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Sicherer Hafen Auslese 2011

Auslese 2011 - SOS-Kinderdörfer weltweit

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Sicherer Hafen: Die aktuelle "Auslese" erzählt Geschichten aus Burundi, Bangladesch, Bulgarien und Guatemala. Lernen Sie Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen aus der Welt der SOS-Kinderdörfer kennen.

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Sicherer HafenAuslese 2011

„Redet’s nicht – tut’s was!“

Hermann Gmeiner

SOS-Kinderdörfer weltweit

Wie begleiten die SOS-Kinderdörfer

Kinder und Jugendliche auf dem Weg

in ein selbstbestimmtes Leben? Und wie

werden Eltern aus den Gemeinden rund

um die SOS-Kinderdörfer unterstützt,

damit auch sie ihren Kindern ein

liebevolles Zuhause bieten können?

In der vorliegenden Auslese lernen Sie

Kinder, Jugendliche und Erwachsene

kennen, die dank Ihrer Hilfe wieder ein

festes Fundament im Leben haben:

ihre Familie!

Danke, dass Sie sich für Kinder

in Not einsetzen!

Senegal: Zwei HerzenSeite 2

Guatemala:Ein Dorf blüht auf

Seite 12

Mazedonien: WünscheBulgarien: Eine Schule für Eltern

Seite 10Seite 20

Libanon: Sicherer HafenSeite 16

Bangladesch: Idylle und Alltag

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Sicherer HafenAuslese 2011

Senegal

Zwei Herzen

Zwanzig Jahre ist es her, da hat man ein zehnjähriges Wai-

sen kind aus dem afrikanischen Burundi nach Innsbruck

(Österreich) gebracht. Das Mädchen hatte einen Herzfehler

und brauchte dringend eine Operation. Die Uniklinik Inns -

bruck bot an, das Mädchen kostenlos zu operieren. Der Ein-

griff verlief gut, aber das Kind benötigte weiterhin medizi -

nische Betreuung, die es in Burundi nicht gab. Also beschloss

man, das Mädchen im SOS-Kinderdorf Imst aufzunehmen.

So beginnt die Geschichte von dem Mädchen, das Jeanne

Mukaruhogo heißt. Heute pendelt Jeanne zwischen

Afrika und Tirol: „Mein Herz schlägt für Tirol, aber meine

Wurzeln sind in Afrika“, sagt sie. Wenn sie spricht, ver-

blüfft den Zuhörer ihr wunderbarer Tiroler Dialekt. Und

ihr ehemaliger Imster Dorfleiter, Sebastian Wildbichler,

erinnert sich an eine zweite, sehr auffällige Eigenschaft

von Jeanne: „Man musste schon immer aufpassen, dass

sie einen mit ihrem Charme nicht um den Finger wickelt.“

Immer wieder kommt Jeanne nach Tirol, der Stätte ihrer

Kindheit und Jugend. Sie trifft sich mit Freundinnen, aber

auch mit dem Professor, der sie damals operiert hat. Dann

fährt sie nach Imst, besucht ihre Kinderdorf-Schwester

und das Haus ihrer SOS-Familie. Ihre leiblichen Eltern hat

sie früh verloren und auch ihre SOS-Kinderdorf-Mutter

ist inzwischen verstorben. Jeanne steht vor der kleinen

Kapelle oberhalb des Hauses und sagt: „Da hat die Mama

jeden Abend eine Kerze angezündet. Es war immer ein

Licht da.“

Jeannes SOS-Kinderdorf-Schwester Anne erinnert sich:

„Jeanne konnte ja nur französisch. Die ersten Nächte wa-

ren schwer, sie hat oft geweint, und wir konnten uns nur

mühsam verständigen.“ Langsam hatte sie Fuß gefasst in

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Österreich und zwar so gut, dass sie am Ende in Inns-

bruck ein Studium abschließen konnte. Dann zog es sie

nach Afrika. Im Regionalbüro der SOS-Kinderdörfer in

Dakar (Senegal) war eine Stelle frei, die genau auf Jeanne

passte: Heute ist sie für SOS-Kinderdorf-Mütter und an-

dere Mitarbeiter in 46 Ländern Afrikas zuständig. Sie ist

oft auf Reisen und viel im Büro. „Aber am schönsten ist

es in den Kinderdörfern, dort, wo Kinder sind. Da ist das

Leben, da kann ich auftanken, da spüre ich, wofür ich

arbeite“, lacht sie.

Wenn sie zurückblickt, sagt Jeanne: „Ich bin buchstäblich mit

gebrochenem Herzen nach Innsbruck gekommen. Geheilt

bin ich nach Afrika zurückgekehrt.“ Manch einer würde

dieses Leben als Odyssee betrachten. Aber Jeanne sieht

das anders, denn sie weiß, dass die Wärme, die sie selbst

ausstrahlt, ihr auch überall entgegengebracht wird: „Ich

bin stolz, dass ich die Chance in meinem Leben genutzt

habe.“ In Afrika hat sie ihre Berufung gefunden, aber Tirol

hat sie nicht vergessen. „Wenn ich mal Kinder habe, müs-

sen die unbedingt Tirol kennenlernen.“ Nur in Burundi,

dem Land ihrer Eltern, war sie noch nicht. Für die Reise

zu ihrem Ursprung möchte sie sich noch Zeit lassen.

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Ich, eine deutsche SOS-Mitarbeiterin, besuche während

eines Asien-Urlaubs das SOS-Kinderdorf Raishahi, das

im Nordwesten von Bang ladesch liegt, nahe der indischen

Grenze. Kinder, Mütter und Dorfleiter sind zusammen­

gelaufen, um mich zu empfangen: Die SOS-Mütter gucken

neugierig und erwartungsvoll, dazu freundlich und ein

wenig scheu. Die Kinder zappeln vor Aufregung. Später

schlägt mir der Dorfleiter einen Rundgang durch das Dorf

vor. Man geht schmale Spazierwege durch eng stehende

Häuschen, die Haustüren sind offen und manche Frauen

stehen mit ihren fast erwachsenen Töchtern in der Tür.

Bangladesch

Idylle und Alltag

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Zwischen den Häusern dämpft der Schatten die große

Hitze und es duftet nach verschiedenen Blüten, deren un-

glaubliche Süße betörend ist. Bis auf die Unmenge Kinder,

die um uns herumtollen und über meinen Besuch einfach

total aufgeregt sind, und bis auf die Frauen, die uns schwei-

gende, distanzierte Blicke aus ihren wunderschönen Ge-

sichtern zuwerfen, wirkt das Dorf irgendwie vertraut.

Nach der Idylle des Kinderdorfs möchte ich sehen, wie

das Kontrastprogramm für Kinder in Bangladesch aus-

sieht. Ich habe einen der SOS-Kollegen aus Bangladesch

unverblümt gebeten, mich dorthin zu fahren, wo Kinder

allein auf der Straße leben und vor allem: wo sie schlafen.

Also holt mich der Kollege gegen zehn Uhr abends ab und

fährt mit mir an den Bahnhof von Raishahi. Wir laufen

durch das nächtliche Treiben, das lebendiger ist als das

am Tag. An der Straße sieht man noch viele Essensver-

käufer und eine Menge erwachsener Männer, die einfach

auf dem Platz sitzen oder liegen. Zu schlafen scheint noch

niemand und Kinder sieht man auch nur wenige.

Bis wir um eine Ecke am Rand des Bahnhofsvorplatzes

einen Jungen entdecken. Er liegt auf einer kleinen Mauer

und schläft. Wie ein müdes, struppiges Kätzchen räkelt er

sich unruhig und fährt sich immer wieder mit den Hän-

den übers Gesicht, scheint aber dabei tief zu schlafen. Er

trägt nichts als eine kurze Hose. Wir stehen da und schau-

en ihn an. Während wir so stehen, laufen eine Menge Leu-

te zusammen und gucken, was wir da tun. Schließlich ha-

ben sie uns fast umringt: neugierige Augenpaare, wohin

man blickt. Der Junge wacht auf. Mein Kollege bittet ihn,

von sich zu erzählen: Der Junge lebt genau dort, wo wir

ihn angetroffen habe. Sein Vater kommt auch gelegentlich

vorbei. Seine Mutter ist gestorben. Seinen Namen kann

er uns sagen. Auf die Frage, wie alt er denn gewesen sei,

als er damit angefangen hat, seinen Lebensunterhalt mit

Kofferschleppen zu verdienen, deutet er nur mit der Hand

auf Brusthöhe und meint, „seit er so groß sei“ – sein Alter

weiß er nicht. Mein Kollege schätzt ihn auf zwölf, obwohl

er aussieht wie sieben oder acht, so unterernährt ist er.

Die Schule hat er nie besucht. Wie ein Tierchen kämpft

er jeden Tag ums Überleben. Was mag so ein Kind für

Phantasien und Träume haben, frage ich mich. Hat es je

gespielt? Ist es je Kind gewesen?

Beim Weggehen bestehe ich auf einem in dieser Kultur

unüblichen Handschlag und habe in meiner Hand einen

Geldschein, in der Hoffnung, dass er schlau genug ist, ihn

sich nicht gleich abnehmen zu lassen. Lieber hätte ich ihn

in den Arm genommen und getröstet, ihn mitgenommen

und gebadet, ihm vielleicht vor dem Schlafengehen eine

Geschichte vorgelesen. Ins SOS-Kinderdorf mitnehmen

dürfen wir diesen Jungen nicht, da er einen Vater hat, der

sich zumindest sporadisch um ihn kümmert. In Fällen wie

diesen sind den SOS-Kinderdörfern die Hände gebunden.

Nach einer heißen, unruhigen Nacht bin ich am nächsten

Tag bei einer SOS-Familie im Kinderdorf zum Frühstück

eingeladen. Die Kinder, mit denen ich am Tisch sitze,

lachen ausgelassen, dann gehen sie Zähne putzen und

verschwinden in die Schule. In meinem Kopf ist es fast

unmöglich, das Bild des verstaubten Bahnhofsjungen mit

dem dieser Kinder in Einklang zu bringen. Dabei könnte

man die Strecke vom Bahnhof bis hierher sogar zu Fuß

gehen, so nah ist es.

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Meine Mama beschützt mich,

Sie nimmt mich in den Arm,

Sie passt gut auf mich auf

Und sie ist nie lange böse auf mich.

Ich wünsche ihr:

Für jede Träne – einen Regenbogen,

Für jeden Ärger – eine Belohnung,

Für jeden Seufzer – ein Lied,

Für jedes Problem – eine Lösung,

Für jedes Gebet – eine Antwort!

Mazedonien

Wünsche

von Monika (8) für ihre SOS-Mutter Natascha

(SOS-Kinderdorf Skopje, Mazedonien)

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„Diese Frucht ist eine Papaya, das hier ist Kaffee und da

drüben, das sind Limetten.“ Blanca kennt jeden Strauch

und jeden Baum auf ihrem Heimweg nach Salvador Xol-

huitz, denn in diesem Dorf im Westen Guatemalas ist sie

aufgewachsen. 74 Familien leben in Blancas Dorf – und sie

leben in erster Linie von Früchten und Pflanzen, die auf

den Feldern rund um die Gemeinde wachsen. Der nächste

Ort liegt einen Fußmarsch von rund 45 Minuten entfernt.

In Salvador Xolhuitz gibt es keinen Strom; in den Abend-

stunden zünden Blanca und ihre Nachbarn Kerzen an.

Guatemala

Ein Dorf blüht auf

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Blanca ist das zweite von zehn Kindern. „Als Kind habe ich

auf den Feldern geholfen, Kaffee gereinigt und Brennholz

gesammelt“, sagt sie. Um zum Familienunterhalt beizu-

tragen, verlässt sie die Schule nach der vierten Klasse. Vier

Jahre, in denen sie gerade ein wenig lesen und schreiben

gelernt hat, mehr nicht. Blanca heiratet früh und bekommt

einen Sohn. Sie geht mit ihrem Mann in die Hauptstadt

Guatemala-Stadt, wo beide als Näher in einer Textilfabrik

arbeiten. Da sich Blanca und ihr Mann keinen Kindergarten-

platz leisten können, bleibt ihr kleiner Sohn Juan Estuardo

bei der Großmutter auf dem Land. Sechs Jahre lang. Als

die Eltern wieder in das Heimatdorf kommen, ist ihnen

ihr eigenes Kind entfremdet. Aber Blanca kämpft um das

Vertrauen des Jungen und dafür, die Lebensumstände in

ihrer Heimat zu verändern, damit Kindern das erspart

bleibt, was sie und ihr Sohn durchmachen mussten.

Dabei hilft ihr ein SOS-Kinderdorf-Team, das 2008 nach

Salvador Xolhuitz kommt, um hier einen Gemeinschafts-

kindergarten zu bauen. Das Team ruft zusammen mit

den Familien der Gemeinde die SOS-Familienhilfe ins

Leben. Gemeinsam werden zwei Mütter ausgesucht, die

die Kinder betreuen, und eine weitere, die für das Kochen

verantwortlich ist. Blanca wird als eine der Gemeinschafts-

mütter ausgewählt. Juan Estuardo geht bereits in die

Schule, kommt aber jeden Nachmittag ins Zentrum, um

dort seine Hausaufgaben zu machen. Er ist eines von 45

Kindern, die hier betreut werden.

Eine der größten Veränderungen beschreibt Blanca so:

„Als wir anfingen, haben viele Kinder nicht gesprochen.

Sie waren unterernährt und die ganze Zeit müde und

kraftlos. Viele von ihnen konnten nicht richtig laufen. Das

regelmäßige und gesunde Essen hat sie sehr verändert.“

Verändert hat sich auch der Wissensstand der Mütter:

Blanca und die anderen Mütter bekommen regelmäßige

Weiterbildungen z. B. in Sachen Kindererziehung und

Hygiene. So mussten die Eltern von Salvador Xolhuitz erst

lernen, warum es wichtig ist, die Kinder zu waschen, ihnen

die Zähne zu putzen und die Kleider zu wechseln. Ein

weiteres Problem in den ländlichen Gegenden Guatemalas

ist der Analphabetismus. 60 Prozent der Mütter können

weder lesen noch schreiben. Um den Schulkindern bei

den Hausaufgaben helfen zu können, besucht Blanca ge-

rade einen Lese- und Schreibkurs. Abends, wenn Juan

Estuardo im Bett ist, macht sie ihre Hausaufgaben.

Blanca und die anderen Frauen haben auch an einem Koch-

kurs teilgenommen. Sie erzählt: „Sie haben uns gezeigt,

wie man aus Alufolie eine Kuchenform herstellen kann,

denn die hat kaum jemand im Dorf. Wenn wir also in Zu -

kunft einen Kindergeburtstag feiern, brauche ich nicht

mehr extra nach Nuevo San Carlos zu fahren, um dort teure

Kuchen zu kaufen – jetzt kann ich sie selber machen!“

Blanca wünscht sich, dass das Zentrum für immer in der

Gemeinde bleibt, um hier zu unterstützen und zu helfen.

Außerdem träumt sie davon, ihre Nähkenntnisse in die

Praxis umzusetzen und eine kleine Näherei zu betreiben.

„Wir leben abseits vom Rest der Welt. Ich würde so gerne

lernen, wie man Hochzeitskleider schneidert, und diese

dann in den Dörfern rund um Salvador Xolhuitz verkau-

fen.“ Ihr größter Wunsch aber ist, dass ihr Sohn eines Tages

an der Universität studieren kann.

Blanca hat dank der SOS-Familienhilfe gelernt, eine ver-

antwortungsvolle Mutter für ihren Sohn zu sein. Min-

destens ebenso bedeutsam ist die Veränderung an Juan

Estuardo, der in seiner Entwicklung stark aufgeholt hat

und sehr gerne zur Schule geht.

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Toni lebt schon sein ganzes Leben im SOS-Kinderdorf

Kfarhay. Nachdem man den erst wenige Wochen alten

Säugling im Eingangsbereich eines Beiruter Bürogebäu-

des gefunden hatte, wurde das Kinderdorf an der Mittel-

meerküste sein sicherer Hafen. Von Anfang an hing Toni

mit besonderer Liebe an seiner SOS-Mutter Georgette. Als

Georgette vor drei Jahren nach schwerer Krankheit starb,

blieb Toni untröstlich zurück. Seit Georgettes Tod lebt er

mit der ständigen Angst, verlassen zu werden. Es dau-

erte lange, bis der Junge sich in seiner neuen SOS-Familie

wirklich zuhause fühlte.

Libanon

Sicherer Hafen

Toni, 7 Jahre (Mitte)

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Heute ist seine SOS-Mutter Marie Tonis wichtigste Be-

zugsperson, die ihn in den Schulferien sogar zu ihrer ei-

genen Familie mitnimmt.

Der Siebenjährige geht gerne zur Schule; sein Lieblings-

fach ist Mathematik. Derzeitiger Berufswunsch von Toni

ist Maler. Da Toni ein sehr offenes und fröhliches Kind ist,

hat er viele Freunde in und außerhalb des Kinderdorfes.

Allerdings gibt es ein Problem, mit dem Toni noch umzu-

gehen lernen muss: Aufgrund seiner Hautfarbe wird er in

der Schule diskriminiert. Das ganze Kinderdorf überlegte,

wie man ihm helfen könnte. Die Lösung war denkbar ein-

fach: In Zusammenarbeit mit dem Schulleiter lud man all

jene Kinder, die sich in der Schule ständig über Toni lustig

machten, ins Kinderdorf ein.

Einen ganzen Tag lang spielten die Schulkinder mit den

Kindern aus dem Kinderdorf. Hier leben neben Toni noch

andere Kinder, deren Eltern Schwarzafrikaner sind, Kin-

der, mit denen viele libanesische Kinder im Alltag kaum

je in Berührung kommen. Und Unkenntnis schafft Vor-

urteile. Der gemeinsame Spieltag, dessen krönender Ab-

schluss ein Abend essen war, hat hoffentlich geholfen, die

Barriere zwischen Toni und den hellhäutigen Kindern aus

der Gemeinde abzubauen.

Da Toni ein großer Fußballfan ist, hat ihm der Dorfleiter

unlängst Fotos weltberühmter Fußballspieler geschenkt,

die genau wie er dunkelhäutig sind. Die Bilder von Pélé,

Ronaldinho & Co. sollen Toni Mut machen, dass auch er

alles im Leben erreichen kann.

Eines Tages wird Toni das SOS-Kinderdorf Kfarhay, seinen

sicheren Hafen, verlassen müssen. Von dort wird er so viel

an Liebe und Wärme mitnehmen, dass er auch ein Leben

außerhalb des Kinderdorfes meistern kann.

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Bulgarien

Eine Schule für Eltern

Es gibt kein Rezept dafür, wie man Kindern am besten

hilft. Es gibt auch keinen Weg, der den ersehnten Erfolg

garantiert. Wenn jedoch Menschen mit Herz und Verstand

ihre Kräfte bündeln und fest daran glauben, dass es einen

Weg gibt – dann finden sie ihn auch! Mit dieser Über­

zeugung beginnen die SOS-Mitarbeiter im SOS-Sozial-

zentrum Veliko Tarnovo (Bulgarien) jeden neuen Arbeits-

tag. Denn im Herzen der Balkanhalbinsel, dort, wo die

atemberaubende Natur den Touristen verzaubert, gibt es

Minderheiten, die am Rande der Gesellschaft leben. Die

Gemeinschaft der Roma ist eine von ihnen.

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Die meisten ihrer Angehörigen können weder lesen noch

schreiben und ernähren ihre Kinder durch Gelegenheits-

jobs. Da die Eltern selbst nie zur Schule gingen, schicken

sie auch ihre Kinder nicht zur Schule. Weit verbreitet

ist die Überzeugung, dass „es im wahren Leben nichts

bringt“, in die Schule zu gehen. Stattdessen beherrschen

die Kleinen schon mit zehn Jahren Tricks, die ihnen das

Überleben sichern sollen.

Diesen Teufelskreis zu durchbrechen ist Ziel der SOS-

Familienhilfe in Veliko Tarnovo. Die größte Barriere ist

dabei die Einstellung der Menschen, untermauert durch

das harte und oft hoffnungslose Leben. Um diese Mauer

niederzureißen, haben die SOS-Mitarbeiter in fünf kleinen

Gemeinden eine „Schule für Eltern“ ins Leben gerufen.

In regelmäßigen Ab ständen werden jene Roma-Familien

zum Informationstreffen eingeladen, die als besonders ge-

fährdet gelten. Eltern sollen dazu gebracht werden, ihre

Verantwortung gegenüber den Kindern wahrzunehmen.

Sie lernen, dass sie die Zukunft ihrer Kinder positiv beein-

flussen können – eine wichtige Erkenntnis in einer Welt, in

der die eigene Misere generell als schicksalhaft und somit

als nicht veränderbar wahrgenommen wird.

Stolz ist das SOS-Team, wenn die ersten Zeichen einer Ver-

änderung sichtbar sind und die Roma ihre Kinder von

sich aus in den Kindergarten und in die Schule schicken.

Dort werden Erziehungslücken geschlossen. Die Kinder

haben zudem die Möglichkeit, soziale Kompetenzen zu

entwickeln und die bulgarische Sprache zu erlernen, die

in ihren Familien nur mangelhaft gesprochen wird.

Hinter dem Erfolg der SOS-Familienhilfe verbirgt sich ein

besonderes Geheimnis: Die Schule für Eltern wird von

freiwilligen Helferinnen unterstützt. Pensionierte Frauen,

die selbst aus den Dörfern der betreuten Familien kom-

men, werden darin geschult zu erkennen, in welchen

Haus halten Kinder und Eltern dringend Unterstützung

brauchen. Die Helferinnen besuchen dann diese Familien

und motivieren die Eltern in zahlreichen Gesprächen, wo-

chentags an den SOS-Treffen teilzunehmen. Sie begleiten

die Zögernden sogar dorthin, um die Kluft zwischen

Sozialarbeitern und Familien zu überwinden und eine

vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen. Am Wochenende

stehen dann die Kinder im Vordergrund, und es wird vor-

gelesen, gesungen, gebastelt oder Theater gespielt.

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Unter dem Motto „Weg von der Straße“ lassen sich die

Freiwilligen eine Menge Ideen einfallen, um den Kindern

eine liebevolle, aber auch herausfordernde Umgebung zu

bieten. Es steht den Eltern frei, diese Chance zu nutzen.

Manche bleiben skeptisch, andere wiederum geben stolz

an, Prügeln sei jetzt keine Erziehungsmethode mehr für

sie. Das größte Erfolgserlebnis für die SOS-Mitarbeiter

sind jene Eltern, die die Bedeutung von Bildung erkennen

und ihre Kinder täglich in die Schule schicken.

Das schönste Kompliment bekam das SOS-Team von einer

Mutter, die sagte: „Wir wünschen uns, dass die Schule für

Eltern keine Ferien hätte.“

Eltern bei der Abschlussfeier

SOS-Kinderdörfer weltweit

Jedem Kind ein liebevolles Zuhause, das

ist unser Ziel. Dank Ihrer Unterstützung

können die SOS-Kinderdörfer weltweit

vielen Kindern einen guten Start im

Leben ermöglichen.

Helfen Sie mit, vielen weiteren Kindern

eine Familie, Bildung und medizinische

Versorgung zu sichern.

Unterstützen Sie die

SOS-Kinderdörfer weltweit

auch in Zukunft!

Danke!

Fotos: Armine El Boustany, Ingrid Famula, Wolfgang Kehl,

Joris Lugtigheid, Benno Neeleman, Sophie Preisch, Albena

Prokopieva, Katja Saller, Michaela Schalk, SOS-Archiv

„Ich rufe Sie alle auf, Ihre Großzügigkeit

und Hilfsbereitschaft nicht beim

Materiellen und Unmittelbaren enden

zu lassen. Lassen Sie uns Seelen retten!“

Désirée Nosbusch

SOS-Kinderdörfer weltweit

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