den noeh paarweise zusammenh~ngenden Sehwingen, das ieh 1931 an dera Felsen fand, war wohl ein Ausnahmefall. Ieh sah diese Vggel nur auf dem Durchzug hier. Die Beute holten sie in den seltensten F~llen aus der n~ehsten Umgebung. Meistens t raf ieh den jagenden Falken welt draugen tiber dem Walde auf iCI6hen und Feldern. Die Bauern im Dorfe wissen, dad dieser Raubvogel ihnen unter den Tauben nieht zu grogen Sehaden anrichtet. Ein Bauer sagte mir: ,,Na, ein paar gSnne ieh ibm s e h o n - und mehr holt er ja nieht". Mit der Beute ellen sie dann zum l?elsen, um sie bier auf Felsklippen, die mit kurzem Gras und Mauerpfeffer bewaehsen sind, zu krSpfen. Dabei wurden sie zuweiten yon Rabenkri~hen oder EichelhShern angegriffen. N i t einem kurzen Ruf t au&en mehrere dieser sehwarzen VSgel aus dem ~Valde auf, stiirzen sieh einige Male auf den Falken, der fliigel- breitend und heftig kaigigigigig rufend seine Beute verteidigt, um dann mSglieh sehnetl wieder das Weite zu suehen. Die Kr~hen sehimpfen mit Grund, denn schon oft land ich, besonders in dem strengen Winte r 19'28/29, auf dem zugefrorenen Flug unter dem Felsen Reste vo~ Kr~then, denen das Brustfleiseh yon den Falken ausgefl'essen war. Dagegen sah ieh oft Ringeltauben, die hier im Walde nisten, langsam und ohne Seheu an den Falken vorbeifliegen oder auf den ~ugeren Zweigen der Wald- b~ume sitzen; doeh niemals sah ieh den Falken eines dieser Tiere sehlagen. Ersehien einmal ein Miiuse- oder Wespenbussard oder ein Turmfalke fiber dem Fetsen, so begs.nn der ]?~lke heftig zu sehreien, beruhigte sieh abet wieder, wenn der Eindringling absegelte. Hiel t er

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LXXXI1 Aus dem Leben der Wanderfalken. 353 Heft 2 1

sich jedoeh lgnger fiber dem Felsgebiet auf, dann stieg der Falke in die ftShe und verjagte den Feind.

lhn Jahre 1929 verteidigten die Falken sogar einmal ihre Jungen vet einem Fuchs, der unter dem Horste ent]ang sehlich.

Im letzten Herbst hielten sich Fisehreiher auf ihrem Durchzug hier an der Ilm ant. Da sah ich eines Tages, es war der 9. Oktober, wie der Falke ant einen Reiher niederstieB. Der Reiher beachtete den t~alken kaum, flog aber mit rauhem Sehrei davon. Oft stand aber aueh der Fi~chreiher stundenlang auf der Krone oder dem Seitenzweig einer Fiehte am Felsen friedlich in der N~ihe der Falken.

Sind die jungen Wanderfalken einmal ausgeflogen, dann kehren sie nicht wieder an ihren Horst zurtiek. So geschab es am n~chsten Tag. Am Nachmittag land ieh den Horst leer. Die Jungen sagen ungef~thr 20 Meter veto Horst entfernt am Abhang, we ~Vatd und Fels zusammensto[~en. Gespannt wartete ich die n~chste Ffitterung ab.

Welche Ueberraschung! Die Falkenmutter schien vergessen zu haben, dal3 ihre Jungen aus-

geflogen waren, denn sie kant noch einmaI mit einer grauen Taube zum fIorst, um sie ihnen zu bringen. Nur einige Augenbticke dauerte es, und der Palke flog zu seinen Jungen bin, die schon gerufen hatten. DaB war das letzte Bild, das ich mit der Kamera festhalten konnte.

Wie diese jungen Falken da so dicht beieinander hockten auf den grauen Felsvorspriingen, erinnerten sie in ihrer grol3en SehSnheit an die unnahbare Majest~t ~/tter ~gyptischer Bildwerke. Sehieferblau-violett der Riicken mit den gleichfarbigen dunkleren Flfigeln, wie ein kostbarer Mantel tiber der lichthavannabraunen, ~lunkel ge:~leckten Unterseite. Waehshaut and Augenring batten noch die blaugraue Farbe des Schnabels. Die F~nge waren noch gelbgriin und zart.

Da in den flint Jahren zwei neue M~nnchen und ein neues Weibchen an den Felsen kamen, konnte ieh die Fgrbung der alten Wanderfalken gut beobachten.

Veto Frtibjahr 1928 bis Winter 1931 lebte bier ein kleines, sehr belles M~nnchen. Sein Kept and Bartstreif schienen dunket schiefer- schwarz, die Oberseite hell schiefergrau. Die ganze Unterseite war leuchtend weit~ und wenig gebandert.

Ich hatte yon diesem Vogel in den vier Jahren ein ganz klares Bild gewonnen. Aus wetter Ferne sehon konnte ich ihn mit Sicherheit bestimmen.

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354: Camill G-ug'g: Aus dem Leben tier Wanderfalken. [J ' f" 0. 1933

In den ersten M~rztagen des n~ehsten Friihlings, 1932, vermil3te ich diesen Falken. Dafiir sah ich einen ebenso grogen, aber ganz un- scheinbar braunen Vogel. Es war ein einj~hriges Miinnehen. Die oekerfarbige Unterseite hatte breite dunkelbraune L~ingsflecke. (Taf. XIV.)

Aber schon Mitre September kam ein Nachfolger. Er war nicht so klein und zierlich. Er hatte fast die GrSge des kriiftigen Weibchens and die gleiche Fiirbnng, nur etwas leuchtender nnd frischer.

1928 and 1929 war ein diisterfarbenes, sehr dunkles Weibchen hier. Die Oberseite war fast sehwarz und die Unterseite auf rStlich- braunem Grnnde sehr stark und eng bis hoch auf die Brust geb~indert.

Das Weibchen, das seit den letzten Jahren bier ]ebt, ist bedeutend heller. Kopf und Bart fast schwarz~ die Oberseite aber lieht aschgrau mit bl~uliehem Anflug; die Kehle weig, der Kropf weig mit sehmaten, dnnklen Schaftstrichen~ die tibrige Unterseite weifJgrau, rosage]blich iiberlaufen und quergeb~ndert.

Winteraufentbalt der Falken sind die Felsen. In einem einzigen Fall n u r , - das war in dem eisigen Januar nnd Febrnar 1 9 2 9 - hatte das helle M~innchen sein FelsgeI~nde verlassen und kehrte erst nach der grimmigen KNte znrfiek.

Nach dem Ausfliegen hielten sich die Jungen noch fiber 2 Monate in der NiChe des Horstes auf. Ich sah sic noch oft an heil~en, stillen Sommertagen mit den Alten hoeh oben im blauen Aether ihre Kreise ziehen. Aber noch ehe die letzten I-lerbststiirme fiber das Land bmusten, zogen sie fort.

Im niichsten Friihjahr werden sic wiederkommen nnd eine eigene Heimat grtinden, nicht allzu fern yon ihrer Geburtsstiitte.

Die Alten sind nun wieder Mlein; auf den kahlen Aesten sitzen sie und waehen fiber ihr Reich. Veto Walde her, so sp~it, singt noeh ein Rotkehlehen sein sfiges Lied in des Herbstes diistere Melancholie.

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Journal fiir Ornithologie 1933 Tafel XIII

Das Ilmtal und die Felsen der Wanderfalken.

Aufnahme Camill Gugg

Page 13: Aus dem Leben der Wanderfalken

Journal fiir Ornithologie 1933 TafeI XIV

Aufnahme Camdl Gugg

Das einj~ihrige bl~innchen auf dem Horst bei seinen drei Jungen. 16. Mai 1932.

Page 14: Aus dem Leben der Wanderfalken

]ournal fiir Ornithologie 1955 Tafel XV

Das Weibchen bei der Fiitterung

Aufnahme Camill Gugg

Page 15: Aus dem Leben der Wanderfalken

Journal fiir Ornithologie 1933 Tafel XVI

Aufnahme CamilI Gugg

Das Weibchen schaut nach dem hoch fiber der Felswand kreisenden M~innchen. 18. Mai 1932.

Page 16: Aus dem Leben der Wanderfalken

Journal fiJr Ornithologie 1933 Tafel XVII

Aufnahme Cami[1 Gugg

Einen erbeuteten Vogel im Fang, f/illt das Weibchen mit voller Wucht ein und dri.ickt dabei die den Horst umstehenden Pflanzen urn.

Page 17: Aus dem Leben der Wanderfalken

Journal fiir Ornithologie 1933 Tafel XVIII

Aufnahme Camill Gugg

Die Mutter f/itter/ ihre beiden 19 t~igigen Jungen. 24. Mai 1952.

Page 18: Aus dem Leben der Wanderfalken

Journal fiir Ornithologie 1935 Tafel XIX

Au~]aahrne Camill Gugg

Die jungen Wanderfalken im Alter yon 30 Tagen

Page 19: Aus dem Leben der Wanderfalken

Journal fiJr Ornithologie 1935 Tafel XX

Aufnahme Camill Gugg

Der junge Wanderfalke kr~Spft die Reste von Brieftauben, deren beringte F~inge im Horst umherliegen. 12. Juni 1932, einen Tag vor dem Ausfliegen.

Page 20: Aus dem Leben der Wanderfalken

Journal fiir Ornithologie 1933 Tafel XXI

Aufnahme Camill Gugg

Junger Wanderfalke, 38 Tage alt. 13. Juni 1932