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Aus der Universitätsklinik und Poliklinik für Neurologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Direktor: Professor Dr. med. Stephan Zierz) Untersuchung temporaler Dispersion am Nervus tibialis: Eine weitere Methode zum Nachweis partieller Demyelinisierung durch Darlegung der Korrelation von Hochfrequenzdämpfung und F – Wellen - Chronodispersion Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Medizin (Dr. med.) vorgelegt der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg von Katja Mühlbauer geboren am 16.07.1976 in Wolfen Gutachter: 1. PD Dr. med. W. Schulte-Mattler 2. PD Dr. med. M. Bloching 3. Prof. Dr. med. Reimers Promotionsverteidigung: 26.10.2006 urn:nbn:de:gbv:3-000010874 [http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=nbn%3Ade%3Agbv%3A3-000010874]

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Aus der Universitätsklinik und Poliklinik für Neurologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

(Direktor: Professor Dr. med. Stephan Zierz)

Untersuchung temporaler Dispersion am Nervus tibialis:Eine weitere Methode zum Nachweis partieller Demyelinisierung durch Darlegung der Korrelation von Hochfrequenzdämpfung und F – Wellen - Chronodispersion

Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades

Doktor der Medizin (Dr. med.)

vorgelegt

der Medizinischen Fakultätder Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

von

Katja Mühlbauergeboren am 16.07.1976 in Wolfen

Gutachter:1. PD Dr. med. W. Schulte-Mattler2. PD Dr. med. M. Bloching3. Prof. Dr. med. Reimers

Promotionsverteidigung: 26.10.2006

urn:nbn:de:gbv:3-000010874[http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=nbn%3Ade%3Agbv%3A3-000010874]

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Referat

Ein Nerv ist aus verschiedenen Nervenfasern aufgebaut, welche unterschiedlich schnell leiten. Die Leitgeschwindigkeit der schnellsten Fasern eines Nervenabschnitts kann mittels einer Routinemethode als „Nervenleitge-schwindigkeit“ gemessen werden. Neben der konventionellen Messung der Nervenleitgeschwindigkeit besteht die Möglichkeit, F-Wellen zu messen. F-Wellen treten nur in wenigen Fasern eines Nerven auf und durchlaufen den gesamten Nerven. Veränderungen der F-Wellen zeigen schon frühzeitig zu Beginn einer Erkrankung Demyelinisierungserscheinungen am peripheren Nerven, auch dann, wenn die Nervenleitgeschwindigkeit normal ist, weil nicht alle Nervenfasern von der Erkrankung befallen sind. In diesen Fällen tritt eine temporale Dispersion der Nervenleitung auf, die sich durch F-Wellen-Chronodispersion und durch Veränderungen der Amplitude, Fläche, Potentialdauer und der Form der Muskelsummenaktionspotentiale bei der konventionellen Nervenleitungsmessung bemerkbar macht. Unterschiede der Form können dabei mit einem neuen Verfahren, der Messung der Hochfrequenzdämpfung, quantifiziert werden. Der experimentelle Nachweis des Zusammenhangs von Hochfrequenzdämpfung und temporaler Dispersion erfolgte bisher nur indirekt über die Korrelation mit der Amplitudenminderung, der Flächenminderung und der Potentialverbreiterung. Für den direkten Nachweis der Korrelation mit der F-Wellen-Chronodispersion wurden retrospektiv Ableitungen des N. tibialis beider Beine von 35 Kontrollen und 70 Patienten ausgewählt. Die lineare Regressionsanalyse zeigte eine hoch-signifikante Korrelation zwischen Hochfrequenzdämpfung und F-Wellen-Chrono-dispersion. Die Messung der Hochfrequenzdämpfung ist neben ihrer hohen Sensitivität und Spezifität auch eine Methode, welche leicht durchzuführen ist. Sie kann routinemäßig bei der Ableitung der Muskelsummenaktionspotentiale erfolgen.

Bibliographische Beschreibung: Mühlbauer, Katja: Untersuchung temporaler Dispersion am

Nervus tibialis: Eine weitere Methode zum Nachweis partieller Demyelinisierung durch Darlegung

der Korrelation von Hochfrequenzdämpfung und F – Wellen – Chronodispersion. Halle, Univ.,

Med. Fak., Diss., 43 Seiten. 2005

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INHALTSVERZEICHNIS

Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen

1 Einleitung............................................................................................................ 1

1.1 Die Nervenleitgeschwindigkeit.......................................................................... 1

1.2 Die F-Welle...................................................................................................... 5

1.3 Geschichte der F-Welle.................................................................................... 6

1.4 Meßwerte.......................................................................................................... 6

1.5 Temporale Dispersion...................................................................................... 7

1.6 Die A-Welle...................................................................................................... 9

2 Zielstellung........................................................................................................ 11

3 Kontrollgruppe, Patienten und Methoden...................................................... 12

3.1 Kontrollgruppe................................................................................................. 12

3.2 Patienten......................................................................................................... 13

3.3 Technik, Reizung und Ableitung...................................................................... 14

3.4 Untersuchte Meßwerte.................................................................................... 15

4 Ergebnisse........................................................................................................ 18

4.1 Nervenleitungsmessung der Kontrollgruppe und der Patienten......................18

4.2 F-Wellen der Kontrollgruppe und der Patienten..............................................20

4.5 Nervenleitgeschwindigkeitsmeßwerte einschließlich der Hochfrequenzdämpfung............................................................................ 20

5 Diskussion........................................................................................................ 25

5.1 Normalwerte.................................................................................................... 25

5.2 Korrelation von Hochfrequenzdämpfung und F-Chronodispersion................. 25

5.3 Die Kenngrößen temporaler Dispersion im Vergleich..................................... 29

5.4 Klinische Bedeutung........................................................................................ 30

6 Zusammenfassung........................................................................................... 32

7 Literatur............................................................................................................. 33

8 Thesen............................................................................................................... 37

9 Lebenslauf......................................................................................................... 39

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10 Danksagung.................................................................................................... 41

11 Selbständigkeitserklärung............................................................................. 42

12 Erklärung über frühere Promotionsversuche.............................................. 43

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VERZEICHNIS DER VERWENDETEN ABKÜRZUNGEN

HFA: Hochfrequenzdämpfung

QAMPL: Amplitudenminderung

QAREA: Flächenminderung

PROTR: Potentialverbreiterung

FARANGE: F-Wellen - Chronodispersion

NLG: Nervenleitgeschwindigkeit

FMIN: minimale F-Wellenlatenz

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1 EINLEITUNG

1.1 Die Nervenleitgeschwindigkeit

Ein Nerv ist aus verschiedenen Nervenfasern aufgebaut (zum Beispiel α, β, γ, δ- Fasern). Diese unterschiedlichen Nervenfasern leiten unterschiedlich schnell (DORFMAN 1984). Die Leitgeschwindigkeit schnell leitender Fasern, dies sind Fasern, welche stark myelinisiert sind, läßt sich so einfach bestimmen, daß es in der klinischen Routine möglich und sinnvoll ist (Kimura 1989, Oh 1993).

Eine Nervenleitungsuntersuchung kann am gemischten oder am sensiblen Nerven durchgeführt werden. An den gemischten Nerven ist die Beurteilung motorischer und sensibler Fasern möglich (motorische und sensible Nervenleitungsunter-suchung). Der Nerv wird supramaximal elektrisch gereizt, d. h., mit einer Stromstärke, die zuverlässig über derjenigen liegt, die notwendig ist, um alle Fasern des untersuchten Nerven zu erregen (KIMURA 1989, OH 1993).

Bei der motorischen Nervenleitungsuntersuchung wird nach Reizung des Nerven die motorische Antwort vom Muskelbauch eines vom Nerven versorgten Muskels abgeleitet. Diese motorische Antwort wird als muskuläres Summenaktions-potential (MSAP) bezeichnet. Der Nerv wird an mindestens zwei Stellen gereizt. Die Ableitelektroden liegen dabei über der Endplattenregion, in der Regel der Muskelbauch, und über der Sehne beziehungsweise dem Muskelansatz (Belly-Tendon-Montage) (CONRAD, BISCHOFF 1998). Auf diese Weise stellt sich das muskuläre Summenaktionspotential als initial negativ und im Normalfall biphasisches Potential dar. Nach der distalen Stimulation eines Nerven erhält man ein zugehöriges distales muskuläres Summenaktionspotential und ein weiteres proximales Potential nach proximaler Stimulation desselben Nerven. Nach einer elektrischen Reizung werden die Aktionspotentiale in jeder Nervenfaser mit einer eigenen Geschwindigkeit fortgeleitet, d. h., der Nerv hat ein eigenes Leitge-schwindigkeitsspektrum (Abbildung 1).

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Abb.1: Einfluß zeitlicher Dispersion auf muskuläre Summenaktions-potentiale

a) Links das Leitgeschwindigkeitsspektrum eines Gesunden (DENGLER 1988), rechts die daraus resultierenden Summenaktionspotentiale bei distaler und proximaler Stimulation (Computersimulation). Amplitude, Potentialdauer und Form sind kaum unterschiedlich.

b) Links das Leitgeschwindigkeitsspektrum mit einer leichten Vermehrung langsam leitender Nervenfasern (wie bei einer Polyneuropathie), rechts die daraus resultierenden Summenaktionspotentiale bei distaler und proximaler Stimulation (Computersimulation). Deutliche Amplitudenminderung und geringe Potentialverbreiterung als Folge vermehrter zeitlicher Dispersion.

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Als Meßwerte werden die distale Latenz, die distale und proximale Amplitude, die Dauer, die Fläche und die Nervenleitgeschwindigkeit bestimmt. Die Leitge-schwindigkeit ergibt sich aus der Differenz der Latenzen und der Distanz zwischen den Reizorten. Die Latenzen werden vom Beginn des Reizes bis zum Beginn der Reizantwort gemessen. Die Amplitude kann entweder von der Spitze der negativen Komponente bis zur Spitze der positiven Komponente oder von der Nulllinie zur Spitze der negativen Komponente bestimmt werden. Die Dauer wird aus Beginn und Ende der negativen Komponente und die Fläche aus der Fläche unter der negativen Komponente und der Nulllinie errechnet (Abbildung 2) .

Abb. 2 Muskuläre Summenaktionspotentiale des N. tibialis bei distaler und proximaler Stimulation

N. tibialis eines gesunden Probanden. Oben das muskuläre Summenaktionspotential (MSAP) bei distaler Nervenstimulation, unten bei proximaler Stimulation.

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Die motorische Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) läßt sich nicht aus einer einzelnen Latenz berechnen, da die Zeiten für die neuromuskuläre Übertragung und die Impulsfortleitung längs der Nervenfaser in die Latenz eingehen (KIMURA 1989, OH 1993).

Um die Streubreite der Normwerte zu verkleinern sind Standards zur Lage der Elektroden und Distanzen von den Ableitungen festgelegt wurden (KIMURA 1989, OH 1993). Die am besten untersuchten Nerven an den oberen Extremitäten sind der N. medianus, der N. ulnaris und der N. radialis und an den unteren Extremitäten der N. tibialis, der N. peroneus und der N. suralis.

Mehrere Faktoren können das Ergebnis der Messung der Nervenleit-geschwindigkeit beeinflussen. Die Nervenleitgeschwindigkeit ist stark von der Temperatur des untersuchten Nerven abhängig. Mit zunehmender Temperatur wird der Reiz schneller fortgeleitet. Die Nervenleitgeschwindigkeit erhöht sich hierbei um etwa 2,4 m/s pro ºC (KIMURA 1989, OH 1993). Auf Grund dessen wird bei der Untersuchung der Nervenleitgeschwindigkeit eine Mindesttemperatur von 30 ºC an den Extremitäten verlangt. Eine weitere Abhängigkeit der Nervenleitgeschwindigkeit besteht vom Alter des Patienten und der Länge des untersuchten Nerven (KIMURA 1989, OH 1993). Weiterhin existieren eine Reihe von Fehlerquellen bei der Nervenleitungsuntersuchung. So, zum Beispiel, die Stimulation benachbarter Nerven durch Streustrom, welcher sich im umgebenden Gewebe ausbreitet, weiterhin eine submaximale statt einer supramaximalen Reizung des Nerven, zu hohe Stromstärken bei der Stimulation des Nerven sowie ungenaue Messungen der Distanz zwischen Ableit- und Reizelektrode beziehungsweise ungenaue Bestimmung des Abganges des Aktionspotentials von der Nulllinie (KIMURA 1989, OH 1993). Weiterhin sind Innervations-anomalien, wie die Martin-Gruber-Anastomose am Unterarm oder ein akzes-sorischer N. peroneus profundus als mögliche Fehlerquellen bei der Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit und der Bewertung der Aktionspotentiale zu beachten (KIMURA 1989, OH 1993).

Ein weiterer Punkt ist die Lokalisation der untersuchten Nervensegmente. Proximal gelegene Nervensegmente haben eine höhere Nervenleitge-schwindigkeit als distal gelegene Nervensegmente. Die Nervenleitge-schwindigkeit nimmt mit der Größe des Axondurchmessers, der Dicke der Myelinscheiden und dem Abstand zwischen den Ranvier-Schnürringen (saltatorische Erregungsleitung) zu (PANAYIOTOPOULOS et al. 1978, PRADHAN 1996). Nach proximaler Stimulation ist das Summenaktionspotential etwas niedriger als nach distaler Stimulation. Grund ist die erhöhte zeitliche

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Dispersion der Impulswelle (SCHULTE-MATTLER et al., 2001). Entsprechendes gilt auch für die sensible Neurographie. Desweiteren ist die motorische Nervenleitge-schwindigkeit größer für Axone, welche proximal gelegene große Muskeln innervieren gegenüber Axonen, welche distal gelegene kleinere Muskeln innervieren (PANAYIOTOPOULOS, SCARPALEZOS, NASTAS 1978).

1.2 Die F-Welle

Die F-Welle ist eine physiologische motorische Spätantwort, welche nach supramaximaler Reizung eines peripheren Nerven auftritt. Nach elektrischer Reizung eines peripheren Nervenabschnittes wird der Impuls nicht nur orthodrom (führt zur Muskelkontraktion, welche in Form eines muskulären Summenaktions-potentials aufgezeichnet wird) sondern auch antidrom fortgeleitet. Im Bereich des Axonhügels kommt es zur retrograden Erregung nur einzelner erregbarer α-Motoneurone, von wo aus der Impuls zum Muskel zurückgeleitet wird. Dies geschieht ohne Zwischenschaltung einer Synapse, weshalb es sich nicht um einen Reflex handelt, wie anfangs angenommen wurde (MAGLADERY und MC DOUGAL 1950). Die daraus resultierende kleine Rückschlagwelle wird als F-Welle bezeichnet (MAGLADERY und MC DOUGAL 1950). Aufgrund ihres erst antidromen und dann orthodromen Verlaufs tritt sie mit einer gewissen Latenz und nach dem Summenaktionspotential auf. Die elektrophysiologische Untersuchung der Nervenbeschaffenheit unter zu Hilfenahme der verschiedenen F-Wellen-Meßgrößen (wie zum Beispiel der Latenz) ist in der Lage, schon frühzeitig zu Beginn einer Erkrankung, wenn die Befunde der konventionellen Nervenleitungs-untersuchung noch nicht pathologisch sind, Defekte am peripheren Nerven festzustellen (ANDERSON et al. 1997). Grund ist, daß die F-Welle eine Beurteilung der gesamten Länge eines Nerven zum und vom Rückenmark zuläßt, wohingegen sich die Aussagekraft der konventionellen Nervenleitungs-untersuchung auf einen begrenzten Teil des peripheren Nerven beschränkt (PANAYIOTOPOULOS und CHRONI 1996). Die afferente und efferente Leitung der F-Welle erfolgen über dieselben motorischen Axone. Unter identischen Bedingungen von Stimulation und Aufnahme variieren konsekutiv aufgenommene F-Wellen in ihrer Latenz, Amplitude, Dauer, Fläche und ihrer Morphologie, individuell abhängig von den jeweiligen antidrom aktivierten Motoneuronen. Sie können biphasisch, triphasisch oder polyphasisch auftreten, immer abhängig von der Anzahl und den Leitungseigenschaften der antidrom aktivierten Nervenfasern (PANAYIOTOPOULOS und CHRONI 1996).

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1.3 Geschichte der F-Welle

MAGLADERY und MC DOUGAL (1950) untersuchten späte Antworten am N. tibialis posterior und am N. ulnaris gesunder Freiwilliger. Durch sie wurde der Begriff „F-Welle“ zum ersten Mal öffentlich erwähnt. Der Buchstabe „F“ steht für das englische Wort „follow“, also dem Muskelsummenaktionspotential nach-folgend, und nicht wie oft fälschlicherweise benutzt, für Fuss. Sie reizten mittels Oberflächenelektroden den N. ulnaris im Bereich des Ellenbogen und am Handgelenk und den N. tibialis posterior im Bereich des Knies und am Sprunggelenk. Sie stellten fest, daß nach Stimulation des N. ulnaris dem muskulären Summenaktionspotential am Hypothenar mit einer gewissen Zeitverzögerung, von einigen Millisekunden, ein kleineres ganz separates Potential folgte. Dieses Potential bezeichneten sie als F-Welle. Sie interpretierten die F-Welle anfangs als Reflex und nicht als eine antidrome Antwort vereinzelter α-Motoneurone des Rückenmarkes. Dieser Lösung kamen dann DAWSON und MERTON (1956) näher. In ihren Studien erkannten sie, daß die Leitge-schwindigkeit in den motorischen Fasern so groß war wie in den Fasern, welche die F-Wellen leiten, und schlossen, daß die F-Welle eine rückkehrende Entladung einiger motorischer Neurone war, welche durch einen antidromen Reiz motorischer Fasern aktiviert wurden. Ähnliches hatte RENSHAW (1940) an der Katze beschrieben. Er beschrieb die aufgetretene Verzögerung von 0,8 ms bis auf mehr als 1ms und berichtete auch, daß die antidrome Antwort nur in 2-3% aller aktivierten Fasern auftrete. TRONTELJ (1973) fügte bei seinen Untersuchungen mit der Einzelfaser-Elektromyographie hinzu, daß die F-Wellen in ihren Antworten den H-Reflexen in Latenz und Variation ähnelten und daß diese durch eine supramaximale Stimulation unterdrückt werden können, so daß eine Kontamination der F-Wellen durch die H-Reflexe vermieden werden kann. Das die supramaximale Stimulation eine wichtige Voraussetzung ist, um eine Kontamination der F-Wellen zu vermeiden, betonten auch PANAYIOTOPOULOS (1974), PANAYIOTOPOULOS UND SCARPALEZOS (1977), PANAYIOTOPOULOS et al. (1977), PANAYIOTOPOULOS (1978a), PANAYIOTOPOULOS(1979a), KIMURA (1984), KIMURA et al. (1984).

1.4 Meßwerte

Mit der üblichen Berechnung der Nervenleitgeschwindigkeit wird die Leitgeschwindigkeit nur der am schnellsten leitenden Nervenfasern erfaßt. Krankheiten, welche zu einer Vermehrung langsam leitender Fasern führen, werden also durch die Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit nicht oder erst dann erkannt, wenn sämtliche schnell leitenden Fasern betroffen sind (HOPF

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1962). Ist nur ein Teil dieser Fasern betroffen, so ist der routinemäßige Nachweis pathologisch langsam leitender sensibler Nervenfasern zur Zeit am N. suralis unter Anwendung von Nadelelektroden möglich. Der Nachweis pathologisch langsam leitender motorischer Nervenfasern ist bisher nur mittels spezieller aufwendiger, nicht routinemäßig angewandter Untersuchungstechniken möglich. Dazu gehören Verfahren, mit welchen man langsam leitende Nervenfasern durch selektive Blockierung einzelner Nervenfasern (Kollisionstechnik) beurteilen kann (THOMAS et al. 1959, HOPF 1962). Deshalb ist es wichtig, neben den Meßwerten des muskulären Summenaktionspotentials Meßwerte zu finden, welche sowohl sensitiv als auch spezifisch reagieren, frühe Demyelinisierungen auch frühzeitig erkennen lassen. Zu solchen Meßwerten gehört die F-Welle mit ihren zahlreichen Messungsmöglichkeiten, wie die F-Wellen-Latenz, die F-Wellen-Persistenz, die F-Wellen-Dauer, die F-Wellen-Amplitude und die F-Chronodispersion (PANAYIOTOPOULOS, CHRONI 1996).

Da ein Nerv aus unterschiedlich schnell leitenden Fasern aufgebaut ist, kann eine minimale, eine maximale und eine mittlere F-Latenz bestimmt werden. Als F-Persistenz bezeichnet man die Anzahl der F-Wellen, die auf einen Reizimpuls hin ausgelöst werden. Beginn und Ende der F-Welle werden als F-Wellen-Dauer bezeichnet. Die F-Wellen Amplitude wird entweder von der Nullinie zur Spitze der negativen Komponente oder von der Spitze der negativen Komponente zur Spitze der positiven Komponente bestimmt. Unter bestimmten Bedingungen (zum Beispiel aufgrund von Krankheiten, aber auch bei Gesunden) können keine F-Wellen ausgelöst werden, welches dann als fehlende F-Antwort registriert wird.

1.5 Temporale Dispersion

Aufgrund der unterschiedlich schnell leitenden Fasern, aus denen ein Nerv aufgebaut ist, werden nach einem elektrischen Impuls die Aktionspotentiale unterschiedlich schnell geleitet. Die einzelnen Aktionspotentiale erreichen somit den Ableitort nicht gleichzeitig, sondern treffen dort innerhalb eines Zeitraumes ein. Dieses Phänomen wird als temporale Dispersion bezeichnet. Die F-Wellen-Dispersion stellt die Streuung der relativen Latenzen einer statistisch signifikanten Anzahl fortlaufend aufgenommener F-Wellen dar (PANAYIOTOPOULOS 1979) und kann in Histogrammen oder vereinfacht als F-Chronodispersion, d.h., der Differenz zwischen der Latenz von F-Maximum und F-Minimum (PANAYIOTOPOULOS 1979 ), dargestellt werden. Die Chronodispersion ist ein indirektes Maß zur Bestimmung der temporalen Dispersion. Die temporale Dispersion ist in gewissem Maße physiologisch und bei jedem Menschen nachweisbar. Sie ist abhängig von der betrachteten

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Nervenlänge, der Temperatur der zu untersuchenden Extremität, vom Abstand von Reiz- und Ableitelektrode und der Beschaffenheit der Myelinscheiden der Nerven. Ein wichtiger Faktor ist die Beschaffenheit der Myelinscheiden, denn mit zunehmender Demyelinisierung nimmt die Leitgeschwindigkeit der einzelnen Nervenfaser ab und damit die temporale Dispersion zu. An motorischen Nerven mit normaler Nervenleitgeschwindigkeit konnte die pathologische temporale Dispersion durch den Vergleich von Amplitude, Fläche und Dauer der Muskelsummenaktionspotentiale nach proximaler gegenüber distaler Nervenstimulation nachgewiesen werden. Diese ist am muskulären Summenaktionspotential durch eine Amplitudenminderung, eine Flächenminderung sowie eine Aktionspotentialverbreiterung gekennzeichnet (OLNEY et al. 1987, KIMURA et al. 1988). Eine pathologische Amplituden- oder Flächenminderung ist nicht spezifisch, eine Potentialverbreiterung ist spezifisch, aber nicht sensitiv für zeitliche Dispersion. Es wurden verschiedene Methoden zur Entdeckung und Charakterisierung abnormaler temporaler Dispersion bei normaler Nervenleitgeschwindigkeit entwickelt (HOPF 1962, CUMMINS et al. 1979, DORFMAN 1984, OKAJIMA et al. 1995). Wegen des damit verbundenen großen apparativen Aufwandes werden diese Methoden aber nicht routinemäßig angewandt.

Temporale Dispersion beeinflußt neben Amplitude, Fläche und Dauer auch Form und Aussehen der Muskelsummenaktionspotentiale. Ein Aktionspotential mit einer schärferen Form besitzt einen großen Umfang an Hochfrequenzkomponenten und liefert daher einen schärferen Klang, wenn es über einen Lautsprecher wiedergegeben wird. Weswegen man den Terminus „Schärfe“ zur Charakteri-sierung des Inhaltes von Hochfrequenzkomponenten des muskulären Summen-aktionspotentials eingeführt hat. Die „Schärfe“ wird aus dem Frequenzspektrum eines Summenaktionspotentials berechnet (SCHULTE-MATTLER et al. 1999). Hochfrequenzdämpfung (im Englischen: high frequency attenuation, HFA) bezeichnet die Abnahme der Schärfe nach proximaler Reizung im Vergleich zu distaler (SCHULTER-MATTLER et al. 1999). Es besteht eine Korrelation zwischen Hochfrequenzdämpfung einerseits und Amplitudenminderung, Flächenminderung, Aktionspotentialverbreiterung andererseits, die bestätigt, daß temporale Disper-sion mittels Hochfrequenzdämpfung abgeschätzt werden kann. Die Hoch-frequenzdämpfung ist darunter die Größe, welche die höchste Sensitivität gegenüber zeitlicher Dispersion hat (SCHULTE-MATTLER et al. 1999, 2001).

Neben der Chronodispersion, als wichtiger Meßgröße, um früh beginnende De-myelinisierung zu entdecken, sei der Vollständigkeit wegen auch die Tacheo-

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dispersion erwähnt. Sie ist definiert als Quotient aus der Länge des Nerven und der Chronodispersion. Ihre Anwendung zur Entdeckung geschädigter peripherer Nerven ist derer der Chronodispersion ähnlich, dennoch ist die Chronodispersion die bevorzugte Methode. Sie ist die leichtere, einfachere und auch bekanntere Methode. Zugleich existieren bei weitem mehr Daten zur Chronodispersion als zur Tacheodispersion.

1.6 Die A-Welle

Die A-Wellen wurden von ihren Erstbeschreibern Fullerton und Gilleat (1965) als Axonreflexe angesehen. Eine A-Welle ist eine monomorphe motorische Antwort, die nach der M-Antwort auftritt. Sie ist in der Regel Ausdruck einer pathologischen Veränderung des Nervs, deren Ursache bis heute nicht genau bekannt ist. Sie muß deshalb von der physiologischen F-Welle abgegrenzt werden. Der Name leitet sich von dem Begriff Axonreflex ab, der heute allerdings nicht mehr gebraucht werden sollte, da es sich nicht um einen Reflex handelt. Die A-Wellen, die während der Routine-F-Wellen-Ableitungen gesehen werden, erfüllen nur selten die Kriterien von Axonreflexen. Im Gegensatz zu Axonreflexen erscheinen sie nicht mit zunehmender Stimulationsstärke, sie werden öfters an den unteren als an den oberen Extremitäten gefunden, selten treten sie bei Patienten mit distalen Nervenläsionen auf und erscheinen schon im akuten Stadium einer Neuropathie (BISCHOFF 1996). Sie sind leichter zu entdecken als die Axonreflexe und scheinen eine pathologische Signifikanz zu haben. Gemäß ihrer Charakteristik können A-Wellen von anderen späten Antworten unterschieden werden. Im Gegensatz zu den F-Wellen haben sie ein konstant gleichbleibendes Aussehen und besitzen eine Amplitude, welche kleiner als die der F-Welle ist. Die Latenzschwankung liegt gewöhnlich unter 0,5 ms, selten steigt sie bis auf 1,5 ms (BISCHOFF 1996). Die Schwankung ist geringer, als die der konsekutiv aufgenommenen F-Wellen, welche bei rund 5-10 ms liegt. Die Latenzen der A-Wellen sind gewöhnlich kürzer als diese der F-Wellen, aber sie können auch identisch oder sogar länger als die der F-Wellen-Latenzen sein. Im Gegensatz zum H-Reflex verändert sich die Amplitude der A-Wellen nicht mit der Stimulationsstärke. Bei Gesunden werden A-Wellen nur selten ausgelöst und dann auch nur bei den intrinsischen Fußmuskeln nach Stimulation des N. tibialis (BISCHOFF 1996).

Laut Definition zeigen A-Wellen keine temporale Dispersion, können aber bei Demyelinisierung peripherer Nerven auftreten. Es wird argumentiert, daß die Aufnahme einer A-Welle als frühes Zeichen eines abnormalen neuro-physiologischen Befundes angesehen werden kann. Motorische und sensorische

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Nervenleitungen, welche A-Wellen zeigten, waren oft vermindert bei Patienten mit Neuropathien. Häufig zeigten Patienten mit Neuropathien auch Auffälligkeiten in ihren F-Wellen-Studien. Bei diesen Patienten wurden oft A-Wellen gesehen, welche zusätzlich als pathologische Zeichen gewertet werden konnten. Jedoch gab es auch Fälle, in welchen die F-Wellen in ihrer Latenz und Persistenz normal waren und nur die A-Wellen als Zeichen der Neuropathie auftraten (BISCHOFF 1996).

Es ist manchmal schwierig, A-Wellen, welche einen Teil eines F-Wellen-Komplexes darstellen, von diesem zu unterscheiden. Aus diesem Grunde kann es von Vorteil sein, die Überlagerungstechnik konsekutiv aufgenommener F-Wellen zu nutzen, um die konstant gleichen A-Wellen von den sich in ihrem Aussehen unterscheidenden F-Wellen zu trennen.

Es kann vorkommen, daß die A-Wellen-Latenzen länger sind als die der F-Wellen-Latenzen. In diesem Falle können sie auch mit sich wiederholenden F-Wellen (F-repeaters) verwechselt werden. Selten können auch spätere Komponenten der Muskelantwort als A-Welle fehlinterpretiert werden, wenn es keine klare Abtrennung von der Muskelantwort gibt (BISCHOFF 1996).

Im Zusammenhang dieser Untersuchung sind A-Wellen wichtig, da sie möglicherweise besonders empfindliche Indikatoren beginnender Demyelini-sierung sind, sich also zum Vergleichen der diagnostischen Sensitivität verschie-dener Verfahren eignen können. Auch können sie mit ähnlicher Latenz wie F-Wellen auftreten, dann mit diesen verwechselt werden und so zu einer falsch niedrigen Bestimmung der F-Chronodispersion führen.

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2 ZIELSTELLUNG

Da ein Nerv aus schnell und langsam leitenden Nervenfasern aufgebaut ist, werden Aktionspotentiale mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten fortgeleitet. Dies wird temporale Dispersion genannt und findet sich in geringem Ausmaß schon an gesunden Nerven. Bei peripheren Nervenerkrankungen mit Demye-linisierung kann die temporale Dispersion pathologisch vermehrt sein. Temporale Dispersion hat somit klinische Bedeutung. Gemessen wird sie indirekt mittels der Chronodispersion. Hochfrequenzdämpfung ist ein relativ neues Maß, welches intuitiv eher unanschaulich ist. Hochfrequenzdämpfung ist theoretisch spezifisch für temporale Dispersion. Der experimentelle Nachweis erfolgte bisher nur über die Korrelation mit der Amplitudenminderung, der Flächenminderung und der Aktionspotentialverbreiterung, deren Zusammenhang mit der temporalen Dispersion aber nicht unmittelbar ist. Ziel dieser Arbeit war, ein Vergleich der Hochfrequenzdämpfung mit der Chronodispersion. Hierbei sollte gezeigt werden, daß mittels der Hochfrequenzdämpfung tatsächlich temporale Dispersion gemessen werden kann.

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3 KONTROLLGRUPPE, PATIENTEN UND METHODEN

3.1 Kontrollgruppe

Ausgewählt wurden Ableitungen von 35 Kontrollen (17 Frauen, 18 Männer) im Alter von 8 bis 80 Jahren (Mittelwert: 39,48). Die in die Studie aufgenommenen Ableitungen wurden in einem Zeitraum von zwei Jahren (1998 bis 2000) den vorhandenen Unterlagen des Labors für klinische Neurophysiologie der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ent-nommen.

Einschlußkriterien:

- Alle Personen, die im genannten Zeitraum eine Messung der Nervenleitgeschwindigkeit und eine F-Wellen-Untersuchung mindestens eines N. tibialis erhalten haben.

Ausschlußkriterien:

- Klinischer Hinweis auf eine neuromuskuläre Erkrankung. Patienten mit pathologischen Befunden, also Paresen (welche das periphere Nervensystem betrafen), abgeschwächten oder fehlenden Muskeleigen-reflexen, Sensibilitätsstörungen sowie anamnestisch bekanntem Diabetes mellitus, Zervikalsyndrom, Lumboischialgie, Bandscheibenprolaps, Trauma oder längerer Immobilisation der untersuchten Extremitäten, Alkohol- oder Medikamentenabusus, Nierenerkrankungen und anderen chronischen Er-krankungen oder neuromuskulären Erkrankungen.

- Pathologische Nervenleitgeschwindigkeit in mindestens einem Nerven.

- Eine höhere Amplitude des Muskelsummenaktionspotentials im N. tibialis bei proximaler Stimulation als bei distaler Stimulation, da die Ursache hierfür auch eine Innervationsanomalie sein kann.

Da A-Wellen und F-Wellen sich in ihrem Entstehungsmechanismus unter-scheiden, wurden Registrierungen, welche A-Wellen enthielten und bei welchen eine zuverlässige Unterscheidung von F-Wellen und A-Wellen nicht möglich war, ebenfalls ausgeschlossen.

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3.2 Patienten

Es wurden 70 Personen (29 Frauen, 41 Männer) im Alter von 12 bis 90 Jahren (Mittelwert: 54,2) mit einer peripheren Neuropathie retrospektiv ausgewählt und in die Studie einbezogen. Die in die Studie aufgenommenen Ableitungen wurden ebenfalls in einem Zeitraum von zwei Jahren (1998 bis 2000) aus den vorhandenen Unterlagen des Labors für klinische Neurophysiologie der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ausge-wählt.

Einschlußkriterien:

- Patienten mit Symptomen einer peripheren Neuropathie unter Beteiligung mindestens eines Nervus tibialis (Tabelle 1).

Ausschlußkriterien:

- Eine höhere Amplitude des Muskelsummenaktionspotentials im N. tibialis bei proximaler Stimulation als bei distaler Stimulation, da die Ursache hierfür auch eine Innervationsanomalie sein kann.

- Ableitungen, die A-Wellen enthielten und bei welchen eine zuverlässige Unterscheidung von F-Wellen und A-Wellen nicht möglich war.

Tabelle 1: Zusammensetzung der Patientengruppe

Krankheit Anzahl der Patienten

Polyneuropathie 61

davon: Guillain-Barré-Syndrom 3

Mononeuropathie 2

Wurzelläsion 1

Motoneuron-Erkrankung 5

Funikuläre Myelose 1

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3.3 Technik, Reizung und Ableitung

Die Ableitungen und Analysen der Muskelsummenaktionspotentiale wurden mit dem Multiliner Economy (Software: 3.2.1997) der Firma Toennies, Höchberg, durchgeführt.

Abgeleitet wurden die Summenaktionspotentiale und die F-Wellen bei Reizung der motorischen Fasern des N. tibialis an jeweils beiden Beinen. Bei allen Auf-nahmen der Summenaktionspotentiale wurde ein Frequenzbereich von 5 Hz bis 5 kHz, eine Empfindlichkeit von 4 mV/V und ein Zeitfenster von 50 ms eingestellt. Die Hauttemperatur wurde mit dem TermMonitor C-1600 M von Linear Laboratories gemessen. Bei allen Untersuchungen lag die Hauttemperatur der Extremitäten bei mindestens 30°C.

Wegen der längeren Latenz und kleineren Amplitude der F-Antworten, im Vergleich zur Messung der motorischen Nervenleitgeschwindigkeit, wurde die Verstärkerempfindlichkeit auf 0,1-0,2 mV/cm und die Zeitachse auf 10ms/cm eingestellt.

Durch repetitive 1/s Stimulation wurden mindestens 10 F-Antworten ausgelöst, wobei die minimalen Latenzen und deren Streubreite bestimmt wurden. Ein besonders empfindliches Kriterium ist die Seitendifferenz der minimalen F-Wellen-Latenz, so daß die Messungen immer im Seitenvergleich durchgeführt wurden.

Um fehlerhafte Messungen der zu untersuchenden F-Wellen-Meßwerte zu vermeiden, welche unter Veränderung der Körperhaltung auftreten können (RAUDINO 1994), wurden alle unsere Patienten und Kontrollen in Rückenlage elektrophysiologisch untersucht.

Die Nerven wurden supramaximal an der optimalen Erregungsstelle gereizt. Bei der Ableitung des Nervus tibialis wurde die Ableitelektrode einen Zentimeter unter dem Tuberculum des Os naviculare (mediale Seite des Fußes) und die Referenz-elektrode am Köpfchen des Os metatarsale 1 angebracht. Die Erdung erfolgte zwischen Ableitelektrode und Reizelektrode. Die distale Reizung des Nerven erfolgte einen Zentimeter hinter dem medialen Malleolus. Die proximale Reizung erfolgte im lateralen Bereich in der Fossa poplitea. Die Hauttemperatur wurde an der dorsalen Unterschenkelfläche gemessen.

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3.4 Untersuchte Meßwerte

Ausgewertet wurden die Nervenleitgeschwindigkeit, Amplitude, Fläche, Potential-dauer der negativen Komponente des Aktionspotentials und Form der Summen-aktionspotentiale sowie Latenz und Potentialdauer der erhaltenen F-Wellen der Nn. tibiales (Abbildung 3 und 4). Die Amplitude wurde von der Nulllinie gemessen.

Die Latenzen des Summenaktionspotentials wurden vom Beginn des Reizes bis zum Beginn des Aktionspotentials (negative Komponente des Summenaktions-potentials von der Grundlinie) gemessen. Auf die gleiche Weise wurde die Mes-sung der F-Wellen-Latenzen durchgeführt.

Die Messung der Amplituden erfolgte von der Grundlinie zur Spitze der negativen Komponente des Summenaktionspotentials.

Die Amplitude der Leitgeschwindigkeitsspektren der Summenaktionspotentiale wurde bei 49 Hz ( )Volt49 und die Fläche ab 49 Hz ( )Area49 gemessen. Aus diesen Werten wurde der Quotient ermittelt ( )Area Volt49 49 . Der Wert der

niedrigsten Frequenz wurde bei 49 Hz festgelegt, da sich dieser Wert in einer früheren Studie als besonders geeignet erwiesen hatte (SCHULTE-MATTLER et al.1999).

Die Dauer des Summenaktionspotentials wurde zwischen dem Beginn und dem ersten Nullliniendurchgang bestimmt. Mit Hilfe der Potentialdauer kann zwischen einer erhöhten zeitlichen Dispersion der Nervenleitung und einem inkompletten Leitungsblock differenziert werden. Beim Vergleich der proximal und distal ausgelösten Summenaktionspotentiale spricht eine Zunahme der Dauer bei abnehmender Amplitude (und damit annähernd gleicher Fläche) für eine vergrößerte zeitliche Dispersion, zum Beispiel im Rahmen einer demye-linisierenden Polyneuropathie, während eine Amplitudenabnahme bei annähernd gleicher Dauer für einen Leitungsblock charakteristisch ist (OLNEY 1984, OH 1994).

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Amplitude

FT- Intervall

distaler Reiz proximaler Reiz

Fläche ab 49Hz

Amplitude bei 49Hz

a) b)

Fläche

Abb.3: Muskuläre Summenaktionspotentiale und Fourier-tranformierte Kurven

a) Muskuläre Summenaktionspotentiale des N. tibialis bei distaler und proximaler Stimulation

b) Daraus Fourier-tranformierte Kurven bei distaler und proximaler Stimulation, Bestimmung der Amplitude bei 49 Hz und der (hier schraffierten) Fläche ab 49 Hz

Amplitude, Fläche, Potentialdauer sowie Form und Gestalt und deren Quotienten wurden bei distaler und proximaler Stimulation verglichen.

Die Amplitudenminderung wurde definiert als

distal

proximaldistal

AmplitudeAmplitudeAmplitude

,

die Flächenminderung als

distal

proximaldistal

FlächeFlächeFläche

, und die

Potentialverbreiterung als

distal

distalproximal

DauerDauerDauer

. In Analogie dazu wurde die

Hochfrequenzdämpfung definiert als

distal

proximaldistal

SchärfeSchärfeSchärfe

, dabei war

Schärfe definiert als ( )Area Volt49 49 .

Für die Ermittlung des Normbereiches der Nervenleitgeschwindigkeit wurde das 2-fache der Standardabweichung der Kontrollgruppe verwendet, welche dann vom errechneten Mittelwert subtrahiert wurde. Zur Ermittlung der Normbereiche von Amplitudenminderung, Flächenminderung, Potentialverbreiterung, Hochfrequenz-dämpfung, minimaler F-Wellenlatenz und F-Wellen-Chronodispersion wurde ebenfalls das 2-fache der Standardabweichung der Kontrollgruppe verwendet und diese zu dessen Mittelwert addiert. Die Ergebnisse

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der rechten und linken Extremitäten wurden miteinander verglichen. Es wurden statistisch keine Seitendifferenzen ermittelt (t-Test, Pearson Product Correlation, gerechnet mit SigmaStat Version 11.1), somit konnten die Werte beider Körperseiten zusammengefaßt werden.

Abb.4: Kurvenbeispiel aus der Kontrollgruppe, rechter N. tibialis

Im linken Abschnitt das Muskelsummenaktionspotential, im rechten Abschnitt die mit einer Latenz folgende F-Welle vergrößert dargestellt. Die Chronodispersion ergibt sich laut Definition aus der Differenz von maximaler und minimaler F-Wellen-Latenz.

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FM

10ms

F

M

FM

FM

FM

FM

FM

FM

FM

FM

8/0.5mV

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4 ERGEBNISSE

4.1 Nervenleitungsmessung der Kontrollgruppe und der Patienten

Die Nervenleitgeschwindigkeiten der Kontrollgruppe für den N. tibialis unter-schieden sich nicht wesentlich zwischen rechter und linker Beinseite. Die mittlere Nervenleitgeschwindigkeit der Patienten für den N. tibialis betrug 44,6 m/s. Die zusammengefassten Daten von Amplitude, Fläche; Potentialdauer und ihrer Quotienten von Kontrollgruppe und Patienten sind in der Tabelle 2 und 3 zusammengefaßt.

Im Vergleich der Werte der Kontrollgruppe und der Patientengruppe findet sich eine signifikante Vermindung der Nervenleitgeschwindigkeit, der Amplitude, und der Fläche der Patienten sowie eine Zunahme der Potentialdauer (Tabelle 2). Die Quotienten von Kontrollgruppe und Patientengruppe unterschieden sich bei Amplitude, Fläche und Potentialdauer nicht wesentlich voneinander (Tabelle 3).

Tabelle 2: Nervenleitungsuntersuchung des N. tibialis: Werte von Kontrollgruppe (n=70 untersuchte Nerven) und Patienten (n= 140 untersuchte Nerven); angegeben sind Mittelwert und Standardabweichung (SD)

Kontrollen Patienten

Mittelwert SD Mittelwert SD

NLG (m/s) 50,4 ±4,2 44,6 ±7,2

Amplitude bei Reiz distal (mV)

16,3 ±4,9 10,3 ±6,8

Fläche bei Reiz distal (µVs)

35,3 ±10,6 22,9 ±14,3

Potential-dauer bei Reiz distal (ms)

6,2 ±0,8 6,5 ±1,3

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Tabelle 3: Nervenleitungsuntersuchung des N. tibialis: Quotienten (prox./dist.) der Meßwerte von Kontrollgruppe (n=70 untersuchte Nerven) und Patienten (n=140 untersuchte Nerven); angegeben sind Mittelwert und Standardabweichung (SD)

Kontrollen Patienten

Mittelwert SD Mittelwert SD

Amplitude 0,79 ±0,1 0,75 ±0,15

Fläche 1,0 ±0,09 1,0 ±0,25

Potential-dauer

1,15 ±0,08 1,16 ±0,12

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4.2 F-Wellen der Kontrollgruppe und der Patienten

Bei allen 35 Kontrollen konnten F-Wellen abgeleitet werden. Bei drei der Teilnehmer der Kontrollgruppe konnten am rechten Bein keine F-Wellen beobachtet werden. Gleiches galt für zwei Kontrollen am linken Bein. Bei 66 der 70 Patienten konnten F-Wellen abgeleitet werden. Bei fünf der 66 Patienten wurden links keine F-Wellen beobachtet.

Im Vergleich der einzelnen F-Wellenmesswerte von Kontrollgruppe und Patientengruppe zeigt sich eine signifikante Zunahme der Werte der Patientengruppe.

Tabelle 4: F-Wellen des N. tibialis: Gegenüberstellung von Werten der Kontrollgruppe (n= 65 Werte) und der Patienten (n= 127 Werte) (angegeben sind der Mittelwert und die Standardabweichung, alle Angaben in ms)

Kontrollen Patienten

Minimale Latenz 47,5 (±5,9) 54,2 (±5,5)

Maximale Latenz 51,6 (±6,4) 59,5 (±12,6)

Mittlere Latenz 49,5 (±2,9) 56,9 (±3,7)

Chronodispersion 4,1 (±1,7) 5,3 (±9,9)

4.5 Nervenleitgeschwindigkeitsmeßwerte einschließlich der Hochfrequenzdämpfung

Die lineare Regressionsanalyse der zusammengefassten Daten der gesamten Studienpopulation zeigte eine hochsignifikante Korrelation zwischen der Hochfrequenzdämpfung und der F-Wellen-Chronodispersion (r=0,29; p<0,0001; Tabelle 5 und Abbildung 5). Ebenfalls signifikant war die Korrelation zwischen der Hochfrequenzdämpfung, der Amplitudenminderung und der Potentialverbrei-terung (Tabelle 5). Die Flächenminderung korrelierte einzig signifikant mit der Amplitudenminderung. Die F-Wellen-Chronodispersion korrelierte signifikant mit der Hochfrequenzdämpfung, der minimalen F-Wellen-Latenz und negativ mit der Nervenleitgeschwindigkeit. Die Nervenleitgeschwindigkeit wiederum korrelierte negativ mit der F-Wellen-Chronodispersion und der minimalen F-Wellen-Latenz.

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Tabelle 5: Korrelationen von Kenngrößen temporaler Dispersion. Daten von Kontrollgruppe (N=70 untersuchte Nerven) und Patienten (N=140 untersuchte Nerven) zusammengefaßt: Rechte obere Hälfte: Korrelationskoeffizienten (r), linke untere Hälfte: Irrtumswahr-scheinlichkeiten (p).

HFA QAMPL QAREAN PROTR FARANGE NLG FMIN

HFA .302 -.085 .414 .293 -.094 .079

QAMPL .000 .341 .277 .124 -.085 .154

QAREAN .229 .000 -.049 -.115 -.004 -.049

PROTR .000 .000 .491 .195 .141 .287

FARANGE .000 .091 .118 .008 -.301 .304

NLG .183 .229 .957 .045 .000 -.699

FMIN .284 .036 .504 .000 .000 .000

In Tabelle 7 zeigt sich in der Gruppe der Patienten mit klinischen oder elektro-physiologischen Auffälligkeiten als häufigster pathologischer Wert eine abnehmende Nervenleitgeschwindigkeit (38%), gefolgt von einer zunehmenden minimalen F-Wellen-Latenz (30%), einer zunehmenden Amplitudenminderung (21%), der F-Wellen-Chronodispersion (17%) und Hochfrequenzdämpfung (14%).

In der Untergruppe der Patienten mit normaler Nervenleitgeschwindigkeit zeigt sich als häufigster pathologischer Wert eine zunehmende Amplitudenminderung (15%), gefolgt von einer zunehmenden F-Wellen-Chronodispersion (13%), einer zunehmenden Hochfrequenzdämpfung (12%) sowie einer zunehmenden minimalen F-Wellen-Latenz (12%).

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HFA

-10 0 10 20 30 40 50 60 70

F-D

isp

0

2

4

6

8

10

12

14

16

Abb. 5: Korrelation von Hochfrequenzdämpfung und F-Chronodispersion. Daten von Kontrollgruppe (n = 35) und Patienten (n = 70) zusammengefaßt. Der Korrelationskoeffizient ist r = 0,29, die Irrtumswahrscheinlichkeit p = <0,0001. ((Kontrollgruppe: helle Kreise, Patienten: dunkle Kreise; mittlere Gerade: Ausgleichsgerade (Gerade, welche sich aus der linearen Regression ergibt), obere und untere Gerade: 95%-iges Konfidenzintervall))

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Tabelle 6: Gegenüberstellung der Werte der Kontrollgruppe mit den Werten der Patientengruppe (angegeben sind Mittelwert und Standardabweichung (SD) sowie die Normgrenzen der Patienten

Meßgrößen Kontrollen (n=70 untersuchte Nerven)

Patienten (n=140 untersuchte Nerven)

Mittelwert SD Norm-grenzen

Mittelwert SD

Nervenleitge-schwindigkeit

(m\s)

50,4 ±4,2 42 44,6 ±7,2

Amplituden-minderung

20.9 ±11,2 43% 24,6 ±18,8

Flächen-minderung

1,18 ±15,3 32% −0,29 ±19,7

Potential-verbreiterung

14,7 ±8,3 31% 16,6 ±7,1

Hochfrequenz-dämpfung

25,5 ±9 43% 27,6 ±11,6

Die Normgrenzen der minimalen F-Wellen-Latenz (59,3 ms) und der F-Chronodispersion (7,5 ms) aus Tabelle 7 ergeben sich aus dem Mittelwert und dem 2-fachen der Standardabweichung der Messwerte der Kontrollgruppe aus Tabelle 4.

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Tabelle 7: Anzahl der Patienten mit pathologischen Werten, angegeben sind Anzahl und der Prozentsatz an der Patientengruppe (n=140 untersuchte Nerven); (Normgrenzen siehe Tabelle 6)

Meßgrößen alle Patienten

n=70

Patienten mit normaler Nervenleitgeschwindigkeit (n=59)

Anzahl % Anzahl %

Nervenleit-

geschwindigkeit

(m\s)

27 38 0 0

Amplituden-

minderung

15 21 9 15

Flächen-

minderung

5 7 4 7

Potential-

verbreiterung

3 4 2 3

Minimale

F-Wellen-Latenz

(ms)

21 30 7 12

F-Chrono-

dispersion

(ms)

12 17 8 13

Hochfrequenz-

dämpfung

10 14 7 12

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5 DISKUSSION

5.1 Normalwerte

Die aus der Gruppe der Kontrollen erhaltenen Werte sowie ihre Quotienten für die Nervenleitgeschwindigkeit, Amplitude, Fläche und Potentialdauer der Summen-aktionspotentiale wichen in diesen Untersuchungen nicht von publizierten Normwerten für motorische Nervenleitungsuntersuchungen ab (KIMURA 1989, DAUBE 1992, OH 1993, TAYLOR 1993, JAKOB 1999). Dies gilt auch für die erhaltenen Werte für die Amplitudenminderung, Flächenminderung und die Potentialverbreiterung der Summenaktionspotentiale (TAYLOR 1993, OH 1993) und die abgeleiteten F-Wellenwerte, d.h., die Unterschiede der eigenen Werte zu den einzelnen publizierten lagen im Rahmen der Unterschiede zwischen den publizierten untereinander. Dadurch konnte bestätigt werden, daß die von der Kontrollgruppe abgeleiteten Summenaktionspotentiale repräsentativ für die Normalbevölkerung waren und demnach auch die anderen Meßwerte als Normal-werte gelten konnten (Tab. 8 ,9 und 10) .

In dieser Arbeit wurden 10 F-Wellen pro Nerv abgeleitet. Weniger als von einigen Autoren gefordert (PANAYIOTOPOULOS, CHRONI 1996), aber für diese Arbeit ausreichend, um das Ziel, die direkte Korrelation von Hochfrequenzdämpfung und F-Chronodispersion zu zeigen. Ein weiterer Grund bestand darin, die Belastung der Patienten so gering wie möglich zu halten.

5.2 Korrelation von Hochfrequenzdämpfung und F-Chronodispersion

Eine Korrelation von Hochfrequenzdämpfung und F-Chronodispersion konnte in dieser Arbeit gezeigt werden, wobei diese aber nicht vollständig bestand (Korrelationskoeffizient r=0.29, siehe Abbildung 5). Eine vollständige Korrelation kann nicht erwartet werden, da die F-Wellen-Chronodispersion den gesamten Nervenverlauf repräsentiert, die Hochfrequenzdämpfung hingegen nur einen Teilabschnitt des zu untersuchenden Nerven. Dies erklärt, warum der Korrelationskoeffizient r von Hochfrequenzdämpfung und F-Wellen-Chrono-dispersion markant unter 1 liegt, während jedoch die Signifikanz hoch ist.

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Tabelle 8: Gegenüberstellung der eigenen mit publizierten Normwerten (angegeben ist der Mittelwert und die Standardabweichung)

Mittelwert Standardabweichung

NLG (m/s)

Eigene 50.4 ±4,2

Kimura (1989) 48,5 ±3,6

Oh (1993) 49,8 ±4,6

Daube (1992) 47,5 ±3,8

Jakob (1999) 49,4 ±4,6

Amplitude (mV)

Eigene 16,3 (Nulllinie - Spitze) ±4,9

Jakob (1999) 14,9 (Nulllinie - Spitze) ±6,0

Fläche (µVs)

Eigene 35,3 ±10,6

Jakob (1999) 32,0 ±10,9

Potentialdauer (ms)

Eigene 6,2 ±0,8

Jakob (1999) 6,1 ±1,8

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Tabelle 9: Gegenüberstellung der eigenen Quotienten mit publizierten Quotienten (angegeben ist der Mittelwert und die Standardabweichung)

Quotienten (prox./dist.) Standardabweichung

Amplitude

Eigene 0,79 ±0,1

Taylor (1993) 0,9 ±0,1

Oh (1993) 0,8 ±0,2

Jakob (1999) 0,8 ±0,08

Fläche

Eigene 1,0 ±0,09

Taylor (1993) 0,9 ±0,1

Oh (1993) 0,9 ±0,1

Jakob (1999) 1,0 ±0,07

Potentialdauer

Eigene 1,15 ±0,12

Taylor (1993) 1,1 ±0,2

Oh (1993) 1,15 ±0,15

Jakob (1999) 1,1 ±0,1

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Tabelle 10: F-Wellen des N. tibialis: Gegenüberstellung der eigenen mit publizierten Normwerten

Minimale Latenz

Maximale Latenz

Mittlere Latenz

Chrono –dispersion

Eigen 47,5 (±5,9) 51,6 (±6,4) 49,5 (±2,9) 4,1 (±1,7)

Manganotti (1995) 46,1 (±3,6) 50,3 (±4,7) 46,4 (±3,26) 3,45 (±1,27)

Budak (2000) 48,0 (±3,9) 5,8 (±1,2)

Puksa et al. (2003)

45,9 (±4,4) 47,6(±4,5) 49,4(±4,5) 3,5(±1,1)

Mysiw (1990) 49,2 6,2

Fierro (1990)

rechts 46,29 (±4,51) 50,49 (±4,46) 48,39 (±4,32) 4,19 (±1,27)

links 46,53 (±4,13) 50,73 (±4,42) 48,58 (±4,27) 4,21 (±1,36)

Russo (1991) 50,4 (±5,6) 4,1 (±1,6)

Pradhan (1996) 6,3 (±0,8)

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5.3 Die Kenngrößen temporaler Dispersion im Vergleich

Alle Kenngrößen, d.h., Amplitude, Dauer, Hochfrequenzdämpfung und F-Chrono-dispersion korrelieren in einem bestimmten Maße untereinander, mit Ausnahme der Fläche (Tab.7). Die Fläche wiederum korreliert aber mit der Amplitude. Dies wiederum spiegelt wieder, daß die Amplitude sowohl von der temporalen Dispersion als auch vom Leitungsblock beeinflußt wird, da ein Leitungsblock definiert ist, als das Vorhandensein von Amplitudenminderung oder Flächen-minderung und der Abwesenheit von temporaler Dispersion (SCHULTE-MATTLER et al. 1999). Sie ist also nicht spezifisch für die temporale Dispersion.

Eine Korrelation der Potentialverbreiterung mit der Chronodispersion kann zwar gezeigt werden, spiegelt aber den Zusammenhang nicht so deutlich wieder, wie es die Korrelation der Chronodispersion mit der Hochfrequenzdämpfung unter-streicht (siehe Tabelle 5).

Einen direkten Marker für Veränderungen im Nervenleitgeschwindigkeitsspektrum stellt die F-Wellen-Chronodispersion dar. Die eindeutige Korrelation mit der Hoch-frequenzdämpfung bestätigt, daß die Hochfrequenzdämpfung ein Marker für derartige Veränderungen und somit für Demylinisierung am peripheren Nerven ist.

Bei unserer Untersuchung ergab sich eine gute Korrelation der Hochfrequenz-dämpfung mit den eingeführten Indikatoren der Demyelinisierung, besonders der Amplitudenminderung und der Potentialverbreiterung. Während die Potential-verbreiterung ein spezifischer Indikator für temporale Dispersion ist (OH et al. 1994), kann die Amplitudenminderung noch durch andere Faktoren beeinflusst werden. Solche Faktoren sind zum Beispiel anomale Nervenverläufe, zu geringe Stimulusintensität oder das Auftreten eines Leitungsblocks (KIMURA 1997). Während die Amplitudenminderung mit der Stimulusintensität variiert, bleiben Hochfrequenzdämpfung und Potentialverbreiterung davon unbeeinflußt (SCHULTE-MATTLER et al. 1999). Desweiteren ist die Hochfrequenzdämpfung unabhängig von abnormen Nervenverläufen, zu geringer Stimulusintensität oder dem Vorhandensein eines Nervenleitungsblocks. Die Hochfrequenzdämpfung korreliert stärker mit der Amplitudenminderung und der Potentialverbreiterung als mit der Nervenleitgeschwindigkeit. Dies gibt einen Hinweis darauf, daß die Hochfrequenzdämpfung eher Verbreiterungen des Nervenleitgeschwindigkeits-spektrums und weniger Verschiebungen, wie sie von einer gleichmäßigen Demyelinisierung aller Nervenfasern hervorgerufen werden, wiedergibt.

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Nervenleitgeschwindigkeit und minimale F-Latenz sind in der Lage eine gleichmäßige Demyelinisierung wiederzugeben, wohingegen Hochfrequenz-dämpfung, F-Wellen-Chronodispersion, die Potentialverbreiterung und Amplitu-denminderung eine ungleichmäßige Demyelinisierung anzeigen. Das Auftreten sowohl gleichmäßiger aus auch ungleichmäßiger Demyelinisierung in der Studienpopulation führte zu verschiedenen Abnormalitäten.

Die Hochfrequenzdämpfung korrelierte mit den Markern der ungleichmäßigen Demyelinisierung, hierunter am wichtigsten die F-Wellen-Chronodispersion. Im Gegensatz dazu zeigte sich keine Korrelation mit den Markern der gleichmäßigen Demyelinisierung. Dies demonstriert, daß die Hochfrequenzdämpfung ein spezifischer Indikator für ungleichmäßige Demyelinisierung ist.

Jedoch zeigte sich eine Korrelation zwischen der F-Wellen-Chronodispersion und den Markern der gleichmäßigen Demyelinisierung, welche mit der Häufung der Effekte der milden Demyelinisierung mit zunehmender Länge des zu untersuchten Nervensegmentes zu erklären ist.

Die F-Wellen-Chronodispersion lieferte in dieser Arbeit mit am häufigsten pathologische Werte. Sie wird jedoch durch andere Faktoren, wie zum Beispiel Läsionen im Bereich des Rückenmarks, beeinflusst. Außerdem liefert sie keine Information über den Ort der Schädigung.

5.4 Klinische Bedeutung

Die Unterscheidung von gleichmäßiger und ungleichmäßiger Demyelinisierung kann ihren klinischen Wert in der Bewertung von Patienten mit einer zugrundeliegenden Erkrankung mit ungleichmäßiger Demyelinisierung haben. Die Nerven solcher Patienten können eine normale Nervenleitgeschwindigkeit zeigen, da nicht alle ihrer schnell leitenden Fasern von der Demyelinisierung betroffen sein müssen.

Zur Entdeckung partieller Demyelinisierung, wie zum Beispiel einer milden Polyneuropathie bei normaler motorischer Nervenleitung, bedarf es sowohl sensitiver als auch spezifischer Meßwerte um pathologische zeitliche Dispersion zu diagnostizieren. Den sensitivsten und gleichzeitig auch spezifischten Meßwert für pathologische zeitliche Dispersion stellt die Hochfrequenzdämpfung dar. Auch Nervenleitungsblöcke können auf diese Weise ausgeschlossen werden, da Nervenleitungsblöcke nie zu vermehrter zeitlicher Dispersion führen (OH et al. 1994).

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Die Messung der Hochfrequenzdämpfung stellt eine Methode dar, welche sehr leicht zu messen und zu praktizieren ist. Die Messung kann routinemäßig bei der Ableitung des Muskelsummenaktionspotentials erfolgen, d.h., zusätzliche elek-trische Stimuli am Patienten sind nicht notwendig. Die Messung erfolgt leicht und automatisch mit einer modernen Computerausrüstung und die mathematischen Berechnungen werden vom Computer automatisch übernommen. Der Unter-sucher muß keine neue Technik erlernen.

Die Methode ist robust, d.h., sie wird durch das Setzen inframaximaler Stimuli nicht beeinflußt, wohingegen bei der Messung der Nervenleitgeschwindigkeit besonders die Amplitudenminderung verfälscht werden kann (OH et al. 1994).

Somit ist die Hochfrequenzdämpfung eine einfache, leichte und genaue Methode zur Entdeckung und Charakterisierung partieller Demyelinisierung und damit pathologischer zeitlicher Dispersion peripherer motorischer Nervenfasern am Menschen.

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6 ZUSAMMENFASSUNG

Erkrankt die Myelinschicht einzelner Fasern eines peripheren Nerven, so ist die Leitgeschwindigkeit dieser Nervenfasern herabgesetzt. Sind alle Fasern eines Nerven davon betroffen, so kann dies durch die einfache Messung der Nervenleitgeschwindigkeit nachgewiesen werden. Sind nicht alle Fasern betroffen, so ist die gemessene Nervenleitgeschwindigkeit normal, die Aktionspotentiale werden im Nerven aber unterschiedlich schnell geleitet und erreichen somit den Ableitort nicht gleichzeitig, sondern innerhalb eines bestimmten Zeitraumes. Das wird temporale Dispersion genannt. Diese ist schwierig zu quantifizieren. Bisher erfolgt dies durch die Messung der zeitlichen Dispersion von F-Wellen - physiologischen motorischen Spätantworten von einzelnen Axonen peripherer Nerven - oder durch den Vergleich von Muskelaktionspotentialen, die durch Stromreizung eines Nerven an zwei verschiedenen Orten evoziert werden. Verglichen werden Amplitude, Fläche und Dauer der Aktionspotentiale. Ein neuer Ansatz ist der Vergleich der Fourierspektren, deren Differenz als Hochfrequenz-dämpfung bezeichnet wird. Bisher konnte gezeigt werden, daß erhöhte Hochfrequenzdämpfung ein empfindlicher diagnostischer Indikator für Demyelinisierung ist. Der Zusammenhang zwischen Hochfrequenzdämpfung und temporaler Dispersion ist aber nicht unmittelbar gezeigt worden. Ziel dieser Arbeit war es, diesen Zusammenhang durch Vergleich der Hochfrequenzdämpfung mit der F-Wellen-Chronodispersion zu bestätigen. Dazu wurden retrospektiv Ableitungen des N. tibialis beider Beine von 35 Probanden und 70 Patienten mit Polyneuropathien aus einem Zeitraum von zwei Jahren (1998-2000) ausgewählt. Ausgewertet wurden die Nervenleitgeschwindigkeit, Amplitude, Fläche, Potentialdauer, die Fourierspektren der Muskelsummenaktionspotentiale sowie Latenz und Potentialdauer der erhaltenen F-Wellen. Hieraus wurden F-Wellen-Chronodispersion und Hochfrequenzdämpfung errechnet. Die lineare Regres-sionsanalyse der gesamten Daten der Studienpopulation zeigte eine signifikante Korrelation zwischen der Hochfrequenzdämpfung und der F-Wellen-Chrono-dispersion (r=0,29; p=<0.0001) sowie mit der Amplitudenminderung und der Potentialverbreiterung. In der Gruppe der Patienten waren Hochfrequenz-dämpfung und F-Wellen-Chronodispersion die am häufigsten pathologischen Befunde. Die Ergebnisse zeigen, daß mit der Hochfrequenzdämpfung tatsächlich temporale Dispersion gemessen wird, und daß dies klinisch sinnvoll ist, um partielle Demyelinisierung peripherer Nerven möglichst empfindlich erkennen zu können.

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8 THESEN

1. Ein Nerv ist aus verschiedenen Nervenfasern aufgebaut, welche unterschiedlich schnell leiten. Diese Leitungsgeschwindigkeiten können gemessen werden. Bei den üblichen Untersuchungen werden aber nur die am schnellsten leitenden Fasern erfaßt. Beginnen nun aufgrund einer peripheren Nervenerkrankung einzelne Nervenfasern zu demyelinisieren, können diese nicht selten erst in einem recht weit fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung entdeckt werden.

2. Temporale Dispersion entsteht aufgrund der unterschiedlich leitenden Fasern, aus welchen ein Nerv aufgebaut ist. Sie beeinflußt Amplitude, Fläche, Potentialdauer und Form der Muskelsummenaktionspotentiale sowie die Latenzen von F-Wellen.

3. F-Wellen sind physiologische motorische Spätantworten nach supra-maximaler Reizung eines peripheren Nerven. Sie werden durch Aktions-potentiale einzelner Nervenfasern verursacht, die den Nerven vom Reizort nach proximal durchlaufen und von den Vorderhornzellen im Rückenmark reflektiert werden. Unterschiede in den Laufzeiten der F-Wellen werden als F-Chronodispersion bezeichnet.

4. Die Hochfrequenzdämpfung ergibt sich aus der Differenz der Form des distalen und des proximalen Muskelsummenaktionspotentials. Diese Differenz wird mittels eines Computers in eine Kennzahl umgerechnet. Je größer also die Differenz ist, desto größer ist die Kennzahl. Weil diese Kennzahl aus den hohen Tönen im Frequenzspektrum der Kurven errechnet wird, bezeichnet man sie als Hochfrequenzdämpfung.

5. In der Theorie reagiert Hochfrequenzdämpfung sowohl sensitiv als auch spezifisch auf beginnende Demyelinisierung und steigt mit pathologischer zeitlicher Dispersion. Der experimentelle Nachweis dafür erfolgte bisher nur über die Korrelation mit der Amplitudenminderung, der Flächen-minderung sowie der Potentialverbreiterung.

6. Retrospektiv wurden die Ableitungen der Nn. tibialis beider Beine von 35 Kontrollen und 70 Patienten ausgewählt.

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7. Die lineare Regressionsanalyse der gesamten Daten der Studien-population zeigte eine hohe signifikante Korrelation zwischen der Hoch-frequenzdämpfung und der F-Wellen-Chronodispersion (r=0,29; p=<0,0001). Die Korrelation war signifikant zwischen der Hochfrequenz-dämpfung, der Amplitudenminderung sowie der Potentialverbreiterung.

8. Ein direkter Marker der veränderten Nervenleitgeschwindigkeitsverteilung ist die F-Wellen-Chronodispersion. Sie lieferte in dieser Studie die höchste Korrelation mit der Hochfrequenzdämpfung als mit den anderen Meß-größen, wie der Amplitudenminderung und der Potentialverbreiterung. Auch konnte mittels der Hochfrequenzdämpfung am häufigsten temporale Dispersion nachgewiesen werden.

9. Die Messung der Hochfrequenzdämpfung ist neben hoher Sensitivität und Spezifität auch eine Methode, welche sehr leicht zu praktizieren ist, denn die Messung kann routinemäßig bei der Ableitung der Muskelsummen-aktionspotentiale erfolgen. Sie ist eine einfache, leichte und genaue Methode zur Entdeckung partieller Demyelinisierung und pathologischer zeitlicher Dispersion peripherer motorischer Nervenfasern beim Menschen.

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9 LEBENSLAUF

Name: Katja Mühlbauer

Geburtsdatum/ -ort: 16.07.1976 in Wolfen

Schulbildung: 09/1983 - 08/1991 Oberschule Carl-Friedrich-

Wilhelm-Wander, Zörbig

09/1991 – 06/1995 Gymnasium Sandersdorf,

Abitur im Juni 1995

09/1995 – 08/1996 Freiwilliges Soziales Jahr

Hochschulbildung: 10/1996 Medizinstudium an der Martin- Luther-

Universität Halle-Wittenberg

08/1998 Ärztliche Vorprüfung

08/1999 1. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung

08/2001 2. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung

04/2002 – 03/2003 Praktisches Jahr:

1. Medizinische Klinik der Berufsgenossenschaft-

lichen Kliniken Bergmannstrost, Halle

2.Chirurgische Klinik des Kantonsspitals

Bruderholz, Schweiz

3.Klinik für Hals-,Nasen-,Ohrenheilkunde, Kopf-

und Halschirurgie der Martin-Luther-Universität

Halle-Wittenberg

05/2003 3. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung

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06/2003 bis 09/2004 Ärztin im Praktikum und

10/2004 bis 11/2004 Assistenzärztin an der Klinik

und Poliklinik für Hals-,Nasen-,Ohrenheilkunde,

Kopf und Halschirurgie der Martin-Luther-

Universität Halle-Wittenberg

Seit 01/2005 Assistenzärztin an der Klinik für Hals-

Nasen-Ohrenheilkunde, Gesichts- und

Halschirurgie der Städtischen Klinikum

Brandenburg GmbH

Brandenburg, den 27.12.2005

Katja Mühlbauer

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10 DANKSAGUNG

Mein besonderer Dank gilt Herrn Privatdozent Dr. med. Schulte-Mattler für die Überlassung des Themas sowie für die Förderung und kritischen Diskussionen während der Arbeit.

Weiterhin danke ich den wissenschaftlichen und medizintechnischen Assistenten der Elektrophysiologischen Abteilung der Klinik für Neurologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, besonders Herrn Dr. Tietze für die Hilfe und die guten Ratschläge bei der Erstellung der Arbeit.

Nicht zuletzt möchte ich meinen Eltern für die Unterstützung auf dem Weg meiner Ausbildung danken.

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11 SELBSTÄNDIGKEITSERKLÄRUNG

Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbst und nur unter Hinzuziehung der im Literaturverzeichnis angeführten Hilfsmittel verfasst habe.

Brandenburg, den 27.12.2005

Katja Mühlbauer

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12 ERKLÄRUNG ÜBER FRÜHERE PROMOTIONSVERSUCHE

Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich weder zum vorliegenden Thema, noch zu einem anderen Thema einen Promotionsversuch unternommen habe.

Brandenburg, den 27.12.2005

Katja Mühlbauer

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