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Außerordentlicher Bundesparteitag der FDP am 4./5. Mai 2013 - Anträge

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Außerordentlicher Bundesparteitag der FDP am 4./5. Mai 2013 - Anträge

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An die Delegierten zum a.o. Bundesparteitag der Freien Demokratischen Partei Berlin, 8. April 2013 Liebe Parteifreundinnen, liebe Parteifreunde, beigefügt erhalten Sie die in der Bundesgeschäftsstelle frist- und formgerecht eingegangenen Anträge zum a.o. Bundesparteitag in Nürnberg. Hierbei handelt es sich u.a. auch um den Entwurf zum Bundestagswahlprogramm „Bürgerprogramm 2013“ sowie um verschiedene Anträge auf Änderung der Bundessatzung. In Absprache mit den Hauptgeschäftsführern der Landesverbände senden wir Ihnen das Antragspaket wie üblich über die Landesgeschäftsstellen. Sollte Ihnen die Teilnahme am Bundesparteitag in Nürnberg nicht möglich sein, bitten wir Sie, das Antragspaket an den von Ihnen bestimmten Ersatzdelegierten oder an Ihren Landesverband weiterzuleiten. Alle Änderungsanträge zum Wahlprogramm sowie zu den normalen Anträgen, die bis spätestens

Montag, 29. April 2013

in der Bundesgeschäftsstelle eingehen, werden in eine umfassende, von der Antragskommission für die Delegierten vorbereitete Synopse der Änderungsanträge aufgenommen und zu Beginn des Bundesparteitages verteilt. Später eingehende Änderungsanträge können erst vor Ort aufbereitet werden. Je früher Sie uns Ihre Änderungsanträge zur Verfügung stellen, desto besser können wir Ihre Änderungsanträge für den Parteitag aufbereiten und die Arbeit der Delegierten erleichtern. Unabhängig hiervon können Änderungsanträge jederzeit auch auf dem Bundesparteitag gestellt werden. Änderungsanträge zu den Anträgen auf Änderung der Bundessatzung sind gemäß § 26 (3) der Bundessatzung nicht mehr möglich. Hierüber habe ich Sie mit Schreiben vom 15. Februar 2013 bereits informiert.

- 2 -

Ihre Änderungsanträge können Sie ab sofort auch online einreichen: Melden Sie sich dazu auf www.meine-freiheit.de an und authorisieren Sie sich als Mitglied. Unter dem Menüpunkt „Programmdebatte“ finden Sie alle Anträge zum außerordentlichen Bundesparteitag. Wählen Sie dort den zu ändernden Antrag aus und markieren Sie die entsprechende Textstelle. Füllen Sie die vorgegebenen Textfelder mit Ihrem Änderungsantrag aus und klicken Sie auf „speichern“. Sie erhalten eine automatische Bestätigung, wenn Ihr Änderungsantrag im System erfasst wurde. Selbstverständlich können Sie wie gewohnt auch das beigefügte Formblatt verwenden – oder besser noch uns Ihren Änderungsantrag per E-Mail an [email protected] nach dem Beispiel dieser Formblätter senden. Das Formblatt können Sie unter der vorgenannten Adresse gerne auch als Worddatei anfordern.

Änderungen bitte kenntlich machen durch Angabe von:

Antragsnummer, Seite, Zeile und gewünschte Änderungen (ersetzen, einfügen, streichen)

Mit der Nutzung des Antragstools auf www.meine-freiheit.de erleichtern Sie uns die Arbeit sehr. Sollten Sie nicht die Möglichkeit haben, uns Ihre Änderungsanträge per E-Mail zu schicken oder direkt online einreichen zu können, übermitteln Sie uns diese bitte auf dem beigefügten Formblatt per Fax an 030-284958-52. Bitte vermerken Sie unbedingt einen konkreten Ansprechpartner mit Telefonnummer und evtl. E-Mail-Erreichbarkeit für Rückfragen unsererseits. Falls Sie verschiedene Änderungsanträge stellen möchten, machen Sie dieses bitte jeweils deutlich kenntlich. Hierfür können Sie das Formblatt selbstverständlich kopieren. Bitte bringen Sie die Antragsunterlagen mit nach Nürnberg, wir wünschen Ihnen eine angenehme Anreise. Mit freundlichen Grüßen

Jörg Paschedag Anlagen Bundesgeschäftsführer

FDP Bundesgeschäftsstelle Thomas-Dehler-Haus Tel. 030- 28 49 58 – 0 Fax 28 49 58 – 22 Postfach 04 03 49 – 10062 Berlin Reinhardtstraße 14 , 10117 Berlin www.fdp.de

a.o. BUNDESPARTEITAG DER FDP, Nürnberg 4. bis 5. Mai 2013

Seite 1 ÄNDERUNGS-ANTRAG zu Antrag-Nr.

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Antragsteller: 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38

Zu Seite …, Zeile …, bitte ersetzen/einfügen/streichen

Antragsübersicht für a.o. BPT in Nürnberg Übersicht über satzungsändernde Anträge

Teil I : Nr. Antragsteller Betreff S 1 Bundesvorstand Änderung der Bundessatzung S 2 Bundesvorstand Änderung der Bundessatzung S 3 Bundesvorstand Änderung der Bundessatzung S 4 Bundesvorstand Änderung der Bundessatzung S 4/1 Bundesvorstand Änderungsantrag zum Antrag

auf Änderung der Bundes-satzung

S 5 Bundesvorstand Änderung der Bundessatzung S 6 Bundesvorstand Änderung der Bundessatzung S 7 Bundesvorstand Änderung der Bundessatzung S 8 Bundesvorstand Änderung der Bundessatzung S 8/1 Bundesvorstand Änderungsantrag zum Antrag

auf Änderung der Bundes-satzung

S 9 Bundesvorstand Liberale Frauen Änderung der Bundessatzung Teil II : Stellungnahme des Bundessatzungsausschusses der FDP zu den fristgerecht eingereichten Satzungsänderungsanträgen

a.o. BUNDESPARTEITAG DER FDP, Nürnberg, 04. bis 05. Mai 2013

Seite 1 ANTRAG NR. S 1

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Betr.: Änderung der Bundessatzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9

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Antragsteller: Bundesvorstand Der Bundesparteitag möge beschließen: § 13 Absatz 1 der Bundessatzung wird wie folgt neu gefasst: „Grundsätzlich darf jedes Mitglied am Bundesparteitag teilnehmen und hat Rederecht. Das Rederecht der Mitglieder, die nicht stimmberechtigte Mitglieder sind, kann durch Beschluss des Bundesparteitags eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.“ Begründung: 17

18 19

erfolgt mündlich Hintergrund: 20

21 22 23 24 25

Die Arbeitsgruppe Parteientwicklung schlägt die Umkehrung des bisherigen Rederechts vor. Die Änderung gibt jedem Mitglied mehr Rechte, belässt die Entscheidung über die Ausübung eines allgemeinen Rederechts für alle Mitglieder jedoch bei den Delegierten des Bundesparteitags.

a.o. BUNDESPARTEITAG DER FDP, Nürnberg, 04. bis 05. Mai 2013

Seite 1 ANTRAG NR. S 2

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Betr.: Änderung der Bundessatzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14 15 16

Antragsteller: Bundesvorstand Der Bundesparteitag möge beschließen: § 21 Absatz 1 der Bundessatzung erhält folgenden Satz 4: „Den Antrag oder den Alternativantrag können einzelne Mitglieder unterstützend mitzeichnen.“ Der bisherige Satz 4 wird Satz 5. Begründung: 17

18 erfolgt mündlich

a.o. BUNDESPARTEITAG DER FDP, Nürnberg, 04. bis 05. Mai 2013

Seite 1 ANTRAG NR. S 3

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Betr.: Änderung der Bundessatzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9

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Antragsteller: Bundesvorstand Der Bundesparteitag möge beschließen: Der § 21 Absatz 4 der Bundessatzung erhält folgende neue Fassung: „Das Verfahren regelt die durch den Bundesparteitag zu beschließende Verfahrensordnung.“ Begründung: 15

16 erfolgt mündlich

a.0. BUNDESPARTEITAG DER FDP, Nürnberg, 04. bis 05. Mai 2013

Seite 1 ANTRAG NR. S 4

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Betr.: Änderung der Bundessatzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14 15

Antragsteller: Bundesvorstand Der Bundesparteitag möge beschließen: Dem § 11 Absatz 1 der Geschäftsordnung zur Bundessatzung wird am Ende angefügt: „14. von 250 Mitgliedern. Die Antragsteller benennen ein Mitglied zum Vertreter des Antrags vor dem Bundesparteitag.“ Begründung: 16

17 18

erfolgt mündlich Hintergrund: 19

20 21 22 23 24 25 26

Die Arbeitsgruppe Parteientwicklung schlägt vor die Möglichkeit für Mitglieder zur inhaltlichen Beteiligung zu verbessern. Eine Abwertung der Delegiertenrechte findet jedoch nicht statt, da die Delegierten über das Alex-Müller-Verfahren Herr der Beratungsreihenfolge der inhaltlichen Anträge auf Bundesparteitagen bleiben. Kurz: Die Mitglieder werden besser gestellt, ohne dass die Delegierten schlechter gestellt werden.

a.0. BUNDESPARTEITAG DER FDP, Nürnberg, 04. bis 05. Mai 2013

Seite 1 ANTRAG NR. S 4/1

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Betr.: Änderungsantrag zum Antrag auf Änderung der Bundessatzung

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14 15

Antragsteller: Bundesvorstand Der Bundesparteitag möge beschließen: Der Änderung des § 11 Absatz 1 der Geschäftsordnung zur Bundessatzung wird am Ende ein weiterer Satz angefügt: „Dieser Vertreter hat das Rederecht zu dem Antrag auf dem Bundesparteitag.“ Begründung: 16

17 18 19 20 21 22

Diese weitere Ergänzung wird nach Beratung im Bundessatzungsausschuss für sinnvoll und klarstellend erachtet, unabhängig davon, ob das generelle Rederecht in § 13 Abs. 1 der Bundessatzung durch den Antrag S 1 beschlossen wird. Dieses Rederecht kann durch Beschluss des Bundesparteitages eingeschränkt werde, Eine solche Beschränkung ist aber im Rahmen der Antragsberatung nicht zulässig. Hintergrund: 23

24 25 26 27 28 29

Die Arbeitsgruppe Parteientwicklung schlägt vor die Möglichkeit für Mitglieder zur inhaltlichen Beteiligung zu verbessern. Eine Abwertung der Delegiertenrechte findet jedoch nicht statt, da die Delegierten über das Alex-Müller-Verfahren Herr der Beratungsreihenfolge der inhaltlichen Anträge auf Bundesparteitagen bleiben. Kurz: Die Mitglieder werden besser gestellt, ohne dass die Delegierten schlechter gestellt werden.

a.o. BUNDESPARTEITAG DER FDP, Nürnberg, 04. bis 05. Mai 2013

Seite 1 ANTRAG NR. S 5

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Betr.: Änderung der Bundessatzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14 15 16

Antragsteller: Bundesvorstand Der Bundesparteitag möge beschließen: § 11a Absatz 3 der Geschäftsordnung zur Bundessatzung wird wie folgt neu gefasst: „Die Antragskommission kann vorschlagen, bestimmte Anträge oder Änderungsanträge ohne mündliche Begründung und ohne Aussprache zur Abstimmung zu stellen.“ Begründung: 17

18 erfolgt mündlich

a.o. BUNDESPARTEITAG DER FDP, Nürnberg, 04. bis 05. Mai 2013

Seite 1 ANTRAG NR. S 6

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Betr.: Änderung der Bundessatzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47

Antragsteller: Bundesvorstand Der Bundesparteitag möge beschließen: § 6 Absatz 1 SchGO wird wie folgt neu gefasst:

Das Landesschiedsgericht verhandelt und entscheidet durch drei Schiedsrichter, von denen zwei die Befähigung zum Richteramt haben müssen. Den Vorsitz führt der Präsident.

Begründung: Der ordentliche Bundesparteitag 2012 hat den Halbsatz: “von denen zwei die Befähigung zum Richteramt haben müssen“ gestrichen.

Diese Streichung soll wieder rückgängig gemacht werden. Die Streichung war vom Antragsteller beantragt worden, da zuvor eine Änderung des § 4 Absatz 2 SchGO, beantragt worden war, wonach alle Mitglieder des Landesschiedsgerichts die Befähigung zum Richteramt haben müssten. Nach der Begründung der Antragsteller, sollte damit die Qualität der Rechtsprechung der Schiedsgerichte gesichert werden. Dieser Antrag wurde vom Bundesparteitag abgelehnt. Damit hat der Bundesparteitag beschlossen, dass, wie bisher, sowohl Mitglieder mit der Befähigung zum Richteramt als auch Mitglieder ohne die Befähigung zum Richteramt Mitglied des Landesschiedsgerichts sein können. Diese Regelung hat sich in der Praxis bewährt. Die vom Bundesparteitag 2012 beschlossene Streichung in § 6 Absatz 1 SchGO hatte jedoch zur Folge, dass künftig mehrheitlich Personen, die nicht die Befähigung zum Richteramt haben, Mitglieder des Landesschiedsgerichts sein könnten. Wenn die Mitwirkung von Nichtjuristen aber zulässig und erwünscht ist, ist es notwendig zu regeln, in welchem Umfang Mitglieder mit der Befähigung zum Richteramt mitwirken müssen und in welchem Umfang Nichtjuristen mitwirken können. Dies hatte die frühere Fassung der SchGO vorbildlich geregelt. Es ist daher geboten, diese Regelung wieder herzustellen.

a.o. BUNDESPARTEITAG DER FDP, Nürnberg, 04. bis 05. Mai 2013

Seite 1 ANTRAG NR. S 7

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Betr.: Änderung der Bundessatzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47

Antragsteller: Bundesvorstand Der Bundesparteitag möge beschließen: § 8 Absatz 3 SchGO wird wie folgt neu gefasst: Das Bundesschiedsgericht verhandelt und entscheidet durch fünf Schiedsrichter, von denen drei die Befähigung zum Richteramt haben müssen. Begründung: Der ordentliche Bundesparteitag 2012 hat den Halbsatz: “von denen drei die Befähigung zum Richteramt haben müssen“ gestrichen. Diese Streichung soll wieder rückgängig gemacht werden. Die Streichung war vom Antragsteller beantragt worden, da zuvor eine Änderung des § 4 Absatz 2 SchGO, beantragt worden war, wonach alle Mitglieder des Landesschiedsgerichts die Befähigung zum Richteramt haben müssten. Dies hätte über § 8 Absatz 4 SchGO auch für das Bundesschiedsgericht gegolten. Dieser Antrag wurde vom Bundesparteitag abgelehnt. Damit hat der Bundesparteitag beschlossen, dass, wie bisher, sowohl Mitglieder mit der Befähigung zum Richteramt als auch Mitglieder ohne die Befähigung zum Richteramt Mitglied des Bundesschiedsgerichts sein können. Diese Regelung hat sich in der Praxis bewährt. Die vom Bundesparteitag 2012 beschlossene Streichung in § 6 Absatz 1 SchGO hat jedoch zur Folge, dass künftig nur noch Personen, die nicht die Befähigung zum Richteramt haben, Mitglieder des Bundesschiedsgerichts sein könnten. Wenn die Mitwirkung von Nichtjuristen aber zulässig und erwünscht ist, ist es notwendig zu regeln, in welchem Umfang Mitglieder mit der Befähigung zum Richteramt mitwirken müssen und in welchem Umfang Nichtjuristen mitwirken können. Dies hatte die frühere Fassung der SchGO vorbildlich geregelt. Es ist daher geboten, diese Regelung wieder herzustellen.

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Seite 1 ANTRAG NR. S 8

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Betr.: Änderung der Bundessatzung Antragsteller: Bundesvorstand Der Bundesparteitag möge beschließen:

1 2

Satzung (bisherige Fassung zum Vergleich)

Satzung (zu beschließen)

3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

§ 1 – Zweck Abs. 3 Die FDP erstrebt eine Zusammenarbeit mit gleichgerichteten politischen Vereinigungen anderer Staaten mit dem Ziele, eine überstaatliche Ordnung im Geiste liberaler und demokratischer Lebensauffassung herbeizuführen. Sie ist Mitglied der Europäischen Liberalen Demokratischen und Reformpartei (ELDR) und der Liberalen Internationale (LI).

§ 1 –Zweck Abs. 3 Die FDP erstrebt eine Zusammenarbeit mit gleichgerichteten politischen Vereinigungen anderer Staaten mit dem Ziele, eine überstaatliche Ordnung im Geiste liberaler und demokratischer Lebensauffassung herbeizuführen. Sie ist Mitglied der Allianz Liberaler und Demokraten für Europa (ALDE) und der Liberalen Internationale (LI).

14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

§ 13 - Teilnahme, Rede- und Stimmrecht Abs. 1 Grundsätzlich darf jedes Mitglied der Partei am Bundesparteitag teilnehmen. Rederecht haben unbeschadet des § 25 (Zulassung von Gästen) nur die stimmberechtigten Delegierten und….. 5. die Mitglieder des Rates der ELDR, die der FDP angehören, …..

§ 13 - Teilnahme, Rede- und Stimmrecht Abs. 1 Grundsätzlich darf jedes Mitglied der Partei am Bundesparteitag teilnehmen. Rederecht haben unbeschadet des § 25 (Zulassung von Gästen) nur die stimmberechtigten Delegierten und….. 5. die Mitglieder des Präsidiums und des Rates der ALDE sowie die Mitglieder des Präsidiums der LI, die der FDP angehören, …..

26 27 28 29 30 31

§ 14 - Aufgaben des Bundesparteitages Abs. 3 Weitere Aufgaben des Bundesparteitages sind insbesondere:

§ 14 - Aufgaben des Bundesparteitages Abs. 3 Weitere Aufgaben des Bundesparteitages sind insbesondere:

a.o. BUNDESPARTEITAG DER FDP, Nürnberg, 04. bis 05. Mai 2013

Seite 2 ANTRAG NR. S 8

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….. 11. die Wahl der Mitglieder des Kongresses der ELDR und ihrer Stellvertreter (§ 16), 12. die Wahl der Vertreter der FDP im Rat der ELDR.

….. 11. die Wahl der Delegierten der FDP im Kongress der ALDE und ihrer Stellvertreter (§ 16), 12. die Wahl der Delegierten der FDP und ihrer Stellvertreter im Rat der ALDE.

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§ 16 – Vertreter der FDP in der Europäischen Liberalen Demokratischen Reformpartei (ELDR) Abs. 1 Die Vertreter der FDP im Kongress der ELDR werden auf die Dauer von zwei Jahren gewählt, und zwar 1. die doppelte Zahl der Grundmandate, die nach den einschlägigen Vorschriften der Satzung der Föderation der ELDR für die FDP vorgesehen sind, durch den Bundesparteitag, 2. die restliche Zahl der Vertreter durch den Bundesparteitag auf Vorschlag der Landesparteitage, der Jungen Liberalen und der Auslandsgruppe Europa. Für die Wahlen nach Nummer 2 erhalten jeder Landesverband, die Jungen Liberalen und die Auslandsgruppe Europa je ein Grundmandat. Die Aufteilung der restlichen Sitze erfolgt entsprechend dem Verfahren für die Aufschlüsselung der Delegierten zum Bundesparteitag. Die Wahl von Stellvertretern für die Vertreter erfolgt jeweils gleichzeitig nach dem entsprechenden Schlüssel. Abs. 2

§ 16 – Delegierte der FDP in der Allianz Liberaler und Demokraten für Europa (ALDE) Abs.1 Die Delegierten der FDP im Kongress der ALDE werden auf die Dauer von zwei Jahren gewählt, und zwar 1. die doppelte Zahl der Grundmandate, die nach den einschlägigen Vorschriften der Satzung der Föderation der ALDE für die FDP vorgesehen sind, auf Vorschlag des Bundesvorstandes durch den Bundesparteitag, 2. die restliche Zahl der Delegierten durch den Bundesparteitag auf Vorschlag der Landesparteitage, der Jungen Liberalen und der Auslandsgruppe Europa. Für die Wahlen nach Nummer 2 erhalten jeder Landesverband, die Jungen Liberalen und die Auslandsgruppe Europa je ein Grundmandat. Die Aufteilung der restlichen Sitze erfolgt entsprechend dem Verfahren für die Aufschlüsselung der Delegierten zum Bundesparteitag. Die Wahl von Stellvertretern für die Delegierten erfolgt jeweils gleichzeitig nach dem entsprechenden Schlüssel. Abs. 2 Für die Amtszeit der Delegierten

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Seite 3 ANTRAG NR. S 8

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Für die Amtszeit der Vertreter der FDP und ihrer Stellvertreter gilt § 13 Abs. (4) entsprechend. Abs. 3 Die Vertreter der FDP im Rat der ELDR werden vom Bundesparteitag gewählt.

der FDP und ihrer Stellvertreter gilt § 13 Abs. (4) entsprechend. Abs. 3 Die Delegierten und Stellvertreter der FDP im Rat der ALDE werden auf die Dauer von zwei Jahren auf Vorschlag des Bundesvorstandes vom Bundesparteitag gewählt.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

§ 17 - Der Bundesvorstand Abs. 4 Auf Beschluss des Bundesvorstandes können an seinen Sitzungen ohne Stimmrecht teilnehmen: 1. die vom Kongress der ELDR gewählten, der FDP angehörenden Mitglieder des Rates der ELDR;

§ 17 - Der Bundesvorstand Abs. 4 Auf Beschluss des Bundesvorstandes können an seinen Sitzungen ohne Stimmrecht teilnehmen: 1.a) die vom Kongress der ALDE gewählten, der FDP angehörenden Mitglieder des Präsidiums der ALDE; 1.b) die vom Kongress der LI gewählten, der FDP angehörenden Mitglieder des Präsidiums der LI;

12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25

§ 19 - Aufgaben des Bundesvorstandes Abs. 1 Der Bundesvorstand beschließt über alle organisatorischen und politischen Fragen im Sinne der Beschlüsse des Bundesparteitages und des Kongresses der ELDR. Zu seinen Aufgaben gehört die Anstellung und Entlassung des Bundesgeschäftsführers. Er beruft die von der FDP zu entsendenden Delegierten zu den Jahresversammlungen der Liberalen nternationale. I

§ 19 - Aufgaben des Bundesvorstandes Abs. 1 Der Bundesvorstand beschließt über alle organisatorischen und politischen Fragen im Sinne der Beschlüsse des Bundesparteitages und des Kongresses der ALDE. Zu seinen Aufgaben gehört die Anstellung und Entlassung des Bundesgeschäftsführers. Er beruft auf die Dauer von zwei Jahren auf Vorschlag des Präsidiums die von der FDP zu entsendenden Delegierten sowie Stellvertreter zu den Jahresversammlungen und imExekutivkomitee der Liberalen Internationale.

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§ 4 - Allgemeines Abs. 1 Die Wahlen zu den Organen der Bundespartei und ihren Gliederungen, die Wahlen zu den

§ 4 - Allgemeines Abs.1 Die Wahlen zu den Organen der Bundespartei und ihren Gliederungen, die Wahlen zu den

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Seite 4 ANTRAG NR. S 8

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Schiedsgerichten, die Wahlen der Vertreter der FDP im Kongress und im Rat der ELDR sowie die Aufstellung von Bewerbern für Wahlen zu Volksvertretungen sind schriftlich und geheim. Bei den übrigen Wahlen kann offen abgestimmt werden, wenn sich auf Befragen kein Widerspruch erhebt und die Satzungen der Partei nichts anderes vorschreiben.

Schiedsgerichten, die Wahlen der Vertreter der FDP im Kongress und im Rat der ALDE sowie die Aufstellung von Bewerbern für Wahlen zu Volksvertretungen sind schriftlich und geheim. Bei den übrigen Wahlen kann offen abgestimmt werden, wenn sich auf Befragen kein Widerspruch erhebt und die Satzungen der Partei nichts anderes vorschreiben.

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§ 6 – Delegiertenwahlen Abs. 1 Bei den Wahlen der Delegierten zum Bundesparteitag und bei den Wahlen der Vertreter der FDP im Kongress sowie im Rat der ELDR (§ 16 Abs. (1) und (3) der Bundessatzung) und bei den entsprechenden Delegiertenwahlen der Untergliederungen und der Wahl der jeweiligen Ersatzdelegierten wird in einem oder mehreren gemeinsamen Wahlgängen abgestimmt. Es ist zulässig, in demselben Wahlgang auch die Ersatzdelegierten zu wählen.

§ 6 - Delegiertenwahlen Âbs. 1 Bei den Wahlen der Delegierten zum Bundesparteitag und bei den Wahlen der Delegierten der FDP im Kongress sowie im Rat der ALDE (§ 16 Abs. (1) und (3) der Bundessatzung) und bei den entsprechenden Delegiertenwahlen der Untergliederungen und der Wahl 4der jeweiligen Ersatzdelegierten wird in einem oder mehreren gemeinsamen Wahlgängen abgestimmt. Es ist zulässig, in demselben Wahlgang auch die Ersatzdelegierten zu wählen.

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Seite 1 ANTRAG NR. S 8/1

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Betr.: Änderungsantrag zum Antrag auf Änderung der Bundessatzung

1 2 3 4 5 6 7 8 9

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Antragsteller: Bundesvorstand Der Bundesparteitag möge beschließen: „Für den Fall der Annahme von Antrag S 1 durch den Bundesparteitag sind im Antrag S 8 die Zeilen 14 bis 25 der Seite 1 betreffend § 13 der Bundessatzung zu streichen.“ Begründung: 14

15 16 17

Der Antrag S 1 regelt das Rederecht in § 13 Abs. 1 Bundessatzung grundlegend neu, so dass es im Antrag S 8 keiner Anpassung der Bundessatzung im Hinblick auf die Allianz Liberaler und Demokraten für Europa (ALDE) bedarf.

a.o. BUNDESPARTEITAG DER FDP, Nürnberg, 04. bis 05. Mai 2013

Seite 1 ANTRAG NR. S 9 Zeile

Betr.: Änderung der Bundessatzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49

Antragsteller: Bundesvorstand der Bundesvereinigung

LIBERALE FRAUEN e.V. Der Bundesparteitag möge beschließen: Die Satzung der Freien Demokratischen Partei - FDP, wird wie folgt geändert: Nach § 4 soll eingefügt werden: § 4a – Gleiche Teilhabe von Frauen und Männern (1) Die Organe in der Freien Demokratischen Partei Deutschlands -

FDP- verwirklichen in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich die gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen.

(2) Frauen sollen mindestens 40% der Parteiämter der Freien

Demokratischen Partei -FDP- innehaben. Wahlen zum Bundesvorstand, Landes-, Kreis-, Bezirks- und Ortsvorständen sind dann gültig, wenn mindestens 40% der gewählten Mitglieder des jeweiligen Vorstandes Frauen sind. Die Landessatzungen müssen entsprechende Regelungen vorsehen.

(3) Auf Listen für öffentliche Wahlen sollen mindestens 40% Frauen als Bewerberinnen aufgestellt werden. Wahllisten sind so aufzustellen, dass gewährleistet ist, dass mindestens 40% der Vertreter in den zu wählenden Parlamenten Frauen sind. Die Landessatzungen müssen entsprechende Regelungen vorsehen.

§ 15 –Abs. 2 wird wie folgt neu gefasst: (2) Der Europaparteitag besteht aus Vertretern der Landesverbände,

die aus der Mitte von Landesvertreterversammlungen gewählt worden sind. Die Landessatzungen müssen vorsehen, dass jeweils mindestens 40% der von den Landesverbänden zu wählenden Vertreter Frauen sind. Die Mitglieder einer Landesvertreterversammlung sind aus der Mitte von Mitgliederversammlungen der Gebietsverbände jedes Landesverbandes zu wählen. Die Landessatzungen müssen vorsehen, dass jeweils mindestens 40% der Mitglieder der Landesvertreterversammlung Frauen sind. Die Landessatzungen können vorsehen, dass die Mitglieder der Landesvertreterversammlungen aus der Mitte von Vertreterversammlungen ihrer Gebietsverbände gewählt werden, die

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a.o. BUNDESPARTEITAG DER FDP, Nürnberg, 04. bis 05. Mai 2013

Seite 2 ANTRAG NR. S 9 Zeile

wiederum aus der Mitte von Mitgliederversammlungen gewählt worden sind. Die Landessatzungen müssen vorsehen, dass mindestens 40% der Mitglieder der Vertreterversammlungen der Gebietsverbände beziehungsweise der Landesvertreterversammlungen Frauen sind. Die Auslandsgruppe Europa entsendet zwei ihrer Mitglieder als stimmberechtigte Vertreter, davon muss ein Vertreter eine Frau sein. Die stimmberechtigten Vertreter werden von der Mitgliederversammlung gewählt und müssen stimmberechtigt im Sinne des Europawahlgesetzes sein.

50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97

In § 16 Abs. (2) wird nach S.1 folgender Satz eingefügt: Die Landessatzungen müssen vorsehen, dass mindestens 40% der von den Landesverbänden zu wählenden Vertreter Frauen sind. In § 16 Abs. (2) wird folgender Absatz (4) angefügt: (4) Von den Vertretern der FDP im Kongress der ELDR sowie im Rat der

ELDR müssen mindestens 40% Frauen sein. In § 17 wird nach Abs. (1) Nr. 1 wird folgende Abs. (5) eingefügt: (5) Mindestens 40% der gewählten Mitglieder des Präsidiums müssen

Frauen sein. Auch von den Beisitzern müssen insgesamt 40% (14) Frauen sein. Wahlen zum Präsidium sind nur dann gültig, wenn 40% der gewählten Mitglieder des Präsidiums Frauen sind. Die Wahlen der Beisitzer sind dann gültig, wenn 40% der insgesamt gewählten Beisitzer Frauen sind.

In § 17 Abs. (2) wird nach Satz 1 folgender Satz eingefügt: Scheidet ein weibliches Vorstandsmitglied aus und würde dadurch der Frauenanteil im Vorstand unter 40% sinken, muss bei der Nachwahl die osition mit einer Frau besetzt werden. P

§ 19 Abs. (1) wird um folgenden Satz ergänzt: Von den zu entsendenden Delegierten müssen mindestens 40% Frauen

sein. § 22 wird folgender Absatz angefügt: (9) Die vom Bundesvorstand eingesetzten Gremien, Foren und

Kommissionen sind zu mindesten mit 40% Frauen zu besetzen. Nach § 26 wird folgender § 26a eingefügt: § 26 a Inkrafttreten von Satzungsänderungen (1) Änderungen der Satzung treten im Innenverhältnis unter den

Parteimitgliedern mit der ordnungsgemäßen Beschlussfassung in Kraft, unbeschadet der Pflicht des Vorstandes im Sinne des § 26 BGB, die Satzungsänderungen zur Eintragung in das Vereinsregister unverzüglich anzumelden.

2

a.o. BUNDESPARTEITAG DER FDP, Nürnberg, 04. bis 05. Mai 2013

Seite 3 ANTRAG NR. S 9 Zeile

(2) Änderungen in der Vertretung nach außen gemäß § 26 BGB werden erst durch Eintragung der Änderungen im Vereinsregister wirksam.

98 99

100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145

Begründung: Der FDP Bundesvorstand hatte am 07.02.2011 einen Beschluss gefasst, in dem er betont hat, dass die FDP auf eine freiwillige Selbstverpflichtung setze um, die Frauenanteil in den Gremien der FDP zu erhöhen. Leider haben sich in den letzten beiden Jahren kaum Bestrebungen erkennen lassen, diesen Beschluss umzusetzen. Eine freiwillige Selbstverpflichtung ist nicht zielführend. Ohne verbindliche Vorgaben wird es keine nennenswerte Änderung geben. An der Begründung des Antrages hat sich seit 2011 nichts geändert. Bereits 1998 schreibt Dr. Wolfgang Gerhardt in seinem Bericht zum Stand der Umsetzung der Liberalen Initiative – Mehr Chancen für Frauen in die FDP vorgelegt zum Bundesparteitag der FDP 1998 in Leipzig:1

„Aber, und darüber muss sich jeder Funktionsträger, jede Funktionsträgerin im klaren sein: wir werden auch daran gemessen, wie es uns als Partei gelingt, Frauen in Entscheidungsfunktionen zu verankern.“

Was ist seither geschehen? Seit Jahren gibt es in der FDP Ansätze, den Frauenanteil unter den Mitgliedern zu steigern. Der durchschlagende Erfolg blieb aber bisher aus. Der Trend, dass der Anteil der Frauen unter den Mitgliedern zurückgeht, konnte trotz aller Bestrebungen nicht gestoppt werden. Angesichts der aktuellen politischen Situation ist es dringend geboten, sich der Frauenförderung in der FDP intensiver zu widmen. Eine größere Beteiligung von Frauen ist von existenzieller Bedeutung für die Zukunft und den Erfolg der Freien Demokratischen Partei in Deutschland. Die Wirtschaft hat längst erkannt, dass Frauen ein Gewinn für die Unternehmen sind. Die Deutsche Telekom hat deshalb auch als erstes Unternehmen eine verbindliche Quote für Frauen in Führungspositionen eingeführt. Bei der Telekom sieht man die Frage der Beteiligung von Frauen als „handfeste Notwendigkeit für den Erfolg“.2 Auch andere Unternehmen, wie z.B. EON oder der Autokonzern Daimler sind diesem

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Beispiel gefolgt und haben sich verbindliche Zielvorgaben für die Beteiligung von Frauen in Führungspositionen gesetzt.

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Die FDP setzte bisher auf eine freiwillige Selbstverpflichtung. Die bisherigen Beschlüsse, die Maßnahmen zur Steigerung des Frauenanteils in der FDP und eine Steigerung des Frauenanteils in den Vorständen, den Fraktionen und sonstigen Gremien zum Inhalt hatten, beruhten alle auf einer freiwilligen Selbstverpflichtung. Einige dieser Beschlüsse wurden gar nicht erst umgesetzt, wie etwa der Beschuss des FDP-Bundesvorstandes aus dem Jahr 19873. Die Konsequenz aus dieser Untätigkeit: Eine Steigerung des Frauenanteils in der FDP ist nicht eingetreten. Ganz im Gegenteil: In 12 von 16 Bundesländern ist der Frauenanteil unter den Mitgliedern rückläufig. 1987 betrug er noch 25%, im Jahr 2003 lag er noch bei 23,3%,4 inzwischen ist er auf 22,81% (Stand Dezember 2009) gefallen.5

„Angesichts der katastrophalen Lage ist es höchste Zeit zu handeln“. Dieser Satz stammt aus dem Beschluss des FDP-Bundesvorstandes vom 07.04.2003 „Offensive für mehr Frauen in die FDP“6 Er hat an Aktualität nichts verloren, zumal wenn man bedenkt, dass der Frauenanteil seither weiter gesunken ist. 2003 wurde ein 7-Punkte-Maßnahmen-Katalog beschlossen. Ziel der „Offensive für mehr Frauen in die FDP“ war es, bis 2005 mehr Frauen in die Führungsebene zu integrieren, den Nachwuchs zu fördern, neue Mitglieder zu gewinnen und das Themenspektrum zu erweitern. Der Frauenanteil in der FDP sollte innerhalb der nächsten zwei Jahre „mittels gezielter Frauenförderung“ auf 30% erhöht werden. Die Landes- und Kreisverbände waren aufgefordert, sich freiwillig Zielvorgaben zu stellen, damit Frauen entsprechend des Anteils an der Mitgliedschaft in den Vorständen vertreten sind.“7 Seit dem Beschluss „Offensive für mehr Frauen in die FDP“ sind fast 8 Jahre vergangen. Von einem Frauenanteil von 30% bei den Mitgliedern ist die FDP nach wie vor weit entfernt. In den Folgejahren gab es weitere Beschlüsse8 mit dem Ziel der Optimierung „frauenspezifischer Maßnahmen“. Einige der dort vorgeschlagenen Maßnahmen wurden umgesetzt. Seit 2007 gibt es den LIBERTA-Bürgerinnenpreis. Es gibt Ladies-Lunch-Veranstaltungen der Bundestagsfraktion und teilweise auch in den FDP-Landesverbänden. Dies sind sinnvolle Maßnahmen, um Netzwerke zu gründen und zu pflegen. Die Wirkung, die die Ladies-Lunch-Veranstaltungen im Hinblick auf die Werbung von Frauen als Parteimitglieder für die FDP entfalten, ist dagegen begrenzt. Einen Zweck erfüllen alle diese Maßnahmen aber auf keinen Fall: Sie sind nicht geeignet, Frauen in führende Positionen innerhalb der Parteigremien zu bringen. Lediglich das Mentoring-Programm „TOP-Talent“ eingeführt, das sich in den ersten Jahren speziell an Frauen richtete, um diese Frauen gezielt zu fördern, hatte einen begrenzten Erfolg: Einige der Mentees sind heute in den Parlamenten.

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Zu einer Steigerung des Frauenanteils unter den Mitgliedern der FDP hat aber keine der bisher durchgeführten Maßnahmen geführt. Ein Vergleich der Mitgliederzahlen aus dem Jahr 2007 mit den Zahlen aus dem Jahr 2009 zeigt, dass der Frauenanteil in 12 von 16 Bundesländern weiter rückläufig ist. Nur im Saarland, in Berlin, Bayern und Baden-Württemberg ist der Frauenanteil unter den Mitgliedern im Zeitraum von 2007 bis 2009 prozentual gestiegen (Übersicht 1 – Seite 10). Auch die Annahme, dass ein höherer Frauenanteil bei den Mitgliedern automatisch zu einer höheren Beteiligung von Frauen in den Vorständen der Untergliederungen führt, hat sich nicht bestätigt. Dies verdeutlicht der Vergleich des prozentualen Mitgliederanteil der Frauen in der Partei mit dem Anteil der Frauen in den Landtagsfraktionen (Übersicht 2 – Seite 11). Im Saarland, dem Bundesland mit dem höchsten Frauenanteil, ist unter den 5 FDP-Abgeordneten, die 2009 in den Saarländischen Landtag gewählt wurden, nicht eine einzige Frau! Hessen hat bei einem Frauenanteil von 22,53% unter den Mitgliedern nur 5% weibliche Abgeordnete im Landtag. Mit Ausnahme des Präsidiums des Bundesvorstandes wird in den gewählten Gremien der Partei im Schnitt noch nicht einmal der Prozentsatz erreicht, der dem Anteil der weiblichen Mitglieder der FDP entspricht. Die Beteiligung von Frauen ist von existenzieller Bedeutung für die Zukunft und den Erfolg der FDP Frauen achten heute viel mehr als noch vor 20 Jahren darauf, ob Frauen in den Gremien vertreten sind. Sie suchen nach Vorbildern. Wer keine weiblichen Vorbilder zu bieten hat, ist bereits hier im Nachteil gegenüber den Parteien, die Frauen in Führungspositionen aben. h

52% der Bevölkerung sind weiblich. Sie stellen den größten Teil der Wählerschaft und entscheiden die Wahlen. Der FDP ist es bislang nicht gelungen, entscheidend bei den Wählerinnen zu punkten. Seit Jahren zeigen die Umfragen und Erhebungen, dass der Anteil unter den Frauen, die FDP wählen, geringer ist als der Anteil unter den Männern. So erreichte die FDP bei der Bundestagswahl 2009 bei den Männern ein deutlich besseres Ergebnis, als bei den Frauen. 17% der Männer wählten die FDP, bei den Frauen waren es nur 13%. Bei den Männern gab es Zugewinne in Höhe von 6 Punkten, bei den Frauen nur 4 Punkte. Es gab deutlich bessere Resultate und höhere Zugewinne insbesondere bei den jüngeren Männern.9 Steigerungen in der Wählergunst sind insbesondere dadurch zu erreichen, wenn sich die FDP verstärkt um die Frauen bemüht.

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Verbindliche Vorgaben anstelle freiwilliger Selbstverpflichtung Im Beschluss des Bundesvorstandes der FDP vom 6. November 2000 „Mehr Chancen für Frauen in der F.D.P.“ heißt es:

„… Die F.D.P. muss als Freiheitspartei beweisen, dass sie als einzige Partei in der Lage ist, auch ohne starre Quoten Chancengleichheit für Frauen und gleichberechtigte Partizipation auf allen Ebenen zu erreichen“ 10

Dieser Beweis ist ihr nicht gelungen. Eine freiwillige Selbstverpflichtung hat sich nicht als zielführend erwiesen. Die Zahlen sprechen für sich! Es ist höchste Zeit, dass die FDP sich die Frauenförderung in der Partei auf die Fahnen schreibt und dass verbindliche Vorgaben beschlossen werden. Nur so wird es gelingen, den Frauenanteil in den Gremien und auf den Listen zu erhöhen. Selbst bei der CSU gibt es inzwischen Quoten. Wir müssen endlich ohne Tabus über das Thema „Quote für Frauen diskutieren“. Die FDP ist die einzige Partei ohne Quoten und Quoren für Frauen. Sie ist auch die Partei, die, wenn es um den Frauenanteils in den Parlamenten geht, in den meisten Fraktionen die rote Laterne trägt. Das muss sich dringend ändern! Es sind deshalb verbindliche Vorgaben notwendig, um Frauen überhaupt einen Chance einzuräumen, in die Gremien und auf aussichtsreiche Listenplätze gewählt zu werden. Das immer wieder vorgebrachte Argument, dass Quoten oder Quoren mit dem Selbstverständnis einer liberalen Partei nicht vereinbar seien, ist reine Augenwischerei. Es gibt in der FDP Quoten ohne Ende, über die sich niemand aufregt, die im Gegenteil alle befürworten. Was ist die Kurfürstenliste anderes als Quoten für die einzelnen Landesverbände? Was ist die Tatsache, dass der Bundesvorsitzende der JuLis geborenes Mitglied im Bundesvorstand der FDP und die Landesvorsitzenden der JuLis geborene Mitglieder in den FDP-Landesvorstände anderes als Quoten für JuLis? Warum sollen dann ausgerechnet Quoten für Frauen nicht liberal sein? 25 Jahre Selbstverpflichtung ohne konkrete Fortschritte sind genug! Seit fast 25 Jahren gibt es in der Frage der Beteiligung von Frauen in Führungspositionen und auf Listen keine befriedigenden Lösungen. Wer Frauen gewinnen will, muss mit der Zeit gehen. Wenn die FDP Wählerinnen ansprechen will, wird es Zeit verbindliche Vorgaben für die Teilhabe von Frauen zu machen. Nur so kann dauerhaft die Zukunft der FDP gesichert werden. Lassen wir die eingangs zitierte Aussage von Dr. Wolfgang Gerhardt in seinem Bericht zum Stand er Umsetzung der Liberalen Initative –

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Mehr Chancen für Frauen in die FDP vorgelegt zum Bundesparteitag der FDP 1998 in Leipzig:

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„Gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in allen Führungspositionen ist und bleibt Ziel der Liberalen. Wir werden es erreichen, wenn sich Männer und Frauen diesem Ziel gleichermaßen verpflichtet sehen.“

nicht zu einem Lippenbekenntnis verkommen. Die angemessene Beteiligung von Frauen wird für die Zukunft der FDP und für den Erfolg der Partei von existenzieller Bedeutung sein. Übersicht 1 Frauenanteil in den FDP-Landesverbänden nach Höhe des Frauenanteils in Prozent Landesverband 200912 200713 Differenz Saarland 28,12% 26,70% 1,42% Schleswig-Holstein 25,01% 25,50% -0,49% Berlin 24,20% 23,70% 0,50% Nordrhein-Westfalen 23,47% 23,60% -0,13% Bayern 23,34% 22,90% 0,44% Sachsen-Anhalt 23,29% 23,80% -0,51% Niedersachsen 22,89% 23,10% -0,21% Hessen 22,53% 22,70% -0,17% Thüringen 22,48% 22,90% -0,42% Baden-Württemberg 21,74% 21,60% 0,14% Rheinland-Pfalz 21,72% 22,10% -0,38% Brandenburg 21,27% 21,30% -0,03% Sachsen 20,09% 20,40% -0,31% Bremen 19,90% 19,50% 0,40% Mecklenburg-Vorpommern 19,83% 20,90% -1,07% Hamburg 18,93% 19,80% -0,87% Gesamt Inland 22,81% 22,90% -0,09%

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Übersicht 2 311 312 313 314

Vergleich Frauenanteil in der Partei – Frauenanteil in den Landtagsfraktionen Landesverband Frauenanteil in

Prozent bei den Mitgliedern14

Frauenanteil in den FDP-Fraktionen in

den Landtagen Saarland 28,12% 0,00% Schleswig-Holstein 25,01% 33,33% Berlin 24,20% 15,38% Nordrhein-Westfalen 23,47% 15,38% Bayern 23,34% 31,25% Sachsen-Anhalt 23,29% 14,29% Niedersachsen 22,89% 15,38% Hessen 22,53% 5,00% Thüringen 22,48% 14,00% Baden-Württemberg 21,74% 26,67% Rheinland-Pfalz 21,72% 20,00% Brandenburg 21,27% 28,57% Sachsen 20,09% 15,38% Bremen 19,90% 0,00% Mecklenburg-Vorpommern 19,83% 14,29 %

Hamburg 18,93%nicht in der Bürgerschaft

315 316

Übersicht Beschlüsse des FDP Bundesvorstandes zum Thema „Steigerung 317 des Frauenanteils in der FDP“15 318

319 320 321 322 323 324 325 326 327 328 329 330 331 332 333 334 335 336 337

1. Beschluss des Bundesvorstandes der FDP von 1987

„Frauenförderplan der F.D.P“ 16 2. Beschluss des Bundesvorstandes der FDP vom 6. November 2000

„Mehr Chancen für Frauen in der FDP 3. Beschluss des Bundesvorstandes der FDP vom 10. - 12. Mai 2002

„Die FDP muss weiblicher werden“ 4. Beschluss des Bundesvorstandes der FDP vom 3. Februar 2003 zum

Forum „Frauen, kinderfreundliches Deutschland und Generationsgerechtigkeit“ unter Leitung von Ina Lenke und Daniel Bahr zur Erarbeitung eines Grundsatzpapiers, u.a. zum Thema Geschlechtsgerechtigkeit“

5. Beschluss des Bundesvorstandes der FDP vom 7. April 2003

„Bessere Chancen für Frauen – mehr Chancen für Deutschland“

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6. Beschluss des Bundesvorstandes der FDP vom 7. April 2003 338 339 340 341 342 343 344 345 346 347 348 349 350 351 352 353 354 355 356 357 358 359 360 361 362

„Offensive für mehr Frauen in der FDP“ 7. Beschluss des Bundesvorstandes der FDP vom 6. November 2006

„Frauenförderung in der FDP“ 8. Beschluss des Bundesvorstandes der FDP vom 6. November 2006

„Mehr Chancen für Frauen in der FDP“ 9. Beschluss des Bundesvorstandes der FDP vom 10. Dezember 2007

„Mentoring-Programm der FDP“, „Top-Nachwuchs-Talent“ 10. Beschluss des Bundesvorstande der FDP vom 10. Dezember 2007

„Bericht über die Entwicklung des Anteils von Frauen innerhalb der Partei und ihrer Untergliederungen sowie Mandats- und Funktionsträgerinnen und die Durchführung weiterer Maßnahmen im Sinne von Diversity“

11. Beschluss des Bundesvorstandes der FDP vom 10. November 2008,

„Frauenförderung in den Landesverbänden der FDP 12. Beschluss des Bundesvorstandes der FDP vom 07. Februar 2011

„Neue Chancen für Frauen – Potenziale erschließen, Fairness erreichen“.

1 Mehr Chancen für Frauen in die FDP – Liberale Initiative - Bericht des Bundesvorsitzenden Dr. Wolfgang Gerhardt zum Stand der Umsetzung der Initiative vorgelegt zum 49. Ordentlichen Parteitag der F.D.P. vom 26. Bis 28. Juni 1998 in Leipzig 2 Pressemitteilung der Deutschen Telekom vom 15.03.2010 - Quelle: http://www.telekom.com/dtag/cms/content/dt/de/829454

3 Beschluss des FDP-Bundesvorstandes vom 07.04.2003 „Offensive für mehr Frauen in die FDP“ 4 Beschluss des FDP-Bundesvorstandes vom 07.04.2003 „Offensive für mehr Frauen in die FDP“ 5 2007 – 2009 Geschäftsbericht der Freien Demokratischen Partei, S. 64 6 Beschluss des FDP-Bundesvorstandes vom 07.04.2003 „Offensive für mehr Frauen in die FDP“ 7 Beschluss des FDP-Bundesvorstandes vom 07.04.2003 „Offensive für mehr Frauen in die FDP“ 8 S. Aufstellung Seite 12 9 INFORMATIONEN zur Bundestagswahl am 27.September 2009 - Ergebnisse und Analyse herausgegeben von der Friedrich Naumann Stiftung Stiftung für die Freiheit am 28.09.2009, S. 7

10 Beschluss des Bundesvorstandes der FDP vom 6. November 2000 „Mehr Chancen für Frauen in der F.D.P.“ 11 Mehr Chancen für Frauen in die FDP – Liberale Initative - Bericht des Bundesvorsitzenden Dr. Wolfgang Gerhardt zum Stand der Umsetzung der Initiative vorgelegt zum 49. Ordentlichen Parteitag der F.D.P. vom 26. Bis 28. Juni 1998 in Leipzig 122007 – 2009 Geschäftsbericht der Freien Demokratischen Partei, S. 64 132007 – 2009 Geschäftsbericht der Freien Demokratischen Partei, S. 64 14 2007 – 2009 Geschäftsbericht der Freien Demokratischen Partei, S. 64 15 Ohne Anspruch auf Vollständigkeit (soweit nichts anderes vermerkt, nachzulesen auf der Webseite der FDP) 16 Aus : Das Programmm der Liberalen: 10 Jahre Programmarbeit in der F.D.P. 1980 bis 1990/ [ Friedrich-Naumann-Stiftung] – 1. Auflage.- Baden-Baden: Nomos Verlage, S. 672 ff  

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Stellungnahme des Bundessatzungsausschusses

zum Satzungsänderungsantrag

S 1 - Rederecht

Der Antrag ist umstritten. Die Neufassung des § 13 Absatz 1 BS öffnet das Rederecht auf Bundesparteitagen für alle Mitglieder der FDP und lässt damit den bisherigen Text vollständig wegfallen.

Dafür kann geltend gemacht werden, dass Mitglieder, die oft mit erheblichen eigenen Aufwendungen an Bundesparteitagen teilnehmen dort auch Rederecht haben sollten, auch wenn sie nicht stimmberechtigte Delegierte sind. Dies fördert die aktive Rechtstellung des einfachen Mitgliedes in der FDP.

Anderseits kann geltend gemacht werden, dass die Möglichkeit für stimmberechtigte Delegierte, auf dem Bundesparteitag zu reden, eingeschränkt wird, die Redezeit auf Bundesparteitagen begrenzt ist und bei 662 Delegierten schon jetzt die meisten tatsächlich keine Möglichkeit haben, zu reden, da für alle Redewünsche zu wenig Zeit ist. Die Einschränkung ist bedenklich, da Delegierte, die Stimmrecht wahrnehmen auch ausreichend die Möglichkeit haben müssen, zu der Sache zu reden.

Schon jetzt gibt die bisherige Regelung des § 13 Absatz 1 BS auch einzelnen nicht stimmberechtigten Mitgliedern und Nichtmitgliedern die Möglichkeit, auf Grund eines Beschlusses des Bundesparteitages zu reden.

Die Änderung ist zulässig. Der Bundesparteitag muss bei der Abstimmung abwägen, welchen dieser Gesichtspunkte er den Vorrang gibt.

Stellungnahme des Bundessatzungsausschusses

zu dem Satzungsänderungsantrag

S 2 - Mitzeichnung eines Antrages

Der § 21 Absatz 1 der BS regelt die Antragstellung zum Mitgliederentscheid. Der Änderungsantrag führt die schon bisher geübte Praxis ein, dass unabhängig von der Antragstellung einzelnen Mitgliedern der FDP die Möglichkeit gegeben wird, den Antrag oder den Alternativantrag unterstützend mitzuzeichnen.

Stellungnahme des Bundessatzungsausschusses

zu dem Satzungsänderungsantrag

S 3 - Verfahrensordnung

Der bisherige § 21 Absatz 4 der Bundessatzung gibt dem Bundesvorstand die Kompetenz zum Erlass der Verfahrensordnung zum Mitgliederentscheid. Der Änderungsantrag überträgt diese Kompetenz dem Bundesparteitag. Beiden Regelungen liegt die Entscheidung zugrunde, die Einzelheiten des Verfahrens nicht in der Satzung, sondern in einer Verfahrensordnung festzulegen, die durch einfachen Beschluss geändert werden kann. Dies hängt damit zusammen, dass sich der Mitgliederentscheid immer noch in einem Zustand eines „Experiments“ befindet. Das zeigt sich daran, dass bisher nach jedem durchgeführten Mitgliederentscheid nicht unerheblicher Reformbedarf auftrat und es daher nicht geboten ist, die Einzelheiten des Verfahrens dem schwerfälligen Verfahren einer Satzungsänderung zu unterwerfen. Da aber auch die Verfahrensordnung wesentlicher Teil des § 21 der Bundessatzung ist, ist es geboten, die Kompetenz zum Erlass und damit auch zur Änderung auf den Bundesparteitag zu übertragen.

Stellungnahme des Bundessatzungsausschusses

zum Satzungsänderungsantrag

S 4 - Antragsrecht für 250 Mitglieder

Die Änderung des § 11 Absatz 1 BGO erweitert das Recht zur Stellung von Anträgen auf Bundesparteitagen auf 250 einfache, dort nicht stimmberechtigte Mitglieder. Das ermöglicht die Antragstellung außerhalb der Gliederungsstruktur der Partei. Das verbessert die aktive Rechtsstellung des einfachen Mitgliedes. Dabei orientiert sich die Zahl 250 an der durchschnittlichen Mitgliederzahl von 3 normalen Kreisverbänden (vgl. § 11 Absatz 1 Nr. § 4 BGO)

Die Notwendigkeit, ein Mitglied als Vertreter des Antrages von dem Bundesparteitag zu benennen, ergibt sich aus der Situation, dass der Antrag auf dem Bundesparteitag nach der Geschäftsordnung behandelt wird und ein Vertreter der Antragsteller die geschäftsordnungsmäßigen Rechte des Antragstellers wahrnehmen muss.

Der Antrag ist zulässig.

Stellungnahme des Bundessatzungsausschusses

zum Satzungsänderungsantrag

S 5 - Erweiterung des Rechts der Antragskommission

§ 11 a Absatz 3 der BGO gibt bisher der Antragskommission nur das Recht, vorzuschlagen bestimmte Anträge ohne mündliche Begründung und ohne Aussprache anzunehmen. Das Recht der Antragskommission beschränkt sich also auf sogenannte Selbstgänger, bei denen eine Annahme zu erwarten ist. Nun gibt es aber auch Anträge, bei denen die Antragskommission zur Auffassung kommt, der Antrag werde abgelehnt. Es ist daher sinnvoll die Vorschrift so zu fassen, dass beide Fälle erfasst werden.

Das gewährleistet die neue Formulierung, dass die Anträge zur Abstimmung gestellt werden, ohne dass es noch auf das erwartete Ergebnis ankommt.

Ob der Bundesparteitag von diesem Vorschlag der Antragskommission Gebrauch macht entscheidet der Bundesparteitag selbst.

Der Antrag ist zulässig.

Stellungnahme des Bundessatzungsausschusses

zum Satzungsänderungsantrag

S 8 – ALDE und LI

Die Änderung zu mehreren §§ der Bundessatzung (BS) und der Geschäftsordnung zur Bundessatzung (BGO) sind zunächst bedingt durch die Umbenennung der Europäischen Liberalen Demokratischen und Reformpartei (ELDR) in Allianz Liberaler und Demokraten für Europa (ALDE).

Außerdem wird in § 16 Absatz 1 Nr. 1, § 16 Absatz 3 § 19 Absatz 1 der Bundessatzung jeweils ein Vorschlagsrecht des Bundesvorstandes eingeführt. Dies ist sinnvoll, da die Repräsentation der FDP in ALDE und LI in erster Linie eine Aufgabe des Bundesverbandes ist.

Des weiteren wird in § 13 Absatz 1 Nr. 5 BS das Rederecht auf Bundesparteitagen auf Mitglieder des Präsidiums der LI erweitert. Diese Erweiterung erscheint wegen der Bedeutung des Präsidiums der LI sinnvoll.

Schließlich werden in § 17 Absatz 4 Nr. 1 BS die Mitglieder des Präsidiums der LI mit aufgeführt, die auch durch Beschluss des Bundesvorstandes ohne Stimmrecht an den Sitzungen des Bundesvorstandes teilnehmen können.

Auch diese Erweiterung ist wegen der Bedeutung des Präsidiums der LI sinnvoll.

Alle diese Änderungen sind zulässig.

Stellungnahme des Bundessatzungsausschusses

zu dem Satzungsänderungsantrag

S 9 - Gleiche Teilhabe von Frauen und Männern

Kern des Antrages ist der neu vorgeschlagene § 4a der Bundessatzung (BS). Die anderen vorgeschlagenen Änderungen der Bundessatzung sind nur die Folgeänderungen aus dem vorgeschlagenen § 4 a BS.

Im Absatz 2 steht zwar das Wort „sollen“, es müsste aber konsequent „müssen“ heißen, da für alle Vorstandswahlen auf allen Ebenen der Partei die Konsequenz der Ungültigkeit der Wahlen statuiert wird, wenn nicht mindestens 40% der gewählten Mitglieder des jeweiligen Vorstandes Frauen sind. Diese Folge ist aber für die Praxis unannehmbar. Es gibt zahlreiche Gliederungen, in denen entweder der erforderliche Anteil von Frauen an der Mitgliedschaft gar nicht vorhanden ist, oder wenn er vorhanden sein sollte, die Frauen nicht oder nicht in der geforderten Quote bereit sind, für einen Vorstand zu kandidieren. Das würde in vielen Landesverbänden, gerade auf der Ebene der Kreis- und Ortsverbände zur Folge haben, dass es unmöglich wäre, gültige Vorstandswahlen durchzuführen.

Die geschilderten Auswirkungen führen dazu, dass die im Antrag geforderte Regelung juristisch als rechtswidrig qualifiziert werden muss, da sie die Selbstorganisation der unteren Ebene der Partei verhindert und damit eindeutig gegen das Parteiengesetz und gegen Art 21 GG verstößt.

Dies gilt auch für den Absatz 3 des vorgeschlagenen § 4 a BS. Dort werden Vorschriften für Wahllisten für öffentliche Wahlen gemacht, die bei einer freien Wahl gar nicht eingehalten werden können. Sowohl im Hinblick auf den gleichen Zugang für jeden Listenplatz, als auch bei der Freiheit des Vorschlagsrechtes einschließlich des Selbstvorschlagsrechtes (§ 21 Abs. 3 Satz 2 BWG) begegnet dieser Vorschlag erheblichen Bedenken. Diese Vorschrift verstößt gegen die Regelung der Wahlgesetze.

Daraus folgt, dass bei einer Annahme des Antrages, es sich um eine rechtswidrige Satzungsvorschrift handeln würde, die dann nichtig wäre und nicht gelten würde.

Der neu vorgeschlagene § 26 a BS ist überflüssig, da er nur die bestehende eindeutige Rechtslage wiederholt.

Außerordentlicher Bundesparteitag der

FDP, Nürnberg, 4. bis 5. Mai 2013

Seite 1

Inhaltsverzeichnis

Leitantrag

L001 Bürgerprogramm 2013

Bundesvorstand S. 5

Internationale Politik

100 Ungarn muss Rechtsstaat bleiben - EU und Europa rat müssen reagieren

Bezirksverband Hamburg-Nord

S. 99

101 Afghanische Ortskräfte geordnet aufnehmen

Bezirksverband Neckar-Alb S. 101

102 Einführung einer zwingenden Insolvenzordnung

Kreisverbände Schaumburg, Göttingen, Harburg-Land, Hameln-Pyrmont, Marburg-Biedenkopf, Gütersloh

S. 103

Wirtschaft und Arbeit

150 Leistungsgerechtigkeit durch faire Löhne

Verwiesen vom 64. Ord. Bundesparteitag (dort gestellt vom Bundesvorstand) S. 105

151 Sechs Thesen zum Mindestlohn

Verwiesen vom 64. Ord. Bundesparteitag (dort gestellt von Lasse Becker (für den Bundesverband der Jungen Liberalen) und 49 weiteren Delegierten)

S. 107

152 Mehr Freiheit für mehr Menschen

Verwiesen vom 64. Ord. Bundesparteitag (dort gestellt von Frank Schäffler und 49 weiteren Delegierten)

S. 109

153 Bildung statt Mindestlohn

Verwiesen vom 64. Ord. Bundesparteitag (dort gestellt von Thomas Vollmar, Kreisverbände Hildburghausen, Schmalkalden-Meiningen, Gotha, Suhl, Landesverband Thüringen)

S. 111

154 Gezielte Bekämpfung von sittenwidrigen, niedrig en Löhnen statt eines einheitlichen gesetzlichen Mindestlohns

Verwiesen vom 64. Ord. Bundesparteitag (dort gestellt vom Bezirksverband Oberbayern)

S. 113

155 EU-Jugendarbeitslosigkeit

Bezirksverband Nordschwarzwald S. 117

Außerordentlicher Bundesparteitag der

FDP, Nürnberg, 4. bis 5. Mai 2013

Seite 2

156 Ablehnung einer Frauenquote

Landesverband Thüringen S.119

Finanzen und Steuern

200 Haushaltskonsolidierung

Landesverband Hessen S. 121

201 Liberale Eckpunkte zur grundlegenden Neuordnung der Finanzverfassung im deutschen Föderalismus

Bundesfachausschuss Finanzen und Steuern, Landesverband Bremen, Landesverband Hamburg

S. 123

202 Beibehaltung des Privatkundengeschäfts der Bundesschuldenverwaltung

Landesverband Thüringen

S. 127

Soziales

300 Schritte zur Inklusion. Für mehr Teilhabe und O ffenheit - Gegen Barrieren auf dem Weg und Schranken in den Köpfen

Bundesvorstand

S. 129

301 Für eine neue Familienpolitik in Deutschland!

Landesverband Thüringen S. 133

302 Kindererziehungszeiten bei der Rentenberechnung berücksichtigen

Bundesvorstand Bundesverband Liberale Senioren

S. 135

303 Neuregelung der Urlaubsabgeltung bei dauerhaft erkrankten Arbeitnehmern

Bezirksverbände Rhein-Main und Südhessen-Starkenburg

S. 137

Gesundheit

350 Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen verminde rn

Landesverband Niedersachsen S. 139

351 Mundgesundheit für Pflegebedürftige und Mensche n mit Behinderung verbessern - Versorgungslücken in der Gesetzlichen Krankenversicherung schließen.

Landesverband Thüringen

S. 141

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Innen und Recht

400 Einsatz von Elementen direkter Demokratie

Bezirksverband Westhessen-Nassau S. 143

Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie

450 BAföG - Einfach, praktisch, gerecht

Bundesvorstand Bundesverband der Liberalen Hochschulgruppen S. 147

451 10 Schritte für Bologna - Studienqualität jetzt ! Bundesvorstand Bundesverband Liberale Hochschulgruppen

S. 151

452 Eigenverantwortung, Vielfalt und Wettbewerb im Schulwesen

Landesverband Bremen, Kreisverband Baden-Baden, Eckhard Behrens, Gregor Beyer, Norbert Bläsner, Christiane Brunk, Andreas Büttner, Dr. Dr. Magnus Buhlert, Mirco Dragowski, Gabriele Heise, Pascal Kober, Gino Leonhard, Patrick Meinhardt, Dirk Niebel, Birgit Sandner-Schmitt, Hans-Werner Schwarz, Michael Theurer, Dr. Florian Toncar, Marion Vogdt, Dr. Manfred Vohrer

S. 155

Umwelt und Raumordnung

500 Rahmenbedingungen für Frack-Verfahren - Ängste und Sorgen der Menschen ernst nehmen

FDP Landesverband Niedersachsen

S. 163

501 Quotenmodell - Gesetzesinitiative für eine marktwirtschaftliche Reform der Energieförderung

Landesverband Hessen

S. 165

Stadtentwicklung und Wohnungswesen

550 Qualität am Bau stärken - vorbereitende Ingenieurleistungen in HOAI ordnen

Landesverband Thüringen

S. 167

Verkehrspolitik

600 Nein zur Innenstadt-Benutzungsgebühr (City-Maut )

Landesverband Baden-Württemberg S. 169

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Medienpolitik, Netzpolitik und Digitale Gesellschaf t

750 Die FDP fordert eine Struktur-, Finanz- und Programmreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Landesverband Bremen

S. 171

Grundsätzliches

800 Einrichtung eines BFA Europapolitik

Landesverband Rheinland-Pfalz S. 173

801 Gemeinsamer europäischer Spitzenkandidat der Li beralen für die Europawahlen 2014

Bezirksverband Nordschwarzwald

S. 175

802 Für ein Europa der Kommunen

Bezirksverbände Altona, Hamburg-Mitte, Hamburg-Nord S. 177

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Antrag L001

Betr.: Bürgerprogramm 2013

Antragsteller: Bundesvorstand

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Bürgerprogramm 2013 1

Inhaltsverzeichnis 2

I. Wachstum, damit jeder aufsteigen kann 3

1. Die Grundlage für unseren Wohlstand – stabiles Geld 4

2. Aus Verantwortung für heute und morgen – Schuldenberge abbauen 5

3. Entlastung für den Aufstieg 6

4. Mittelstand stärken, industrielle Basis erhalten, Arbeitsplätze schaffen 7

5. Impulsgeber für ein neues Zeitalter — bezahlbare und sichere Energie 8

6. Ordnungspolitik für das 21. Jahrhundert – neue Regeln für Finanzmärkte 9

7. Vielfalt der Regionen erhalten, Chancen der Demographie nutzen, ländliche 10 Räume stärken 11

8. Gemeinsam wachsen — frei handeln 12

II. Chancen, damit jeder über sich hinaus wachsen kann 13

1. Chancen ergreifen — lebenslange Bildung 14

2. Der Einstieg zum Aufstieg – Chancen am Arbeitsmarkt 15

3. Chancen schaffen statt Mangel verwalten — Soziale Sicherheit für alle 16

4. Chancen nutzen – gemeinsam gesund leben 17

III. Vielfalt, damit jeder eine Wahl hat 18

1. Verantwortung stärken – in Familien und Verantwortungsgemeinschaften 19

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2. Bürgerschaftliches Engagement stärken 20

3. Vielfalt leben — Miteinander in einer offenen Bürgergesellschaft 21

4. Einwanderung und Integration in einem vielfältigen, offenen Deutschland 22

5. Medien und Kultur als Spiegel der Vielfalt — Kultur von allen, Kultur für alle 23

IV. Freiheit, damit jeder seinen Weg gehen kann 24

1. Grundrechte in der digitalen Welt 25

2. Modernes Recht für eine moderne Gesellschaft 26

3. Mehr Freiheit – liberale Innenpolitik 27

4. Transparenz und Information – für mündige Verbraucher und fairen Wettbe- 28 werb 29

V. Fortschritt, damit unser Land die Zukunft gewinnt 30

1. Die Zukunft gewinnen — neues Wissen durch Forschung und Entwicklung 31

2. Für die Zukunft bauen – Moderne Infrastruktur, bezahlbare Mobilität und 32 gutes Wohnen 33

3. Zukunft möglich machen — Umwelt-, Natur- und Klimaschutz für eine le- 34 benswerte Welt 35

4. Verantwortung für die eigenen Entscheidungen übernehmen — nachhaltig 36 handeln 37

VI. Verantwortung, damit Europa eine stabile und verlässliche Gemeinschaft 38 bleibt 39

1. Europa — liberales Versprechen und Verpflichtung 40

2. Vom gemeinsamen Währungsraum zur Stabilitätsunion 41

VII. Frieden, damit mehr Menschen mehr Chancen bekommen 42

1. In Verantwortung und Partnerschaft für mehr Frieden in der Welt 43

2. Menschenrechte sind das Fundament einer freien Gesellschaft 44

3. Freiheit schützen, Chancen schaffen – liberale Sicherheitspolitik 45

4. Partnerschaftlich Verantwortung übernehmen — weltweite Entwicklungszu- 46 sammenarbeit 47

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I. Wachstum, damit jeder aufsteigen kann 48

Die Freiheit des Einzelnen ist Grund und Grenze liberaler Politik. Deshalb 49 schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dass sich jeder Mensch in unserem 50 Land frei entfalten, Hindernisse überwinden und nach seinen Vorstellungen 51 glücklich werden kann. Wir wollen das Aufstiegsversprechen der Sozialen 52 Marktwirtschaft erfüllen: Dass jeder Mensch in unserem Land aus eigener 53 Kraft den Aufstieg schaffen kann. 54

Dabei sind wir auf dem richtigen Weg. Während Europa eine schwere Fi- 55 nanz- und Wirtschaftskrise erlebt, hat Deutschland in den vergangenen Jah- 56 ren eine Erfolgsgeschichte geschrieben: So viele Menschen in Arbeit wie noch 57 nie zuvor in der Geschichte, die besten Beschäftigungschancen für junge 58 Menschen in ganz Europa, ein solider Staatshaushalt, steigende Löhne und 59 steigende Renten. 60

Diese Erfolgsgeschichte wollen wir gemeinsam mit den Menschen in unse- 61 rem Land fortsetzen. Und deshalb verteidigen und stärken wir die Soziale 62 Marktwirtschaft gegen alle anderen, die auf den Staat setzen, anstatt auf die 63 Menschen zu vertrauen. Das ist die entscheidende Auseinandersetzung der 64 kommenden Jahre! 65

Wir stärken die Soziale Marktwirtschaft, weil sie die Grundlage ist für Wohl- 66 stand, Fortschritt und Wachstum in Deutschland – für das Streben jedes Ein- 67 zelnen nach Glück. Darum kämpfen wir für eine stabile Währung. Denn wir 68 wollen die Ersparnisse und die Altersvorsorge der Menschen sichern. Darum 69 sanieren wir unseren Staatshaushalt und werden so schnell wie möglich damit 70 beginnen, Schuldenberge abzubauen – weil wir an unsere Kinder und Kindes- 71 kinder denken. 72

Wir stärken unseren Mittelstand, weil er das Rückgrat unserer Wirtschaft ist 73 und gute, anständige Arbeit für die Menschen in unserem Land sichert. Und 74 wir entlasten Bürger, Selbständige und Unternehmer damit von Steuern und 75 Bürokratie. Damit am Ende des Monats etwas mehr Zeit und Geld bleibt – für 76 das eigene Zuhause, die eigene Vorsorge, die eigenen Träume. Damit Erfin- 77 der, Entdecker, Wagemutige und Kreative die Mittel und die Freiheit dazu ha- 78 ben, ihre Ideen zu verwirklichen. Und damit unser Land voran bringen. 79

Gemeinsam können wir es schaffen, Deutschland weiter nach vorn zu brin- 80 gen. Wir können Großes erreichen: Einen ausgeglichenen Bundeshaushalt, 81 Vollbeschäftigung, mehr Wohlstand und mehr Chancen für alle. Diese Ziele 82 liegen in Reichweite. Dazu wollen wir unseren Weg gemeinsam mit den Men- 83 schen in unserem Land entschlossen weitergehen – den Weg der Sozialen 84 Marktwirtschaft. 85

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1. Die Grundlage für unseren Wohlstand – stabiles 86

Geld 87

Stabiles Geld ist ein Eckpfeiler jeder freien und fairen Gesellschafts- und 88 Wirtschaftsordnung. Denn Inflation bedeutet die Vernichtung von Ersparnissen 89 und die Entwertung der eigenen Lebensleistung. Die Soziale Marktwirtschaft 90 ist ohne eine konsequente Politik der Geldwertstabilität daher nicht denkbar. 91 Denn Geldwertstabilität schützt die Einkommen und das Eigentum von Men- 92 schen mit kleinen Ersparnissen, der Geringverdiener und der Rentner. Inflation 93 hingegen ist die größte soziale Ungerechtigkeit, die man sich vorstellen kann. 94

Geldwertstabilität ist deutsche Staatsraison. Die Stabilitätskultur ist unsere 95 Mitgift für Europa. Unsere bittere historische Erfahrung ist: Kommt das Geld- 96 wesen in Unordnung, besteht die Gefahr, dass die ganze Gesellschaft in Un- 97 ordnung gerät – mit unabsehbaren politischen Folgen. Tief ist die Hyperinflati- 98 on der 20er Jahre und die Geldentwertung der unmittelbaren Nachkriegszeit 99 in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt. 100

Manche wollen zur Bekämpfung der Schuldenkrise alle Geldschleusen öffnen 101 und die Schulden weginflationieren. Neben der amerikanischen Notenbank ha- 102 ben die Europäische Zentralbank (EZB), die japanische und die britische Zen- 103 tralbank ihre Geldmengen extrem ausgeweitet. Eine derart große Menge an 104 Geld erhöht die Inflationsgefahr. 105

Eine dauerhafte Staatsfinanzierung durch die Notenpresse ist grundfalsch. 106 Das wäre der Weg in die Inflationsunion. Wir wollen hingegen den Weg der 107 Sozialen Marktwirtschaft weiter gehen: Für stabiles Geld und für sichere Er- 108 sparnisse. 109

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 110

• Wir wollen die schwarze Null beim Staatsdefizit und den Einstieg in die 111 Tilgung unserer Schulden so schnell wie möglich erreichen. Wir stehen 112 für solide, stabile Haushalte und die Tilgung unserer Altschulden. Denn 113 weniger Staatsschulden sind der beste Schutz vor Inflation. Durch einen 114 konsequenten Einsatz für mehr Wachstum stärken wir die Grundlagen 115 unseres Wohlstandes in Deutschland und Europa – und schaffen die 116 Basis für solide Haushalte und eine stabile Währung. b 117

• Wir verteidigen die Unabhängigkeit der EZB. Die EZB bleibt der Geld- 118 wertstabilität verpflichtet. Eine Staatsfinanzierung durch die EZB und da- 119 mit die Sanierung der Staatshaushalte durch Inflation lehnen wir mit aller 120 Entschiedenheit ab. b 121

• Wir möchten die Bundesbank im EZB-Rat stärken. Heute hat die Bun- 122 desbank im Rat der EZB nur eine von 17 Stimmen, obwohl Deutschland 123

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über ein Viertel des Haftungsrisikos trägt. Das ist nicht angemessen und 124 soll sich ändern. Bei außergewöhnlichen Entscheidungen wie dem Auf- 125 kauf von Staatsanleihen brauchen die Bundesbank und die anderen gro- 126 ßen Zentralbanken eine Veto-Möglichkeit. b 127

• Wir stehen für eine Stabilitätsunion mit soliden Haushalten und Finan- 128 zen. Eine Haftungsunion wird es mit uns nicht geben. Eine gesamt- 129 schuldnerische Haftung für Staatsanleihen der Mitgliedstaaten, wie über 130 Eurobonds oder einen Altschuldentilgungsfonds, lehnen wir Liberalen 131 aus politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen ab, heute ge- 132 nauso wie in der Zukunft. Stattdessen sind weitere Strukturreformen an- 133 gezeigt, damit Europa aus eigener Kraft aus seinen Schulden heraus 134 wachsen kann. b 135

• Wir wollen die Geldwertwertstabilität ins Grundgesetz aufnehmen. Geld- 136 wertstabilität ist für die wirtschaftliche Freiheitsentfaltung der Bürger ent- 137 scheidend. b 138

2. Aus Verantwortung für heute und morgen – 139

Schuldenberge abbauen 140

Es steht heutigen Generationen nicht zu, kommenden Generationen ihren 141 Weg durch Schuldenberge zu verbauen. Das hat die Schuldenkrise Europas 142 uns gezeigt: Wir müssen damit aufhören – in Deutschland und Europa – im- 143 mer weiter unseren Lebensstandard heute auf Kosten der Zukunft zu finan- 144 zieren. 145

Wir wollen die Schuldenuhr anhalten. Und dann Stück für Stück zurück dre- 146 hen. Deshalb haben wir mit großer Entschiedenheit für die Einführung der 147 Schuldenbremse und für die Konsolidierung des Staatshaushaltes gekämpft. 148 Weil der Staat am Ende nicht mehr ausgeben soll als er einnimmt. Deshalb 149 haben wir die immer neuen Forderungen nach höheren Ausgaben abgewehrt 150 und uns dafür eingesetzt, dass Mehreinnahmen in den Schuldenabbau flie- 151 ßen. Und gleichzeitig haben wir Städte und Gemeinden neue finanzielle Spiel- 152 räume eröffnet und die Überschuldung unserer Kommunen gestoppt. Allein 153 durch die Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter haben wir 154 das größte Entlastungsprogramm seit der Wiedervereinigung für Kommunen 155 aufgelegt. Wir haben die Kommunen jährlich um vier Milliarden Euro entlastet 156 und geben ihnen wieder mehr Luft zum Atmen. 157

Im Vergleich zur Planung der schwarz-roten Vorgängerregierung im Jahr 158 2009 haben wir die Neuverschuldung in den vergangenen Jahren mehr als 159 halbiert. Das bedeutet über 160 Milliarden Euro weniger Schulden. Für 2014 160 haben wir einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorgelegt – das erste Mal 161 seit 40 Jahren. 162

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Gutes Wachstum und eine solide Haushaltspolitik – das ist der Weg zum 163 Schuldenabbau. Neue Staatsaufgaben dürfen nur beschlossen werden, wenn 164 ihre Finanzierung auch langfristig gesichert ist. Eine Gefälligkeitspolitik, die 165 heute verspricht was morgen teuer bezahlt werden muss, hat uns erst in die 166 Abhängigkeit von Finanzmärkten geführt. Die Handlungsfähigkeit eines haus- 167 halterisch soliden Staats gibt uns auch den Freiraum für eine Stärkung des 168 Föderalismus, mehr kommunale Selbstverwaltung und die Einführung eines 169 echten Konnexitätsprinzip. Deshalb wollen wir nach einer noch schnelleren 170 Konsolidierung umgehend mit der Entschuldung von Bundes- und Länder- 171 haushalten beginnen. Damit wir unsere eigene Freiheit und unsere Chancen 172 nicht verspielen — und auch nicht die unserer Nachkommen. 173

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 174

• Wir wollen den Kurs der Haushaltskonsolidierung weiter fortsetzen und 175 jetzt so schnell wie möglich damit beginnen, den Schuldenberg abzu- 176 bauen. b 177

• Direkte Beihilfen dürfen nur noch befristet gewährt und möglichst mit ei- 178 nem festen Abbaupfad verbunden werden. Eine Fortsetzung der Hilfen 179 erfordert einen neuen Beschluss des Parlaments. Wir wollen weiter Sub- 180 ventionen abbauen sowie Effizienz- und Einsparpotentiale in der Öffentli- 181 chen Verwaltung heben. b 182

• Mit einer „neuen Nachhaltigkeitsformel“, der Sparregel, wollen wir den 183 Weg für eine effiziente und dauerhafte Sanierung der Staatsfinanzen 184 ebnen. Dazu wollen wir sicher stellen, dass reale Steuermehreinnah- 185 men, die aus Wachstum entstehen, ausschließlich für den Schuldenab- 186 bau und Investitionen verwendet werden. Nur so können wir das Vorha- 187 ben einer schuldenfreien Nation tatsächlich zu einem Generationenpro- 188 jekt machen, unabhängig von allen tagespolitischen Konflikten und Inter- 189 essen. b 190

• Wir Liberale stehen dafür ein, die Belastung der Menschen und Unter- 191 nehmen durch Steuern und Abgaben nicht zu erhöhen. Um schleichen- 192 de Steuererhöhungen durch die sogenannte Kalte Progression zu ver- 193 hindern, muss der Einkommensteuertarif regelmäßig angepasst werden. b 194

• Im Grundgesetz wollen wir den Halbteilungsgrundsatz verankern. Denn 195 mehr als die Hälfte des Einkommens über Ertragsteuern an den Staat 196 abzuführen ist unverhältnismäßig und leistungsfeindlich. Deshalb brau- 197 chen wir neben der Schuldenbremse auch eine Steuerbremse zum 198 Schutz der Bürger, damit andere politische Mehrheiten sie nicht maßlos 199 mit Steuern belasten. b 200

• ·Die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen wol- 201 len wir umfassend neu ordnen. Dieses Vorhaben hat nur Aussicht auf 202 Erfolg, wenn Bund, Länder und Kommunen es im Rahmen einer neuen 203 Föderalismuskommission gemeinsam, partnerschaftlich und entschlossen 204

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angehen. Im Vordergrund stehen dabei eine Reform des Bund-Län- 205 der-Finanzausgleichs, der Ausbau der Finanzautonomie der Länder und 206 ein fairer föderaler Wettbewerb. Unser Ziel ist es, zwischen Bundes- 207 und Landessteuern stärker zu trennen. Gleichzeitig wollen wir in unserer 208 Verfassung ein echtes Konnexitätsprinzip verankern: Gemeinden dürfen 209 von Bund oder Ländern nur noch mit zusätzlichen Aufgaben betraut 210 werden, wenn die Finanzierung durch den Gesetzgeber gewährleistet 211 ist. Schließlich muss gelten: Wer bestellt, der bezahlt. b 212

3. Entlastung für den Aufstieg 213

Chancen schaffen wir, indem wir Hindernisse beseitigen und Belastungen 214 vermindern, die den Menschen ihren Aufstieg erschweren. Deshalb kämpfen 215 wir Liberalen entschieden gegen zusätzliche Belastungen der Bürger und Un- 216 ternehmen – und für den Abbau von Bürokratie, für die Vereinfachung des 217 Steuersystems und für die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger. 218

Darum haben wir mit der Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderfreibe- 219 trages die Familien in unserem Land um jährlich 4,6 Milliarden Euro entlastet. 220 Für eine vierköpfige Familie bedeutet das: mindestens 480 Euro mehr im 221 Jahr. Die schrittweise Absenkung der Rentenversicherungsbeiträge hat eine 222 weitere jährliche Entlastung von acht Milliarden Euro gebracht. Wir haben die 223 steuerlichen Rahmenbedingungen für mittelständische Unternehmen verbes- 224 sert, die Bürokratiekosten in Deutschland um elf Milliarden Euro abgebaut und 225 die Staatsquote von 48,1 auf 45,2 Prozent gesenkt. Erste Schritte zur Verein- 226 fachung des Steuerrechts sind umgesetzt, die Arbeitnehmerpauschale wurde 227 von uns auf 1.000 Euro erhöht. 228

Mit unserer Politik haben wir neue Freiräume geschaffen, damit die Men- 229 schen in unserem Land ihre Kraft und Kreativität frei entfalten können. Wir 230 haben, gegen große Widerstände, ihnen das Leben ein Stück weit vereinfacht 231 und Belastungen abgebaut. Wir haben die Menschen und damit die Wachs- 232 tumskräfte in unserem Land gestärkt – und dadurch auch die Voraussetzun- 233 gen für einen stabilen Aufschwung und eine nachhaltige Haushaltskonsolidie- 234 rung geschaffen. Das wollen wir weiter tun. 235

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 236

• Unser Ziel bleibt die Entlastung der arbeitenden Mitte. Eine höhere 237 Steuerbelastung für Bürger und Unternehmen lehnen wir entschieden 238 ab. Hohe Steuersätze führen nicht automatisch zu höheren Staatsein- 239 nahmen, sondern verhindern Wachstum, vernichten Arbeitsplätze und 240 gefährden damit die Existenz zahlloser Arbeitnehmer und ihrer Familien. 241 Die Einführung von EU-Steuern wird von uns konsequent abgelehnt. b 242

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• Wir sehen nach wie vor die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform 243 des Einkommen- und des Unternehmensteuerrecht. Dabei setzen wir auf 244 ein konsistentes, transparentes und einfaches Steuerrecht mit modera- 245 ten Sätzen und wenigen Ausnahmen – idealerweise in einem Stufenta- 246 rif. Die Haushaltskonsolidierung hat allerdings Vorrang. b 247

• Eine weitere Vereinfachung des Steuerrechts spart Bürgern und Unter- 248 nehmen Zeit, Nerven und Kosten. Dazu wollen wir insbesondere Pau- 249 schalen weiter anheben und Ausnahmetatbestände abschaffen, um so 250 das System klarer, gerechter und verständlicher zu machen. b 251

• Wir wollen die Kalte Progression bekämpfen. Derzeit ist es so, dass die 252 Menschen trotz Lohnerhöhungen unter Umständen weniger in der Ta- 253 sche haben, weil das zusätzliche Einkommen durch automatische Steu- 254 ererhöhung und die Inflation wieder aufgefressen wird. Wir wollen des- 255 halb die Auswirkungen der Kalten Progression alle zwei Jahre überprü- 256 fen und den Einkommensteuertarif anpassen, damit der Staat sich nicht 257 auf Kosten der Bürger an der Inflation bereichert. b 258

• Anstrengung soll sich lohnen. Die Steuerklasse V, die die Aufnahme ei- 259 ner Erwerbstätigkeit besonders für Frauen nach einer Familienpause 260 steuerlich häufig unattraktiv erscheinen lässt, wollen wir deshalb ab- 261 schaffen. Familien müssen leistungsgerecht besteuert werden. Die Frei- 262 beträge der Kinder sollen schrittweise auf das Niveau der Freibeträge 263 von Erwachsenen angehoben werden. Das Ehegattensplitting … b 264

Varianten zur Abstimmung auf dem a.o. Bundesparteitag, 4. bis 5. Mai 2013: 265

Variante A 266

…wollen wir beibehalten. Kinder sollen den gleichen steuerlichen Freibetrag 267 wie Erwachsene erhalten. 268

Variante B 269

… soll zu einem Realsplitting weiterentwickelt werden. Dabei werden Ehegat- 270 ten und eingetragene Lebenspartner individuell besteuert, können aber jeweils 271 zur Einkommensteuerberechnung einen Teil ihres Einkommens auf den ande- 272 ren Partner übertragen, um die Progression abzumildern. Durch die Höhe die- 273 ser Übertragungsmöglichkeit wird der Splittingvorteil begrenzt. Die eingespar- 274 ten Mittel wollen wir zur Erhöhung der Kinderfreibeträge verwenden. 275

• Ein verschärftes Erbschaftsteuerrecht sowie eine Vermögensabgabe 276 und eine Vermögensteuer wären gerade für kleine und mittelständische 277 Unternehmen eine untragbare Belastung und würden zu einem massiven 278 Abfluss von Kapital und Vermögen aus Deutschland führen und viele 279 Arbeitsplätze vernichten. Das lehnen wir ab. b 280

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• Wir wollen das Grundsteuerrecht reformieren, das heutige Bewertungs- 281 gesetz abschaffen und den Kommunen flexible Hebesätze einräumen, 282 mit denen die Verhältnisse vor Ort und die Art der Nutzung berücksich- 283 tigt werden können. Das soll nicht zu einer Erhöhung des Grundsteuer- 284 aufkommens führen. Die Gewerbesteuer wollen wir in ein kommunales 285 Einkommen- und Körperschaftsteuersystem überführen. Ein erster Schritt 286 hierzu ist die Beseitigung der heutigen Hinzurechnungsbesteuerung. Die 287 derzeitige ertragsunabhängige Besteuerung zum Beispiel von Mieten 288 und Zinsen führt effektiv zu einer Substanzbesteuerung – und bedroht 289 damit gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten die Existenz insbeson- 290 dere kleiner und mittelständischer Unternehmen. b 291

• Die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge hat sich bewährt. Sie ermöglicht 292 eine international abgestimmte Kapitalbesteuerung, verhindert Steuerhin- 293 terziehung und vermeidet datenschutzrechtlich bedenkliche Kontrollmaß- 294 nahmen. Durch Heraufsetzung der Freibeträge für Kapitalerträge aus 295 Zinsen und Dividenden möchten wir den privaten Haushalten einen An- 296 reiz zur Altersvorsorge bieten. b 297

4. Mittelstand stärken, industrielle Basis erhalten , 298

Arbeitsplätze schaffen 299

Die Soziale Marktwirtschaft schafft Chancen, damit sich jeder Mensch in un- 300 serem Land frei entfalten kann. Wir wollen Vollbeschäftigung erreichen, damit 301 jeder die Chance bekommt, durch eigene Anstrengung aufzusteigen und sei- 302 ne Lebensverhältnisse zu verbessern. Voraussetzung dafür ist aber eine star- 303 ke, dynamische und innovative Wirtschaft, die Arbeit schafft und Chancen 304 zum Ein- und Aufstieg bietet. Deshalb wollen wir den Industriestandort 305 Deutschland und den Mittelstand – das Rückgrat unserer Wirtschaft – weiter 306 stärken sowie das Handwerk als Wirtschaftsfaktor voranbringen. Deshalb 307 kämpfen wir gegen planwirtschaftliche Tendenzen und gegen alle Schritte in 308 Richtung auf Einheitslöhne, Einheitskassen und Einheitsrenten. Stattdessen 309 setzen wir auf mehr Wettbewerb und auf die Kraft liberaler Ordnungspolitik. 310 Das schafft Chancen, Perspektiven und Zukunft. 311

Die deutsche Wirtschaft und ein starker Mittelstand haben uns schneller aus 312 der Krise geführt als nahezu alle anderen Staaten der Welt. Das Engagement 313 von Familienunternehmern, Selbständigen und Freiberuflern hat Millionen Ar- 314 beitsplätze gesichert und neue geschaffen. Dass dies möglich war, ist auch 315 ein Verdienst liberaler Wirtschaftspolitik. Wir haben die Unternehmen in 316 Deutschland entscheidend bei den Bürokratiekosten entlastet, Krisen ver- 317 schärfende Vorschriften in der Unternehmensteuer beseitigt und Existenz be- 318 drohende Regeln im Erbrecht ausgeräumt. Eingriffe in die Soziale Marktwirt- 319 schaft zugunsten großer Konzerne wie Opel, Karstadt oder Schlecker haben 320

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wir unterbunden. Wir setzen uns ein für mehr Wettbewerbsfähigkeit und eine 321 sichere, bezahlbare Energieversorgung. Entschieden sind wir jedem Versuch 322 entgegen getreten, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu schwächen und 323 die Soziale Marktwirtschaft zu untergraben. 324

Die Freiheit unserer Wirtschaftsordnung stärkt auch die internationale Wettbe- 325 werbsfähigkeiten deutscher Unternehmen. Dafür haben wir das Insolvenzrecht 326 grundlegend überarbeitet, Kleinstunternehmen von unnötiger Bürokratie befreit 327 und bei Patenten, im Genossenschaftsrecht und bei den Verbraucherrechten 328 notwendige Anpassungen vorgenommen. 329

Gemeinsam haben wir so neue Einstiegs- und Aufstiegsmöglichkeiten für die 330 Menschen in unserem Land geschaffen: alleine 1,6 Millionen neue sozialversi- 331 cherungspflichtige Arbeitsplätze seit 2009. Diesen Weg erfolgreich gegangen 332 zu sein, ist der Verdienst von Arbeitnehmern, Unternehmern und Mittelständ- 333 lern. Es ist der Verdienst von Menschen, die sich jeden Tag neu anstrengen. 334 Diese Menschen machen uns stark. Und wir wollen diese Menschen weiter 335 stark machen. Dafür verteidigen wir die Soziale Marktwirtschaft. 336

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 337

Varianten zur Abstimmung auf dem a.o. Bundesparteitag, 4. bis 5. Mai 2013: 338

Variante A 339

• Die Erbschaft- und Schenkungsteuer wollen wir aufkommensneutral wei- 340 ter entwickeln und vereinfachen. Eine einheitliche Bemessungsgrundlage 341 nach dem Verkehrswert, verbunden mit moderaten Steuersätzen und an- 342 gemessenen Freibeträgen vermeiden dabei unnötige Bürokratie, schaf- 343 fen Rechtssicherheit bei der Unternehmensnachfolge und stärken das 344 Vertrauen in den Standort Deutschland. Bei jeder Unternehmensnachfol- 345 ge muss die Erbschaftsteuer aus den Erträgen erwirtschaftet werden 346 können. Das wollen wir durch Höchstgrenzen und vernünftige Stun- 347 dungsregeln garantieren. b 348

Variante B 349

• Wir wollen die Erbschaftsteuer zu einer echten Ländersteuer machen. 350 Die Länder können so viel besser auf regionale Unterschiede – bei- 351 spielsweise bei den Immobilienwerten – eingehen. Die Länder können 352 selbst entscheiden, ob und in welcher Höhe sie Erbschaftsteuer erhe- 353 ben. Einnahmen aus der Erbschaftsteuer fließen vollständig in den 354 Haushalt des jeweiligen Landes und bleiben beim Länderfinanzausgleich 355 außen vor. Das ist gleichzeitig ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Fi- 356 nanzautonomie der Länder. b 357

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• Wir wollen die Umstellung von der heutigen Soll-Besteuerung auf die 358 Ist-Besteuerung bei der Mehrwertsteuer, um die Liquidität mittelständi- 359 scher Betriebe zu sichern und die Verfolgung von Umsatzsteuerbetrug 360 erheblich zu erleichtern. Die gewachsenen Strukturen der Mehrwertsteu- 361 er sind zu überprüfen. Zur Herstellung der Wettbewerbsgleichheit in der 362 EU ist die einheitliche Anwendung eines reduzierten Mehrwertsteuersat- 363 zes erforderlich. b 364

• Im Jahr 2019 läuft der Solidaritätspakt aus. Bis zu diesem Zeitpunkt 365 werden die Aufbauhilfen Ost schrittweise vollständig abgebaut. Wir wol- 366 len den Solidaritätszuschlag ebenfalls schrittweise vollständig abbauen. b 367

• Die Unternehmensteuer muss wachstumsfreundlich modernisiert wer- 368 den. Dazu wollen wir sie möglichst rechtsform- und finanzierungsneutral 369 ausgestalten und für kleine und mittlere GmbHs die so genannte trans- 370 parente Besteuerung einführen. Danach könnten sich kleine und mittel- 371 ständische GmbHs vergleichbar mit Personenunternehmen besteuern 372 lassen. Bei der Konzernbesteuerung brauchen wir ein wettbewerbsfähi- 373 ges Gruppenbesteuerungsrecht nach österreichischem Vorbild. Umwand- 374 lungen innerhalb des Konzerns dürfen weder der Ertragsteuer noch der 375 Grunderwerbsteuer unterworfen werden. b 376

• Um die Eigenkapitalbildung in Personengesellschaften, die nach der 377 Einkommensteuer veranlagt werden, zu erleichtern, wollen wir eine steu- 378 ermindernde Eigenkapitalverzinsung umsetzen, wie sie in anderen euro- 379 päischen Ländern bereits erfolgreich verwirklicht wurde. Alle Aufwen- 380 dungen, die durch den Betrieb veranlasst wurden, müssen auch in Zu- 381 kunft im bisherigen Umfang abzugsfähig bleiben. b 382

• Wir wollen die Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Unterneh- 383 men weiter verbessern, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Die 384 Umsetzung der neuen Baseler Eigenkapital- und Liquiditätsanforderun- 385 gen (Basel III) muss mittelstandsfreundlich, unbürokratisch und Kosten 386 sparend erfolgen. Andernfalls würde die Kreditvergabe an kleine und 387 mittlere Unternehmen erschwert, obwohl Mittelstandskredite nachweislich 388 durch persönliche Haftung ein geringes Risiko bedeuten. Gemeinsam mit 389 den Bundesländern wollen wir die Finanzierung für kleine und mittlere 390 Unternehmen stärken und die Bagatellgrenze bei der Regionalförderung 391 weiter herabsetzen. b 392

• Der Fachkräftemangel wird in vielen Branchen zu einer Wachstums- 393 bremse, der viele Arbeitsplätze gefährdet. Fachkräftesicherung ist eine 394 gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie beginnt bei der Ausbildungsfähig- 395 keit von Jugendlichen, geht über die Vereinbarkeit von Familie und Be- 396 ruf über die Nutzung der Kompetenz von Senioren bis zu einem moder- 397 nen Einwanderungsrecht. Wir setzen dabei auf Stärkung von Bildung 398 und Qualifikation und auf einen flexiblen und familienfreundlichen Ar- 399 beitsmarkt. b 400

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• Wir beabsichtigen, die Innovationskraft des deutschen Mittelstandes 401 und der deutschen Industrie weiter zu stärken. Dafür unterstützen wir 402 die Entwicklung von Technologie- und Innovationsclustern durch die ziel- 403 gerichtete Vernetzung von Universitäten, Fachhochschulen und for- 404 schenden Einrichtungen mit möglichen Kapitalgebern. Die steuerlichen 405 Anreize für Venture Capital und Business Angels wollen wir verbessern 406 und im Rahmen der haushalterischen Möglichkeiten die steuerliche För- 407 derung von Forschung und Entwicklung intensivieren. Deutschland muss 408 jungen Unternehmen die Möglichkeit zur Entfaltung bieten und darf den 409 Anschluss bei der Hochtechnologie nicht verlieren. b 410

• Das Handwerk braucht faire Chancen. Dazu gehört der Zugang zu Fi- 411 nanzierungsquellen und öffentlichen Aufträgen. Die internationale Wett- 412 bewerbsfähigkeit des Handwerks beginnt dabei im eigenen Land. Des- 413 halb wollen wir die Standortbedingen vor Ort durch eine handwerksge- 414 rechte Verkehrspolitik, wirksame Fachkräftesicherung und den Abbau 415 von Bürokratie verbessern – wir wollen das Handwerk stärken. b 416

• Die Zukunft des Standorts Deutschlands hängt wesentlich davon ab, 417 dass wir die Innovationskraft von Industrie und Mittelstand stärken – und 418 nicht ausbremsen. Wir Liberalen setzen uns dafür ein, dass neue Ideen 419 und Geschäftsfelder eine Chance erhalten und nicht durch Bürokratie im 420 Keim erstickt werden. Insbesondere Start-Ups benötigen in der Grün- 421 dungsphase in erster Linie nicht nur finanzielle Zuwendungen, sondern 422 vor allem Freiräume – Freiräume vor überzogenen bürokratischen Anfor- 423 derungen, die Zeit und Geld verschlingen. b 424

• Die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der neuen Bundesländer 425 muss weiter verbessert werden, um ein selbsttragendes Wachstum nach 426 dem Auslaufen des Solidarpaktes 2019 zu ermöglichen. Hierfür muss es 427 weiterhin gezielte Fördermaßnahmen geben statt Gießkannenverteilung. 428 In der Internationalisierung der ostdeutschen Exportwirtschaft sehen wir 429 eine der Hauptaufgaben der Wirtschaftspolitik und -förderung. Steigende 430 Exporte tragen maßgeblich dazu bei, Wirtschaftswachstum und Beschäf- 431 tigung zu sichern. b 432

5. Impulsgeber für ein neues Zeitalter — bezahlba- 433

re und sichere Energie 434

Wachstum schafft neue Chancen. Darum wollen wir die Wettbewerbsfähig- 435 keit unserer Wirtschaft erhalten. Die im gesellschaftlichen Konsens beschlos- 436 sene Energiewende ist dabei eine Chance – sie erfolgreich zu gestalten ist 437 aber auch ein Kraftakt. Deutschland kann zu einem Impulsgeber für ein neues 438 Zeitalter werden. Wir müssen aber auch darauf achten, dass wir die Basis für 439 Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und den sozialen Zusammenhalt 440 nicht untergraben. Deshalb sind für uns Versorgungssicherheit und Bezahlbar- 441

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keit ebenso wichtig wie schnelle Fortschritte in Klimapolitik und Umweltschutz. 442 Wir Liberalen werden die Energiewende mit Engagement, Augenmaß und 443 Realismus zu einem Erfolg machen. 444

Weitere unnötige Kostensteigerungen werden wir verhindern, damit Energie 445 für alle Bürger und die Industrie bezahlbar bleibt. Wir werden nicht zulassen, 446 dass Energiepreise zur sozialen Frage werden. Jeder von den Menschen zu 447 viel bezahlte Euro für Energie fehlt ihnen, um ihre eigenen Träume und Ziele 448 zu verwirklichen. Jeder von der Wirtschaft zu viel bezahlte Euro für Energie 449 macht das Leben teurer und gefährdet Arbeitsplätze. Deshalb müssen wir den 450 Zeitplan und die Steuerungswirkung aller Fördermaßnahmen regelmäßig über- 451 prüfen und, wenn notwendig, anpassen. 452

Weil wir Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit wollen, haben wir den not- 453 wendigen finanziellen Rahmen für die beschleunigte Energiewende geschaf- 454 fen und den Netzausbau gesetzlich neu geregelt. Dabei stellen wir den be- 455 schleunigten Ausbau der Energienetze bei gleichzeitiger Beteiligung der Bür- 456 ger sicher. Wir haben neue Programme zur CO2-Gebäudesanierung, zur Er- 457 forschung und Entwicklung erneuerbarer Energien sowie neuer Speichertech- 458 nologien aufgelegt. Zusätzlich haben wir beim Erneuerbare-Energien-Gesetz 459 (EEG) bereits mehr Wettbewerb durchgesetzt – und arbeiten weiter daran, die 460 von Rot-Grün verordnete teure Überförderung zu bremsen. Wir wollen mehr 461 Markt und raus aus der Planwirtschaft. Die Festlegung von Strompreisen 462 durch die Politik darf kein Dauerzustand sein. 463

Liberale Energiepolitik sorgt dafür, dass die Energieversorgung sicher, sauber 464 und bezahlbar bleibt. 465

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 466

• Der Staat darf sich an steigenden Energiekosten nicht bereichern. Wir 467 wollen deshalb die aufkommensneutrale Absenkung der Stromsteuer. 468 Sie soll in dem Umfang gesenkt werden, wie der Bund Umsatzsteuer- 469 mehreinnahmen durch die steigende EEG-Umlage erzielt. Auch die Län- 470 der müssen sich an der Rückgabe der Mehreinnahmen an den Steuer- 471 zahler beteiligen und sich daher im Bundesrat auf die Zustimmung zur 472 steuerlichen Entlastung der Bürger bei der energetischen Sanierung von 473 Gebäuden einigen. b 474

• Um den gesamten Energiemarkt marktwirtschaftlicher zu gestalten, ist 475 eine zügige und grundlegende Reform des EEG erforderlich. Dazu ha- 476 ben wir in der vergangenen Legislaturperiode ein Reformkonzept vorge- 477 legt. Die erneuerbaren Energien sollen schneller und konsequenter als 478 bisher an den Markt herangeführt werden. Unser Ziel ist es, dass die Er- 479 neuerbaren im Markt sind, wenn das letzte Kernkraftwerk abgeschaltet 480 ist. Wir Liberalen stehen dabei für Rechtssicherheit und Vertrauens- 481

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schutz in getätigte Investitionen. Alle Reformvorschläge beziehen sich 482 daher stets nur auf Neuanlagen. Bei der Weiterentwicklung des Förder- 483 systems werden wir insbesondere die Finanzierungsmöglichkeiten klei- 484 ner und mittelständischer Unternehmen berücksichtigen. b 485

• Es soll ein klarer Stufenplan entwickelt werden, mit dem zügig und 486 planbar alle Anlagengrößen und Technologien zwingend von der festen 487 Einspeisevergütung in die Direktvermarktung wechseln sollen. Dabei be- 488 darf es geeigneter Konzepte, um kleinere Anlagen vom administrativen 489 Aufwand der Direktvermarktung zu entlasten. Gleichzeitig sollen die Di- 490 rektvermarktungsinstrumente für erneuerbare Energien weiterentwickelt 491 werden. Die bisherige EEG-Marktprämie ist durch einen Marktzuschlag 492 auf den Börsenpreis zu ersetzen. Er sollte degressiv ausgestaltet sein 493 und nach Technologien, aber nicht mehr nach Anlagengrößen unter- 494 scheiden. b 495

• Einspeisevergütungen und Marktzuschläge sind bei allen Technologien 496 einer deutlich höheren Vergütungsabsenkung pro Jahr für Neuanlagen 497 zu unterwerfen. Der künftige Ausbau der erneuerbaren Energien soll 498 gleichmäßiger und ohne Überhitzungen erfolgen. Der „atmende Deckel“ 499 als automatischer Anpassungsmechanismus soll deshalb von der Photo- 500 voltaik auf alle Technologien ausgeweitet werden. Erreicht eine Techno- 501 logie die Ausbauziele, so ist die Förderung aus dem EEG zu beenden. 502 Ausnahmen sind nur bei Anlagen denkbar, die über die Energieprodukti- 503 on hinaus noch wichtige Aufgaben übernehmen. b 504

• Wir Liberalen sprechen uns dafür aus, den EU-Binnenmarkt auch für 505 erneuerbare Energien entschieden voranzubringen. Wir streben einen 506 garantierten Mindestanteil erneuerbarer Energien im gesamten Binnen- 507 markt an. Die Einführung eines europäischen Fördermodells – auch in 508 Form eines Mengenmodells – ist durch eine Mehrheitsentscheidung der 509 Mitgliedsstaaten möglich. Sollte sich eine europäische Lösung absehbar 510 nicht realisieren lassen, soll Deutschland seinerseits ein nationales Men- 511 genmodell zügig umsetzen. b 512

• Ausnahmen von EEG-Umlage und Stromsteuer insbesondere für ener- 513 gieintensiv produzierende Unternehmen, die im internationalen Wettbe- 514 werb stehen, sind zur Sicherung von Beschäftigung und Wirtschafts- 515 wachstum am Industriestandort Deutschland unverzichtbar, so lange 516 Deutschland in der Energie- und Klimapolitik eine Vorreiterrolle einnimmt. 517 Anderenfalls drohen Arbeitsplatzverluste durch Abwanderung der Indus- 518 trie. Es war auch richtig, den industriellen Mittelstand mit Großkonzernen 519 in der Industrie gleichzustellen. b 520

• Wir unterstützen nachdrücklich die Entwicklung einer Partnerschaft im 521 Bereich der erneuerbaren Energien mit Nordafrika. Der Solarplan der 522 Union für das Mittelmeer beziehungsweise das DESERTEC-Projekt kön- 523

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nen langfristig einen Beitrag zur Diversifizierung des Energieangebots 524 und zur Stabilität der Stromversorgung leisten. b 525

• Mit der Einführung eines bundesweit koordinierten Netzentwicklungs- 526 plans, der Grundlage für einen Offshore-Netzentwicklungsplan und zahl- 527 reicher gesetzlichen Vorkehrungen für eine Beschleunigung der Pla- 528 nungs- und Genehmigungsverfahren haben wir wesentliche Vorkehrun- 529 gen für einen beschleunigten Netzausbau getroffen. Nun kommt es dar- 530 auf an, dass die Ausbauprojekte zügig von den Netzbetreibern realisiert 531 werden. Dabei sind auch die Länder in der Pflicht, die vorhandenen In- 532 strumente für eine zügige Umsetzung vollumfänglich zu nutzen. Durch 533 die Einführung von speziellen Netz-Genossenschaften kann dabei aus 534 dem lokalen Netzausbau im wahrsten Sinne des Wortes ein Gemein- 535 schaftsprojekt werden. b 536

• Die Dezentralisierung bietet die Chance, den Wettbewerb zu stärken 537 und die Energiemärkte für den Mittelstand zu öffnen. Wir unterstützen 538 die Weiterentwicklung der Versorgungsnetze zu intelligenten Netzen 539 (smart grids) die aktiv auf unterschiedliche Energienachfrage reagieren 540 und damit die Effizienz der im Netz eingesetzten Energie erhöhen. b 541

• Der Bundesnetzagentur soll sofort die Möglichkeit eingeräumt werden, 542 bei instabilen Netzverhältnissen den Einspeisevorrang für neue Großan- 543 lagen per Beschluss regional und befristet außer Kraft setzen zu kön- 544 nen. Das schafft einen Anreiz, Großanlagen der regionalen Nachfrage 545 entsprechend zu bauen. Der Einspeisevorrang ist ansonsten zu erhal- 546 ten, um kleinen Anbietern eine faire Chance zu geben und den Druck 547 auf die Netzbetreiber zum Netzausbau zu erhalten. b 548

• Nicht nur Kilowattstunden, sondern auch die Bereitstellung von Leistung 549 muss honoriert werden. Die Regulierung des Stromnetzes muss solche 550 Marktmodelle zur Stabilisierung des Stromnetzes ermöglichen. Diese sol- 551 len hinsichtlich der Ausgestaltung aber die Interessen der Verbraucher 552 berücksichtigen. b 553

• Wir wollen die Chancen zur Energiespeicherung nutzen. Deshalb unter- 554 stützen wir gute Rahmenbedingungen für Power-to-Gas-Modelle ebenso 555 wie für Pumpspeicher-Kraftwerke oder die kurzfristige Speicherung von 556 Strom mittels Batterietechnik oder anderer einsatzfähiger effizienter Spei- 557 chermöglichkeit. b 558

• Die Umsetzung des Energiekonzeptes kann nicht isoliert nur im Strom- 559 sektor erfolgen. Eine Reform des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes ist über- 560 fällig. Wir brauchen eine klare Perspektive für die Eigentümer und das 561 Handwerk. Wir wollen ein Mengenmodell einführen, das die Großhändler 562 von Öl und Gas verpflichtet, einen bestimmten Anteil erneuerbarer Wär- 563 me auf den Markt zu bringen. Diese Vorgabe können sie durch Biogas- 564 einspeisung selbst erbringen. Alternativ können sie Nachweise über 565 Wärmemengen von zertifizierten Anlagen anderer Technologien ankau- 566

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fen. Ordnungsrecht, das jeden Eigentümer im Gebäudebestand zur Nut- 567 zung erneuerbarer Wärme verpflichtet, lehnen wir ebenso wie Zwangs- 568 sanierungen ab. b 569

• Zu einem zukunftsfähigen Energiemarkt gehört auch die Steigerung der 570 Energieeffizienz in allen Bereichen. Die Anreize hierfür sollten zu aller- 571 erst aus dem Markt kommen. Auch in der Industrie wollen wir durch in- 572 tensivere Beratung und Know-how-Transfer der Unternehmen Energieef- 573 fizienz-Potenziale nutzen. Einen Schwerpunkt werden wir in der mittel- 574 ständischen Wirtschaft setzen. b 575

• Die Umsetzung der Energieeffizienz-Richtlinie der EU in deutsches 576 Recht muss dem Prinzip „Anreiz statt Zwang“ folgen. Alle Maßnahmen 577 sollen dem einzelnen Bürger und dem einzelnen Unternehmen so viele 578 Entscheidungsspielräume wie möglich lassen. Die bestehenden Maßnah- 579 men müssen voll auf die europäischen Vorgaben angerechnet werden. b 580

• Die Gewinnung von Schiefergas durch Fracking ist eine Chance, die 581 zum Gelingen der Energiewende beitragen kann. Sie wird aber in einem 582 dicht besiedelten Land wie Deutschland nur dann einsetzbar sein, wenn 583 gesellschaftliche Akzeptanz und höchste Umweltstandards gewährleistet 584 sind. Dafür wollen wir einen sachgerechten und verantwortungsbewuss- 585 ten Rechtsrahmen schaffen. Von den eingesetzten und aufbereiteten 586 Stoffen dürfen keine toxischen Gefahren ausgehen. Insbesondere darf 587 es keine Gefährdung des Grund- und Trinkwassers geben. In Wasser- 588 schutzgebieten wollen wir Fracking grundsätzlich ausschließen. b 589

6. Ordnungspolitik für das 21. Jahrhundert – neue 590

Regeln für Finanzmärkte 591

Ein leistungsfähiges und stabiles Finanzsystem ist in der Sozialen Marktwirt- 592 schaft unerlässlich für eine innovative und erfolgreiche Wirtschaft, die verläss- 593 liche Altersvorsorge der Menschen und die Finanzierung der öffentlichen 594 Hand. Es sorgt für einen nachfrage- und risikogerechten Zugang zu Finanz- 595 mitteln und gibt damit Raum für Investitionen und nachhaltige Formen der 596 Geldanlage. Ein funktionierendes Finanzsystem dient damit dem Fortschritt 597 und Wachstum von Wirtschaft und Gesellschaft. 598

Dafür brauchen wir freie, aber nicht ungeordnete Finanzmärkte. Die vergan- 599 gene Jahre haben gezeigt: Wir brauchen eine wehrhafte Soziale Marktwirt- 600 schaft, eine neue Ordnungspolitik für die Finanzmärkte des 21. Jahrhunderts. 601 Sie müssen wieder zu einem Instrument für Wachstum und Fortschritt wer- 602 den, das dem Menschen dient. Das deutsche Finanzsystem mit seinen drei 603 Säulen – Privatbanken, Genossenschaftsinstituten und Sparkassen – hat sich 604 dabei gerade in der Krise bewährt. Wir wollen dieses System stärken und 605

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dort, wo es Fehlentwicklungen gegeben hat, durch ein neues Ordnungsrecht 606 nachsteuern. 607

Deshalb sind wir in Deutschland voran gegangen. Mit einem Bankeninsol- 608 venzrecht für systemrelevante Banken haben wir Risiko und Haftung wieder 609 zusammen gebracht. Wir haben die Kontrolle der Ratingagenturen verbessert 610 und die Bankenaufsicht gestärkt. Sie bekommt stärkere Eingriffsrechte, wenn 611 Banken in einer Krisensituation sind. Und die Banken werden mit der neu ein- 612 geführten Bankenabgabe erstmals für die Kosten zur Bewältigung einer Fi- 613 nanzkrise herangezogen. 614

Wir haben die Lehren aus der Finanz- und Wirtschaftkrise gezogen und be- 615 reits vieles angepackt, um die Soziale Marktwirtschaft zu stärken. Die wich- 616 tigsten Maßnahmen zur Stabilisierung der Märkte sind eingeleitet oder werden 617 schrittweise eingeführt. Die Neuordnung der Finanzmärkte ist aber noch nicht 618 abgeschlossen. Deutschland braucht als Finanz- und Finanzierungsstandort ei- 619 ne dauerhafte Perspektive. Wir wollen das Finanzsystem noch besser gegen 620 Krisen rüsten. Dafür braucht es klare Regeln und planbare Rahmenbedingun- 621 gen. Chancen und Risiken müssen in einer gesunden Balance stehen. 622

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 623

• Globales Wirtschaften verlangt globale Finanzmärkte. Es braucht eine 624 nachhaltige Reform des Ordnungsrahmens im Bankensektor und an den 625 Finanzmärkten insgesamt, um Risiken für Konjunktur und wirtschaftliche 626 Entwicklung abzuwenden sowie gesellschaftliche Stabilität zu ermögli- 627 chen. Um eine effektive staatliche Kontrolle sicherzustellen, bedarf es 628 dazu einerseits international strenger Regeln und andererseits national 629 und international wettbewerbsfähige Institute, die ihrer wichtigen Finan- 630 zierungsfunktion nachkommen können. Dazu gehören effektive Risiko- 631 puffer und Risikomanagementsysteme für alle Marktteilnehmer, einschlie- 632 ßlich der Handelssysteme. Hinzu kommen transparente Abläufe und Ri- 633 siken, klare Verantwortlichkeiten und Haftungsregeln und eine effektive 634 Kontrolle. b 635

• Wir wollen die Aufsicht über Banken und andere Finanzinstitute weiter 636 verbessern. Bei der Umsetzung der gemeinsamen Europäischen Ban- 637 kenaufsicht legen wir strengen Wert auf eine strikte institutionelle Tren- 638 nung zwischen Zentralbank- und Aufsichtsfunktionen. Dazu gehört nicht 639 nur eine organisatorische Trennung, sondern vor allem die Einrichtung 640 eigenständiger Entscheidungsgremien in der Aufsichtssäule. Insbeson- 641 dere systemrelevante Banken sollen durch eine gemeinsame europäi- 642 sche Aufsicht kontrolliert werden. Ein Zugriff auf andere Banken muss 643 möglich sein, wenn die nationale Aufsicht in dem betreffenden Mitglieds- 644 staat nicht ausreicht, um systemische Risiken abzuwehren. b 645

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• Wir setzen uns dafür ein, dass die gemeinsame Europäische Banken- 646 aufsicht den höchsten rechtlichen Standards entspricht. Eine Vereinheitli- 647 chung darf nicht zu einer Aufweichung der Regeln führen. Gleichzeitig 648 muss der Wettbewerb verschiedener Bankensysteme und verschiedener 649 Geschäftsmodelle ebenso erhalten bleiben wie regionale oder grenz- 650 überschreitende Branchenstrukturen. Dazu gehören insbesondere die in 651 Deutschland bewährten Systeme der Sparkassen, Genossenschaftsban- 652 ken und Bausparkassen. b 653

• Einen Zugriff auf nationale Einlagensicherungsfonds oder den nationa- 654 len Restrukturierungsfonds lehnen wir ab. Die deutschen Sparer sollen 655 nicht mit ihrem Geld für das finanzielle Risiko anderer Bankensysteme 656 gerade stehen. Rettung- bzw. Kapitalisierungsmaßnahmen für Banken 657 aus den europäischen Rettungsschirmen sind nur bei gleichzeitiger Mit- 658 haftung des betreffenden Sitzstaates zulässig. b 659

• Um die Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit des Bankensektors in 660 Deutschland dauerhaft wiederherzustellen, müssen insbesondere auch 661 die krisengeschüttelten Landesbanken zeigen, ob ihre Strategie sinnvoll 662 ist. Weitere Subventionen zu Lasten privater Wettbewerber oder noch 663 höhere Belastungen des Steuerzahlers mit den Risiken der bereits ge- 664 stützten Institute, insbesondere bei der Rettung von Landesbanken, sind 665 nicht hinnehmbar und schaden dem Standort insgesamt. b 666

• Der Kapitalmarkt ist ein neben dem Bankensystem wichtiger Bestandteil 667 für die Finanzierung unserer Zukunft und der Altersvorsorge. Auch hier 668 wollen wir weiter an krisen- und zukunftsfesten Rahmenbedingungen ar- 669 beiten. Hierzu gehören auch Wagniskapital und Private Equity. Deutsch- 670 land verdankt seine starke Position im internationalen Wettbewerb nicht 671 nur Innovation, sondern auch dem Vertrauen in Investitionen und Pro- 672 duktion Made in Germany. b 673

• Neue Steuern können die Aufsichts- und Regelungslücken im Bereich 674 der Finanzmärkte nicht schließen. Wir sind gegen Steuermodelle, die 675 Bürokratie schaffen, nicht effektiv erhoben werden können – und am 676 Ende die Falschen treffen: die Betriebe, die Sparer und die Bürger, die 677 für ihr Alter vorsorgen. b 678

• Wir wollen die Rechte der Aktionäre an ihrem Unternehmen stärken. 679 Sie sind die Eigentümer. Die Manager sind ihre Verwalter. Dieses Ver- 680 hältnis muss sich in den Aktionärsrechten stärker widerspiegeln – auch 681 um nachhaltige und unter Risikogesichtspunkten verantwortbare Investiti- 682 onsentscheidungen zu befördern. Deshalb wollen wir beispielsweise den 683 Einfluss der Hauptversammlung auf die Vergütung des Managements 684 stärken, indem wir Vergütungen der Vorstände oberhalb bestimmter 685 Rahmenvorgaben und Beträge an die Zustimmung durch die Gesell- 686 schafter knüpfen. Eingriffe in Eigentümer- und Aktionärsrechte – bei- 687

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spielsweise durch Vorgabe bestimmter Quoten bei der Besetzung von 688 Aufsichtspositionen – lehnen wir konsequent ab. b 689

7. Vielfalt der Regionen erhalten, Chancen der De- 690

mographie nutzen, ländliche Räume stärken 691

Wir wollen, dass die Menschen in Deutschland überall die Chance haben, ih- 692 ren Weg zu gehen. Egal ob in Städten oder in ländlichen Räumen. Deutsch- 693 land ist ein vielfältiges Land, ein Land der Regionen. Im ländlichen Raum lebt 694 die Hälfte aller Menschen unseres Landes. Eine oftmals stark mittelständisch 695 geprägte Unternehmenskultur schafft Arbeitsplätze, Innovation und Fortschritt 696 – mit Wirkung oft weit über die Region hinaus: Viele Weltmarktführer kommen 697 aus dem ländlichen Raum. Eine besondere Bedeutung hat überdies eine mo- 698 derne Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie in vielen Regionen ein attrakti- 699 ves Tourismusangebot. 700

Wir wollen den demographischen Wandel gestalten und zu einer Chance 701 machen. Dazu müssen auch in Zukunft im ländlichen Raum alle Möglichkeiten 702 für den Alltag vorhanden und gut erreichbar sein. Das schließt die Sicherung 703 der Versorgung für ältere Menschen in allen Lebensbereichen, aber auch Zu- 704 kunftsperspektiven für jüngere Menschen ein. Deshalb haben wir ein umfang- 705 reiches Maßnahmenpaket zur Stärkung der ländlichen Räume auf den Weg 706 gebracht und mit dem Landärztegesetz einen wichtigen Schritt unternommen, 707 um eine gute und flächendeckende ärztliche Versorgung auch künftig sicher- 708 zustellen. 709

Die Stärken und die Vielfalt der deutschen Regionen gilt es zu erhalten und 710 zu stärken. Dabei kommt dem Erhalt von Arbeitsplätzen eine zentrale Bedeu- 711 tung zu. Darum setzen wir uns für einen starken Mittelstand und für eine ei- 712 genständige, unternehmerische Land- und Ernährungswirtschaft ein. Darum 713 haben wir die Besteuerung von Agrardiesel und Mehrgefahrenversicherungen 714 dauerhaft reduziert. Und mit der Verabschiedung des Tierschutzgesetzes, des 715 Tiergesundheitsgesetzes sowie eines Gesetzes zur Verringerung des Antibio- 716 tikaeinsatzes in der Tierhaltung haben wir den Tierschutz in Einklang mit der 717 Wirtschaftlichkeit in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung gebracht. Das 718 Waldgesetz haben wir zukunftsweisend reformiert und eine nationale Wald- 719 strategie verabschiedet. 720

Wir stehen für eine moderne, unternehmerische und nachhaltige Landwirt- 721 schaft. Wir stehen für die Vielfalt im ländlichen Raum und wir stehen für die 722 Chancen auf Zukunft und Perspektive für alle Menschen. Überall in Deutsch- 723 land. 724

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 725

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• Wir wollen neue Wege gehen, um in allen Regionen Deutschlands 726 gleichwertige Lebensverhältnisse zu erhalten und die Vielfalt der Regio- 727 nen zu bewahren. Dazu stärken wir kommunale Zentren, in denen so- 728 ziale und technische Infrastruktur kostengünstig und zentral erreichbar 729 vorgehalten werden kann. b 730

• Menschen sollen so weit wie möglich in jedem Alter und in jeder Le- 731 benslage frei sein zu entscheiden, wo und wie sie leben wollen. Dafür 732 braucht es entsprechende Rahmenbedingungen: In der Verkehrsinfra- 733 struktur, in der sozialen Infrastruktur und in der Kommunikationsinfra- 734 struktur. Wir wollen alle drei verbessern, zum Beispiel durch Förderung 735 technischer Assistenzsysteme (ambient assisted Living) und weiterer te- 736 lemedizinischer Anwendungen. Deshalb ist ein zügiger, flächendecken- 737 der Ausbau der Breitbandkommunikation dringend erforderlich. Daneben 738 wollen wir die ambulanten Pflegedienste stärken, um so die Versorgung 739 gerade älterer Menschen flächendeckend zu gewährleisten. b 740

• Wir wollen auch in Zukunft bezahlbare Mobilität in ländlichen Räumen 741 gewährleisten. Der motorisierte Individualverkehr ist hier für viele Men- 742 schen unverzichtbar. Eine Verteuerung durch höhere Steuern oder die 743 Abschaffung der Pendlerpauschale lehnen wir deshalb entschieden ab. 744 Den Erhalt und – wo erforderlich – Ausbau der entsprechenden Infra- 745 struktur unterstützen wir. b 746

• Wir wollen die Rahmenbedingungen für die konventionelle und ökologi- 747 sche Landwirtschaft weiter durch marktwirtschaftliche Reformen verbes- 748 sern, damit Landwirte erfolgreich am Markt bestehen können. Deshalb 749 unterstützt liberale Agrarpolitik die Landwirte in ihrer unternehmerischen 750 Freiheit und setzt sich für gleiche Wettbewerbsbedingungen innerhalb 751 der EU ein. b 752

• Wir stehen für eine an der Praxis orientierte Agrarforschung und einen 753 verbesserten Wissenstransfer. Die Minderung der Naturbelastung, die 754 Erhöhung der Standards in der Nutztierhaltung und der vermehrte Ein- 755 satz nachwachsender Rohstoffe erfordern eine verstärkte Forschung. Ei- 756 ne Effizienzsteigerung ist im Sinne der Nachhaltigkeit. b 757

• Wir setzen uns für eine verantwortliche Nutzung der modernen Biotech- 758 nologie ein. Die Nutzung der von der EU nach sorgfältiger, wissenschaft- 759 licher Prüfung zugelassenen Sorten muss auch in Deutschland möglich 760 sein. b 761

• Die Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz ist für uns ein gro- 762 ßer Erfolg. Wir setzen uns für eine tiergerechte und die Tiergesundheit 763 fördernde Tierhaltung und -ernährung ein. Wir wollen den Tierschutz in 764 der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung auf europäischer Ebene auf wis- 765 senschaftlicher Basis und im Einklang mit der Wirtschaftlichkeit voran- 766 bringen. b 767

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• Bei der Bioenergie achten wir darauf, Konkurrenzen zwischen Tank 768 und Teller zu vermindern. Ein weiterer Ausbau der Bioenergie soll ver- 769 stärkt über die Nutzung von Rest- und Koppelprodukten erfolgen. Bei 770 der Produktion von Biomasse zur energetischen Nutzung sind Alternati- 771 ven zum Maisanbau, zum Beispiel Kurzumtriebsplantagen, zu nutzen. b 772

• Wir setzen uns für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung ein, die im 773 Waldbau die Erfordernisse der stofflichen und energetischen Holznut- 774 zung sowie der Artenvielfalt berücksichtigt. Ziel der Eingriffs-Ausgleichs- 775 regelung des Bundesnaturschutzgesetzes soll der Schutz der Natur, 776 nicht die Minderung landwirtschaftlicher Nutzfläche sein. b 777

• Vertrauen ist das wertvollste Kapital auch für die Land- und Ernäh- 778 rungswirtschaft. Deshalb wollen wir mehr Transparenz, Sicherheit und 779 damit Vertrauen zwischen Produzenten und Kunden herstellen. Wir wol- 780 len dem mündigen Verbraucher die notwendigen Informationen für eine 781 freie und fundierte Entscheidung für Einkauf und Ernährung zur Verfü- 782 gung stellen. Deshalb möchten wir eine konsequente Prozesskennzeich- 783 nung für alle Lebensmittel und Konsumgüter, bei deren Produktion an ir- 784 gendeiner Herstellungsstufe gentechnisch veränderte Organismen betei- 785 ligt sind. Nur so ist eine vollständige Aufklärung des Verbrauchers mög- 786 lich. b 787

8. Gemeinsam wachsen — frei handeln 788

Wo mehr Menschen die Möglichkeit haben, ihren eigenen Weg zu gehen 789 und ihre eigenen Ziele zu verfolgen, ist es möglich, gemeinsam mehr zu errei- 790 chen und zusammen zu wachsen. Dafür schafft die Globalisierung enorme 791 Chancen. Die Welt kann von weiterer Kooperation stark profitieren. Dafür ist 792 es notwendig, Hindernisse aus dem Weg zu räumen und Freiräume zu schaf- 793 fen. 794

Als Exportnation ist Deutschland auf diese Freiheit beim Handel angewiesen. 795 Beschränkungen des deutschen Exports oder Sanktionen wegen unserer Au- 796 ßenhandelsüberschüsse lehnen wir entschieden ab. Wir werden in einer glo- 797 balisierten Welt, im Wettbewerb mit Ländern wie China, Indien und Brasilien 798 nur dann bestehen können, wenn wir in Europa gemeinsam stärker werden – 799 nicht, indem wir uns selber schwächen. 800

Freihandel hilft außerdem beim Kampf gegen Armut weltweit. Weil wir ge- 801 meinsam diese Chancen ergreifen sollten, setzen wir uns weiterhin für sub- 802 stantielle Impulse zur weiteren Liberalisierung des Handels und für die Beseiti- 803 gung von Hindernissen ein. Für offene Märkte. Zum gegenseitigen Nutzen. 804

So schaffen wir den Nährboden für Wachstum und Wohlstand weltweit. Da- 805 für, dass jeder die Chance bekommen soll, mehr zu erlernen und mehr zu er- 806

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reichen. Dafür, dass wir zusammen besser werden und besser leben. In 807 Deutschland und auf der Welt. 808

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 809

• Wir wollen Wachstum und Wohlstand weltweit durch freien Handel. 810 Deshalb setzen wir auf den freien Verkehr von Waren und Dienstleis- 811 tungen in der EU und eine weitere Öffnung der Weltwirtschaft. Dabei le- 812 gen wir hohe Standards bei Menschenrechten, Arbeitssicherheit, Ver- 813 braucherschutz, Umweltschutz und Gesundheit an. Wir wollen den Frei- 814 handel weltweit vorantreiben und Handelshemmnisse jeder Art konse- 815 quent abbauen. Freier Handel sichert Wachstum, fördert den Austausch 816 der Kulturen und schafft Frieden. Ein rascher Abschluss der laufenden 817 Doha-Runde in der Welthandelsorganisation wäre daher ein großer Fort- 818 schritt für alle. Solange die Verhandlungen nicht vorankommen muss je- 819 doch die Chance ergriffen werden, bilaterale Freihandelsabkommen mit 820 anderen Wirtschaftsmächten zu schließen. Wir Liberale unterstützen da- 821 her die EU-Verhandlungen mit Indien, Mercosur und Japan. Wir werden 822 die Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und 823 den USA vorantreiben. b 824

• Wir wollen die Exportchancen der deutschen Wirtschaft durch die Er- 825 schließung neuer aufstrebender Märkte erhöhen. Dazu gehören insbe- 826 sondere Länder, die bislang wirtschaftspolitisch und unternehmerisch 827 weniger beachtet wurden. Alle diese Länder verfügen über große Bin- 828 nenmärkte und entwickeln sich sehr dynamisch. Wir wollen dabei an die 829 erfolgreiche Außenwirtschaftsoffensive der Bundesregierung anknüpfen, 830 die die Außenwirtschaftspolitik und ihr Instrumentarium neu ausgerichtet 831 und gebündelt hat. Ziel ist es, das Interesse deutscher Unternehmen für 832 diese Länder zu stärken und sie dabei tatkräftig zu unterstützen. b 833

• Die deutsche Wirtschaft braucht Rohstoffe, um ihren Erfolgskurs fortzu- 834 setzen und damit Wachstum und Arbeitsplätze in Deutschland zu si- 835 chern. Der Zugang zu Rohstoffen ist nicht nur von technologischen 836 Möglichkeiten abhängig, sondern auch von den wirtschaftlichen und poli- 837 tischen Rahmenbedingungen. Wir wollen deshalb weitere Rohstoffpart- 838 nerschaften mit Ländern abschließen und zugleich Handelshemmnisse 839 und Wettbewerbsverzerrungen abbauen. b 840

• Gleichzeitig wollen wir die Wirtschaft durch gezielte Programme weiter 841 bei der Diversifizierung von Rohstoffbezugsquellen, Explorations- und 842 Bergbaumaßnahmen sowie Konzessionserwerb und Beteiligungen unter- 843 stützen. Dazu zählen auch die Garantien für ungebundene Finanzkredite 844 und Hermes-Deckungen bei der Erschließung neuer oder schwieriger 845 Märkte. Zudem wollen wir die Beratung und Unterstützung insbesondere 846 kleiner und mittlerer Unternehmen bei der Rohstoffsicherung, Verbesse- 847 rung der Rohstoffeffizienz und der Netzwerkbildung weiter verstärken. b 848

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• Wir wollen den Schutz des geistigen Eigentums, um auch zukünftig An- 849 reize für risikobehaftete Investitionen in neue Technologien zu schaffen. 850 Das ist für den Wissensstandort Deutschland essentiell, der seine globa- 851 le Wettbewerbsfähigkeit wesentlich aus dem Können und der Intelligenz 852 seiner Forscher und Entwickler bezieht. b 853

• Wir wollen den deutschen Mittelstand stärker als bisher in der Außen- 854 wirtschaftspolitik einbeziehen, etwa durch die Begleitung mittelständi- 855 scher Unternehmen auf Auslandsmärkten und Unterstützung beim Aus- 856 bau des Exports von innovativen Dienstleistungen. In der Entwicklungs- 857 zusammenarbeit wollen wir die Kooperation mit der Wirtschaft weiter 858 ausbauen. Die Voraussetzungen für Investitionen deutscher wie auch 859 einheimischer Unternehmen und die Entwicklung der lokalen und regio- 860 nalen Märkte wollen wir durch die Verbesserung der Rahmenbedingun- 861 gen mit den Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit erleichtern. Dazu 862 gehören bessere Infrastrukturen, die Schaffung und Stärkung der ge- 863 setzlichen Rahmenbedingungen, Korruptionsbekämpfung, Bildung und 864 Ausbildung. b 865

II. Chancen, damit jeder über sich hinaus 866

wachsen kann 867

Wir wollen die Voraussetzungen schaffen, dass sich jeder Mensch in unse- 868 rem Land frei entfalten, Hindernisse überwinden und nach seinen Vorstellun- 869 gen glücklich werden kann. Wir Liberale wollen Chancen unabhängig von der 870 sozialen Herkunft. Die faire Chance auf die Erfüllung des eigenen Lebens- 871 traums muss von der Herkunft abgekoppelt werden. 872

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein solches selbstbestimmtes Le- 873 ben bleibt der möglichst frühe und lebenslange Zugang zu individueller Bil- 874 dung für Jeden. Unser Anspruch ist es deshalb, dass Bildung als Bürgerrecht 875 unabhängig vom sozialen Hintergrund jedem Menschen offen steht. Wir wol- 876 len alle Menschen befähigen, ein Leben in Würde führen zu können. Gute Bil- 877 dung und Ausbildung ist die Voraussetzung für den Aufstieg. Aber wer auf- 878 steigen will, der muss zunächst auch einsteigen können. Deshalb wollen wir 879 die Lohnnebenkosten niedrig halten, den Arbeitsmarkt weiter öffnen und mit 880 dem liberalen Bürgergeld Anstrengung belohnen und Bürokratie abbauen. 881

Wir wollen die Möglichkeiten schaffen, dass in einer Republik freier Bürger 882 jeder seinen Weg gehen und Grenzen überwinden kann. Deshalb stehen wir 883 in unserer Gesellschaft solidarisch jenen zur Seite, die in Not geraten sind. 884 Denn gerade sie sind es, die sich anstrengen, um aus dieser Situation heraus- 885 zukommen. Für diese Menschen wollen wir unsere sozialen Sicherungssyste- 886 me weiter ertüchtigen und zukunftsfest machen. Nicht um Not zu verwalten 887

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oder eine persönliche Situation zu alimentieren, sondern damit jeder eine faire 888 Chance hat selbstbestimmt tätig zu sein. 889

1. Chancen ergreifen — lebenslange Bildung 890

Voraussetzung dafür, dass das Aufstiegsversprechen der Sozialen Marktwirt- 891 schaft für jeden in unserem Land Wirklichkeit werden kann, ist vor allem eine 892 gute Bildungspolitik. Damit jeder Mensch seine Talente und Ideen entfalten 893 kann – zu seinem Vorteil und zum Nutzen aller. 894

Dazu haben wir in den vergangenen Jahren unter anderem die Ausgaben 895 für Bildung und Forschung um knapp 14 Milliarden Euro erhöht, für zusätzli- 896 che Studienplätze gesorgt, das Deutschlandstipendium eingeführt, die Förde- 897 rung der beruflichen Weiterbildung und das BAföG und Meister-BAföG verbes- 898 sert. Mit dem Bildungspaket schaffen wir für 2,5 Millionen Kinder in unserem 899 Land neue Zugänge zu Bildungs- und Kulturangeboten. 900

Liberale Bildungspolitik legt so den Grundstein dafür, dass in Zukunft mehr 901 Menschen mehr Chancen haben werden. Sie ist das beste Rüstzeug für ein 902 Leben in Freiheit und Verantwortung. Diesen Weg werden wir konsequent 903 weiter gehen. 904

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 905

• Wir wollen, dass Bildung als Bürgerrecht unabhängig vom sozialen Hin- 906 tergrund jedem Menschen offen steht. Deshalb haben Investitionen in 907 Bildung für uns Priorität. Wir wollen die entsprechende Infrastruktur aus- 908 bauen und individuelle Anstrengungen wie privates Bildungssparen oder 909 berufliche Weiterbildung fördern.b 910

• Wir Liberale bekennen uns zum Bildungsföderalismus, denn er garan- 911 tiert Freiheit, Vielfalt und Leistungswettbewerb. Entscheidungen über die 912 besten Lösungen können am besten vor Ort getroffen werden. Zugleich 913 sprechen wir uns für mehr Vergleichbarkeit zwischen den Bundeslän- 914 dern aus. Dies sichert ein gemeinsames Leistungsniveau und erleichtert 915 die Mobilität von Lernenden und Lehrenden. Wir wollen deshalb eine 916 neue Bildungsverfassung, die auf dem Subsidiaritätsprinzip aufbaut, ge- 917 meinsame Standards verbindlich festschreibt, Bürokratie abbaut und Ler- 918 nende, Lehrende und Eltern stärkt. b 919

• Wir wollen die selbstverwaltete Schule. Die Selbstständigkeit von Bil- 920 dungseinrichtungen ist der Kern liberaler Bildungspolitik. Viele Entschei- 921 dungen können wirksamer und besser von der einzelnen Institution ge- 922 troffen werden. Dafür sollen die Bildungseinrichtungen über ein eigenes 923 Budget selbst verfügen sowie mehr pädagogische Gestaltungsfreiheit er- 924 halten. Nur so können sie für ihre jeweils spezifischen Herausforderun- 925 gen eigenständig Schwerpunkte und Profilbildungen vornehmen. b 926

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• Wir wollen durch qualitätsfördernden Wettbewerb zwischen allen An- 927 bietern das Bildungssystem für alle Schüler und Auszubildenden verbes- 928 sern. Dem in unserer Verfassung verankerten Recht auf Gründung und 929 Betrieb von Schulen in freier Trägerschaft wollen wir Geltung verschaf- 930 fen. b 931

• Hervorragende Erziehung und Ausbildung steht und fällt mit hervorra- 932 genden Lehrenden. Wir wollen deshalb die Exzellenzinitiative für den 933 Bereich Lehrerausbildung mit Nachdruck vorantreiben und damit die pro- 934 gressiven Konzepte bei der Qualifizierung unseres pädagogischen Nach- 935 wuchses unterstützen. b 936

• Kindertageseinrichtungen sind Orte fürsorglicher Betreuung und früh- 937 kindlicher Bildung. Hier werden die Grundlagen für den weiteren Bil- 938 dungsweg und damit die Fundamente für die Zukunft unserer Kinder ge- 939 legt. Der Schwerpunkt muss in den nächsten Jahren die Verbesserung 940 der Qualität der Betreuungseinrichtungen, der Ausbau qualitativ hoch- 941 wertiger Kindertageseinrichtungen und des Angebots von Tageseltern 942 sein. Die frühkindliche, vorschulische Bildung soll so gestaltet sein, dass 943 die Kinder vor allem durch die Vermittlung von sprachlichen Kompeten- 944 zen auf die Schule vorbereitet sind. Wir wollen die Aus- und Fortbildung 945 der Erzieherinnen und Erzieher verbessern und einen pädagogischen 946 Fachhochschulabschluss oder eine vergleichbare Qualifikation zur Vor- 947 aussetzung für die Leitung einer Einrichtung machen. b 948

• Bildungsgerechtigkeit ist eine Frage von Zukunftschancen. Studienquali- 949 fizierende Abschlüsse, die über das berufliche Schulsystem erworben 950 werden, sind Beleg für die Durchlässigkeit unseres Systems. Wir wollen 951 das erfolgreiche duale Berufsausbildungssystem stärken. Wir brauchen 952 alle Talente, denn sie bereichern die Gesellschaft und wirken zugleich 953 dem demographisch bedingten Fachkräftemangel entgegen. Eine pau- 954 schale Akademisierung vieler Ausbildungsberufe lehnen wir dabei ab, 955 denn die Vielfalt der Bildungswege ist unsere Stärke. b 956

• Inklusion bedeutet für uns, jeden Menschen mit und ohne Behinderung 957 als gleichberechtigten Teil in der Mitte unserer Gesellschaft zu verste- 958 hen. Ein selbstverständlicher Umgang zwischen Menschen mit und ohne 959 Handicap beginnt idealer Weise im Kindesalter. Die vielerorts bereits ge- 960 lingende Inklusion im frühkindlichen Bereich wollen wir daher ausbauen 961 und gleichermaßen im Schulalltag fortsetzen. Auf die damit verbunde- 962 nen Herausforderungen müssen Lehrer, Eltern und Kinder pädagogisch 963 optimal vorbereitet sowie Schulen und Schulträger entsprechend ausge- 964 stattet werden. Durch ein Höchstmaß an organisatorischer, pädagogi- 965 scher und finanzieller Freiheit wollen wir Schulen und Schulverbünden 966 ermöglichen, sich an die Förderbedürfnisse der ihnen anvertrauten 967 Schüler anzupassen. Wir setzen auf ein inklusives Schulsystem, das 968 nicht aus einer Schulform für alle Kinder besteht, sondern allen Kindern 969

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Zugangschancen zu verschiedenen Schulformen ermöglicht. Wir beken- 970 nen uns ausdrücklich zur individuellen und leistungsorientierten Förde- 971 rung aller Kinder in einem differenzierten Schulsystem. b 972

• Die Bildung der Menschen endet nicht mit einem schulischen oder aka- 973 demischen Abschluss. Menschen lernen ein Leben lang. Weiterbildung 974 eröffnet lebenslang Entfaltungschancen und ermöglicht den beruflichen 975 Aufstieg. Wir wollen deshalb individuelle Anstrengungen zur Bildung in 976 jedem Alter unterstützen, zum Beispiel durch privates Bildungssparen 977 und die durch uns erweiterten Fördermöglichkeiten der Bundesagentur 978 für Arbeit für Beschäftigte. b 979

• Wir wollen eine zweite Chance für diejenigen, die unser Bildungssys- 980 tem ohne Abschluss verlassen haben. Insbesondere jungen Menschen 981 möchten wir berufsbegleitend das Nachholen von Berufs- und Schulab- 982 schlüssen erleichtern. Menschen ohne Berufsausbildung oder mit gebro- 983 chenen Bildungsbiographien brauchen eine zweite Chance auf Aus- und 984 Weiterbildung. b 985

• Investitionen in Aus- und Weiterbildung müssen sich vorrangig auf den 986 ersten Arbeitsmarkt auswirken, denn dieser sichert echte Beschäftigung 987 und bringt nachhaltige Wertschöpfung. Wir wollen Menschen Perspekti- 988 ven geben, die eine zweite Chance benötigen. Das betrifft nicht nur 989 Schüler, die ohne Abschluss die Schule verlassen haben, sondern auch 990 jene Menschen, die eine Berufsausbildung ergreifen mussten, die nicht 991 ihren Wünschen und Talenten entsprochen hat oder die nicht mehr am 992 Arbeitsmarkt nachgefragt wird. Durch individuelle Angebote und der 993 Möglichkeit des Nachholens eines anerkannten Berufsabschlusses wol- 994 len wir diese Menschen zielgerichtet für den Arbeitsmarkt qualifizieren. 995 Dafür ist eine weitgehende Integration in Unternehmen bereits während 996 der Qualifizierung notwendig. Damit sichern wir den Fachkräftebedarf 997 und geben Menschen eine echte zweite Chance am Arbeitsmarkt. b 998

• Ausgezeichnete Lehre und Forschung braucht Freiheit. Deshalb stehen 999 wir für die Autonomie und Selbständigkeit der Hochschulen. So schaffen 1000 wir Flexibilität und ermöglichen die Profilbildung der Hochschulen. Viel- 1001 falt und Wettbewerb führen zu Qualitätssteigerungen und Verbesserun- 1002 gen der Studienbedingungen. Grundlage hierfür ist eine ausreichend ge- 1003 sicherte finanzielle Basis. Wir Liberalen fordern eine ländergrenzenüber- 1004 greifende Hochschulfinanzierung nach dem Prinzip „Geld folgt Studieren- 1005 den“. Wir wollen die Lehre an Hochschulen stärker als bisher in den Fo- 1006 kus rücken, da diese eine wichtige Rolle in der Ausbildung spielt. Dafür 1007 wollen wir erfolgreiche Lehrkonzepte durch eine Bund-Länder-Initiative 1008 (Stiftung Lehre) fördern und Drittmittelprojekte mit erhöhtem Lehrauftrag 1009 ermöglichen. b 1010

• Wir unterstützen eine Reform des Grundgesetzes dahingehend, dass 1011 Hochschulen und der außeruniversitären Forschung eine unbürokrati- 1012

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sche Zusammenarbeit ermöglicht wird. Zudem soll der Bund über die 1013 befristete Projektförderung hinaus Wissenschaft und Forschung unter- 1014 stützen dürfen und dadurch im Bereich der Hochschulförderung eine ge- 1015 wisse Planungssicherheit gewährleisten. b 1016

• Wir wollen das Deutschlandstipendium ausbauen und weiter entwickeln 1017 und dadurch die Zahl der Stipendien mittelfristig verfünffachen. Dazu 1018 sollen die Mittel zwischen Hochschulen übertragbar werden. Die Hoch- 1019 schulen sollen nicht mehr durch Quoten bei der Vergabe ihrer Stipendi- 1020 en eingeschränkt werden, sondern diese in solchem Umfang vergeben 1021 dürfen, in welchem sie die privaten Zuschüsse generieren. Gleichzeitig 1022 wollen wir beim Betrag der staatlichen Stipendien die Inflation berück- 1023 sichtigen, das BAföG entbürokratisieren, elternunabhängig gestalten und 1024 für Studierende mit Beeinträchtigung von der Regelstudienzeit entkop- 1025 peln. b 1026

• Für mehr Internationalität im Bildungswesen wollen wir die Nutzung von 1027 Fremdsprachen insbesondere an Universitäten und Fachhochschulen 1028 stärken und das bisher oft ungenutzte Potential der Mehrsprachigkeit 1029 von Menschen mit Migrationshintergrund erschließen. b 1030

2. Der Einstieg zum Aufstieg – Chancen am Ar- 1031

beitsmarkt 1032

Arbeitsmarktpolitik ist Chancenpolitik, die mehr Menschen den Einstieg in Ar- 1033 beit ermöglicht – und damit Chancen für das eigene Leben schafft. Die Ar- 1034 beitslosigkeit sinkt, die Jugendarbeitslosigkeit ist so niedrig wie in keinem an- 1035 deren europäischen Land. Seit dem Herbst 2009 sind in Deutschland 1,6 Mil- 1036 lionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden. Durchschnittlich 1037 alle 80 Sekunden fand in Deutschland ein Mensch neue Arbeit. Das zeigt: 1038 Deutschland ermöglicht immer mehr Menschen den Einstieg in den Aufstieg. 1039

Das ist ein Erfolg der Menschen, die in Deutschland durch ihren Fleiß 1040 Wachstum und neue Arbeitsplätze geschaffen haben. Aber es ist auch ein Er- 1041 folg der Liberalen. Wir haben staatliche Eingriffe in die Soziale Marktwirtschaft 1042 bekämpft und den Arbeitsmarkt flexibel und offen gehalten. Das erleichtert 1043 den Einstieg in Arbeit für viele Menschen, zum Beispiel durch die Erhöhung 1044 der Verdienstgrenze für Mini-Jobs auf 450 Euro und die vereinfachte Aner- 1045 kennung ausländischer Bildungsabschlüsse. Wir haben die Arbeitsmarktinstru- 1046 mente flexibilisiert und übersichtlicher gemacht. Die Jobcenter und Arbeits- 1047 agenturen vor Ort haben mehr Entscheidungsbefugnisse bei der Förderung 1048 bekommen. Darüber hinaus haben wir die Lohnnebenkosten gesenkt – zuletzt 1049 durch die Absenkung der Rentenbeiträge auf 18,9 Prozent. 1050

Wir haben verhindert, dass die Reformen der Agenda 2010 zurück gedreht 1051 wurden – und mit immenser Kraftanstrengung weitere Veränderungen durch- 1052

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gesetzt, damit mehr Menschen die Chance zum Einstieg in Arbeit bekommen. 1053 Diesen Weg werden wir konsequent weiter gehen. 1054

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 1055

• Wir wollen die Lohnzusatzkosten weiter bei deutlich unter 40 Prozent 1056 stabilisieren und Überschüsse in den Sozialversicherungen in geeigneter 1057 Weise an die Beitragszahler zurück geben. Auch deshalb kommt für uns 1058 ein Umbau unserer beitragsfinanzierten Sozialsysteme zu einem politi- 1059 schen Umverteilungsmechanismus, wie die Einheitsrente oder die Bür- 1060 gerversicherung, die eine Bürgerzwangsversicherung ist, nicht in Frage. b 1061

• Unser Arbeitsmarktmodell ist erfolgreich, weil es auf Tarifautonomie und 1062 flexiblen Tarifpartnerschaften von Arbeitgeberverbänden und Gewerk- 1063 schaften basiert. Wir bekennen uns zur Tarifautonomie. Pauschale 1064 Lohnfestsetzung durch die Politik wird auch der differenzierten Arbeits- 1065 marktlage und den unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in Deutsch- 1066 land nicht gerecht. Deshalb lehnen wir einen allgemeinen, flächende- 1067 ckenden Mindestlohn strikt ab. Er politisiert die Lohnfindung und verhin- 1068 dert, dass Menschen, insbesondere jüngere und diejenigen mit geringer 1069 Qualifizierung, in den Arbeitsmarkt einsteigen können. Außerdem fördert 1070 er Umgehungen wie die Schwarzarbeit. Der Mindestlohn wird damit zu 1071 einem sozialpolitischen Bumerang: Die Gruppe der Arbeitnehmer, die 1072 durch einen einheitlichen Mindestlohn geschützt werden soll, steht am 1073 Ende ohne Arbeitsplatz und mit schlechteren Einstiegschancen da. b 1074

• Wer sich anstrengt, soll entsprechend seiner Leistung fair entlohnt wer- 1075 den, gerade auch am unteren Ende der Lohnskala. Bereits heute gibt es 1076 in Deutschland nach Tarifvertragsgesetz, Arbeitnehmerentsendegesetz 1077 und Mindestarbeitsbedingungengesetz die Möglichkeit, in einzelnen 1078 Branchen Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären oder eine 1079 Lohnuntergrenze festzulegen. Deshalb haben wir in dieser Legislaturpe- 1080 riode für weit über zwei Millionen Beschäftigte die von Tarifparteien aus- 1081 gehandelten Tarifverträge neu für allgemeinverbindlich erklärt und damit 1082 eine Lohnuntergrenze in der jeweiligen Branche gesetzt. b 1083

Varianten zur Abstimmung auf dem a.o. Bundesparteitag, 4. bis 5. Mai 2013: 1084

Variante A 1085

• Diesen Weg wollen wir im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft weiterge- 1086 hen und die Möglichkeit für weitere Lohnuntergrenzen schaffen – im Ein- 1087 klang mit der Tarifautonomie. Wir werden hierfür die bestehenden Rege- 1088 lungen für Mindestlöhne überarbeiten und besser aufeinander abstim- 1089 men. Ansatzpunkt sind die Löhne, die von Gewerkschaften und Arbeit- 1090 gebern in Tarifverträgen ausgehandelt werden. Das ist der Kern der er- 1091 folgreichen deutschen Tarifautonomie. Auch zukünftig soll die Höhe der 1092

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Lohnuntergrenzen Branche für Branche festgelegt werden – dezentral 1093 und differenziert. Damit wollen wir auch die Rolle von Gewerkschaften 1094 und Arbeitgebern weiter stärken.b 1095

• Wir wollen deshalb insbesondere im Arbeitnehmerentsendegesetz für al- 1096 le Branchen die Möglichkeit schaffen, auf gemeinsamen Antrag der Ta- 1097 rifpartner und bei Zustimmung des Tarifausschusses die Lohnuntergrenze 1098 eines repräsentativen Tarifvertrags allgemeinverbindlich erklären zu las- 1099 sen. Zudem wollen wir für Branchen, in denen ein repräsentativer Tarif- 1100 vertrag nicht existiert, das subsidiäre Verfahren nach dem Mindestar- 1101 beitsbedingungengesetz praktikabler gestalten. Der unbestimmte Rechts- 1102 begriff der sozialen Verwerfungen kann wegfallen. Den Hauptausschuss 1103 wollen wir stärken und politischer Einflussnahme entziehen. b 1104

Variante B 1105

• Daher ist ein staatlicher Eingriff über das bestehende Maß hinaus nicht 1106 zu rechtfertigen. Ausweitungen branchenspezifischer Lohnuntergrenzen 1107 nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und dem Arbeitnehmer-Über- 1108 lassungsgesetz lehnt die FDP ab. b 1109

• Eine Nutzung der bestehenden Instrumente des Mindestarbeitsbedingun- 1110 gengesetzes sowie eine Anpassung dieser Regelungen stehen für uns 1111 im Widerspruch zur Lohnfindung durch die Tarifparteien und der Ver- 1112 tragsfreiheit. Regelungen über intransparent zusammengesetzte Aus- 1113 schüsse würden die Tarifautonomie aushöhlen und Anreize schaffen, 1114 dass Tarifverträge in manchen Gegenden noch weniger akzeptiert wer- 1115 den. b 1116

• Unsere Antwort auf das unzureichende Einkommen vieler niedrigqualifi- 1117 zierter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist darüber hinaus ein ver- 1118 stärktes Engagement im Bereich Weiterqualifikation. Die Fördermöglich- 1119 keiten bei der beruflichen Weiterbildung haben wir bereits verbessert, 1120 damit sozialer Aufstieg auf dem Arbeitsmarkt gelingt und sich die Ein- 1121 kommenssituation vieler Menschen auf Dauer verbessert. Wir setzen 1122 uns insbesondere für die Förderung fundierter und marktorientierter Aus- 1123 und Fortbildung von niedrigqualifizierten Arbeitskräften ein und wollen 1124 daher individuelle Anstrengungen zur Bildung in jedem Alter unterstüt- 1125 zen, zum Beispiel durch privates Bildungssparen und die erweiterten 1126 Fördermöglichkeiten der Bundesagentur für Arbeit für Beschäftigte – im 1127 Sinne des Grundsatzes Fördern und Fordern. b 1128

• Gleichzeitig müssen wir sicher stellen, dass jeder die Perspektive hat, 1129 durch eigene Anstrengung ohne Sozialleistung auskommen zu können. 1130 Eine Betrachtung von Stundenlöhnen genügt hier nicht, denn der Groß- 1131 teil der Menschen, die zusätzlich zu ihrem Arbeitseinkommen Arbeitslo- 1132 sengeld II beziehen, arbeiten nur Teilzeit oder haben eine größere Fami- 1133 lie zu versorgen. Das Liberale Bürgergeld ist und bleibt dafür die richtige 1134

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Idee. Es motiviert die Menschen beispielsweise zur Ausdehnung der Ar- 1135 beitszeit: Selbst erwirtschaftetes Einkommen bedeutet stets ein spürbar 1136 größeres verfügbares Gesamteinkommen. Daran müssen sich die Zuver- 1137 dienstmöglichkeiten des Arbeitslosengeldes II (ALG II) orientieren. b 1138

• Flexible Beschäftigungsformen stärken die Anreize für Unternehmen, 1139 neue Stellen zu schaffen, bieten Einstiegschancen für Arbeitsuchende 1140 und haben wesentlich dazu beigetragen, die Arbeitslosigkeit zu senken. 1141 Sowohl Zeitarbeit wie auch befristete Beschäftigung ändern nichts an 1142 der ganz normalen Sozialversicherungspflicht. Gleichermaßen gilt der 1143 Schutz bei Krankheit, Kündigung oder Schwangerschaft. Wir wollen die- 1144 se Instrumente deshalb erhalten und, wo es sinnvoll ist, weiter entwi- 1145 ckeln. b 1146

• Zeitarbeit ist eine Einstiegschance am Arbeitsmarkt, gerade auch für 1147 Geringqualifizierte. Rund zwei Drittel aller Beschäftigten in der Zeitarbeit 1148 waren vorher ohne Beschäftigung. Es gibt inzwischen eine verbindliche 1149 Lohnuntergrenze auf tarifvertraglicher Grundlage, Drehtürmodelle wie bei 1150 Schlecker wurden gesetzlich ausgeschlossen und die Sozialpartner wur- 1151 den von der Bundesregierung in Verantwortung genommen, durch Bran- 1152 chenzuschläge die sogenannte Equal-Pay-Problematik zu lösen. So 1153 schließt sich nun auf der Zeitschiene die Tariflücke zwischen Beschäftig- 1154 ten in der Zeitarbeit und den Belegschaften der Entleihbetriebe. All das 1155 zeigt: Durch zielgenaue Gesetzgebung haben wir Missbrauch in der 1156 Zeitarbeit unterbunden, ohne die Branche als Jobmotor zu verlieren. 1157 Diesen Weg gilt es fortzusetzen. b 1158

• Der Blick in das Gesetz muss die Rechtslage erkennen lassen. Es ist 1159 überfällig, die Entscheidungen des EuGH zu den gesetzlichen Kündi- 1160 gungsfristen und zum Vorbeschäftigungsverbot in das Bundesgesetzblatt 1161 zu bringen. Bei der Berechnung der gesetzlichen Kündigungsfristen hat 1162 der EuGH eine unzulässige Altersdiskriminierung festgestellt. Die Neure- 1163 gelung darf den Kündigungsschutz nicht verschärfen und muss beschäf- 1164 tigungsfreundlich ausgestaltet sein. b 1165

• Nur sehr wenige Arbeitnehmer sind regelmäßig in befristeten Arbeits- 1166 verhältnissen beschäftigt. Für viele ist ein befristeter Vertrag der Einstieg 1167 in Arbeit und eine dauerhafte Beschäftigung beim selben Arbeitgeber. 1168 Deshalb wollen wir – ebenfalls auch in Reaktion auf ein EuGH-Urteil – 1169 das Vorbeschäftigungsverbot bei der befristeten Beschäftigung lockern 1170 und gleichzeitig Kettenbefristungen durch eine einjährige Karenzfrist ef- 1171 fektiv verhindern. b 1172

• Wir wollen das duale Ausbildungssystem in Deutschland ausweiten. 1173 Duale Hochschulangebote sollen in enger Verzahnung von Wirtschaft 1174 und Hochschulen unterstützt werden. Die Kombination aus beruflicher 1175 Praxis und schulischer Ausbildung ist ein Exportschlager für den euro- 1176 päischen Raum und darüber hinaus. b 1177

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• Wir wollen ein Einwanderungsrecht, das Fachkräften eine Chance am 1178 Arbeitsmarkt gibt. Deutschland muss offen sein für Talente aus aller 1179 Welt, eine Willkommenskultur etablieren und um kluge Köpfe konkret 1180 und aktiv werben. Die begonnene Liberalisierung bei der Einwanderung 1181 von Fachkräften und den Einstieg in ein modernes Einwanderungsrecht 1182 wollen wir fortsetzen. b 1183

• Das bestehende Potenzial an Fachkräften in Deutschland muss besser 1184 genutzt werden, um individuelle Chancen zu sichern und Wachstum zu 1185 befördern. Unternehmen, die in ihrer Unternehmensführung aktiv auf 1186 Strategien der Vielfalt (Diversity-Management) setzen, sind wirtschaftlich 1187 erfolgreicher. Entsprechende Bemühungen zu unterstützen, ist Teil unse- 1188 rer Wachstumsstrategie für den Standort Deutschland. b 1189

• Die Herausforderungen des demographischen Wandels können langfris- 1190 tig nur in gemeinsamer Verantwortung von Arbeitnehmern und Arbeitge- 1191 bern bewältigt werden. Laufbahnbegleitende Weiterbildung der Beschäf- 1192 tigten, familienorientierte Arbeitszeiten und altersentsprechende Arbeits- 1193 plätze sind dafür Instrumente, um lebenslanges Lernen und individuelle 1194 Weiterbildung zu ermöglichen. Wir Liberalen fördern deshalb eine le- 1195 bensphasenorientierte Personalpolitik. Wir sorgen außerdem für flexible- 1196 re Regeln zum Renteneintritt und werben für altersgerechte Arbeitsplät- 1197 ze. So können Ältere selbst entscheiden, wie lange sie arbeiten. b 1198

3. Chancen schaffen statt Mangel verwalten — So- 1199

ziale Sicherheit für alle 1200

Chancen schaffen wir, indem wir die Sozialsysteme weiter verlässlich ma- 1201 chen und den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen anpassen. Wir wollen 1202 die Kosten im Griff behalten und damit die Voraussetzung schaffen, dass auch 1203 in Zukunft jedem geholfen werden kann, der diese Hilfe benötigt. 1204

Vor unserem Eintritt in die Bundesregierung hat die Sozialpolitik in Deutsch- 1205 land nur den Mangel verwaltet: Bei der Bundesagentur für Arbeit klaffte ein 1206 Loch von 13,8 Milliarden Euro – und bis 2013 erwartete man ein Defizit von 1207 55 Milliarden. Durch Wachstum und Reformen haben wir diesen Trend in den 1208 vergangenen Jahren umgekehrt. In der Arbeitsmarktpolitik setzen wir nicht auf 1209 das Gießkannenprinzip, sondern auf die zielgenaue Förderung des Wiederein- 1210 stiegs in den Arbeitsmarkt. 1211

Wir haben konsequent alle Versuche abgewehrt, die Sozialsysteme zu einem 1212 politischen Umverteilungsinstrument zu machen. Darüber hinaus haben wir die 1213 private Altersvorsorge gestärkt und wollen diesen Weg fortsetzen. Ries- 1214 ter-Produkte sind dank der Liberalen transparenter und attraktiver geworden. 1215 Bei der Basisversorgung im Alter haben wir die Förderhöchstgrenze angeho- 1216 ben. Wir haben die private Absicherung von Erwerbs- und Berufsunfähigkeit 1217

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gestärkt und für erhebliche Erleichterungen beim Sparen mit Wohneigentum 1218 ("Eigenheimrente") gesorgt. 1219

Der Erfolg unserer Politik: Überschüsse in Milliardenhöhe in der Rentenkasse 1220 und echte Haushaltsautonomie für die Bundesagentur für Arbeit – und damit 1221 sinkende Beiträge und sichere, hochwertige Sozialleistungen für die Menschen 1222 in unserem Land. Damit entlasten wir die Menschen, geben ihnen Sicherheit 1223 und helfen jenen, die sich anstrengen, sich allen Einschränkungen und Er- 1224 schwernissen zum Trotz selbst zu entfalten. Damit das so bleibt, wollen wir 1225 unsere sozialen Sicherungssysteme weiter ertüchtigen und zukunftsfest ma- 1226 chen. 1227

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 1228

• Jeder, der Hilfe durch das steuerfinanzierte Sozialsystem benötigt, soll 1229 diese schnell und unbürokratisch erhalten. Wir setzen dabei auf die Ein- 1230 führung des liberalen Bürgergeldes, weil es individuelle Anstrengungen 1231 belohnt und Bürokratie abbaut. Mit dem liberalen Bürgergeld wollen wir 1232 die Unterstützung für Bedürftige und Arbeitslose neu ordnen. Hierzu 1233 werden das Arbeitslosengeld II einschließlich der Leistungen für Woh- 1234 nen und Heizung, das Sozialgeld, die Grundsicherung im Alter und bei 1235 Erwerbsminderung, die Sozialhilfe (ohne Sozialhilfe in besonderen Le- 1236 benslagen), der Kinderzuschlag und das Wohngeld zusammengefasst. 1237 Wer sich anstrengt und eine Arbeit annimmt, der soll im Bürgergeldmo- 1238 dell mehr von seinem Einkommen behalten. b 1239

• Wir wollen das Bürgergeld schrittweise umsetzen und dazu vor allem 1240 die in den vergangenen Jahren begonnene Pauschalierung von Sozial- 1241 leistungen konsequent fortsetzen. Die optionale Pauschalierung der Kos- 1242 ten der Unterkunft wollen wir im Arbeitslosengeld II zur Regel machen. 1243 So muss nicht jeder Mietvertrag beim Amt eingereicht werden und etwai- 1244 ge Einsparungen aus niedrigeren Miet- oder Heizkosten kommen teilwei- 1245 se dem Leistungsempfänger zugute. Weitere Zusammenlegungen von 1246 Behörden vor Ort nach dem Prinzip „alle Leistungen aus einer Hand“ 1247 sind zu prüfen. Gleichzeitig wollen wir es den Jobcentern als weiteren 1248 Schritt im Sinne des Bürgergeldes ermöglichen, in begrenztem Umfang 1249 passive Leistungen für Langzeitarbeitslose in aktive Arbeitsmarktmaß- 1250 nahmen umzuwandeln. b 1251

• Heute gibt es Hilfe und Unterstützung für Langzeitarbeitslose nur noch 1252 aus einer Hand. Entweder die Kommune übernimmt die Aufgaben selbst 1253 oder sie teilt sich die Aufgaben zusammen mit der Bundesagentur für 1254 Arbeit. Um die Leistung von Kommunen und gemeinsamen Einrichtun- 1255 gen vergleichen zu können, brauchen wir Transparenz und klare Maß- 1256 stäbe. Die Kommunen sollen frei entscheiden können, ob sie die Ar- 1257 beitsvermittlung selbst organisieren. b 1258

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• Die Bundesagentur für Arbeit muss ihre Leistung kontinuierlich verbes- 1259 sern: Individuelles Fallmanagement mit gut ausgebildeten Vermittlern 1260 und ein sinnvoller Betreuungsschlüssel sollen noch mehr Menschen den 1261 Weg in den Arbeitsmarkt ebnen. b 1262

• Freibeträge und Anrechnungssätze beim Arbeitslosengeld II sollen zu- 1263 künftig so gestaltet sein, dass vollzeitnahe Tätigkeiten besonders attrak- 1264 tiv sind. Denn in diesen Arbeitszeit- und Einkommensbereichen anzu- 1265 kommen, ist nachweislich die bessere Chance, Bedürftigkeit ein für alle- 1266 mal hinter sich zu lassen. Fairerweise bleibt es dabei, dass bei Ableh- 1267 nung einer zumutbaren angebotenen Arbeit das Arbeitslosengeld II ge- 1268 kürzt werden kann. b 1269

• Wir treten für mehr Selbstbestimmung in der Rente ohne starre Alters- 1270 grenzen ein. Die Menschen sollen ab dem 60. Lebensjahr – bei versi- 1271 cherungsmathematisch korrekten Zu- und Abschlägen – den Zeitpunkt 1272 ihres Renteneintritts frei wählen können, sofern ihre Ansprüche aus pri- 1273 vater, gesetzlicher und betrieblicher Vorsorge über dem Grundsiche- 1274 rungsniveau liegen. Gleichzeitig wollen wir Barrieren für Arbeit im Alter 1275 beseitigen und Zuverdienstgrenzen neben dem Rentenbezug komplett 1276 aufheben. Die Versicherten können so ab dem 60. Lebensjahr ihre Ar- 1277 beitszeit reduzieren und den Verdienstausfall durch Bezug einer Teilrente 1278 kompensieren oder – wenn sie möchten – länger arbeiten. b 1279

• Die Eingliederungshilfe wird durch ein Bundesleistungsgesetz ersetzt. 1280 Darin wollen wir Leistungen für Menschen mit Behinderungen zusam- 1281 menfassen und personenbezogen ausgestalten. Das persönliche Budget 1282 soll ausgeweitet und insbesondere durch Pauschalierung vereinfacht 1283 werden. Leistungen, die die Nachteile der Behinderung ausgleichen 1284 (Nachteilsausgleich), sollen einkommensunabhängig gewährt werden. 1285 Leistungen zum Lebensunterhalt hingegen werden, wie bei jedem ande- 1286 ren Leistungsempfänger auch, nach Bedürftigkeit gezahlt. b 1287

• Die Versicherten müssen sich in ihrer Lebensplanung darauf verlassen 1288 können, dass sich die Höhe der Rente an den eingezahlten Beiträgen 1289 orientiert. Deshalb stehen wir Liberalen für eine konsequent beitragsbe- 1290 zogene Rente. Familien- oder sozialpolitische Leistungsausweitungen 1291 dürfen nicht über Beitragsmittel finanziert werden. b 1292

• Wir wollen die Alterssicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung 1293 zukunftsfest machen und sie zu einem stärkeren Maße durch private 1294 oder betriebliche Vorsorge ergänzen. Wir brauchen eine Mischung aus 1295 umlagefinanzierter und kapitalgedeckter Vorsorge, um unterschiedliche 1296 Risiken und Sicherheiten auszugleichen. Wir lehnen daher mit Blick auf 1297 die Generationengerechtigkeit eine Rücknahme der vergangenen Ren- 1298 tenreformen ab, die auf eine Absenkung des gesetzlichen Rentenni- 1299 veaus, eine Stabilisierung der Beiträge und den Ausbau privater Vorsor- 1300 ge ausgerichtet waren. Eine Einheitsversicherung, zum Beispiel durch 1301

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die Einbeziehung der berufsständischen Versorgungswerke, lehnen wir 1302 ab. b 1303

• Wir wollen private Vorsorge für jeden Geringverdiener attraktiv ma- 1304 chen. Daher dürfen Einkommen aus privater und betrieblicher Vorsorge 1305 nur teilweise auf die Grundsicherung im Alter angerechnet werden. Dies 1306 ist ein wirksamer Beitrag, der Gefahr zukünftiger Altersarmut frühzeitig 1307 entgegenzuwirken. Wir wollen außerdem Selbständigen den Weg zur 1308 Riester-Förderung eröffnen. b 1309

• In der Diskussion über die Einführung einer Rentenversicherungspflicht 1310 für Selbständige sprechen wir uns … b 1311

Varianten zur Abstimmung auf dem a.o. Bundesparteitag, 4. bis 5. Mai 2013: 1312

Variante A 1313

… dafür aus die Altersvorsorge Selbstständiger zu stärken und somit zu ver- 1314 meiden, dass die Solidargemeinschaft im Alter mit Grundsicherungsleistungen 1315 einspringen muss. Dabei wollen wir den Weg größtmöglicher Wahlfreiheit ge- 1316 hen. Im Rahmen einer allgemeinen Vorsorgeverpflichtung sollen Selbstständi- 1317 ge weitgehend über Form und Ausgestaltung ihrer Altersvorsorge entscheiden 1318 können. Die Vorsorgeverpflichtung soll sich auf eine Basisabsicherung im Alter 1319 beschränken. Die Entscheidung für eine weitergehende Absicherung soll wei- 1320 terhin dem Einzelnen überlassen bleiben. Mit großzügigen Übergangsvorschrif- 1321 ten und Karenzfristen in der Gründungsphase sowie niedrigeren Beiträgen für 1322 Geringverdiener soll der besonderen Situation von Selbstständigen Rechnung 1323 getragen werden. 1324

Variante B 1325

… grundsätzlich gegen eine gründungs- und innovationsfeindliche Zwangslö- 1326 sung aus. Diese bedroht die Existenz von Selbständigen und die Entstehung 1327 von Arbeitsplätzen: Wer heute schon vorsorgt, wird seine Vorsorge gegebe- 1328 nenfalls mit massiven Verlusten umstrukturieren müssen – und diejenigen, die 1329 sich aufgrund fehlender Gewinne eine Altersvorsorge noch nicht leisten kön- 1330 nen, werden in die Insolvenz und in die Abhängigkeit von staatlichen Transfer- 1331 systemen getrieben. 1332

• Nach der gegenwärtigen Rechtslage würden noch auf unabsehbare 1333 Zeit in Ost und West unterschiedliche Rentensysteme bestehen. Die 1334 Vereinheitlichung des Rentenrechts in Ost und West ist für uns ein Ge- 1335 bot der Fairness. b 1336

• Wir wollen die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen wieder auf 1337 den 15. Tag des Folgemonats legen. Die durch die derzeitige Regelung 1338 in Unternehmen entstandenen Bürokratiekosten stehen in keinem Ver- 1339 hältnis zu den Vorteilen der öffentlichen Hand. b 1340

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• Wir wollen künftige Sozialwahlen demokratischer, transparenter und ef- 1341 fektiver machen. Wir wollen Einheitslisten abschaffen und echte Aus- 1342 wahl ermöglichen. Dabei ist die Möglichkeit der Online-Beteiligung zu 1343 schaffen und eine einfache und transparente Aufstellung der Listen zu 1344 gewährleisten. b 1345

4. Chancen nutzen – gemeinsam gesund leben 1346

Wir wollen, dass Wahlfreiheit und Gestaltungsmöglichkeiten Hand in Hand 1347 gehen mit der notwendigen Solidarität. Wenn beides klug verbunden wird, 1348 machen wir gemeinsam aus den Lasten von gestern Chancen für morgen. 1349

Bis 2009 wurde in den Sozialsystemen der Mangel verwaltet. Allein in der 1350 gesetzlichen Krankenversicherung fehlten damals Milliarden. Wir haben die 1351 Trendwende geschafft und die Sozialkassen wieder auf feste Beine gestellt. 1352 Dafür haben wir im Gesundheitsbereich für mehr Wettbewerb zwischen den 1353 Krankenkassen und auf dem Arzneimittelmarkt gesorgt. Gleichzeitig sparen 1354 wir allein durch niedrigere Kosten für Medikamente derzeit bis zu zwei Milliar- 1355 den Euro. In diesen Jahren konnten wir dadurch erreichen: Überschüsse bei 1356 den Krankenkassen und die ersten Schritte hin zu einer solide finanzierten 1357 Pflegeversicherung mit einem Einstieg in die Kapitaldeckung. 1358

Wir Liberale haben die Abschaffung der Praxisgebühr durchgesetzt. Um die 1359 Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum zukunftsfest zu machen, haben 1360 wir Anreize für Ärzte gesetzt. Mit der Reform des Transplantationsgesetzes 1361 haben wir die Abläufe in den Krankenhäusern bei der Organspende verbes- 1362 sert und Organ-Lebendspender besser abgesichert. Mit der Förderung privater 1363 Pflegevorsorge und der Einführung der Leistungen für Demenzkranke und ihre 1364 Angehörigen haben wir viel für die Menschen erreicht. 1365

Wir werden den Weg der letzten vier Jahre in ein freiheitliches und vielfälti- 1366 ges Gesundheitssystem fortsetzen und dabei gleichzeitig genügend Sicherheit 1367 bieten, damit betroffene Menschen bei einer Erkrankung nicht in eine finanzi- 1368 elle Notlage geraten. Dafür wollen wir unser Gesundheits- und Pflegesystem 1369 stärken und dafür sorgen, dass die Krankenversicherung auch in Zukunft be- 1370 zahlbar bleibt. 1371

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 1372

• Wir stehen für ein freiheitliches Gesundheitssystem, das Solidarität und 1373 Eigenverantwortung verbindet. Wir sind gegen eine zentralistisch gelenk- 1374 te Staatsmedizin, die nur zu Bevormundung, Mangelverwaltung und 1375 Wartelisten führt und den Patienten zum Bittsteller macht. Vielmehr 1376 muss das Wohl der Patienten im Mittelpunkt der medizinischen Versor- 1377 gung stehen. b 1378

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• Wahlfreiheit für den Bürger bleibt die Maxime liberaler Gesundheitspoli- 1379 tik. Deshalb setzen wir uns weiter für die freie Wahl des Arztes, für 1380 Therapiefreiheit, für die freie Wahl bei der Krankenversicherung, bei 1381 Versicherungsschutz und Krankenhaus ein. Dazu gehört eine starke pri- 1382 vate Krankenversicherung, die Abschaffung der Budgetmedizin und die 1383 Einführung des Kostenerstattungsprinzips. Jeder Patient soll zumindest 1384 eine Rechnung erhalten in der die Kosten der in Anspruch genommenen 1385 Leistungen aufgezeigt werden. Einer Einheitskasse mit Einheitsversor- 1386 gung für den Einheitspatienten erteilen wir eine klare Absage. b 1387

• Wir wollen mehr Beitragsautonomie der Krankenkassen. Der Einstieg in 1388 die Abkopplung der Krankenversicherungsbeiträge von den Löhnen und 1389 Gehältern war richtig. Der notwendige Sozialausgleich für diejenigen, die 1390 ihre Beiträge nicht bezahlen können, soll weiterhin aus Steuermitteln 1391 und damit durch alle Steuerpflichtigen gemäß ihrer Leistungsfähigkeit fi- 1392 nanziert werden. b 1393

• Eine moderne Gesundheitsversorgung versteht die Beteiligten nicht als 1394 Einzelkämpfer. Vielmehr spielen Kooperation, Zusammenarbeit und Auf- 1395 gabenverteilung für eine gute Versorgung des Patienten eine große Rol- 1396 le. Wir setzen uns dafür ein, dass die Aufgaben zwischen den Beteilig- 1397 ten klar geregelt und verteilt sind und wollen ärztliche und nicht-ärztliche 1398 Berufe aufwerten und attraktiver machen. b 1399

• Die Freiberuflichkeit ist ein Garant für ein leistungsfähiges Gesundheits- 1400 wesen. Wir werden daher an der Freiberuflichkeit der Heilberufe festhal- 1401 ten. b 1402

• Die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Pflegekräften ist von entschei- 1403 dender Bedeutung dafür, ob es gelingt, die Qualität der Pflege dauerhaft 1404 auf hohem Niveau zu gewährleisten. Darüber hinaus trägt eine attraktive 1405 Ausbildung mit klar geregelten Finanzierungsmodalitäten entscheidend 1406 zur Verbesserung des Ansehens und der Akzeptanz der Pflegeberufe 1407 bei. b 1408

• Wir wehren uns gegen Bestrebungen, dass künftig nur noch Abiturien- 1409 ten eine Pflegeausbildung machen dürfen, sondern wollen die Anerken- 1410 nung und die Entwicklungsmöglichkeiten der Pflegeberufe verbessern. 1411 Pflegekräfte sollen sich weiterentwickeln und dann weitere Aufgaben 1412 übernehmen können. Die Herausforderungen der Pflege sind mittlerweile 1413 im Krankenhaus angekommen und die medizinischen Themen im Pfle- 1414 geheim. Wir sprechen uns daher für eine Zusammenführung der drei 1415 bisher getrennten Ausbildungen zum Kinderkranken-, Kranken- und Al- 1416 tenpfleger zu einer generalistischen Pflegeausbildung mit einer weiteren 1417 Entwicklungsperspektive aus. b 1418

• In der Pflegeversicherung brauchen die Menschen Alternativen neben 1419 der traditionellen ambulanten und stationären Versorgung, wie sie z. B. 1420 durch die Förderung von Wohngruppen geschaffen wurden. Für Men- 1421

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schen mit Demenz und ihre Angehörigen möchten wir Betreuung in gu- 1422 ter Qualität gewährleisten. Um ihren speziellen Problemen gerecht zu 1423 werden, sollen sich auch die Kriterien zur Pflegebedürftigkeit von körper- 1424 lichen Verrichtungen hin zu einer Einstufung anhand der noch vorhande- 1425 nen Selbstständigkeit ändern. b 1426

• Eine Politik der Budgetierung wird im demographischen Wandel zu ei- 1427 nem Mangel an Ärzten, Pflegekräften und anderen Leistungsangeboten 1428 führen. Um auch in Zukunft eine gute Versorgung im Krankheits- oder 1429 Pflegefall zu gewährleisten, brauchen wir leistungsgerechte Vergütungen 1430 und gute Arbeitsbedingungen. Dazu gehören die Vereinbarkeit von Fa- 1431 milie und Beruf ebenso wie effiziente Arbeitsabläufe. Dazu gehört auch 1432 der Abbau von bürokratischer Regulierung, die Qualifizierung möglichst 1433 vieler Menschen, die gezielte Gewinnung von Rückkehrern in die Ge- 1434 sundheitsberufe und die gesteuerte Einwanderung von Menschen aus 1435 dem Ausland, die in Deutschland im Gesundheitsbereich arbeiten möch- 1436 ten. b 1437

• In der Pflege ist der weitere Abbau von Bürokratie und Dokumentati- 1438 onspflichten unerlässlich, damit so viel Zeit wie möglich für die eigentli- 1439 che Pflege verbleibt. Deshalb wollen wir stärker auf die Kontrolle von 1440 Ergebnisqualität statt auf die Vorgabe von Strukturen und Prozessen 1441 setzen. b 1442

• Der demographische Wandel stellt die Frage der Finanzierung zwi- 1443 schen den Generationen neu. Deshalb brauchen wir eine Stärkung der 1444 Kapitaldeckung. In der privaten Pflege-Vorsorgeförderung haben wir ei- 1445 nen ersten wichtigen Schritt erreicht. Diesen Weg wollen wir fortsetzen. b 1446

• Gerade vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung ist es uns 1447 wichtig, dass hochwertige medizinische Versorgung in Deutschland auch 1448 in Zukunft wohnortnah für alle kostengünstig verfügbar ist und dass 1449 Menschen auch im Alter ein selbstbestimmtes Leben führen können. Wir 1450 befürworten den stärkeren Einsatz von Telemedizin und den Abbau von 1451 haftungsrechtlichen Vorgaben für den Einsatz telemedizinischer Anwen- 1452 dungsfälle. Der Einsatz technischer Assistenzsysteme ermöglicht Älteren 1453 und Kranken ein besseres Leben. b 1454

• Gute Prävention verbessert die Lebensqualität, vermeidet Krankheiten 1455 oder zögert ihr Eintreten zumindest heraus. Deshalb wollen wir Präventi- 1456 on weiter stärken, insbesondere im Bereich HIV-Prävention, Diabetes, 1457 Übergewicht und psychischer Erkrankungen. Hierzu muss jede Institution 1458 in klarer Finanz- und Aufgabenverantwortung ihren Beitrag leisten. Dabei 1459 sind Kommunen, Krankenkassen, Gesundheitsberufe, Arbeitgeber im 1460 Rahmen der betrieblichen Gesundheitsvorsorge und die Bundeszentrale 1461 für gesundheitliche Aufklärung gefordert. Ebenso wie diejenigen, die in 1462 Kindergärten, Schulen und Vereinen Einfluss auf eine gesunde Lebens- 1463 weise nehmen können. Eine besondere Rolle kommt hierbei dem Sport 1464

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zu, der einen wesentlichen Beitrag zur Kostendämpfung im Gesund- 1465 heitswesen leistet. b 1466

• Unser Gesundheitswesen ist trotz vieler Fortschritte in vielen Bereichen 1467 noch nicht hinreichend auf die immer längere Lebenszeit der Menschen 1468 eingestellt. Notwendig ist zum Beispiel geriatrische Kompetenz in allen 1469 Gesundheitsberufen, insbesondere auch Kompetenz im Umgang mit De- 1470 menz. Die Altersmedizin wollen wir stärker in den Fokus medizinischer 1471 Forschung stellen. Gleichzeitig wollen wir durch eine umfassende Prä- 1472 ventionsstrategie die Menschen dabei unterstützen, möglichst gesund alt 1473 zu werden. b 1474

• Zur Freiheit des Einzelnen gehört das Recht auf Selbstbestimmung über 1475 den eigenen Körper. Selbstbestimmung geht vor Fürsorge-Überlegungen 1476 Dritter. Es ist das Recht jedes Einzelnen, eigenverantwortlich über medi- 1477 zinische Behandlungen zu entscheiden und im Voraus entsprechende 1478 Verfügungen zu treffen. Medizinische Behandlungen gegen den erklär- 1479 ten Willen des Betroffenen lehnen Liberale strikt ab. Wir wollen für alle 1480 Menschen ein menschenwürdiges Leben bis zuletzt ermöglichen. Die 1481 Neuregelung der Patientenverfügung hat sich bewährt. Die Rahmenbe- 1482 dingungen zur Versorgung mit Palliativmedizin und Hospizangeboten 1483 wollen wir weiter verbessern. b 1484

III. Vielfalt, damit jeder eine Wahl hat 1485

Wir Liberale wollen eine freie, eine vielfältige Gesellschaft. Die Menschen 1486 sollen selbst entscheiden, wie sie leben wollen. Politik darf Menschen nicht ei- 1487 ne bestimmte Lebensweise verordnen. Wir wollen stattdessen Freiheit und 1488 Vielfalt in Deutschland weiter stärken. Dazu wollen wir neue Formen der Soli- 1489 darität, Arbeitsteilung und gesellschaftlichen Teilhabe ermöglichen. Denn die 1490 Globalisierung und die zunehmend enge Vernetzung der Welt führen zu im- 1491 mer schnellerem Wandel. Bei kaum einer Entscheidung von heute können wir 1492 uns sicher sein, dass sie morgen noch zu den gewünschten Ergebnissen 1493 führt. Eine vielfältige und offene Gesellschaft hingegen kann schnell Fehler 1494 korrigieren und Neues ausprobieren. Vielfalt und Offenheit garantieren deshalb 1495 Zukunftsfähigkeit. 1496

Wir stärken Familien und Verantwortungsgemeinschaften. Denn eine Repu- 1497 blik freier Bürger lebt davon, dass Menschen Verantwortung übernehmen. Wir 1498 wollen Wahlfreiheit der Lebensentwürfe. Vielfalt in unserer Gesellschaft zu er- 1499 möglichen und zu leben bedeutet auch, Unterschiede zu tolerieren und zu ak- 1500 zeptieren, aber vor allem ihren Wert zu erkennen. Deshalb wollen wir reale 1501 Chancen auf mehr Teilhabe für alle in unserer Gesellschaft. 1502

Das gilt auch und gerade unter den Bedingungen des demographischen 1503 Wandels. Deutschland wird ein Land des langen Lebens und dadurch auch 1504

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vielfältiger und erfahrener. Diese Herausforderungen wollen wir zu einer 1505 Chance für unser Land machen. 1506

Eine vielfältige Gesellschaft gibt es nicht ohne Gleichheit vor dem Gesetz. 1507 Gleiche Pflichten bedeuten auch gleiche Rechte. Gleiche Rechte zu haben be- 1508 deutet für Liberale aber nicht, Verschiedenes gleich zu machen. Wir setzen 1509 auf Vielfalt. 1510

1. Verantwortung stärken – in Familien und Verant- 1511

wortungsgemeinschaften 1512

Liebe, Geborgenheit und Anerkennung geben ein starkes Fundament für die 1513 gute Entwicklung einer individuellen Persönlichkeit. Kinder verdienen unseren 1514 besonderen Schutz. Jedes Kind hat das Recht darauf, sich zu einer eigenver- 1515 antwortlichen Persönlichkeit zu entfalten. Chancen, unabhängig von der Her- 1516 kunft, beginnen bereits im Kleinkindalter. In der Verantwortung für ihre Kinder 1517 sehen wir Liberalen zunächst die Eltern und erst dann Staat und Gesellschaft. 1518

Familie bedeutet dabei heute nicht mehr nur die Lebensgemeinschaft von 1519 leiblichen Elternpaaren mit ihren Kindern. Daneben leben heute beispielsweise 1520 auch Alleinerziehende, Patchwork-Familien oder gleichgeschlechtliche Paare 1521 mit Kindern in hohem Verantwortungsbewusstsein als Familien zusammen. 1522 Die Entscheidung über die konkrete Ausgestaltung der eigenen Lebensge- 1523 meinschaft ist Privatsache. Für uns Liberale sind alle Lebensgemeinschaften 1524 gleich wertvoll, in denen Menschen Verantwortung füreinander übernehmen: 1525 Eltern für ihre Kinder, Kinder für ihre Eltern, Ehe- und Lebenspartner füreinan- 1526 der. Aber auch Menschen in anderen frei gewählten Verantwortungsgemein- 1527 schaften. Wir wollen Selbstbestimmung für Lebensmodelle stärken und zur 1528 Verantwortung ermuntern. 1529

Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren Familien mit Kindern durch 1530 ein höheres Kindergeld und höhere Freibeträge entlastet. Wir haben einen 1531 Beitrag dazu geleistet, dass heute insgesamt 250.000 Kinder weniger in Ar- 1532 mut leben. Wir haben die Kinderrechte durch die volle Umsetzung der 1533 UN-Kinderrechtskonvention gestärkt. Wir haben das erste Bundeskinder- 1534 schutzgesetz eingeführt und damit einen Meilenstein im Kinderschutz in 1535 Deutschland gesetzt. Kinderlärm als Klagegrund wurde abgeschafft. Wir ha- 1536 ben durch Förderung des Bundes den Ausbau der Kinderbetreuung mit 1537 780.000 neuen Plätzen weiter vorangetrieben. Das Bildungspaket für bedürfti- 1538 ge Kinder wurde ebenso realisiert wie der Rechtsanspruch auf die Betreuung 1539 von unter dreijährigen Kindern, der Kinderbetreuungszuschlag beim BAföG 1540 und die vereinfachte Einbeziehung von Selbständigen in das Elterngeld. Wir 1541 haben die Familienpflegezeit beschlossen und flexiblere Teilzeitlösungen für 1542 Arbeitnehmer ermöglicht. Wir haben im Bundestag eine Regelung zur vertrau- 1543

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lichen Geburt auf den Weg gebracht. Wir haben die Rechte leiblicher Väter 1544 gestärkt und das gemeinsame Sorgerecht im Interesse des Kindes ausgewei- 1545 tet. Für gleichgeschlechtliche Lebenspartner haben wir in zahlreichen Lebens- 1546 bereichen die Gleichstellung mit Ehegatten verwirklicht: im öffentlichen Dienst- 1547 recht, bei der Erbschaft- und Grunderwerbsteuer, beim BAföG und vermögens- 1548 wirksamen Leistungen. 1549

Freiheit und Verantwortung sind untrennbar miteinander verbunden. Wir wer- 1550 den nur besser werden und besser leben, wenn wir uns daran erinnern, was 1551 uns stark gemacht hat: Menschen, die sich anstrengen – aus Leidenschaft, 1552 aus Liebe zu anderen, aus Verantwortung. Wir glauben an diese Menschen. 1553 Sie weiter zu stärken ist unser Ziel. 1554

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 1555

• Wir treiben den Ausbau des qualitativ hochwertigen Betreuungsange- 1556 bots für unter Dreijährige weiter voran. Dafür wollen wir die Betreuungs- 1557 schlüssel und die Ausbildung der Erzieher weiter verbessern. Die Län- 1558 der müssen sich hier ihrer Verantwortung stellen. Betriebskindergärten 1559 und private Einrichtungen wollen wir mit den öffentlichen, gemeinnützi- 1560 gen und kirchlichen Trägern gleichstellen und bürokratische Hürden für 1561 neue Einrichtungen senken. Zudem möchten wir Tagesmütter und -väter 1562 besser stellen. b 1563

• Wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern. Wer für 1564 andere Menschen Verantwortung übernimmt, soll das nicht um den Preis 1565 eigener Chancen tun. Starke Eltern sind vor allem selbstbewusste El- 1566 tern, die Anerkennung erfahren – sei es durch Teilhabe im Beruf oder 1567 im sozialen Leben. Deshalb wollen wir die Nutzung von flexiblen Ar- 1568 beitszeitmodellen, Home Office-Möglichkeiten, Freistellungsjahren und 1569 den Wechsel zwischen Voll- und Teilzeit in Unternehmen weiter erleich- 1570 tern. b 1571

• Wir wollen die Inanspruchnahme des Elterngeldes durch bessere Teil- 1572 zeit-Möglichkeiten weiter flexibilisieren und die Partnermonate stärken. 1573 Weiterhin streben wir insbesondere eine flexible Anrechnung von Selb- 1574 ständigkeit, bei Alleinerziehenden und bei Teilzeitmodellen während der 1575 Elternzeit an. b 1576

• Wir wollen auf Grundlage der in den vergangenen Jahren durchgeführ- 1577 ten Evaluation die familienpolitischen Leistungen neu ordnen, um Büro- 1578 kratie abzubauen und die Effizienz der eingesetzten Mittel zu erhöhen. 1579 Auch das kürzlich eingeführte Betreuungsgeld muss sich einer Evaluati- 1580 on stellen. Dabei orientieren wir uns bei allen Leistungen vor allem am 1581 Kindeswohl. b 1582

• Wir wollen die Bündelung aller kindbezogenen Leistungen mit einer 1583 Kinderkarte in einem Modellversuch erproben. Diese elektronische Karte 1584

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ist eine unbürokratische und diskriminierungsfreie Möglichkeit, Kindern di- 1585 rekt Förderleistungen zukommen zu lassen. b 1586

• Der Unterhaltsvorschuss muss wieder zur Überbrückungsleistung ge- 1587 macht werden. Die Dauer seines Bezuges soll verkürzt werden und im 1588 Gegenzug der Bezug bis zum 18. Lebensjahr des Kindes ausgeweitet 1589 werden. b 1590

• Alle Akteure des Kinderschutzes müssen Hand in Hand arbeiten, um 1591 Missbrauch und Misshandlung wirksam vorzubeugen und bei Verdachts- 1592 fällen gezielt einzuschreiten. Die deutliche Stärkung von Prävention und 1593 Intervention hilft, Verwahrlosung und Missbrauch von Kindern und die 1594 Zerrüttung von Familien in Zukunft besser zu verhindern. Diesen Ansatz 1595 gilt es bundesweit zu stärken. Beispielsweise durch gemeinsame Prä- 1596 ventionsnetzwerke wie "Kein Täter werden". b 1597

• Für Liberale sind alle Lebensgemeinschaften gleich wertvoll, in denen 1598 Menschen Verantwortung füreinander übernehmen. Alle Paare sollen die 1599 Ehe eingehen können. Bis dahin gilt: Wer gleiche Pflichten hat, verdient 1600 auch gleiche Rechte. Eingetragene Lebenspartnerschaften müssen mit 1601 der Ehe gleichgestellt werden – vor allem noch im Einkommensteuer- 1602 recht, bei der Riester-Rente und bei Adoptionen. b 1603

• In einer Zeit, in der traditionelle Familienstrukturen gerade im Alter nicht 1604 immer tragen, wächst der Bedarf an neuen Formen gegenseitiger Absi- 1605 cherung – jenseits von Verwandtschaft oder Liebesbeziehungen. Des- 1606 halb wollen wir im BGB das Rechtsinstitut der Verantwortungsgemein- 1607 schaft mit flexiblen Bausteinen der Verantwortungsübernahme zwischen 1608 zwei oder mehreren Personen einführen. Um Rechtsklarheit gegenüber 1609 anderen Verpflichtungen zu wahren, dürfen diese Personen weder ver- 1610 heiratet, verpartnert oder in gerader Linie miteinander verwandt sein. 1611 Begünstigungen durch den Staat im Steuer- und Sozialrecht aber auch 1612 im Erbrecht sind nur gerechtfertigt, wenn die Partner volle Unterhalts- 1613 und Einstandspflichten wie Ehegatten übernehmen. Um Missbrauch aus- 1614 zuschließen, steht Mitgliedern einer Verantwortungsgemeinschaft kein 1615 Zeugnisverweigerungsrecht und kein Familiennachzug im Ausländerrecht 1616 zu. b 1617

• Wir wollen im Familienrecht weitere Wahlmöglichkeiten schaffen. Ehe- 1618 gatten und eingetragene Lebenspartner sollen bei Eheschließung optio- 1619 nal die Errungenschaftsgemeinschaft als weiteren optionalen Güterstand 1620 wählen können. Diese ist in den meisten europäischen Ländern der ge- 1621 setzliche Güterstand. Damit werden erwirtschaftete Güter bereits wäh- 1622 rend der Ehe zum gemeinsamen Vermögen und nicht erst bei einer 1623 Trennung in Form des Zugewinns ausgeglichen. b 1624

• Wir wollen die Möglichkeit zur Adoption vereinfachen. Dazu wollen wir 1625 beispielsweise, dass bei Stiefkindadoptionen – den einvernehmlichen 1626 Wunsch von Mutter, Vater und adoptionswilligem Stiefelternteil voraus- 1627

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gesetzt und sofern dieses dem Kindeswohl nicht widerspricht – das Ver- 1628 wandtschaftsverhältnis zu beiden leiblichen Elternteilen erhalten bleibt. 1629 Die gesellschaftliche Realität einer höheren Lebenserwartung und einer 1630 nach hinten verschobenen Familiengründungsphase erfordert ein Adopti- 1631 onsrecht, das die Zeichen der Zeit erkennt. Im Regelfall soll auch ein Al- 1632 tersunterschied von 50 Jahren zwischen dem Kind und den Eltern kei- 1633 nen Zweifel an der Erziehungsfähigkeit begründen. b 1634

• In einem Reproduktionsmedizingesetz wollen wir bestehende Einzelbe- 1635 stimmungen zusammenfassen und die Eizellspende ermöglichen. b 1636

• Allen Menschen sollen die in Deutschland zulässigen reproduktionsme- 1637 dizinischen Angebote (wie die künstliche Befruchtung) unabhängig von 1638 ihrem Familienstand rechtlich offenstehen. Bei anonymer Samenspende 1639 im Rahmen einer reproduktionsmedizinischen Behandlung soll geregelt 1640 werden, dass ein Kind zwar bei Volljährigkeit seine Abstammung erfah- 1641 ren darf, Unterhalts- und Erbansprüche aber ausgeschlossen sind. b 1642

2. Bürgerschaftliches Engagement stärken 1643

Wir Liberalen stehen für die freie, die offene Bürgergesellschaft. Sie fördert 1644 die Menschen in ihrer freien Entfaltung, ihrem persönlichen Streben nach 1645 Glück und ihrem Engagement für ihre Mitwelt. Schon heute engagieren sich in 1646 unserem Land Millionen Menschen und machen dadurch unsere Gesellschaft 1647 reicher und wärmer – diese Menschen wollen wir stärken. 1648

Dazu haben wir unter anderem die Übungsleiter- und Ehrenamtspauschalen 1649 spürbar angehoben und Haftungsrisiken für die Engagierten in Vereinen klar 1650 beschränkt. Wir haben die Jugendfreiwilligendienste (FSJ und FÖJ) gestärkt 1651 und den Bundesfreiwilligendienst geschaffen – und damit die größte engage- 1652 mentpolitische Reform in der Geschichte unseres Landes umgesetzt. Wäh- 1653 rend nach 2009 noch durchschnittlich 68.000 Zivildienstleistende ihren Pflicht- 1654 dienst absolvierten, engagieren sich heute 80.000 Menschen in den Freiwilli- 1655 gendiensten – anders als beim Zivildienst aber geschlechter- und generatio- 1656 nenübergreifend. 1657

Wir stärken das Ehrenamt und das individuelle Engagement. Das Engage- 1658 ment von Bürgern und zivilgesellschaftlichen Organisationen – von privat or- 1659 ganisierten Bürgertafeln über Stiftungen und Vereine bis hin zu sozialen Orga- 1660 nisationen wie der Freien Wohlfahrtspflege – hat deshalb für uns einen be- 1661 sonderen Wert. Die solidarische und offene Bürgergesellschaft ist Ausdruck ei- 1662 ner der Freiheit verpflichteten Gesellschaft. Ihre Stärke ist die Vielfalt. Sie 1663 schafft neue Lebenschancen – und neue Vorbilder für Bürger und Unterneh- 1664 men. 1665

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 1666

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• Millionen Deutsche übernehmen in ihrer Gemeinschaft Verantwortung 1667 im persönlichen Umfeld, Vereinen, Stiftungen und vielem mehr. Diese 1668 Menschen wollen wir in ihrer ehrenamtlichen Arbeit unterstützen, indem 1669 wir sie von bürokratischen Hemmnissen befreien und andere zur Nach- 1670 ahmung ermuntern. Im Steuerrecht sollen dazu die Pauschalen für Auf- 1671 wandsentschädigungen fortlaufend hinsichtlich der Preisentwicklung an- 1672 gepasst und Hinzuverdienstregelungen bei staatlichen Leistungen so 1673 verändert werden, dass Aufwandsentschädigungen nicht zu einer Ver- 1674 ringerung der Hilfen führen. b 1675

• Wir wollen die Organisationen und Einrichtungen, in denen ehrenamtli- 1676 ches Engagement möglich wird, weiter stärken. Vereine, Stiftungen, Ver- 1677 bände und andere zivilgesellschaftliche Organisationen bieten wichtige 1678 Beteiligungsmöglichkeiten, wirken an der Gestaltung unserer Gesell- 1679 schaft mit und übernehmen gesellschaftliche Verantwortung. Sie ermögli- 1680 chen den Menschen praktische Erfahrungen in einem demokratischen 1681 System und sind auf Basis ihrer immer neuen Erfahrungen Impulsgeber 1682 für die gesamte Zivilgesellschaft. b 1683

• Mit 27 Millionen Vereinsmitgliedern sind die Sportverbände die größte 1684 Bürgerbewegung unseres Landes. Sport bringt Menschen unabhängig 1685 von Geschlecht, Alter, sozialem Status, religiöser oder politischer An- 1686 schauung, körperlichen Voraussetzungen, Herkunft oder sexueller Orien- 1687 tierung zusammen. Er fördert die gesundheitliche Prävention, den Auf- 1688 bau von Gemeinschaftsgeist und den Abbau von Vorurteilen. Sportver- 1689 bände und ihre ehrenamtlichen Unterstützer verdienen unsere besonde- 1690 re Unterstützung. Der Erhalt und Ausbau von Sportstätten ist uns ein 1691 Anliegen. b 1692

• Die wirtschaftliche Vermarktung und Verwertung von Sportveranstaltun- 1693 gen ist Voraussetzung für die Eigenfinanzierung des organisierten 1694 Sports. In diesem Zusammenhang achten wir bei der Modernisierung 1695 des Urheberrechts auf die schutzwürdigen Eigentumsrechte von Sport- 1696 veranstaltern. b 1697

• Im Stiftungsrecht wollen wir weitere Vereinfachungen vornehmen, um 1698 gesellschaftliches Engagement von Personen und Unternehmen zu er- 1699 leichtern. Darüber hinaus wollen wir private Zustiftungen zu dem Stif- 1700 tungsvermögen von Stiftungen des Bundes ermöglichen. b 1701

• Die von uns Liberalen im Zuge der Aussetzung der Wehrpflicht gefor- 1702 derte Freiwilligendienstreform hat zu einem massiven Ausbau der Frei- 1703 willigendienste geführt. Dieses Engagement von Jung und Alt wollen wir 1704 stärken, indem wir bürokratische Hürden abbauen und die nationalen 1705 wie internationalen Freiwilligendienste besser koordinieren. Die Freiwilli- 1706 gendienste dürfen dabei nicht als Arbeitsmarktinstrument missbraucht 1707 werden, das Prinzip der Arbeitsmarktneutralität ist zu achten. b 1708

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3. Vielfalt leben — Miteinander in einer offenen 1709

Bürgergesellschaft 1710

Wir möchten, dass jeder in Deutschland seinen eigenen Weg gehen kann, 1711 ohne dabei bevormundet oder gegen seinen Willen in eine bestimmte Rich- 1712 tung gedrängt zu werden. Jeder Men-sch soll die Chancen haben, aus eige- 1713 ner Kraft seine Ziele zu erreichen und seine Träume zu erfüllen – unabhängig 1714 von Geschlecht, Alter, sexueller Orientierung und Behinderung. 1715

Für Liberale ist es normal, verschieden zu sein. Liberale Politik schützt des- 1716 halb in besonderem Umfang vielfältige Lebensformen und Lebensentwürfe – 1717 und damit ein angstfreies Anderssein. Wir unterstützen deshalb die Entwick- 1718 lung von „Strategien zur Vielfalt“ (Diversity-Strategien) und wollen, dass unse- 1719 re republikanischen Institutionen Vorbilder sind und Vielfalt leben. 1720

Zur Toleranz gehört für uns auch die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Le- 1721 bensgemeinschaften. Hier haben wir verschiedene Verbesserungen durchge- 1722 setzt. Wir haben im Jahr 2011 die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld durchge- 1723 setzt, die durch Bildung und Forschung der Diskriminierung gegenüber Lesben 1724 und Schwulen entgegenwirkt. Wir haben zur Verbesserung der Geschlechter- 1725 gerechtigkeit eigenständige Programme zur Jungen- und Männerpolitik entwi- 1726 ckelt. Wir setzen uns weiterhin dafür ein, dass der Anteil von Frauen in Füh- 1727 rungspositionen in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst durch Selbstver- 1728 pflichtung erhöht wird. 1729

Wir haben eine eigenständige Jugendpolitik auf den Weg gebracht. Während 1730 andere Jugendpolitik vorrangig mit Geboten und Verboten für scheinbar un- 1731 mündige oder mit Nachteilen und Schwierigkeiten behaftete Jugendliche defi- 1732 nieren, setzen wir Vertrauen gerade auch in junge Menschen und wollen ih- 1733 nen mehr Chancen geben. Diese Überzeugung haben wir mit dem Führer- 1734 schein für 17-Jährige, dem Deutschlandstipendium oder der Sommerferienjob- 1735 regelung bei Hartz IV in praktische Politik umgesetzt. 1736

Politik für ältere Menschen ist mehr als eine gute soziale Absicherung. Den 1737 Menschen, die im Alter aktiv sein wollen, haben wir beispielsweise durch die 1738 Öffnung der Freiwilligendienste für alle Generationen neue Perspektiven eröff- 1739 net. 1740

Mit dem Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung des Übereinkommens über 1741 die Rechte von Menschen mit Behinderung haben wir in vielen Bereichen 1742 wichtige Anreize für eine inklusive Gesellschaft geschaffen. Die Kommunen 1743 wurden bei der Eingliederungshilfe erheblich entlastet. 1744

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 1745

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• Aufgabe der Politik ist es, Vielfalt zu bewahren und zu fördern sowie 1746 entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, Vielfalt auch leben zu 1747 können. Die Vielfalt unserer Gesellschaft und die damit verbundenen un- 1748 terschiedlichen Erfahrungen und Talente führen zu neuen Fortschritts- 1749 und Innovationschancen. Gleichzeitig eröffnet das soziale Aufstiegschan- 1750 cen für all jene, deren Fleiß, Kreativität und Anstrengungen zu weiteren 1751 Innovationen führen. b 1752

• Wir wollen mehr berufliche Aufstiegschancen für Frauen in unserem 1753 Land – und wollen mehr Vätern die Möglichkeit geben, stärker als bisher 1754 Beruf und Familie in Einklang zu bringen. Dazu wollen wir Rahmenbe- 1755 dingungen schaffen, die Unternehmen ermutigen, familienfreundliche Ar- 1756 beitsplätze zu schaffen. Dazu bedarf es einer Flexibilisierung der Arbeit, 1757 einer modernen Ausgestaltung des Steuerrechts - zum Beispiel die Ab- 1758 schaffung der Lohnsteuerklasse V - und anpassungsfähiger Lösungen in 1759 den Betreuungsmöglichkeiten, etwa die Förderung von Betriebskinder- 1760 gärten. b 1761

• Wir wollen mehr Frauen in Führungsverantwortung sowohl in der Wirt- 1762 schaft als auch im Öffentlichen Dienst. Es hat sich gezeigt, dass dies 1763 nicht nur ein Gebot der Fairness zwischen den Geschlechtern ist, son- 1764 dern Frauen Unternehmen sehr erfolgreich leiten und gemischte Teams 1765 oft überlegen sind. Wir erwarten daher von Unternehmen in Deutschland 1766 eine deutliche Verbesserung des Frauenanteils in Führungspositionen 1767 und werden uns dafür auch im Öffentlichen Dienst einsetzen. Als Libera- 1768 le lehnen wir eine gesetzliche Quote jedoch ab. Wir setzen vielmehr auf 1769 Anreize für die Unternehmen, verbindliche Berichtspflichten und transpa- 1770 rente Selbstverpflichtungen. Damit geben wir den Unternehmen die Mög- 1771 lichkeit, eine bessere Beteiligung von Frauen so auszugestalten, dass 1772 sie die besten Chancen für das Unternehmen und alle Mitarbeiterinnen 1773 und Mitarbeiter schafft. b 1774

• Wir befürworten den Aufbau eines laufbahnbegleitenden und altersge- 1775 rechten Personalmanagements in Wirtschaft und Gesellschaft, um Er- 1776 fahrungen zu nutzen und lebenslanges Lernen zu fördern („AlterNsma- 1777 nagement“). Wir wollen insbesondere auch die Erfahrungen älterer Men- 1778 schen in unserer Gesellschaft nutzen. Darum unterstützen wir entspre- 1779 chendes Engagement beispielsweise in so genannten Bildungspaten- 1780 schaften oder im Bundesfreiwilligendienst. Wo erforderlich, wollen wir 1781 bestehende Altersgrenzen überprüfen, um Menschen jeden Alters die 1782 Möglichkeit zu geben, sich in den Dienst der Gesellschaft zu stellen. b 1783

• Das bestehende Potenzial an Fachkräften in Deutschland muss besser 1784 genutzt werden, um individuelle Chancen zu sichern und Wachstum zu 1785 befördern. Unternehmen wirtschaftlich erfolgreicher und Verwaltungen 1786 bürgernäher, die aktiv auf Strategien der Vielfalt (Diversity-Management) 1787

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setzen. Dies zu unterstützen ist auch Teil unserer Wachstumsstrategie 1788 für den Standort Deutschland. Vielfalt und Erfolg gehören zusammen. b 1789

• Wir Liberalen stehen für eine eigenständige Jugendpolitik. Wir setzen 1790 auf eine starke Jugendhilfe und eine starke Jugendarbeit, insbesondere 1791 durch starke Jugendverbände, die jungen Menschen Chancen auf Teil- 1792 habe eröffnet und ihre Potentiale fördert und ausbaut. b 1793

• Wir wollen die Partizipationsmöglichkeiten von Jugendlichen als zentra- 1794 len Bestandteil demokratischer Kultur weiterentwickeln. Dazu gehören 1795 zum Beispiel Online-Foren, Internetplattformen und Jugendparlamente. b 1796

• Um gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber Lesben und Schwulen 1797 abzubauen, setzen wir vorrangig auf Bildung und Aufklärung statt auf 1798 bürokratische Antidiskriminierungsgesetze. Deshalb wollen wir die gute 1799 Arbeit der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld weiter stärken und das 1800 Stiftungskapital erhöhen. Homosexuelle, die in Deutschland nach § 175 1801 des Strafgesetzbuches verurteilt und damit Opfer staatlicher Diskriminie- 1802 rung geworden sind, wollen wir in angemessener Weise entschädigen. b 1803

• Wir werden uns für mehr Akzeptanz und Selbstbestimmung von Trans- 1804 sexuellen einsetzen – gerade auch in der Arbeitswelt. In einem neuen 1805 Transsexuellen-Gesetz wollen wir zudem die Hürden zur Personen- 1806 standsänderung verringern. Im Zuge dessen sollen die Leistungen der 1807 Krankenkassen bei Geschlechtsangleichungen gesichert und vereinheit- 1808 licht werden. b 1809

• Wir wollen Menschen mit Behinderung eine aktive Teilhabe am gesell- 1810 schaftlichen Leben ermöglichen. Das beginnt bei der Barrierefreiheit des 1811 öffentlichen Raumes: Menschen mit Behinderung müssen alle öffentli- 1812 chen Gebäude, Verkehrsmittel und Kommunikationseinrichtungen unab- 1813 hängig von fremder Hilfe nutzen können. Kinderbetreuungseinrichtun- 1814 gen, Schulen sowie Freizeit- und Bildungseinrichtungen wollen wir inklu- 1815 siv gestalten. Barrierefreiheit dient allen. Wer Barrieren aus dem Weg 1816 räumt, ermöglicht, dass Gebäude, Verkehrsmittel, Produkte für alle er- 1817 kennbar, erreichbar und damit für jeden nutzbar sind. Darum unterstüt- 1818 zen wir auch die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Fer- 1819 ner setzen wir uns für einen bundesweiten barrierefreien Notruf per 1820 SMS ein. b 1821

• Sofern bei Menschen mit Behinderung die Fähigkeit zur Arbeitsaufnah- 1822 me eingeschränkt ist, wollen wir eine bestmögliche Teilhabe am Arbeits- 1823 leben durch berufliche Fördermaßnahmen und den Ausbau inklusiver 1824 Arbeitsplätze erreichen. Bei Hilfsbedürftigkeit setzen wir auf die Einfüh- 1825 rung persönlicher Budgets, damit man eigenverantwortlich und selbstän- 1826 dig darüber entscheiden kann, welche Person oder Einrichtung die Hilfe 1827 erbringen soll. b 1828

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4. Einwanderung und Integration in einem vielfälti- 1829

gen, offenen Deutschland 1830

Für ein modernes, offenes Deutschland muss gelten: Es kommt nicht darauf 1831 an, woher Du kommst. Es kommt darauf an, wohin Du willst. Egal woher ein 1832 Mensch kommt, welchen Hintergrund er hat: Er kann unsere Gesellschaft be- 1833 reichern – in der Wirtschaft, in der Kultur, im Sport, im öffentlichen Leben. 1834 Und er hat ein Recht auf Teilhabe an dieser Gesellschaft. 1835

In unserem Land leben Millionen Mitmenschen „mit Migrationshintergrund“. 1836 Viele von ihnen sind hier geboren. Die allermeisten von Ihnen sind längst in 1837 diesem Land Zuhause. Sie sind unsere Mitbürger, Freunde und Nachbarn. Für 1838 diese Menschen machen wir Politik. 1839

Wir sind überzeugt: Wer an dieser Gesellschaft teilhaben möchte, wer sich 1840 einbringen will, der soll hier auch eine Heimat finden können. Dafür müssen 1841 wir in Deutschland Hindernisse abbauen und Türen öffnen. Gleichzeitig ist 1842 aber auch die Bereitschaft zur Teilhabe Voraussetzung für das Miteinander in 1843 einer offenen Bürgergesellschaft. Dazu gehören insbesondere die Bereitschaft, 1844 die deutsche Sprache zu erlernen, sowie die vorbehaltlose Akzeptanz unserer 1845 freiheitlich demokratischen Grundordnung. Mit dem Nationalen Aktionsplan In- 1846 tegration und dem Instrument der Integrationsvereinbarung zeigen wir, wie wir 1847 diesen Weg zum Miteinander in unserer Gesellschaft weiter gehen wollen. 1848 Gleichzeitig zeigen wir aber auch – zum Beispiel mit der Schaffung eines ei- 1849 genen Straftatbestandes zur Bekämpfung der Zwangsheirat – deutlich die 1850 Grenzen der Toleranz aufgezeigt. 1851

Chancen zur Teilhabe zu bieten bedeutet aber auch, alle Anstrengungen zu 1852 unternehmen, Menschen zur Integration zu befähigen. Die Fähigkeit zur Inte- 1853 gration hängt in vielen Fällen immer noch von Faktoren ab – Familie, Bil- 1854 dungsweg, soziales Umfeld – die der Einzelne nur schwer beeinflussen kann 1855 und die im ungünstigen Fall den Zugang in die Gesellschaft erheblich er- 1856 schweren. Hier wollen und müssen wir weiterhin stärker Hilfe zur Selbsthilfe 1857 geben, damit der Einzelne sich frei machen kann von äußeren Zwängen. 1858 Auch darum haben wir beispielsweise die Mittel für Integrationskurse erhöht, 1859 die Mittel für den Ausbau der Kinderbetreuung in den Ländern weiter erhöht 1860 und Initiativen zur sprachlichen und beruflichen Bildung unterstützt. 1861

Wir wollen für jene, die eintreten möchten, die Türen zu unserer Gesell- 1862 schaft öffnen. Das gilt für all diejenigen, die bereits in unserem Land leben. 1863 Und das gilt für diejenigen, die noch kommen wollen. Darum haben wir die 1864 Einwanderung nach Deutschland erleichtert und die Anerkennung ausländi- 1865 scher Bildungsabschlüsse verbessert, damit kluge Köpfe leichter den Weg 1866 nach Deutschland finden. 1867

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Aber damit diese Menschen nach Deutschland kommen, müssen diese Men- 1868 schen uns in Deutschland vor allem willkommen sein, hier mit ihren Familien 1869 ein Zuhause und eine Heimat finden können. Toleranz, Offenheit, eine Kultur 1870 des Miteinanders – das sind für Liberale Werte an sich. In der modernen Welt 1871 sind es aber auch unverzichtbare Standortfaktoren, wenn wir in der Wirt- 1872 schaft, in der Forschung, bei kreativen Unternehmungen an der Spitze bleiben 1873 wollen. 1874

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 1875

• Deutschland ist ein Einwanderungsland. Darüber freuen wir uns. Schon 1876 in der Vergangenheit haben Einwanderer das Wirtschaftswunder mitge- 1877 staltet und unsere Gesellschaft bereichert. Das Zusammenleben in der 1878 offenen Gesellschaft setzt jedoch das Bemühen um Gemeinsamkeiten, 1879 um Toleranz und Akzeptanz bei allen Beteiligten voraus. Integration ist 1880 unmöglich, ohne gemeinsame Sprache und die Akzeptanz der republika- 1881 nischen Werte unserer Verfassung. Deshalb wollen wir Integrationskurse 1882 als zentrales Element weiter stärken und hier insbesondere auch die 1883 frühzeitige Integration von Kindern verstärkt in den Blick nehmen. Die In- 1884 tegrationskurse sollen auch auf Geduldete und Asylbewerber ausge- 1885 dehnt werden. Sie sind oft jahrelang in Deutschland, und müssen daher 1886 die Möglichkeit erhalten, deutsch zu lernen, um am Arbeits- und Sozial- 1887 leben teilnehmen zu können. b 1888

• Integration braucht auch die Offenheit und Integrationsbereitschaft einer 1889 Gesellschaft. Als Liberale werben wir für mehr Offenheit und Toleranz. 1890 Wir wollen eine Möglichkeit zur beschleunigten Einbürgerung nach vier 1891 Jahren und die grundsätzliche Zulassung der doppelten Staatsbürger- 1892 schaft. Partizipationsmöglichkeiten erleichtern die Integration: daher set- 1893 zen wir uns, bei einem rechtmäßigen Mindestaufenthalt von fünf Jahren, 1894 für die Einführung eines kommunalen Ausländerwahlrechts ein. b 1895

• Wir wollen gezielt fachlich geeignetes Personal mit Migrationshinter- 1896 grund für den öffentlichen Dienst gewinnen. Denn für die Integration und 1897 unsere Gesellschaft ist es wichtig, dass im öffentlichen Dienst, in Kitas 1898 und Schulen Personen mit interkultureller Kompetenz tätig sind. Diese 1899 Vorbilder prägen gerade Kinder und Jugendliche positiv. b 1900

• Sprache ist der Schlüssel zur Bildung, zum Erfolg und zu gesellschaftli- 1901 cher Integration. Es ist daher ein Gebot der Fürsorgepflicht des Staates, 1902 dafür zu sorgen, dass kein Kind abgehängt wird. Sprachstandtests für 1903 alle Kinder im Alter von vier Jahren sind Voraussetzung dafür, dass alle 1904 die gleichen Chancen haben. Bei Bedarf sind eine gezielte Sprachförde- 1905 rung vor der Schule sowie darüber hinausgehende unterrichtsbegleiten- 1906 de Sprachprogramme notwendig. b 1907

• Wir müssen Eltern verstärkt aufklären und befähigen, ihre Kinder zu 1908 unterstützen. Programme zur kombinierten Sprachförderung von Eltern 1909

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und Kindern zeigen vorbildliche Erfolge. Auch sind Angebote für Kinder 1910 oftmals der beste Anknüpfungspunkt zur nachholenden Integrationsför- 1911 derung für Eltern. b 1912

• Erst spät hat sich in unserer Gesellschaft die Einsicht durchgesetzt, 1913 dass Deutschland ein Einwanderungslang ist. Zu spät wurde den neuen 1914 Mitbürgern ein echtes Angebot gemacht und eine offene Integrationspoli- 1915 tik betrieben. Nachholende Integration ist deshalb eine ebenso wichtige 1916 wie herausfordernde Aufgabe für die Gesellschaft und die Politik. Hier 1917 sind wir besonders gefordert, jene Migranten, die teilweise bereits seit 1918 Jahrzehnten im Land sind, beim Integrationsprozess mitzunehmen und 1919 nicht verloren zu geben. Dabei setzen wir vor allem auf arbeitsmarktpoli- 1920 tische Instrumente. b 1921

• Wir suchen und fordern den offenen Dialog mit allen Bevölkerungsgrup- 1922 pen und Religionsgemeinschaften. Alle religiösen Verbände und Institute 1923 sind aufgefordert, sich grundsätzlich der gesamten deutschsprachigen 1924 Bevölkerung gegenüber zu öffnen. Wir setzen uns ein für die vermehrte 1925 Einrichtung von Lehrstühlen für islamische Theologie an deutschen 1926 Hochschulen, für die Ausbildung von deutschsprachigen Imamen und 1927 muslimischen Religionslehrern. Wir wollen eine Akademie für Islamstudi- 1928 en schaffen, die öffentliche Stellen in Deutschland beraten und die Aus- 1929 bildung von muslimischen Geistlichen und Religionslehrern in Deutsch- 1930 land fördern soll. b 1931

• Muslime sind Teil der deutschen Gesellschaft. Das muss sich auch im 1932 Schulunterricht widerspiegeln. Es muss selbstverständlich werden, dass 1933 islamischer Religionsunterricht in deutscher Sprache an den Schulen er- 1934 teilt wird, sofern generell Religionsunterricht an staatlichen Schulen statt- 1935 findet und dieser in das Wertesystem des Grundgesetzes eingebettet ist. b 1936

• Wir wollen ein Einwanderungsrecht, das Fachkräften eine Chance am 1937 Arbeitsmarkt gibt. Deutschland muss offen sein für Talente aus aller der 1938 Welt, eine Willkommenskultur etablieren und um kluge Köpfe konkret 1939 und aktiv werben. Die begonnene Liberalisierung bei der Einwanderung 1940 von Fachkräften und den Einstieg in ein modernes Einwanderungsrecht 1941 wollen wir fortsetzen. Dazu streben wir die Weiterentwicklung des Ar- 1942 beitssuchvisums zu einem klaren und vollständigem Punktesystem nach 1943 dem Vorbild von Kanada und Australien an. Auf dem Weg dorthin wol- 1944 len wir auch die bestehenden Gehaltsgrenzen für die Einwanderung 1945 weiter absenken. Die Arbeitserlaubnispflicht soll zudem bei rechtmäßi- 1946 gem Aufenthalt entfallen. Analog zur Regelung für Studenten, die für 1947 ein Studium nach Deutschland kommen, sollen auch Auszubildende aus 1948 Drittstaaten, die eine Lehre in Deutschland absolvieren wollen, einen 1949 Aufenthaltstitel erhalten. b 1950

• Wir setzen uns dafür ein, dass die Visa-Vergabe großzügiger und flexi- 1951 bler gehandhabt wird. Auch sollten sich dabei Ausländerbehörden und 1952

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Botschaften nicht als Abwehrbehörden verstehen, sondern vielmehr als 1953 Aushängeschilder Deutschlands agieren. Deutschland ist ein weltoffenes 1954 Land. Nicht zuletzt für seine gute Wirtschaft ist der flexible Austausch 1955 von Mitarbeitern und Geschäftsreisenden unerlässlich. b 1956

• Asylbewerber sollen vom ersten Tag ihres rechtmäßigen Aufenthalts an 1957 arbeiten dürfen. Es entspricht dem liberalen Selbstverständnis, dass 1958 Menschen nicht dazu gezwungen werden, staatliche Leistungen in An- 1959 spruch zu nehmen, sondern sie die Möglichkeit haben, ihren Lebensun- 1960 terhalt selbst zu verdienen. b 1961

• Wir haben ein stichtagsunabhängiges Bleiberecht für Jugendliche und 1962 Heranwachsende geschaffen, von dem auch deren Eltern profitieren 1963 können. Nun muss in Abstimmung mit den Ländern eine generelle stich- 1964 tagsunabhängige Lösung für die vielen Tausend Betroffenen gefunden 1965 werden, die bereits seit Jahren in Deutschland leben, und hier auch ab- 1966 sehbar bleiben werden, da eine Aufhebung ihrer Duldung nicht abseh- 1967 bar ist. Kettenduldungen wollen wir abschaffen. b 1968

5. Medien und Kultur als Spiegel der Vielfalt — 1969

Kultur von allen, Kultur für alle 1970

Damit mehr Menschen in Deutschland ihren Weg gehen und ihre Träume 1971 verfolgen können, müssen Chancen erkannt werden bevor man sie ergreifen 1972 kann. Eine Voraussetzung dafür ist ein lebendiges, freies und vielfältiges Kul- 1973 turleben in Deutschland. 1974

Kunst und Kultur sind die gesellschaftlichen Grundlagen für die Verständi- 1975 gung untereinander und eine Quelle von Identität und Kreativität. Sie spiegeln 1976 den Zustand einer Gesellschaft und treiben deren Entwicklung voran. Ohne 1977 Kunst und Kultur verliert das Leben seine Vielfalt, wäre unsere Gesellschaft 1978 nicht kreativ, unsere Bildung technokratisch und unsere Wirtschaft nicht inno- 1979 vativ. 1980

Liberale Kultur- und Medienpolitik legt den Grundstein dafür, dass in Zukunft 1981 mehr Menschen mehr Chancen haben werden. Sie fördert gesellschaftliche 1982 Teilhabe, Integration, Chancengerechtigkeit und persönliche Entfaltung für 1983 Menschen jeden Alters und jeder Herkunft. 1984

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 1985

• Wir setzen konsequent auf das Prinzip „Kultur von allen, Kultur für al- 1986 le“. Deshalb wollen wir Kultur als Staatsziel im Grundgesetz verankern. 1987 Liberale Kulturpolitik stellt den Bürger als Gestalter, Förderer und Emp- 1988 fänger von Kunst und Kultur in den Mittelpunkt. Kulturelle Initiativen, 1989 Vereine, freie Zusammenschlüsse, Stiftungen und Unternehmen haben 1990

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deshalb unsere Unterstützung als Träger von Kultur und kultureller Bil- 1991 dung. Wir begrüßen ausdrücklich, wenn sich öffentliche, private und 1992 freie Kulturorganisationen für einander öffnen und gemeinsame Netzwer- 1993 ke bilden. b 1994

• Das öffentliche und öffentlich geförderte Kulturschaffen ist ein Spiegel 1995 der Vielfalt in unserem Land. Deutschland ist ein Land mit einem rei- 1996 chen und vielfältigen Kulturangebot und Geistesleben, das einen unver- 1997 zichtbaren Beitrag zur Lebendigkeit und Stärke unserer Gesellschaft 1998 leistet. Diese Kraft und Vielfalt wollen wir weiter stärken. b 1999

• Kulturelle Bildung definiert die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. 2000 Sie ist Aufgabe sowohl unserer Bildungs- als auch unserer Kultureinrich- 2001 tungen. Eine Kulturnation wie Deutschland muss alle Menschen gezielt 2002 mit kulturellen Angeboten vertraut machen. Hierzu zählt insbesondere 2003 auch die Vermittlung von Medienkompetenz. b 2004

• Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist ein wichtiger Innovationsmotor, des- 2005 sen Beitrag wir stärker gewürdigt wissen wollen. Wir wollen dafür sor- 2006 gen, dass Selbständige und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirt- 2007 schaft einen besseren Zugang zu Fremdkapital erhalten und werden 2008 Unternehmen bei der Erschließung ausländischer Märkte unterstützen. 2009 Die Kooperation von Wirtschaft und Politik beim Deutschen Computer- 2010 spielpreis und die Filmförderung findet unsere Unterstützung. b 2011

• Kultur- und Kreativwirtschaft sind ohne den Schutz geistigen Eigentums 2012 nicht denkbar. Bestehende Rechtsunsicherheiten in einer digitalisierten 2013 Welt sind durch ein modernes Urheberrecht auszuräumen. Dieses muss 2014 den Interessenausgleich zwischen Urhebern und Rechteinhabern sowie 2015 Nutzern und Diensteanbietern fair gestalten. Gleichzeitig muss es die un- 2016 zensierte Kommunikation, den freien Informationsfluss und den Zugang 2017 zu Wissen und Innovationen ermöglichen. b 2018

• Eine Demokratie lebt von der Medien- und Meinungsvielfalt. Für ein fai- 2019 res Miteinander von Printmedien und Rundfunk darf es weder eine ge- 2020 bührensubventionierte Presse geben noch die Entwicklung von vornehm- 2021 lich textbasierten digitalen Angeboten der öffentlich-rechtlichen Rund- 2022 funksender. Um Rundfunk und Presse gegenüber den Anbietern im In- 2023 ternet nicht zu benachteiligen, ist sowohl eine weitere Modernisierungen 2024 des Medienkonzentrationsrechts erforderlich als auch Anpassungen der 2025 wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Verlage und Rundfunkveran- 2026 stalter vorzunehmen. b 2027

• Wir fordern eine grundlegende Neuregelung der Zwangsabgabe für 2028 Medien, um eine Entlastung für Bürger, Unternehmen und Kommunen 2029 zu erreichen, sowie eine Konkretisierung des Grundversorgungsauftra- 2030 ges des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur zielgenauen und sparsa- 2031 men Verwendung der Einnahmen. Wir wollen die bestehende Aufsicht 2032

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über unsere Rundfunkmedien der medienpolitischen Realität der Vernet- 2033 zung von Rundfunk, Internet und Telekommunikation anpassen. b 2034

• Die Künstlersozialversicherung ist eine der tragenden Säulen der sozia- 2035 len Absicherung vieler Kreativer. Die Künstlersozialversicherung muss 2036 als Erfolgsmodell fortgesetzt und weiter an die Erfordernisse der Zeit an- 2037 gepasst werden. Darüber hinaus müssen die Maßnahmen zur Verbesse- 2038 rung der sozialen Lage von Künstlerinnen und Künstlern verstetigt bzw. 2039 bei Bedarf neu angepasst werden. b 2040

IV. Freiheit, damit jeder seinen Weg gehen 2041

kann 2042

Mehr Freiheit ermöglicht den Menschen, ihren eigenen Weg zu gehen. Das 2043 Recht hat daher die Aufgabe einen Rahmen zu schaffen, der die Freiheit des 2044 Einzelnen schützt, Eigeninitiative fördert und staatlichen Zwang nur dort an- 2045 wendet, wo es unbedingt geboten ist. Diese Leitidee verwirklicht sich im Prin- 2046 zip des liberalen Rechtsstaats, das unserer Innen- und Rechtspolitik zugrunde 2047 liegt. 2048

Das Prinzip des liberalen Rechtsstaats verwehrt sich gegen überflüssige Ein- 2049 griffe und Kontrollen, die die Bürger gängeln und bevormunden, aber weder 2050 Sicherheit noch Freiheit schaffen. Daher bilden die Grundrechte eine zentrale 2051 Säule des liberalen Rechtsstaats. Sie wirken als starker Schutzwall für die 2052 Freiheit. Diesen Wall bauen wir weiter aus und verteidigen ihn. Für uns gilt: 2053 Im Zweifel für die Freiheit. 2054

Der liberale Rechtsstaat bildet einen Rahmen, den die Bürger durch ihre 2055 Schaffenskraft und ihren Ideenreichtum ausfüllen. Wir wollen diese Kreativität 2056 nicht nur im privaten, sondern auch für den öffentlichen Bereich entfalten. Da- 2057 her steht das Prinzip des liberalen Rechtsstaats auch für eine Fortentwicklung 2058 unserer bewährten demokratischen Institutionen. Wir wollen politische Mitbe- 2059 stimmung jenseits von Wahlen und Protest eröffnen. 2060

1. Grundrechte in der digitalen Welt 2061

Die modernen Kommunikationstechnologien, die globale Vernetzung durch 2062 das Internet und der schnelle Austausch von Daten und Informationen eröff- 2063 nen jedem Einzelnen bisher ungeahnte Möglichkeiten der Entfaltung. Die Digi- 2064 talisierung schafft mehr Freiheit für mehr Menschen, nach ihren eigenen Be- 2065 dürfnissen und Wünschen miteinander in Verbindung zu treten, sich zu betei- 2066 ligen und kreativ zu betätigen. Sie verändert die Wirklichkeit von Staat, Wirt- 2067 schaft und Gesellschaft. Damit stellt die Informationsgesellschaft auch das 2068 Recht vor neue Herausforderungen. Für uns Liberale gilt dabei online wie off- 2069

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line, dass die Grundrechte geachtet werden müssen. Denn die Freiheit vertei- 2070 digt man nicht, indem man sie aufgibt. 2071

Auf diesem Weg haben wir bereits einiges erreicht: Wir haben „Netzsperren“ 2072 aus dem Bundesgesetzblatt gestrichen und den Grundsatz „Löschen statt 2073 Sperren“ durchgesetzt, die Massendatensammlung beim Elektronischen Ent- 2074 geltnachweis (ELENA) abgeschafft und der anlasslosen Speicherung und 2075 Analyse sämtlicher Telekommunikationsdaten aller Bürger, also der Vorratsda- 2076 tenspeicherung, eine Absage erteilt. Mit der Stiftung Datenschutz sind wir ei- 2077 nen wichtigen Schritt zu einem modernen Datenschutz gegangen. 2078

Wir setzen bei der Gestaltung der Chancen der Informationsgesellschaft auf 2079 den selbstbestimmten und aufgeklärten Nutzer, der seine eigenen Entschei- 2080 dungen zu treffen in der Lage ist. Diese Entscheidungen darf man – egal von 2081 welcher Seite – ihm nicht abnehmen. Das ist unsere Aufgabe. Das ist unser 2082 Versprechen. 2083

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 2084

• Durch die Verknüpfung und Veröffentlichung von Daten im Internet ent- 2085 steht eine neue digitale Öffentlichkeit mit vielfältigen Chancen. Es drohen 2086 aber auch neue Gefahren, etwa wenn im Internet hinterlassene Daten in 2087 sozialen Netzwerken ohne Wissen und Willen des Betroffenen dazu ge- 2088 nutzt werden, Verhaltens-, Nutzungs- oder Bewegungsprofile zu erstel- 2089 len, oder andere schwerwiegende Beeinträchtigungen des Persönlich- 2090 keitsrechts erfolgen. Wir wollen daher die Persönlichkeitsrechte stärken, 2091 insbesondere vor schweren Eingriffen besser schützen und dabei die 2092 Entwicklungsoffenheit und Technikneutralität der Rechtsordnung wahren 2093 („rote Linie für soziale Netzwerke“). b 2094

• Wir wollen den Schutz privater Daten weiter verbessern und die Unab- 2095 hängigkeit des Datenschutzbeauftragten stärken. Die Zuständigkeit für 2096 Datenschutz soll zukünftig beim Bundesministerium der Justiz liegen. 2097 Wir setzen uns für ein hohes Schutzniveau bei der künftigen EU-Daten- 2098 schutzverordnung ein. Wir wollen ein modernes, technikfestes Daten- 2099 schutzrecht schaffen, das der großen Bedeutung des Datenschutzes in 2100 der digitalen Welt gerecht wird, und den bereichsspezifischen Daten- 2101 schutz erhalten. Datenschutz und Pressefreiheit sollen aber nicht gegen- 2102 einander ausgespielt werden. Im gesellschaftlichen Bereich setzen wir 2103 auf den mündigen Bürger und wollen den Selbstdatenschutz und den 2104 Datenschutz durch Technik (sogenannten „privacy by design“) stärken. 2105 Der Einsatz von RFID-Chips etwa zur Verbesserung der Logistik darf 2106 nicht zur Datenschutzfalle für den Verbraucher werden. RFID-Chips an 2107 Waren – etwa bei Kleidung – sind an der Kasse vollständig und dauer- 2108 haft zu deaktivieren. Wir wollen den Datenschutz am Arbeitsplatz durch 2109

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ein Beschäftigtendatenschutzgesetz verbessern und Rechtssicherheit für 2110 Unternehmen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schaffen. b 2111

• Wir lehnen weiterhin die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ab. Die 2112 Menschen in Deutschland dürfen nicht pauschal unter Verdacht gestellt 2113 und ohne Anlass beim mobilen Telefonieren, Versenden von SMS-Nach- 2114 richten oder Surfen im Internet überwacht werden. Deutschland ist auch 2115 ohne Vorratsdatenspeicherung ein sicheres Land. Die Befugnisse der 2116 Polizei sorgen bereits heute schon für hohe Aufklärungsquoten. Wo es 2117 unbedingt geboten erscheint, setzen wir uns für eine grundrechtsscho- 2118 nende Alternative zur Vorratsdatenspeicherung ein. Im Einzelfall sollen 2119 bei konkreten Verdachtsmomenten - also gerade nicht anlasslos – be- 2120 reits vorhandene Daten gesichert und dann nach richterlicher Entschei- 2121 dung für Ermittlungszwecke genutzt werden können, wenn sich der Ver- 2122 dacht erhärtet. Gegenüber der Europäischen Kommission werden wir 2123 darauf dringen, dass die verfehlte Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie an 2124 der Europäischen Grundrechtecharta gemessen und grundlegend über- 2125 arbeitet wird. b 2126

• Projekte, die die vollständige und alle Lebensbereiche umfassende 2127 Überwachung unserer Gesellschaft zur Folge haben, lehnen wir ent- 2128 schieden ab. So sprechen wir uns gegen eine Fort- und Umsetzung des 2129 auf EU-Ebene vorangetriebenen Projektes INDECT aus. Für Liberale ist 2130 es ausgeschlossen, dass Algorithmen darüber bestimmen sollen, was 2131 "normales Verhalten" in einer Gesellschaft ist und was nicht und dass an 2132 dieses „statistische Normalitätsverständnis“ Eingriffe in die Freiheit ge- 2133 knüpft werden. Im Mittelpunkt unseres Denkens und Handelns steht der 2134 Mensch in seiner Individualität und seinem Recht, auch anders sein zu 2135 dürfen. b 2136

• Weitere Datensammlungen auf Vorrat wie etwa die anlasslose Speiche- 2137 rung von Fluggastdaten oder eine umfassende Erfassung aller Grenz- 2138 übertritte in Europa lehnen wir ab. Die Erfassung alltäglichen Verhaltens 2139 unbescholtener Bürger stellt jeden Menschen unter Generalverdacht und 2140 ist mit der Menschenwürde unvereinbar. Wo ständige Überwachung 2141 stattfindet, kann es keine freie Entfaltung geben. b 2142

• Wir werden auch in Zukunft dafür eintreten, dass der Datenverkehr im 2143 Netz frei ist. Die Menschen in Deutschland sollen sich nicht damit abfin- 2144 den müssen, dass alle ihre Daten im Internet durch die Regierung über- 2145 wacht und analysiert werden. Netzneutralität ist als Grundprinzip der Te- 2146 lekommunikationsregulierung anzuerkennen. b 2147

2. Modernes Recht für eine moderne Gesellschaft 2148

Recht muss gesellschaftliche Veränderungen aufnehmen und gestalten – und 2149 immer die Grundrechte achten. Das Grundgesetz ist das Wertegerüst unseres 2150

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Zusammenlebens. Verändert sich die Welt, so muss auch das Recht Verände- 2151 rungen nachvollziehen, wenn es nicht rückwärtsgewandt wirken soll. Eine mo- 2152 derne Gesellschaft verlangt nach modernem Recht. Globalisierung, technologi- 2153 sche Entwicklung und Veränderungen in der gesellschaftlichen Realität wie 2154 zum Beispiel offenere Familienbilder bieten viele neue Chancen, stellen uns 2155 aber auch vor neue Herausforderungen im Datenschutz, im Urheberrecht, im 2156 Familienrecht oder bei der Achtung der Bürgerrechte. 2157

Daher haben wir mehr individuelle Freiheit geschaffen, indem wir die Rück- 2158 kehr zu einer grundrechtsorientierten Rechtspolitik eingeleitet haben. Zum ers- 2159 ten Mal seit Jahrzehnten gibt es keine neuen Sicherheitsgesetze und die An- 2160 ti-Terror-Gesetze des 11. September 2001 wurden entschärft und mit rechts- 2161 staatlichen Kontrollen versehen. Die Bürgerrechte wurden in ganz unterschied- 2162 lichen Bereichen durch Gesetze gestärkt - von der Pressefreiheit angefangen 2163 bis hin zum besseren Schutz von Anwälten vor Überwachung. Die vielfältige 2164 Lebenswirklichkeit haben wir durch zahlreiche Reformen unterstützt, zum Bei- 2165 spiel im Familienrecht. Zum Schutz des Eigentums haben wir das Mietnoma- 2166 dentum bekämpft, indem wir die Rechte der Kleinvermieter auf dem Woh- 2167 nungsmarkt inner- und außerhalb des gerichtlichen Verfahrens gestärkt haben. 2168

Wir schützen die Freiheit der Menschen vor einem regelungswütigen Staat. 2169 Wir wollen keinen misstrauischen Staat, der alle Bürger unter Generalverdacht 2170 stellt. Wir wollen eine Republik freier Bürger und eine Politik für die Rechte 2171 und die Freiheit der Menschen in unserem Land. 2172

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 2173

• Die Überwachung von Telekommunikation darf in Deutschland nur in 2174 engen gesetzlichen Grenzen erfolgen. Wir wollen, dass auch in Zukunft 2175 diese Grenze gewahrt bleibt. Die ständig steigende Zahl von Telekom- 2176 munikationsüberwachungen gibt Anlass zu einer Überprüfung dahinge- 2177 hend, ob rechtsstaatliche Sicherungen wirkungsvoll verankert sind und 2178 sich auch im Alltag der Strafverfolgung zum Schutz der Bürgerrechte be- 2179 währen. b 2180

• Wir setzen uns dafür ein, die Praxis der sogenannten Funkzellenabfra- 2181 gen genau zu beobachten und gegebenenfalls die gesetzlichen Anforde- 2182 rungen an das Verhältnismäßigkeitsprinzip gesetzlich zu konkretisieren. 2183 Keinesfalls darf es zu unkontrollierten Massenabfragen – etwa bei 2184 grundrechtlich geschützten Versammlungen – kommen. b 2185

• Die Rechte der Menschen bei freiwilligen DNA-Reihenuntersuchungen 2186 wollen wir stärken. Ansonsten droht eine Aushöhlung des Zeugnisver- 2187 weigerungsrechts. Deshalb werden wir die Belehrungspflichten ausbau- 2188 en und weitere verfahrensrechtliche Sicherungen zur Voraussetzung sol- 2189 cher Reihenuntersuchungen machen. b 2190

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• Den Kernbereich privater Lebensführung wollen wir stärker schützen. 2191 Die Aufnahme eines sogenannten Spähangriffs in die Strafprozessord- 2192 nung lehnen wir strikt ab. Der sogenannte Große Lauschangriff ist vor 2193 dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 2194 und im Hinblick auf den Nutzen für erfolgreiche Verbrechensbekämpfung 2195 auf den Prüfstand zu stellen. b 2196

• Weiterhin wollen wir den Schutz von Berufsgeheimnisträgern – zum 2197 Beispiel Ärzten, Anwälten, Geistlichen, Sozialarbeitern – weiter stärken 2198 und die Strafprozessordnung überprüfen, ob weitere Berufsgeheimnisträ- 2199 ger absoluten Schutz genießen sollten. b 2200

• In Strafverfahren muss ein schonender Umgang mit Gewaltopfern 2201 selbstverständlich werden. Zivilcourage ist notwendige Voraussetzung 2202 der Bürgergesellschaft. Der Staat soll deshalb das Engagement und den 2203 Einsatz von Bürgern stärker honorieren, die sich den Straftätern in den 2204 Weg stellen, um den Opfern zu helfen. Auch Opfern von Justizirrtümern 2205 wollen wir besser helfen. Wir unterstützen deshalb die Einführung einer 2206 entsprechenden Anlaufstelle. b 2207

• Wir setzen uns für ein modernes Familien- und Erbrecht ein, das die 2208 Dispositionsmöglichkeiten der Bürger erweitert. Dazu gehören für uns 2209 mehr Testierfreiheit des Erblassers sowie der zusätzliche Güterstand der 2210 sogenannten Errungenschaftsgemeinschaft für Ehegatten und eingetra- 2211 gene Lebenspartner. Die familien- und erbrechtliche Situation wollen wir 2212 den Gegebenheiten moderner Reproduktionsmedizin (zum Beispiel Sa- 2213 menspenden) anpassen. b 2214

• Für den liberalen Rechtsstaat ist eine leistungsfähige und unabhängige 2215 Justiz unentbehrlich. Zur Stärkung der Selbstverwaltung der Justiz ist 2216 das externe Weisungsrecht der Landesjustizverwaltung gegenüber den 2217 Staatsanwaltschaften abzuschaffen, um jeden Anschein einer politischen 2218 Beeinflussung der Justiz vorzubeugen. Notwendig ist auch eine Verkür- 2219 zung der Verfahrensdauer vor den Gerichten. Die Justiz wollen wir fit 2220 machen für die moderne Informationsgesellschaft und die Globalisierung. 2221 Vor den Kammern für Handelsrecht soll künftig auch in englischer Spra- 2222 che verhandelt werden können. Wir wollen die internationale rechtliche 2223 Zusammenarbeit auf dem Feld des Rechtsexports mit den Schwellen- 2224 und Übergangsländern ausbauen. b 2225

• Wir wollen das Urheberrecht modernisieren, damit es den Interessen- 2226 ausgleich zwischen Urhebern, Rechteinhabern sowie Nutzern fair gestal- 2227 tet und den Zugang zu Wissen und Innovation ermöglicht. Nur wenn 2228 klar ist, wem welche geistige Leistung gehört, können die Menschen die- 2229 ses Eigentumsverhältnis respektieren, faire Handelsbeziehungen darauf 2230 aufbauen und neue Geschäftsmodelle damit entwickeln. Forderungen 2231 nach Überwachung und Zensur des Internetverkehrs zur Durchsetzung 2232 wirtschaftlicher Interessen lehnen wir ab. Die sogenannte „Three 2233

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Strikes“-Lösung, nach der Bürgern der Zugang zum Internet dauerhaft 2234 entzogen werden soll, lehnen wir jedoch ab, weil sie unverhältnismäßig 2235 ist. Die internationale Zusammenarbeit wollen wir stärken und transpa- 2236 renter gestalten, um Portalen mit eindeutig urheberrechtsverletzenden 2237 Inhalten, deren Server in Drittstaaten stehen, die Stirn bieten zu können. 2238 Illegale Angebote sollen gezielt bekämpft werden und dürfen für die Be- 2239 treiber nicht mehr lukrativ sein. b 2240

• Das Urheberrecht in der Informationsgesellschaft muss technikoffen 2241 sein und die unterschiedlichen Lizenzmodelle diskriminierungsfrei neben- 2242 einander bestehen lassen. Die Wahlfreiheit der Urheber, wie sie ihre 2243 Werke vermarkten möchten, wollen wir sichern und den Rechtsrahmen 2244 des Urheberrechts so gestalten, dass er offen bleibt für kreative Verwer- 2245 tungsmodelle. b 2246

• Forscher und Wissenschaftler sollen weiterhin selbst entscheiden kön- 2247 nen, ob ihre Werke und Beiträge frei zugänglich sind, oder ob sie unter 2248 einer Lizenz stehen. Dies gilt auch für öffentlich geförderte Forschungs- 2249 projekte. Diese Freiheit der Entscheidung, wie die eigenen Werke ge- 2250 nutzt werden, darf nicht durch gesetzliche Regelungen genommen wer- 2251 den. Nur mit dem Anreiz aller Möglichkeiten der Entfaltung kann For- 2252 schung auch jenseits öffentlicher Förderung weiter betrieben werden. 2253 Wir setzen uns jedoch bei öffentlich geförderter Forschung für Förde- 2254 rungsrichtlinien ein, die die Publikation der Ergebnisse grundsätzlich zum 2255 Ziel hat, soweit keine zwingenden Belange entgegenstehen. b 2256

• Die Strafverfolgung der Umgehung von Kopierschutz auch bei einer rei- 2257 nen Privatkopie steht im Widerspruch zu der etablierten Praxis der Urhe- 2258 berrechtsabgabe auf Privatkopien. Dieser Widerspruch ist aufzulösen. b 2259

• Die Kontenabfrage in verschiedenen Rechtsbereichen gehört auf das 2260 absolut erforderliche Maß zurückgeführt. Nur wenn tatsächliche Anhalts- 2261 punkte für Steuerhinterziehung, Sozialbetrug oder erhebliche Straftaten 2262 vorliegen, sollten Kontenabfragen praktiziert werden. b 2263

• Die Strafbarkeitslücke im Bereich Datenhehlerei gilt es zu schließen. 2264 Nicht nur der Diebstahl und die unbefugte Verwendung von Daten sind 2265 zu bestrafen, sondern auch die Weitergabe rechtswidrig erlangter Daten. 2266 Deshalb setzen wir uns für die Aufnahme des Straftatbestandes der Da- 2267 tenhehlerei in das Strafgesetzbuch ein. b 2268

3. Mehr Freiheit – liberale Innenpolitik 2269

Die Menschen in unserem Land sollen ihren eigenen Weg gehen und sich 2270 frei entfalten können. Für die Suche nach dem persönlichen Glück müssen sie 2271 aber auch den Raum haben. Deshalb hat die Verteidigung der Freiheitsrechte 2272 des Einzelnen vor Eingriffen des Staates oder Dritter für uns oberste Priorität. 2273

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Wir haben Wort gehalten und das Stakkato immer neuer Sicherheitsgesetze 2274 beendet. Dafür haben wir bei der Verlängerung des Terrorismusbekämpfungs- 2275 ergänzungsgesetzes ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Freiheit und Si- 2276 cherheit durchgesetzt. Dabei wurden Regelungen, die sich als entbehrlich er- 2277 wiesen haben, ersatzlos gestrichen und rechtsstaatliche Sicherungen eingezo- 2278 gen. Die verbleibenden Regelungen wurden erneut auf vier Jahre befristet 2279 und mit deutlichen Verbesserungen der rechtsstaatlichen Kontrolle und des 2280 Grundrechtsschutzes versehen. Wir haben die Aufklärung der NSU-Morde 2281 entschlossen vorangetrieben. 2282

Unser Ziel bleibt es, den Menschen in Deutschland mehr Freiräume zu 2283 schaffen. Mehr Freiheit, den eigenen Weg zu gehen. Diesen Kurs halten wir. 2284

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 2285

• Wir wollen die Demokratie in unserem Land stärken und beleben. In ei- 2286 ner gereiften Demokratie sollen die Bürger auch über Wahlen hinaus ei- 2287 nen unmittelbaren Einfluss auf die politische Willensbildung erhalten. Da- 2288 zu wollen wir mit der Einführung des Bürgerplenarverfahrens, eines fa- 2289 kultativen Gesetzesreferendums und der verfassungsrechtlichen Veran- 2290 kerung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden eine 2291 entsprechende Grundlage schaffen. Darüber hinaus setzen wir uns für 2292 eine Öffnung und Stärkung der repräsentativen Demokratie ein. b 2293

• Neue Medien eröffnen neue Chancen für die Bürgerbeteiligung und 2294 senken die Hürden zur gemeinsamen Interessenswahrnehmung in unse- 2295 rer Gesellschaft. Wir wollen diese Chancen als Ergänzung für unsere 2296 repräsentative Demokratie nutzen. Informationsangebote im Internet er- 2297 öffnen den Menschen und der Politik neue Chancen der Interaktion. b 2298

• Open Data ist ein Schritt zur besseren Bürgerbeteiligung in Deutsch- 2299 land. Um den Bürgerinnen und Bürgern auch die Möglichkeit zu geben, 2300 besser und tagesaktuell an politischen Debatten teilzunehmen, setzen 2301 wir uns dafür ein, dass zukünftig mehr Informationen im Netz zugänglich 2302 gemacht werden. Darüber hinaus wollen wir zusätzliche digitale Kommu- 2303 nikationswege des Staates für die Bürger öffnen und e-Partizipation so- 2304 wie e-Government in Deutschland voranbringen. b 2305

• Demokratie beginnt in unseren Städten und Gemeinden. Deshalb wol- 2306 len wir die Selbstbestimmung der Kommunen durch eine umfassende 2307 Gemeindefinanzreform stärken und setzen uns gleichzeitig für mehr 2308 Transparenz und Beteiligung an kommunalen Entscheidungen ein. Wir 2309 wollen ein kommunales Ausländerwahlrecht für Drittstaatsangehörige. b 2310

• Ein funktionsfähiger öffentlicher Dienst ist eine wichtige Säule unseres 2311 demokratischen Rechtsstaats. Wir bekennen uns zum Berufsbeamten- 2312 tum, weil damit für die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben Vorteile verbun- 2313 den sind, dazu gehören beispielsweise besondere Loyalitätspflichten und 2314

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Streikverbot von Beamten. Wir setzen uns für Verbesserungen bei der 2315 Mitnahme erworbener Versorgungsansprüche ein, für eine Flexibilisie- 2316 rung des Ruhestandseintritts und für eine Stärkung des Leistungsgedan- 2317 kens. b 2318

• Wir wollen eine wehrhafte Demokratie, die gegen alle extremistischen 2319 Bedrohungen gewappnet ist. Terrorismus und Extremismus sind weiter- 2320 hin konsequent zu bekämpfen und zu verfolgen. Wo Eingriffe in Bürger- 2321 rechte notwendig sind, müssen diese stets neu begründet werden und 2322 verhältnismäßig sein. Deshalb wollen wir die geltenden Sicherheitsge- 2323 setze fortlaufend auf ihre Angemessenheit überprüfen. b 2324

• Auch im Bereich der Polizei bedarf der Kernbereich privater Lebensge- 2325 staltung stärkeren Schutzes. Dazu gehört insbesondere das BKA-Gesetz 2326 auf den Prüfstand. Wir halten das Instrument der heimlichen On- 2327 line-Durchsuchung weder für erforderlich noch für geeignet, sondern se- 2328 hen darin vielmehr einen zu weitreichenden Eingriff in die Grundrechte, 2329 der umfassenden Zugriff auf quasi jeden Lebensbereich des Betroffenen 2330 ermöglicht. b 2331

• Die Freiheit des Einzelnen zu schützen ist die Aufgabe des Staates. 2332 Die Sicherheitsbehörden in Deutschland leisten tagtäglich einen heraus- 2333 ragenden Beitrag zur Sicherung der Freiheit der Menschen und des 2334 Rechtsstaates. Vor allem Polizisten stehen wie kaum eine andere Be- 2335 rufsgruppe für Recht und Gesetz. Damit die hervorragende Arbeit der 2336 Polizei auch in Zukunft weitergeführt werden kann, braucht Deutschland 2337 eine vernünftige Sicherheitsarchitektur aus Behörden mit guter Ausstat- 2338 tung an Personal und Sachmitteln. b 2339

• Polizei ist und bleibt in Deutschland zuallererst Ländersache. In einer 2340 föderalen Sicherheitsarchitektur ist der Informationsaustausch zwischen 2341 den Behörden jedoch unerlässlich. Um diesen Austausch weiter zu ver- 2342 bessern, wollen wir die gesetzlichen Grundlagen für gemeinsame Zen- 2343 tren der polizeilichen Zusammenarbeit schaffen und so deren rechtstaat- 2344 liche Funktion und Kontrolle absichern. Um eine effiziente Verfolgung 2345 verfassungsfeindlicher Organisationen und Personen zu gewährleisten, 2346 unterstützen wir die Zusammenfassung einzelner Landesverfassungs- 2347 schutzämter. b 2348

• Auch auf Bundesebene wollen wir die Sicherheitsarchitektur an die Er- 2349 fordernisse der Zeit anpassen. Eine Ausweitung polizeilicher und nach- 2350 richtendienstlicher Kompetenzen des Bundes lehnen wir jedoch ebenso 2351 grundsätzlich ab wie einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Unklare 2352 Zuständigkeiten und Doppelzuständigkeiten sind aufzulösen. Polizei und 2353 Nachrichtendienste sollen sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. Die 2354 zunehmende Vernachrichtendienstlichung der Polizei lehnen wir ab, 2355 ebenso wie die Ausweitung der Zuständigkeiten der Nachrichtendienste 2356 in den Bereich der Gefahrenabwehr. Wir setzen uns für die föderale 2357

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Ordnung im Bereich der Sicherheitsbehörden ein und wollen gleichzeitig 2358 eine Rückbesinnung auf die Kompetenzbereiche der Sicherheitsbehör- 2359 den, sowohl zwischen Bund und Ländern als auch zwischen Polizei und 2360 Nachrichtendiensten. Die Aufgaben des Militärischen Abschirmdienstes 2361 sollen künftig Bundeswehr und Verfassungsschutz wahrnehmen. Die 2362 zersplitterten Strukturen bei der Sicherung unserer Küsten wollen wir in 2363 einer Nationalen Küstenwache zusammen binden. b 2364

• Digitale Angriffe auf öffentliche Einrichtungen oder Unternehmen, etwa 2365 Energie- oder Wasserversorger, auf Infrastrukturen wie Verkehrsbetriebe 2366 oder auf Finanzinstitute, können die Funktionsfähigkeit unserer Gesell- 2367 schaft fundamental beeinträchtigen oder zum Erliegen bringen. Wir wol- 2368 len Deutschlands Fähigkeit stärken, sich solchen Bedrohungen effektiv 2369 zu widersetzen, und alle Bereiche des öffentlichen Lebens gegen digital 2370 geführte Angriffe wappnen. IT-Sicherheit kann aber nicht zuvörderst der 2371 Staat gewährleisten, sondern die Unternehmen, Nutzer und Provider. Wir 2372 sehen vor allem die Wirtschaft in der Verantwortung, durch Investitionen 2373 in IT-Sicherheit und gemeinsam vereinbarte Standards zu Datensicher- 2374 heit und Schutzmechanismen ihrer Verantwortung für die Informations- 2375 gesellschaft gerecht zu werden. b 2376

• Wir wollen eine umfassende parlamentarische Kontrolle über die Nach- 2377 richtendienste gewährleisten. Mitglieder des Parlamentarischen Kontroll- 2378 gremiums ist jederzeit und unangekündigt Zugang zu den Diensten, In- 2379 formationen und Unterlagen zu gewähren, sofern dies zur Kontrolle er- 2380 forderlich ist. Mitarbeiter der Dienste sollen durch das Gremium jederzeit 2381 mit qualifizierter Ein-Viertel-Minderheit vorgeladen werden können. Die 2382 Arbeit des Gremiums soll durch die Berufung eines ständigen Sachver- 2383 ständigen unterstützt werden, der unter anderem die Arbeit in Untersu- 2384 chungsausschüssen als Ermittlungsbeauftragter unterstützt. Über den 2385 Einsatz von V-Leuten ist das Gremium alle sechs Monate durch die Bun- 2386 desregierung zu informieren. b 2387

• Der illegale Besitz von Waffen ist eine Bedrohung für die Sicherheit der 2388 Bürger. Wir setzen uns dafür ein, dass illegaler Waffenbesitz konse- 2389 quent verfolgt und das geltende Recht gewahrt und durchgesetzt wird. 2390 Wir sehen es jedoch kritisch, wenn die Besitzer von legalen Waffen 2391 praktisch weniger Rechte haben als Besitzer illegaler Waffen. Der Ein- 2392 führung einer Waffensteuer erteilen wir eine deutliche Absage. Eine 2393 Verschärfung des geltenden Waffenrechts lehnen wir ab. b 2394

• Die Programme zur Extremismusprävention sind und bleiben ein zentra- 2395 ler Baustein für die wehrhafte Demokratie. Sie stärken unseren demo- 2396 kratischen Staat von innen und helfen, die Menschen gegen extremisti- 2397 sches Gedankengut und gegen mit unserer Verfassung unvereinbare 2398 Ideologien zu immunisieren. Diese Programme sind regelmäßig zu eva- 2399 luieren. b 2400

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• Die Erinnerung an die beiden deutschen Diktaturen, an ihre Opfer, ihre 2401 Täter und des Widerstandes gegen sie ist eine gesamtgesellschaftliche 2402 Aufgabe. Die junge Generation kennt Unfreiheit, staatlichen Terror und 2403 Entrechtung in Deutschland - zum Glück - nur aus Geschichtsbüchern. 2404 Es gilt, gerade junge Menschen anhand der Diktaturgeschichte Deutsch- 2405 lands weiter für den Wert von Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Mensch- 2406 lichkeit zu sensibilisieren. Wir stärken unsere demokratische politische 2407 Kultur, indem wir aufarbeiten, erinnern, aufklären und so urteilsfähig blei- 2408 ben. Extremismus darf nicht toleriert oder entschuldigt werden – egal ob 2409 er links, rechts oder religiös motiviert ist. b 2410

4. Transparenz und Information – für mündige Ver- 2411

braucher und fairen Wettbewerb 2412

Wir setzen auf eine Stärkung des Menschen am Markt und nicht auf den 2413 Schutz vor dem Markt. Unser Leitbild ist geprägt vom Gedanken des mündi- 2414 gen und eigenverantwortlichen Verbrauchers. Wir trauen den Verbrauchern et- 2415 was zu. Nicht der Staat, sondern allein der Verbraucher entscheidet, welche 2416 Produkte er kauft und welche nicht. In der Bürgergesellschaft wird er dabei 2417 vielfach von Organisationen wie zum Beispiel den Verbraucherzentralen un- 2418 terstützt, die ihre Stärke insbesondere aus dem Engagement von Mitbürgern 2419 ziehen. 2420

Der Staat darf seine Bürger nicht bevormunden. Er hat jedoch die Aufgabe, 2421 sie einerseits vor akuten Gefahren zu schützen und andererseits fairen Wett- 2422 bewerb und informierte Kaufentscheidungen der Konsumenten zu ermögli- 2423 chen, indem er mehr Transparenz, bessere Information, umfassende Verbrau- 2424 cherbildung und einfache Rechtsdurchsetzung gewährleistet. 2425

In diesem Sinne haben wir in den vergangenen Jahren beispielsweise konse- 2426 quente Verspätungsregelungen im Bahnverkehr durchgesetzt. Die Rechte von 2427 Flugpassagieren haben wir gestärkt und eine Schlichtungsstelle eingeführt, um 2428 Streitfälle mit Anbietern zentral und kostengünstig klären zu können. Und um 2429 die Abzocke von Bürgern zu verhindern, haben wir außerdem die Nutzung 2430 kostenpflichtiger Telefonwarteschleifen untersagt und Internetanbieter dazu 2431 verpflichtet, dass eindeutig erkennbar sein muss, wenn ein Klick oder Knopf- 2432 druck im Netz zu einer Kaufentscheidung führt. 2433

Gerade die jüngsten Lebensmittelskandale – für deren konsequente Aufklä- 2434 rung wir uns einsetzen – zeigen, dass ein wirksamer Verbraucherschutz auch 2435 ein europäischer Verbraucherschutz sein muss. Darum setzen wir Liberale uns 2436 dafür ein, dass wir in Europa keine Abstriche machen und ein hohes Verbrau- 2437 cherschutzniveau im europäischen Binnenmarkt gewährleistet ist. 2438

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Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 2439

• Verbraucherbildung muss frühzeitig ansetzen – im Elternhaus, im Kin- 2440 dergarten und in der Schule. Wir wollen, dass insbesondere wirtschaftli- 2441 che Zusammenhänge in den Schulen intensiver als bisher vermittelt wer- 2442 den. Eine kontinuierliche Verbraucherbildung ist von größter Bedeutung. 2443 Wir befürworten deshalb die Bereitstellung von Beratungsangeboten, 2444 Veranstaltungen und Informationsbroschüren der Verbraucherzentralen 2445 oder anderer Verbrauchervereine, sowie Informationen und Vergleichs- 2446 studien über Produkte und Dienstleistungen durch die Medien und unab- 2447 hängige Organisationen wie die Stiftung Warentest. Die Unterstützung 2448 dieser Angebote durch Bund und Länder muss angesichts ihrer Wichtig- 2449 keit auch künftig gesichert und nötigenfalls ausgebaut werden. b 2450

• Die Verbraucherinformation über unsichere Produkte wollen wir weiter 2451 verbessern. Derzeit hängt es weitgehend vom Zufall ab, ob und wann 2452 ein Verbraucher beispielsweise von Rückrufaktionen bestimmter Produk- 2453 te erfährt. Wir wollen daher ein zentrales Rückrufportal einrichten, in 2454 dem Produktrückrufe und andere Warnhinweise öffentlich bekannt ge- 2455 macht werden. b 2456

• Für telefonische Auskunftsdienste wollen wir Preistransparenz durch ei- 2457 ne verpflichtende Preisansage vor Beginn der Entgeltpflicht einführen. b 2458

• Transparenz bedeutet auch, dass Behörden auch dazu verpflichtet sind, 2459 verbraucherschützende Informationen an die Verbraucher weiterzuge- 2460 ben. In sicherheits- und gesundheitsrelevanten Fragen sind sämtliche 2461 notwendigen Informationen zur Aufklärung der Bevölkerung bekannt zu 2462 machen. Bei hinreichendem Verdacht auf Gefährdungen von Gesundheit 2463 oder Sicherheit der Verbraucher darf nicht abgewartet werden, bis 2464 Rechtskraft bei der Feststellung von Rechtsverstößen eingetreten ist. 2465 Wir wollen einen Auskunftsanspruch zu allen bei Behörden vorliegen- 2466 den Informationen mit Ausnahme von Betriebs- und Geschäftsgeheim- 2467 nissen gesetzlich verankern. Die Länder sind dazu aufgefordert, allge- 2468 meine Informationsfreiheitsgesetze zu erlassen, um so Verbraucherinfor- 2469 mation für alle Produkte und Dienstleistungen zu gewährleisten. b 2470

• Die aktuellen Lebensmittelskandale zeigen mehr als deutlich, dass die 2471 Lebensmittelkontrollen in Deutschland nicht optimal funktionieren. Eine 2472 ausreichende Personalausstattung in der Lebensmittelkontrolle wollen 2473 wir sicherstellen. Notwendig sind die Einführung bundesweiter Standards 2474 für die Lebensmittelkontrolle, die Einrichtung von Schwerpunktstaatsan- 2475 waltschaften und ein verbesserter Austausch zwischen den Ländern. Bei 2476 Verstößen gegen das Lebensmittelrecht ist von den bestehenden Sankti- 2477 onsmöglichkeiten umfassend Gebraucht zu machen. Wir werden diese 2478 Instrumente auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen. b 2479

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• Die Herkunft der Lebensmittel ist für immer mehr Verbraucher wichtig 2480 für ihre Kaufentscheidung. Bereits heute setzen viele Händler freiwillig 2481 auf eine Herkunftskennzeichnung, selbst wenn diese nicht gesetzlich 2482 verpflichtend ist. Wir Liberale unterstützen dieses Vorgehen ausdrücklich 2483 und appellieren an die Wirtschaft, diese Kennzeichnung weiter auszu- 2484 bauen und grundsätzlich für den Verbraucher zugänglich zu machen, 2485 sofern dies nach der Art und Zusammensetzung der Lebensmittel mög- 2486 lich und sinnvoll ist. b 2487

• Gentechnisch veränderte Organismen werden heute bereits in vielen 2488 Herstellungsprozessen zum Vorteil der Verbraucher eingesetzt, beispiels- 2489 weise in der Arzneimittelproduktion. Ob er diese Produkte nutzen will, 2490 darüber soll jeder Verbraucher aber – wie sonst auch – vollständig frei 2491 entscheiden können. Wir setzen uns daher für eine Kennzeichnung sol- 2492 cher Lebensmittel ein, damit diese Entscheidung überhaupt erst möglich 2493 ist. Gleichzeitig legen wir Wert auf eine wissenschaftliche und objektive 2494 Information und Verbraucherbildung über den Nutzen und Wert moder- 2495 ner Herstellungsmethoden. b 2496

• Genussmittel, die frei verkäuflich und legal handelbar sind, dürfen nicht 2497 durch Werbeverbote und Handelsbeschränkungen vom Markt gedrängt 2498 werden. Eine derartige Bevormundung der Verbraucher ist mit dem Leit- 2499 bild des mündigen Bürgers nicht in Einklang zu bringen. Solche Eingriffe 2500 in die Marktwirtschaft und in die Entscheidung mündiger Verbraucher 2501 lehnen wir grundsätzlich ab. Der Jugendschutz bei Tabak und Alkohol 2502 ist jedoch strikt zu gewährleisten. Auch die Gastronomie lebt vom Ver- 2503 trauen der Kunden. Dieses Vertrauen durch hohe Qualitätsstandards zu 2504 sichern, ist im allseitigen Interesse. Die Sicherung und Kontrolle der 2505 Qualität durch staatliche Behörden muss jedoch verhältnismäßig bleiben. b 2506

• Wir wollen, dass Finanzdienstleistungen durchschaubarer und für den 2507 Kunden übersichtlicher werden und Finanzprodukte besser vergleichbar 2508 sind. Nur so ermöglichen wir den Anlegern eine eigenverantwortliche 2509 Auswahl. Hierzu wollen wir Produktinformationsblätter vereinheitlichen 2510 und dabei auch eine Klassifizierung von Finanzprodukten in verbindliche 2511 Risikoklassen in den Produktinformationsblättern vorgeben. b 2512

• Wir werden Fahrgastrechte weiter stärken. Damit Verspätungsentschä- 2513 digungen im gesamten Personenverkehr auch wirksam sind, muss 2514 Pünktlichkeit sich für die Unternehmen lohnen. b 2515

• Wir setzen uns dafür ein, dass Kinderspielzeug sicherer wird. Die in der 2516 EU-Spielzeugrichtlinie festgehaltenen Grenzwerte für PAK, Schwermetal- 2517 le und allergene Duftstoffe sind nicht ausreichend, um einen effizienten 2518 Gesundheitsschutz zu gewährleisten. Wir drängen daher auf eine Ver- 2519 besserung der Standards zum Schutz unserer Kinder. b 2520

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V. Fortschritt, damit unser Land die Zukunft 2521

gewinnt 2522

Träume und Ideen sind der Rohstoff, aus dem wir unseren Wohlstand ge- 2523 wonnen haben. Querdenker, Forscher und Unternehmer, die eine Idee ver- 2524 folgt, einen Traum verwirklicht und damit Innovation und Fortschritt geschaffen 2525 haben, haben die Grundlage gelegt für das Wachstum und den Aufstieg un- 2526 seres Landes. Diesen Menschen weiterhin die Chancen zu geben, ihre Ideen 2527 zu verfolgen, ist ein Gebot der Vernunft. Denn nur mit dem Mut zu Neuem 2528 und mit Freude an der Veränderung werden wir die Zukunft gewinnen. Für Li- 2529 berale aber ist die Freiheit des Geistes und die Freiheit der Forschung noch 2530 viel mehr: Sie ist ein Menschenrecht. 2531

Deshalb setzen wir uns mit allem Nachdruck dafür ein, dass wir in Deutsch- 2532 land nicht aus Angst vor Neuem die Zukunft verpassen – und diejenigen ver- 2533 lieren oder vertreiben, von deren Träumen und Ideen unser Land lebt. Des- 2534 halb haben wir – auch in Zeiten der Haushaltskonsolidierung – die Investitio- 2535 nen in Bildung und Forschung auf knapp 14 Milliarden Euro erhöht und mit 2536 dem Wissenschaftsfreiheitsgesetz dem Fortschritt eine Bresche geschlagen. 2537

Wir werden die Herausforderungen unserer Zeit nicht durch Gesetze und 2538 Verbote bewältigen, sondern nur durch Wachstum und Fortschritt. Das gilt 2539 ganz besonders für die vor uns liegenden Aufgaben im Klima- und Umwelt- 2540 schutz. Als Exporteur von Ideen und Innovationen helfen wir, Energie und 2541 Ressourcen zu sparen, Emissionen zu vermeiden und die Lebensqualität und 2542 den Wohlstand der Menschen zu mehren. 2543

Wir wollen auch in Zukunft Innovationsmotor für die Entwicklung der Welt 2544 sein. Dazu brauchen wir in Deutschland auch die notwendigen Infrastrukturen: 2545 moderne Forschungseinrichtungen und Produktionsstätten, Stromnetze, effizi- 2546 ente Anlagen für regenerative und konventionelle Energie, einen flächende- 2547 ckenden und schnellen Internetzugang. Moderne Verkehrswege und ein um- 2548 fassendes, bezahlbares Mobilitätsangebot sind für eine fortschrittliche Repu- 2549 blik freier Bürger unverzichtbar. 2550

Fortschritt bedeutet Wachstum. Das bedeutet aber nicht immer mehr vom im- 2551 mer Gleichen. Sondern Wachstum durch Fortschritt bedeutet vor allem besse- 2552 re Güter, effizientere Produktion und attraktivere Dienstleistungen. Es heißt, 2553 nicht nur weniger zu verbrauchen, sondern intelligenter zu gebrauchen. 2554 Wachstum durch Fortschritt bedeutet deshalb nachhaltiges Wachstum — in 2555 der Umwelt, der Wirtschaft und dem sozialen Miteinander. 2556

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1. Die Zukunft gewinnen — neues Wissen durch 2557

Forschung und Entwicklung 2558

Für die Erfolgsgeschichte Deutschlands in den letzten Jahren haben die 2559 Menschen in diesem Land den Grundstein gelegt. Diese Menschen haben sich 2560 angestrengt. Aus Verantwortung für sich selbst, für ihre Familien, ihre Kolle- 2561 gen, Mitarbeiter und Mitbürger. Sie haben Wachstum und Fortschritt geschaf- 2562 fen, weil sie die Freiheit dazu hatten – und sie genutzt haben. 2563

Wir möchten den Menschen weiterhin die Freiheit geben, ihre Ideen zu ver- 2564 folgen – und damit Wachstum, Fortschritt und Wohlstand für alle zu schaffen. 2565 Durch das Wissenschaftsfreiheitsgesetz haben wir der Wissenschaft und der 2566 Wirtschaft gleichermaßen mehr Freiraum gegeben, Barrieren abgebaut und 2567 Forschung und Lehre wieder enger zusammen geführt. 2568

Wir haben fast 14 Milliarden Euro mehr in Bildung und Forschung investiert. 2569 Denn Wissen ist der wichtigste Rohstoff unseres Landes. Wenn wir ihn ent- 2570 sprechend pflegen, wird er uns nie ausgehen und hochwertig bleiben. Wissen 2571 schafft Neues und Wissen macht Lust auf Neues. Wir dürfen die Zukunft nicht 2572 aus Angst vor dem Neuen verschlafen. 2573

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 2574

• Wir wollen die Zahl der forschenden und der innovativen Unternehmen 2575 weiter erhöhen und unsere Spitzenstellung als Weltmeister von Techno- 2576 logieexporten ausbauen. Wir schaffen die politischen und institutionellen 2577 Rahmenbedingungen, damit die Wissenschaft ihre eigenen Forschungs- 2578 ansätze verwirklichen kann und sich Kreativität, Neugier und Forscher- 2579 geist breit entfalten können. Dazu wollen wir unter anderem Normen, 2580 Standards und technischen Regeln weltweit harmonisieren. b 2581

• Wir schaffen die Voraussetzungen dafür, dass der Anteil der Ausgaben 2582 für Forschung und Entwicklung, der bereits heute deutlich über dem 2583 EU-Durchschnitt liegt, auch in den nächsten Jahren weiter steigen wird. 2584 Im Zeichen der Haushaltskonsolidierung wollen wir in strategisch not- 2585 wendige Forschungs- und Wachstumsfelder investieren und eine steuer- 2586 liche Forschungsförderung einführen. b 2587

• Wir wollen kleinen und mittelständischen Unternehmen mit eigener Spit- 2588 zenforschung einen unbürokratischen und beschleunigten Einstieg in die 2589 technologiespezifische Förderung von Forschung und Entwicklung er- 2590 möglichen. Die Existenzgründungen aus Forschung und Wissenschaft 2591 heraus wollen wir stärker unterstützen. In Deutschland, dem Land der 2592 Ideen, sollen neue Produkte und Technologien nicht nur entwickelt, son- 2593 dern auch produziert und angewandt werden. Folgerichtig wollen wir das 2594 Programm EXIST fortführen und weiterentwickeln. Um die Finanzie- 2595

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rungslücken in der Frühphase von innovativen Unternehmen zu schlie- 2596 ßen, setzen wir uns für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für 2597 privates Wagniskapital ein. b 2598

• Wir haben mit dem Wissenschaftsfreiheitsgesetz den außeruniversitä- 2599 ren Wissenschaftseinrichtungen deutlich mehr Eigenständigkeit und Fle- 2600 xibilität in ihrer Wirtschaftsführung übertragen. Überflüssige Regularien 2601 wurden abgebaut, Leistungsanreize verstärkt und ein effizienterer Ein- 2602 satz von Ressourcen ermöglicht. Jetzt gilt es, mit Hilfe der Gemeinsa- 2603 men Wissenschaftskonferenz, Lösungen zu finden, die eine Umsetzung 2604 dieser Initiative auch in den einzelnen Bundesländern erlaubt. b 2605

• Wir geben den außeruniversitären Forschungseinrichtungen und der 2606 Deutschen Forschungsgemeinschaft über den Pakt für Forschung und 2607 Innovation mit einem jährlichen Mittelaufwuchs von fünf Prozent bis 2608 2015 finanzielle Planungssicherheit und Spielraum. Auch in Zukunft wol- 2609 len wir eine bedarfsgerechte Finanzierung von Forschung und Entwick- 2610 lung in Deutschland sicherstellen. b 2611

• Wir werden die von Bund und Ländern gemeinsam geführte Exzellenz- 2612 initiative fortführen. Durch sie wird die universitäre Spitzenforschung in 2613 Deutschland national und international sichtbar, Wettbewerb geschaffen 2614 und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses gestärkt. b 2615

2. Für die Zukunft bauen – Moderne Infrastruktur, 2616

bezahlbare Mobilität und gutes Wohnen 2617

Mehr Menschen sollen in Deutschland die Möglichkeit haben, ihren eigenen 2618 Weg zu gehen. Dazu ist es im wahrsten Sinne des Wortes nötig, Wege zu 2619 ebnen, um den Anschluss an die Welt nicht zu verpassen. Dafür brauchen 2620 wir in Deutschland auch die notwendigen Infrastrukturen: moderne For- 2621 schungseinrichtungen und Produktionsstätten, einen flächendeckenden und 2622 schnellen Internetzugang, moderne Verkehrswege, ein umfassendes, bezahl- 2623 bares Mobilitätsangebot und bezahlbaren Wohnraum. 2624

Deswegen haben wir die Planung des Ausbaus unserer Energienetze erst- 2625 mals deutschlandweit koordiniert, den Ausbau beschleunigt und gleichzeitig 2626 die Beteiligung der Öffentlichkeit gestärkt. Wir haben Mobilität gefördert. Die 2627 planmäßigen Verkehrsinfrastrukturinvestitionen sind so hoch wie nie zuvor. Mit 2628 der Liberalisierung des Fernbusverkehrs haben wir ein ganz neues Mobilitäts- 2629 angebot nach Deutschland gebracht, das vor allem Menschen mit geringen 2630 Einkommen neue Chancen bietet, um zu reisen und am gesellschaftlichen Le- 2631 ben teilzuhaben. Und wir arbeiten weiter an flächendeckenden, schnellen Da- 2632 tennetzen und moderner Verkehrsinfrastruktur in ganz Deutschland. Den 2633 Lärmrabatt der Bahn haben wir abgeschafft. Zukünftig wird kein Unterschied 2634 mehr gemacht zwischen Straßen- und Schienenlärm. 2635

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Wir wollen, dass die Menschen in Deutschland gut leben. Wir haben deshalb 2636 den Erwerb von Wohneigentum zum Beispiel durch die Eigenheimrente 2637 („Wohn-Riester“) unterstützt. Um die energetische Sanierung von bezahlbarem 2638 Wohnraum zu unterstützen und damit auch einen Beitrag für niedrige Wohn- 2639 nebenkosten zu leisten, haben wir das Gebäudesanierungsprogramm ausge- 2640 baut und das Mietrecht reformiert. Exorbitante Mieterhöhungen haben wir 2641 ebenso unterbunden wie das so genannte Mietnomadentum. Für lebenswerte 2642 Städte und Gemeinden haben wir außerdem die Stadtumbauprogramme des 2643 Bundes weiterentwickelt und die finanziellen Spielräume erweitert. 2644

Eine moderne Infrastruktur und bezahlbare Mobilität ist für eine fortschrittliche 2645 Republik freier Bürger unverzichtbar. Nur mit ihr können wir die Herausforde- 2646 rungen der Globalisierung meistern und gemeinsam die Chancen unserer Zeit 2647 nutzen. Gleichzeitig wollen wir den Zusammenhalt unserer Gesellschaft stär- 2648 ken und unseren Beitrag dazu leisten, dass unsere Städte und Gemeinden le- 2649 benswert bleiben, Wohnraum bezahlbar bleibt und möglichst viele Menschen 2650 die Chance haben, Eigentum zu erwerben. 2651

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 2652

• Mobilität ist ein Stück individueller Lebensqualität und persönlicher Frei- 2653 heit. Eine bedarfsgerechte Verkehrsinfrastruktur ist außerdem ein ent- 2654 scheidender Standortfaktor unserer Volkswirtschaft. Wir bekennen uns 2655 deshalb zur Notwendigkeit, unsere Verkehrswege zu erhalten und weiter 2656 bedarfsgerecht auszubauen. Das bedeutet aber nicht, dass der Staat 2657 Planung, Bau und Betrieb selbst durchführen muss. In vielen Fällen kön- 2658 nen Private das besser und effizienter. b 2659

• Die Straße ist und bleibt Hauptverkehrsträger. Das muss sich auch bei 2660 der Verteilung von Investitionsmitteln widerspiegeln. Gleichzeitig stößt 2661 das Schienennetz in vielen Regionen an seine Kapazitätsgrenzen. Des- 2662 halb wollen wir auch die Investitionen in das Schienennetz erhöhen. Da- 2663 zu muss unter anderem sichergestellt werden, dass im Netz erwirtschaf- 2664 tete Erträge im Netz verbleiben. Als Sofortmaßnahme muss die Netzge- 2665 sellschaft der Deutschen Bahn innerhalb des Konzerns unabhängiger 2666 werden. Dazu wollen wir den Beherrschungs- und Gewinnabführungs- 2667 vertrag mit der Holding auflösen.b 2668

• Wir setzen uns für eine leistungsfähige Einbindung in die transeuropäi- 2669 schen Verkehrsnetze, für die grenzüberschreitende Vernetzung der Me- 2670 tropolregionen und eine bessere Verknüpfung der verschiedenen Ver- 2671 kehrsträger ein. Hierzu wollen wir beispielsweise Flughäfen besser an 2672 das Hochgeschwindigkeitsnetz der Bahn anbinden. Die Wettbewerbsfä- 2673 higkeit der deutschen See- und Binnenhäfen wollen wir durch einen zü- 2674 gigen Ausbau der Hinterlandanbindungen, aber auch durch notwendige 2675 Fahrrinnenanpassungen etwa der Unterelbe, der Weser und der Ems si- 2676

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cherstellen. Kapazitätsengpässe an Bundeswasserstraßen wollen wir be- 2677 seitigen und eine ausreichende Finanzierung sicherstellen. b 2678

• Wir werden darauf achten, dass deutsche Verkehrsstandorte und -un- 2679 ternehmen im internationalen Wettbewerb nicht benachteiligt werden. 2680 Einseitige Belastungen und Alleingänge, die nur deutsche Unternehmen 2681 treffen, lehnen wir ab. b 2682

• Wir werden das Maritime Bündnis und die Nationalen Maritimen Konfe- 2683 renzen fortsetzen. Zudem wollen wir den eingeschlagenen Kurs der Ent- 2684 bürokratisierung im Bereich der Schifffahrt fortsetzen und eine einheitli- 2685 che nationale Küstenwache und eine einheitliche Flaggenstaatsverwal- 2686 tung schaffen. b 2687

• Das deutsche Transportgewerbe braucht verlässliche und faire Rah- 2688 men- und Wettbewerbsbedingungen. Deshalb haben wir die LKW-Maut 2689 in der letzten Wahlperiode nicht erhöht und werden auch zukünftig nur 2690 einer maßvollen Anpassung auf Basis eines neuen Wegekostengutach- 2691 tens zustimmen. Wettbewerbsverzerrungen auf europäischer Ebene wol- 2692 len wir abbauen. Der bundesweite Feldversuch für Lang-LKW soll fort- 2693 gesetzt und bei Bestätigung der bisherigen positiven Ergebnisse sollen 2694 Lang-LKW für Punkt-zu-Punkt-Verkehre auf Autobahnen zugelassen 2695 werden. b 2696

• Neben dem Wettbewerb zwischen Schiene und Fernbussen brauchen 2697 wir auch mehr Wettbewerb im Schienenfernverkehr selbst. Benachteili- 2698 gungen der Wettbewerber auf der Schiene wollen wir beseitigen und 2699 dem Netz durch eine konsequente Trennung von Netz und Betrieb mehr 2700 Unabhängigkeit geben. Die Teilprivatisierung der Transport- und Logistik- 2701 sparten bleibt ein wichtiges Ziel. Die Netz- und Infrastruktursparten wer- 2702 den nicht privatisiert. b 2703

• Wir Liberalen lehnen ein generelles Tempolimit auf Deutschlands Stra- 2704 ßen ab. Geschwindigkeitsbegrenzungen sollen dem Schutz der Anwoh- 2705 ner oder Sicherheitsaspekten dienen und deshalb immer situationsbezo- 2706 gen festgelegt werden. b 2707

• Um für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) verlässliche Rah- 2708 menbedingungen zu schaffen, haben wir bereits das Personenbeförde- 2709 rungsgesetz novelliert und an den europäischen Rechtsrahmen anpasst. 2710 Wir bekennen uns zu einer bedarfsgerechten öffentlichen Mitfinanzie- 2711 rung des ÖPNV in Deutschland. Unser Leitbild ist dabei ein unternehme- 2712 rischer und wettbewerblich ausgerichteter ÖPNV. Wir wollen mittelständi- 2713 schen Unternehmen die Beteiligungschancen sichern und insbesondere 2714 eine Betreibervielfalt im Busgewerbe gewährleisten. b 2715

• Flugverkehr wird von vielen Menschen wegen der Lärmbelastung als 2716 Ärgernis empfunden. So berechtigt das Lärmschutzbedürfnis ist, darf 2717 gleichzeitig nicht die große Bedeutung der Luftverkehrswirtschaft für den 2718 Standort Deutschland verkannt werden. Wir wollen hier zu einem fairen 2719

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Interessensausgleich kommen. Wir stehen zur Notwendigkeit eines koor- 2720 dinierten, bedarfsgerechten Ausbaus der Flughafeninfrastruktur. Wir wer- 2721 den außerdem die Realisierung des Single European Sky auf europäi- 2722 scher Ebene vorantreiben. Bei der Weiterentwicklung des Emissionshan- 2723 dels für den Luftverkehr wollen wir Wettbewerbsneutralität gewährleisten 2724 und zusammen mit unseren Partnern in und außerhalb Europas für eine 2725 Ausweitung werben. b 2726

• Die stetige Erhöhung der Verkehrssicherheit ist uns ein wichtiges Anlie- 2727 gen. Neuen Antriebstechnologien, wie lautlose Elektro-PKW und schnel- 2728 le Elektrofahrräder, aber auch der demographische Wandel stellen uns 2729 hier vor neue Herausforderungen. Wir setzen uns dabei für pragmati- 2730 sche Lösungen mit hoher Akzeptanz ein. Einen besonderen Schwer- 2731 punkt werden wir auf die Gruppen der jungen Fahranfänger sowie der 2732 Senioren legen. b 2733

• Anwohner von Militärflughäfen haben das gleiche Recht auf Lärmschutz 2734 wie Anwohner ziviler Flughäfen, denn Lärmschutz ist Gesundheits- 2735 schutz. Wir wollen den Lärmschutz weiter verbessern. An der Schiene 2736 wollen wir die Erprobung und Nutzung innovativer Lärmschutzmaßnah- 2737 men stärker unterstützen. Dabei wollen wir auch überprüfen, ob die bis- 2738 herige Ausgestaltung der lärmabhängigen Trassenpreise dem Ziel ge- 2739 recht wird, einen Anreiz zur Nachrüstung von lärmarmen Bremssyste- 2740 men zu geben. b 2741

• Bezahlbare und klimaverträgliche Mobilität setzt langfristig den Abschied 2742 von fossilen Kraftstoffen voraus. Wir wollen dabei neben der Effizienz- 2743 steigerung konventioneller Motoren die Option für alle technologischen 2744 Wege öffnen: Unter anderem Elektroautos mit Batterietechnik, wasser- 2745 stoffgetriebene Brennstoffzellen-Fahrzeuge und alternative Kraftstoffe et- 2746 wa im Luftverkehr. Sie haben ihre Stärken jeweils in unterschiedlichen 2747 Segmenten des Fahrzeugsmarktes. b 2748

• Die Rahmenbedingungen für die Elektromobilität wollen wir weiter ver- 2749 bessern. Wir befürworten dabei als subventionsfreien Kaufanreiz ver- 2750 kehrsrechtliche Erleichterungen und die Einführung von Wechselkennzei- 2751 chen für Elektroautos als Zweitwagen für den innerstädtischen Verkehr. b 2752

• Bei den Biokraftstoffen achten wir darauf, Konkurrenzen zwischen Tank 2753 und Teller zu vermeiden. Deshalb wollen wir durch Forschungsförderung 2754 die Entwicklung von Biokraftstoffen der zweiten Generation, die aus- 2755 schließlich aus Reststoffen von Nahrungspflanzen und Holz hergestellt 2756 werden, vorantreiben, um langfristig jegliche Flächenkonkurrenz auszu- 2757 schließen. Gleichzeitig wollen wir bei der Umsetzung der EU-Richtlinie 2758 zu Biokraftstoffen wieder stärker auf Anreize zur Nutzung von Reinbio- 2759 kraftstoffen aus heimischer Produktion statt auf starre Beimischungsquo- 2760 ten wie bei E10 setzen. b 2761

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• Neben flüssigen Biokraftstoffen ist der Einsatz von Biogas eine Option. 2762 Durch entsprechende Regelungen im EEG wollen wir es ermöglichen, 2763 dass Biogas aus Reststoffen verstärkt in den Kraftstoffsektor statt in die 2764 Verstromung fließen kann. Dies kann auch die EEG-Umlage reduzieren. b 2765

• Um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, wollen wir Baumaßnah- 2766 men und Nachverdichtungen im innerstädtischen Bereich erleichtern. 2767 Deshalb wollen wir zum Beispiel die Wiedernutzung von Brachflächen 2768 und die vereinfachte Ausweisung von Bebauungsplänen zur Innenent- 2769 wicklung weiter erleichtern. b 2770

• Wir wollen in der Wohnungsbauförderung des Bundes haushaltsneutral 2771 umsteuern und den Neubau von bezahlbaren Mietwohnungen stärker un- 2772 terstützen. Die Bundeszuweisungen für den Sozialen Wohnungsbau an 2773 die Länder müssen zweckgebunden werden, um zu verhindern, dass 2774 einzelne Länder das Geld weiterhin für andere Zwecke verwenden. Zur 2775 Verbesserung der Rahmenbedingungen im Mietwohnungsbau wollen wir 2776 außerdem die degressive Abschreibung (AfA) wieder einführen. b 2777

• Für ein nachfragegerechtes Wohnraumangebot muss der Neubau von 2778 Wohnungen gerade in wachsenden Städten attraktiv sein. Dazu muss 2779 sich die Vermietung von Wohnungen auch rechnen. Stärkere staatliche 2780 Eingriffe in die Preisbildung bei Neuvermietungen und Sanierungsverbo- 2781 te gefährden den Wohnungsbau und werden deshalb von uns entschie- 2782 den abgelehnt. b 2783

• Die energetische Gebäudesanierung nimmt bei der Umsetzung der En- 2784 ergiewende eine Schlüsselrolle ein. Deshalb wollen wir die Sanierungs- 2785 quote im Gebäudebestand deutlich anheben, um Energieeffizienz zu 2786 steigern. Dazu braucht es dauerhafte Planungs- und Investitionssicher- 2787 heit für die Investoren. Deshalb werden wir die Finanzierung des 2788 KfW-Gebäudesanierungsprogramms mindestens auf dem bisherigen Ni- 2789 veau fortführen. Als zweiten Förderweg treten wir weiterhin für die steu- 2790 erliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung ein. b 2791

• Bei der Gebäudesanierung gilt für uns das Prinzip „Anreize statt Zwan- 2792 g“. Wir lehnen Zwangssanierungen im Gebäudebestand ab. Ordnungs- 2793 recht kann nur im Neubau zum Tragen kommen. Hier wollen wir aller- 2794 dings die Energieeinsparverordnung immer auf einem technisch ambitio- 2795 nierten Stand halten. Dabei soll die Grundlage stets die energetische 2796 Gesamteffizienz von Gebäude und Heizungssystemen sein, nicht das 2797 willkürliche Verbot bestimmter Technologien. b 2798

• Wir wollen starke Städte und Gemeinden, die für Menschen jeden Al- 2799 ters und in jeder Lebenslage attraktiv und lebenswert sind. Deshalb wer- 2800 den wir die Stadtentwicklungsprogramme des Bundes fortführen und 2801 entsprechende Anstrengungen der Kommunen unterstützen. Um den 2802 Anforderungen des demographischen Wandels gerade in ländlichen 2803 Räumen zu unterstützen, befördern wir die Stärkung kommunaler Zen- 2804

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tren, in denen soziale und technische Infrastruktur kostengünstig und 2805 zentral erreichbar vorgehalten werden kann. b 2806

3. Zukunft möglich machen — Umwelt-, Natur- 2807

und Klimaschutz für eine lebenswerte Welt 2808

Liberale Umwelt- und Klimapolitik setzt auf Innovation und neue Technologi- 2809 en. Sie setzt auf den verantwortungsbewussten Bürger, nicht auf Verbote. Nur 2810 so sichern wir unseren Kindern und den nachfolgenden Generationen einen 2811 intakten Lebensraum. Und mehr noch: Als Exporteur von Ideen und Innovatio- 2812 nen helfen wir, Energie und Ressourcen zu sparen, Emissionen zu vermeiden 2813 und die Lebensqualität der Menschen zu mehren — heute und in Zukunft, in 2814 Deutschland und weltweit. 2815

Deswegen stellen wir unsere Stromversorgung schneller auf regenerative En- 2816 ergien um. Mit dem Energie- und Klimafonds haben wir alle Erlöse aus dem 2817 Emissionshandel in zusätzliche Umweltschutzprojekte gelenkt. Wir haben un- 2818 sere Mittel für die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern im Klima- und 2819 Waldschutz deutlich erhöht. Wir haben den Handel mit Emissionsrechten ent- 2820 bürokratisiert. Wir arbeiten daran, das von uns in der Bundesregierung be- 2821 schlossene Ziel umzusetzen, den CO2-Ausstoß national bis 2020 um 40 Pro- 2822 zent und bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. 2823

Wir haben durch die Reform des Kreislaufwirtschaftsgesetzes mehr Recycling 2824 ermöglicht. Wir haben die Luftreinhaltung bei Kraftwerken und Kleinfeuerungs- 2825 anlagen verbessert. Private Autofahrer und Handwerker haben wir bei der 2826 Nachrüstung ihrer Fahrzeuge mit Rußpartikelfiltern unterstützt. Mit den Bun- 2827 desprogrammen „Biologische Vielfalt“ und „Wiedervernetzung“ haben wir den 2828 Naturschutz in Deutschland nachhaltig vorangebracht. 2829

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 2830

• Wir Liberalen setzen uns für eine weltweit durchgreifende Minderung 2831 der Emission von für das Klima nachteiligen Gasen ein, im Rahmen ei- 2832 nes für alle Staaten verbindlichen neuen Klimaschutz-Abkommens. Aus 2833 unserer Sicht muss es zu einer langfristigen Angleichung der CO2-Emis- 2834 sionen pro Kopf kommen. Verpflichtungen sollen sich dabei an Emissio- 2835 nen und Wirtschaftskraft ausrichten, nicht an einem überkommenen Sta- 2836 tus als Industrie- oder Entwicklungsland. In der Zwischenzeit setzen wir 2837 uns für eine zügige Ratifizierung der zweiten Verpflichtungsperiode des 2838 Kyoto-Protokolls ein. b 2839

• Wir legen beim Klimaschutz ein hohes Gewicht auf den Emissionshan- 2840 del. Er gewährleistet eine wirksame Emissionsbegrenzung zu den ge- 2841 ringsten wirtschaftlichen Kosten. Wir Liberalen wollen den EU-Emissi- 2842

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onshandel auf den gesamten Verkehrs- und Wärmesektor ausweiten. 2843 Ansatzpunkt soll dort die oberste Handelsebene von Brennstoffen sein. 2844 Steuern, die ihre ökologische Lenkungswirkung verlieren, können im Ge- 2845 genzug gesenkt oder abgeschafft werden. Wir fordern intensivere Ver- 2846 handlungen, um den EU-Emissionshandel mit bestehenden und geplan- 2847 ten Handelssystemen zum Beispiel in Nordamerika, Korea und Australi- 2848 en zu vernetzen. b 2849

• Wir Liberalen werden auch in der nächsten Wahlperiode sicherstellen, 2850 dass die Zusagen Deutschlands zur Finanzierung von Klimaschutzpro- 2851 jekten in Entwicklungsländern – sowohl zur Treibhausgas-Minderung als 2852 auch zur Anpassung an den Klimawandel – eingehalten werden. b 2853

• Noch ein knappes Jahrzehnt werden Kernkraftwerke in Deutschland be- 2854 trieben werden. Die Sicherheit der verbliebenen Reaktoren muss auch 2855 weiterhin auf höchstem Niveau sichergestellt bleiben. Stillgelegte Kern- 2856 kraftwerke sind möglichst zügig zurückzubauen, um die Fachkenntnisse 2857 der vorhandenen Belegschaft zu nutzen. b 2858

• Wir stehen für eine ergebnisoffene Suche eines Endlagers für hochra- 2859 dioaktive Abfälle. In einem stufenweisen Verfahren sollen geeignete 2860 Standorte geprüft werden. Dabei darf kein Standort von vornherein aus- 2861 geschlossen werden. Eine intensive Bürgerbeteiligung und eine abschlie- 2862 ßende Standortentscheidung durch ein Bundesgesetz soll die gesell- 2863 schaftliche Akzeptanz für diese nationale Aufgabe sicherstellen. b 2864

• Um den Ressourcenschutz zu stärken, wollen wir das Recycling durch 2865 die flächendeckende Einführung der Wertstofftonne voranbringen. Hier 2866 sollen anders als bei der gelben Tonne nicht nur Verpackungen, son- 2867 dern alle geeigneten Wertstoffe gesammelt werden. Die Umstellung 2868 muss so erfolgen, dass es weder zu einer Bevorteilung der kommunalen 2869 noch der privaten Anbieter kommt. Wir Liberalen stehen im Interesse der 2870 Verbraucher für eine wettbewerbliche Entsorgungswirtschaft. b 2871

• Wir werden die politischen Ziele zur Flächeninanspruchnahme stärker 2872 auf Naturschutzziele ausrichten. Wir Liberalen werden den Modellver- 2873 such zu handelbaren Flächenzertifikaten für die weitere Gesetzgebung 2874 auswerten. b 2875

• Insgesamt muss das Naturschutzrecht entrümpelt werden, ohne dass 2876 dabei der Schutz der Natur zu kurz kommt. Die Bundesländer sollen die 2877 Möglichkeit erhalten, das sogenannte Ersatzgeld anderen Instrumenten 2878 der Kompensation gleichzustellen. Dabei wird zum Ausgleich eines Ein- 2879 griffes zweckgebunden Geld gezahlt, das in bedeutende Maßnahmen 2880 des Naturschutzes im gleichen Naturraum investiert wird. Dies ist oft ef- 2881 fektiver als ein Flickenteppich von Einzelmaßnahmen. b 2882

• Frei fließende Flüsse und Flussabschnitte haben einen hohen ökologi- 2883 schen Wert. Nicht nur zum Hochwasserschutz muss den Gewässern 2884

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mehr Raum gegeben werden. Einen Bau von Staustufen in Elbe und 2885 Donau lehnen wir weiter ab. b 2886

• Für uns Liberale hat der Tierschutz seit Jahren eine zentrale Bedeu- 2887 tung. Im Mittelpunkt unserer zukünftigen Bemühungen stehen eine art- 2888 gerechte Tierhaltung und -ernährung sowie die Verringerung der Anzahl 2889 von Tierversuchen durch den verstärkten Einsatz von Alternativmetho- 2890 den. Erfolgreicher Tierschutz kann nur auf europäischer Ebene und nicht 2891 durch nationale Sonderwege verwirklicht werden. b 2892

• Der Schutz der biologischen Vielfalt ist eine Querschnittsaufgabe, die in 2893 allen Politikfeldern Berücksichtigung finden muss. Wir werden das Bun- 2894 desprogramm Biologische Vielfalt, das in unserer Regierungszeit aufge- 2895 legt wurde, weiter ausbauen. Wir gestalten Naturschutz mit den Men- 2896 schen. Daher setzen wir verstärkt auf freiwillige Maßnahmen und den 2897 Vertragsnaturschutz, erst nachrangig auf hoheitliche Schutzgebietsver- 2898 ordnungen und Verbote. Zerschnittene Biotopverbünde sollen wieder zu- 2899 sammengeführt werden, wie wir es in der Bundesregierung mit dem 2900 Bundesprogramm Wiedervernetzung begonnen haben. b 2901

• Der Schutz der biologischen Vielfalt weltweit hat das Ziel, das geneti- 2902 sche Reproduktionspotenzial für kommende Generationen zu erhalten. 2903 Um die tropischen Wälder zu schützen, unterstützen wir Modelle zur 2904 Honorierung vermiedener Abholzung, die gezielte Armutsbekämpfung in 2905 den betroffenen Regionen sowie die Zertifizierung von Holz. Zum Schutz 2906 der Meeresflora und -fauna muss ein globales System von Meeres- 2907 schutzgebieten geschaffen werden. Insbesondere die afrikanischen 2908 Staaten sollen in die Lage versetzt werden, das illegale Fischen in ihren 2909 Wirtschaftszonen wirksamer zu unterbinden. b 2910

• Wir brauchen eine nachhaltige Fischerei, die die Bestände erhält, artge- 2911 recht ist und den Tierschutz sichert. Die Grundschleppnetz-Fischerei ist 2912 zu beschränken. In jedem Fall ist die Industriefischerei durch die Aus- 2913 weisung von Vorrang- und Ausschlussgebieten einzudämmen. Da das 2914 Grundnahrungsmittel Fisch durch die Überfischung der Meere gefährdet 2915 ist, sollen zudem Rahmenbedingungen für die nachhaltige Aquakultur 2916 weiter verbessert werden. b 2917

• Wir wollen unsere Anstrengungen fortsetzen, auf europäischer Ebene 2918 für eine Nachhaltigkeitszertifizierung aller Agrarrohstoffe zu sorgen, wie 2919 sie für Biokraftstoffe heute schon besteht. Bei der Zertifizierung sind die 2920 Cross-Compliance-Regeln für europäische Landwirte unbürokratisch an- 2921 zuerkennen. b 2922

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4. Verantwortung für die eigenen Entscheidungen 2923

übernehmen — nachhaltig handeln 2924

Wo sich den Menschen Chancen eröffnen, wo sich Möglichkeiten auftun, dort 2925 ist nachhaltige Entwicklung möglich. Wer den Menschen Möglichkeiten für den 2926 eigenen Lebensweg nimmt, macht nachhaltige Entwicklung unmöglich. Denn 2927 Nachhaltigkeit hat nichts mit Askese oder einer Konservierung der Welt zu 2928 tun. Bei allem Handeln müssen wir aber die Folgen für Umwelt, Mitwelt und 2929 Nachwelt verantworten können. 2930

Deshalb haben wir Innovation, Forschung und Entwicklung gestärkt. Wir ha- 2931 ben mehr Bildung ermöglicht und die Neuverschuldung im Vergleich zu den 2932 Plänen der schwarz-roten Vorgängerregierung um über 50 Prozent verringert. 2933 Das sind 150 Milliarden Euro weniger Schulden. Nach Jahren der Mangelver- 2934 waltung haben wir unsere Sozialsysteme stabilisiert und begonnen, sie auf ei- 2935 ne nachhaltige Finanzierung umzustellen. In der Pflegeversicherung sind erste 2936 Elemente zur Kapitaldeckung eingeführt, bei der Krankenversicherung ein 2937 wettbewerbliches Prämienmodell eingeführt und bei der Rente die private Vor- 2938 sorge weiter gestärkt worden. Die Energiewende wurde beschleunigt und aus 2939 dem ideologischen Korsett von Rot-Grün befreit, damit sie in der Realität auch 2940 gelingen kann. Und anstatt zu alimentieren, haben wir neue Möglichkeiten und 2941 Chancen geschaffen: 1,6 Millionen neue sozialversicherungspflichtige Arbeits- 2942 plätze bedeuten 1,6 Millionen neue Perspektiven für Menschen in Deutschland 2943 und ihre Familien. 2944

Nachhaltige Entwicklung betrifft nicht nur Umwelt und Klimapolitik. Nachhalti- 2945 ge Entwicklung erfordert auch nachhaltiges Wirtschaften, generationengerech- 2946 tes Haushalten und technische, soziale, wirtschaftliche und wissenschaftliche 2947 Innovation. 2948

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 2949

• Nachhaltige Entwicklung ist nur in und durch Freiheit möglich. Nachhal- 2950 tigkeit hat für Liberale nichts mit Askese zu tun. Auch die Menschen 2951 von heute haben ein Recht auf ein gutes Leben. Wir können und sollen 2952 die Welt nicht konservieren. Aber wir müssen unser Handeln vor der 2953 Umwelt und der Nachwelt verantworten. Denn wir Liberale messen Frei- 2954 heit auch an der Freiheit nachfolgender Generationen. Wenn wir heute 2955 auf Kosten künftiger Generationen leben, hinterlassen wir ihnen denkbar 2956 schlechte Startchancen. Künftige Generationen sollen aber mindestens 2957 gleiche Chancen auf Freiheit haben wie die Menschen heute. b 2958

• Im Interesse kommender Generationen braucht Politik eine Perspektive 2959 von Jahrzehnten, nicht von Wahlperioden. Wir befürworten deshalb res- 2960 sortübergreifende und indikatorenbasierte Nachhaltigkeitsstrategien auf 2961

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nationaler sowie europäischer Ebene. Die bewährten Gremien zur Be- 2962 gleitung der Nachhaltigkeitsstrategie werden wir in Regierung und Parla- 2963 ment fortführen. b 2964

• Wir wollen die Einführung einer offiziellen Generationenbilanz. Dabei 2965 werden Leistungen für nachfolgende Generationen – wie Ausgaben für 2966 Bildung, Infrastruktur und soziale Sicherheit – ihren Belastungen durch 2967 Staatsverschuldung, Pensionslasten und Verpflichtungen aus Generatio- 2968 nenverträgen gegenübergestellt. Die Gesetzesfolgenabschätzung ist um 2969 eine Generationenbilanzierung zentraler Vorhaben zu ergänzen. b 2970

• Nachhaltigkeit verlangt auch danach, die Neuverschuldung des Staates 2971 abzubauen, Steuermehreinnahmen zum Schuldenabbau zu verwenden 2972 und die Sozialsysteme unseres Landes dauerhaft auf ein solides Funda- 2973 ment zu stellen, das über Generationen hinweg trägt. Zur Nachhaltigkeit 2974 gehört auch, dass Straßen, Gebäude und andere Einrichtungen im Be- 2975 reich der staatlichen Infrastruktur erhalten und zeitgemäß modernisiert 2976 werden. Gegenwärtig reichen die Investitionen der öffentlichen Hand in 2977 Deutschland nicht einmal aus, um die altersbedingten Abnutzungen in 2978 diesem Bereich auszugleichen. Wir fordern daher kontinuierliche und 2979 zielgerichtete Investitionen der öffentlichen Hand in Straßen, Verkehrs- 2980 wege, Schulen und andere öffentliche Gebäude sowie die öffentlichen 2981 Versorgungsnetze. b 2982

• Die Entwicklung der Sustainable Development Goals auf UN-Ebene 2983 muss im Einklang mit dem Folgeprozess zu den Millennium Development 2984 Goals erfolgen. Die Parlamente sind in die Entwicklung der Ziele einzu- 2985 beziehen. Dazu wollen wir internationale Parlamentarierdialoge seitens 2986 der Bundesregierung fördern. b 2987

• Auch in Zukunft soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als klare messbare 2988 Größe für Wachstum erhalten bleiben. Daneben soll aber auch anderen 2989 Indikatoren von Wohlstand und Lebensqualität Beachtung geschenkt 2990 werden. So ist zum Beispiel Kindererziehung eine gesellschaftliche Leis- 2991 tung, die vom BIP nicht gemessen wird. Gleiches gilt für soziale, kultu- 2992 relle und ehrenamtliche Leistungen. b 2993

• Das Bildungswesen spielt eine besondere Rolle bei der Entwicklung 2994 und Förderung eigenverantwortlichen Handelns. Bildung für nachhaltige 2995 Entwicklung muss in allen Altersstufen zu den leitenden Grundsätzen 2996 des Lehrens, Lernens und Handelns werden wie Erziehung zu Frieden, 2997 Demokratie, Eigenverantwortung und Toleranz. b 2998

• Unter Absage an Verbote und Gebote empfehlen wir gleichwohl allen 2999 Betrieben und Unternehmen, sich im eigenen wirtschaftlichen Interesse 3000 intensiv um eine Verbesserung der eigenen Rohstoff- und Umweltbilanz 3001 zu sorgen. Publikumsgesellschaften sollten im Rahmen ihrer Berichter- 3002 stattung bei Erstellung ihrer Jahresbilanz entsprechend dem Deutschen 3003 Nachhaltigkeitskodex verfahren. b 3004

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VI. Verantwortung, damit Europa eine stabile 3005

und verlässliche Gemeinschaft bleibt 3006

Der größte Freiheitsgewinn in der Geschichte unseres Landes nach dem 3007 Zweiten Weltkrieg war und ist der europäische Einigungsprozess. Das Zusam- 3008 menwachsen eines ganzen Kontinents und seiner Völker hat Millionen Men- 3009 schen den Frieden und die Freiheit gegeben, ihre Träume zu erfüllen und ih- 3010 ren eigenen Weg zu gehen. Mit dem Nobelpreis für die Europäische Union 3011 wurde diese historische Errungenschaft sowie der Mut der Völker Europas ge- 3012 würdigt. 3013

Wir wollen, dass dieses Europa eine starke Zukunft hat. Wir übernehmen 3014 Verantwortung für Frieden, Freiheit, Wohlstand und Sicherheit in einem ge- 3015 meinsamen Europa. Damit Europa ein Kontinent der Chancen und des Mitein- 3016 anders bleibt. Die großen Herausforderungen unserer Zeit können wir nur be- 3017 wältigen, indem wir Europa zu einer globalen Gestaltungskraft weiter entwi- 3018 ckeln. Nur so können wir unsere Wertegemeinschaft bewahren, als Wirt- 3019 schaftsmacht unsere Interessen behaupten und zur künftigen Ordnung der 3020 Welt einen europäischen Beitrag leisten. 3021

Dazu wollen wir die Schuldenkrise einzelner Mitgliedstaaten überwinden und 3022 unsere gemeinsame Währung und die Union auf ein festes Fundament stel- 3023 len. Und gleichzeitig denken wir an die Zukunft Europas. Wir wollen die politi- 3024 sche Union verwirklichen. Mit unserem Einsatz für den Fiskalvertrag und der 3025 Zukunftsgruppe der Außenminister zur Vertiefung der Europäischen Union ha- 3026 ben wir große Schritte in diese Richtung getan. 3027

Europa ist für uns Liberale Teil unserer kulturellen Identität, Rückversicherung 3028 unserer Freiheit und zugleich Notwendigkeit, um auch in Zukunft im globalen 3029 Wettbewerb bestehen zu können. Diese einzigartige Zone der Freiheit, des 3030 Wohlstands und der mannigfaltigen kulturellen Bereicherung zu bewahren und 3031 weiterzuentwickeln ist liberales Versprechen und Verpflichtung. Und dieses Eu- 3032 ropa bleibt ein Magnet für die Menschen und Völker. 3033

1. Europa — liberales Versprechen und Verpflich- 3034

tung 3035

Die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, die Haushaltskonsolidierung voran- 3036 zutreiben und unsere Währung zu stabilisieren waren notwendig, um die Krise 3037 zu bewältigen und um eine Wachstumsperspektive zu eröffnen. Darüber dür- 3038 fen wir jedoch nicht vergessen: Europa ist mehr als der Euro. Europa ist ge- 3039 gründet auf gemeinsamen Werten und Überzeugungen. Und diese Gemein- 3040

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samkeit zu wahren und zu stärken ist heute ebenso unsere Aufgabe und Ver- 3041 antwortung wie die Stabilität unsere Währung. 3042

Der Abschlussbericht der von Deutschland angestoßenen Zukunftsgruppe 3043 von elf Außenministern spiegelt wider, dass viele unserer Vorstellungen auf 3044 fruchtbaren Boden fallen. Wir wissen, dass Europa ein Staatenverbund mit 3045 einzigartigen gesellschaftlichen, politischen, rechtsstaatlichen und ökonomi- 3046 schen Gemeinsamkeiten ist. Deshalb wollen wir den Weg der Vertiefung ver- 3047 antwortungsvoll weitergehen – hin zu einer politischen Union mit festen föde- 3048 ralen Grundsätzen, demokratischen Strukturen und einer klaren subsidiären 3049 Ordnung. 3050

Dafür treten wir an. Dafür treten wir ein. 3051

• Wir wollen das Rad der Geschichte in Europa nach vorne drehen und 3052 nicht zurück. Auf dem Weg der Integration möchten wir alle 28 Staaten 3053 mitnehmen. Dafür ist die Konventsmethode der richtige und vom 3054 EU-Vertrag vorgesehene Weg. Nur wenn die Konventsmethode nicht 3055 gangbar ist, weil einige wenige nicht wollen, muss ein anderer Weg ge- 3056 wählt werden. Der Fiskalpakt hat gezeigt, wie dies geschehen kann. Am 3057 Ende dieser Entwicklung sollte ein durch eine europaweite Volksabstim- 3058 mung legitimierter europäischer Bundesstaat stehen. b 3059

• Eine verstärkte Koordinierung der Wirtschaftspolitik zur Erhöhung der 3060 Wettbewerbsfähigkeit Europas ist eine wichtige Zwischenstation auf dem 3061 Weg zur politischen Union. Wir wollen den europäischen Binnenmarkt 3062 vollenden, die gemeinsame Agrarpolitik stärker an den Prinzipien der 3063 Sozialen Marktwirtschaft und Nachhaltigkeit ausrichten und Europas Füh- 3064 rungsrolle in den Schlüsselbereichen von Forschung, Technologie und 3065 Dienstleistungen stärken. b 3066

• Wir wollen ein Europa der Bürger. Der Grundstein der politischen Union 3067 ist demokratische Legitimation und Kontrolle. Wir setzen uns deshalb da- 3068 für ein, das Europäische Parlament zu einem Vollparlament mit gleich- 3069 berechtigtem Initiativrecht in der Gesetzgebung zu entwickeln. Das Par- 3070 lament soll selbst über seinen Sitz entscheiden dürfen. Wir wollen das 3071 Wahlrecht zum Europäischen Parlament europäisieren und setzen uns 3072 ein dafür ein, dass künftig die europäischen Parteien mit staatenüber- 3073 greifenden Listen antreten. b 3074

• Als sichtbares Zeichen direkter Legitimation wollen wir die Direktwahl 3075 des Präsidenten der Europäischen Kommission durch die Bürger Euro- 3076 pas. Wir wollen die Stellung der Kommission als Hüterin der Verträge 3077 stärken. Dafür muss die Kommission effizienter, nicht aber größer wer- 3078 den. Im Gegenteil: Wir plädieren für die Verkleinerung der Europäischen 3079 Kommission. b 3080

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• Neben dem Europäischen Parlament soll dem Rat der Europäischen 3081 Union als gleichberechtigter Länderkammer eine essentielle Rolle zu- 3082 kommen, um demokratische Kontrolle und politischen Ausgleich („checks 3083 and balances“) im europäischen Mehrebenensystem zu garantieren. b 3084

• Das Europa der Bürger zeichnet sich durch feste und klare Kompeten- 3085 zen und das Prinzip der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit aus. Über- 3086 mäßige Bürokratie oder gar rigider Zentralismus haben darin keinen 3087 Platz. Wir wollen vielmehr starke Regionen, die nahe am Bürger sind. 3088 Wir wollen den Rechtsgrundsatz der Subsidiarität institutionell besser 3089 absichern, vorhandene Instrumente stärker nutzen und ausbauen sowie 3090 ein europäisches Subsidiaritätsgericht einrichten. b 3091

• Wir sehen in der Erweiterung der EU eine große Chance, sofern und 3092 soweit Kandidaten beitrittsfähig sind und die Europäische Union aufnah- 3093 mefähig ist. Außerdem bestehen wir darauf, dass die EU institutionell 3094 vorankommt, bevor sie weiteren Aufnahmen zustimmt. b 3095

• Wir werden darauf achten, dass diese Aufnahmevoraussetzungen strikt 3096 eingehalten werden. Jedes neue Mitglied muss vor einer Entscheidung 3097 über seine Aufnahme alle offenen Streitfragen mit seinen Nachbarn ab- 3098 schließend lösen. Dies gilt insbesondere auch für die Staaten des westli- 3099 chen Balkans. Wir freuen uns, in diesem Jahr Kroatien als 28. Mitglied 3100 der Europäischen Union zu begrüßen. b 3101

• Mit der Türkei verbindet uns seit Jahrzehnten eine tiefgreifende Part- 3102 nerschaft und die gemeinsame Mitgliedschaft in der NATO. Seit 2005 3103 verhandeln die EU und die Türkei ergebnisoffen über eine türkische 3104 EU-Mitgliedschaft. An der Beitrittsperspektive für die Türkei halten wir 3105 fest. Es darf jedoch – wie in allen Fällen – keine Rabatte bei der Erfül- 3106 lung der Beitrittskriterien geben. Wir ermutigen die Türkei, den notwendi- 3107 gen Reformprozess in Richtung Rechtsstaat und Menschenrechte ent- 3108 schlossener voranzutreiben. b 3109

• Entschlossene rechtsstaatliche Reformen sind auch die Voraussetzung 3110 für die weitere EU-Annäherung der Staaten der Östlichen Partnerschaft. 3111 So hätte zum Beispiel die Ukraine langfristig dann eine Chance auf eine 3112 Beitrittsperspektive, wenn sie in den kommenden Jahren konsequent auf 3113 einen Modernisierungskurs setzt und sich kontinuierlich an EU-Standards 3114 heranarbeitet. b 3115

• Die Charta der Grundrechte und die Menschenrechtskonvention der Eu- 3116 ropäischen Union müssen in allen EU-Mitgliedstaaten ungeachtet der po- 3117 litischen Couleur der jeweiligen nationalen Regierung geachtet werden. 3118 Entwicklungen wie zum Beispiel in Ungarn und Rumänien, die das 3119 Gleichgewicht der politischen Kräfte durch einen überzogenen Machtan- 3120 spruch der Regierung gefährden, werden wir deshalb weiterhin ent- 3121 schlossen entgegen treten. b 3122

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• Wir wollen unsere gemeinsamen Werte stärken und schützen und dazu 3123 das Verfahren der europäischen Rechtsstaatskontrolle verbessern. Bis- 3124 her kann die EU nur handeln, wenn bereits schwerwiegende und dauer- 3125 hafte Verletzungen der gemeinsamen europäischen Werte eingetreten 3126 sind. Wir wollen unterhalb dieser Schwelle des Artikels 7 des EU-Ver- 3127 trags einen angemessenen Mechanismus schaffen, der es der Europäi- 3128 schen Kommission erlaubt, die europäischen Grundwerte in den Mitglied- 3129 staaten zu verteidigen und nötigenfalls spürbare und angemessene 3130 Sanktionen zu verhängen. b 3131

• Die Reisefreiheit gehört zu den kostbarsten Errungenschaften der euro- 3132 päischen Integration. Wir sollten sie nicht leichtfertig auf Spiel setzen. 3133 Wir Liberalen sind daher vehement dagegen, nationalen Regierungen ei- 3134 nen Blanko-Scheck zur Wiedereinführung von Grenzkontrollen zu ge- 3135 ben. b 3136

• Wir wollen die Rahmenbedingungen für die konventionelle und ökologi- 3137 sche Landwirtschaft weiter durch marktwirtschaftliche Reformen und ei- 3138 nen konsequenten Bürokratieabbau verbessern. Dazu gehört Planungs- 3139 sicherheit für Landwirte durch marktwirtschaftliche Weiterentwicklung der 3140 Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und der Abbau von Wettbewerbsver- 3141 zerrungen innerhalb der EU. b 3142

Varianten zur Abstimmung auf dem a.o. Bundesparteitag, 4. bis 5. Mai 2013: 3143

Variante A 3144

Wir lehnen die Kappung und Degression von Direktzahlungen ab. Beides führt 3145 zu Betriebsteilungen und ineffizienten Betriebsstrukturen. 3146

Variante B 3147

Regulierung und Bürokratie wollen wir im Interesse der unternehmerischen 3148 Freiheit von Landwirten abbauen und die Direktzahlungen schrittweise redu- 3149 zier en. 3150

• Zu einem starken Europa gehört auch der Europarat mit seinen Orga- 3151 nen. Mit seinen 47 Mitgliedstaaten kommt dem Europarat gerade bei der 3152 Umsetzung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten 3153 eine elementare Rolle zu, die wir Liberalen weiter stärken wollen. b 3154

• Wir setzen uns dafür ein, dass die Charta der Grundrechte in allen 3155 EU-Mitgliedstaaten geachtet wird und wollen eine zügige Umsetzung der 3156 Europäischen Menschenrechtskonvention in der EU. Wir bekennen uns 3157 zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und unterstützen ak- 3158 tiv seine Reform. b 3159

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2. Vom gemeinsamen Währungsraum zur Stabili- 3160

tätsunion 3161

Die Stabilisierung unserer Währung und der Kampf gegen die Schuldenkrise 3162 bleibt für uns Liberale auch in den kommenden Jahren eine der wichtigsten 3163 Herausforderungen. Wir wissen: Die Stabilisierung unserer Währung ist nicht 3164 umsonst zu haben. Aber für uns hat Europa nicht nur einen Preis. Sondern 3165 Europa hat für uns Deutsche vor allem auch einen Wert. Weil wir Frieden, 3166 Freiheit und Wohlstand für Deutschland dauerhaft nur durch und mit einem 3167 starken Europa gewährleisten können. Aber wir wissen auch: Das alles gibt 3168 es nur mit einer stabilen Währung. 3169

Nachdem Sozialdemokraten und Grüne 2003 den Stabilitätspakt zerrissen 3170 und damit die heutige Krise ausgelöst haben, haben wir nun die Kehrtwende 3171 eingeleitet und eine neue Stabilitätskultur geschaffen. Um aus der Krise zu 3172 kommen, müssen wir Europa weiter stärken – und nicht Deutschland schwä- 3173 chen. Deshalb bleibt das Haftungsvolumen für den Bundeshaushalt verfas- 3174 sungsrechtlich streng begrenzt und das Haushaltsrecht des Deutschen Bun- 3175 destages unangetastet. Das Parlament hat immer das letzte Wort. Und darum 3176 haben wir eine Vergemeinschaftung der Schulden durch Eurobonds oder ei- 3177 nen Schuldentilgungsfonds verhindert. Wir wollen kein Schuldeneuropa, son- 3178 dern eine echte Stabilitätsunion. 3179

Auf dem Weg in die Stabilitätsunion haben wir bereits viel erreicht. Im Fiskal- 3180 vertrag haben 25 Mitgliedstaaten vereinbart, nationale Schuldenbremsen ein- 3181 zuführen und ihre Haushalte in Ordnung zu bringen. Und mit den europäi- 3182 schen Stabilitätsmechanismen EFSF und ESM haben wir nicht nur Rettungs- 3183 schirme für unsere Währung aufgespannt, sondern auch die Grundlage zur 3184 Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in den Krisenländern geschaffen. Nach 3185 dem Prinzip „keine Leistung ohne Gegenleistung“ geht mit der Hilfe für die Kri- 3186 senländer auch immer die Verpflichtung zu nachhaltigen und anspruchsvollen 3187 Reformen einher. 3188

Wir wollen den Weg in die Stabilitätsunion weitergehen. Weil wir überzeugt 3189 sind, dass stabile Haushalte, mehr Wettbewerbsfähigkeit und stärkeres 3190 Wachstum die Voraussetzung für eine stabile Währung sind. Weil nur so Eu- 3191 ropa auf Dauer aus seinen Schulden herauswachsen und im globalen Wettbe- 3192 werb bestehen kann. 3193

Dafür treten wir an. Dafür treten wir ein. 3194

• Solidarität verlangt auch Solidität. Strukturreformen sind angezeigt. Län- 3195 der, die ohne zeitweise Unterstützung nicht auskommen, müssen die mit 3196 den Partnern verhandelten Verpflichtungen einhalten. Der Reformdruck 3197

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muss erhalten bleiben. Es darf keine falschen Anreize geben. Einen 3198 Rückfall in die keynesianische Schuldenpolitik der 1970er Jahre lehnen 3199 wir vehement ab. Für Liberale ist die Geldwertstabilität eine Grundvor- 3200 aussetzung für nachhaltiges Wachstum in der Sozialen Marktwirtschaft. b 3201

• Die Krise Europas begann mit dem Bruch des EU-Stabilitäts- und 3202 Wachstumspaktes im Jahr 2003. Aus dieser Erfahrung ziehen wir die 3203 richtigen Schlüsse und setzen den von uns eingeforderten Fiskalpakt 3204 konsequent um. Nur wenn Europa die Abkehr von der Schuldenpolitik 3205 gelingt und wir den Weg in die Stabilitätsunion fortsetzen, schaffen wir 3206 einen verlässlichen Rahmen, der langfristiges Vertrauen in die Wettbe- 3207 werbsfähigkeit, Stabilität und Zuverlässigkeit der Eurozone und Europas 3208 insgesamt erzeugt. b 3209

• Eine unabhängige Zentralbank ist eine der wichtigsten Voraussetzun- 3210 gen für eine stabile Währung. Deshalb verteidigen wir die Unabhängig- 3211 keit der EZB gegen jeden Zugriff. Die EZB bleibt der Geldwertstabilität 3212 verpflichtet, wie sie in den europäischen Verträgen verankert ist. Eine 3213 Staatsfinanzierung durch die EZB und damit die Sanierung der Staats- 3214 haushalte durch Inflation lehnen wir mit aller Entschiedenheit ab. b 3215

• Wir haben es geschafft, vom Krisenmodus in den Krisenlösungsmodus 3216 zu kommen. Wir bauen eine Stabilitätsunion auf. Dafür sind eine sinn- 3217 volle Regulierung des Bankensektors und eine Bankenkontrolle unerläss- 3218 lich, damit in einem klaren Ordnungsrahmen die Realwirtschaft nach den 3219 Prinzipen der Sozialen Marktwirtschaft innerhalb der Eurozone funktio- 3220 nieren und gedeihen kann. b 3221

• Wir stehen für eine Stabilitätsunion mit soliden Haushalten und Finan- 3222 zen. Eine Haftungsunion wird es mit uns nicht geben. Hierdurch würde 3223 neben der unbegrenzten Haftung des Bundeshaushaltes auch jeder Re- 3224 formdruck von wettbewerbsschwachen Staaten genommen werden. b 3225

• Wir wollen, dass die EU-Mitgliedstaaten die eigene Budgethoheit und 3226 die Verantwortung zu sorgfältigem Haushalten auch in Zukunft behalten. 3227 Deshalb lehnen wir europäische Steuern ab. b 3228

• Eine gesamtschuldnerische Haftung für Staatsanleihen der Mitglied- 3229 staaten, wie über Eurobonds oder einen Altschuldentilgungsfonds, leh- 3230 nen wir Liberalen aus politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Grün- 3231 den ab, heute genauso wie in der Zukunft. Europa hat nur eine Zukunft 3232 als Verantwortungsgemeinschaft, in der jeder für sein Handeln haftet. 3233 Darum setzen wir uns für eine europäische Insolvenzordnung für Staa- 3234 ten ein, um die bestehenden Stabilisierungsinstrumente zu ergänzen. b 3235

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VII. Frieden, damit mehr Menschen mehr 3236

Chancen bekommen 3237

In Deutschland haben heute mehr Menschen die Freiheit, ihre Träume zu er- 3238 füllen und ihren eigenen Weg zu gehen. Das macht uns stark und schafft 3239 Wohlstand. Aber Deutschland darf sich selbst nicht genüge sein. 3240

Verlässliche Bündnisse, die Friedensordnung der UN und ein starkes Europa 3241 haben dazu wesentlich beigetragen, dass uns ein Leben in Frieden und Wohl- 3242 stand in Deutschland beinahe selbstverständlich erscheint. Das ist ein histori- 3243 scher Erfolg auch deutscher Außen- und Entwicklungspolitik. Ein Erfolg, der 3244 uns zugleich Auftrag ist: Die Freiheit und die Chancen, die wir in Deutschland 3245 und Europa heute genießen, wollen wir möglichst vielen Menschen auf der 3246 Welt zugänglich machen. Mehr Menschen weltweit sollen in ihren Ländern in 3247 Frieden, Sicherheit und Wohlstand leben können. 3248

Dieses Ziel wollen wir erreichen durch Kooperation innerhalb bewährter Orga- 3249 nisationen und Bündnisse. Wir wollen bewährte Partnerschaften pflegen und 3250 ausbauen, aber auch neue Partnerschaften begründen. Wer Globalisierung 3251 gestalten will, braucht starke Partner. 3252

Wir setzen dabei auf Dialog, Partnerschaft und den Vorrang politischer Lö- 3253 sungsansätze. Wir stehen zur Kultur der militärischen Zurückhaltung. Liberale 3254 Außen- und Entwicklungspolitik ist Friedenspolitik. Sie setzt auf geteilte und 3255 gemeinsam getragene Verantwortung. Deshalb wollen wir, dass internationale 3256 Abrüstungsinitiativen weiterhin einen wichtigen Stellenwert in der deutschen 3257 und internationalen Politik einnehmen. Und deshalb investieren wir unsere 3258 Entwicklungszusammenarbeit in mehr Chancen für die Menschen in unseren 3259 Kooperationsländern. Wir setzen uns weltweit ein für die Einhaltung und Stär- 3260 kung der Menschenrechte, für den Schutz der Freiheit, der Demokratie und 3261 der Rechtsstaatlichkeit wie auch für den Schutz von Fortschritt, den auf kultu- 3262 reller Selbstbestimmung basierenden Wohlstand sowie den Schutz unserer 3263 Bürger vor weltweiten Sicherheitsrisiken. 3264

Globalen Problemen können wir nur in globaler Kooperation begegnen. Da- 3265 durch schaffen wir mehr Chancen für mehr Menschen auf der Welt. Mehr 3266 Möglichkeiten für den eigenen Lebensentwurf und mehr Chancen zur Verbes- 3267 serung der eigenen Lebensbedingungen. 3268

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1. In Verantwortung und Partnerschaft für mehr 3269

Frieden in der Welt 3270

Deutsche Außenpolitik ist wertegeleitet und interessenorientiert. Sie orientiert 3271 sich an historisch gewachsenen und bewährten Wertegemeinschaften und sie 3272 sucht und fördert neue Partnerschaften. Ohne die transatlantische Partner- 3273 schaft oder unsere anderen etablierten Freundschaften und Bündnisse zu ver- 3274 nachlässigen, hat liberale Außenpolitik den Grundstein für neue Partnerschaf- 3275 ten gelegt. Aufstrebende Staaten in Lateinamerika, Asien und Afrika sind als 3276 neue Kraftzentren in ihren jeweiligen Regionen und darüber hinaus immer 3277 wichtiger werdende Partner für Deutschland und Europa – im Handel, aber 3278 auch bei der Bewältigung globaler Zukunftsaufgaben wie dem Klimawandel, 3279 der Abrüstung und dem Schutz der Biodiversität. Mit unseren Partnern welt- 3280 weit werden wir weiterhin Probleme wie Klimawandel, Armut, Terrorismus, 3281 Krieg, Menschenrechtsverletzungen und die Verbreitung von Massenvernich- 3282 tungswaffen im Bewusstsein gemeinsamer Verantwortung bewältigen. 3283

Liberale Außenpolitik unterstützt die historischen politischen Umwandlungs- 3284 prozesse in Nordafrika und der arabischen Welt mit maßgeschneiderten 3285 Transformationspartnerschaften. Wir Liberale wollen diese Gesellschaften in 3286 Richtung freiheitlicher Demokratie und Marktwirtschaft weiter unterstützen. 3287 Durch zahlreiche Projekte tragen gerade auch Nicht-Regierungs-Organisatio- 3288 nen dazu bei, Menschenrechte durchzusetzen, ihre Durchsetzung zu überwa- 3289 chen sowie Menschenrechte und demokratische Teilhabe im Bewusstsein der 3290 Bevölkerung und in den staatlichen Strukturen zu verankern. Die Einhaltung 3291 der Menschenrechte und echte bürgerschaftliche Partizipation sind das Funda- 3292 ment für die demokratische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung eines 3293 Landes. 3294

Wir setzen auf den Ausbau der Kooperation innerhalb bewährter Organisatio- 3295 nen. Wir setzen auf Dialog und Partnerschaft. Auch da, wo es schwierig ist. 3296 Nur Dialog schafft Vertrauen und die Möglichkeit friedlicher Konfliktlösung. Li- 3297 berale Außenpolitik ist Friedenspolitik. 3298

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 3299

• Wir setzen uns ein für die vertiefte Integration in der Gemeinsamen Si- 3300 cherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union (GASP) und 3301 die Stärkung der traditionellen Bindungen, insbesondere der transatlanti- 3302 schen Beziehungen. Gemeinsame Positionen im Rahmen der GASP 3303 sind immer auch Orientierung für die im Weltsicherheitsrat vertretenen 3304 EU-Mitglieder. Gleichzeitig wollen wir die Zusammenarbeit in Sicherheits- 3305 fragen im Rahmen des Weimarer Dreiecks mit Frankreich und Polen 3306 weiter verstärken. Die USA und Kanada, aber auch Wertepartner wie 3307

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Japan und Australien bleiben unsere natürlichen Verbündeten bei der 3308 Lösung globaler Fragen im internationalen Rahmen. b 3309

• Die transatlantischen Beziehungen sind breit und vielfältig. Als strategi- 3310 sches Ziel der transatlantischen Kooperation treiben wir die Verwirkli- 3311 chung einer transatlantischen Freihandelszone voran, um gemeinsame 3312 Wohlstandsgewinne zu erreichen, und, um weltweit deutlich zu machen, 3313 dass die beiden globalen Zentren demokratischer Marktwirtschaft eng ko- 3314 operieren. b 3315

• Die Beziehungen zu den neuen Gestaltungsmächten, die durch ihre 3316 Wirtschaftsdynamik, ihr Streben nach Teilhabe und Wohlstand und ihr 3317 wachsendes politisches Gewicht zu wichtigen Kraftzentren in ihren Re- 3318 gionen aufsteigen, werden wir ausbauen. Dies gilt insbesondere für Län- 3319 der, die unsere demokratischen Werte teilen. Wer gestalten will, muss 3320 gesprächsbereit sein. Diese neuen Kraftzentren zur Übernahme von 3321 Verantwortung zu ermutigen und sie partnerschaftlich in internationale 3322 Strukturen einzubinden ist ein Kerngedanke liberaler Außenpolitik. b 3323

• Neben dem fortgesetzten Engagement in den Vereinten Nationen, der 3324 NATO dem Europarat und der EU werden wir auch die Chancen neuer 3325 Formate wie der G20 verstärkt nutzen. Diese Formate bieten die Chan- 3326 ce, neue Lösungsansätze in die internationale Kooperation einzubringen. 3327 Ihr dauerhafter Erfolg wird von der Verbindlichkeit in der Ergebnisumset- 3328 zung abhängen. Im Zentrum der Reform steht für uns ein Weltsicher- 3329 heitsrat, der die neuen Gewichte in der Welt des 21. Jahrhunderts an- 3330 gemessen widerspiegelt. Deshalb werden wir uns weiterhin für eine 3331 Stärkung und umfassende Reform der Vereinten Nationen einsetzen. 3332 Die Vereinten Nationen sind das Herzstück einer Weltordnung, die auf 3333 Kooperation setzt. Die Verstärkung der parlamentarischen Mitarbeit in 3334 den UN-Prozessen ist anzustreben. Auch die erfolgreiche Stärkung per- 3335 soneller Präsenzen Deutschlands in diesen Institutionen wollen wir fort- 3336 setzen. b 3337

• Wie kaum ein anderes Industrieland ist Deutschland auf Freihandel und 3338 den Zugang zu den weltweiten Rohstoffmärkten angewiesen. Die deut- 3339 sche Außenpolitik wird hierfür weiterhin konsequent eintreten. Hierzu ge- 3340 hören auch strategische Partnerschaften mit wichtigen Rohstoffländern 3341 im Rahmen einer nationalen Rohstoffstrategie und die weitere Verzah- 3342 nung außen-, sicherheits-, entwicklungs- und wirtschaftspolitischer Inter- 3343 essen im Bereich der Außenwirtschaftspolitik. Auf die Einhaltung der 3344 Menschenrechte in den Rohstoffländern legen wir großen Wert. b 3345

• Als gewähltes Mitglied im Weltsicherheitsrat hat Deutschland 2011 und 3346 2012 wichtige Akzente unter anderem beim Schutz von Kindern in be- 3347 waffneten Konflikten, bei aktuellen Krisen in Syrien und im Jemen, bei 3348 der Staatswerdung des Südsudan und bei der Bewältigung der Stabili- 3349 sierung von Afghanistan gesetzt. Wir haben mit dieser sehr erfolgrei- 3350

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chen Arbeit gezeigt, dass Deutschland bereit ist global Verantwortung zu 3351 übernehmen. Auch auf Grundlage dieser Bilanz hat uns die Weltgemein- 3352 schaft für die Jahre 2013-2014 mit einem beeindruckenden Ergebnis in 3353 den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen gewählt. Diesen Vertrau- 3354 ensbeweis gilt es durch eine aktive, werteorientierte und verantwortungs- 3355 volle Menschenrechtspolitik gerecht zu werden. Deutschland wird dar- 3356 über hinaus als Truppensteller und Geber von humanitärer Hilfe und Ent- 3357 wicklungszusammenarbeit im Rahmen der Vereinten Nationen weiterhin 3358 seine globale Verantwortung wahrnehmen. b 3359

• Wir werden auch in Zukunft die demokratischen Kräfte in den Reform- 3360 staaten des Arabischen Frühlings durch Angebote im Bereich Rechts- 3361 staatsaufbau, Marktzugang, Bildung und Arbeit unterstützen. Freiheit, 3362 Menschenrechte und Demokratie sind die Voraussetzung für politische 3363 und auch wirtschaftliche Teilhabe der Menschen und damit für den Er- 3364 folg der Reformkräfte. Wir setzen auf die Unterstützung regionaler Lö- 3365 sungsbemühungen. Regionale Kooperationen zur Bewältigung gemein- 3366 samer Herausforderungen – wie etwa im Kontext der ASEAN-Staaten – 3367 wollen wir stärken und partnerschaftlich an Lösungen mitarbeiten. b 3368

• Das deutsche Engagement im Nahostfriedensprozess werden wir un- 3369 vermindert fortsetzen. Grundlage unserer Politik bleiben das Bekenntnis 3370 zum Existenzrecht Israels und eine ausverhandelte Zweistaatenlösung. b 3371

• Wir setzen uns mit Nachdruck für eine diplomatische Lösung des Kon- 3372 flikts um das iranische Nuklearprogramm entsprechend den Resolutionen 3373 des UN-Sicherheitsrats ein. Eine atomare Bewaffnung des Iran wäre 3374 nicht nur für Israel und die gesamte Region eine Gefahr, sondern für die 3375 ganze Welt. b 3376

• Frieden, Sicherheit und Wohlstand in Europa können wir nur mit Russ- 3377 land dauerhaft gewährleisten. Unsere Kooperation mit Russland ist heute 3378 breit und vielfältig. Niemals zuvor waren unsere Volkswirtschaften und 3379 Gesellschaften so eng miteinander verflochten. Gerade deshalb beob- 3380 achten wir die Einschränkungen von Bürgerrechten durch Regierung 3381 oder Justiz in Russland mit Sorge. Unser Blick für die strategischen 3382 Chancen der Zusammenarbeit mit Russland steht nicht im Widerspruch 3383 zu einem offenen und mitunter auch kritischen Dialog. b 3384

• Deutschland und China wollen die Chancen der Globalisierung gemein- 3385 sam nutzen. Die Frage, wie sich China langfristig in den globalen Ord- 3386 nungsrahmen einbringt, wird immer wichtiger. Wir wollen ein China, das 3387 seine Rolle als verantwortungsvolle Gestaltungsmacht annimmt. Unser 3388 offener Dialog mit China hält auch Meinungsunterschiede aus. Men- 3389 schenrechte sind ein wichtiges Thema unseres regelmäßigen Aus- 3390 tauschs. b 3391

• Deutschland lebt von seiner Offenheit und Vernetzung. Das soll ich sich 3392 auch in einer modernen liberalen Visapolitik ausdrücken. Wir setzen uns 3393

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für die Visafreiheit mit Russland, der Türkei und den östlichen sowie 3394 südlichen Nachbarn der EU ein, sobald sie die dafür erforderlichen Vor- 3395 aussetzungen erfüllen. Liberale Visapolitik in einer zusammenrückenden 3396 Welt muss Nähe gestalten und nicht Trennung verwalten. b 3397

• Gegenüber Weißrussland setzen wir uns für eine europäisch abge- 3398 stimmte Sanktionspolitik gegenüber dem Lukaschenko-Regime und ver- 3399 stärkte Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft ein. Auch in der letzten 3400 Diktatur Europas sollen die Menschen die Chance haben, ihr Land zu ei- 3401 ner freien und toleranten Bürgergesellschaft umzugestalten. b 3402

• Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik leistet als integraler Bestand- 3403 teil unserer Außenpolitik einen unersetzlichen Beitrag für die globale 3404 Völkerverständigung. Wir setzen dabei auf die Zusammenarbeit mit den 3405 bewährten Mittlern wie dem Goethe Institut, den politischen Stiftungen, 3406 Bildungsträgern und Kommunikationsforen, auf Rechtsstaatsdialoge, 3407 Wissenschaftskooperationen im Rahmen eines vernetzten Ansatzes so- 3408 wie den Ausbau der positiven Eigendarstellung Deutschlands im Aus- 3409 land. Der Netzwerkgedanke muss dabei noch stärker in die Arbeit der 3410 Mittler einfließen. Gleichzeitig wollen wir den Austausch von Wissen- 3411 schaftlern und hochqualifizierten Experten noch weiter verstärken und 3412 uns weltweit als die offene und tolerante Bürgergesellschaft präsentie- 3413 ren, die wir sind. b 3414

2. Menschenrechte sind das Fundament einer frei- 3415

en Gesellschaft 3416

Menschenrechte sind das Fundament für die demokratische, wirtschaftliche 3417 und kulturelle Entwicklung eines Landes. Nur wo Menschen in Freiheit leben 3418 können, kann es auf Dauer Hoffnung, Fortschritt und Wohlstand geben. Wir 3419 betrachten Menschenrechtspolitik als Querschnittsaufgabe, die alle Politikberei- 3420 che berührt und Kern liberaler Außen- und Entwicklungspolitik ist. 3421

Die Einhaltung und Stärkung der Menschenrechte in Deutschland, Europa 3422 und weltweit ist Kernanliegen unserer Politik. Wir richten unsere Entwicklungs- 3423 zusammenarbeit an diesem Ziel aus. Finanzielle Zuwendungen für bestimmte 3424 Länder werden seither konsequent an die Einhaltung menschenrechtspoliti- 3425 scher Bedingungen geknüpft. Wir haben durchgesetzt, dass der Zugang zu 3426 sauberem Trinkwasser und Sanitäranlagen von den Vereinten Nationen als 3427 Menschenrecht anerkannt wird. Wir haben Strafbarkeitslücken im internationa- 3428 len Recht geschlossen und den Internationalen Strafgerichtshof gestärkt. Wir 3429 sind engagiert für die Menschenrechte sexueller Minderheiten eingetreten. 3430 Erstmals haben das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium Men- 3431 schenrechtsprojekte für Homosexuelle im Ausland finanziert. Die Budgethilfe 3432 wurde für Staaten gestrichen, die Strafgesetze gegen Homosexualität ver- 3433

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schärfen. Asylbewerber, die in ihren Heimatländern mit entsprechenden Stra- 3434 fen rechnen müssen, werden nicht mehr abgeschoben. Und wir treten ein für 3435 die freie Ausübung der Religion und setzen uns ein gegen die Verfolgung von 3436 Christen auf der Welt. 3437

Die Universalität der Menschenrechte bleibt Garant für gesellschaftlichen 3438 Frieden, persönliche Freiheit, Sicherheit und wirtschaftlichen Erfolg. Sie zu 3439 stärken – in Deutschland, Europa und weltweit – ist unser Ziel. 3440

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 3441

• Wir treten gegen eine kulturelle Relativierung des Menschenrechtsbe- 3442 griffs und für die effektive Durchsetzung von rechtsstaatlichem Handeln 3443 in den internationalen Beziehungen ein. b 3444

• Wir wenden uns gegen jegliche Diskriminierung aufgrund von Religion, 3445 ethnischer Herkunft, Geschlecht, Behinderung, Alter oder sexueller Ori- 3446 entierung. Die Unterdrückung oder der Angriff auf andere Menschen und 3447 einzelne Bevölkerungsgruppen sind stets Angriffe auf die Freiheit der 3448 ganzen Gesellschaft. b 3449

• Wir werden weiterhin entschlossen der Diskriminierung von Homosexu- 3450 ellen, Trans-identen und Intersexuellen in der Außen- und Entwicklungs- 3451 politik entgegentreten und die begonnene Politik in diesem Bereich fort- 3452 setzen. b 3453

• Freie Meinungsbildung ist die Grundlage von selbstbestimmtem Han- 3454 deln und bürgerschaftlicher Partizipation, sie ist ein grundlegendes Men- 3455 schenrecht. Wir treten ein für Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit 3456 und die Freiheit der Presse. b 3457

• Wir setzen uns für die uneingeschränkte körperliche und geistige Un- 3458 versehrtheit der Menschen ein. Deshalb engagieren wir uns mit allem 3459 Nachdruck für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe und Folter. Bei 3460 der Bekämpfung des internationalen Terrorismus heiligt der Zweck nicht 3461 die Mittel; sie darf nicht mit einer Einschränkung menschenrechtlicher 3462 Standards einhergehen. Wir wenden uns daher gegen jegliche Versu- 3463 che, im Namen von Terrorismusbekämpfung fundamentale Menschen- 3464 rechte einzuschränken. b 3465

• Wir treten für die weltweite Ächtung von Menschenhandel, Kinderar- 3466 beit, Zwangsarbeit, Zwangsprostitution und den Einsatz von Kindersolda- 3467 ten ein. Denn körperliche Unversehrtheit ist ein fundamentales Men- 3468 schenrecht. Durch weibliche Genitalverstümmelung wird in dieses Men- 3469 schenrecht von Frauen und Mädchen auf grausamste Weise eingegrif- 3470 fen. Wir treten für eine explizite Strafbarkeit dieses Verbrechens ein, da- 3471 mit ein deutliches Signal ausgeht, wie verabscheuungswürdig dieses 3472 Verbrechen ist. b 3473

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• Wir streben eine Ratifizierung des Übereinkommens des Europarates 3474 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusli- 3475 che Gewalt an, um betroffenen Frauen einen verbesserten Opferschutz 3476 zu bieten. Mit Ratifizierung des zweiten Zusatzprotokolls zum Pakt der 3477 Vereinten Nationen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte 3478 wollen wir Einzelpersonen nach Ausschöpfung des nationalen Rechts- 3479 weges die Möglichkeit geben, auf diesem Weg ihre persönlichen Rechte 3480 vor einem internationalen Gremium einzuklagen. b 3481

• Der Zugang zu sauberem Trinkwasser und zu sanitären Einrichtungen 3482 ist eine wesentliche Voraussetzung für die Gesundheit der Menschen 3483 und für deren Ernährungssicherheit. Deshalb setzen wir uns für eine 3484 bessere Geltung des Menschenrechts auf Trinkwasser und sanitäre 3485 Grundversorgung ein und unterstützen entsprechende Initiativen auf 3486 Ebene der Vereinten Nationen. b 3487

• Wir wollen eine weitere Stärkung der internationalen Strafgerichtsbar- 3488 keit – wie zum Beispiel des Internationalen Strafgerichtshofs. Unter dem 3489 Dach der Vereinten Nationen wollen wir den völkerrechtlichen Begriff der 3490 Schutzverantwortung ausdifferenzieren und weiter entwickeln. Dabei soll 3491 unter den Säulen „to prevent, to react und to rebuild“ der Stärkung der 3492 Prävention besondere Bedeutung zukommen. b 3493

• Mit dem Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention 3494 schließen wir eine Lücke beim Schutz der Menschenrechte in Europa. 3495 Wir werden für eine zügige Umsetzung des Beitrittsabkommens eintre- 3496 ten. Die Charta der Grundrechte und die Menschenrechtskonvention der 3497 Europäischen Union müssen in allen EU-Mitgliedstaaten ungeachtet der 3498 politischen Couleur der jeweiligen nationalen Regierung geachtet wer- 3499 den. b 3500

• Wir bekennen uns zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte 3501 und unterstützen aktiv seine Reform. Dabei möchten wir an unsere Er- 3502 folge der Reformkonferenz von Brighton anknüpfen und werden uns für 3503 eine schnelle Umsetzung der Reformvorschläge einsetzen. b 3504

• Wir wollen einen solidarischen Beitrag dafür leisten, dass Europa in der 3505 Welt ein sicherer Zufluchtsort für politisch Verfolgte ist. Deswegen set- 3506 zen wir uns für eine europaweite menschenwürdige Regelung des 3507 Grundrechts auf Asyl ein. Ziel darf dabei nicht der kleinste gemeinsame 3508 Nenner sein. Wir wollen in Deutschland voran gehen und die Arbeitser- 3509 laubnispflicht von Asylbewerbern ebenso abschaffen wie die Residenz- 3510 pflicht für Flüchtlinge. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sollen erst 3511 ab 18 Jahren als verfahrensmündig angesehen werden. Bei der Aufnah- 3512 me von Flüchtlingen sind deren Notlage und Bedürftigkeit entscheidend 3513 und nicht die Religionszugehörigkeit. Wir dringen darauf, dass es bei der 3514 Rückführung von abgelehnten Bewerbern in andere EU-Länder eindeuti- 3515 ge und gemeinsame Bestimmungen über sichere Drittstaaten gibt. b 3516

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• Nach langen 18 Jahren hat Deutschland seine Vorbehalte gegen die 3517 Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen endlich zurückgenom- 3518 men. Damit steht die Rechtsanwendung unter neuen Vorzeichen. Wir 3519 wollen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge das Kindeswohl stärker 3520 berücksichtigen und dazu gesetzliche Regelungen überarbeiten, bei- 3521 spielsweise die Bestimmungen zur Einreise beziehungsweise Familien- 3522 zusammenführung. b 3523

• In Deutschland wollen wir die Verbesserung der Rechte für die Opfer 3524 von Frauen- und Menschenhandel, die Situation von Menschen ohne 3525 Aufenthaltsstatus im Bereich Gesundheit und faire Entlohnung schnell 3526 und eingehend überprüfen. b 3527

3. Freiheit schützen, Chancen schaffen – liberale 3528

Sicherheitspolitik 3529

Bedrohungen für Frieden, Freiheit und Sicherheit lassen sich in einer zuneh- 3530 mend globalisierten Welt immer weniger regional eingrenzen und in Kategori- 3531 en von Staatlichkeit fassen. Globale Terrornetzwerke, organisierte Kriminalität, 3532 lokale und regionale Konflikte mit globalen Auswirkungen, Ausbreitung von 3533 Wüsten, Mangel an sauberem Trinkwasser, Hungersnöte und extreme Klima- 3534 veränderungen — all diesen globalen Herausforderungen können wir nur glo- 3535 bal und vernetzt begegnen. 3536

Wir haben alle relevanten Ressorts der deutschen Außenpolitik im Rahmen 3537 eines vernetzten Ansatzes stärker koordiniert als es jemals der Fall war. Wir 3538 halten an der deutschen Sicherheitspolitik und an der Kultur der militärischen 3539 Zurückhaltung fest. Und wir haben den Fokus einerseits auf die Abrüstung so- 3540 wie andererseits auf eine vorrangig zivil ausgerichtete Präventionspolitik ge- 3541 legt. Wo es dennoch nötig ist, machen sich unsere Soldaten um den Frieden 3542 weltweit verdient. Unseren Soldaten in Afghanistan konnten wir durch einen 3543 erfolgreichen Strategiewechsel, hin zu stärkerer Vernetzung von politischen, 3544 entwicklungspolitischen und militärischen Ansätzen, eine realistische Abzugs- 3545 perspektive für 2014 eröffnen. Die Übergabe der Verantwortung in Afghanis- 3546 tan läuft. Der Abzug deutscher Kampftruppen hat begonnen. Auch nach dem 3547 vollständigen Abzug deutscher Kampftruppen aus Afghanistan werden wir das 3548 Land nicht im Stich lassen. 3549

Unfreiheit, Armut und Chancenlosigkeit kann Nährboden für politischen und 3550 religiösen Extremismus sein und zur Ursache für Konflikte werden. Indem wir 3551 weltweit mehr Menschen mehr Chancen für das eigene Leben eröffnen, tra- 3552 gen wir dazu bei, Konflikte an der Wurzel zu bekämpfen, und nicht deren 3553 Symptome. Indem mehr Menschen weltweit mehr Chancen ergreifen, leisten 3554 wir gemeinsam einen Beitrag zu mehr Stabilität und zu dauerhaftem Frieden. 3555

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Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 3556

• Die Bundeswehr ist und bleibt eine Parlamentsarmee. Vor Beginn von 3557 Einsätzen in Krisengebieten müssen die politischen Ziele und Zeitlinien 3558 sowie eine Exit-Strategie klar formuliert sein. Diese sind für die Dauer 3559 des Einsatzes fortzuschreiben. b 3560

• Mit der Aussetzung der Wehrpflicht und dem damit verbundenen Um- 3561 bau der Bundeswehr zu einer Freiwilligenarmee haben wir echte Meilen- 3562 steine bezüglich des Aufbaus und der inneren Verfasstheit der Bundes- 3563 wehr gesetzt. Gleichzeitig setzen wir uns dafür ein, dass die bedeutende 3564 Arbeit der Bundeswehr Anerkennung in der Öffentlichkeit erfährt. Die 3565 Wertschätzung des anspruchsvollen und gefährlichen Dienstes unserer 3566 Soldaten ist gerade für eine Armee im Einsatz von überragender Bedeu- 3567 tung. Die notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung wollen wir unter an- 3568 derem durch eine entsprechende Repräsentanz in der Fläche erreichen. b 3569

• Wir wollen die Attraktivität des Dienstes weiter steigern. Die Gehaltshö- 3570 he, die Qualität der Infrastruktur, Weiterbildungsmöglichkeiten, Verset- 3571 zungshäufigkeit, die Versorgung im Falle der Verwundung sowie die 3572 Vereinbarkeit von Dienst und Familie sind dabei wesentliche Faktoren. b 3573

• Die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr muss durch eine entsprechende 3574 Finanzierung sicher gestellt sein. Auslandseinsätze dürfen dabei nicht 3575 zu Lasten des laufenden Etats des Verteidigungsministeriums gehen. b 3576

• Die NATO bleibt auch in Zukunft stärkster Anker unserer gemeinsamen 3577 Sicherheitspolitik. Sie selbst, aber auch die anderen bedeutenden inter- 3578 nationalen Friedens- und Sicherheitsorganisationen (UNO, OSZE, Euro- 3579 parat, EU) müssen in ihrer Handlungsfähigkeit fortlaufend gestärkt wer- 3580 den. Gleichzeitig werden wir uns für die Etablierung allgemein anerkann- 3581 ter Normen und Regeln im internationalen System und für eine noch in- 3582 tensivere Kooperation im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspoli- 3583 tik einsetzen. Durch Schaffung gemeinsamer Strukturen sollen langfristig 3584 die Voraussetzungen für europäische Streitkräfte unter parlamentarischer 3585 Kontrolle geschaffen werden. Dazu muss ein gemeinsames sicherheits- 3586 politisches Verständnis geschaffen und ein Ausgleich rüstungspolitischer 3587 Interessen herbeigeführt werden. b 3588

• Wir wollen eine nationale Sicherheitsstrategie als Beitrag zu einer 3589 EU-Sicherheitsstrategie entwickeln und diese regelmäßig fortschreiben. 3590 Denn nur durch die Formulierung und regelmäßige öffentliche Diskussion 3591 einer solchen Strategie kann es gelingen, in einer breiten Öffentlichkeit 3592 Bewusstsein und Verständnis für sicherheitspolitische Themen zu schaf- 3593 fen. In einer offenen und toleranten Bürgergesellschaft muss Sicherheits- 3594 politik mehr sein als ein Thema für wenige Spezialisten. Dabei gilt es, 3595 den politischen Auftrag der Bundeswehr stets klar zu formulieren und ei- 3596 ne entsprechende Struktur und Rechtssicherheit für die Streitkräfte ab- 3597

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zuleiten. Dabei muss der Schutz der territorialen Integrität Deutschlands 3598 als Auftrag und die Trennung der Zuständigkeiten von Bundeswehr und 3599 Polizei erhalten bleiben. Wir setzen uns für eine zeitnahe und vertrauli- 3600 che Information des Bundestages über Rüstungsexporte ein – vergleich- 3601 bar dem Verfahren zur Kontrolle der Geheimdienste. b 3602

• Im Rahmen der zivilen Krisenprävention und beim Wiederaufbau staatli- 3603 cher Strukturen nach einer Krise legen wir einen Schwerpunkt auf die 3604 Stärkung des Aufbaus von zivilen Fähigkeiten (Verwaltung, Justiz, Poli- 3605 zei). Darüber hinaus sollten die Instrumente der Entwicklungszusammen- 3606 arbeit, der Aufbau wirtschaftlicher Partnerschaften, die polizeiliche und 3607 rechtsstaatliche Zusammenarbeit sowie die Förderung grenzüberschrei- 3608 tender Zusammenarbeit zur Konflikt- und Krisenprävention im Sinne ei- 3609 nes kohärenten Politikansatzes gestärkt werden. b 3610

• Unser Ziel ist die Stärkung der nuklearen, radiologischen, chemischen 3611 und biologischen sowie konventionellen Kontroll- und Nichtverbreitungs- 3612 regime. Die universelle Anwendung der internationalen Vertragsregime 3613 und Verhaltenskodizes ist unser erklärtes Ziel. Speziell im Rahmen der 3614 nuklearen Rüstungskontrolle setzen wir uns konsequent für eine umfas- 3615 sende Stärkung des nuklearen Nichtverbreitungsvertrages und für ein In- 3616 krafttreten des Teststoppvertrages ein. Darüber hinaus wollen wir aber 3617 auch neue Wege gehen, um über die bisherigen Konventionen hinaus 3618 die weltweite Abrüstung voranzutreiben und zum Beispiel aktiv für den 3619 Beitritt von Nichtvertragsstaaten zum Biowaffen- sowie dem Chemiewaf- 3620 fenverbotsübereinkommen werben. An dem Ziel eines Abzugs taktischer 3621 Nuklearwaffen aus Europa halten wir fest. b 3622

• Die von uns eingeleitete Übergabe in Verantwortung an die Regierung 3623 Afghanistans und den Abzug der Kampftruppen für 2014 werden wir 3624 fortsetzen. Auch über dieses Datum hinaus werden wir die Menschen in 3625 Afghanistan beim Aufbau des Landes im Rahmen der Entwicklungszu- 3626 sammenarbeit wirksam unterstützen. b 3627

4. Partnerschaftlich Verantwortung übernehmen — 3628

weltweite Entwicklungszusammenarbeit 3629

Wir arbeiten dafür, dass mehr Menschen auf der Welt in Freiheit leben kön- 3630 nen und mehr Chancen bekommen, sich zu entfalten. Wir wissen: Wer heute 3631 nicht weiß, wovon er morgen leben soll, der ist nicht frei. Weil wir auf die 3632 Stärke dieser Menschen vertrauen, unterstützen wir sie dabei, ihre Situation 3633 aus eigener Kraft zu verbessern. Denn die Freiheit des Einzelnen und die 3634 Verantwortung für andere gehören für uns untrennbar zusammen. Entwick- 3635 lungspolitik ist auch Friedens- und Sicherheitspolitik. Sie arbeitet auf die Stabi- 3636 lisierung fragiler Länder und Regionen hin, wirkt präventiv gegen Konflikte und 3637 hilft damit auch, dass Menschen nicht aus ihrer Heimat vertrieben werden. 3638

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Um unsere Entwicklungszusammenarbeit nach diesem Grundsatz auszurich- 3639 ten, haben wir die größte Reform in der Geschichte der deutschen Entwick- 3640 lungszusammenarbeit ins Werk gesetzt. Durch die Zusammenfassung der 3641 „Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit“, des „Deutschen 3642 Entwicklungsdienstes“ und der „Internationale Weiterbildung und Entwicklung“ 3643 zur „Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ haben wir die 3644 Entwicklungszusammenarbeit schlagkräftiger gemacht. 3645

Darauf wollen wir uns aber nicht ausruhen. Wir arbeiten weiter für effiziente- 3646 re Strukturen in der Entwicklungszusammenarbeit, damit jeder Euro maximale 3647 Wirkung erzielt. Mit dem unabhängigen Evaluierungsinstitut der deutschen 3648 Entwicklungszusammenarbeit haben wir im November 2012 den Schlussstein 3649 zu dieser Reform gesetzt. Von nun an stellt sich die deutsche Entwicklungspo- 3650 litik erstmals einer wissenschaftlich fundierten, unabhängigen Begutachtung ih- 3651 rer Aktivitäten, um aus den Erfahrungen ihrer Arbeit nachhaltig zu lernen. Da- 3652 durch haben wir die Schlagkraft der deutschen Entwicklungszusammenarbeit 3653 erheblich gestärkt und den zielgenauen Einsatz finanzieller Mittel ermöglicht. 3654 Wirksamkeit und Effizienz in der Entwicklungszusammenarbeit sind im Sinne 3655 der deutschen Steuerzahler wie auch unserer internationalen Partner. 3656

Wir haben die staatliche Entwicklungszusammenarbeit für China und die Tür- 3657 kei eingestellt und legen Schwerpunkte in der Entwicklungszusammenarbeit 3658 auf 50 Länder, statt auf über 120. Wir haben unsere Kooperation stärker an 3659 der Einhaltung von Menschenrechten und guter Regierungsführung ausgerich- 3660 tet und wir haben die Zusammenarbeit mit fragilen Staaten als Friedensinves- 3661 tition gestärkt. Trotz Eurokrise und erfolgreicher Haushaltskonsolidierung 3662 konnten wir die Entwicklungsleistungen seit 2009 um fast zwei Milliarden Euro 3663 auf rund zehn Milliarden Euro steigern – Deutschland ist nun nach den USA 3664 der weltweit größte Geber. 3665

Liberale Entwicklungspolitik stellt den einzelnen Menschen mit seinen Fähig- 3666 keiten und Bedürfnissen in den Mittelpunkt. Für uns ist Entwicklungszusam- 3667 menarbeit keine mildtätige Hilfe, sondern eine Investition in eine bessere Zu- 3668 kunft für die Menschen in unseren Kooperationsländern und in Deutschland. 3669 Liberale Entwicklungspolitik ist zugleich werte- und interessenorientiert und 3670 möchte das klassische Geber-Nehmer-Verhältnis durch eine Partnerschaft auf 3671 Augenhöhe ersetzen. Wir wollen die Entwicklungsländer nicht versorgen, son- 3672 dern wir wollen sie ertüchtigen, eigenverantwortlich für sich selbst zu sorgen 3673 und vorzusorgen. Dadurch schaffen wir Lebenschancen für mehr Menschen 3674 — für eine bessere, freiere und friedlichere Zukunft. 3675

Dafür treten wir ein. Dafür treten wir an. 3676

• Liberale Entwicklungspolitik dient dem Ziel, weltweit Freiheit zu stärken 3677 und allen Menschen ein Leben in Würde, Eigenverantwortung und 3678

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Selbstbestimmung zu ermöglichen. Armut ist Unfreiheit. Die Beseitigung 3679 der Ursachen von Armut steht deshalb im Mittelpunkt unserer Entwick- 3680 lungszusammenarbeit. b 3681

• Die Wahrung der Menschenrechte ist und bleibt für Liberale vorrangig. 3682 Das haben wir mit der Einführung einer verbindlichen Menschen- 3683 rechts-Kontrolle für Entwicklungsprojekte unter Beweis gestellt. Dieses 3684 Instrument wollen wir in Zukunft konsequent weiter anwenden: Deutsch- 3685 land fördert, aber wir fordern auch – mehr Rechtsstaat, mehr Demokra- 3686 tie, mehr Marktwirtschaft und mehr Eigenverantwortung. b 3687

• Liberale Entwicklungspolitik setzt auf einen Dreiklang aus Staat, Wirt- 3688 schaft und Zivilgesellschaft. Der Staat allein wird die Entwicklungsher- 3689 ausforderungen der Zukunft nicht bewältigen können. Das gilt auch für 3690 die Entwicklungsfinanzierung. Die deutsche Entwicklungspolitik muss 3691 deshalb die Rahmenbedingungen so setzen, dass mehr private Investi- 3692 tionen und mehr zivilgesellschaftliches Engagement ermöglicht werden. 3693 Gemeinsam mit dem Privatsektor wollen wir weiter innovative Finanzie- 3694 rungsinstrumente entwickeln und umsetzen. b 3695

• Das Engagement der deutschen Wirtschaft ist eine Chance für unsere 3696 Kooperationsländer. Diese Zusammenarbeit wollen wir deshalb weiter 3697 ausbauen und insbesondere den deutschen Mittelstand weiter als Part- 3698 ner der Entwicklungszusammenarbeit gewinnen. b 3699

• Für uns steht die Wirksamkeit der Entwicklungspolitik an erster Stelle. 3700 Wir bekennen uns zu den eingegangenen internationalen Vereinbarun- 3701 gen. Gleichzeitig muss die Bewertung der öffentlichen Ausgaben zur 3702 Entwicklungszusammenarbeit (ODA-Quote) nicht nur nach Quantitätsge- 3703 sichtspunkten bewertet werden, sondern auch nach qualitativen Kriterien. 3704 Trotz unserer Erfolge bei der Steigerung des Entwicklungsetats ist nicht 3705 entscheidend wie viel Geld ausgegeben wird – sondern wie wirksam die 3706 Maßnahmen sind. b 3707

• Wir setzen in der Entwicklungszusammenarbeit bewusst auf das breite 3708 zivilgesellschaftliche Engagement aus der Mitte der Gesellschaft. Des- 3709 halb haben wir die Mittel für Nichtregierungsorganisationen, für die Kir- 3710 chen und Stiftungen erhöht. Wir haben den Dschungel der Förderpro- 3711 gramme gelichtet und eine einzige Anlaufstelle für alle Menschen ge- 3712 schaffen, die sich in der Entwicklungszusammenarbeit engagieren möch- 3713 ten. Mit diesen Reformen möchten wir in den nächsten Jahren die Zahl 3714 der Engagierten in Deutschland verdoppeln. b 3715

• Liberale Entwicklungspolitik reagiert konsequent auf die globalen Macht- 3716 verschiebungen. Das heißt: Mit aufstrebenden Schwellenländern muss 3717 die klassische armutsorientierte Entwicklungszusammenarbeit beendet 3718 und in eine neue Form der Kooperation überführt werden. Mit China sind 3719 wir diesen Schritt bereits 2010 gegangen und führen den Dialog auf Au- 3720 genhöhe vor allem im Bereich Rechtsstaatlichkeit fort. b 3721

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• Mit den Millennium-Entwicklungszielen ist es der Welt gelungen, sich 3722 erstmals auf ein gemeinsames Zielsystem festzulegen. Allerdings weist 3723 dieses Zielsystem Defizite auf. Die Weltagenda nach 2015 muss das 3724 Nebeneinander verschiedener Ziele überwinden und der engen Ver- 3725 schränkung der Herausforderungen gerecht werden. Es sollen gemein- 3726 same aber differenzierte Verpflichtungen für Entwicklungs-, Schwellen- 3727 und Industrieländer vereinbart werden. b 3728

• Innerhalb der europäischen Entwicklungspolitik setzen wir uns weiter 3729 für eine Reform der allgemeinen Budgethilfe ein. Wir wollen in Zukunft 3730 die Kriterien für Budgethilfe weiter verschärfen, um eine blinde Subven- 3731 tionierung von korrupten Regierungen zu verhindern. Die EU soll dar- 3732 über hinaus in ihrer Rolle der Geberkoordinierung gestärkt werden. Eine 3733 Vergemeinschaftung der Entwicklungspolitik lehnen wir jedoch ab. Der 3734 Europäische Entwicklungsfonds muss zusätzlich in den EU-Haushalt in- 3735 tegriert werden, um die fehlende parlamentarische Kontrolle herzustel- 3736 len. b 3737

• Zu oft wird Afrika ausschließlich auf Katastrophen, Hunger und Armut 3738 reduziert. Wir sehen in Afrika zuallererst einen Chancenkontinent mit 3739 jungen, leistungsstarken Gesellschaften. Schon heute entstehen in Afri- 3740 ka wichtige Innovationen, das Wirtschaftswachstum übertrifft in vielen 3741 Staaten das europäische Niveau bei weitem. Liberale Entwicklungspolitik 3742 setzt auf dieses Potential und möchte die Innovationskraft Afrikas beför- 3743 dern. Wir wollen gleichzeitig das viel zu negative Afrika-Bild in Deutsch- 3744 land korrigieren und die entwicklungspolitische Bildungsarbeit entspre- 3745 chend neu ausrichten. b 3746

• Unsere Politik der Freiheitsförderung setzt darauf, den gleichberechtig- 3747 ten Zugang aller Menschen zu wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und po- 3748 litischer Teilhabe zu unterstützen. Wir werden uns auch in Zukunft be- 3749 sonders für die Menschen in unseren Kooperationsländern einsetzen, 3750 die von Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt betroffen sind. Ethni- 3751 sche und gesellschaftliche Minderheiten wie Menschen mit Behinderun- 3752 gen sowie Schwule und Lesben bedürfen unserer besonderen Unterstüt- 3753 zung. b 3754

Begründung:

Erfolgt mündlich.

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Antrag 100

Betr.: Ungarn muss Rechtsstaat bleiben - EU und Europarat müssen reagieren

Antragsteller: Bezirksverband Hamburg-Nord

Der Bundesparteitag möge beschließen:

1. Die FDP kritisiert die vom ungarischen Parlament beschlossene Einschrän- 1 kung der Rechte des ungarischen Verfassungsgerichts. Eine Beschränkung 2 der Prüfungskompetenz des Verfassungsgerichts auf formale Fehler im Ge- 3 setzgebungsverfahren ist mit rechtstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar. 4

2. Die FDP fordert die Europäische Union und den Europarat auf, darauf hin- 5 zuwirken, dass das ungarische Parlament die vollen Rechte des Verfassungs- 6 gerichts wiederherstellt. Sollte das ungarische Parlament den Forderungen 7 von EU und Europarat nicht nachkommen, so fordert die FDP, Sanktionen ge- 8 gen Ungarn zu verhängen, bis die Rechte des Verfassungsgerichts in vollem 9 Umfang wiederhergestellt sind. Als höchste Eskalationsstufe ist dabei die Sus- 10 pendierung der Mitgliedschaft Ungarns in EU und Europarat in Betracht zu 11 ziehen. 12

3. Die FDP fordert die Mitglieder der FDP im Europaparlament und in der 13 Parlamentarischen Versammlung des Europarates auf, sich dafür einzusetzen, 14 dass umgehend Gespräche mit der Regierung Ungarns aufgenommen wer- 15 den, um deutlich zu machen, dass die Einschränkung der Rechte des ungari- 16 schen Verfassungsgerichts von EU und Europarat nicht hingenommen wer- 17 den. Sollten diese Gespräche nicht zu einem Einlenken des ungarischen Par- 18 laments führen, so sollen die FDP-Mitglieder im Europarat und der Parlamen- 19 tarischen Versammlung des Europarats sich für die Verhängung von Sanktio- 20 nen gegen Ungarn einsetzen. Gleiches gilt für die der FDP angehörenden Mi- 21 nister – vor allem Guido Westerwelle als Außenminister und Sabine Leutheus- 22 ser-Schnarrenberger als Justizministerin – im Rahmen der Beratungen mit ih- 23 ren europäischen Amtskollegen. 24

Begründung:

Das ungarische Parlament hat im März eine weitreichende Einschränkung der Rechte des ungarischen Verfassungsgerichts beschlossen. Insbesondere soll dieses Verfassungsänderungen lediglich noch auf formale Fehler im Gesetzgebungsverfahren

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aber nicht mehr auf inhaltliche Vereinbarung mit der Verfassung und ihren Grundsätzen prüfen dürfen. Gleichzeitig hat das ungarische Parlament mehrere einfachgesetzliche Regelungen, die zuvor vom Verfassungsgericht beanstandet worden waren, mit Verfassungsrang ausgestattet, um sie so der gerichtlichen Überprüfung zu entziehen. Die Beschränkung der Prüfungskompetenz des Verfassungsgerichts auf Formfragen ist ein erheblicher Eingriff in rechtsstaatliche Grundsätze und verschiebt die Gewaltenteilung einseitig zugunsten des Parlaments weg von der Judikative. Eine Überprüfung parlamentarischer Akte ist damit nur noch sehr begrenzt möglich. Eine solche Regelung ist aus liberaler Sicht weder mit den Grundsätzen der Europäischen Union noch mit denen des Europarates zu vereinbaren. Da Europa sich als Wertegemeinschaft versteht, muss auf Staaten, die Grundwerte dieser Gemeinschaft verletzen, entsprechender Druck ausgeübt werden, damit sie zu den vereinbarten Grundsätzen - hier die Sicherung rechtsstaatlicher Zustände im eigenen Land - zurückkehren.

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Antrag 101

Betr.: Afghanische Ortskräfte geordnet aufnehmen

Antragsteller: Bezirksverband Neckar-Alb

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Die FDP fordert die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag dazu auf und 1 setzt sich in der Bundesregierung dafür ein, ein Verfahren zum Umgang mit 2 den Ortskräften der Bundeswehr und anderer im direkten deutschen Auftrag 3 handelnder Akteure zu schaffen. Es gilt ein einfaches, nachvollziehbares Ver- 4 fahren insbesondere für bedrohte Ortsmitarbeiter zu schaffen, das auch eine 5 klare Regelung für die Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland beinhal- 6 tet. 7

Begründung:

Die Ortskräfte sind afghanische Mitarbeiter, die für Bundeswehr, die GIZ, die politischen Stiftungen und ähnliche Organisationen als Dolmetscher, Büromitarbeiter, Fahrer etc. arbeiten. Insbesondere die Mitarbeiter der Bundeswehr dienen dem deutschen Staat seit Jahren und gehen persönlich hohe Risiken für Gesundheit und Leben ein.

Ein Teil dieser Mitarbeiter ist durch den Abzug der Bundeswehr direkt bedroht, sowohl was das eigene Leben als auch die Unversehrtheit der direkten Familienangehörigen angeht. Es ist daher eine Frage des Anstands, diesem Personenkreis Schutz und Hilfe zu gewähren. Dabei sollte gelten: Personen, mit denen man jahrelang vertrauensvoll zusammengearbeitet hat, ist auch ohne schwer zu erbringende, geeignete Nachweise zu glauben, wenn sie eine Bedrohung für sich und ihre Familien erkennen.

Ein geeignetes Verfahren zur großzügigen Unterstützung der betroffenen Personen liegt im deutschen Interesse. Diese Personen werden für den Wiederaufbau benötigt. Allerdings werden sie diese Aufgabe nur erfüllen können, wenn sie trotz der Bedrohung vor Ort wirken können. Es sollte daher über Angebote für die Angehörigen nachgedacht werden. Personen, die der Bundesrepublik Deutschland treu gedient haben, verdienen angemessen behandelt zu werden.

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Antrag 102

Betr.: Einführung einer zwingenden Insolvenzordnung

Antragsteller: Kreisverbände Schaumburg, Göttingen, Harburg-Land, Hameln-Pyrmont, Marburg-Biedenkopf, Gütersloh

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Die FDP fordert die Bundesregierung auf, sich auf europäischer Ebene für 1 die Einführung einer zwingenden Insolvenzordnung für solche Euro-Staaten 2 einzusetzen, die sich nach Bei-tritt dem „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ nicht 3 verpflichtet fühlen und /oder sich im Gegen-zug für Hilfen ihrer Europartner 4 aus ESM, EFSF oder sonstigen EU-Rettungsplänen zu ei-nem makroökonomi- 5 schen Anpassungsprogramm verpflichtet haben, jedoch wiederholt ge-gen die 6 damit verbundenen Auflagen verstoßen. Daher wer-den die Bundestagsfrakti- 7 on der FDP und die Mitglieder der Bundesregierung aufgefordert, in Brüs-sel 8 eine entsprechende Gesetzesinitiative zur Erweiterung bzw. Veränderung des 9 EU-Vertrages einzubringen. 10

Begründung:

Da Dr. Philipp Rösler bereits 2011 ein „geordnetes Insolvenzverfahren“ für faktisch insolvente Staaten - seinerzeit Griechenland - gefordert hat und sich derzeit die finanzielle Situation in einigen Staaten deutlich verschlechtert, erscheint es dringend notwendig diese Überlegungen jetzt zu konkretisieren und zum Bestandteil des EU-Vertragswerkes zu machen.

Wir Liberale begreifen Europa als eine Verantwortungsgemeinschaft. Europa muss sich stets weiterentwickeln, insbesondere jetzt hinsichtlich der Einhaltung von Voraussetzungen und Auflagen, wenn EU-Mitgliedsstaaten die gemeinsame Euro-Währung eingegangen sind. Für uns stehen alle Mitglieder ungeachtet ihrer Größe oder ihres wirtschaftlichen bzw. politischen Gewichts als freie und souveräne Staaten auf gleicher Augenhöhe. Davon sind für uns auch solche Staaten nicht ausgenommen, die zur Abwendung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit auf Notkredite oder Bürgschaften ihrer Euro-Partner angewiesen sind. Eine solche Verantwortungsgemeinschaft gleichberechtigter und souveräner Partner setzt jedoch voraus, dass jedes Mitglied für sein Handeln oder sein Unterlassen grundsätzlich selbst haftet. Handeln und Haftung gehören in eine Hand! Die FDP wirbt in ihrem Bürgerprogramm 2013 dafür, dass Europa nur eine Zukunft als

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Verantwortungsgemeinschaft hat, in der jeder für sein Handeln haftet (vgl. S. 66). Deshalb müssen die bestehenden Stabilisierungsinstrumente durch eine zwingende Insolvenzordnung ergänzt werden, damit Staaten bzw. Regierungen, die sich bewusst ihrer Verantwortung für die Gemeinschaft verweigern, für ihr gemeinschaftsschädigendes Verhalten allein die Konsequenzen tragen. Staaten, die zwar die finanzielle Solidarität ihrer Partner in Anspruch nehmen, dann aber die im Gegenzug zugesagten makroökonomischen Reformen verschleppen oder nur unzureichend umsetzen, müssen in eine geordnete Staatsinsolvenz geschickt werden können. Andernfalls würde eine Regierung die Haftung für ihr Fehlverhalten nicht ausschließlich selbst tragen müssen, sondern zumindest partiell auf die Steuerzahler der Partnerländer abwälzen können. Das vermindert ganz erheblich die Reformbereitschaft auf der einen und die Bereitschaft zur Solidarität auf der anderen Seite. Zudem machen sich alle Partner einer Gemeinschaft erpressbar, die es ihren Mitgliedern nicht erlauben „Dauersünder“ auszuschließen. Wenn ein EU-Mitgliedsstaat dem Euro-Gebiet durch Beschluss der Europäischen Gemeinschaft beitritt, dann muss es nicht nur die Zugangsvoraussetzungen (Maastricht- bzw. EU-Konvergenzkriterien) erfüllen, sondern auch nach Beitritt dauerhaft für Haushaltsstabilität (Stabilitäts- und Wachstumspakt) sorgen. Eine dauerhafte Missachtung der eingegangenen Verpflichtung für den gemeinsamen Währungsverbund schwächt den Verbund insgesamt und löst u.a. auch Spekulationen im Finanzsektor aus. In der Folge können sich Spannungen auf politischer und sozialer Ebene in einem solchen Euro-Mitgliedsstaat aufbauen, die ihn dazu zwingen die Reformauflagen auch weiterhin zu missachten. Die erforderlichen Kriterien zum Währungserhalt würden unter diesem Zwang dann außer Kraft gesetzt. Dies kann dann zu einer politischen Implosion und zur Handlungsunfähigkeit eines Landes führen, begleitet von sozialem Unfrieden und Protesten, die politisch extremen Randgruppen in die Hände spielen können. Eine solche Entwicklung kann nicht im Sinne der Idee des Europäischen Gedankens sein.

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Antrag 150

Betr.: Leistungsgerechtigkeit durch faire Löhne

Antragsteller: Verwiesen vom 64. Ord. Bundesparteitag (dort gestel lt vom Bundesvorstand)

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Wer sich anstrengt, soll entsprechend seiner Leistung fair entlohnt werden, 1 gerade auch am unteren Ende der Lohnskala. Die Bundesregierung hat in die- 2 ser Legislaturperiode für insgesamt weit über zwei Millionen Beschäftigte die 3 von Tarifparteien ausgehandelten Tarifverträge neu für allgemeinverbindlich 4 erklärt und damit Mindestlöhne in diesen Branchen eingeführt. 5

Bis zum Bundesparteitag im Mai wollen wir in der Partei darüber diskutieren, 6 wie wir diesen Weg im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft weitergehen und 7 die Voraussetzungen für weitere Lohnuntergrenzen schaffen können – im Ein- 8 klang mit der Tarifautonomie. Ansatzpunkt sind die Löhne, die von Gewerk- 9 schaften und Arbeitgebern in Tarifverträgen ausgehandelt werden. Das ist der 10 Kern der erfolgreichen deutschen Tarifautonomie. Einen politischen Lohn, das 11 heißt einen einheitlichen, flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn, lehnen 12 wir ab. Auch zukünftig soll die Höhe der Lohnuntergrenzen Branche für Bran- 13 che festgelegt werden – dezentral und differenziert. Damit wollen wir auch die 14 Rolle von Gewerkschaften und Arbeitgebern weiter stärken. 15

Gleichzeitig müssen wir jedoch sicher stellen, dass jeder die Perspektive hat, 16 durch eigene Anstrengung ohne Sozialleistung auskommen zu können. Das 17 Liberale Bürgergeld ist und bleibt dafür die richtige Idee. Es motiviert die Men- 18 schen zur Arbeitsaufnahme: Selbst erwirtschaftetes Einkommen bedeutet stets 19 ein spürbar größeres verfügbares Gesamteinkommen. Daran müssen sich die 20 Zuverdienstmöglichkeiten des Arbeitslosengeldes II (ALG II) orientieren. 21

Begründung:

Erfolgt mündlich.

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Antrag 151

Betr.: Sechs Thesen zum Mindestlohn

Antragsteller: Verwiesen vom 64. Ord. Bundesparteitag (dort gestel lt von Lasse Becker (für den Bundesverband der Jungen Liberalen) und 49 weiteren Delegierten)

Der Bundesparteitag möge beschließen:

I. 1

Die FDP bekennt sich zur Tarifautonomie. Die Festsetzung der Lohnhöhe ist 2 Sache der Tarifpartner. Führt die freie Lohnfindung im Einzelfall zu unange- 3 messenen Ergebnissen, kann eine staatliche Nachjustierung in Frage kom- 4 men. Eine Überregulierung des Arbeitsmarkts trifft in erster Linie junge Arbeit- 5 nehmer und Geringqualifizierte. Außerdem fördert er Umgehungen wie die 6 Schwarzarbeit. Der Mindestlohn wird damit zu einem sozialpolitischen Bume- 7 rang: Die Gruppe der Arbeitnehmer, die durch einen Mindestlohn geschützt 8 werden soll, steht am Ende ohne Arbeitsplatz da. Daher ist eine ein staatlicher 9 Eingriff über das bestehende Maß hinaus nicht zu rechtfertigen. 10

II. 11

Mit der Debatte über einen Mindestlohn wird ein Zerrbild von der Beschäfti- 12 gungssituation vieler Menschen in Deutschland gezeichnet. Tatsächlich arbei- 13 tet der Großteil der Menschen, die zusätzlich zu ihrem Arbeitseinkommen Ar- 14 beitslosengeld II beziehen müssen, nicht Vollzeit. Die große Zahl der Men- 15 schen, die zusätzlich zu einer Teilzeitbeschäftigung Arbeitslosengeld II bezie- 16 hen, ist die Zielgruppe des liberalen Bürgergelds. Die FDP will ein Mindestein- 17 kommen in Form einer negativen Einkommenssteuer, die durch attraktive und 18 flexible Zuverdienstmöglichkeiten eine Brücke in eine sozialversicherungs- 19 pflichtige Vollzeitbeschäftigung darstellt, statt eines Mindestlohns oder einer 20 staatlich geregelten Lohnuntergrenze. 21

III. 22

Die Situation in den europäischen Nachbarländern ist nicht vergleichbar. In 23 manchen Staaten führen Mindestlohn-Regelungen zu hoher Jugendarbeitslo- 24 sigkeit. In anderen Staaten ist der Mindestlohn so niedrig, dass kaum ein Ar- 25 beitnehmer von ihm profitiert. In ganz Europa ist der Ausbau von Qualifikati- 26

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onsmöglichkeiten nach dem Vorbild der deutschen Kurzarbeiter-Regelung vor- 27 anzutreiben. 28

IV. 29

Durch die Debatte über einen Mindestlohn wird der Eindruck erweckt, die 30 Menschen könnten mit ihrer Stimme am Wahltag darüber entscheiden, wie 31 viel sie verdienen und wie lange sie arbeiten. Schon heute überbieten SPD, 32 Grüne und Linkspartei einander bei der Höhe des Mindestlohns. Befeuert wird 33 die Debatte durch Vorschläge zu einer generellen Reduzierung der Arbeitszeit 34 und der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Die FDP hält 35 die politische Festsetzung von Löhnen für ebenso falsch wie eine politische 36 Überregulierung anderer Faktoren wie der Arbeitszeit. Die FDP lehnt die Ein- 37 führung eines bedingungslosen Grundeinkommens ab. Für Menschen, die kei- 38 ne sozialversicherungspflichtige Vollzeit-Beschäftigung erlangen können oder 39 wollen, besteht mit dem Liberalen Bürgergeld eine sinnvolle Alternative. Bis zu 40 dessen Einführung sind die bestehenden Mechanismen des Arbeitslosengel- 41 des II in Richtung eines Liberalen Bürgergeldes weiterzuentwickeln. 42

V. 43

Pauschale Lohnfestsetzungen durch die Politik werden der differenzierten Ar- 44 beitsmarktlage und den unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in Deutsch- 45 land nicht gerecht. Die FDP lehnt einen flächendeckenden, gesetzlichen Min- 46 destlohn oder eine staatlich definierte Lohnuntergrenze weiterhin ab. Jede 47 Ausweitung branchenspezifischer Lohnuntergrenzen nach dem Arbeitneh- 48 mer-Entsendegesetz und dem Arbeitsnehmer-Überlassungsgesetz lehnt die 49 FDP ab. 50

VI. 51

Eine Nutzung der bestehenden Instrumente des Mindestarbeitsbedingungen- 52 gesetzes sowie eine Anpassung dieser Regelungen steht im Widerspruch zur 53 Programmatik der FDP. Eine Reglung über einen intransparent zusammenge- 54 setzten Ausschuss beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist im Ko- 55 alitionsvertrag nicht vereinbart worden. Dies würde die Tarifautonomie aus- 56 höhlen und Anreize schaffen, dass Tarifverträge in manchen Gegenden noch 57 weniger akzeptiert werden. 58

Begründung:

Erfolgt mündlich.

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Antrag 152

Betr.: Mehr Freiheit für mehr Menschen

Antragsteller: Verwiesen vom 64. Ord. Bundesparteitag (dort gestel lt von Frank Schäffler und 49 weiteren Delegierten)

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Der Staat sollte weder direkt, noch indirekt oder mittelbar durch Lohnunter- 1 oder Lohnobergrenzen in die Lohnfindung eingreifen. Den richtigen und ge- 2 rechten Lohn für Arbeit können nur und ausschließlich die an dem Arbeitsver- 3 hältnis beteiligten Parteien selbst bestimmen und vereinbaren. Allein die Sit- 4 tenwidrigkeit zieht der Vertragsfreiheit Grenzen. 5

Diese erfolgreiche Tradition bundesrepublikanischer Lohnpolitik ist zuneh- 6 mend in Gefahr. Viel zu häufig wurden tarifliche oder sonst vereinbarte Lohn- 7 untergrenzen auf Unbeteiligte ausgeweitet, zum Beispiel durch die Allgemein- 8 verbindlicherklärung. Doch Lohnuntergrenzen schaden vor allem Geringverdie- 9 nern und Berufseinsteigern. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit in den südeuro- 10 päischen Ländern zeigt, dass Mindestlöhne unüberbrückbare Einstiegshürden 11 für junge Menschen sind. 12

Lohnobergrenzen sind Sache der Vertragspartner und nicht des Staates. Bei 13 mitbestimmten Kapitalgesellschaften muss die Höhe der Vergütung der Vor- 14 stände durch die Eigentümer in der Hauptversammlung bestimmt werden. 15

Begründung:

Erfolgt mündlich.

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Antrag 153

Betr.: Bildung statt Mindestlohn

Antragsteller:

Verwiesen vom 64. Ord. Bundesparteitag (dort gestel lt von Thomas Vollmar, Kreisverbände Hildburghausen, Schmalkalden-Meiningen, Gotha, Suhl, Landesverband Thüringen)

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Die Einkommenssituation vieler niedrigqualifizierter Arbeitnehmerinnen und Ar- 1 beitnehmer ist auch in den Augen der FDP unzureichend. Demgegenüber 2 steht ein stetig steigender Bedarf an ausgebildeten Arbeitskräften in Hand- 3 werk und Industrie, der immer unzureichender gedeckt werden kann. Nichts 4 liegt daher näher, als dass niedrigqualifizierte Arbeitskräfte durch eine fundier- 5 te und marktorientierte Aus- und Fortbildung ihre Erwerbssituation entschei- 6 dend verbessern. Statt wie andere Parteien auf staatliche Tarifbevormundung 7 und die Politisierung der Lohnfindung, möglichst noch abgekoppelt von der 8 Produktivität zu setzen, setzt sich die FDP dafür ein, dass die Bundesagentur 9 für Arbeit verpflichtet wird, nach dem bewährten Prinzip „Fordern und För- 10 dern“ niedrigqualifizierten Arbeitslosen und Aufstockern eine Ausbildung ange- 11 deihen zu lassen. Diese soll sie in die Lage versetzen, bisher mangels Bewer- 12 ber unbesetzte Arbeitsstellen ausfüllen zu können. Ein Mindestlohn ist somit 13 völlig überflüssig. 14

Begründung:

Das Thema Mindestlohn wird aller Voraussicht nach im kommenden Wahlkampf keine untergeordnete Rolle spielen. Die FDP ist und bleibt eine, vielleicht die letzte politische Kraft, welche die Tariffreiheit und die Tarifautonomie als Eckpfeiler der sozialen Marktwirtschaft verteidigt. Ein einfaches „Nein“ zu den Mindestlohnforderungen anderer Parteien setzt die FDP dabei aber in die Defensive. Offensiv wäre es, würde man liberale, marktwirtschaftliche Methoden vertreten, wie eine Einkommenssteigerung für Einzelne zu erreichen wäre. Das kann nur über Bildung gehen und dem kommt der evidente Mangel an Facharbeitern entgegen. Es ist schließlich kaum zielführend, 300.000 Vollzeitarbeitnehmern geringer Qualifikationen die Einkommen aufzustocken und gleichzeitig hinzunehmen, dass ebenso viele Facharbeiterstellen mangels Bewerbern nicht besetzt werden können.

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Antrag 154

Betr.: Gezielte Bekämpfung von sittenwidrigen, niedrigen Löhnen statt eines einheitlichen gesetzlichen Mindestlohns

Antragsteller: Verwiesen vom 64. Ord. Bundesparteitag (dort gestel lt vom Bezirksverband Oberbayern)

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Die FDP fordert die strafrechtliche Verfolgung sittenwidrig niedriger Löhne 1 (sog. Lohndumping) durch Einführung einer bußgeldbewehrten Strafbestim- 2 mung in das Wirtschaftsstrafgesetz (WiStrG). Danach soll die Zahlung eines 3 Arbeitsentgeltes von weniger als 2/3 des ortsüblichen branchenspezifischen 4 Vergleichslohns mit einem Bußgeld belegt werden, wenn der Arbeitgeber die 5 Notlage des Arbeitnehmers ausnutzt und sich hierdurch einen Vermögensvor- 6 teil verschafft. 7

Die Bundesarbeitsagentur und ihre Arbeitsagenturen vor Ort werden ver- 8 pflichtet, bei Kenntnis von solchen sittenwidrigen Löhnen entsprechende Mit- 9 teilung von Amts wegen an die Strafverfolgungsbehörden zu geben. Bei Leis- 10 tungen an erwerbstätige Arbeitslosengeld-II-Empfängern (sog. „Aufstocker“) 11 sollen die Arbeitsagenturen die Differenz zwischen dem sittenwidrig zu niedrig 12 gezahlten Lohn und dem ortsüblichen branchenspezifischen Vergleichslohn im 13 Wege des Regresses von dem Arbeitgeber direkt einziehen, wenn im Buß- 14 geldverfahren ein sittenwidriger Lohn rechtskräftig festgestellt wurde. 15

Begründung:

Die Debatte um einen gesetzlichen Mindestlohn wird im Wesentlichen vor dem Hintergrund zu niedrig bezahlter Löhne geführt. Allerdings besteht die Gefahr, dass durch politisch festgelegte Lohnhöhen Arbeitsplätze eher vernichtet werden, insbesondere wenn die Höhe eines einmal eingeführten gesetzlichen Mindestlohns Gegenstand eines politischen Überbietungswettbewerbs wird. In Deutschland wurden daher beste Erfahrungen mit der Tarifautonomie gemacht, wonach die Lohnfindung allein in den Händen der Tarifparteien, also Arbeitnehmer und Arbeitgeber liegt.

Nichtsdestotrotz sind weiterhin Fälle zu beklagen, in denen Arbeitgeber unter Ausnutzung der Notlage der Arbeitnehmer, insbesondere in sog. prekären Beschäftigungsverhältnissen, Löhne deutlich unter dem ortsüblichen

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branchenspezifischen Vergleichslöhnen zahlen, um sich damit einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Dies schadet nicht nur den betroffenen Arbeitnehmern, sondern auch denjenigen Arbeitgebern, die verantwortungsvoll ihre Arbeitnehmer bezahlen und dadurch in Konkurrenzsituationen, etwa bei Ausschreibungen von Aufträgen, mit den durch Lohndumping gedrückten Angebotspreisen nicht mithalten können. Dies sind vornehmlich kleine und mittelständische Unternehmen in Hochlohnregionen, die auf qualitative hochwertige Jobs und Arbeit setzen.

In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist mittlerweile anerkannt, dass ein Lohn von weniger als Zweidrittel des ortsüblichen Vergleichslohns bzw. sogar des Tariflohns einen sittenwidrig niedrigen Lohn darstellt mit der Folge, dass der Arbeitnehmer einen zivilrechtlichen Anspruch auf Zahlung des Vergleichs- bzw. Tariflohns gegen den Arbeitgeber hat.

Allerdings muss der betroffene Arbeitnehmer seinen Anspruch selber durch Klage beim Arbeitsgericht durchsetzen, in deren Rahmen er auch den Beweis über den Vergleichslohn führen muss. Dies mag eine Möglichkeit für Arbeitnehmer in höheren Lohngruppen sein, für Arbeitnehmer in sog. prekären Beschäftigungsverhältnissen stellt dies jedoch keine Hilfe dar, da sie sich regelmäßig schon nicht das Prozesskostenrisiko leisten können. Gerade um diesen Arbeitnehmern zu helfen, ist es notwendig, die Ermittlung und Feststellung eines sittenwidrigen Mindestlohnes in die Hände öffentlicher Institutionen zu legen. Daher muss das Delikt als Offizialdelikt ausgestaltet werden, welches von Amts wegen seitens der Arbeitsagenturen und der Strafverfolgungsbehörden zu verfolgen ist, ohne dass der Arbeitnehmer einen Strafantrag stellen muss. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass der Arbeitnehmer nicht unter den Druck einer Kündigung seines Arbeitsplatzes gerät.

Der ortsübliche branchenspezifische Vergleichslohn kann durch Arbeitsagenturen ermittelt werden, indem auf die internen Zahlen zur Höhe der Lohnzahlungen, welche zur Berechnung der Arbeitslosenhilfe I (die in der Höhe vom letzten Lohn abhängig ist) erhoben werden, zurückgegriffen wird. Der Vergleichslohn kann, muss aber nicht der Tariflohn sein. In manchen Branchen wird der Tariflohn regelmäßig höher liegen als der Vergleichslohn, so dass Letzterer entscheidend ist.

Vorteil der geforderten Regelung ist ein flexibles, sich automatisch der Lohnentwicklung anpassendes System, ohne dass eine willkürlich-politische Festlegung eines Mindest- oder Einheitslohns erfolgt.

Durch die weitere Voraussetzung der Ausnutzung einer Notlage des Arbeitnehmers werden solche Fälle ausgeschlossen, in denen der Arbeitnehmer aus anderen als finanziellen Gründen einer abhängigen Beschäftigung nachkommt, etwa Rentner, die sich noch eine Beschäftigung erhalten wollen, oder Mitarbeiter von karitativen Einrichtungen.

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In subjektiver Hinsicht muss der Arbeitgeber vorsätzlich, also wissentlich und willentlich, einen sittenwidrig niedrigen Lohn zahlen und in der Absicht handeln, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Bloße Fahrlässigkeit reicht nicht aus, so dass Fälle, in denen durch eine kontinuierliche Erhöhung des ortsüblichen Vergleichslohns ein individuell gleichbleibend bezahlter Lohn ohne Zutun unter die Zweidrittel-Grenze sinkt, regelmäßig nicht strafbar sein werden.

Vergleichbare Regelungen existieren bereits für Wucher, § 291 StGB:

„(1) Wer die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche eines anderen dadurch ausbeutet, daß er sich oder einem Dritten

1. für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen,

2. für die Gewährung eines Kredits,

3. für eine sonstige Leistung oder

4. für die Vermittlung einer der vorbezeichneten Leistungen

Vermögensvorteile versprechen oder gewähren läßt, die in einem auffälligen Mißverhältnis zu der Leistung oder deren Vermittlung stehen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wirken mehrere Personen als Leistende, Vermittler oder in anderer Weise mit und ergibt sich dadurch ein auffälliges Mißverhältnis zwischen sämtlichen Vermögensvorteilen und sämtlichen Gegenleistungen, so gilt Satz 1 für jeden, der die Zwangslage oder sonstige Schwäche des anderen für sich oder einen Dritten zur Erzielung eines übermäßigen Vermögensvorteils ausnutzt.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1. durch die Tat den anderen in wirtschaftliche Not bringt,

2. die Tat gewerbsmäßig begeht,

3. sich durch Wechsel wucherische Vermögensvorteile versprechen läßt.“

§ 291 Abs. 1 Nr. 3 StGB kann sich vom Wortlaut her auch gegen wucherisch niedrige Löhne richten, fand bislang allerdings wenig Anwendung, da keine ausdrückliche Definition des „auffälligen Missverhältnisses“ enthalten ist. Im Übrigen richten sich Bestimmungen des Strafgesetzbuches nur gegen natürliche Personen. Juristische Personen, wie Unternehmen als Kapitalgesellschaften in Form der GmbH oder AG, fallen nicht unter den Anwendungsbereich der Bestimmung. Daher ist eine Bestimmung als Ordnungswidrigkeit zu fassen, welche sich auch gegen Kapitalgesellschaften richtet.

Vorbild für die geforderte Bestimmung ist § 5 WiStrG gegen Mietwucher:

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(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen unangemessen hohe Entgelte fordert, sich versprechen lässt oder annimmt.

(2) Unangemessen hoch sind Entgelte, die infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen die üblichen Entgelte um mehr als 20 vom Hundert übersteigen, die in der Gemeinde oder in vergleichbaren Gemeinden für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage oder damit verbundene Nebenleistungen in den letzten vier Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen der Betriebskosten abgesehen, geändert worden sind. Nicht unangemessen hoch sind Entgelte, die zur Deckung der laufenden Aufwendungen des Vermieters erforderlich sind, sofern sie unter Zugrundelegung der nach Satz 1 maßgeblichen Entgelte nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung des Vermieters stehen.

(3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

Lohndumping kann auch zu Lasten der Sozialkassen gehen: Erwerbstätige Arbeitslosengeld-II-Empfänger (sog. „Aufstocker“), welche einen geringeren Lohn als ihren individuell festgestellten Existenzbedarf erhalten, haben Anspruch auf ergänzende Zahlungen durch die Arbeitsagentur. Es besteht die Gefahr, dass Arbeitgeber einen zu niedrigen Lohn zahlen mit der Maßgabe, der Arbeitnehmer solle ergänzende Sozialleistungen beantragen. In diesen Fällen wird das Lohndumping auch noch subventioniert.

Um dieser Fehlentwicklung entgegen zu wirken, sollen die Arbeitsagenturen verpflichtet werden, sittenwidrige Löhne zur Anzeige zu bringen, ohne dass der Arbeitnehmer in eine Drucksituation gerät. Insbesondere soll nicht die Ergänzungszahlung an den Arbeitnehmer gekürzt werden, vielmehr soll die Arbeitsagentur als Anspruchsinhaber die Differenz zwischen dem sittenwidrig gezahlten und dem ortsüblichen Vergleichslohn vom Arbeitgeber im Wege des Regresses (Legalzession) einfordern, sobald ein sittenwidriger Lohn im Rahmen des Bußgeldverfahrens rechtskräftig festgestellt ist. Dies dient der Sicherung der Leistungsfähigkeit und dem Schutz vor Ausnutzung der Sozialkass

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Antrag 155

Betr.: EU-Jugendarbeitslosigkeit

Antragsteller: Bezirksverband Nordschwarzwald

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Die EU-Kommission hat eine "Jugendgarantie" vorgeschlagen. Die FDP lehnt 1 die Einführung einer europaweiten, verbindlichen Beschäftigungs- und Arbeits- 2 platzgarantie ab. 3

Staatlich finanzierte Beschäftigungsprogramme sind für die FDP ordnungspo- 4 litisch falsch, da sie auf Dauer unfinanzierbar sind, lediglich Strohfeuereffekte 5 erreichen und ihre Ausgaben die Staatsfinanzkrise weiter verschärfen. 6

Die FDP setzt sich stattdessen für die Stärkung der dualen Berufsausbildung 7 in Europa ein, um das erfolgreiche Modell aus Deutschland auch in andere 8 Länder zu übertragen. Der Zugang junger Menschen zu Angeboten der Be- 9 rufsqualifikation muss in ganz Europa verbessert werden. 10

Darüber hinaus fordert die FDP die Rahmenbedingungen für Unternehmen, 11 insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, zu verbessern und die 12 Existenzgründung zu erleichtern. Hierzu zählen Steuervereinheitlichung und 13 Bürokratieabbau ebenso wie die Vertiefung des EU-Binnenmarkts. 14

Begründung:

Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene "Jugendgarantie" soll die Mitgliedsstaaten in ihrem Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit unterstützen. Diese hat in den meisten Mitgliedsstaaten eine Quote von über 25 oder 30 Prozent erreicht, in Griechenland und Spanien liegt sie sogar bei über 55 Prozent.

Eine Arbeitsplatzgarantie wäre ordnungspolitisch ein Schritt in die falsche Richtung und würde lediglich kurzfristig zu staatlich geschaffenen und steuerfinanzierten Arbeitsplätzen führen. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit ist politisch nicht akzeptabel und muss entschieden und nachhaltig bekämpft werden. Dafür müssen geeignete Maßnahmen ergriffen werden, die die Ursachen beseitigen.

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Die Adaption des dualen Bildungssystems hingegen wird in allen europäischen Ländern nachhaltige und tragfähige Ausbildungsstrukturen schaffen und somit langfristig zur Senkung der Jugendarbeitslosigkeit beitragen.

Die Jugendarbeitslosenquote in Deutschland sinkt seit Jahren beständig und liegt mit ca. 8 Prozent weit unter dem europäischen Durchschnitt, ähnlich in Österreich. Beide Staaten haben das duale Bildungssystem, welches ein wesentlicher Faktor bei der erfolgreichen Eingliederung junger Menschen in den Arbeitsmarkt ist. Die Verbindung von Theorie und Praxis in den Unternehmen, Berufsschulen und Berufsakademien wirkt sich nachweislich positiv auf die Berufschancen aus.

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Antrag 156

Betr.: Ablehnung einer Frauenquote

Antragsteller: Landesverband Thüringen

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Die FDP lehnt die Einführung einer Frauenquote ab und fordert die Abgeord- 1 neten im Deutschen Bundestag auf, den Gesetzentwurf 17/11139 vom 23.Ok- 2 tober 2012 „Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern 3 in Führungsgremien“ nicht zu unterstützen. 4

Begründung:

Seit Jahrzehnten wird über die Frauenquote debattiert - in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Verschiedene Abstimmungen wurden eingeholt, eine direkte Befragung der Frauen blieb aus. Per Frauenquote in Strukturen eingreifen zu wollen, ob im politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Leben, widerstrebt gänzlich unserem liberalen Denken!

Der Landesverband Thüringen hält die Einführung einer starren Frauenquote für den falschen Weg! Frauen sind keine Statisten, sie sind nicht unmündig und sind nicht unterwegs, um Statistiken zu erfüllen! Eine homogene, faire, familienfreundliche und ansehnliche Gesellschaft muss andere Fundamente haben als eine Quotenregelung!

Vielmehr plädieren wir dafür, dass sich Frauen gleichberechtigt, jedoch im legalen Wettbewerb behaupten. Dieser Wettbewerb muss Leistung, Qualifikation, Engagement und soziale Kompetenz berücksichtigen und für Stellenausschreibungen und Stellenbesetzungen primär sein.

In unserer modernen Gesellschaft, einer Leistungsgesellschaft, sollen also grundsätzlich Qualifikation, Qualität der Leistungen und Loyalität ausschlaggebend sein! Geschlechterspezifische Entscheidungen hingegen sind kein Gewinn und kein Ruhm; beim Gewinn einer Stellenbesetzung ebenso wenig, wie in der Position gesellschaftlicher oder beruflicher Rangfolgen.

Die Liberalen fordern viel mehr, dass die Rahmenbedingungen für eine optimale Vereinbarkeit von Familie und Beruf wieder mehr im Augenmerk der Gesellschaft liegen. Diese Voraussetzungen müssen in kompakten und zielorientierten Programmen vorangebracht werden.

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Nach Prüfung und Abwägung aller Kriterien, die dem Leistungsdruck unserer Gesellschaft standhalten können und wenn alles Angedachte mit der Realität und den jeweiligen Strukturen des Territoriums vereinbart wurde – hat solch ein Programm die Fähigkeit bis zur Wahl und noch länger zu bestehen.

Unternehmen könnten durch Arbeitszeitanpassungen und Betriebskindergärten junge Familien unterstützen und somit sowohl weibliche als auch männliche Fachkräfte mit hoher Qualifikation gewinnbringend beschäftigen.

Im Bereich der Kinderbetreuung sollten schon in den Kommunen umfangreichere Betreuungsmöglichkeiten geschaffen werden; wichtige Kriterien sind dabei die zeitlich flexibleren Verfügbarkeiten der Kindereinrichtungen. Dahinter steht der Gedanke, zusätzliche Zeit und Kosten, verursacht durch lange Wege zur Kindereinrichtung, zu vermeiden.

Eine starre Frauenquote erreicht nicht, dass Frauen in Politik, Wirtschaft und Familie eine ausgewogenere Freizeit, eine höhere Sicherheit für ihren Arbeitsplatz erhalten oder weniger Anforderungen im Tagesgeschäft bewältigen müssen.

In allen gesellschaftlichen Lebensbereichen ist der gesicherten Kinderbetreuung ein Hauptaugenmerk zu schenken und es gilt endlich Gleise zu bauen, auf denen unsere „Familienzüge“ ungehindert fahren können! Dies gilt für den beruflichen Alltag, im politisch-kulturellen Leben und im privaten Bereich.

Gesicherte Betreuung, eine gute Erziehung und eine solide Ausbildung unserer Kinder ist unsere Forderung! Nur so können, beginnend in den Familien, über die Orts- und Kreisverbände bis auf Landes- und Bundesebene, auch unsere liberal denkenden und engagierten Frauen motiviert werden, sich mit kommunalen Themen in die politische Arbeit, sei es ehrenamtlich oder auf berufspolitischer Ebene, der Gesellschaft unseres Landes einzumischen.

Mit Inhalt, mit Wissen und Können, mit Akribie und Loyalität den Platz in der Gesellschaft finden; soziale Kompetenz nicht nur schreiben, sondern auch beweisen können, so sollen sich Frauen definieren. Frauen sollen keine Quotenbesetzung sein, weder beruflich noch in der Politik.

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Antrag 200

Betr.: Haushaltskonsolidierung

Antragsteller: Landesverband Hessen

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Die FDP fordert die Bundestagsfraktion und Landtagsfraktionen der Freien 1 Demokratischen Partei auf folgende Ziele zu erreichen: 2

1. Die Neuverschuldung des Bundes muss im letzten Haushalt dieser Le- 3 gislaturperiode bei Null liegen. b 4

2. Alle Bundesländer müssen eine Schuldenbremse nach dem Vorbild des 5 Bundes einführen. b 6

3. Die Kommunen sind verpflichtet, ab 2020 keine defizitären Haushalte 7 mehr vorzulegen. Voraussetzung hierfür ist eine Reform der Kommunalfi- 8 nanzen, die dies bei Erledigung aller gesetzlichen Aufgaben der Kommu- 9 nen ermöglicht. b 10

4. Investitionen in Forschung und Bildung müssen von allen Sparbemü- 11 hungen auf allen staatlichen Ebenen ausgenommen werden. b 12

5. Steuererhöhungen sind als Mittel der Haushaltskonsolidierung abzuleh- 13 nen. b 14

6. Für eine nachhaltige Haushaltspolitik ist eine Verringerung der Bundes- 15 länder auf 8-10 bis 2020 notwendig. Insbesondere das Saarland und die 16 Stadtstaaten sollten Teil anderer Bundesländer werden. Dabei bleibt das 17 Ziel, den Länderfinanzausgleich in der jetzigen Form abzuschaffen. b 18

7. Ein drastischer Subventionsabbau in allen staatlichen Bereichen ist drin- 19 gend notwendig. Insbesondere die alternativen Energien müssen zügig 20 wettbewerbsfähiger werden. 21

Begründung:

Deutschland sonnt sich noch im Lichte des Klassenprimus und sagt den europäischen Partnern, wie sie zu sparen haben, während wir trotz stetig wachsender Steuereinnahmen immer neue Schulden aufnehmen. Deutschland muss schon alleine deswegen selbst anfangen zu sparen, damit wir uns auch morgen noch den Sozialstaat, den Garant unserer politischen Stabilität, leisten können. Wie die Alternative aussieht, können wir in Griechenland und anderen Ländern beobachten. Es ist fünf vor zwölf. Es merkt nur Keiner:

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1. Deutschland steht mit einer Gesamtverschuldung von aktuell 81,2 Prozent (Maastricht verlangt 60 Prozent) auf Rang 7 der 17 Euroländer, d.h. zehn Länder stehen besser da. Nicht berücksichtigt sind die impliziten Schulden aufgrund zukünftiger Verpflichtungen (z.B. Renten und Pensionen). Seit 2006 haben sich mangels Rücklagen die Zahlungen hierfür nahezu verachtfacht. Die Tendenz ist weiter steigend.

2. Deutschland ist mit einer absoluten Verschuldung von 2.150,48 Mrd. Euro Spitzenreiter in Europa.

3. Trotz steigender Steuereinnahmen betrug die Neuverschuldung des Bundes in 2012 22,5 Mrd. Euro (Anstieg von 25 Prozent gegenüber 2011) und in 2013 17 Mrd. Euro. Die Aufwendungen für Zinsen liegen stabil bei 30 Mrd. Euro jährlich.

4. Die demografische Entwicklung führt zu sinkenden Einnahmen in den sozialen Sicherungssystemen. Schon heute liegt der jährliche Zuschuss für die Rentenversicherung bei 60 Mrd. Euro.

5. Schon heute kostet der demografische Wandel nach Schätzungen der OECD unser Land in Aufschwung Phasen jährlich ein halbes Prozent Wirtschaftswachstum. Und das ist erst der Anfang. Wenn hier nicht bald gezielt gegengesteuert wird, ist von einem mittelfristigen Rückgang der Wirtschaftsleistung unseres Landes auszugehen. Die Konsequenzen sind klar: Steuern und Abgaben sowie die Verschuldung werden weiter steigen. Im Ergebnis wird dies auch zu einer weiteren Abwanderung der Qualifiziertesten führen.

6. Aufgrund unser Verpflichtungen gegenüber dem ESM ist mit zusätzlichen weiteren Belastungen zu rechnen.

7. Die Schuldenbremse ist ein erster richtiger Schritt, aber begrenzt nur die Neuverschuldung und lässt Ausnahmen zu.

8. Eine substantielle Erhöhung der Einnahmenseite durch höhere Steuern ist nur möglich, wenn ein hoher Anteil der Arbeitnehmer erfasst wird. Diese sind aber schon heute alleine aufgrund der kalten Steuerprogression und den steigenden Kosten aus der Energiewende über die Gebühr belastet.

Konsequenz: Wie jedes Unternehmen muss sich der Staat endlich nach 50 Jahre verschlanken. Jedes Unternehmen, das sich so verhalten würde, wäre schon längst vom Markt verschwunden.

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Antrag 201

Betr.: Liberale Eckpunkte zur grundlegenden Neuordnung der Finanzverfassung im deutschen Föderalismus

Antragsteller: Bundesfachausschuss Finanzen und Steuern, Landesverband Bremen, Landesverband Hamburg

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Im Jahr 2019 laufen Solidarpakt Ost, Länderfinanzausgleich und Konsolidie- 1 rungshilfen aus. Die erforderliche Neuregelung der Finanzbeziehungen zwi- 2 schen Bund, Ländern und Gemeinden bietet die Chance, durch eine grundle- 3 gende Neuordnung alte Schwächen und Fehlanreize des Steuerverteilungs- 4 systems sowie des horizontalen Finanzausgleichs zu beseitigen und solide 5 Staatsfinanzen auf allen Ebenen als Grundlage für eine erfolgreiche wirt- 6 schaftliche und soziale Entwicklung zu ermöglichen. Das neue System muss 7 deutliche Anreize zur Steigerung der Wirtschaftskraft bewirken. Dabei muss 8 die Eigenverantwortung erhöht und zur Verbesserung der Steuerungsfähigkeit 9 mehr Transparenz durch Systemvereinfachung hergestellt werden. Die Finanz- 10 ausstattung muss aufgabengerecht gestaltet werden. Das Ausgleichsvolumen 11 muss verringert werden. Zudem müssen faire Startbedingungen zur Steige- 12 rung der Leistungsfähigkeit im Wettbewerb geschaffen werden, darunter u. a. 13 der Abbau der Altschulden. Wesentliches Element der Neuordnung ist die So- 14 lidarität nach dem bündischen Prinzip. 15

Nach der Änderung des Aufgabenzuschnitts durch die Föderalismusreform I 16 und der Einführung der Schuldenbremse durch die Föderalismusreform II 17 muss diese Neuordnung insbesondere der Bund-Länder-Finanzbeziehungen 18 nun unverzüglich durch eine Föderalismuskommission III umgesetzt werden. 19

Dazu schlägt die FDP folgende Ziele vor: 20

1. Wachstum und Stärke durch Eigenverantwortung 21

Eine Schwäche des derzeitigen Steuerverteilungs- und Ausgleichssystems 22 besteht in kontraproduktiven Anreizwirkungen und unklarer politischer Verant- 23 wortung. Insbesondere die Nivellierung von Leistungserfolgen im horizontalen 24 Finanzausgleich lähmt die Anstrengungen für Innovationen und dynamische 25 Stärkung der Wirtschaftskraft, auf der alle Finanzkraft beruht. Diese Fehler 26 müssen zugunsten wirksamer Selbstentfaltung beseitigt werden. 27

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2. Leitgedanke im Wettbewerbsföderalismus 28

„Leistung muss sich lohnen.“ Dieser Leitgedanke muss auch für die Länder 29 sowohl bei der Verteilung des örtlichen Steueraufkommens als auch im Fi- 30 nanzausgleich ein zunehmendes Gewicht bekommen. Das Land, das seine 31 Wirtschaftskraft steigert, soll von den daraus folgenden Mehrsteuern einen 32 höheren Anteil behalten. 33

Föderaler Wettbewerb ist erwünscht. Er muss aber nach dem Grundsatz der 34 Subsidiarität und der bundesstaatlich gebotenen Solidarität mit einer ange- 35 messenen Unterstützung im Neuordnungsprozess und mit fairen Rahmenbe- 36 dingungen einhergehen. Dazu ist mehr Transparenz und Vergleichbarkeit her- 37 zustellen. Das setzt die allgemeine Einführung der Rechnungslegung nach 38 kaufmännischen Gesichtspunkten sowie die Einbeziehung aller Unter- und Ne- 39 benhaushalte („konsolidierte Konzernbilanz“) voraus. Die Schuldenbremse ist 40 in allen Landesverfassungen zu verankern. 41

3. Finanzautonomie 42

Die FDP steht für mehr Finanzautonomie in Bund, Ländern und Gemeinden. 43 Sie sollen eigenständige Wachstums- und Standortpolitik betreiben können. 44 Eine größere Autonomie für die Länder und Gemeinden erhöht die Transpa- 45 renz der politischen Entscheidungen und stärkt die Verantwortlichkeit der han- 46 delnden Politiker. 47

Insbesondere ist die Hoheit der Länder über ihre Einnahmen und Ausgaben 48 zu stärken. Bei den Ertragssteuern können Ab- und Zuschläge vorgesehen 49 werden. Soweit die Länder bereits die Ertragshoheit haben, sollten sie auch 50 die Gesetzgebungskompetenz bekommen. 51

4. Grundlegende Neuordnung durch Übergang zum verti kalen Finanzaus- 52 gleich 53

Der Länderfinanzausgleich hat zu immer weniger Geberländern und immer 54 mehr Nehmerländern geführt, weil er nivellierend wirkt und keine Anreize zu 55 Eigenanstrengungen zugunsten der Erzielung eines angemessenen Steuer- 56 aufkommens enthält. Je mehr ein Land in den Länderfinanzausgleich einzahlt 57 oder daraus empfängt, desto mehr wächst die Gefahr, Eigenanstrengungen 58 zu unterlassen. Im Ergebnis schwächt dieser Ausgleich die finanzstarken Län- 59 der und verschärft die Armut der finanzschwachen Länder. Der Länderfinanz- 60 ausgleich ist wegen seiner Fehlwirkungen stufenweise abzubauen und wäh- 61 rend des stufenweisen Abbaus durch einen ergänzenden vertikalen Ausgleich 62 zu unterstützen. Nach Auslaufen des horizontalen Ausgleichs gibt es nur noch 63 den verbesserten vertikalen Ausgleich. Dieser vertikale Ausgleich muss sich 64 an Kriterien wie Steigerung der Wirtschaftskraft (Generierung eines ausrei- 65

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chenden Steueraufkommens) und Haushaltsdisziplin orientieren. Die Abgel- 66 tung von Sonderlasten muss im vertikalen Ausgleich geregelt werden. 67

5. Altschuldenregelung 68

Die Länder müssen ihre Altschulden grundsätzlich in eigener Verantwortung 69 zurückführen. Zur Entschuldung der Länder wird zwischen dem Bund und den 70 beteiligten Ländern eine verbindliche Regelung des Schuldenmanagements 71 und des Altschuldenabbaus vereinbart. Aufgrund des größeren Volumens sind 72 – analog zu Gemeinschaftsauflagen von Anleihen mehrerer Länder – bessere 73 Zinskonditionen am Kapitalmarkt zu erzielen. Dadurch können die Länder ihre 74 laufend fälligen Altschulden zu einem niedrigeren Zinssatz prolongieren. Mit 75 den eingesparten Zinsen aus der Refinanzierung sind vorhandene Kredite zu 76 tilgen. Für Härtefälle können zusätzliche Konsolidierungshilfen vorgesehen 77 werden. 78

6. Schluss 79

Das liberale Gesamtkonzept bringt die Punkte Neuverschuldung, Finanzauto- 80 nomie, Finanzausgleich und Altschuldenabbau in Einklang. Es fordert von den 81 Beteiligten ein gesundes Maß an Eigenverantwortung, fügt den Gedanken des 82 föderalen Wettbewerbs maßvoll in das System der deutschen Finanzverfas- 83 sung ein, lebt aber weiterhin auch von der notwendigen bündischen Solidari- 84 tät. 85

Begründung:

Der Antrag entspricht im Wortlaut dem Beschluss des Bundesfachausschusses Finanzen und Steuern vom 2. März 2013. Weitere Begründung erfolgt mündlich.

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Antrag 202

Betr.: Beibehaltung des Privatkundengeschäfts der Bundesschuldenverwaltung

Antragsteller: Landesverband Thüringen

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Die FDP lehnt die seit dem Jahr 2013 erfolgte Einstellung des Privatkunden- 1 geschäfts der Bundesschuldenverwaltung ab und fordert die FDP-Bundestags- 2 fraktion auf, Maßnahmen für die Wiederherstellung des Privatkundengeschäfts 3 der Bundesschuldenverwaltung zu ergreifen. 4

Begründung:

Ein bislang noch bestehendes kleines Privileg, das der Staat den Privatkunden bislang eingeräumt hat – das Privatkundengeschäft der Bundesschuldenverwaltung - ist ab dem Jahr 2013 eingestellt worden. Von dieser Entscheidung des Finanzministeriums ist auch die Tagesanleihe des Bundes betroffen, eine sehr kurzfristige und sehr sichere Anlageform für Privatkunden, die nicht dem Risiko von Bankenpleiten ausgesetzt ist und damit die perfekte Alternative zu Tagesgeldkonten der Banken darstellt, denen sie unter dem Sicherheitsaspekt haushoch überlegen ist. Für die Privatkunden ergeben sich aus der Entscheidung des Finanzministeriums vier Nachteile:

1. Privatkunden müssen immer wieder neue Bundesanleihen mit sehr geringen Restlaufzeiten kaufen, wenn Sie weiterhin die Sicherheit des Bundes dem Risiko maroder Banken vorziehen. Damit verbunden ist ein erheblicher Mehraufwand.

2. Privatkunden sind mit kurzfristigen Bundesanleihen weniger flexibel als mit der Tagesanleihe, die täglich fällig ist und für weitere Dispositionen zur Verfügung steht. In Zukunft müssen Sie zuerst aktiv werden und kurzfristige Anleihen verkaufen, wenn Sie Umschichtungen vornehmen möchten.

3. Privatkunden entstehen sowohl zusätzliche Kosten für Kauf und Verkauf von Bundesanleihen als auch durch Depotgebühren.

4. Privatkunden werden von Bankberatern zunehmend damit konfrontiert statt niedrig verzinslicher kurzfristiger Bundesanleihen ein Bankprodukt zu kaufen, das mit möglichst hohen Margen ausgestattet ist. Insbesondere in Zeiten, in denen hunderte von Milliarden Euro Steuergelder in das gesamteuropäische Überschuldungsrisiko opulent agierender Staaten und Banken investiert werden, sollte der Bund den Privatkunden auch weiterhin eine kurzfristige und sehr sichere Anlageform zur Verfügung stellen.

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Antrag 300

Betr.: Schritte zur Inklusion. Für mehr Teilhabe und Offen heit - Gegen Barrieren auf dem Weg und Schranken in den Köpfen

Antragsteller: Bundesvorstand

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Für die FDP sind Behinderungen Teil menschlicher Vielfalt. Wir wollen die vol- 1 le Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, indem wir Barrierefreiheit sowie 2 Selbstbestimmung und Eigenverantwortung fördern. Dies sind Voraussetzun- 3 gen dafür, dass menschliche Vielfalt gewürdigt wird. Um diese Ziele zu errei- 4 chen, sind bürgerschaftliches Engagement und Solidarität gefordert. Die Libe- 5 ralen erkennen an, dass eine barrierefreie Gesellschaft eine gesamtgesell- 6 schaftliche Aufgabe ist, die nicht nur ein finanzielles Zusammenwirken von 7 Bund, Ländern und Gemeinden erfordert, sondern auch einen Bewusstseins- 8 wandel hin zu voller Teilhabebereitschaft aller Menschen. Wichtig ist, dass 9 Barrierefreiheit nicht über höhere Kosten für die Betroffenen finanziert wird. 10 Barrierefreiheit bedeutet für uns nicht allein das Fehlen von räumlichen Hin- 11 dernissen, sondern die Beseitigung jedweder Hindernisse, die Menschen mit 12 Behinderung behindern. 13

Politik für Menschen mit Behinderung ist Bürgerrechtspolitik. Die FDP will den 14 hohen fachlichen Standard der besonderen Förderung in besonderen Struktu- 15 ren zu inklusiven Strukturen voller Teilhabe (Inklusion) weiterentwickeln. 16 Grundlegend sind für die Liberalen das Grundgesetz und die UN-Behinderten- 17 rechtskonvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung, die das 18 bisherige integrative Konzept durch Teilhabe (Inklusion) von Anfang an verän- 19 dern will. Im Gegensatz zur Integration, bei der sich Menschen mit Behinde- 20 rung an der bestehenden Gesellschaft orientieren, sieht die Inklusion auch Be- 21 hinderung als Teil einer vielfältigen Gesellschaft. Inklusion erkennt die Hetero- 22 genität der Gesellschaft als Normalität an, die wir von Anfang an verstehen, 23 bejahen und leben wollen. Die UN-Behindertenrechtskonvention muss in 24 Deutschland weiter konsequent umgesetzt werden. 25

Potenziale und Einschränkungen von Menschen mit Behinderung sind ent- 26 scheidend dafür, welche Nachteilsausgleiche gewährt werden. Barrierefreiheit 27 bedeutet, dass für alle Menschen alle Lebensbereiche gleichberechtigt zu- 28

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gänglich, nutzbar und gestaltbar sind. Partizipation ist die wichtigste Bedin- 29 gung zur freien Entfaltung eines jeden Individuums. 30

Schrankenfreiheit kommt allen Menschen zu Gute. Angesichts der ange- 31 spannten Finanzlage sollen bei Neu- und Ausbau sowie im Zuge von Reno- 32 vierungsarbeiten in öffentlichen Gebäuden und im ÖPNV in Zukunft Schwer- 33 punkte gesetzt werden, um Barrieren abzubauen bzw. von Anfang an zu ver- 34 meiden. Dazu gehört das Recht auf Privatheit und ein selbstgewähltes Zusam- 35 menleben. Dies wird auch im privaten Raum empfohlen. Die FDP besteht auf 36 dem Prinzip der freien Wahl der Wohnform und findet es selbstverständlich, 37 dass auch Menschen mit Behinderung in allgemeinen Wohngegenden zuhau- 38 se sind. Bei Planung, Neubau und Renovierung muss angestrebt werden, 39 dass möglichst viele Wohnungen barrierefrei zugänglich und nutzbar sind. 40

Kommunikation ist elementar für das menschliche Zusammenleben. Daher 41 fordert die FDP barrierefreie Formulare, z. B. in einfacherer Sprache, in 42 Braille-Schrift und als Vorleseprogramm. Diese würden das Verständnis und 43 auch die Bearbeitung von Dokumenten erleichtern. Der technische Fortschritt 44 hat Mittel und Wege hervorgebracht, die noch lange nicht ausgereizt sind. Al- 45 le öffentlichen Homepages sollen barrierefrei gestaltet werden. Ganz konkret 46 unterstützt die FDP die Forderung, im Rundfunkstaatsvertrag eine gesetzliche 47 Regelung festzuschreiben, die den deutlichen Ausbau von untertitelten Sen- 48 dungen beinhaltet. Derzeit werden nur 5 bis 10 Prozent der Sendungen unter- 49 titelt, und damit barrierefrei angeboten. Dies ist für 13 Millionen Hörgeschädig- 50 te eine Zumutung und eine klare Verletzung der Gleichstellungsgesetze von 51 2006, die Menschen mit Behinderung die gleichberechtigte Teilnahme am öf- 52 fentlichen Leben garantieren sollen. Außerdem müssen die Anforderungen an 53 den visuellen Kontrast DIN 32 975 und weitere Normen zu Schrift und Ein- 54 blendungszeit im Sinne der Anforderungen von sehbehinderten Menschen be- 55 rücksichtigt werden. 56

Für die FDP gilt der Grundsatz: "Das Kindeswohl ste ht an erster Stelle". 57

Für die FDP ist das gemeinsame Aufwachsen von Kindern mit und ohne Be- 58 hinderung in KITAs, Schulen und Freizeiteinrichtungen ein zentraler Schritt, um 59 Behinderung von Beginn des Lebens an als Teil der Vielfältigkeit zu leben. Mit 60 dem Zugang zur Bildung ist eine volle Entfaltung und Entwicklung des Einzel- 61 nen, seiner Talente und seiner Kreativität anzustreben. Eltern sollen die Schul- 62 form ihres Kindes frei wählen können. Kann ein Kind gegen den Willen der 63 Eltern in einer anderen Schulform erheblich besser gefördert werden, liegt die 64 Beweispflicht bei der zuständigen Behörde. Formelle und informelle Angebote, 65 sowohl für Kinder als auch für Erwachsene, sollten inhaltlich und baulich bar- 66 rierefrei sein und außerdem geschützte Rückzugsräume bieten. Die FDP för- 67 dert die Inklusion in Bildungseinrichtungen. Jeder Mensch hat das Recht auf 68 eine, seinem individuellen Fähigkeiten entsprechende Bildung. Dabei muss je- 69

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doch darauf geachtet, dass sich der Geist der UN-Behindertenrechtskonventi- 70 on auch in der Praxis größtmöglicher individueller und erfolgreicher Förderung 71 des Kindes niederschlägt. Die Umwandlung der Schullandschaft in eine inklu- 72 sive Schullandschaft muss mit einer angemessenen Aufstockung der personel- 73 len Ausstattung einhergehen. Förder- und Sonderschulen sollen hierbei nicht 74 generell geschlossen werden. Das Wahlrecht der Eltern muss erhalten blei- 75 ben. 76

Inklusion in der Arbeitswelt 77

Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention postuliert das Recht von Men- 78 schen mit Behinderung auf Arbeit, untersagt Diskriminierungen im Arbeitsle- 79 ben und fordert, Menschen mit Behinderung zu unterstützen und zu fördern. 80 Dies wird in Deutschland schon in vielen Bereichen umgesetzt. Nach Auffas- 81 sung der FDP müssen weitere Schritte zur Verbesserung folgen, z. B. bei der 82 der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder im Hinblick auf die Erwerbsbeteili- 83 gung von Menschen mit Behinderung. Erfreulicherweise arbeiten etwa eine 84 Million Menschen mit Behinderung - mit oder ohne zusätzliche Unterstützung - 85 in Unternehmen, sind im ersten Arbeitsmarkt integriert und nehmen Teil an 86 den Möglichkeiten individueller Entfaltung durch Erwerbsarbeit. Andere (ca. 87 280.000 Personen) wiederum arbeiten in Werkstätten für Menschen mit Be- 88 hinderung. Wir lehnen es ab, wenn Arbeitsagenturen Arbeitssuchende ab 50 89 Prozent Grad der Behinderung nur noch als Behinderte behandeln und Qualifi- 90 kation und Fähigkeiten nicht mehr berücksichtigen. Dies wollen wir ändern. 91

Aus Sicht der FDP ist das flächendeckende Netz der Werkstätten für Men- 92 schen mit Behinderung nicht nur national, sondern auch international beispiel- 93 haft, um auch Menschen mit schwersten Behinderungen eine Teilhabe am Ar- 94 beitsleben zu ermöglichen. Dass es dennoch viel zu wenigen gelingt, in den 95 allgemeinen Arbeitsmarkt zu wechseln, belegt, dass es dringend Reformen 96 bedarf. Es gilt, Alternativen zu entwickeln, die eine Teilhabe am allgemeinen 97 Arbeitsmarkt nach der Schule fördern. Wir müssen aber auch sozialrechtliche 98 Barrieren abbauen, die den Übergang in beide Richtungen erschweren. 99

Mittelständische Unternehmen, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bil- 100 den, benötigen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention gezielter 101 Beratung und Unterstützung, um ihren Beitrag zu einer inklusiven Gesellschaft 102 leisten zu können. Wir fordern eine "Inklusionsstrategie für den Mittelstand", 103 um bereits vorhandene (z. B. die "Initiative Inklusion" oder www.einfachteilha- 104 ben.de) und neue Maßnahmen zur Sensibilisierung von Arbeitgeberinnen und 105 Arbeitgebern zu bündeln. Teil der Strategie sollen möglichst Aktivitäten sein, 106 bei denen verschiedene Beteiligte (Integrationsfachdienste, Behindertenein- 107 richtungen, Vertreter von Rentenversicherung, der Bundesagentur für Arbeit 108 und der Krankenkassen) sich um die Eingliederung von Menschen mit Behin- 109 derung kümmern. Die Vorteile liegen auf der Hand: Zum einen kann der Ar- 110

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beitnehmer gezielt nach seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen vermittelt wer- 111 den, zum anderen wird der Arbeitgeber gezielt unterstützt und gefördert. Als 112 weiteren Teil der Inklusionsstrategie sollen gute Beispiele von Inklusion im Mit- 113 telstand öffentlich gewürdigt werden. 114

Neben einer permanenten und konsequenten Wirksamkeitsprüfung der beste- 115 henden Förderinstrumente werden wir außerdem prüfen, wie in bestimmten 116 Fällen entweder dem Betrieb dauerhaft ein Minderleistungsausgleich oder aber 117 dem Arbeitnehmer ein Kombilohn gewährt werden kann, um die Beschäfti- 118 gung bestimmter Personengruppen außerhalb von Werkstätten zu sichern. 119 Um den Weg in den ersten Arbeitsmarkt zu erleichtern und Vorbehalte abzu- 120 bauen, soll ein Rückkehrrecht in die Werkstatt gesichert sein. 121

In der Pflege spricht sich die FDP dafür aus, dass die Inklusion ein dauerhaf- 122 ter Bestandteil in der Aus- und Weiterbildung in den Fachberufen wird. 123

Begründung:

Erfolgt mündlich.

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Antrag 301

Betr.: Für eine neue Familienpolitik in Deutschland!

Antragsteller: Landesverband Thüringen

Der Bundesparteitag möge beschließen:

I. Die FDP setzt sich in der Bundesregierung dafür ei n und fordert die 1 FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag auf, 2

den 2009 im Koalitionsvertrag zwischen FDP, CDU und CSU beschlossenen 3 Evaluationsbericht zu ehe- und familienpolitischen Leistungen zügig vorzule- 4 gen und die Ergebnisse in konkrete Vorschläge zur Verbesserung des Maß- 5 nahmensystems umzusetzen. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: 6

"Wir wollen die umfassende wissenschaftliche Evaluation der familienbezoge- 7 nen Leistungen konsequent fortsetzen und entsprechende Vorschläge vorle- 8 gen. Ziel sind konkrete Handlungsempfehlungen, um Leistungen wirksamer 9 und effizienter zu gestalten und zu bündeln. Weiterhin werden wir prüfen, wie 10 die Leistungen im Unterhaltsrecht, Steuerrecht, Sozialrecht und Familienrecht 11 harmonisiert werden können und entsprechende Schritte einleiten." (S. 69) 12

II. Die Reform der ehe- und familienpolitischen Lei stungen sollte: 13

1. das Wirrwarr aus über 160, sich teilweise widersprechenden, ehe- und 14 familienpolitischen Leistungen, Fördertöpfen und Subventionen auf weni- 15 ge, effiziente Instrumente reduzieren, b 16

2. das Ehegattensplitting durch ein Familliensplitting nach dem Kirch- 17 hof-Modell ersetzen, bei dem sich zukünftig das Ausmaß des Steuervor- 18 teils stärker nach der Anzahl der Kinder richtet, b 19

3. das Betreuungsgeld des Bundes und der Länder (bspw. das Thüringer 20 Landeserziehungsgeld) zugunsten der Förderung und des Ausbaus 21 staatlicher Infrastruktur zur Kinderbetreuung einsetzen, b 22

4. den privaten Dienstleistungssektor für Familien stärken (etwa durch Ver- 23 gabe von Gutscheinen für Kindermädchen oder Haushaltshilfen). b 24

Begründung:

Bis zu 200 Milliarden Euro werden in Deutschland jedes Jahr für familienpolitische Leistungen ausgegeben. Das Dickicht der ehe- und familienpolitischen Leistungen ist

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fast undurchdringlich und viele zeigen keinerlei Wirkung oder sind sogar kontraproduktiv. Die Familie bedarf der besonderen Förderung, um bisherige Benachteiligungen auszuräumen. Familienpolitische Leistungen sind eine Investition in unsere Zukunft. Familie ist dort, wo Kinder sind. Dabei darf kein Lebensentwurf gegenüber einem anderen bevorzugt oder benachteiligt werden. Denn für Liberale sind alle Lebensgemeinschaften wertvoll, in denen Menschen Verantwortung füreinander übernehmen. Die Liberalen bekennen sich daher klar zu einer Familienpolitik, welche die Eltern unterstützt und fördert und so der jüngeren Generation eine chancenreiche Zukunft ermöglicht.

Allerdings muss dabei stets der Grundsatz gelten, dass nicht der finanzielle Aufwand das entscheidende Kriterium für eine erfolgreiche Politik sein kann, sondern die erzielte Wirkung. Nach den aktuellsten Erkenntnissen ist dies bei den über 160 verschiedenen familienpolitischen Maßnahmen in der Bundesrepublik derzeit nicht der Fall.

Weitere Begründung erfolgt mündlich.

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Antrag 302

Betr.: Kindererziehungszeiten bei der Rentenberechnung berücksichtigen

Antragsteller: Bundesvorstand Bundesverband Liberale Senioren

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Kindererziehungszeiten müssen bei der Rentenberechnung angemessen be- 1 rücksichtigt werden. Eine Angleichung der Rentenansprüche für Mütter und 2 Väter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, ist nicht nur eine Frage der 3 Gerechtigkeit, sondern hilft auch der befürchteten Altersarmut vorzubeugen. 4

Wir fordern die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag auf, umgehend ein 5 tragfähiges Konzept auszuarbeiten, um eine bessere Anerkennung der Le- 6 bensleistung von Müttern zu erreichen. 7

Begründung:

Der Wahlspruch der FDP „Leistung muss sich lohnen“ muss in besonderem Maße für die Frauen gelten, die ihr Leben in den Dienst der Familie gestellt und ihre Zeit und Kraft in die Erziehung ihrer Kinder investiert haben.

Die Gefahr der Altersarmut betrifft in erster Linie Frauen, die in ihrem Leben nur kurzzeitig, in Teilzeit oder mit Unterbrechungen erwerbstätig waren.

Gleichgültig, ob die Kinder vor oder nach 1992 geboren sind, alle Mütter verdienen Anerkennung. Es geht um die Lebensleistung von Millionen Frauen – und um die Glaubwürdigkeit der FDP.

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Antrag 303

Betr.: Neuregelung der Urlaubsabgeltung bei dauerhaft erkrankten Arbeitnehmern

Antragsteller: Bezirksverbände Rhein-Main und Südhessen-Starkenbur g

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Die FDP fordert eine Neuregelung der Urlaubsabgeltung bei dauerhaft er- 1 krankten Arbeitnehmern im Bundesurlaubsgesetz mit dem Ziel, den Abgel- 2 tungsanspruch zeitlich auf 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres zu be- 3 grenzen. 4

Begründung:

§ 7 Bundesurlaubgesetz sieht vor, dass der Jahresurlaub grundsätzlich im Kalenderjahr genommen werden muss. Unter besonderen Voraussetzungen kann er auf das Folgejahr übertragen werden, wobei der dann aber am 31. März verfällt. Bisher war es allgemeine Rechtsmeinung der deutschen Arbeitsgerichte, dass der nicht genommene Urlaub länger erkrankter Arbeitnehmer spätestens am 31.03. des Folgejahres verfiel. Ebenso verfiel der sogenannte Urlaubsabgeltungsanspruch, der bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses an die Stelle des Anspruchs auf Urlaub tritt. Der Europäische Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass der nach der EU-Richtlinie 2003/88/EG festgelegte Mindesturlaubsanspruch von 4 Wochen auch bei mehrjähriger Arbeitsunfähigkeit nicht erlischt. Vielmehr müsse er abgegolten werden, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden könne („Schultz-Hoff“ Entscheidung, Az.: C-350/06). Diese Rechtsprechung könnte dazu führen, dass dauerhaft erkrankte Arbeitnehmer ihren Urlaub über Jahre ansparen können. Dies hat eine Anhäufung von Urlaubsabgeltungsansprüchen, die mit erheblichen finanziellen Risiken für die Arbeitgeber verbunden sind, zur Konsequenz. Eine solche Anhäufung von Urlaubsansprüchen hat jedoch mit dem Erholungszweck des Urlaubs nichts mehr zu tun. Es bedarf deshalb einer Neuregelung, die auch europarechtliche Vorgaben beachtet. Orientierungspunkt könnte hier ein Zeitraum von 15 Monaten sein, von dem das BAG und das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 21.12.2011 (Az.: 10 Sa 19/11) ausgegangen ist.

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Antrag 350

Betr.: Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen vermindern

Antragsteller: Landesverband Niedersachsen

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Die Ausweitung multiresistenter Keime stellt das Gesundheitswesen vor gro- 1 ße Herausforderungen. Ein Grund für die Zunahme multiresistenter Keime ist 2 die zunehmende Verschreibung von Antibiotika und die nicht sachgerechte 3 Einnahme sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin. Damit auch 4 in Zukunft wirksame Antibiotika für die Behandlung schwerer Infektionskrank- 5 heiten zur Verfügung stehen, ist es erforderlich, Antibiotika zur Therapie von 6 Menschen und Tieren nur gezielt und dann in ausreichender Dosis und Dauer 7 einzusetzen und gleichzeitig alle Maßnahmen zu treffen, um Infektionen vor- 8 zubeugen. Die Verbreitung von bereits vorhandenen resistenten Keimen muss 9 wirkungsvoll eingedämmt werden. 10

Die FDP setzt sich dafür ein, dass 11

1. in der Aus- und Fortbildung von Human- und Veterinärmedizinern sowie 12 von Pflegekräften die umsichtige Anwendung von Antibiotika einen hö- 13 heren Stellenwert erhält, b 14

2. die notwendigen Antibiotika gezielt und in ausreichender Dauer einge- 15 setzt werden, b 16

3. für Forschungsvorhaben im Bereich Antibiotika-Resistenz, Entwicklung 17 neuer Antibiotika und alternativer Methoden der Infektionsbekämpfung 18 Kooperationspartner und Fördergelder der EU einbezogen werden, b 19

4. die Behörden und Institutionen, die den Einsatz von Antibiotika und die 20 Entwicklung von Resistenzen überwachen, über ausreichende Ressour- 21 cen verfügen, b 22

5. eine Strategie zur Minimierung des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhal- 23 tung entwickelt wird, b 24

6. alle technischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Verbrei- 25 tung resistenter Keime in der Umgebung antibiotikaverwendender Ein- 26 richtungen gering zu halten und außerdem Maßnahmen entwickelt wer- 27 den, die verhindern, dass Antibiotika-Reste ins Abwasser gelangen, b 28

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7. eine Kampagne entwickelt wird, die die breite Öffentlichkeit über die 29 Wirkung und richtige Anwendung von Antibiotika, die Entstehung von 30 Resistenzen und eine angemessene Haushaltshygiene informiert. b 31

Begründung:

Erfolgt mündlich.

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Antrag 351

Betr.: Mundgesundheit für Pflegebedürftige und Menschen mi t Behinderung verbessern - Versorgungslücken in der Gesetzlichen Krankenversicherung schließen.

Antragsteller: Landesverband Thüringen

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Die FDP setzt sich für die Novellierung des § 87 Abs. 2(i) SGB V hinsichtlich 1 der gesetzgeberischen Erweiterung des Leistungskataloges der GKV um prä- 2 ventive Leistungen - nach § 22 SGB V - im Bereich der Zahn-, Mund- und 3 Kieferheilkunde bei der aufsuchenden Betreuung ein. Die Ausgestaltung ob- 4 liegt den zuständigen Selbstverwaltungsgremien (Bewertungsausschuss). 5

Begründung:

Es entspricht dem allgemein anerkannten Wissensstand, dass mit zunehmenden Alter der Anteil kranker und multimorbid kranker Patienten steigt, die kognitiven und motorischen Fähigkeiten zunehmenden Einschränkungen unterliegen und sich die Ernährungsgewohnheiten bis hin zu Fehl- und Unterernährung umstellen. Bei den 60- bis 79-Jährigen hat etwa jeder sechste Mann und jede vierte Frau fünf oder mehr Krankheiten. Gerade durch die neurologisch und motorisch bedingten Einschränkungen ist die selbstständige Pflege der Zähne und des Zahnersatzes sehr eingeschränkt oder nicht mehr alleine durchführbar. Auch eine Visusverminderung durch Grüner Star, Grauer Star oder diabetische Retinopathie kann bei sonst noch rüstigen Senioren die Pflege von Gebiss und Prothesen einschränken.

Hinzu kommen die Auswirkungen der im Alter zunehmenden Polymedikation. Etwa 60 Prozent der über 65-Jährigen erhalten bis zu drei rezeptpflichtige Medikamente, 15 Prozent erhalten vier und mehr. Damit einher geht die Zunahme der unerwünschten Arzneimittelwirkungen - auch auf die Mund- und Zahngesundheit - um das vier- bis fünffache gegenüber jüngeren Patienten. Die Pflege- und Hygienefähigkeit wird zudem durch im Alter stark zunehmende depressive und demente Erkrankungen erheblich eingeschränkt.

Des Weiteren sind im Alter generell signifikante Veränderungen der Mundhöhlengesundheit zu beobachten. Neben Alterserkrankungen wie altersbedingter Mundtrockenheit (Xerostomie), Wurzelkaries oder Tumoren der Mundschleimhaut sind physiologische Veränderungen der oralen Gewebe ursächlich dafür. Diese sind eng

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verbunden mit pathologischen Vorgängen in der Mundhöhle oder des Gesamtorganismus. Neben Allgemeinerkrankungen und Störungen des Immunsystems sind bakterielle, virale, durch Pilze hervorgerufene und parasitäre Infektionen Auslöser für Schleimhautveränderungen [Jäger, Susanne, Mundhygiene und Mundgesundheit bei Bewohnern von Altenpflegeheimen. Auswirkungen eines Trainingsprogramms für die Pflegekräfte auf die Mundgesundheit der Bewohner, Bonn 2009].

Es ist nicht verwunderlich, dass die Mundgesundheit und die zahnmedizinische Versorgung von pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen deutlich schlechter als beim Bevölkerungsdurchschnitt sind. Prekär ist die Lage gerade bei Kindern mit Behinderung. Hier erleiden 12-Jährige bis zu 25 Mal häufiger einen Verlust bleibender Zähne als gleichaltrige Vergleichsgruppen ohne Behinderung. Des Weiteren vergehen in rund 50 Prozent der Heime zwischen zwei Zahnarztterminen mehr als 22 Monate [IDZ-Information Nr. 3/2012]. Die Zahnärzteschaft und die Krankenkassen raten jedoch dringend zur halbjährlichen Prävention. Dies muss mindestens auch für Menschen mit Behinderung und Pflegebedürftige gelten.

Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung gehören daher zur Hochrisikogruppe für Karies- und Parodontalerkrankungen. Was ihre Mund- und Zahngesundheit anbelangt, haben sie spezielle Bedürfnisse, die im Leistungskatalog der GKV nicht abgebildet sind. Diesem Versorgungsbedarf tragen die Regelungen im SGB V nicht ausreichend Rechnung. Präventive Leistungen sind gegenwärtig gesetzlich auf Kinder und Jugendliche begrenzt und für Erwachsene nur im Rahmen einer Privatbehandlung zugänglich. Die jetzt vorgesehene Gebührenposition deckt zusätzlich notwendige Präventionsleistungen nicht ab, da sie ausschließlich den mit der Erbringung der bereits jetzt im Leistungskatalog vorgesehenen Behandlungen verbundenen Mehraufwand (personell, instrumentell und zeitlich – vgl. Begründung des 14. Ausschusses des Deutschen Bundestages zum § 87 Abs. Abs. 2(i) SGB V des Entwurfs eines GKV-VStG, Ds 17/8005 v. 30.11.2011) berücksichtigt. Eine Erweiterung des bisherigen Leistungskataloges um auf diesen Patientenkreis abgestimmte Präventionsleistungen, die auch eine Einbeziehung des pflegenden Umfeldes umfassen müssen, ist damit nicht verbunden.

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Antrag 400

Betr.: Einsatz von Elementen direkter Demokratie

Antragsteller: Bezirksverband Westhessen-Nassau

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Die FDP tritt für die Aufnahme von Elementen direkter Demokratie in das 1 Grundgesetz ein. Die FDP-Bundestagsfraktion wird aufgefordert, sich für eine 2 entsprechende verfassungskonforme Umsetzung der angestrebten Stärkung 3 der direkten Demokratie einzusetzen. Folgende zusätzliche Elemente direkter 4 Demokratie hält die FDP für erforderlich: 5

1. Die vom Parlament angesetzte Volksabstimmung 6

Der Bundestag soll die Möglichkeit erhalten, durch Beschluss mit einer Mehr- 7 heit von 2/3 der Abgeordneten den Bürgern die Entscheidung zu einem be- 8 stimmten Thema zu übertragen. 9

Da Entscheidungen der Bürger eine hohe Legitimität besitzen, werden diese 10 anders als bei einfachen Parlamentsbeschlüssen von allen demokratischen 11 Parteien akzeptiert. Das dient dem gesellschaftlichen Konsens. Für eine er- 12 folgreiche Volksabstimmung sind die Mehrheit der abgegebenen Stimmen so- 13 wie eine Beteiligung von 25 % der Wahlberechtigten erforderlich. Durch die 14 geforderte 2/3-Mehrheit bei der Ansetzung der Volksabstimmung ist gewähr- 15 leistet, dass das Thema relevant und die Volksabstimmung als notwendig an- 16 gesehen werden. 17

2. Die Volksinitiative 18

Die Volksinitiative stellt eine Erweiterung des Petitionsrechts dar. Wenn ein 19 Prozent der Wahlberechtigten innerhalb von drei Monaten die Volksinitiative 20 mit Ihrer Unterschrift unterstützen, ist der Bundestag verpflichtet, sich im Ple- 21 num mit der zugrundeliegenden Frage zu befassen und die Initiatoren der In- 22 itiative anzuhören. Damit wird den Bürgern die Möglichkeit zur öffentlichen Er- 23 örterung ihrer Anliegen eröffnet. Ein Recht auf einen entsprechenden Be- 24 schluss durch das Parlament besteht jedoch nicht. 25

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3. Die obligatorische Volksabstimmung 26

Eine obligatorische Volksabstimmung ist bei grundlegenden Änderungen des 27 Grundgesetzes, die für erhebliche Teile der Gesellschaft von Relevanz sind, 28 sowie vor der Ratifizierung für alle Staatsverträge, durch die Souveränitäts- 29 rechte des deutschen Volkes beeinträchtigt werden, durchzuführen. Die obliga- 30 torische Volksabstimmung stellt neben der erforderlichen 2/3 Mehrheit im Bun- 31 destag und Bundesrat für Grundgesetzänderungen und dem vorhandenen 32 Schutz des Grundrechtskatalogs einen weiteren Sicherungsmechanismus dar. 33 Sie bindet zudem den Souverän („Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“) in 34 angemessener Weise bei grundlegenden Fragestellungen der Staatssouverä- 35 nität ein. 36

Begründung:

In unserer repräsentativen Demokratie haben die Bürger auf Bundesebene nur alle vier Jahre die Möglichkeit, die politische Richtung der Republik zu bestimmen. Das war lange Zeit in der Bundesrepublik Deutschland kein Problem, da die politischen Parteien über eine hohe Integrationskraft verfügten und so den Bürgerwillen auch zwischen den Wahlterminen in politische Entscheidungen transformieren konnten. Diese Integrationskraft nimmt aber seit Jahren ab.

Im Zusammenhang mit den Ereignissen in Fukushima (AKW-Havarie) oder in Stuttgart (S21) wurde erneut deutlich, dass über diese indirekten und informellen Wege keine angemessenen Lösungen gefunden werden können. Stattdessen schwelen die Konflikte häufig weiter. Die in der Verantwortung stehenden Politiker verfangen sich infolgedessen in teilweise unlösbaren Gewissenskonflikten, entweder der eigenen Überzeugung weiter zu folgen oder den von Medien, Meinungsforschungsinstituten und Demonstranten artikulierten vorgeblichen Bürgerwillen umzusetzen. Häufig können sich derartige Konflikte dann nur an anderer Stelle entladen, wie z.B. in Landtags- und Kommunalwahlen, was zu weiteren politischen Verzerrungen in der politischen Landschaft führt.

Besser wäre es daher, wenn die Bürger selbst Gelegenheit erhielten, sich in gesellschaftlichen Großkonflikten und bei Fragestellungen von nationaler Bedeutung zu äußern. Letzteres ist bei Grundgesetzänderungen oder bei Abschluss von Staatsverträgen, die die nationale Souveränität betreffen, regelmäßig gegeben. Eine Entscheidung durch die Bürger hat eine besonders hohe Legitimation und kann von allen demokratischen Parteien ohne Gesichtsverlust mitgetragen werden. Auch der zunehmende Entfremdungsprozess zwischen Politik und Bürgern kann mit mehr Bürgerbeteiligung gestoppt werden. Damit wird auch dem immer deutlicher artikulierten Willen vieler Bürger, bei wesentlichen Entscheidungen, die sie unmittelbar betreffen oder die sie stark beschäftigen, beteiligt zu werden, besser Rechnung getragen.

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Mehr Bürgerbeteiligung und die Einführung von Elementen der direkten Demokratie auch auf der Bundesebene ist zudem ein langjähriges Versprechen der Liberalen, das bereits in den Wiesbadener Grundsätzen formuliert wurde, sich in dem in Karlsruhe verabschiedeten neuen Grundsatzprogramm ebenfalls wiederfindet und nun endlich eingelöst werden sollte.

Bei der Einführung direktdemokratischer Elemente im Grundgesetz sollte sowohl die bisherige Verfassungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt werden, als auch ein echter Einstieg in eine direktdemokratische Bürgerbeteiligung auf Bundesebene angestrebt werden – und zwar als Ergänzung und nicht als Ersatz der repräsentativen Demokratie.

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Antrag 450

Betr.: BAföG - Einfach, praktisch, gerecht

Antragsteller: Bundesvorstand Bundesverband der Liberalen Hochschulgruppen

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Die staatliche finanzielle Unterstützung von Studierenden nach dem Bundes- 1 ausbildungsförderungsgesetz (BAföG) ist eines der wichtigsten Mittel zur Si- 2 cherung des Bürgerrechts auf Bildung im tertiären Bereich. Das Ziel ist die Er- 3 möglichung von Bildung nach Neigung und Eignung des Einzelnen. Weder 4 wird das derzeitige BAföG diesem Ziel gerecht, noch ist es an sich gerecht. 5 Die Unsicherheit der Einzelnen, ob und in welcher Höhe einem komplizierten 6 und mithin schwer zu stellenden BAföG-Antrag stattgegeben wird, stellt für 7 viele Studierenden, Studieninteressierten und anderen BAföG-Berechtigten ei- 8 ne große Ungewissheit dar. Deshalb muss eine umfassende Reform stattfin- 9 den. Leider wurde bisher oft nur an der Höhe des BAföGs gearbeitet, aber 10 nicht an seiner Struktur und Bürokratie. Der Normenkontrollrat hat bereits eine 11 Vielzahl von Entbürokratisierungsvorschlägen vorgelegt, von denen bisher 12 kaum etwas umgesetzt wurde. Dabei zeigt allein die Tatsache, dass der Nor- 13 menkontrollrat sich mit dem BAföG so intensiv beschäftigen muss und viele 14 Vorschläge für überfällige Änderungen eingebracht hat, die Notwendigkeit ei- 15 ner tiefgreifenden Entbürokratisierung. 16

Wir fordern daher endlich die Umsetzung der Entbürokratisierungsvorschläge 17 des Normenkontrollrates im BAföG-Bericht „Einfacher zum studierenden 18 BAföG“ 2010. 19

Hierfür wollen wir als FDP einige Punkte exemplarisch nennen, die wir 20 schnellstmöglich angehen wollen: 21

- Die Pauschalierung von Bezügen soll wie beim Beispiel des Wohnraumzu- 22 schusses auch in anderen Bereichen vorangetrieben werden, um kleinteilige 23 Nachweise über beispielsweise Krankenkassenbeiträge überflüssig zu ma- 24 chen. 25

- Der Leistungsnachweis nach dem vierten Semester soll entfallen. Der 26 Nachweis war zu Zeiten der Diplom- und Magisterstudiengänge sinnvoll, da er 27 oft mit Zwischenprüfung oder Vordiplom einher ging. Da mittlerweile der Groß- 28

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teil der Studiengänge auf das Bachelor-Master-System umgestellt wurden, 29 entfällt die Zäsur nach dem vierten Semester, so dass das Bachelorzeugnis 30 als Nachweis ausreichen soll. Der Nachweis nach dem vierten Semester ist 31 nicht aussagekräftig, da Hochschulen die Noten oft verspätet eintragen. Er 32 stellt einen unangemessenen bürokratischen Aufwand ohne gewinnbringenden 33 Nutzen dar. Bei den verbliebenen Staatsexamensstudiengängen soll sich der 34 Leistungsnachweis an Studienabschnitten wie der Zwischenprüfung orientie- 35 ren. 36

- Die Systeme für den Onlineantrag sollen deutschlandweit harmonisiert und 37 einheitlich beworben werden, damit Antragsberechtigte rechtzeitig den Antrag 38 ausfüllen können, auch wenn noch nicht feststeht, an welcher Hochschule sie 39 sich letztendlich immatrikulieren. Dadurch bekommen Studienanwärter mehr 40 Zeit für den Antrag, so dass dieser dann auch sorgfältiger ausgefüllt werden 41 kann und nicht innerhalb der ersten Studienwochen unter Druck entsteht, wo- 42 durch die Quote der vollständigen Anträge steigt. Das erspart viel Bürokratie, 43 da das Einholen fehlender Informationen die BAföG-Ämter sehr viel Zeit kos- 44 tet. Der Antrag wird nur vollständig und damit gültig durch das Nachreichen 45 einer Immatrikulationsbescheinigung. 46

- Der Onlineantrag sowie die Antragsformulare sollen in Zukunft auf Ver- 47 ständlichkeit hin evaluiert werden. Häufig sind komplizierte Formulierungen, 48 die aus rechtlichen Gründen notwendig sind, für Schüler und Studierende 49 nicht verständlich. Dadurch häufen sich versehentlich falsche Angaben, deren 50 Korrektur sehr bürokratisch und zeitaufwendig ist. Der Onlineantrag bietet 51 schon einige Hilfestellungen, die dazu geführt haben, dass die Quote der kor- 52 rekt ausgefüllten und vollständigen Anträge im Online-Bereich deutlich höher 53 ist als im Vergleich zum herkömmlichen Verfahren. Daher soll der Onlinean- 54 trag noch stärker beworben werden. Hierfür ist eine enge Zusammenarbeit 55 von BMBF, den Ländern, den Schulen und den Hochschulen notwendig. 56

- Bei dem Übergang vom Bachelor- in den Masterstudiengang kommt es oft 57 zu der Situation, dass Studierende vorerst kein BAföG mehr bekommen, da 58 beispielsweise das Bachelorzeugnis erst Monate nach Beginn des Masterstudi- 59 ums ausgestellt wird. Grund hierfür sind lange Kontrollzeiten für Abschlussar- 60 beiten und eine langsame Verwaltung in den Hochschulen. Die Studierenden 61 können diese Dauer nicht beeinflussen - leiden jedoch darunter, weil sie in 62 der Zeit kein BAföG bekommen. Das ist ungerecht. Die FDP setzt sich dafür 63 ein, dass beim Übergang in den Masterstudiengang das BAföG vorausgezahlt 64 wird und ggf. später vollständig zurückgezahlt werden muss, sofern nach ei- 65 nem Jahr keine endgültige Immatrikulationsbescheinigung im Masterstudium 66 nachgewiesen werden kann. 67

- Im BAföG sollen in Zukunft keine starren Grenzen beispielsweise für den 68 Freibetrag bei Zuverdiensten stehen, sondern dynamische und flexible Lösun- 69

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gen gefunden werden, so dass nicht, wie in dieser Legislaturperiode aufgetre- 70 ten, die Grenze für geringfügige Beschäftigung auf 450 Euro erhöht wird, 71 BAföG-Empfänger allerdings weiterhin nur 400 Euro hinzuverdienen dürfen, 72 da für die Angleichung dieser Grenze im BAföG eine Gesetzesnovelle not- 73 wendig wäre. 74

Neben den einzelnen Vorschlägen zur Entbürokratisierung fordert die FDP 75 die grundlegende Konzeption des Bafög zu ändern. Wir Liberale treten dabei 76 als überzeugte Föderalisten dafür ein, die Mischfinanzierung des BAföG durch 77 Bund und Länder zu lösen und das BAföG zur Angelegenheit des Bundes zu 78 erklären, damit die Bundesländer sich finanziell und organisatorisch ihrer Kern- 79 kompetenz, nämlich der Ausgestaltung ihrer Bildungslandschaft, widmen kön- 80 nen. 81

Desweiteren erkennt die FDP die Problematik der Elternabhängigkeit des 82 BAföG. Da das BAföG zum Teil eine Sozialleistung ist, ist es richtig, die Aus- 83 zahlung auch nach sozialen Kriterien zu gestalten. Allerdings fordert die FDP 84 ein Umdenken. Nicht die Leistung und die Situation der Eltern soll als Maßstab 85 gelten, sondern die individuelle Situation der Studierenden nach ihrem Studi- 86 um. So soll das BAföG zunächst auf Antrag der Studierenden als Darlehen 87 ausgezahlt werden und der Anteil, der zurückgezahlt werden muss, wird 88 durch soziale Kriterien bestimmt. 89

Dadurch werden Antragsteller von der Last befreit, viele Informationen durch 90 und über ihre Eltern beschaffen zu müssen, was immer häufiger bei Trennung 91 der Eltern oder Todesfällen zu großen bürokratischen Problemen führt. Wir 92 sind der Überzeugung, dass junge Menschen ihren Bildungsweg selbst in die 93 Hand nehmen können müssen, ohne auf ihre Eltern angewiesen zu sein. 94

Begründung:

Erfolgt mündlich.

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Antrag 451

Betr.: 10 Schritte für Bologna - Studienqualität jetzt!

Antragsteller: Bundesvorstand Bundesverband Liberale Hochschulgruppen

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Vor 13 Jahren wurde der Bologna-Prozess in der gleichnamigen Stadt ange- 1 stoßen und hat viel Bewegung in den europäischen Hochschulraum gebracht. 2 Mittlerweile sind fast alle Studiengänge auf das Bachelor-Master-System um- 3 gestellt. Die Freie Demokratische Partei fordert daher die dringende Nachbes- 4 serung an verschiedenen Stellen des Hochschulsystems, damit die Ziele von 5 Bologna auch wirklich erreicht und nicht durch eine bloße Strukturreform ver- 6 wischt werden. 7

Die FDP fordert daher: 8

1. Ein Drittel der ECTS-Punkte in jedem Studiengang sollen nicht mit in 9 die Durchschnittsnote einfließen. Hierbei soll es in der Hand der Studieren- 10 den liegen, welche Kurse sie sich als benotet und welche als unbenotet ein- 11 tragen lassen. Der große Vorteil von Bachelor und Master gegenüber den alte 12 Studiengängen oder auch Studiengängen, die mit dem Staatsexamen ab- 13 schließen, ist, dass die Abschlussnote nicht von wenigen Prüfungen abhängt, 14 sondern den gesamten Studienverlauf berücksichtigt. Dadurch entsteht jedoch 15 ein permanenter Leistungsdruck, da jede Note entscheidend ist. Wer am En- 16 de einen sehr guten Abschluss haben will, muss jede Prüfung sehr gut beste- 17 hen. Dies ist eine unrealistische Anforderung, die nicht dazu verwendet wer- 18 den sollte, den Studierenden Druck zu machen. 19

2. Bei der Berechnung der Wochenstunden für einen E CTS-Punkt soll 20 nachjustiert werden. Ein ECTS-Punkt steht derzeit für 30 Arbeitsstunden. Mit 21 30 ECTS-Punkten pro Semester kommt man auf 900 Arbeitsstunden: Das ent- 22 spricht einer Arbeitszeit von 7,5 Stunden pro Tag bei freiem Wochenende oh- 23 ne Urlaub. Allein dieses Ziel hält die FDP für absurd. Ein Studium prägt die 24 Studierenden nicht nur durch die reine Lern- und Arbeitszeit, sondern auch 25 andere Erfahrungen wie Diskussionen fernab von Seminaren, Reisen, Semi- 26 nare, die nicht in den eigenen Studienverlauf gehören, sondern in den Bereich 27 des Studium Generale und viele Dinge mehr, bei denen man Eigenverantwor- 28 tung und Bildungswillen beweisen muss. Zudem berücksichtigt diese Vorgabe 29

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an Arbeitsstunden nicht, dass viele Studierende arbeiten müssen, um sich ihr 30 Studium leisten zu können. Das ist nicht möglich, wenn man 7,5 Stunden pro 31 Tag mit dem Studium beschäftigt ist. Solange nicht alle Studierenden den vol- 32 len BAföG-Satz unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern vom Staat zur Ver- 33 fügung gestellt bekommen, kann der Staat nicht verlangen, dass so viel Zeit 34 der Studierenden in das Studium fließt. Die FDP fordert eine Anpassung da- 35 hingehend, dass ein ECTS-Punkt nur für 20 Arbeitsstunden steht. Die Anzahl 36 der zu erreichenden ECTS-Punkte für den jeweiligen Abschluss darf dabei 37 nicht erhöht werden. 38

3. Mehr Bachelorstudiengänge mit einer Studienzeit von sieben oder acht 39 Semestern sollen konzipiert werden. Es gibt viele Studiengänge, bei denen 40 etwa ein Drittel der Studierenden nicht in den vorgesehenen sechs Semestern 41 fertig werden. Hier kann es förderlich sein, einfach zu akzeptieren, dass eine 42 fundierte Ausbildung ein oder zwei Semester länger dauert, anstatt entweder 43 zu viel Lerninhalte in kurze Zeit zu packen oder Veranstaltungen zu streichen. 44 Das bewirkt lediglich, dass die Qualität des Studiums und die Qualifikation der 45 Studierenden gemindert wird. Zugleich soll das bürokratische Konstrukt der 46 Gesamtregelstudienzeit abgeschafft werden. 47

4. Die Semesteranfangszeiten sollen europaweit harm onisiert werden. Durch ein 48 Auslandssemester verlieren viele Studierende Zeit, da in Deutsch- 49 land die Semesteranfangszeiten anders getaktet sind als in den meisten ande- 50 ren europäischen Ländern. Die FDP fordert daher ein einheitliches System im 51 europäischen Hochschulraum, um die Mobilität der Studierenden zu stärken, 52 so dass ihnen beim Auslandsaufenthalt kein Semester verloren geht. Das ein- 53 heitliche System soll sich am Kalenderjahr orientieren, sodass die Semester 54 vom 1. Januar bis 30. Juni sowie vom 1. Juli bis 31. Dezember dauern. 55

5. In jedem Studiengang soll es ein verpflichtendes Praxismodul geben. Dabei 56 sollen Studierende mindestens acht Wochen Praktikum absolvieren 57 können. Sei es in der Forschung, Wirtschaft oder einem anderen Bereich, der 58 für ihr Studium relevant ist. Hierbei sollen vor allem Auslandspraktika bewor- 59 ben werden, damit Studierende Auslandserfahrung sammeln und die Scheu 60 vor langen Aufenthalten im Ausland verlieren. Zu diesem Zweck soll der 61 Bund zusätzliche Mittel für Auslandsstipendien bereitstellen. Alternativ kann 62 sich die FDP auch ein System vorstellen, in dem Auslandspraktika von in- und 63 ausländischen Wirtschaftsunternehmen, Forschungseinrichtungen oder auch 64 Stiftungen ähnlich wie beim Deutschlandstipendium unterstützt werden. 65

6. Die Zugänge zu Masterstudiengängen sollen offen gestaltet werden. Die 66 Hochschulen werden dazu aufgefordert gemeinsam ihre Zugangsvoraus- 67 setzungen zu lockern, damit Studierende überhaupt die Möglichkeit haben, 68 nach dem Bachelor die Hochschule zu wechseln. Wenn jede Hochschule 69 Prüfungen voraussetzt, die nur an der eignen Hochschule abgelegt werden 70

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können, ist niemandem auf dem Weg zu den Zielen von Bologna geholfen. 71 Die FDP fordert daher eine gemeinsame Selbstverpflichtung aller Hochschu- 72 len, ihre Masterstudiengänge dahingehend zu gestalten, dass keine hoch- 73 schulspezifischen Prüfungen obligatorisch sind, sondern nur allgemeine Kennt- 74 nisse und Grundlagen des jeweiligen Faches oder der Fächerkombinationen. 75 Dafür soll die Beweislast in Anerkennungsfragen umgekehrt werden. Außer- 76 dem muss die Möglichkeit geschaffen werden, einzelne fehlende Kurse oder 77 Sprachkenntnisse während des Masterstudiums nachzuholen. 78

7. Internationale Doppelabschlüsse sollen gestärkt werden. Um die Mobili- 79 tät der Studierenden und den europäischen Hochschulraum zu fördern, sollen 80 es mehr Studienangebote geben, die eine Doppelqualifikation als Abschluss 81 haben. Dabei soll ein Teil des Studiums an einer ausländischen Partnerhoch- 82 schule absolviert werden. Herfür sollen Programme im Sinne eines europäi- 83 schen Hochschulraums entwickelt werden, die den Studierenden einen mög- 84 lichst einfachen Auslandsaufenthalt ermöglichen. Ein Doppelabschluss soll An- 85 reiz sein für die Studierenden ins Ausland zu gehen und qualifiziert sie für ei- 86 nen Beruf im europäischen Arbeitsmarkt. 87

8. Das Angebot an Teilzeitstudiengängen soll erweit ert werden. Ein Ziel 88 von Bologna ist das lebenslange Lernen. Dies kann nur gefördert werden, 89 wenn es Studiengänge gibt, die speziell für Menschen im fortgeschrittenen Al- 90 ter konzipiert wurden und ihnen ermöglichen neben dem Beruf zu studieren. 91 Hierfür muss es viele Onlineangebote wie Livestreams, Skripte und Übungs- 92 aufgaben geben. Ebenso sollen Kurse verstärkt am Wochenende angeboten 93 werden. Teilzeitstudiengänge müssen von den Hochschulen verstärkt angebo- 94 ten werden und dürfen keine Option sein, die eventuell auf Nachfrage ermög- 95 licht wird. Gleichzeitig fordern die Liberalen die Arbeitgeber, die den Bolo- 96 gna-Prozess mit antreibt, auf, die Arbeitszeiten dahingehend flexibel zu ge- 97 stalten, dass ein Teilzeitstudium überhaupt möglich ist. Hierzu zählt auch die 98 finanzielle Absicherung über diesen Zeitraum. 99

9. Anwesenheitspflichten sollen nur auf Praktika re duziert werden. Die 100 Anwesenheitspflichten in Vorlesungen, Seminaren, Übungen und Tutorien sind 101 eine Bevormundung von Studierenden, die nicht den Effekt hat, dass die Stu- 102 dierenden mehr lernen, sondern dass sie ihre Zeit absitzen ohne etwas aus 103 der Veranstaltung mitzunehmen. Studierende sollen selbst entscheiden, wel- 104 che Veranstaltung für sie wann sinnvoll ist und welchen Stoff sie sich besser 105 selbstständig aneignen. Diese Veranstaltungen sollen ein Angebot sein - kein 106 Zwang. 107

10. Barrierefreiheit nicht mit „rollstuhlgerecht“ g leichzusetzen. Viele Stu- 108 dierende mit Behinderung oder chronischer Krankheit brauchen mehr Unter- 109 stützung als einen Aufzug oder eine Rampe. Auf diese individuellen Bedürf- 110 nisse müssen Hochschulen und Dozenten eingehen und Lösungen finden, um 111

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allen Studierenden das Studium zu ermöglichen. Prüfungsvoraussetzungen 112 und Prüfungsleistungen sowie die Studienzeit müssen flexibilisiert werden. 113 Dieser Prozess beginnt in den Köpfen der Studierenden und Dozenten. Stu- 114 dierende mit Behinderung oder chronischer Krankheit müssen auf Hilfe ver- 115 trauen können, statt um sie bitten zu müssen. 116

Begründung:

Erfolgt mündlich.

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Antrag 452

Betr.: Eigenverantwortung, Vielfalt und Wettbewerb im Schulwesen

Antragsteller:

Landesverband Bremen, Kreisverband Baden-Baden, Eckhard Behrens, Gregor Beyer, Norbert Bläsner, Christiane Brunk, Andreas Büttner, Dr. Dr. Magnus Buhlert, Mirco Dragowski, Gabriele Heise, Pascal Ko ber, Gino Leonhard, Patrick Meinhardt, Dirk Niebel, Birg it Sandner-Schmitt, Hans-Werner Schwarz, Michael Theur er, Dr. Florian Toncar, Marion Vogdt, Dr. Manfred Vohre r

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Pädagogische Freiheit für die Schulen 1

Liberale Bildungspolitik erwartet mehr Qualität bei der Entfaltung der pädago- 2 gischen Kreativität in allen Bereichen unseres Bildungssystems. Deshalb will 3 sie unter anderem, dass jeder Schule, die es wünscht, größere Eigenverant- 4 wortlichkeit zugestanden wird. Wir wollen dazu einen geeigneten Ordnungs- 5 rahmen schaffen und mit diesem Ziel auch das Recht der Schulen in freier 6 Trägerschaft so fortentwickeln, dass es letztlich als Vorbild für das gesamte 7 Schulwesen wirken kann. 8

„Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates“, stellt unser 9 Grundgesetz in Artikel 7 Absatz 1 fest. Bewusst nicht vorgesehen ist, dass 10 Bildung ausschließlich eine Aufgabe des Staates ist. Auch schreibt unser 11 Grundgesetz kein zentral geplantes und zentral verwaltetes Bildungswesen 12 vor; ordnungspolitisch bleibt der Schulpolitik damit – vom Verfassungsgeber 13 gewollt – ein sehr weiter Spielraum. Nur ein Staatsschulmonopol hat das 14 Grundgesetz von Anfang an verhindert. 15

Schulpolitik ist Ländersache. Im Grundgesetz wurden weder der schon vor ih- 16 rem Inkrafttreten bestehenden „Ständigen Konferenz der Kultusminister der 17 Länder“ irgendwelche Kompetenzen zur Vereinheitlichung des Schulwesens 18 zugebilligt noch dem Bund. Die Föderalismusreform des Jahres 2006 hat das 19 hinsichtlich des Schulwesens nochmals eindeutig bekräftigt, nachdem die seit 20 1969 im Grundgesetz verankerte gemeinsame Bildungsplanung von Bund und 21 Ländern bald stockte und einfach wirkungslos geblieben war, obwohl sie – an- 22 ders als die Kultusministerkonferenz – Mehrheitsentscheidungen kannte. Lei- 23

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der werden die dieser Entscheidung zugrunde liegenden historischen Erfah- 24 rungen in der aktuellen Diskussion immer noch weitgehend ignoriert. 25

Die vielfach angestrebte Vereinheitlichung des deutschen Bildungswesens 26 kann wegen hartnäckiger politischer Widerstände offenbar nicht gelingen. Sie 27 ist auch nicht wünschenswert, weil sie die Kreativität der einzelnen Schule 28 einschränken und damit die notwendigen Qualitätsverbesserungen gefährden 29 würde. Richtigerweise wurde daher auch bei der Reform von 2006 das Sekre- 30 tariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder, obwohl es die 31 Personalstruktur eines Bundesministeriums hat, vom Grundgesetzgeber 32 schlicht nicht zur Kenntnis genommen. Glücklicherweise kann daher kein Land 33 von den anderen Ländern daran gehindert werden, auf mehr Freiheit im Bil- 34 dungswesen zu setzen als bisher. 35

Unser Grundgesetz garantiert – dank einer Initiative des späteren Bundesprä- 36 sidenten Theodor Heuss im Parlamentarischen Rat – das Recht, Schulen in 37 freier Trägerschaft zu gründen und zu betreiben. Dieses Grundrecht verbürgt 38 Artikel 7 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Nur Schulen, die im Wettbe- 39 werb mit staatlich-kommunalen Schulen stehen (sogenannte Ersatzschulen), 40 bedürfen einer staatlichen Genehmigung, Artikel 7 Absatz 4 Satz 2 Grundge- 41 setz. Alle anderen (sogenannten Ergänzungsschulen) sind allenfalls anzeige- 42 pflichtig. Auf die Genehmigung als Ersatzschule besteht ein Rechtsanspruch, 43 wenn bestimmte rechtliche und qualitative Vorgaben erfüllt sind, Artikel 7 Ab- 44 satz 4 Satz 3 Grundgesetz. Die Schulaufsicht beschränkt sich auf die Überwa- 45 chung der dauernden Erfüllung der im Grundgesetz abschließend aufgeführ- 46 ten Genehmigungsvoraussetzungen. Eine Bedarfsprüfung darf nicht stattfin- 47 den. Wenn Eltern und Lehrer Ersatzschulen in freier Trägerschaft bevorzugen, 48 muss das Angebot staatlich-kommunaler Schulen nach dem Subsidiaritätsprin- 49 zip zurückgefahren werden. Zu diesem verfassungsrechtlichen Vorrang der 50 Schulen in freier Trägerschaft stehen die Liberalen. 51

Genauso engagiert kämpfen wir für größere Freiheit der Schulen in staat- 52 lich-kommunaler Trägerschaft, weil wir darin eine wichtige Voraussetzung für 53 fairen Wettbewerb zwischen den Schulträgern und den Schulen sehen, der 54 für die Weiterentwicklung unseres gesamten Schulwesens unverzichtbar ist. 55 Wettbewerb fördert die Entwicklung innovativer Ideen und lässt auf Dauer nur 56 bestehen, was sich auch hinreichend bewährt. 57

Diese bildungspolitische Grundhaltung ist auch geprägt von der pädagogi- 58 schen Einsicht, dass eigenverantwortliche und eigenständige Menschen nur in 59 einem Umfeld erzogen, unterrichtet und letztlich gebildet werden können, das 60 eigenverantwortlich agiert und den Schülern Eigenverantwortung vorlebt. Des- 61 halb setzen sich die Liberalen für eigenverantwortliche Schulen sowohl in 62 staatlich-kommunaler Trägerschaft als auch in freier Trägerschaft ein. 63

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Die FDP ist der festen Überzeugung, dass eine gute Schule nur im Wettbe- 64 werb entsteht. Denn dann können dank Wahlfreiheit Eltern, Lehrerinnen und 65 Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler nach bestmöglicher Bildung streben. 66 Das Recht der Schulen in freier Trägerschaft ist das ordnungspolitische Expe- 67 rimentierfeld einer freiheitlichen Politik für das gesamte Bildungswesen. 68

Eigenverantwortung 69

Maßstab guter Bildung sind Leistung, individuell bemessenes Fordern und Un- 70 terstützen der Kinder und Jugendlichen. Ziel ist es, jedes Kind und jeden Ju- 71 gendlichen zur individuell bestmöglichen Bildung zu führen. Denn: Mehr Bil- 72 dung eröffnet mehr Chancen für jeden! Liberale sehen Bildung als Vorausset- 73 zung dafür, dass Menschen Freiheit in Verantwortung leben können. 74

Liberale Bildungspolitik macht sich dafür stark, dass Menschen befähigt wer- 75 den, ihre Zukunft eigenverantwortlich und selbstständig zu gestalten. Entspre- 76 chend setzen sich FDP-Politiker auf allen Ebenen für Eigenständigkeit von 77 Schulen ein und unterstützen Schulen in freier Trägerschaft. In eigenständigen 78 (Bürger-)Schulen organisieren Eltern, Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerin- 79 nen und Schüler das Lernen selbst. Dies entspricht liberalen Forderungen von 80 eigenverantwortlichem Handeln. Dies geht davon aus, dass gute Lösungen 81 von unten wachsen und sich im Wettbewerb durchsetzen. Guter Unterricht 82 kann nur in den Klassen bzw. Lerngruppen in den Schulen stattfinden; er lässt 83 sich nicht verordnen, sondern nur fördern. Insofern ist guter Unterricht für je- 84 des Kind und jede Klasse auch eine Mannschaftsleistung des ganzen Lehrer- 85 kollegiums. Um diese zu verbessern, bedarf es der freien Lehrerwahl auch an 86 Schulen in staatlich-kommunaler Trägerschaft. 87

Die Vielfalt im Bildungssystem und die immer wieder von Privatschulen ausge- 88 henden Anregungen für die Weiterentwicklung der Pädagogik geben wichtige 89 Impulse zum kontinuierlichen Streben nach besserer Bildung. Es hat sich his- 90 torisch gezeigt, dass wichtige Impulse für die Fortentwicklung von Schulen in 91 freier Trägerschaft ausgingen. Ohne diese Impulse hätte es mancherlei Fort- 92 schritt nicht gegeben. 93

Einheitsschulen und Einheitslehrer sind weder förderlich für Wettbewerb noch 94 für Methodenvielfalt, wie sie moderner Unterricht erfordert. Nur im Wettbewerb 95 wird die Aufgabe der Schulen, jedes Kind zur individuell bestmöglichen Bil- 96 dung zu bringen, wirklich überall wahrgenommen. Kein Land kann es sich 97 leisten und gerade Deutschland mit dem derzeitigen Fachkräftemangel sollte 98 es sich nicht leisten, auch auf nur einen einzigen qualifizierten Menschen zu 99 verzichten. Jeder sollte deshalb die Chancen erhalten, sich bestmöglich zu bil- 100 den. Da Menschen verschieden sind, bedarf es dazu der verschiedensten An- 101 gebote, wie sie nur der Wettbewerb zwischen Schulen verschiedenster Schul- 102 träger und verschiedenster pädagogischer Orientierung hervorbringt. Es wer- 103

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den sich dann auch Lehrerkollegien zusammenfinden, die mit großem Enga- 104 gement die besondere Herausforderung annehmen, Kindern aus bildungsfer- 105 nen Schichten den Aufstieg zu ermöglichen. 106

Wir Liberalen sind überzeugt: Wenn wir Exzellenz in der Bildung wollen, kön- 107 nen wir auf pädagogischen Wettbewerb nicht verzichten. Neue Lösungen sind 108 – wie die Vergangenheit deutlich zeigt – erst nach ihrer Bewährung in der 109 pädagogischen Praxis mehrheits- oder gar konsensfähig und setzen sich erst 110 dann nach und nach allgemein durch. In diesem Sinne fungieren Privatschulen 111 als wichtiger Inkubator neuer pädagogischer Impulse. Nur aufgrund des bishe- 112 rigen, vielfach noch eingeschränkten Wettbewerbs war es möglich die heute 113 vorhandene vielfältige Schullandschaft zu entwickeln, die Angebote für die 114 verschiedensten individuellen Schüler bietet. Wir wollen auf dem erfolgver- 115 sprechenden Wege zu mehr Freiheit und Wettbewerb der Schulen weiter vor- 116 anschreiten. 117

Schlechte Bildung ist vor allem eine Folge fehlender pädagogischer Freiheit 118 der Schulen und fehlenden Wettbewerbs um die richtigen Konzepte, um 119 Schüler und um gute Lehrer. Volles berufliches Engagement und volle Kreati- 120 vitätsentfaltung sind auch bei Lehrern nur zu erwarten, wenn sie größtmögli- 121 che Freiheit genießen und in frei gewählten kollegialen Zusammenhängen ar- 122 beiten können. Daher müssen Eltern und Lehrer ihre Schule frei wählen dür- 123 fen – auch über Landes- und Trägergrenzen hinweg. Eine solche Ordnung der 124 Freiheit zu schaffen, ist unser Ziel. 125

Pädagogische Vielfalt 126

Pädagogische Vielfalt innerhalb eines Bundeslandes hindert die Freizügigkeit 127 nicht, sondern fördert sie. In einem vereinheitlichten Schulwesen sind am neu- 128 en Ort alle Schulen gleich, aber in der Regel anders als im Herkunftsland. Die 129 zentralistische Schulpolitik der Länder behindert die Freizügigkeit. Ist das 130 Schulwesen am neuen Ort vielfältig, erleichtert dies den hinzuziehenden Eltern 131 eine Schule zu finden, die der bisher besuchten ähnlicher ist als alle anderen 132 am Ort. Und der Wettbewerb der Schulen um Schüler führt dazu, dass der 133 Schüler nicht allein die Anpassungslast tragen muss, sondern von der aufneh- 134 menden Schule unterstützt wird. Das ist bei Schulen in freier Trägerschaft 135 schon immer zu beobachten. Staatliche Schulen werden das auch leisten, 136 wenn sie vergleichbare pädagogische Freiheiten haben und sich im Wettbe- 137 werb um Schüler bewähren müssen, das heißt zeigen zu müssen, dass sie 138 die aufgenommenen Schüler auch zum Ziel der Schule führen können. 139

Wir Liberale sind nicht bereit, auf die pädagogischen Chancen zu verzichten, 140 die eigenverantwortliche Schulen bieten können. Wir setzen dazu nicht nur 141 auf die Schulen in freier Trägerschaft, sondern wollen auch den staatlichen 142 Schulen dieselbe pädagogische Freiheit lassen. Es wird sich nicht mehr Viel- 143

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falt entwickeln, als die pädagogische Meinungsvielfalt mit sich bringt. Soweit 144 der pädagogische Konsens in der Gesellschaft reicht, werden sich auch auto- 145 nome Schulen gleichen. Vielfalt kann sich nur etablieren, wo es noch starke 146 Meinungsverschiedenheiten gibt, die zur Tat drängen, weil sie nicht durch Dis- 147 kussion oder demokratische Mehrheiten, sondern nur durch Erfahrungen mit 148 ihrer Realisierung entschieden werden können. Auf den Weg dieses Klärungs- 149 prozesses müssen wir uns im Interesse des politischen Schulfriedens endlich 150 begeben und den obrigkeitlich-zentralistischen Irrweg der Gleichschaltung von 151 Schulen verlassen. 152

Bessere Rahmenbedingungen schaffen 153

Um die Entstehung von Schulen in freier Trägerschaft zu erleichtern, fordern 154 wir den Artikel 7 Absatz 5 des Grundgesetzes zu streichen. Er schränkt die 155 Gründung von Grundschulen in freier Trägerschaft unnötig ein. Die für alle Er- 156 satzschulen geltenden Genehmigungsvoraussetzungen des Artikels 7 Absatz 157 4 des Grundgesetzes reichen zur Qualitätssicherung völlig aus. Die Gründbar- 158 keit von Grundschulen an der Einzigartigkeit des pädagogischen Konzeptes 159 festzumachen, widerspricht dem Ziel, dass erfolgreiche pädagogische Kon- 160 zepte in einer freiheitlichen Ordnung von anderen übernommen werden. Kon- 161 fessionelle Schulträger bei der Gründung von Schulen in freier Trägerschaft 162 zu privilegieren, ist historisch überholt und entspricht nicht unserem Gesell- 163 schaftsbild. Gleiches Recht für alle Schulträger benachteiligt keinen. 164

Der Praxis in einigen Bundesländen (beispielsweise in Baden-Württemberg 165 und Nordrhein-Westfalen) Schulen besonderer pädagogischer Prägung (zum 166 Beispiel Waldorfschulen) nicht als Ersatzschulen im Sinne des Grundgesetzes, 167 sondern als Ergänzungsschulen zu betrachten, die man nur im Gnadenwege 168 wie Ersatzschulen behandelt, treten die Liberalen entgegen, weil damit päd- 169 agogische Alternativen zu den Staatsschulen des jeweiligen Bundeslandes 170 gezielt benachteiligt werden sollen. Die Verengung des Ersatzschulbegriffes 171 auf Schulen, die den traditionellen staatlichen Schularten gleichartig sind, ist 172 bequem für die Genehmigungsbehörden, aber nicht im Sinne der pädagogi- 173 schen Freiheit, die das Grundgesetz schützen will. Die Genehmigungsbedürf- 174 tigkeit ergibt sich aus dem Wettbewerb um die Schüler, insbesondere um die, 175 die noch schulpflichtig sind. Sie sollen durch die Genehmigungsbedürftigkeit 176 geschützt werden, nicht jedoch das faktische staatliche Schulmonopol. Dieses 177 aufzuheben war das Ziel der Einführung der Privatschulfreiheit als Grundrecht 178 (Artikel 7 Absatz 4 Satz 1 Grundgesetz). Die Lehrziele von Ersatzschulen 179 müssen daher nur gleichwertig sein. 180

Die schulaufsichtsrechtliche Praxis vieler Bundesländer, die Anstellung jedes 181 einzelnen Lehrers an Ersatzschulen zu genehmigen statt sich mit einer recht- 182 zeitigen Anzeige der Schule zu begnügen, findet in den Genehmigungsvor- 183 aussetzungen des Artikel 7 Absatz 4 Grundgesetz keine Stütze. Das Grund- 184

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gesetz kennt nur die Genehmigung der Schule im Ganzen und folglich den 185 Widerruf der Genehmigung der Schule, wenn die Genehmigungsvorausset- 186 zungen insgesamt nicht mehr gegeben sind. Aber das Grundgesetz legitimiert 187 keinen Eingriff in den laufenden Schulbetrieb zur pädagogischen Feinsteue- 188 rung. Diese ist Sache des freien Trägers und künftig hoffentlich auch der ei- 189 genständigen Schule in staatlich-kommunaler Trägerschaft. Das Grundgesetz 190 fordert von Ersatzschulen nur die Gleichwertigkeit der wissenschaftlichen Aus- 191 bildung der Lehrkräfte, keine Lehrer-Staatsexamen (schon gar nicht des je- 192 weiligen Bundeslandes) und keine Einzelfallgenehmigung. 193

Die Schüler genehmigter Ersatzschulen haben einen Anspruch darauf, nach 194 den ihrer Schule genehmigten (gleichwertigen) Lehrzielen unterrichtet zu wer- 195 den. Sie haben deshalb wie Schüler staatlich-kommunaler Schulen auch einen 196 Anspruch darauf, in Abschlussprüfungen zum Erwerb von Berechtigungen nur 197 das geprüft zu werden, was sie nach den genehmigten Lehrzielen ihrer Schu- 198 le unterrichtet werden sollten. Artikel 12 des Grundgesetzes gewährleistet 199 deutschen Staatsbürgern die Freiheit der Wahl der Ausbildungsstätte und des 200 Berufs und lässt „subjektive Zulassungsbeschränkungen“ (Berechtigungen = 201 Zugangsprivilegien) nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 202 nur zum Schutze wichtiger Gemeinschaftsgüter zu. Dieser Schutz wird durch 203 die Genehmigungsvoraussetzungen für Ersatzschulen des Artikels 7 Absatz 4 204 Grundgesetz, insbesondere die Gleichwertigkeit der Lehrziele, bereits gewähr- 205 leistet. Die Prüfungsanforderungen sind daher den genehmigten, gleichwerti- 206 gen Lehrzielen ihrer Schulen und nicht denen staatlicher Schulen zu entneh- 207 men, mit denen ihre Schule konkurriert. 208

Deshalb haben genehmigte Ersatzschulen, die sich bewährt haben, Anspruch 209 auf den Status einer „staatlich anerkannten“ Ersatzschule, also das Recht, 210 selbst Prüfungen abzuhalten, die zum Erwerb der üblichen Berechtigungen 211 führen, z.B. der Hochschulzugangsberechtigung (HZB). Die bisher übliche 212 Gleichschaltung der Prüfungsanforderungen, z.B. im Zentralabitur, das ein Ex- 213 amensmonopol ist, führt zur Gleichschaltung des vorbereitenden Unterrichts, 214 also der Lehrziele und weitgehend der Methodik, die das Grundgesetz mit 215 dem Staatsschulmonopol gerade abschaffen wollte. Die meisten staatlich an- 216 erkannten Ersatzschulen machen jede Änderung der staatlichen Lehrpläne un- 217 verzüglich mit, weil sie sofortige Änderungen der Prüfungsanforderungen zur 218 Folge haben. Die Frage, ob die Änderungen in den Lehrplänen (Bildungsstan- 219 dards) in ihrem Sinne sind, stellen sie sich überhaupt nicht, weil sie auf das 220 Recht, ihre Schüler selbst zu prüfen, nicht verzichten wollen. Andernfalls wür- 221 den ihre Schüler an einer staatlichen Schule in einer sogenannten „Schulfrem- 222 den-Prüfung“ so geprüft, als hätten sie sich selbst vorbereitet, ohne je eine 223 Schule besucht zu haben. 224

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Die Identität von Lehrzielen und Prüfungsanforderungen, also die Ableitung 225 der Prüfungsanforderungen aus den genehmigten gleichwertigen Lehrzielen 226 (Bildungsstandards) muss im Interesse der Schüler künftig selbstverständlich 227 auch an pädagogisch eigenständigen Schulen in staatlich-kommunaler Träger- 228 schaft gelten, sonst geraten diese im Wettbewerb um die Schüler ins Hinter- 229 treffen. 230

Ein weiterer Anachronismus der Gleichschaltungspraxis der Privatschulgeset- 231 ze und Schulverwaltungen ist die Regel, dass staatlich anerkannte Ersatz- 232 schulen in freier Trägerschaft die Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen 233 der staatlich-kommunalen Schulen anwenden müssen. Sie dürfen also nicht 234 beweisen, dass sie in der Lage sind, schlechtere Schüler durch bessere päd- 235 agogische Leistungen oder mit zusätzlichem Aufwand zu denselben Zielen zu 236 führen. Dieses Problem entschärft sich für die weiterführenden allgemeinbil- 237 denden Schulen ganz wesentlich durch die Abschaffung der Verbindlichkeit 238 der Grundschulempfehlung, besteht für die Aufnahme in berufliche Schulen 239 aber fort. 240

Damit alle Schulen die gleichen Chancen haben, sollen Schulen in freier Trä- 241 gerschaft (sogenannte Ersatzschulen) pro Schülerin beziehungsweise pro 242 Schüler grundsätzlich dieselben Gelder erhalten wie staatliche Schulen des 243 entsprechenden Schultyps. Das staatliche Geld folgt den Schülern. Für Schü- 244 ler, die wegen einer Behinderung, eines Migrations- oder besonders schwieri- 245 gen sozialen Hintergrunds einen besonderen Förderungsbedarf haben, sind 246 höhere Kopfbeträge zu gewähren, damit es für pädagogisch geeignete Schu- 247 len attraktiv ist, diese Schüler aufzunehmen. Die Kopfbeträge sind nach dem 248 Umfang der Ganztagsbetreuung zu differenzieren. 249

In den Flächenstaaten sind die Lehrerpersonalkosten in der Regel Landessa- 250 che und die übrigen Personalkosten, die laufenden Sachkosten und die Schul- 251 bauinvestitionskosten und Schulbauunter-haltungskosten Sache einer der kom- 252 munalen Ebenen (Kommunen oder Kreise). Zur Regelung des „Gastschü- 253 ler-Problems“ gibt es zum Teil Kopfbeträge aus der kommunalen Finanzaus- 254 gleichsmasse des Landes. Insoweit sollte es zwei Kopfbeträge geben, einen 255 für die Lehrerkosten und einen für die „Sachkosten“. Hier müssen für jedes 256 Bundesland eigene Lösungen gefunden werden. Das Ziel muss sein enge 257 Zweckbindungen durch Globalhaushalte der Schulen zu überwinden, wie sie 258 die Schulen in freier Trägerschaft schon haben. 259

Bei Einhaltung der Schranke des Artikel 7 Absatz 4 Satz 3 des Grundgeset- 260 zes, dass eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der El- 261 tern nicht stattfinden darf, sehen die Liberalen es als unproblematisch an, 262 Schulgelder oder Beiträge an einen Schulförderverein zu erheben oder Spen- 263 den und Sponsorengelder einzuwerben und Schulstiftungen zu errichten. Ver- 264 bote führen nur zu Grauzonen. Im Kosten-Wettbewerb wird nicht zuletzt of- 265

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fengelegt, welche zusätzliche Qualität unvermeidlich mit höheren Kosten ver- 266 bunden ist und zusätzliche private Finanzierungen mobilisieren kann. Das 267 Qualitätsstreben kann für die öffentliche Hand ein Anlass sein, die Schü- 268 ler-Kopfbeträge zu erhöhen, um allen Schulen eine bessere pädagogische 269 Qualität zu ermöglichen. 270

Schlussbemerkung 271

Die Entwicklung zu mehr Eigenständigkeit jeder einzelnen Schule wird nur 272 schrittweise und nur mit ihrem Einverständnis erfolgen können – unabhängig 273 von ihrer Trägerschaft. Auch Schulen in freier Trägerschaft sind überwiegend 274 gewöhnt sich pädagogisch weitgehend vom jeweiligen Sitzland pädagogisch 275 prägen zu lassen. Das schränkt das pädagogische Entwicklungspotential lei- 276 der noch sehr ein. Wir zeigen auf, wie sich ein größeres pädagogisches Ent- 277 wicklungspotential erschließen ließe. Das umfasst auch das Festhalten am 278 pädagogisch Bewährten im Widerstand einer Schule gegen politisch motivierte 279 Schulreformen. Pädagogische Vielfalt ermöglicht Vergleiche, was sich wirklich 280 bewährt. 281

Die Liberalen wollen aufzeigen, dass mehr Freiheit und fairer pädagogischer 282 Qualitätswettbewerb aller Schulen voraussichtlich pädagogisch produktiver 283 sein werden und wie dies durch Weiterentwicklung des Rechts der Schulen in 284 freier Trägerschaft in den Einzelheiten experimentell auf einen sicheren ord- 285 nungspolitischen Weg gebracht werden kann, der in allen Elementen auf das 286 staatlich-kommunale Schulwesen ausgedehnt werden kann. 287

Begründung:

Erfolgt mündlich.

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Antrag 500

Betr.: Rahmenbedingungen für Frack-Verfahren - Ängste und Sorgen der Menschen ernst nehmen

Antragsteller: FDP Landesverband Niedersachsen

Der Bundesparteitag möge beschließen:

In den letzten Jahren haben technologische Entwicklungen im Bereich der 1 Erdgasförderung und Tiefengeothermie (Fracking) zu Ängsten und Sorgen bei 2 den Menschen geführt. Diese Ängste und Sorgen nimmt die FDP ernst, ohne 3 sie zu instrumentalisieren. Neue technologische Entwicklungen dürfen nicht 4 grundsätzlich abgelehnt werden, sondern müssen neu bewertet werden. Da- 5 her fordert die FDP: 6

• kein Fracking in Trink- und Mineralwassergewinnungsgebieten sowie in 7 Solefördergebieten; b 8

• die Information und Beteiligung der Öffentlichkeit bereits vor der ersten 9 Aufsuchungs-bohrung; b 10

• eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bei der Gasförderung in 11 Schiefergestein und Kohleflözen sowie Kriterien für eine Umweltverträg- 12 lichkeitsvorprüfung für Tiefengeothermie und Bohrlochstimulierung; b 13

• eine zwingende Beteiligung der zuständigen kommunalen Körperschaft 14 bei allen Verfahren; b 15

• die Offenlegung aller Bestandteile der Frack-Flüssigkeiten: Es muss si- 16 chergestellt werden, dass durch die Verwendung der Frack-Flüssigkeiten 17 keine Gesundheits- und Umweltge-fährdung entsteht; b 18

• die Industrie auf, die Frack-Flüssigkeiten und Frackverfahren fortlaufend 19 zu optimieren und in diesem Bereich weiter zu forschen; b 20

• eine generelle Beweislastumkehr im Bergrecht, so dass beispielsweise 21 im Falle einer Kontamination das Fracking-Unternehmen nachweisen 22 muss, dass die Verunreinigung nicht in Zusammenhang mit dem 23 Fracking steht; im Übrigen gelten die allgemeinen Regelungen zur Scha- 24 densersatzpflicht im Bergrecht; b 25

• fortlaufend und unmittelbar die Erkenntnisse der wissenschaftlichen 26 Forschung in die Genehmigungsverfahren aufzunehmen. b 27

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Unter diesen Rahmenbedingungen können die Chancen durch die technolo- 28 gische Weiterentwicklung für die Erdgasförderung und die Tiefengeothermie in 29 Deutschland genutzt werden, ohne die Ängste und Sorgen der Bevölkerung 30 zu vernachlässigen. 31

Begründung:

Erfolgt mündlich.

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Antrag 501

Betr.: Quotenmodell - Gesetzesinitiative für eine marktwirtschaftliche Reform der Energieförderung

Antragsteller: Landesverband Hessen

Der Bundesparteitag möge beschließen:

1. Die FDP fordert mehr Effizienz und Marktwirtschaft beim Ausbau der er- 1 neuerbaren Energien. b 2

2. Die FDP stellt fest, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz innovations- 3 und wettbewerbshemmend ist und daher abgeschafft gehört. b 4

3. Die FDP stellt fest,dass die Liberalisierung des Strommarktes im Jahr 5 1998 ihr Ziel bis heute nicht erreicht hat. Da die Bundesnetzagentur 6 nach dem Abschalten von acht Kernkraftwerken und dem teilweise ho- 7 hen Aufkommen an fluktuierenden Strommengen starke Eingriffe in die 8 Fahrweise von Kohle- und Gaskraftwerken vornehmen muss, um die 9 Netzstabilität zu gewährleisten, kann im Stromerzeugungsbereich mittler- 10 weile kaum noch von Wettbewerb gesprochen werden. Wettbewerblich 11 organisiert ist allein der Vertrieb. b 12

4. Die FDP stellt fest, dass die Energiewende nur gelingen wird, wenn En- 13 ergie für die Wirtschaft und die Haushalte bezahlbar bleibt und jederzeit 14 verfügbar ist. Dies erfordert einen Preis- und Innovationsdruck, wie er 15 nur im Wettbewerb entsteht. Daher setzt sich die FDP Hessen für ein 16 Quotenmodell ein, weil der notwendige Ausbau der erneuerbaren Ener- 17 gien nur in einem solchen System organisiert werden kann, das die Effi- 18 zienz und die Kosten ins Zentrum rückt. b 19

5. Die FDP unterstützt den Hessischen Minister für Wirtschaft, Verkehr 20 und Landesentwicklung in seiner Ablehnung des EEG und seinem Ein- 21 treten für ein europaweit angelegtes Quotenmodell. In diesem Modell 22 würden die Versorgungsunternehmen verpflichtet, einen bestimmten An- 23 teil Strom aus erneuerbaren Energien zu beziehen. Da sie ihn dort ein- 24 kaufen würden, wo er am günstigsten ist, würde ein Wettbewerb um die 25 kosteneffizienteste Technologie, Energieform und Anlagengröße ausge- 26 löst. Gerade für die deutschen Hersteller würde das zusätzliche Nachfra- 27 ge auf Zukunftsmärkten schaffen und sie damit aus der Rolle des Sub- 28 ventionsempfängers befreien. b 29

6. Die FDP sieht es als Bestätigung ihrer Position, dass sich die Vereini- 30 gung der hessischen Unternehmerverbände, die Initiative Neue Soziale 31

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Marktwirtschaft, das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit 32 und Verkehr sowie das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, In- 33 frastruktur, Verkehr und Technologie deutlich für ein Quotenmodell aus- 34 sprechen und das EEG in seiner derzeitigen Form ablehnen. b 35

7. Die FDP begrüßt, dass der Wirtschaftsminister des Freistaats Sachsen 36 ein wissenschaftliches Gutachten von Prof. Justus Haucap (Universität 37 Düsseldorf) und Prof. Jürgen Kühling (Universität Regensburg) vorge- 38 stellt hat, das ein Quotenmodell empfiehlt und konkrete Vorschläge 39 macht, wie dieses Quotenmodell ausgestaltet werden kann. b 40

8. Die FDP begrüßt, dass der Wirtschaftsminister des Freistaats Sachsen 41 außerdem eine Gesetzesinitiative für eine marktwirtschaftliche Reform 42 der Energieförderung vorlegt hat. Die hessische FDP hat ebenso ein In- 43 teresse daran, sich klar zur Energiewende zu bekennen und sie voran- 44 zubringen, aber endlich Schluss zu machen mit der preistreibenden 45 Planwirtschaft, die eine Bedrohung für unsere Unternehmen darstellt.Ziel 46 der Politik müssen bezahlbare Strompreise für Unternehmen und Ver- 47 braucher sein.Der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien muss 48 schnellstmöglich auf eine kosteneffiziente Basis umgestellt werden, um 49 den Wirtschaftsstandort Deutschland sowie Hessen nicht zu gefährden 50 und die Haushalte vor massiv steigenden Strompreisen zu schützen. b 51

9. Die FDP begrüßt, dass die FDP-geführten Ministerien aus Hessen und 52 Sachsen bezüglich des vom sächsischen Wirtschaftsministerium vorge- 53 legten Gutachtens und der weiteren Schritte des Freistaats Sachsen hin- 54 sichtlich einer Gesetzesinitiative zur Einführung eines Quotenmodells in 55 Kontakt stehen. Zudem wird begrüßt, dass auch auf der Ebene der 56 Stellvertretenden Ministerpräsidenten der Länder Sachsen und Hessen 57 diesbezüglich Gespräche stattfinden sollen. b 58

10. Die FDP stellt fest, dass die Unzulänglichkeiten des bestehenden EEG 59 die Politik zum Handeln auffordern. Daher wird sich die FDP Hessen für 60 die Einführung eines Quotenmodells einsetzen. b 61

Begründung:

Erfolgt mündlich.

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Antrag 550

Betr.: Qualität am Bau stärken - vorbereitende Ingenieurleistungen in HOAI ordnen

Antragsteller: Landesverband Thüringen

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Die Freie Demokratische Partei setzt sich dafür ein, in die fortzuschreibende 1 Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) die Leistungsbilder in 2 den Bereichen Geotechnik, Geodäsie, Bauphysik und Akustik aufzunehmen 3 sowie durch Honorartabellen zu untersetzen (Leistungsbilder der Teile VI, X, 4 XIII in der früheren HOAI 96). Darüber hinaus soll die Örtliche Bauüberwa- 5 chung (in HOAI 96 unter §57 geregelt) wieder einen angemessenen Kosten- 6 rahmen erhalten. 7

Begründung:

Mit der HOAI 2009 wurde noch durch die schwarz-rote Koalition eine grundlegende Änderung der HOAI vorgenommen, die nur bedingt zu einer angemesseneren Vergütung geführt hat. Insbesondere hat die Abschaffung der Honorarregelungen für die oben beschriebenen Leistungsbilder dazu geführt, dass anstatt eines fairen Wettbewerbs zunehmend intransparenter Preiskampf Einzug gehalten hat, ohne dass Bauherren ausreichend in den Stand versetzt sind, die entsprechenden Leistungen mit einem umfassenden Leistungsverzeichnis wie bei VOB- oder VOL-Verträgen anzufordern und in der Angebotsauswertung qualitativ zutreffende Vergleiche zwischen den Bietern zu treffen. Die Folge ist oft ein ruinöser Preiskampf zu Lasten der Qualität am Bau. Ingenieur- und Architektenleistungen unterscheiden sich von gewerblichen Leistungen durch ihren überwiegenden Anteil an geistig-schöpferischer Arbeit, bei der nicht von vornherein abgeschätzt werden kann, welche Leistungen im Laufe der Arbeit erforderlich werden. Könnte man dies, wären planerische bzw. Ingenieurleistungen weitgehend überflüssig. Angemessene Honorare in der HOAI zu regeln dient nicht irgendeiner Klientel, sondern vorrangig der Qualität am Bau und damit dem Verbraucherschutz.

Der Antrag ließe sich beispielsweise umsetzen, indem ein Kapitel „Planungsgrundlagen und baubegleitende Leistungen“ eingeführt wird, das in Unterkapitel zu gliedern ist, die die oben beschriebenen Leistungsbilder enthalten.

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Antrag 600

Betr.: Nein zur Innenstadt-Benutzungsgebühr (City-Maut)

Antragsteller: Landesverband Baden-Württemberg

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Die FDP lehnt die Einführung einer City-Maut entschieden ab. 1

Schon heute zahlen Autofahrer hohe Mineralölsteuern und KFZ-Steuer und 2 sollten nicht durch die Einführung einer City-Maut erneut über alle Maßen zur 3 Kasse gebeten werden. Eine derartige Kombination aus Steuern und Gebüh- 4 ren ist für den Autofahrer nicht nur intransparent, sondern auch ungerecht. 5

Gegen eine Innenstadt-Benutzungsgebühr sprechen folgende Argumente: 6

1. Kein Abbau von Verkehrsspitzen 7

Wie die Beispiele London und Stockholm zeigen, geht zwar der Gesamtver- 8 kehr zurück, aber die durch den Berufsverkehr bedingten Verkehrsspitzen 9 werden kaum abgebaut, weil sich die meisten Arbeitnehmer nach festen Ar- 10 beitszeiten richten müssen. 11

2. Keine Lösung, nur Verlagerung der verkehrsbedingten Umweltprobleme 12

Umweltprobleme im Stadtzentrum werden durch eine Innenstadt-Benutzungs- 13 gebühr nicht gelöst, sondern lediglich von der Innenstadt auf mautfreie (Vor-) 14 Stadtgebiete verlagert. 15

3. Verödung der Innenstädte 16

Die Innenstädte veröden, da viele Menschen dann Geschäfte und Einkaufs- 17 zentren außerhalb der Maut-Zone bevorzugen. Dort siedeln sich dann mit der 18 Zeit diejenigen Firmen an, die die Stadt wegen wegbleibender Kunden verlas- 19 sen mussten. Das zieht weiteren Landschaftsverbrauch und unerwünschte 20 Zersiedelung nach sich. 21

4. Die Abhängigkeit vom Individualverkehr (Auto) wächst 22

Am Rand der Maut-Zone ist der ÖPNV in der Regel schlechter ausgebaut als 23 in der Stadt selbst. Die Abhängigkeit vom Auto wird größer. Mit der Zeit wird 24 der Radius der Mautzone immer weiter anwachsen, und damit auch die mittle- 25

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re zurückzulegende Strecke. Das Problem wird also nicht gelöst, sondern nur 26 sukzessive verlagert. 27

5. Soziale Ungerechtigkeit 28

Die City-Maut ist eine ungerechte Mehrbelastung, die dazu führt, dass vor al- 29 lem diejenigen Bürger belastet werden, die aufgrund eines Arbeitsplatzes oder 30 Wohnortes innerhalb der Stadt dazu gezwungen sind, das Auto zu benutzen, 31 und nicht diejenigen Autofahrer mehr bezahlen müssen, die tatsächlich mehr 32 Schadstoffe produzieren oder insgesamt mehr Kilometer fahren. Einkommens- 33 schwächere Bürger werden sich regelmäßige Fahrten in die Stadt nicht mehr 34 leisten können. 35

6. Erhebungsaufwand 36

Die aufwendige Technik und die Verwaltung fressen einen Großteil der Ein- 37 nahmen, z. B. in London ca. 44 % und in Stockholm ca. 55%. 38

Begründung:

Erfolgt mündlich.

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Antrag 750

Betr.: Die FDP fordert eine Struktur-, Finanz- und Programmreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Antragsteller: Landesverband Bremen

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Fokussierung und Komplementärangebot statt Vollversorgungsauf- 1

trag 2

In einem dualen System, in dem gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche 3 Rundfunkanstalten, ihre Tochterunternehmen und private Anbieter miteinander 4 konkurrieren kann wirksam sichergestellt werden, dass der Rundfunkauftrag 5 von allen Anbietern in ihrer Gesamtheit erfüllt wird. Die Sicherung der Vielfalt 6 kann aber nur gewährleistet werden, wenn keiner der Anbieter eine marktbe- 7 herrschende Stellung einnimmt. 8

Der Versorgungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist von 9 den Legislativorganen der Länder zu präzisieren und entsprechend der beste- 10 henden Vielfalt der heutigen Medienlandschaft enger zu fassen. Ziel ist, den 11 Bildungs- und regionalen Informationsanteil in den öffentlich-rechtlichen Pro- 12 grammen zu erhöhen und breite Bevölkerungsschichten zielgerecht anzuspre- 13 chen. Insgesamt fordert die FDP daher eine Fokussierung innerhalb des öf- 14 fentlich-rechtlichen Medienangebots auf den Bildungs-, Informations- und Kul- 15 turauftrag. 16

Erhöhung der Wirtschaftlichkeit und des Wettbewerbs 17

Zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit sind Parallelberichterstattungen und Dop- 18 pelungen im Programm über mehrere Kanäle zu vermeiden. Neue Medien 19 sind sinnvoll und kosteneinsparend zu nutzen. 20

Öffentlich-rechtliche Produktionen aus dem Bildungs- und Informationsauftrag 21 sind nach ihrer Erstausstrahlung über Internettechnologien ohne zeitliche Be- 22 schränkungen und ohne weiteres Entgelt zugänglich zu machen. 23

Die Landtage und Regierungen der Länder werden aufgefordert die Größe 24 der Rundfunkanstalten an den Umfang des zu erfüllenden Versorgungsauftra- 25 ges und den Kriterien der Wirtschaftlichkeit zu messen. Zu kleine Anstalten 26

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sind mit anderen Anstalten zu fusionieren oder zu schließen, um die effiziente 27 Erfüllung des Versorgungsauftrages insgesamt sicher zu stellen. 28

Langfristig ist anzustreben, zumindest Teile der derzeit noch von den öffent- 29 lich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Rahmen ihres Grundversorgungsauftra- 30 ges erbrachten Leistungen einzeln öffentlich auszuschreiben und nach dem 31 Gebot der Wirtschaftlichkeit jeweils zeitlich befristet zu vergeben. 32

Die Erstversorgung mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunkangebot erfolgt 33 durch terrestrische Ausstrahlung oder Satellit. Für andere Verbreitungstechno- 34 logien gilt statt eines “must carry” ein entgeltfreies “must offer” für das öffent- 35 lich-rechtliche Rundfunkangebot von Seiten der Rundfunkanstalten. 36

Rundfunkbeitrag reduzieren 37

Ausschließlich natürliche Personen sind direkte Nutznießer des öffent- 38 lich-rechtlichen Medienangebots; nur sie sollen auch zur Finanzierung heran- 39 gezogen werden. Zur Gewährleistung der Erfüllbarkeit des Grundversorgungs- 40 auftrages ist ein allgemeiner Beitrag unabhängig von der tatsächlich Nutzung 41 des Medienangebots zu erheben. Der Einzug des Beitrags soll über die Steu- 42 erbehörden erfolgen. 43

Als Folge der Fokussierung innerhalb des öffentlich-rechtlichen Medienange- 44 bots auf den Bildungs-, Informations- und Kulturauftrag und der kontinuierli- 45 chen Erhöhung der Wirtschaftlichkeit ist der Finanzbedarf regelmäßig neu zu 46 bestimmen. Finanzzuweisungen aus den Beitragseinnahmen erfolgen nur in 47 Zusammenhang mit quantifizierten und messbaren Leistungsvereinbarungen. 48 Ein Verwendung der Finanzzuweisungen für andere als die vereinbarten Leis- 49 tungen ist nicht zulässig. Bei Nichterbringen der vereinbarten Leistungen sind 50 entsprechende Finanzzuweisungen dem Beitragsfond zurück zu erstatten. 51

Die sachgerechte und wirtschaftliche Verwendung der Finanzzuweisungen 52 wird regelmäßig durch externe Experten geprüft. 53

Reform der Aufsicht und Zusammensetzung der Gremien 54

Um die Unabhängigkeit und Wirtschaftlichkeit der öffentlich-rechtlichen Medi- 55 en zu gewährleisten ist ihre Aufsicht grundlegend zu reformieren und zu pro- 56 fessionalisieren. Eine unabhängige Aufsicht kann grundsätzlich nur durch ex- 57 terne Expertengremien stattfinden. Die Mitgliedschaft in diesen Expertengremi- 58 en muss unabhängig von einer Partei- und Religionszugehörigkeit sein. 59

Begründung:

Erfolgt mündlich.

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Antrag 800

Betr.: Einrichtung eines BFA Europapolitik

Antragsteller: Landesverband Rheinland-Pfalz

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Es wird ein Bundesfachausschuss Europapolitik eingerichtet. 1

Begründung:

Erfolgt mündlich.

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Antrag 801

Betr.: Gemeinsamer europäischer Spitzenkandidat der Libera len für die Europawahlen 2014

Antragsteller: Bezirksverband Nordschwarzwald

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Die FDP spricht sich für einen gemeinsamen europäischen Spitzenkandidaten 1 der Liberalen für die Europawahl 2014 aus, der im Fall eines Wahlsieges die 2 Aufgabe des Kommissionspräsidenten übernehmen soll. 3

Begründung:

Mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags wurde festgelegt, dass das Ergebnis der Europa-Wahl bei der Auswahl des Kommissionspräsidenten Berücksichtigung finden soll. Der künftige Kommissionspräsident wird vom Europäischen Parlament gewählt und benötigt hierfür eine parlamentarische Mehrheit.

Die Liberalen haben 1976 in Stuttgart als erste politische Kraft eine europäische liberale Partei gegründet. Nachdem andere Parteien sich bereits für einen gemeinsamen europäischen Spitzenkandidaten entschieden haben, sollten die Liberalen dringend mit einer eigenen geeigneten Persönlichkeit antreten. Die Liberalen in Europa verfügen über eine ganze Reihe von Persönlichkeiten, wie z.B. amtierende Ministerpräsidenten, die für diese Aufgabe in jedem Fall geeignet sind.

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Antrag 802

Betr.: Für ein Europa der Kommunen

Antragsteller: Bezirksverbände Altona, Hamburg-Mitte, Hamburg-Nord

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Der Bundesvorstand der FDP wird aufgefordert, nach der Bundestagswahl 1 2013 und vor dem Jahr 2014 einen Kongress mit dem Thema „Europa der 2 Kommunen“ durchzuführen. 3

Ziel dieses Kongresses soll es sein, dass 4

• das Bewusstsein für die Bedeutung Europas für die kommunale Ebene 5 gestärkt wird, b 6

• die Kommunikationsstrukturen zwischen Europa und den Kommunen in 7 beide Richtungen verbessert werden, b 8

• die Legislativen in Brüssel/Straßburg, Berlin, den Ländern und Kommu- 9 nen besser im Gesetzgebungsprozess vernetzt werden, b 10

• die FDP auch auf kommunaler Ebene ihr Profil als kompetente Europa- 11 partei schärfen kann. b 12

Zu diesem Zwecke sollen Kommunal-, Landes-, Bundes- und Europapolitiker 13 mit externen Experten Lösungen zu unter anderem folgenden Fragen erarbei- 14 ten: 15

• Wie kann eine konstruktive inner- und außerparteiliche Diskussionskul- 16 tur über die Zukunft Europas etabliert werden? b 17

• Wie können kommunalpolitische Interessen stärker Eingang in die Euro- 18 papolitik finden? b 19

• Wie kann man das Subsidiaritätsprinzip besser verteidigen und durch- 20 setzen? b 21

• Wie kann man der wachsenden Bedeutung Europas in der Parteipolitik 22 gerecht werden? b 23

• Was für Verfahren und Strukturen können die Kommunikation zwischen 24 den verschiedenen Legislativebenen verbessern und zu einem frühzeiti- 25 gen Austausch zwischen Brüssel und den Kommunen führen? b 26

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• Wie kann man die Rollen der Vereinigung Liberaler Kommunalpolitiker 27 (VLK) und der Europabeauftragten besser für die kommunale Europapo- 28 litik nutzen? b 29

• Wie kann man als europäische ALDE-Partei, anstatt als nationale FDP, 30 zur nächsten Europawahl antreten und trotzdem in einer ALDE-Fraktion 31 kommunale Belange ausreichend vertreten? b 32

Begründung:

Europa muss zu einem Europa der Bürger werden, in dem die Bürger nicht nur von der wirtschaftlichen Notwendigkeit eines gemeinsamen Europas überzeugt sind, sondern Europa auch als kulturelle und ideelle Heimat und als Bereicherung ihres persönlichen und alltäglichen Lebens wahrnehmen.

Als Europa-Partei sieht es die FDP als vorrangige Aufgabe an, den europäischen Einigungsprozess zu unterstützen und Deutschland einen verlässlichen Partner für seine europäischen Nachbarn sein zu lassen. Hierfür muss die Idee Europas auf kommunaler Ebene also bei den Bürgern ankommen und von ihnen angenommen werden können.

Die jüngsten Finanz-, Wirtschafts- und Schuldenkrisen haben die Akzeptanz der europäischen Idee bei den Bürgern Europas schwinden lassen. Überbordende Bürokratie, Realitäts-ferne, Korruption und Missmanagement europäischer Einrichtungen trugen ebenfalls zu einer verstärkten Ablehnung eines gemeinsamen Europas bei. Die Rückkehr zu nationalistischen Ideen ist nicht nur in Ländern wie Ungarn beobachtbar, sondern erreicht immer mehr auch die Mehrheitsgesellschaften der europäischen Gesamtbevölkerung.

Appelle an die Vernunft, Verweise auf die Errungenschaften der EU und Warnungen vor Kriegen und sozialen Verwerfungen sind keine geeigneten Mittel, um die Begeisterung für Europa wieder zu entfachen.

Die Bezirksverbände Altona, Hamburg-Mitte und Hamburg-Nord schlagen stattdessen vor, dass die Vorteile Europas wieder direkter erfahrbar und seine Gestaltungs- und Partizipationsmöglichkeiten vergrößert werden müssen.

Aus diesem Grunde soll ein Europa der Kommunen und die Durchsetzung des Subsidiaritätsprinzips mittels der oben aufgeführten und daraus resultierenden Maßnahmen gefördert werden.