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Fachgebiet Massivbau Prof. Dr.-Ing. M. Rösler Beuth Hochschule für Technik Berlin Seite 1 Aussteifung Aussteifung Grundsatz Geschossbauten müssen gegen Horizontallasten ausgesteift sein. Aussteifende Bauteile können sein: Wandscheiben, Kerne, Rahmen, Verbände Bauformen Schotten- oder Wandbau, meist im Wohnungsbau. Wände nehmen vertikale und horizontale Lasten auf. Skelett- oder Rahmenbaubau, geringe Bauhöhe, nicht mehr als 2 Geschosse, horizontale Lasten werden über Rahmenwirkung abgetragen. Skelettbau mit Wandscheiben Skelettbau mit Kern Skelettbauten können auch als Mischform errichtet werden.

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Seite 1Aussteifung

Aussteifung Grundsatz Geschossbauten müssen gegen Horizontallasten ausgesteift sein. Aussteifende Bauteile können sein: Wandscheiben, Kerne, Rahmen, Verbände

Bauformen Schotten- oder Wandbau, meist im Wohnungsbau. Wände nehmen vertikale und horizontale Lasten auf. Skelett- oder Rahmenbaubau, geringe Bauhöhe, nicht mehr als 2 Geschosse, horizontale Lasten werden über Rahmenwirkung abgetragen. Skelettbau mit Wandscheiben Skelettbau mit Kern Skelettbauten können auch als Mischform errichtet werden.

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Seite 2Aussteifung

Sehr hohe Gebäude werden durch Hohlkästen aus Rahmen ausgesteift. Sie zeichnen sich durch ein günstiges seismisches Verhalten aus. Eine Ergänzung durch einen inneren Hohlkasten (tube in tube) oder Wandscheiben ist möglich.

Anordnung der Aussteifung Es sind mindestens drei Wandscheiben erforderlich, die sich nicht in einem Punkt schneiden dürfen. Die Aussteifung kann auch über einen Kern erfolgen. Stabiles System

Labiles System

Eine günstige Anordnung der Aussteifung ermöglicht eine zwängungsfreie Verformung des Gebäudes; bei einer ungünstigen Anordnung ist mit Rissbildung zu rechnen.

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Seite 3Aussteifung

Weitere Möglichkeiten für die Anordnung von aussteifenden Bauteilen.

Konstruktionsgrundsätze So symmetrisch wie möglich, Kerne in die Mitte, Wände nach außen, Zwangskräfte vermeiden, hohe Vertikallasten für aussteifende Bauteile Steifigkeitskriterium Ein Gebäude kann als ausreichend ausgesteift betrachtet werden, wenn die aus der Tragwerksverformung entstehenden Schnittlasten die Tragfähigkeit der aussteifenden Bauteile um weniger als 10 % vermindern. Andernfalls gilt das Tragwerk als nicht ausgesteift mit der Folge, dass sämtliche Schnittgrößen am verformten System nach Theorie II. Ordnung berechnet werden müssen. Bauteile können als ausgesteift betrachtet werden, wenn die nachfolgenden Bedingungen erfüllt sind.

1. Seitensteifigkeit (Translation)

460

1

31020

11

mfür,

mfürm,,

EdF

cIcmE

toth

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Seite 4Aussteifung

2. Verdrehsteifigkeit (Rotation)

m Anzahl der Geschosse htot Höhe des Gebäudes ab OK Fundament

FEd Summe der Vertikallasten (F=1,0)

Ecm·Ic Biegesteifigkeit der aussteifenden Bauteile

Ecm ·Iw Wölbsteifigkeiten der aussteifenden Bauteile

Gcm ·IT Torsionssteifigkeiten der aussteifenden Bauteile

rj Abstand des belasteten Bauteils vom Schubmittelpunkt

Belastung Die maßgebenden Belastungen der aussteifenden Bauteile sind Wind, Lotabweichung und Erdbeben. In einzelnen Fällen können weitere Belastungen dazukommen, wie z.B. Anprall von Fahrzeugen in Parkhäusern, seitlicher Erd- oder Wasserdruck. Windlast nach DIN 1055 Die Windlast setzt sich aus dem Staudruck q, der Bauteilfläche A und einem aerodynamischen Beiwert cf zusammen. AqcW f

Bei langgestreckten Gebäuden ist der Einfluss von Windböen durch eine Exzentrizität der Windlastresultierenden von 10 % zu berücksichtigen. Bei aerodynamisch ungünstig geformter Gebäudegeometrie (Flügelprofil) sind Versuche im Windkanal sinnvoll.

460

1

31020

12282

12

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j jrj,Ed

FTIcmG

,j jrj,EdF

IcmE

toth

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Seite 5Aussteifung

Lotabweichung Zur Berücksichtigung von Imperfekionen des Bauwerks ist eine Schiefstellung um den Winkel a1 anzusetzen.

tot

ah

100

11

Bei mehreren lastabtragenden Bauteilen darf die Schiefstellung um den Faktor an abgemindert werden.

2

11

nan

a1 Winkel der Schiefstellung im Bogenmaß htot Gebäudehöhe über Einspannebene an Abminderungsfaktor n Anzahl der lastabtragenden (hier H-Last) Bauteile; sie müssen mindestens

70 % der mittleren Längskraft FEd,m aufnehmen

n

FF Ed

m,Ed

FEd Summe der Vertikallasten (F=1,0)

Die Lotabweichung kann durch eine horizontale Ersatzkraft Hi berücksichtigt werden, die in jeder Geschossebene angreift. 1aii VH

Hi Horizontalkraft je Geschoss Vi Vertikalkraft je Geschoss

Erdbeben Wird in Deutschland i.d.R. nicht berücksichtigt. Beispiele Auf den folgenden Seiten sind einige Beispiele von Hochhäusern abgebildet.

a1

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Seite 6Aussteifung

Empire State Building – New York Baujahr 1930 bis 1931, 381 m, 102 Stockwerke, Stahlskelettbau, Baugeschwindigkeit 4,5 Stockwerke je Woche

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Seite 7Aussteifung

Hancock Center - Chigago Baujahr 1965 bis 1968, 330 m, Stahlskelettbau mit diagonalen Aussteifungsverbänden

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Seite 8Aussteifung

World Trade Center – New York Baujahr 1970 bis 1973, 417 m, 110 Stockwerke, Stahlskelettbau, 208 Aufzüge

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Seite 9Aussteifung

Sears Tower - Chikago Baujahr 1971 bis 1974, 447 m, 110 Stockwerke, Stahlskelettbau, 102 Aufzüge, 9 Grundelemente selbstständig tragend, Gesamtgewicht 17.000 t

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Seite 10Aussteifung

Hongkong & Shanghai Bank - Hongkong Baujahr 1979 bis 1986, 180 m, 47 Stockwerke, Stahlrahmenkonstruktion mit Hängeelementen, teuerste Bank der Welt

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La Grande Arche - Paris Baujahr 1983 bis 1989, 110 m hoch und 106 m breit, Seiten 19 m

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Seite 12Aussteifung

Petronas Towers - Kuala Lumpur Baujahr 1992 bis 1997, 452 m, Stahlbetonbau,

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Seite 13Aussteifung

Berechnung der Horizontalkräfte auf aussteifende Bauteile

Wy

Wxy

x

Statisch bestimmte Anordnung

W 1

W 2

W 3

30,00

20,

00

Die Windlasten teilen sich unter Ansatz von Gleichgewichtsbedingungen auf die Wandscheiben auf. Die Anzahl der Wandscheiben ist gleich der Anzahl der Gleichgewichtsbedingungen. Wind aus x-Richtung: x33x WWWW0H

30

10WW30W10W0)20,0(M x22x

Wind aus y-Richtung: 30

15WW30W15W0)20,0(M x22y

21y21y WWWWWW0V

2

WWW y

21

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Seite 14Aussteifung

Wy

Wxy

x

30,00

W 2

W 1 W 4

20,0

0

Statisch unbestimmte AnordnungSymmetrisches System

W 3

W 5

5,00

Windlasten teilen sich nach Steifigkeit der Wandscheiben auf. Es treten nur Verschiebungen (Translation) auf, aber keine Verdrehungen (Rotation).

Für Wind in y-Richtung: )EI(

)EI(WW i

yi

Beispiel: Wände aus Beton mit einer Dicke von 20 cm, E = const.

43

41 m13312

202,0II

43

32 m1,212

52,0II

49,0W)1,2133(2

133WWW yy41

01,0W)1,2133(2

1,2WWW yy32

Die Summe aller Wandscheiben in y-Richtung ist 1,0.

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Seite 15Aussteifung

Wx

Wy

W 3

W 2

yW 5

x

30,00

20,0

0

Statisch unbestimmte AnordnungUnsymmetrisches System

Flächenschwerpunkt

W 1

W 2Schubmittelpunkt

Der Schwerpunkt des Lastangriffs (Flächenschwerpunkt) ist nicht im Schwerpunkt der Scheibenwiderstände (Schubmittelpunkt). Das Gebäude verschiebt sich (Translation) und verdreht sich (Rotation). Vorgehensweise: Lastangriff erfolgt im Schubmittelpunkt → TRANSLATION Torsionsmoment greift im Schubmittelpunkt an → ROTATION Lastfall TRANSLATION:

Verteilung der Kräfte nach Steifigkeit auf die Wandscheiben Lastfall ROTATION:

Verteilung des Torsionsmomentes nach Steifigkeit und Hebelarm auf die Wandscheiben

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Seite 16Aussteifung

Verteilung der Windlasten bei statisch unbestimmten Systemen

Wy · ex

Wy

y - Richtung

Wx · ey

Wx x - Richtung

ex

Wy

x

y

ey

Wx

Wy

Flächenschwerpunkt

Schubmittelpunkt

Wx

Translation Rotation