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Ausgabe 02/2014

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Geht Bio ohne Chemie? Dies und mehr in der Ausgabe 02/2014. Leitung: Y. Dubianok

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Liebe Leser,

inmitten heißer Sommertage, zwi-schen Vorlesungen, Praktika und Gril-labenden an der Isar haben wir es endlich geschafft, diese Ausgabe fertig zustellen. Denn die Zahl der Redakteure schwin-det langsam, aber sicher. Daher an dieser Stelle nochmal einen Aufruf: Wenn Ihr, liebe Leser, für den „Chemist“ schrei-ben, fotografieren oder zeichnen wollt, schreibt uns an [email protected] und werdet Redakteur!

„Bio ohne Chemie?“– das mag zwar in baldiger Zukunft auch auf die Zusam-mensetzung der „Chemist“-Redaktion, die mittlerweile zu einem Großteil aus Biochemikern besteht, zutreffen, doch in dieser Ausgabe ist das unser Titelthe-ma. Dieses Mal dreht sich alles um die Bio-Marken. Wir gehen auf die Suche nach dem typischen Biokäufer, berichten über die Hintergründe der Biosiegel und schauen hinter die Kulissen der Produk-tion tierischer Bioprodukte. Nicht zuletzt werfen wir noch einen Blick auf kupfer-haltige Pflanzenmittel und deren Folgen für die Umwelt.

Um die Reihe der wichtigen Persön-lichkeit der TU sowie der Fakultät zu er-gänzen, die mit Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang A. Herrmann begonnen und

Costa, dem Griechen, fortgesetzt wur-de, haben wir für die Ausgabe mit dem allseits bekannten Dr. Alexander Ogrod-nik gesprochen. Mit Steffen Georg und Martin Wolff sprach er über seinen Wer-degang, die Bologna-Reform, die Studen-ten von heute und natürlich über die En-tropie.

Habt Ihr Euch auch schon einmal gefragt, was die Bauchemiker den gan-zen Tag lang machen? Ist Zement ei-gentlich immer noch ein Gegenstand der Forschung? Unsere Redakteure Martin Wolff und Ivo Vutov besuchten Prof. Jo-hann Plank und liefern Euch die Ant-worten. „Im Visier“ auf der Seite 9 erfahrt Ihr, was die Bauchemie neben Zement außerdem alles zu bieten hat.

Von Biochemie in anderen Umständen über Hochwasserschutz zu Medikamen-tenspenden – noch viele weitere span-nende Themen aus der Wissenschaft warten in dieser Ausgabe auf Euch.

Zuletzt möchten wir Euch, liebe Le-ser, auffordern, an unserer Ausschrei-bung zum Thema “Eröffnung des Kataly-sezentrums“ teilzunehmen. Details dazu auf der Seite 27. Wir freuen uns darauf!

In diesem Sinne: Viel Spaß mit dem „Chemist“ und einen schönen Sommer!

Eure „Chemist“-Redaktion

Ein Semester auf der grünen Insel, Seite 4

In 60 Sekunden, Seite 5

Vom Tanz der Orbitale, Seite 6

Im Visier: Mehr als nur Zement, Seite 9

Dossier: Bio ohne Chemie?, Seite 12

Biochemie in anderen Umständen, Seite 17

Über den Kolbenrand: Hochwasser-schutz, Seite 21

Kinder-Chemist, Seite 24

WM-Sonderbeilage, Seite 25

Editorial Inhalt

Impressum Ausgabe 2/2014, 500 Exemplare

Der „Chemist“ ist kein Erzeugnis im Sinne des Presserechts, sondern ein Rundbrief an alle Studierende der TUM und sonstigen Interessierten. Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben nur die Meinung des Verfas-sers wieder.

Redaktion: Yuliya Dubianok (YD)Tobias Bauer (TB)Verena Fink (VF)Steffen Georg (SG)Maximilian Hohlweck (MH)Angela Ibler (AI)Simon Nadal (SN)Matthias Stahl (MS)Martin Wolff (MW)Ivo Vutov (IV)Nora Weiner (NW)

Freie Mitarbeiter:Marius Bilke (MB)Carina Lämmle (CL)Felix Kaiser (FK)

Zeichnungen:Marisa Götzfried

Kontakt: [email protected]

FederhalterYD

Manchmal werden Gebete erhöht, denn der „Chemist“ hat endlich einen neuen Layouter! Maximilian Hohl-weck ist ab sofort Vollzeit-Layouter beim „Chemist“ und studiert nebenbei Chemie im 2. Semester.

Wenn nach all der Arbeit noch ein bisschen Zeit übrig bleibt (was nahezu immer der Fall ist), spielt Max überaus gerne jedwede Art von Videospielen, liest Fantasy/Science-Fiction-Roma-ne oder träumt vom Besuch von Wes-teros, das Euch aus der Serie „Games of Thrones“ bekannt sein dürfte. Zu-dem beschäftigt er sich des Öfteren mit Modellbau und Holzbearbeitung, wenngleich auch dort die Inspirati-on meist aus Mittelerde oder Tamri-el stammt.

Obwohl er aus der Wintersportme-tropole Ruhpolding stammt, wollte er

kein Skifahrer werden, sondern Che-miker.

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Fachschaft

Grün, Regen, Schafe – das ist meis-tens alles, was einem spontan zu Irland einfällt. Was viele nicht wissen ist, dass in Irland mindestens genauso oft die Sonne scheint wie hier, dass die Land-schaften nicht bloß grün sind, sondern wie Filmkulissen aussehen und dass es abgesehen von Schafen auch ganz vie-le Kühe gibt.

Ein Semester lang verbrachte ich auf der grünen Insel – und zwar in Cork. Die beschauliche Stadt liegt im Süden der Insel und ist die zweitgröß-te Stadt der Republik – wenn auch mit nur 120.000 Einwohnern. Bekannt ist diese Gegend nicht nur wegen ihrer malerischen Landschaften, sondern auch durch die irische Butter, welche in alle Welt exportiert wird.

Das University College Cork (UCC) ist genau die Uni, die ich mir vorstell-te, bevor ich mein Studium an der TUM in Garching-Forschungszentrum begann: Eine Campus-Universität mit alten ehrwürdigen Gebäuden, gepfleg-ten grünen Wiesen, Cafés und Ge-schäften. Überall, wohin man blickt, Studenten mit Pullis, auf denen das Logo der Universität gestickt ist, die zu ihren Vorlesungen eilen.

Jedes Jahr studieren knapp 1000 in-ternationale Studenten aus aller Welt an der UCC. Im Winter 2013 war ich eine davon. Meine Wahl fiel ausge-rechnet auf die UCC, da ein breites

Fächerspektrum im Bereich Medizini-sche Chemie angeboten wird.

Im Gegensatz zu Deutschland ist das Uni-System in Irland etwas ver-schulter. Zu den Kursen gehören oft Übungsblätter, Online-Tests und Practical Sessions dazu. Diese werden als Continuous Assessment bezeich-net und machen einen nicht vernach-lässigbaren Teil der Endnote aus. Am Ende des Semesters werden dann die Prüfungen im Essay Style geschrieben. Insgesamt wird der Lehre ein wesent-lich höherer Stellenwert beigemessen – die meisten Dozenten waren didak-tisch hervorragend. Auch die Betreu-ung der Studenten war sehr individu-ell.

Nicht nur zu den Vorlesungen, son-dern auch bei der Freizeitgestaltung ist die Uni allgegenwärtig. Mit Socie-ties und Clubs bietet die UCC ein brei-tes Freizeitangebot an. Die Societies können als Interessensgemeinschaf-ten beschrieben werden. Ob Photogra-phy, Mountaineering, Journalism oder Hot Beverage – mit ca. 90 an der Zahl ist garantiert für jeden Geschmack et-was dabei. Während des Semesters fin-den regelmäßig Treffen der Societies statt, außerdem werden Veranstaltun-gen aller Art – vom Vortrag über die Filmpräsentation und einen Ball zur Probierrunde – angeboten. Für Aus-tauschstudenten werden Events sowie

Ausflüge, beispielsweise nach Dublin oder Galway, organisiert.

Die Clubs sind hingegen Sportverei-ne. Auch hier ist von Rugby und Fris-bee über Tanz bis zu Segeln und Hur-ling (Nationalsportart) alles vertreten. Trainiert wird in der Mardyke Arena, einem hochmodernen, UCC-eigenen Sportkomplex.

Das College-Leben schließen die Iren mit einer pompösen Graduation Ceremony ab. Geprägt von alten Ri-tualen, in schwarze Umhänge geklei-det, werfen sie bei der feierlichen Ver-leihung der Zeugnisse ihre Hüte in die Luft. Welche Bräuche für Absolventen hingegen in Garching-Forschungszen-trum „gepflegt“ werden, erfahrt ihr auf Seite 10.

Irland wäre nicht das Land der Trin-ker und Poeten, wenn man nicht im-mer wieder im Pub landen würde. In Cork gibt es viele tolle Pubs – natür-lich immer mit Livemusik. Während des Wintersemesters finden in Cork zahlreiche Festivals statt, beispielswei-se auch das weltbekannte Guinness Jazz Festival. Die Iren sind ein feier-freudiges Völkchen, immer sehr aufge-schlossen, hilfsbereit und freundlich. Man kommt sehr schnell in Kontakt mit den Einheimischen – auch das en-det meistens im Pub.

Natürlich verbringt man im Aus-landssemester viel Zeit auf Achse. Cork ist ein sehr guter Startpunkt für verschiedene Ausflüge. Vor allem in West Cork sowie Kerry und Clare fin-det man atemberaubende Landschaf-ten, den Atlantik und natürlich Scha-fe. Das Fernbussystem in Irland ist – im Gegensatz zum Bahnnetz – sehr gut ausgebaut. Mit anderen Studenten

Ein Semester auf der grünen InselYD & SN

Main Quad – das Hauptgebäude der UCC

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Fachschaft

sind wir dem Carsharing-System „Go-Car“ beigetreten, somit konnten wir das Land auf eigene Faust erkunden. Während Fernstraßen gut ausgebaut waren, sind weniger befahrene Stra-ßen sehr abenteuerlich. Spätestens dann, wenn einem Schafe die Durch-fahrt versperren, weiß man, dass man

im Herzen Irlands angekommen ist. Beeindruckend an Irland ist die ab-wechslungsreiche Vielfalt der pa-noramischen Landschaften: So fin-det sich neben 250 m steilen Klippen eine Wüste aus Stein, die dann in eine Canyon-artige Szenerie übergeht. Ob Strand, Berge, Seen oder grüne Wie-

sen (voller Schafe) – jeder wird hier fündig. Dabei muss man nicht lange suchen, denn sobald man die städti-sche Umgebung verlässt, ist man mit-tendrin.

Das Auslandsemester in Irland war eine großartige und einmalige Erfah-rung. Doch die Zeit ist leider viel zu schnell verflogen! Ich kann jedem vom Euch nur empfehlen: Geht raus, macht ein Auslandssemester, ihr wer-det es auf keinen Fall bereuen!

Malerische Landschaft von Dingle

In 60 SekundenNW

Dozenten erklären persönlich in kompakten 60 Sekunden ihre aktuelle Forschungsar-beit. Diesmal stellt Prof. Konrad Tiefenbacher die Projekte seiner Arbeitsgruppe vor.

„Wir beschäftigen uns mit der Syn-these von biologisch interessanten Na-turstoffen und versuchen dabei, mög-lichst kurze und effiziente Routen zu entwickeln. Um dieses Ziel zu errei-chen, entwickeln wir neue Synthese-techniken, da der aktuelle Stand für einige Problemstellungen nicht zufrie-denstellend ist. Ein Schwerpunkt in dieser Richtung liegt auf selbst-assem-blierenden Nanoreaktionskammern, die als selektive Katalysatoren dienen; hierbei nutzen wir enzymartige Re-aktionen als Vorbild. Viele mögen da-her auf eine biochemische Forschung schließen, unser Interesse an diesen Reaktionen bezieht sich jedoch auf die ähnliche Reaktionsweise, also den Mechanismus. Die Hohlräume in den

Nanoreaktionskammern erfüllen hier die gleiche Funktion wie die Hohlräu-me in Enzymen. So können wir Reakti-onen durchführen, die bisher im Labor nicht möglich waren.“

Mehr Wissen:

Junior-Professor Tiefenbacher hat Chemie an der TU Wien studiert und danach an die Uni Wien gewechselt, um seinem Interesse an der Totalsyn-these von biologisch interessanten Na-turstoffen nachzugehen. 2011 wurde er auf eine Juniorprofessur an die TU München berufen und hält derzeit die Vorlesung „Retro-/Totalsynthese von Naturstoffen“ sowie „Organische Che-mie I“ für Chemieingenieure.

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Fachschaft

Vom Tanz der OrbitaleMW & SG

Der Name Dr. Alexander Ogrodnik ist an unserer Fakultät wohl jedem ein Begriff. Der Grund hierfür ist unter anderem seine Involvierung in die phy-sikalisch-chemische Ausbildung der Studenten in Praktika und Vorlesun-gen. Um ihn wirklich kennen zu ler-nen, bedarf es allerdings mehr als das. Grund genug für uns, mit Herrn Og-rodnik eine angenehme Stunde beim Kaffee zu verbringen.Chemist: Herr Ogrodnik, vielen an der Fakultät ist Ihr Name ein Begriff, un-ter anderem auch deswegen, weil Sie schon sehr lange an der TUM sind. Würden Sie uns daher zu Beginn ein-mal erzählen, seit wann Sie hier sind, was Sie hierher gebracht hat und was Sie hier bisher gemacht haben?Dr. Ogrodnik: Ich bin Physiker und habe hier an der TUM studiert. Ich bin also nie von hier weg gekommen. 1977 bin ich mit der Diplomprüfung fertig gewesen und habe dann nach einer Doktorarbeit gesucht. Ich woll-te jedenfalls etwas mit Bio machen – da gab es in der Stadt den Prof. Klin-kenberg und die Max-Planck Institute in Martinsried und am Schwabinger Krankenhaus. Dann war da Frau Pro-fessor Michel-Beyerle hier an der phy-sikalischen Chemie, die mir eine Ar-beit angeboten hat über zeitaufgelöste Spektroskopie mit Lasern an Radikal-paar-Rekombinationssystemen. Dabei werden Elektronen mit Singulett-ge-paarten Spins angeregt. Das angereg-te Elektron geht auf ein benachbar-tes Molekül über und kann aufgrund der neuen magnetischen Umgebung seine Singulettkonfiguration bzgl. des zurückbleibenden Elektrons aufge-ben und in den Triplettzustand über-gehen. Diesen Übergang kann man wiederum mit einem Magneten beein-flussen, sogar mit einem winzig klei-nen von 100 Gauß! Das fand ich span-nend: Superinteressante Spindynamik und als Handwerk Laserspektrosko-pie. Als ich da die Zusage bekommen habe, war das schon ein besonderer Moment in meinem Leben und ich war richtig glücklich! Das ganze haben wir dann an photosynthetischen Reak-tionszentren angewendet. Wenige Jah-re zuvor wurden das erste Mal solche Reaktionszentren isoliert. Daran ha-

ben wir spektrosko-piert und beobach-tet, wie schnell die einzelnen Elektron-transferschritte ab-laufen und wie man bestimmte Schritte mit einem Magneten beeinflussen kann. Chemist: Was haben Sie nach Ihrer Pro-motion gemacht?Dr. Ogrodnik: Da-nach habe ich habili-tiert, indem ich mein Thema weitergeführt und ausgebaut habe.Chemist: Sie woll-ten also von Anfang an schon immer hier bleiben?D r. O g r o d n i k : Nein, das war zu-nächst noch nicht so klar. Ich hatte halt angefangen und das Thema hat mich ein-fach wahnsinnig interessiert. Es gab da einen Sonderforschungsbereich. Sie kennen vielleicht Professor Hu-ber, dessen Büste auch im Eingangs-bereich steht. Er war auch in diesem Sonderforschungsbereich und hat die Kristallstruktur von diesem Reaktions-zentrum gelöst und dafür auch den Nobelpreis gewonnen. Das war für mich das Interessanteste, was es da-mals wissenschaftlich gab und ich war froh, da mitmachen zu dürfen.Chemist: Hatten Sie nach der Habili-tation vor, eine Professur anzustreben oder in die Industrie zu wechseln?Dr. Ogrodnik: Nun, ich hatte mich schon an verschiedenen Unis im In- und Ausland beworben. Aber ich war damals mit 40 schon relativ alt. So richtig eingesehen, warum ich von hier weg sollte, habe ich auch nicht. Wir hatten hier einen großen Appara-tepark aufgebaut und ich konnte aus dem Vollen schöpfen. Frau Professor Michel-Beyerle hat mir große Freihei-ten in der Gestaltung gelassen und es herrschte eine super Zusammenarbeit.Chemist: Wie ist es dann gekommen, dass Sie heute so stark in die Lehre

eingebunden sind?Dr. Ogrodnik: Es stimmt, ich habe lange Zeit alle Grundvorlesungen der PC für alle Studiengänge hier in Gar-ching und in Weihenstephan abge-halten. Das ist entstanden, bevor mit Professor Heiz und Professor Kiefha-ber zwei Professuren neu besetzt wor-den sind. In der Übergangszeit hat es eine längere Vakanz gegeben und je-mand musste die Lehre übernehmen. Davor hatte ich sehr wenig Berührung mit Lehre. Das ist abrupt umgeschla-gen, sodass ich immer weniger Zeit für Forschung hatte. Das ist dann auch bis zum heutigen Tage so kurz vor meiner Pensionierung immer weiter zurückge-fahren worden. Mittlerweile mache ich praktisch nur noch Lehre.Chemist: Wie lange ist es noch hin, bis zu ihrer Pensionierung?Dr. Ogrodnik: Nun, ich werde heuer 65 und im November stünde die Pen-sionierung an. Aber ich bin schon ge-fragt worden, ob ich noch aushelfen kann. Ich muss auch sagen, so leiden-schaftlich ich die Forschung gemacht habe, ich mache auch sehr gerne Leh-re.

Dr. Alexander Ogrodnik in seinem Büro

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Fachschaft

Chemist: Gibt es noch Pläne, die Sie hier verwirklichen möchten?Dr. Ogrodnik: Ich sollte mal mein Skript aktualisieren. Ich wollte schon immer mal noch einen Anhang schrei-ben. Meine Idee dazu ist folgende: In der Wissenschaft muss man Beobach-ten lernen und daraus seine Schlüs-se ziehen. Ich finde gerade beim Ko-chen muss man das Gleiche machen. Ich koche sehr gerne, aber ohne Koch-buch. Da muss man auch erst mal wis-sen, was passiert und wie ich lenken kann, dass genau das herauskommt, was ich möchte. Meine Idee ist es also einen Anhang über die physikalische Chemie des Kochens zu schreiben.Chemist: Haben Sie Präferenzen in der Lehre? Halten Sie lieber Vorlesun-gen oder Praktika ab? Gibt es Dinge, die Sie nur ungern machen?Dr. Ogrodnik: Ich korrigiere sehr ungerne. Noten-Eintragen finde ich auch schrecklich. Aber ich halte ger-ne Vorlesungen, vor allem dann, wenn von Studenten auch Rückkopplung kommt. Ich betreue auch sehr gerne Praktika. Das ist persönlicher und man lernt die Leute besser kennen.Chemist: Haben sich Ihrer Meinung nach die Studienbedingungen durch Bologna eher verbessert oder ver-schlechtert?Dr. Ogrodnik: Ich denke, die Reform ist damals überstürzt über die Profes-soren hereingebrochen. Zunächst hat man dann einfach das alte Studium unter einem neuen Namen verkauft. Was sich einschneidend geändert hat-te war die Prüfungsstruktur. Klar hat man früher auch Prüfungen geschrie-ben, diese gingen aber nicht in die Di-plomnote mit ein. Es gab am Schluss vier Prüfungen, die für die Note rele-vant waren. Das neue System hat Vor- und Nachteile. Wenn man studienbe-gleitend prüft, kann man sich auf jede

Prüfung mit überschaubarem Umfang intensiv vorbereiten. Aber es sind mei-ner Meinung nach viel zu viele Prüfun-gen am Semesterende. Momentan kor-rigiert man zu starke Auswüchse. Vom Gefühl her waren die Studenten frü-her freier. Eine große Gefahr des neu-en Systems ist auch, dass man die In-halte der Prüfung geistig abhakt und dann beiseite schiebt. Früher boten die Prüfungen am Ende des Studiums noch einmal die Möglichkeit sich ei-nen Überblick über den Stoff zu ver-schaffen. Dieser Überblick geht ein bisschen verloren. Verstehen Sie mich nicht falsch: Die Studenten heute sind genauso klug und gewitzt wie früher und nehmen sich auch ihre Freihei-ten, aber ich finde es sinnvoll, die-se Querdenkerei zwischen den einzel-nen Fächern zu fördern und am Ende des Studiums in Form einer Prüfung zu fordern. Der Druck rechtzeitig mit dem Studium fertig zu werden ist heu-te auch größer. Früher hat einen ein-fach nur der eigene Geldbeutel limi-tiert.Chemist: Haben Sie im Verlauf der letzten Jahre etwas an Ihrer Lehre ver-ändert?Dr. Ogrodnik: Am Inhalt habe ich nicht viel verändert, ich selbst habe aber sehr viel an Verständnis dazuge-lernt und mir viele gedankliche Bilder ersonnen. Ich habe natürlich im Ver-lauf auch herausgefunden, wie man so eine Prüfung am besten aufbaut. Es muss Standardfragen geben, da-mit nicht nur Überflieger die Chan-ce haben, eine ordentliche Prüfung zu schreiben. Ein paar knackige Fragen müssen auch dabei sein. Die physikali-sche Chemie hat eine Schlüsselpositi-on in der Chemie. Deswegen muss es auch jeder machen und es sollte für je-den zu schaffen sein.Chemist: Was sind hier in der Chemie Ihrer Meinung nach die größten Bau-stellen der kommenden Jahre?Dr. Ogrodnik: Die Fakultät betref-fend kann ich da keine Aussage ma-chen, das betrifft mich auch nicht. Das Studium betreffend würde ich es wie schon gesagt wichtig finden da-rauf hinzuwirken, dass die Studen-ten sich am Ende des Studiums einen besseren Überblick über den gesam-ten Stoff verschaffen können. Es muss im Studium erst mal Informationen und Wissen gesammelt werden, bevor es spannend wird. Raum dafür böten

auch die Studienarbeiten, aber in der Bachelorarbeit ist auch da die Zeit zu knapp. Vielseitiges Wissen über den ei-genen Bereich hinaus war schon im-mer eine große Stärke in Deutsch-land und Europa. Das betrifft auch das Schulsystem. Ich persönlich fand die Beschäftigung mit kulturellen The-men im Deutschunterricht oder Studi-entage immer sehr interessant. Ich fin-de schade, dass das in Schule und an anderen Institutionen zurückgefahren wird. Ich finde, dass wir uns gegen die-sen Pragmatismus, der da aus Amerika herüberschwappt, auch ein bisschen wehren sollten. Ich will nicht mit „die gute alte Zeit“ anfangen, aber es gibt schon etwas Gutes an diesem Hum-boldtschen Bildungsideal. Wer, wenn nicht Deutschland, kann sich denn das sonst leisten, seinen Nachwuchs nicht nur fachlich, sondern auch mensch-lich zu bilden.Chemist: Was sind denn Ihre Interes-sen außerhalb der Uni, mit denen Sie diesem Bildungsideal gerecht werden?

Dr. Ogrodnik: Da wären zu nennen die Musik und der historische Tanz aus Barock und Renaissance. Der Barock-tanz ist der Vorläufer vom klassischen Ballett. Der Barocktanz erfordert eine gute Körpertechnik, aber natürlich bei weitem nicht so extrem wie das äußerst anspruchsvolle klassische Ballett. In der Schrittfolge ist der Barocktanz je-doch sehr differenziert und geht exakt auf die Musik ein. Dies macht ihn vom Körpergefühl her und für den Intellekt so reizvoll.Chemist: Und das haben Sie selbst ge-macht?Dr. Ogrodnik: Nun ja, meine Frau ist Tanz- und Musiklehrerin. Tanz und Musik hatten mich auch vor unse-rem Kennenlernen schon interessiert, aber dadurch hat sich das dann natür-lich potenziert. Ich mag auch die Re-naissance-Musik – die ist sowieso vom Rhythmus und der Polyphonie her so genial. Ich selbst spiele Blockflöte und

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Fachschaft

Gitarre. Ich würde auch gerne ein Ins-trument wie Gambe lernen, aber dafür fehlt mir leider die Zeit.Chemist: Was war Ihr größter Unfall bzw. Ihr größtes Missgeschick im La-bor?Dr. Ogrodnik: Also mein größter Un-fall war, dass ich eines Montag mor-gens in die Uni gekommen bin und das ganze Labor unter Wasser gestan-den hat. Es ist schlicht und einfach ein Hahn an der Fassung abgebrochen. Da hatten wir Mößbauer-Spektroskopie am Laufen und da waren radioaktive Quellen. Das war nicht ohne! Ansons-ten habe ich ja schon auch als Kind immer alles zerlegt. Und gerade mei-ne Laser habe ich mir erst mal genau vornehmen müssen, um verschiedene Modifi kationen vornehmen zu können.Chemist: Sie haben Ihre Instrumente alle zerlegt?Dr. Ogrodnik: Ja, nicht komplett, aber es war sehr wichtig, Aufbau und Funktionsweise zu verstehen. Und das ist tatsächlich ein bedeutender Unter-schied zu heute. Als ich damals meine Diplomarbeit und meine Doktorarbeit geschrieben hatte, musste man sei-ne Geräte in- und auswendig kennen und teilweise auch selbst reparieren. Es war noch nicht möglich, jedes Mal einen Kundendienst anzurufen, weil es einfach zu lange gedauert hätte. Bei

meinen Lasern hatte ich mit Hoch-spannung zu tun, also so ca. 10 kV. Da hatte ich einmal beim Basteln dar-an unvorsichtigerweise eine Entladung verursacht und es gab einen lauten Knall. Mir ist da aber glücklicherweise nichts passiert.Chemist: Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, sich einen Schau-kelstuhl vor den Schreibtisch zu stel-len?

Dr. Ogrodnik: Ich benutze ihn am Schreibtisch natürlich nicht als Schaukelstuhl, ich knie da drauf. Man könnte ihn auch in einer Liegeposition für den Mittagsschlaf verwenden, al-lerdings reicht dafür der Platz im Büro nicht aus (Anm. d. Red.: Dem Leser kann man hier leider nicht zeigen, wie das aussieht). Er ist halt hilfreich für meinen Rücken und für mich der bes-te Stuhl, den ich kenne.Chemist: Noch ein paar kurze schnelle

Entscheidungsfragen zum Abschluss: Vorlesungen vorbereiten oder nachbe-reiten? Was ist wichtiger?Dr. Ogrodnik: Nachbereiten. Da ist das Interessante und es ist die Vorbe-reitung für das nächste Mal.Chemist: Kaffee oder Espresso?Dr. Ogrodnik: Espresso, der ist viel bekömmlicher.Chemist: Es geht das Gerücht um, Sie wären der Toskana besonders zugetan und würden stets dort Urlaub machen. Stimmt das?Dr. Ogrodnik: In der Form ist das ein Gerücht. Ich habe dort einmal ei-nen Musikkurs gemacht und dabei die-sen historischen Tanz kennengelernt. Das dortige Essen ist natürlich unver-gleichlich.Chemist: Ordnung oder Entropie?Dr. Ogrodnik: Ja, Ordnung wäre schön… und ist ja auch absolut not-wendig. Aber nicht eine starre „kris-talline“ Ordnung – die kann zwar sehr schön sein. Ich meine eine Ordnung, die den Blick für neue Ordnungs-möglichkeiten und Einsichten nicht verstellt. Ordnung ist überhaupt die Voraussetzung, um sich Freiheit zu schaffen. Das muss ich mir aber jeden Tag neu sagen.Chemist: Vielen herzlichen Dank für das Gespräch!

Seit Februar 2014 verwendet die Materialverwaltung der Chemie ein neues System zur Buchung von Ma-terialeinkäufen. Gründe für die Um-stellung waren Unzulänglichkeiten des vorherigen Systems, die Optimie-rung beziehungsweise Vereinfachung bereits vorhandener Prozessabläufe, sowie der Abbau von Hürden, beim Einkauf in verschiedenen Inhouse-Einkaufsmöglichkeiten. Durch das neue System wird der Einkauf mit ei-ner gültigen TUM-Online ID auch bei den Materialverwaltungen der Phy-sik, Informatik und in Weihenstephan möglich.

Der Einkauf erfolgt nun über die Mitarbeiterkarte oder den Studenten-ausweis. In wenigen Ausnahmen geht der Einkauf bis zur vollständigen Um-setzung des Systems noch über die al-ten Code-Karten. Betroffen hiervon sind vor allem die Werkstatt, Entsor-gung, Glasverarbeitung und Elektrik.

Abrechnungen für Studenten wer-den wie gewohnt am Ende der jewei-ligen Praktika durchgeführt. Bei Fra-gen diesbezüglich kann man sich an die entsprechende Praktikumsleitung wenden. Die hierfür benötigten Da-ten sind nun mit dem TUMonline-Ac-count verknüpft. Nach jedem Einkauf

werden zudem separat Rechnungen versendet. Externe Einkäufe sind ohne gültige Anmeldung nicht mehr mög-lich.

Freigaben für den Einkauf erfolgen zu Beginn des Praktikums und werden von der Praktikumsleitung, den tech-nischen Assistenten und der Material-verwaltung geprüft und für die Freiga-be autorisiert.

Wir wurden von der Materialverwal-tung gebeten, diese Information noch mit einem Paarreim abzuschließen.„Ach Mensch wie schön es doch wär, käme das laufende System schon ges-tern her.“

MV-NeuerungIV

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Fachschaft

Mehr als nur Zement!MW & IV

Im Visier

Der Lehrstuhl für Bauchemie von Professor Johann Plank befi ndet sich im magenta-farbigen Trakt. Steigt man dort in den dritten Stock hinauf, fal-len einem schon auf der Treppe die Portraits prägender Köpfe aus der Ge-schichte der Bauchemie auf. Mit die-sem Lehrstuhl kommt der Chemiestu-dent in Garching im Grundstudium eher weniger in Kontakt. Der Lehr-stuhl wird für viele aber später in je-dem Fall relevant, schließlich rekru-tiert er seine Studenten zu 95% aus Chemikern und zu 5% aus Chemiein-genieuren.

Fachlich setzt der Lehrstuhl drei Schwerpunkte, die sich um die Welt der Materialien drehen: In der anor-ganischen Chemie geht es zum Bei-spiel um Silikate und Aluminate im Zement. Als zweites ist die Polymer-chemie wichtig, schließlich dienen diese als funktionelle Moleküle im Baustoff und erbringen dort die ge-wünschten Eigenschaften. Zum Drit-ten beschäftigt sich der Lehrstuhl mit Kolloidchemie und Nanopartikeln.

Ein starkes Klischee, mit dem Pro-fessor Plank auch schon des Öfte-ren zu tun hatte ist: In der Bauche-mie dreht sich alles nur um Zement. Natürlich gibt es weit mehr. Neben Mörtel und Beton hat gerade dieser Lehrstuhl eine europaweit einzigar-tige Expertise, was die Zementierung von Öl- und Gasbohrlöchern angeht. Nur in Amerika gibt es noch zwei wei-tere Gruppen, die sich mit dieser The-matik befassen. Alle Studenten, die sich für Bauchemie interessieren, soll-ten allgemein ein ausgeprägtes Inte-resse für Materialien mitbringen. Die Forschung ist häufi g anwendungsori-entiert. Dies hat auch zu Folge, dass es zahlreiche Industriekooperationen

gibt, immerhin hat jedes große Che-mie-Unternehmen seine Hand im Ge-schäft mit Bauchemikalien. Dadurch fi nden Absolventen des Lehrstuhls ver-gleichsweise leicht Anstellungen in der Industrie und das weltweit (USA, Sin-gapur, China, Naher Osten). Schwer-punktmäßig machen Studenten am Lehrstuhl experimentelle Arbeiten, al-lerdings sind auch theoretische Arbei-ten möglich.

Es gibt darüber hinaus viele span-nende Forschungsfelder. Gerade auch bei Zement, einem wirklich alten Bau-stoff, ist längst noch nicht alles wissen-schaftlich geklärt und laufend entste-hen neue Herausforderungen. Sollte eines Tages auf dem Mond gebaut wer-den, muss Zement auch nahezu unter Schwerelosigkeit funktionieren. Aus diesem Grund fi nden demnächst Pa-rabelfl üge mit Proben des Lehrstuhls statt, auf denen die Kristallisation von Zementhydraten unter Schwerelosig-keit untersucht wird. Professor Plank hätte zwar gerne Tests auf der ISS gehabt, diese konnten allerdings aus

Budgetgründen nicht realisiert wer-den.

Auch bei Hochleistungsbeton wur-den und werden laufend Fortschrit-te gemacht (etwa durch Polymere als Zusatzmittel), ohne die beispielswei-se neue Rekorde bei Wolkenkratzern gar nicht möglich wären. Stets aktu-ell ist auch die Entwicklung besserer Dämmstoffe. So gibt es beispielsweise sogenannte Aerogele, die zu 99% aus Luft und 1% aus Silica-Nanopartikeln bestehen. Es sind momentan die bes-ten Dämmstoffe der Welt. Sie reduzie-ren den Aufwand zur Isolierung, etwa von Behältern mit fl üssigem Stickstoff oder von Gebäuden, erheblich.

Prof. Johann Plank – Nach der Promotion bei Prof. Dr. W. A. Herrmann über metallorganische Chemie verbrachte er zwei Jahrzehnte in der Industrie.

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Fachschaft

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„Sprechen Sie Deutsch?“SN

Die TU München gehört in der Forschung zu den besten Universitä-ten in Deutschland. Doch die erlebte Zeugnisübergabe an der TUM ist ein schlechter Witz. Es ist an der Zeit, dass die Universität die Leistungen ihrer Studenten anerkennt. Eine Geschich-te nach einer wahren Gegebenheit.

Es ist so weit. Nach dreijährigem Schuften, Ackern, Stress, Druck und Angst sind alle Studienleistungen voll-bracht. Die unzähligen Laborstunden sind gemeistert, alle Prüfungen ge-schrieben, die Bachelor-Arbeit abgege-ben. Nach einigen Wochen wartet der Brief des Prüfungsamts Garching im Briefkasten: „Sie können Ihr Zeugnis abholen“. Ein Höhepunkt. Die offizi-elle Anerkennung von drei anstrengen-den Jahren voller Höhen und Tiefen.

Voller Elan begebe ich mich zum Prüfungsamt. Die Sonne scheint – ein perfekter Tag, um sein Zeugnis ab-zuholen. Ich nehme mir vor, danach in der Stadt shoppen zu gehen, zum Abschluss muss man sich etwas gön-nen. Die Stadt – das ist München ab Schwabing-Nord.

Der Weg zum Prüfungsamt führt durch das ländliche Forschungs-zentrum: Hohes Gras, Plattenbau, Menschenleere. Nicht ohne Grund bezeichnete die SZ den Campus-Gar-ching als „Garchosibirsk“. Doch bei meiner Wanderung zum Prüfungsamt nehme ich alles positiv auf. Eine fri-sche Brise weht, ein schöner Spätsom-mertag.

Das Büro ist einfach zu finden. Ich

begrüße die Dame am Schalter, sie nimmt meinen Namen auf, Micha Pocjyeva.* Sie klopft an der Nachbar-tür und verschwindet kurz dahinter. Ich muss kurz warten, macht nichts – ich hole ja mein Zeugnis ab! Yehaa!

Nach längerem Suchen wird die Dame schließlich fündig. Sie blickt auf und fragt: „Sprechen Sie Deutsch?“

Wie bitte…? Alles was ich zusam-menbringe, ist ein erbärmliches „Ja...“ Innerlich koche ich vor Wut, die Illu-sion der goldenen Zeugnis-Ernte zer-platzt um mich. Ich bin mit 13 nach Deutschland gekommen, habe mich von der Hauptschule über die Real-schule zum Gymnasium hochgear-beitet, 15 Punkte im Deutsch-Abi ge-schrieben und nun hole ich mein Bachelorzeugnis in Chemie ab. Ohne Deutsch ist das einfach unmöglich: Kein Deutsch – kein Abschluss!

Ungeachtet meines fassungslosen Ausdrucks fährt die Dame fort. Sie nimmt das Zeugnis, zeigt mir einen Zettel, den ich unterschreiben muss. Gesagt, getan. Gibt es nun eine An-erkennung der erbrachten Leistung? Wohl kaum, ich mache mir keine Illu-sionen. Dann sagt sie in monotonster, kaum verständlicher Stimme auf:

„Die Technische Universität Mün-chen und der Präsident gratulieren Ihnen zu ihrem Zeugnis, herzlichen Glückwunsch… Wir hoffen, dass Sie ihrer Universität treu bleiben werden und wünschen Ihnen weiterhin alles Gute für die Zukunft … auf Wieder-sehen“

Komm schon! Ich weiß, dass sie den Text an eine Myriade von Studenten aufsagen musste, doch vielleicht zeigt sie ein Fünkchen Begeisterung für mich? Nein. „Tschüss“.

Ich verlasse das Büro und gehe raus in die Garchinger Landschaft. Die Sonne lacht, sie lacht mich aus. Zer-störte Illusionen einer gewünschten Anerkennung. Bilder von amerikani-schen Serien und ihren „Graduations“ fallen mir ein. Auf Facebook habe ich gesehen, dass Freunde an deutschen Unis das ebenfalls haben. Ich will auch einen Hut in die Luft werfen!

Ich öffne das Zeugnis. Präsident Herrmann lacht mich an. „Die TUM ist Ihre Familie“ steht auf dem Zettel. Das Wort „Elite“ steht auch irgendwo. Na dann, herzlichen Glückwunsch!

Man kann noch so viel Geld in die Forschung stecken, die Studenten bil-den die Basis der Universität. Das Stu-dium an der TU ist hart. Wenn man die erbrachten Leistungen nicht an-erkennt, wundert sich dann noch je-mand über die Garchinger Verdros-senheit?

Bürorätsel: Wer arbeitet hier?Auflösung auf der Seite 24

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Fachschaft

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Das bereits in den letzten Jahren an-gebotene Experimentalseminar „SU-PEx“ startet nächstes Wintersemester in eine neue Runde mit vielen geplan-ten Highlights. Für alle, die noch nicht Wissen was SUPEx ist:

SUPEx steht für „Sicherheit im Umgang mit Pyrotechnika und Ex-plosivstoffen“. Der Arbeitskreis wurde gegründet, um Studenten den verant-wortungsvollen Umgang mit explosi-ven Substanzen zu lehren und ist als solches Projekt einzigartig.

Dich faszinieren Sprengstoffe? Du wolltest schon immer mal wissen, was z.B. passiert, wenn man Wasserstoff-peroxid und Aceton vermischt? Du möchtest über den Tellerrand des nor-malen Lehrstoffes hinausschauen?

SUPEx gibt Dir die Möglich-keit, Dich außerhalb des regulä-ren Praktikumsbetriebes mit außer-gewöhnlichen, wissenschaftlichen Fragestellungen auf legalem Weg aus-einanderzusetzen. Es bietet Dir nicht nur die Möglichkeit, hautnah bei den Experimentalvorlesungen dabei zu

sein, sondern auch selbst aktiv im La-bor unter engmaschiger Betreuung zu arbeiten. Es kommen hierfür keinerlei zusätzliche Kosten, sondern eine Vor-lesung mit vielen Überraschungen und Spaß auf Dich zu. Optional kannst Du ab dem 5. Semester selbst ein Präpa-rat darstellen und dazu einen Vortrag halten.

Neu dieses Jahr:• Erstmals bietet SUPEx die Mög-

lichkeit zur Teilnahme an dem Projekt für Nicht-Chemiker. Damit bestrebt der Arbeitskreis ein interdisziplinäres Umfeld für Interessierte aller Fakultä-ten der TUM.

• Exklusiv ist ein Raketenwettbe-werb geplant, bei dem es auf echte Teamarbeit ankommt: Dabei bildet Ihr ein Team, das aus Mitgliedern unter-schiedlicher technischer Studiengänge aufgestellt ist. Ihr entwickelt gemein-sam eine Rakete mit eigenem Antrieb, Raketenform und Prognose der Flug-höhe. Am Wettbewerbstag werden die Raketen selbstverständlich getestet, um zu sehen, wer am Ende wirklich die

Nase vorn hat.• Im WS 2014/15 werden voraus-

sichtlich Credits zur Anrechnung im Masterstudium vergeben. Als Zuhö-rer kannst Du nach bestandener Prü-fung bereits 2 ECTS erhalten, wenn Du zusätzlich praktisch im Labor dei-nen eigenen Sprengstoff herstellst und im Rahmen einer Präsentation vor-stellst, werden Dir weitere 2 ECTS an-gerechnet. Die Arbeit im Labor erfor-dert Kompetenzen in der praktischen organischen und anorganischen Che-mie.

Sollten wir Dein Interesse geweckt haben, dann halte die Augen und Oh-ren offen. Anfang des nächsten Se-mesters wird es eine Infoveranstaltung zum Seminar geben. Bis dahin werden aktuelle Informationen immer auf der Fachschaftshomepage sowie unserer Facebookseite mitgeteilt. Für spezielle-re Fragen wende Dich gerne an:

[email protected] want you for AK SUPEx! See you in the first lecture.

AK SUPEx startet in eine neue Runde!FK & CL

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Bei der Ernährung hört ja bekannt-lich der Spaß auf. Ziel dieses Dos-siers ist es, das kontroverse Thema der ökologisch hergestellten Lebensmit-tel nicht Lobbyisten, Politikern oder Stammtischen zu überlassen, sondern einen auf Fakten basierenden Über-blick zu geben. Immer mehr Men-schen entscheiden sich beim Einkauf aus gesundheitlichen, ökologischen oder ethischen Gründen auf ökolo-gisch erzeugte Ware zurückzugreifen und sind dafür auch bereit, mehr Geld auszugeben. Bioprodukte als Massen-ware, gerade auch beim Discounter erregen allerdings durchaus den Ver-dacht, dass weichgespülte Richtlini-en ein Siegel verleihen, das mit der ursprünglichen Idee nicht mehr viel gemein hat. Unser Anspruch war, in je-dem Fall diesen Artikel auf der Basis frei von ideologisch gefärbten Informa-

tionsquellen zu sammeln. Sucht man im Internet nach „Spritzmittel in der ökologischen Landwirtschaft“, stößt man als Erstes auf ein Dokument mit dem Namen „Zugelassene Pflanzen-schutzmittel – Auswahl für den ökolo-gischen Landbau nach der Verordnung (EG) Nr. 834/2007“. Es enthält auf 90 Seiten eine Tabelle mit Wirkstof-fen und gibt an, für welche Anbaukul-tur gegen welche Schädlinge diese ein-gesetzt werden dürfen. Ob und wie das zusammen passt, soll nachfolgend un-tersucht werden. Auch soll Gerüchten nachgegangen werden, wonach Bio-produkte eine erhöhte Schwermetall-belastung aufweisen würden.

Wer kauft eigentlich Bio?Eine junge Dame nähert sich dem

Bio-Laden an der Leopoldstraße, im

Herzen Schwabings. Anfang 30, kein Kind dabei, gepflegtes Äußeres, sport-licher Typ, mit Sicherheit gut verdie-nend – eine typische Bio-Konsumen-tin?

Wohl kaum, den typischen Bio-Ver-braucher gibt es natürlich nicht. Viel-mehr greifen sehr viele verschiede-ne Persönlichkeiten zum Bio-Regal im Supermarkt, ob jung oder alt, Sport-muffel, Bewegungsfanatiker oder Ket-tenraucher. Zu diesem Schluss kommt die Nationale Verzehrsstudie II (NVS), die bisher umfassendste Erhebung zu Lebensmittelkonsum und Ernährungs-verhalten in Deutschland. Im Zeit-raum 2005-2007 wurden 13000 Teil-nehmer und Teilnehmerinnen im Alter von 18-80 Jahren zu ihren Essgewohn-heiten befragt. Somit lässt sich nicht wirklich nach Äußerlichkeiten eintei-len, wer sich durch das Bio-Siegel ver-

Bio ohne Chemie?MB, MW, SG & SN

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führen lässt. Aufschlussreicher als die Frage, wer Bio kauft, ist demnach viel-mehr, warum diese Personen Bio kau-fen. Aus der Analyse der Beweggrün-den lässt sich schlussendlich auch die erste Frage nach der Zielgruppe einfa-cher beantworten.

Dies beschäftigt auch das Bundes-ministerium für Ernährung und Land-wirtschaft, das jedes Jahr das Öko-barometer herausgibt. Nach dessen Ergebnissen beruht die Wahl eines Bioprodukts sehr häufig auf altruisti-schen Motiven. Ein wichtiger Grund ist die regionale Herkunft der Pro-dukte und die sich dadurch ergeben-de Unterstützung regionaler Betriebe. Zum einen erhoffen sich Konsumen-ten durch die Nähe des Produzen-ten eine frischere Ware, zum anderen mischt sich eine gewisse Identifizie-rung mit dem Hersteller hinzu, da re-gionale Produkte oftmals weniger ano-nym erscheinen.

Mindestens ebenso wichtig ist vie-len eine artgerechte Tierhaltung oder der Schutz der Umwelt, beispielswei-se durch eine geringere Schadstoffbe-lastung. Auch das Versprechen, keine gentechnisch veränderten Produkte zu bieten, zieht bei den Käufern.

Die effektive Qualität des Produkts steht nach dem Ergebnissen des Öko-barometers 2013 nicht an allererster Stelle. Dennoch schätzen einige Kon-sumenten Bio-Produkte für die Quali-tät oder einen eventuell natürlicheren Geschmack, insbesondere bei Perso-nen, welche Gesundheit und Ernäh-rung einen hohen Stellenwert beimes-sen.

Wir kennen nun die Motive für die Entscheidung für ein Bioprodukt. Die-se Wertvorstellungen finden sich in der Regel überall in der Bevölkerung, wo-bei Konsumenten mit einem höheren Einkommen Umweltschutzgedanken höher gewichten.

Zwischen den Werten, die den Men-schen wichtig sind und ihrem tatsäch-lichem Verhalten steht allerdings der Einflussfaktor „Situation“. Gemeint

ist, dass der Alltag jemandem einen Strich durch die Rechnung zieht. Grö-ßere Familien greifen oftmals zu ge-wöhnlicheren Produkten aus finan-ziellen Gründen, karrierefokussierte Personen haben oftmals wenig Zeit. Somit ergibt sich ein sehr heteroge-nes Bild der Bio-Käufer, von denen die meisten gelegentlich ins Bio-Regal greifen und nur wenige sich mehrheit-lich davon ernähren. Nur die allerwe-nigsten fallen in das Konsumenten-schema des LOHAS (Lyfestyle of Health and Sustainability), einen Mar-ketingbegriff, welcher Personen be-zeichnet, die einen Lebensstil pflegen, der von Gesundheits- und Nachhal-tigkeitsprinzipien geprägt ist und des-sen Pfad häufig am Bioladen vorbei-führt. Ob unsere Schwabinger Kundin vor dem Laden an der Leopoldstraße auch dazu gehört, ist allerdings nach der Statistik mehr als fraglich.

Was macht Bio-Produkte aus?

Tatsächlich gibt es einige gute Gründe, auf Öko-Produkte zu setzen. So sollen die entsprechenden Richtli-nien für den Bio-Anbau einen deutlich schonenderen Umgang mit der Natur gewährleisten: Der vorsichtigere Ein-satz von Pestiziden und Herbiziden schützt die natürliche Artenvielfalt und die Gesundheit des Menschen. Vor allem aber ist es der Verzicht auf Mineraldünger, der Boden und Trink-wasser weniger belastet. Trotzdem

wird aufgrund der steigenden Nach-frage nach Bio-Produkten ein Groß-teil des Bedarfs – vor allem in den Discountern – schon jetzt aus dem Ausland gedeckt, weswegen heimische Erzeuger teils Probleme haben, ihre Ware an den Mann zu bringen. Ins-gesamt ist es bei diesen umgesetzten Mengen wohl notwendig, einheitliche Regeln zu schaffen.

Wer Nahrungsmittel als Bio-Ware verkaufen will, muss gemäß der ent-sprechenden Verordnung der Europä-ischen Gemeinschaft zertifiziert sein und darf gegebenenfalls das 2010 EU-weit eingeführte EU-Bio-Siegel tragen. Neben „Bio“ sind auch die Bezeich-nungen „Öko“ und „aus kontrolliert biologischem Anbau“ europaweit ge-schützt. Hierzulande wird man jedoch zusätzlich oft noch das sechseckige deutsche Bio-Siegel auf Verpackungen finden, das für die Verbraucher einen gewissen Wiedererkennungswert hat. Das Siegel fällt mit seinen Regeln ver-gleichsweise moderat aus. Mindestens oder eben nur 95% der Inhaltsstoffe müssen ökologischer Herkunft sein. Erlaubt sind insgesamt 47 Zusatzstof-fe, darunter auch Nitritpökelsalz und Enzyme. Bis zu 10% des Schweine- und Geflügelfutters kann aus konven-tionellem Anbau sein, Futterzukauf ist außerdem gestattet. Des Weiteren ist eine Teilumstellung eines Betriebs auf ökologischen Anbau zulässig. Aller-dings ist der Zusatz von Geschmacks-verstärkern, künstlichen Farbstoffen und Aromen nicht zulässig. Das Siegel hat Erfolg, auch zahlreiche Nicht-EU-Länder richten sich danach. Dennoch gehen die Regeln des Siegels vielen nicht weit genug, daher erfüllen pri-vate Bio-Siegel die EU-Vorgaben als Mindestwert, verfügen in der Regel je-doch über noch weit strengere Kriteri-en, vor allem was die Haltung und Füt-terung der Tiere betrifft.

Bei allen diesen Siegeln sollte vor al-lem die Hälfte des Tierfutters vom ei-genen Betrieb stammten. Nur bei einer vollständigen Umstellung des Betriebs

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auf Ökoanbau werden diese vergeben. Die Bioland-Siegel und Naturland-Sie-gel beispielsweise erlauben allerdings auch bis zu 5% Anteil von konventio-nellen Produkten, allerdings nur bei nachgewiesener Nichtverfügbarkeit von Inhaltsstoffen ökologischen Ur-sprungs. Erlaubt sind bei diesen bei-den Siegeln auch insgesamt 22 Zusatz-stoffe, der Einsatz von Nitritpökelsalz ist teilweise zulässig. Demeter ist im Vergleich zu den bisher genannten Sie-geln am radikalsten. Ihr Symbol wird bereits seit 1928 verwendet und ist da-mit das älteste bekannte Bio-Siegel. Es lässt bei den ökologischen Bestandtei-len eines Produktes keine Ausnahmen zu. Hinzu kommen viele weitere Re-geln. Beispielsweise ist für Milchvieh die Haltung von hörnertragenden Ras-sen vorgeschrieben. Die sonst oft an-gewendete Enthornung ist untersagt.

Die Lebensmittel-Skandale ma-chen allerdings auch vor Bio-Produk-ten nicht halt: Falsch deklarierte Eier und „gefälschte“ Bio-Siegel ließen Bio-Bauern schon einige Male um ih-ren Ruf fürchten. Welchen Bio-Siegeln im Öko-Wirrwarr kann man denn nun überhaupt noch trauen? Vorsicht sollte vor allem bei sol-chen Siegeln gebo-ten sein, die die Unternehmen e igenstän-dig heraus-geben, um sich selbst zu zertifizie-ren. Dort oft verwendete Begriffe wie „artgerechte Tierhaltung“ oder „kon-trollierter Anbau“ sind beispielsweise nicht gesetzlich geschützt und können somit alles Mögliche oder auch nichts bedeuten.

Der Erwerb eines entsprechenden Siegels birgt aber zusätzlich gewisse Hürden, die den Aufwand für manche Betriebe unattraktiv machen. So darf ein Siegel oft erst nach einer Über-gangszeit geführt werden. Solange gibt es zwar mehr Aufwand, man darf die

Erzeugnisse jedoch noch nicht zum teureren Preis verkaufen. Außerdem muss die Einhaltung der Richtlinien dokumentiert werden. Gerade kleine Betriebe mit einem ohnehin regiona-len Kundenkreis verzichten daher ganz auf ein Siegel, obwohl sie es eventuell bekommen könnten.

Über den Mehrwert von Bio-Tierprodukten

Wie auch schon die pflanzliche Nahrungsmittelproduktion, hat sich auch der tierische ökologische Land-bau Ziele der nachhaltigen Landwirt-schaft gesetzt. Diese soll im Speziellen als eine um- weltverträgli-che Erzeu- gung in Form von exten- siver, tier-gerech- ter Hal-tung, b e -

vorzugt im Freiland durchgeführt werden und bildet zusätzliche Richt-linien zu den bereits gültigen Tier-schutzgesetzen. Angestrebt ist eine Kreislaufwirtschaft, in der die Futter-mittel betriebseigen angebaut und an tiergerecht gehaltene Nutztiere ge-füttert werden, welche wiederum be-triebseigenen organischen Dünger er-zeugen und somit zusammen mit der Fruchtfolge zur nachhaltigen Boden-bewirtschaftung beitragen.

Im Gegensatz dazu steht die „kon-ventionelle“ Tierhaltung: Hier wird oft zulasten der Gesundheit der Tie-re unter großzügigem Einsatz von Me-dikamenten massenproduziert. Als Resultat müssen Unmengen von Fut-termitteln eingeführt werden, wel-che meist selbst aus Monokulturen mit hoher Pestizidbelastung stam-men. Auch Güllemengen werden pro-duziert, welche nicht mehr komplett auf die betriebseigenen Felder ausge-

bracht werden können und nicht sel-ten zur Überdüngung der Ackerflächen führen. Das damit verbundene erhöh-te Gesundheitsrisiko und der sinkende Wohnwert in angrenzenden Flächen wird dabei in Kauf genommen, alles zugunsten günstigerer Fleischproduk-tion für den Verbraucher.

Zum Glück, mag da einer denken, gibt es ja die Wahl zwischen konventio-nell erzeugten Produkten und „höher-wertig erzeugten“ Bio-Produkten. Tat-sächlich weisen diese eine geringere Belastung mit Nitrat- und den meisten Pflanzenschutzmittel-Rückständen auf, bergen keine eventuelle Gefahr durch eingesetzte Gentechnik und sind unter Umständen sogar gesün-der, wie im Fall der besonders Ome-ga-3-fettsäurereichen Bio-Milch. An-dererseits wurde selbst auf der Tagung der Öko-Junglandwirte 2013 festge-stellt, dass für die Tiere selbst keine relevanten Unterschiede im Tierge-sundheitsstatus von ökologischer ver-glichen mit konventioneller Erzeugung

erkennbar sind. Außerdem ist schon das Ziel der „ressourcenschonenden

und umweltverträglichen Produktion“ sehr kri-

tisch zu betrachten: Die Produktion von

Tierprodukten ist mit Umwelt-

verschmut-zung unum-

gänglich verbunden durch Kot und Verdauungsgase, welche einen signi-fikant messbaren Beitrag zur Klimae-rwärmung aufweisen. Ebenso ist die Verwendung von Wasser und Futter-mitteln bei der Erzeugung tierischer Produkte immer immens intensiv, was sich in der Bioproduktion in der Re-gel nur dahingehend ändert, dass zum Wohle der Tiere und durch die exten-sive Bewirtschaftung noch mehr Res-sourcen verbraucht werden. Beispiel-haft sind dabei ein Glas Milch, für welches etwa 200 Liter Wasser ver-braucht werden (oder für eine Schei-be Käse 100 Liter Wasser), da hierbei nicht nur vom Vieh direkt verbrauch-tes Wasser, sondern auch das durch die Futtermittelbereitstellung einge-setzte „virtuelle Wasser“ einbezogen werden muss. Dasselbe gilt für den direkten Futtermittelverbrauch, wel-cher für Bio-Tierprodukte wesentlich höher liegt, als für intensiv erzeugte,

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was bei Rindfleisch 10.000 Liter Was-ser pro Kilogramm grasendes Rind im Vergleich zu 5.000 Litern pro Ki-logramm industriell gehaltenes aus-macht und allein schon in dem Ziel der „extensiven Erzeugung“ implizit mit-schwingt. Damit verbunden ist auch das wesentlich geringere Verhältnis von Futtermittel zu produziertem tie-rischem Erzeugnis, das mit 70 Kilo-gramm eingesetztes Futtermittel pro Kilogramm Fleisch grasender Rinder im Vergleich zu 19 für industriell pro-duziertes Fleisch wesentlich höher und damit ressourcenintensiver ist.

Ein weiterer Knackpunkt ist das Ziel der tiergerechteren und flächengebun-denen Nutztierhaltung. Dabei geht es nicht nur um die Einbeziehung des natürlichen Verhaltens und der Tier-psychologie bei der Haltung, sondern auch um eingestreute Haltungssyste-me, freien Auslauf und direkt mess-bar auch geringere Besatzungsdichte der Stallfläche. Somit wird den Tieren beispielsweise mit Beschäftigungsmög-lichkeiten und ausreichend mit Stroh eingestreutem Bodenbelag im Stall, genügend Auslauf im Freien und ei-ner Stallfläche, welche die Ausübung natürlicher Verhaltensweisen erlau-ben soll, ein artgerechteres Leben er-möglicht. Doch auch hier scheitern die hohen Ziele an der praktischen Um-setzung. Bei Legehennen kann man daher schon bei der Richtlinie von ma-ximal 6 Tieren pro m² und mindestens 18 cm Sitzstange pro Tier die Artge-rechtigkeit diskutieren. Diese Richtli-nie soll eigentlich durch die Vorgabe, dass Geflügel ein Drittel seiner Le-benszeit Zugang zu Freigelände ha-ben muss, gestärkt werden. Allerdings wird dies in der Realität dadurch noch weiter abgeschwächt, dass dabei nicht darauf eingegangen wird, ob die Tie-re selbst auch den Richtlinien folgen. Denn wenn nach persönlichem Emp-finden einer Henne nicht genügend Unterschlupf im Freigelände vorhan-

den ist, wird sich keine von diesen der Gefahr außerhalb des Stalls freiwillig aussetzen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass manche Verhaltensstörun-gen wie z.B. Kannibalismus auch bei anerkannten Rassen allein durch die Stallhaltung besonders stark ausge-prägt sind und sich dort so leicht ent-wickeln können. Es ist also in dem Umgang mit Nutztieren nicht nur eine nachhaltige Bewirtschaftung des Be-triebs, sondern auch eine gewisse Tier-kenntnis nötig, um den Zielen einer Bio-Produktion gerecht zu werden.

Zusammenfassend wird also die ökologisch nachhaltige Produktion aus tierischen Quellen bisher ihren eigenen Zielen und den Verbrauche-rerwartungen nur unzureichend ge-recht. Jedoch sollte dabei nicht au-ßer Acht gelassen werden, dass trotz allem zumindest eine geringe Verbes-serung der Tierhaltung erreicht wird und es vermutlich schwierig sein wird in der kommerziellen Massenproduk-tion überhaupt nachhaltige Prinzipi-en weitreichend durchzusetzen. Wer sich also um eine nachhaltige Alter-native zur kommerziellen intensiven Erzeugung tierischer Produkte sorgt, kann somit höchstens seinen Tierpro-duktekonsum drastisch herabsetzen, oder aber gezielt nicht direkt kommer-ziell und im Kleinbetrieb produzierte Erzeugnisse kaufen – Stichwort „Er-zeuger-um-die-Ecke“. Allerdings sind speziell bei tierischen Produkten die sozio-ökonomischen, ökologischen und sonstigen Probleme, welche mit der Erzeugung von Tierprodukten ein-hergehen, dadurch nicht beseitigt. Denn wenn alle Menschen einer zu-dem wachsenden Bevölkerung exten-siv produzierte Waren wollen, muss umso intensiver an deren Erzeugung gearbeitet werden.

Bio und KupferBesonders hart mit ökologischer

Landwirtschaft gehen Erzählungen ins Gericht, wonach Ackerboden aus bio-logischem Anbau als Sondermüll ent-sorgt werden müsse. Was steckt da-hinter? Ökologische Landwirtschaft hat den Anspruch, ohne chemisch her-gestellte Spritzmittel auszukommen. Sie sind somit auf Spritzmittel natür-lichen Ursprungs angewiesen. In Ver-ordnung (EG) Nr. 834/2007 befindet sich auch Kupfer (in den Formen von Kupferhydroxid, Kupferoktanoat, Kup-feroxychlorid, Kupfersulfat), das wohl umstrittenste Spritzmittel in der öko-logischen Landwirtschaft. Kupfer ist eines der ältesten verwendeten Spritz-mittel überhaupt. Vor 50 Jahren ist noch fast das 10-fache der heute übli-chen Menge eingesetzt worden. Dabei weist ein Bick in das Sicherheitsdaten-blatt von Kupfer es mit dem Gefah-renpiktogramm als sehr gefährlich für Wasserorganismen aus. Warum wird es also verwendet?

Kupfer gilt nach momentanem Stand noch als unverzichtbar in den Bereichen Wein-, Hopfen und Obstan-bau. Es heißt, ein Verzicht auf Kup-fer würde den ökologischen Anbau mit all seinen sonstigen Errungenschaften zumindest bei einigen Sonderkulturen auf Grund der dann hohen Ertrags-ausfälle vernichten. Sogar sehr stren-ge Ökosiegel (z. B. Demeter) erlauben den Einsatz von Kupfer für einige An-baukulturen. Kupfer gilt (und ist) na-türlichen Ursprungs und ist außerdem ein wichtiger Mineralstoff für Men-schen, Tiere und Pflanzen. In Böden mit Unterversorgung muss mit Kupfer sogar gedüngt werden.

Es ist sogar so, dass der Ökoland-

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bau auf Grund fehlender Alternati-ven je Hektar bei Kartoffeln, Wein und Obst mehr Kupfer auf die Anbaufl ä-chen ausbringt, als der konventionel-le Landbau (beim Wein beispielsweise mehr als doppelt so viel). Je nach An-bauvariante werden heute etwa 4 kg/ha ausgebracht. Auch wenn angeb-lich kein Kupfer auf dem Teller landet, sind die negativen Auswirkungen die-ser ausgebrachten Kupfermengen auf die biologische Vielfalt der Bodenle-bewesen zurzeit noch Gegenstand der Forschung. Gerade etwa auf Mikroor-ganismen und Regenwürmer scheinen sich hohe Kupfermengen im Boden negativ auszuwirken. Ebenfalls wird nach Wegen gesucht, den Kupferein-satz zur reduzieren und langfristig zu ersetzen.

Im Raum bleibt die Frage, ob es nicht vereinzelt sinnvoll wäre, sich vom Kupfer zugunsten synthetisch hergestellter Spritzmittel zu verab-schieden. Dafür wäre sicher die Schaf-fung eines neuen Semiöko-Siegels nö-tig.

Eigentlich ist es noch zu früh, ein abschließendes Fazit zu diesem Thema zu ziehen. Zentrale Aspekte ressour-censchonender Nahrungsmittelerzeu-gung wie Regionalität und Saisonali-tät sind noch gar nicht angesprochen. Das ökologisch erzeugte Lebensmittel bringt auch nichts, wenn es hinterher weggeschmissen wird (Angeblich wer-den pro Jahr Lebensmittel im Wert von 925 Euro in einem 4-Personen-Haus-halt entsorgt). Letztlich entscheidet je-der mit seinem Kauf, was angeboten, und wie es produziert wird. Und das gilt es zu bedenken.

Seit 16 Jahren engagiert sich die „Son-derkommission (SOKO) Tierschutz“ um Friedrich Mülln weltweit gegen Tierleid unter menschlicher Haltung und damit für den Tierschutz. Sie sorg-te in vielen Einsätzen und Kampagnen für die Schließung von Anstalten, wel-che in besonderem Maße Tierquälerei durchführten, sowie der Aufdeckung und Konfrontation der Täter. „Der Chemist“ sprach mit Herrn Mülln über den Beitrag der Bio-Produktion in der Erzeugung tierischer Produk-te und der Mensch-Tier-Beziehung in der Nutztierhaltung.Chemist: Herr Mülln, haben Sie schon einmal Ermittlungen in einem Biobetrieb aufgenommen und falls ja, welche Unterschiede zu konventionel-len Betrieben sind Ihnen dort aufge-fallen? Mülln: Wir haben zahlreiche Biobe-triebe gesehen. Leider sind die Un-terschiede für die Tiere weitgehend minimal. Selbst Tierquälereien wie Anbindehaltung oder der Einsatz von Qualzuchtrassen und das Vernichten männlicher Küken ist Alltag. Chemist: Im konventionellen Betrieb wird oft von „Hochleistungstieren“ ge-sprochen – kann Bio einen Beitrag zu den einhergehenden Problemen leis-ten? Mülln: Eher das Gegenteil ist der Fall. Die Bioindustrie ist ein neuer Absatzmarkt für Großkonzerne wie Aviagen und Co. Der Einsatz von so-genannten „alten Rassen” in der Bio-haltung ist häufi g nur ein Alibi. Chemist: Kann Bio bei verschiedenen Nutztieren einen Mehrwert bieten, falls nicht für die Tiere, dann vielleicht umweltpolitisch oder für den Men-schen, z.B. bezüglich Züchtung, Ge-sundheit, Unterbringung, Haltungsbe-dingungen oder Antibiotikabelastung? Mülln: Bio stellt sicher gewisse Vor-teile, speziell beim Pestizideinsatz bei Pfl anzen für Lebensmittel und Fut-ter dar. Die Umweltbilanz von tieri-schen Bioprodukten ist aber in Sachen Wasser-, Futter-, Luft- und Bodenver-

schmutzung ähnlich schlecht. Die Be-stände sind einfach zu groß, das Futter und die anderen Ressourcen sind welt-weit zu knapp. Wir glauben also auch nicht, dass Biofl eisch gesünder ist als konventionelle Ware. Chemist: Erfüllt die Nutztierhaltung unter dem Biosiegel für Sie das Ziel, diese nachhaltiger und artgerechter als konventionelle Haltungsformen zu gestalten? Mülln: Das war vielleicht so geplant, die momentane Entwicklung geht aber in die andere Richtung. Die Ställe werden immer größer und die großen Konzerne engagieren sich stark in der Bioproduktion. Die Anlagen sind von konventionellen Betrieben teilweise kaum zu unterscheiden. Die Konzerne verdienen so auf beiden Seiten und die Produktion läuft parallel und harmo-niert. Deswegen fordern wir einen To-talausstieg aus dem System der Tier-nutzung in der Landwirtschaft. Chemist: Wie sähe Ihrer Meinung nach eine artgerechte Nutztierhaltung aus und welche – teils pragmatischen – Einschränkungen würden Sie dabei machen? Mülln: Wir würden Lügen, wenn wir sagen würden, dass so etwas ginge. Der Umgang des Menschen mit den Tieren und die Anzahl der Menschen mit der Gier nach immer mehr tieri-schen Lebensmitteln sind mit einer harmonischen Mensch-Tier-Bezie-hung nicht vereinbar. Das wäre so, als wenn man im Falle der Sklaverei wei-chere Sitze und gepolsterte Ketten für Galeerensklaven gefordert hätte. Eine entwickelte Menschheit hat nur eine Möglichkeit: Die Entscheidung für eine echte Umsetzung der Tierrechte. Damit würden wir nicht nur Billionen Tiere retten, sondern auch unser heu-tiges Leben ebenso zukünftigen Gene-rationen ermöglichen.Chemist: Vielen Dank für das Ge-spräch.

Interview zum Thema Biologische Tierhaltung

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Biochemie in anderen UmständenMS

Faszination, Freude, Glück. Das sind nur ein paar der überwältigen-den Gefühle, die seit ein paar Mona-ten wie warme Wellen mein Herz um-spülen. Der Grund? Ich hatte einen Immunassay nach allen Regeln der biochemischen Kunst durchgeführt – und zwar zuhause. Heutzutage stellt es schließlich kein Problem mehr dar, ein paar immobilisierte Antikörper gegen humanes Choriongonadotropin beim Drogeriemarkt um die Ecke zu kaufen. Und – mir nichts dir nichts – wird ein sekundäres Antikörper-Farbstoff-Kon-jugat gleich mitgeliefert. Kurzum, dem Wunder des Heim-ELISAs folgte das noch größere Wunder der Schwanger-schaft meiner Frau Esther.

Es gibt viele verschiedene Möglich-keiten wie einem als werdender Va-ter bewusst wird, was da im Bauch der Partnerin vor sich geht. Die einen be-suchen den Buchladen um die Ecke, um sich mit der neuesten Schwanger-schaftsliteratur einzudecken, die ande-

ren verkünden ihre Vaterschaft stolz bei einem Rundruf in Familie und Freundeskreis. Wieder andere begrei-fen das kleine Wunder durch Zahlen, Fakten und Bilder. Ohne mich einer dieser Kategorien konkret zuordnen zu wollen, muss ich doch gestehen, dass mich jedes Ultraschallbild des Nach-wuchses vom Hocker reißt. Zweifels-ohne am spannendsten waren bisher die Aufnahmen aus dem vierten Mo-nat. Hände, Füße, Kopf, alles ist aus-gezeichnet und bei etwas Glück auch in Bewegung zu erkennen. Sogar die einzelnen Kammern des Herzens kön-nen – leicht grießelnd, aber dennoch akkurat – pochend dargestellt werden. Ein Wunder der Natur trifft auf ein Wunder der Technik.

Neben den Umrissen des Kindes wird auch die lebensnotwendige Na-belschnur und die damit verbundene Plazenta sonographisch visualisiert. Beim Anblick dieser Strukturen wur-de mein zwischenzeitlich eingeschla-fenes Interesse für rein biologische Publikationen wieder geweckt. So stol-perte ich prompt über Arbeiten von J. Lee Nelson et al. und lernte was es mit dem Fachbegriff Mikrochimärismus auf sich hat. Hierbei handelt es sich um das Vorkommen fremder Zellen im eigenen Organismus. Bezogen auf Es-thers Schwangerschaft hieße das, dass Zellen des noch ungeborenen Kin-des via Nabelschnur und Plazenta den Weg in ihren Körper finden, ja sich so-

gar im Gehirn einnisten können.Wird so die Mutter-Kind-Beziehung

determiniert? Wofür werden die kindli-chen Zellen gebraucht? Was ist mit der maternalen Immunabwehr? Fragen, deren Lösung es erfordert, kreativ zu denken und sich ähnlich wie die Zellen in meinem Hirn festgesetzt haben. Das Konzept lässt sich auf die Spitze trei-ben, wenn bedacht wird, dass Kindzel-len bei einer zweiten Schwangerschaft in den Blutkreislauf der Schwester oder des Bruders einwandern könnten.

Die Biochemie der Mutter ändert sich also weitgehender als ich vorher je zu denken gewagt habe. Hormon-spiegel variieren, Zellen sind vermeint-lich auf Abwegen. Aber auch die auf-fälligeren Schwangerschaftsanzeichen wie der wachsende Bauch oder die Vorliebe für abstruse Nahrungsmittel-kombinationen bringen mich regelmä-ßig zum Staunen. Neulich hatte meine Frau absolute Lust auf Spaghetti mit Pilz-Sahne-Soße. Kurzerhand kauf-te ich alle Zutaten ein und zauberte ein wunderbares Essen auf den Tisch. Doch ihr ach so großer Wunsch nach der italienischen Spezialität schien nie da gewesen zu sein. Die überspitze Wahrnehmung von Gerüchen, wie bei-spielsweise eben beim Kochen, dient dabei lediglich dem Schutz des unge-borenen Kindes vor unbekömmlicher Nahrung. Dabei wird die Toleranz-schwelle wahrlich niedrig angesetzt.

Aber auch beim Vater sind zuwei-len Wesensveränderungen unüberseh-bar. Der verstärkte Trieb, die werden-de Mutter und das Baby zu beschützen nimmt teils kuriose und unlogische Züge an. So muss es für Esther beim Umhängen ihrer Arbeitstasche be-fremdlich wirken, wenn ich im nächs-ten Moment vor sie springe um ihr die-

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selbe abzunehmen. Wohlwissend, dass ich sie nicht den ganzen Weg bis zur Arbeitsstelle begleiten kann, aber den gesenkten Testosteronspiegel interes-siert das wenig. Die neueste Masche meiner Hormonschwankungen ist der Nestbau. Die ganze Wohnung muss auf einmal neu gestrichen werden, alte

Möbel werden verkauft, neue zusam-mengesucht. Es soll eben alles vorbe-reitet werden für die baldige kleine Fa-milie.

Faszinierend wie die Biochemie mich diese Freude und dieses Glück spüren lässt.

AufdestilliertGiftgas-Nachweis in SyrienSN

Am 21. August 2013 gingen scho-ckierende Bilder des syrischen Bür-gerkrieges um die Welt. Hunderte von Leichen, insbesondere von Kin-dern, nebeneinander aufgereiht. Man schätzt, dass der Einsatz chemischer Kampfstoffe über 1300 Menschen in der Provinz Ghuta das Leben kostete. Sprecher der rebellischen Truppen be-schuldigten darauf hin rasch die syri-sche Armee, Giftgas eingesetzt zu ha-ben. Diese leugnete erst den Vorfall, beschuldigte dann die Rebellen, das Gas eingesetzt zu haben. Eine Unter-suchung der UN, geleitet vom schwe-dischen Professor Ake Sellström, be-stätigte den Einsatz des Giftgases Sarin. Eine äußerst heikle Angelegen-heit unter solch kriegerischen Um-ständen, von der Probennahme bis zur Untersuchung eine wissenschaftliche Analyse durchzuführen und gleich-zeitig gesetzte Standards zu respektie-ren. Nachdem wir uns kurz mit dem Kampfstoff Sarin auseinander gesetzt haben, stellen wir uns die Frage: Wie geht eine solche UN-Beobachtermis-sion vor, um die Verbindung nachzu-weisen?

Sarin ist eine farb-, geruchs- und geschmackslose Flüssigkeit, die bei Zimmertemperatur leichtfl üchtig ist. Ursprünglich als Pestizid entwickelt, gehört Sarin zur Gruppe der Orga-nophosphate, aus welcher zahlreiche weitere hochtoxische Insektenvernich-tungsmittel und Kampfgase wie DFP, Dichlorvos, Tabun und Soman be-kannt sind. Diese stellen kovalente In-hibitoren der Acetylcholinesterase dar, die für die Hydrolyse des Neurotrans-mitters Acetylcholin im synaptischen Spalt zuständig ist. Wird dieses Enzym gehemmt, kommt es zu einer dauerhaf-ten Erregung der betroffenen Nerven-systeme. Je nach Stärke der Vergiftung

treten Symptome auf wie Pupillenver-engungen und Sehstörungen, Atem-not, Speichelfluss und Schaumbil-dung, Muskelzucken und Krämpfe bis hin zu Erbrechen, Bewusstlosigkeit, Lähmung und Tod. Als akutes Antidot wird Atropin verwendet, um der cho-linergen Dauererregung entgegenzu-wirken, die Acetylcholinesterase kann durch die Gabe von Oximen regene-riert werden, die das Organophosphat vom katalytischem Serin ablösen.

Die Planung einer UN-Beobach-termission ist sehr heikel. Zunächst müssen entsprechende Rahmenbedin-gungen hergestellt werden, was Waf-fenstillstands-Verhandlungen für ei-nen kurzen Zeitraum mit den beiden Parteien impliziert und deren Einver-ständnis voraussetzt. Entsprechend dieser Verhandlungen wird das Man-dat der Mission erstellt, im Falle des Giftgas-Einsatzes in Ghuta durften die Experten keine Aussage über die Her-kunft des Gases angeben, obwohl sie aufgrund verschiedener Beweistücke, wie Munitionen und Raketenköpfe, mit Sicherheit in der Lage dazu gewe-sen wären.

Die praktische Vorbereitung ist ebenfalls essentiell: Es muss Kontakt zu lokalen Ärzten und Krankenhäu-sern aufgenommen werden, Räume für Probennahmen und Gespräche werden benötigt. Materialien zur Pro-bennahme, wie mit Dichlormethan getränkte Tücher zum Wischen, oder Material für medizinische Urin-, Spei-chel- und Blutproben, wurden von den

Laboren der OPCW (Organisation für das Verbot chemischer Waffen) vorbe-reitet und versiegelt.

Geschultes Sicherheitspersonal hat-te während des gesamten Einsatzes die Aufgabe, den Experten der OPCW ein ungestörtes Arbeiten zu ermögli-chen. Diese müssen nämlich von wis-senschaftlichen Aspekten aus gesehen astrein arbeiten. Somit muss jede Pro-be von der Probennahme durch die Experten bis zur Analyse im Labor lü-ckenlos zurückverfolgt werden können – sei es eine Bodenprobe, eine Wisch-probe oder eine biologische Probe. Neben konformer Lagerung beinhal-tet dies sehr genaue Beschriftungen, Versiegelung nach internen Vorschrif-ten und Dokumentation eines jeden Schrittes, oftmals durch Filmen. So-gar die Blutabnahme durch Hilfsperso-nal wurde ausführlich gefi lmt, Zeugen fotografi ert und deren Berichte aufge-zeichnet.

Die Proben wurden mittels GC/MS in verschiedenen assoziierten Labo-ren der OPCW mehrmals untersucht. Dabei wird ein besonderes Augen-merk auf Zerfallsprodukte von Sarin gesetzt, wie Isopropyl-hydrogenme-thylphosphat (IMPA) und Diisopro-pylmethylphosphonat (DIMP). Diese Messungen werden mit Ergebnissen biologischer Aktivitätsproben sowie Patienten- und Ärztebefragungen ver-glichen, bevor eine endgültige Aussage getroffen werden kann.

Im Falle Ghuta konnten die Beob-achter eindeutig die Verwendung von Sarin nachweisen. Dies führte letzt-endlich zum Abbau syrischer Sarin-Vorräte. Ein Ende des Bürgerkriegs ist aber leider noch nicht in Sicht, auch die Einsätze anderer giftiger Verbin-dungen haben noch kein Ende genom-men.

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Wissenschaft

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HochwasserschutzMW

Kaum ein Jahr ist es her, dass ei-nige Regionen in Bayern und ande-ren Teilen Deutschlands von einer ver-heerenden Hochwasserkatastrophe heimgesucht worden sind. Die damals bestehenden Vorkehrungen haben of-fensichtlich nicht ausgereicht, um mit den ungewöhnlich hohen Wassermen-gen fertig zu werden, die die Flüsse hinabgerauscht sind. Viel wird daher gerade über Reorganisation und In-tensivierung des Hochwasserschutzes gesprochen und aus diesem aktuel-len Anlass heraus sollen die verschie-denen Aspekte des Themas aufgezeigt werden.

Ob es Hochwasser geben kann, hängt von der Intensität, der Dauer und der räumlichen Verteilung von Niederschlägen ab. Wie viel von dem Wasser allerdings seinen Weg in Bä-che, Flüsse und damit zu den Men-schen fi ndet, hängt entscheidend von der Wasseraufnahmefähigkeit der an-grenzenden Böden ab. Diese wiederum wird von natürlicher Vegetation, Art der landwirtschaftlichen Nutzung und Bebauung bestimmt. Gesunder Wald speichert mehr als eine Wiese, die-se speichert wiederum mehr, als ver-dichteter Ackerboden, der mit schwe-rem Gerät befahren wird. An unterster Stelle steht natürlich die versiegelte Fläche (wie z. B. der Parkplatz), die auch in Bayern stetig wächst.

Flussabwärts sammelt sich das Hochwasser und richtet unterwegs oft großen Schaden an Bebauung und Ackerfl ächen an. 2013 war gerade für Passau besonders tragisch, dass Inn

und Donau gleichzeitig derart hohe Pegelstände aufgewiesen haben. Im Idealfall tritt Wasser zuvor dort über die Ufer, wo es keinen Schaden an-richten kann. Neben künstlich ge-schaffenen Rückhaltebecken und Tal-sperren bieten vor allem möglichst naturbelassene Auwälder am Flusslauf (sogenannte Retentionsfl ächen) die Möglichkeit, extreme Scheitelpunkte des Hochwassers abzufedern.

Waren alle präventiven Maßnah-men bis dahin nicht genug, steht das Wasser in der Stadt. Fest installierte (Dämme) oder mobile Hochwasser-

abwehrsysteme (Sandsäcke) können dann noch verhindern, dass das Was-ser es bis vor die Haustür schafft. Wur-den im Vorfeld geeignete Maßnahmen getroffen, können sich die Schäden in Grenzen halten. Eine Möglichkeit ist die Aufschüttung des Grundstücks, damit der Boden eines Erdgeschos-ses die Geländeoberkante ausreichend weit überragt. Auch auf einen Kel-ler ist eventuell zu verzichten – damit würde auch jeglichen Schäden durch drückendes oder eintretendes Grund-wasser vorgebeugt.

Mobiler Hochwasserschutz

Über den Kolbenrand

Vor knapp einem Jahr wurde die sym-bolische Marke von 400 parts per milli-on (ppm) Kohlenstoffdioxid in der Atmo-sphäre an der Messstation Mauna Loa, deren Zahlenwerte als globale Referenz wahrgenommen werden, erstmals ge-knackt. In diesem April lag die Konzent-ration nun ununterbrochen darüber.

Laut Angaben von Forschern des Scripps Research Institute gibt es heu-te in der Erdatmosphäre so viel CO2

wie seit fast einer Million Jahren nicht mehr. Allein seit 1958 ist die Konzent-

ration im Durchschnitt jährlich um etwa 1,5 ppm gestiegen, in den letzten 16 Jah-ren lag die Steigerungsrate dabei sogar acht Mal über 2 ppm – Tendenz stei-gend. Die nächsthöhere, kritische Stufe, die auch im Rahmen der Weltklimakon-ferenz 2010 in Verbindung mit der maxi-malen globalen Erderwärmung von 2 °C vereinbart wurde, liegt bei 450 ppm. Un-ter Annahme der momentan Änderungs-raten könnte dieser Wert schon in rund 25 Jahren erreicht sein.

Die Messstation Mauna Loa befi ndet

sich auf dem gleichnamigen Vulkan auf der Insel Hawaii und zeichnet seit 1958 kontinuierlich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre auf. Bei der sich daraus ergebenden Datenreihe – auch bekannt als Keeling-Kurve – handelt es sich um die längste Aufzeichnung des Kohlen-stoffdioxid-Gehaltes in der Luft. Mauna Loa gilt vor allem deshalb als besonders geeignet, da sich in der direkten Umge-bung nahezu keine störenden Emissions-quellen befi nden.

Neuer CO2-MeilensteinMB

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Wissenschaft

Als die Regisseure von „Living on One Dollar“ nach Guatemala aufbra-chen, nahmen sie Medikamente mit. Ihre Herausforderung, ein Monat mit genau einem Dollar pro Tag auszukom-men, schafften die vier Studenten aus den USA. In ihrem sehr schönen Do-kumentarfi lm – übrigens kostenlos im Internet anzusehen – zeigten sie die Herausforderungen, in extremer Ar-mut zu leben. Mit der Ausnahme, als einer krank wurde – dann kam ihnen ihre Medizin entgegen. Jemand, der so wenig verdient, hat keinen Zugang zur Medizin.

Entsprechend prekär ist die Lage auch in anderen Ländern mit hoher Armut. Gekoppelt mit einer schlech-ten gesundheitlichen Versorgung wü-ten Armutskrankheiten wie die Bilhar-ziose. Etwa 240 Millionen Menschen sind weltweit nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit den Verursachern der Krankheit infi ziert. Die Erreger sind Pärchenegel der Gattung Schistosoma. Die 1-2 cm großen Würmer nisten sich überall im Körper ein und verursachen somit le-bensbedrohliche Komplikationen.

Um gegen die Bilharziose vorzuge-hen, hat die WHO eine Kampagne be-gonnen, welche auf Praziquantel setzt, das momentan einzige verfügbare, zu-verlässig wirkende Medikament gegen Schistosoma. In betroffen Gebieten wird das Medikament an alle Schul-kinder verabreicht – gewaltige Men-gen, welche nur durch Spenden der Pharmaindustrie aufgebracht werden können.

So engagiert sich das Darmstädter Unternehmen Merck und spendet seit 2007 Pranziquantel für das Anti-Bil-harziose Programm der WHO. Merck

will weiterhin ab 2016 250 Millionen Tabletten pro Jahr zur Verfügung stel-len – damit können bis zu 100 Milli-onen Schulkinder behandelt werden.

In Fachkreisen sind Medikament-spenden wenig umstritten. Nach Aus-sagen von Experten wie dem Ham-burger Tropenmediziner Bernhard Fleischer vom Bernhard-Nocht-Insti-tut für Tropenmedizin seien viele Pro-gramme der WHO auf solche Spenden angewiesen. Die Organisation könne es sich nicht leisten, die Medizin am Markt zu kaufen. Ohne Spenden gehe es also nicht.

Bei solchen Kooperationen zwischen Pharmakonzernen und Regierungen oder internationale Organisationen ist allerdings vieles vom Unternehmen ab-hängig. Die Zusammenarbeit zwischen Merck und der WHO zur Bekämpfung der Bilharziose ist vorbildlich. Das Un-ternehmen investiert in weitere For-schung, um sein Präparat wirksamer zu machen, zum Beispiel in ein enan-tioselektives Herstellungsverfahren, bei welchem das inaktive Enantiomer nicht gebildet wird. Die bisherigen Ta-bletten sind sehr groß, da beide Isome-re enthalten sind. Sechsjährige Kinder müssen fast ein Gramm des sehr bit-teren Wirkstoffes schlucken. Eine en-antioselektive Synthese soll helfen, die Tabletten kleiner zu machen, in der Hoffnung die Kinder würden sie be-reitwilliger zu sich nehmen. Weiter-hin versucht Merck, einen Wirkstoff für Kleinkinder unter 6 Jahren zu ent-wickeln und hat obendrauf die Initiati-ve ergriffen, eine internationale Allianz gegen Bilharziose ins Leben zu rufen.

Leider sind in der Vergangenheit auch Kooperationen schief gelaufen, was von den lokalen Bevölkerungen bis heute nicht vergessen wurde und ein großes Misstrauen gegenüber Phar-makonzernen geformt hat. Dies ge-schah beispielsweise bei den Menin-gitis-Tests in Kano, Nigeria. In den 1990er Jahren testete Pfi zer seinen neuen Impfstoff, Trovan, an der loka-len nigerianischen Bevölkerung. Dabei traten bei 200 Kindern starke Kompli-kationen auf und 11 starben. Das Ma-

nagement von Pfizer versuchte, die Vorfälle zu vertuschen und die Impf-kampagne wurde erst nach längerer Zeit gestoppt. Diese tragische Ereignis-se sind im Roman „Der ewige Gärtner“ („The constant Gardner“) von John Le Carré und in dessen preisgekrönte Ver-fi lmung 2005 thematisiert – ein sehr schöner Film übrigens.

Ähnliche Vorfälle traten auch bei AIDS-Tests in Zimbabwe auf, was das große Misstrauen lokaler Bevölkerun-gen gegenüber großfl ächigen Impfun-gen erklärt. Allerdings stellen für die Ansässigen gerade diese großfl ächigen Impfungen oder Verteilungen von Ta-bletten oftmals den einzigen Zugang zu einem medizinischen Schutz dar. Rund 17 Millionen Menschen sterben nach Schätzungen von „Ärzte Ohne Grenzen“ jährlich an behandelbaren Infektionen, 90 % der Todesfälle ereig-

nen sich in ärmeren Ländern. Daher versuchen oftmals Regierungen betrof-fener Staaten, westliche Pharmaunter-nehmen durch großzügige Konditio-nen und fl exible Regulierungen für die Durchführung von klinische Studien in den Endphasen im eigenen Land zu überzeugen. Doch dies verleitet manch einen, sich in gesetzliche Grauzonen zu begeben.

Medikamentenspenden: Zwischen Interesse und edler Spende.

SN

Praziquantel: Die R- und S-Enantiomere.

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Wissenschaft

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Diskussionen rund um die pharma-zeutische Industrie polarisieren äu-ßerst schnell. Grund dafür ist die Na-tur des Produktes selbst: Für die einen ist der Zugang zu Medikamenten ein Grundrecht, das Firmen zugunsten ih-rer eigenen Tasche schänden, ande-re sehen in erster Linie ein Unterneh-men, welches sich rentieren muss und eine Industrie, ohne die der Zugang zu Medikamenten nicht möglich wäre. Dies sollte man im Hintergedanken behalten, wenn man versucht, die un-bequeme Abhängigkeit der Projekte in der dritten Welt von Medikamentspen-den zu betrachten.

Denn leider gibt es bei Medikamen-tenspenden auch die Kehrseite der Medaille: Sie stellen keine nachhalti-ge Lösung dar. Denn ein langfristiges Engagement wie im vorherigen Bei-spiel der Firma Merck gegen Bilhar-ziose, eine Tropenkrankheit unter vie-len, gibt es selten. Insbesondere „Ärzte ohne Grenzen“ betont, dass die meis-ten Spenden für ein bestimmtes Land in einem bestimmten Zeitraum ge-schehen. Oftmals seien diese Spen-den zudem kostenträgiger als ande-re Alternativen, da die Unternehmen Steuererleichterungen geltend ma-chen könnten. Als Alternativen wer-den klassische Aufklärungskampagnen oder das Bereitstellen von sauberem Trinkwasser gerne genannt.

Aus volkswirtschaftlicher Sicht

schwächen Medikamentenspenden weiterhin auf lange Zeit gesehen das lokale Gesundheitssystem, da sie kein Aufbau von regionalen Firmen und einer regionalen Wirtschaft ermögli-chen. Oftmals sind in Krisengebieten allerdings die Voraussetzungen ohne-hin nicht erfüllt, damit sich eine lokale Pharmaindustrie entwickeln könnte. Spenden ermöglichen hier zumindest, eine minimale gesundheitliche Versor-gung aufzubauen. Weiterhin betreiben weder die WHO noch ihre Mitglieds-staaten ausreichend öffentliche Phar-maforschung, um neuere Medikamen-te zu entwickeln; sie sind daher von der Pharmaindustrie abhängig.

Natürlich geht es vielen Unterneh-men auch ums Image. Hierzulande er-warten Mitarbeiter, dass ihr Einsatz zur Entwicklung lebensrettender Me-dizin auch Bedürftigen zugute kommt. Außerdem stehen die Konzerne unter Druck, gegen Armutskrankheiten vor-zugehen – zu schlecht ist das Image von “Big Pharma“ in der Bevölkerung während den letzten Jahrzehnten ge-worden. Daher werden solche Spen-den möglichst öffentlichkeitswirksam dargestellt. „Das ist für sich genom-men nicht verwerflich, das Problem ist einfach, dass das Engagement dann oft nicht nachhaltig ist“, sagt Philipp Frisch von der Medikamentenkampa-gne von „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF).

Für die großen pharmazeutischen

Konzerne ist Afrika ein sehr entschei-dender Kontinent. Abgesehen davon, dass klinische Studien größeren Aus-maßes kostengünstiger abgewickelt werden, stellt Afrika einen neuen, wachsenden Absatzmarkt dar.

Was ist nun die Lösung aus dieser Zwickmühle von Abhängigkeiten, Inte-ressenskonflikten, Gesundheit und Ar-mut? „Germanwatch“ und „Ärzte ohne Grenzen“ schlagen die Produktion von hochwertigen Generika durch einhei-mische Firmen vor. Dies hätte den Vorteil, nachhaltig und zuverlässig die Versorgung zu bewerkstelligen. Doch Patente und Schutzrechte stehen dem meistens im Wege. In begründeten Ausnahmezuständen dürfen Regierun-gen zwar sogenannte Zwangslizenzen erlassen, welche sich über bisher vor-handene Patente hinwegsetzen – die TRIPS-Ausnahmeklauseln. Selbstver-ständlich steht das im Interessenskon-flikt mit der Industrie, welche große Ausgaben im Bereich Forschung und Entwicklung decken muss. Als Folge starkes internationalen Drucks wurden die TRIPS-Klauseln selten angewen-det. Im Falle der Bilharziose möch-te Merck nicht-exklusive Lizenzen für das fertige Produkt an andere Herstel-ler vergeben, was zumindest eine Lö-sung für dieses Problem darstellt.

Letztendlich, da sind sich alle Ex-perten einig, geht es ohne Industrie nicht. Weder Staaten noch Organisati-onen wie die WHO haben die nötigen finanziellen und technischen Mittel, um gegen Armutskrankheiten vorzu-gehen. Daher werden Medikamenten-spenden auch nicht abgelehnt, viele Unternehmen, wie z.B. Glaxo-Smith-Kline (GSK), welche das Medikament Albendazol zur Verfügung stellt, ha-ben sich inzwischen unverzichtbar ge-macht. Solange die lokale Gesund-heitsversorgung nicht in ein reiferes Stadium kommt, bleibt nur zu hof-fen, dass die Unternehmen weiterhin ihr an sich lobenswertes Engagement fortsetzen – ohne ihre eigenen wirt-schaftlichen Interessen allzu stark in den Vordergrund zu stellen.

Mehr Wissen:

http://www.spektrum.de/alias/phar-maindustrie/edler-spender/1287023

Ab 2016 plant Merck, die Spenden auf 250 Millionen Praziquantel-Tabletten zu erhöhen.

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Unterhaltung

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Die Schatzinsel: Warten auf Freitag oder die große Baustelle

IV

Ach i wo...

Da es sich gehört, den Leser jedes Mal auch abzuholen, folgt nun eine Kurzzusammenfassung der Inhalte aus der letzten Kolumne.

-Handlungslücke-und deswegen lohnt es sich auf jeden Fall, diese Kolumne auch zu lesen.

Für uns Erstis ist nun auch das zweite Semester angebrochen. Für uns bedeutet dies der Anbruch eines Wan-dels. Ein Wandel von einem Studen-ten, der bisher nur als „süßer kleiner Ersti“ angesehen wurde, zu einem In-dividuum, das endlich für voll genom-men wird und den angestauten Frust nun an die kommende Generation Er-stis weitergeben darf.

Was ist sonst noch so passiert? Das extreme Kuschelverhalten und der Frühling sorgten überall in der Che-

mie für wahre Beziehungsdramen, die den großen Vorbildern auf den priva-ten Fernsehsendern in Nichts nachste-hen. Wo man auch hinschaut, bandeln Kommilitonen miteinander an.

Nachdem letztes Semester ein Großeinsatz der Feuerwehr und Polizei erfolgte, blieben glücklicherweise gro-ße Katastrophen aus, naja fast. Die Au-tofahrer unter den Chemikern haben momentan stark an einem Problem zu kauen. Es gibt kaum noch Parkplätze in sehr bequemer Nähe zum Chemie-gebäude. Dieser Umstand sorgt dafür, dass „kreatives Parken“ zu einer der am meisten durchgeführten Sonderdiszip-linen am frühen Vormittag geworden ist. Da verwandelt so manch einer sei-nen kleinen Fiat Punto in ein Offroad-Gefährt und setzt dieses sauber auf

einer der als Ausweichparkplatz desi-gnierten Grünfl ächen ab. Ja „abset-zen“, denn es soll vorgekommen sein, dass die Heimfahrt nur noch mithilfe eines Krans angetreten werden konn-te. Praktischerweise gibt es ja bei der Dichte an Baustellen etliche zur Aus-wahl und in Rufnähe. Wenn sich die anderen Baustellen an der Bauzeit des Katalysezentrums orientieren, wird dies wohl noch länger so bleiben. Gott sei Dank und ein Hoch auf staatliche Bauausschreibungen. So viel zum all-täglichen Leid in der Chemie, nächs-tes Mal mehr zu Siedeverzügen, die man sich in das Gesicht schießt und dann Creme über den Schnurrbart trägt und orangenen Tiegeln, die sich bei näherer Belastung als ziemlich heiß und glühend herausstellen.

Malzeit!

Bürorätsel auf der Seite 10: Aufl ösungBild links: Büro von Dr. Ogrodnik, Bild rechts: Büro von Prof. Plank

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Schaffst Du es ohne Google?

WM Sonderbeilage

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Unterhaltung

Sudoku

Das kleine ABCMB

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1 8 5

7 1 6 4

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9 6 2

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3 8

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7 1 2

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5 6 8 3

1 8

1 4 5 7

2 9

4 8 2

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T…Tenure Track, bedeutet so viel wie „Verfahren zur Anstellung“ und bietet für NachwuchswissenschaftlerInnen at-traktive Karriereperspektiven in der For-schungslandschaft. Junge KandidatIn-nen werden – zunächst auf sechs Jahre befristet – als Assistant Professor beru-fen, haben jedoch auch beste Aussichten auf eine dauerhafte Anstellung als Asso-ciate oder sogar Full Professor. Der per-sönliche Fortschritt wird dabei nach fest-gelegten Kriterien überwacht. Die TU München ist deutschlandweit die erste Universität, die das aus den USA stam-mende System anwendet, und gilt damit als Vorreiter bei der Förderung des wis-senschaftlichen Nachwuchses. Bis 2020 sind rund 100 neue Tenure-Track-Pro-fessuren geplant.

U… Umpolung, das ist eine Re-aktion, bei der eine funktionelle Grup-pe gezielt so modifiziert wird, dass sich die Polarität eines Kohlenstoff-Zentrums umkehrt. Auf diese Weise ergeben sich neue Reaktionsmöglichkeiten, die auch „ungewohnte“ Substitutionsmuster zu-lassen. Diese Methode eignet sich ins-besondere für C-C-Bindungsknüpfun-gen. Eingeführt wurde der Begriff, der übrigens auch im englischsprachigen Raum so gebraucht wird, von Corey und Seebach, auf die die berühmte Dithi-an-Methode zurückgeht. Hier wird die Carbonylgruppe eines Aldehyds in ein Thioacetal überführt, durch Deprotonie-rung kann dann ein nucleophiles Zent-rum generiert werden, das anschließend in einer Substitutionsreaktion abreagiert.

V… Verneuil-Verfahren. Das be-zeichnet ein nach dem französischen Chemiker Auguste Verneuil benanntes Verfahren zur „tiegelfreien“ Kristallzüch-tung aus der Schmelze, das schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts im indust-riellen Maßstab Anwendung findet. Die pulverförmige Ausgangssubstanz wird da-bei in einer Knallgasflamme geschmolzen und erstarrt schichtweise an der Oberflä-che eines darunter angebrachten Impf-kristalls. Auf diese Art und Weise gezüch-tete Kristalle können eine Größe von bis zu 50 mm erreichen. Dieser Prozess eig-net sich insbesondere zur Kristallisati-on hochschmelzender Verbindungen und wurde ursprünglich für die Rubinsynthe-se entwickelt. Noch heute wird es in der Schmuckindustrie angewandt.

Schlüsseldienst Freiberger:Wir schließen alles für Sie auf!

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Der Freizeitpark „Gerdes“ feiert seine Neueröffnung:

Ab jetzt mit der Bismut-Rutsche!

Komplexe?

Wenden Sie sich an den Anorganiker Ihres Vertrauens.

Der Studiengang der Chemie erhält das Bio-Siegel:

Ab jetzt kann man an der TUM auch Biochemie studieren. Nur echt mit dem grünen Turm!

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!! Wettbüro aus aktuellem Anlass Eröff net !!

Wann öff net das Katalysezentrum seine Pforten?

Generationen von Chemiker sinnierten schon über das Katalysezentrum, nun sieht es so aus, als würde es bald öffnen. Die fähigsten Propheten sind nun gefragt, um zuverlässig vorhersa-gen, wann das Zentrum tatsächlich seine Türen öffnet. Die besten Tipps werden bezüglich Ge-nauigkeit und Kreativität von der Redaktion bewertet und es gibt folgende Preise zu gewinnen.

1. Preis: 2 Freikarten für das TU Kino

2. Preis: 2x Bier

3. Preis: Ein Sack Reis

Schickt uns Euren Tipp an [email protected] oder postet ihn auf unserer Facebook-Seite: www.facebook.com/DerChemist

Bonuswette: Wird Professor Herrmann bei der Öffnungsfeier von Luis Suarez gebissen? Der Chemist glaubt es nicht! Wer hält dagegen?

Die Rechte aller Einsendungen gehen an den Chemisten über, zudem erlaubt Ihr dem Che-misten Zugriff auf Eure Pausenbrote und Eurer Kontakte.

Wann ist es soweit?

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