4
03/September 2015 Zeitung des Bremer Rates für Integration „Verschieden-Sein ist eben voll normal“ Integrationssenatorin Stahmann will Stärken einer vielfältigen Gesellschaft sichtbar machen Das Thema „Integration“ fällt seit Beginn der neuen Legislaturperiode in Anja Stahmanns (Sozial-) Ressort. MITeinander: Bereits vor einigen Jahren war das Thema „Integration“ bei der Sozialbehörde angesiedelt, die letzten vier Jahre in der Senats- kanzlei. Viele hatten es damals begrüßt, dass die- ses Thema – das ja alle Ressorts betrifft – erstmals ins Rathaus verlegt wurde. Warum wurde es wie- der zurückverlagert, was sind die Gründe? Anja Stahmann: Hier gilt das „Primat der Politik“: Die Entscheidung ist beide Male in den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grü- nen gefallen. Und beide Zuordnungen haben ihre Stärke: Als im Jahr 2011 die Zuständigkeiten im Senat neu sortiert wurden, hatte man vor allem die vielfältigen Aufgaben der Integration in allen ge- sellschaftlichen und politischen Handlungsfeldern vor Augen. Durch die Ansiedlung im Rathaus sollte das Thema in seiner gesamtgesellschaftli- chen Bedeutung hervorgehoben werden. Es sollte deutlich werden, dass Integration kein Thema ist, das allein im Sozialen spielt. Es ging darum, einen spürbaren Akzent zu setzen: Gleichberechtigte Teilhabe und die Stärke einer vielfältigen Gesell- schaft – das hat Bedeutung in allen Ressorts, in allen Handlungsfeldern und geht alle an. Seitdem hat sich die Welt grundlegend gewandelt: Allein im August dieses Jahres haben fast 1.000 Men- schen, Erwachsene und Kinder, Schutz im Land Bremen gesucht und zusätzlich über 100 alleinste- hende Jugendliche. Damit rücken die Flüchtlinge viel stärker ins Zentrum aller Integrations- bemühungen, und längst ist das Thema Asyl ganz oben auf der Tagesordnung. Da halte ich eine enge Anbindung der Integration und der Beauftragten an mein Ressort für ein Gebot der Stunde. MITeinander: Welche Vorteile ergeben sich dar- aus? Stahmann: Das Wirken unter dem Dach einer gemeinsamen Behörde birgt die Chance zu einer Integrationspolitik „aus einem Guss“. Wir wollen alle Zuwanderungsgruppen mitdenken und auch die Aufnahmegesellschaft im Blick behalten. Aber angesichts der vielen Flüchtlinge ist ein ganz erheblicher Teil der Integrationspoli- tik schon vor der Neuaufteilung im Senat in mei- nem Hause gelaufen – denken Sie etwa an die Runden Tische, die wir angestoßen haben, wo immer eine Gemeinschaftsunterkunft für Flücht- linge eingerichtet worden ist. Derzeit müssen wir uns voll auf die Erstaufnahme und Unterbrin- gung von Flüchtlingen konzentrieren. Und gleichzeitig denken wir über den Tag hinaus: Wir brauchen vielfältige Wege und Angebote zu Integration, denn wir wissen: Die große Mehr- heit der Flüchtlinge wird auf Dauer bei uns blei- ben. Aber wir vergessen auch unsere übrigen Aufgaben nicht: andere Zugewanderte sowie Bremerinnen und Bremer ohne eigene Migrati- onserfahrung sollen gleichberechtigt teilhaben an unserem Gemeinwesen. Diese Aufgaben blei- ben uns erhalten, ich möchte sie künftig aus mei- nem Ressort heraus als übergreifende Aufgabe im Senat verankern. MITeinander: Gibt es den Posten der Integra- tionsbeauftregten noch? Stahmann: Natürlich, Silke Harth bleibt unse- re Integrationsbeauftragte, daran wird sich nichts ändern. Und sie soll auch weiterhin als Ansprech- partnerin in hohem Maße eigenständig agieren und entscheiden können. Angesichts der veränder- ten Aufgaben wünsche ich mir aber schon, dass sie und ihre Kolleginnen und Kollegen auch räumlich in mein Haus wechseln. Das bereiten wir gerade vor. MITeinander: Wie sieht die Aufgabenvertei- lung zwischen Ihnen aus? Stahmann: Wir haben eine ähnliche Kon- struktion wie mit der Integrationsbeauftragten in unserem Hause ja auch mit der Landesbeauftrag- ten für Frauen, Ulrike Hauffe. Das hat sich durch- aus bewährt. Die fachliche Arbeit kann in hohem Maße autonom laufen, in der politischen Abstim- mung sind wir dann eng miteinander im Ge- spräch. Den Austausch habe ich immer als span- nend empfunden und als förderlich in der Sache. Ich bin mir sicher, dass das mit Silke Harth auch klappen wird. Die Chemie stimmt auf jeden Fall. MITeinander: Integration ist eine Mammutauf- gabe. Was sind für Sie als „Integrationssenato- rin“ die dringlichsten Fragen? Stahmann: Das stimmt: Es gibt einen großen Strauß an wirklich dringenden Anliegen. Mir ist wichtig, die Stärken einer vielfältigen Gesellschaft sichtbar zu machen. Bremerhaven und Bremen sind Städte, in denen sich jede und jeder zugehörig fühlen kann. Und es gehört auch dazu, dass wir Rassismus und Fremdenfeindlichkeit entgegentre- ten, genauso wie Vorbehalten z.B. gegenüber reli- giösen Orientierungen. Denn so sehr die Zugewan- Nächste Termine Die nächste öffentliche Sitzung des Bremer Rates für Integration ist am Mittwoch, 18. November, in Bremen. Der genaue Ort wird kurzfristig bekannt gegeben unter: www.bremer-rat-fuer-integration.de Büro des BRI: Am Markt 20, im Gebäude der Bürgerschaft (Eingang EuropaPunkt Bremen), 28195 Bremen Sprechzeiten: tägl. 14–15 Uhr Telefon: 0421 | 361-26 94 [email protected] www.bremer-rat-fuer-integration.de >

„Verschieden-Sein ist eben voll normal“ · Direktor des Ensembles „Camellia“. Nun hat er seinen Traum wahr gemacht und mit Unterstüt-zung verschiedener Bremer Institutionen,

  • Upload
    others

  • View
    6

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: „Verschieden-Sein ist eben voll normal“ · Direktor des Ensembles „Camellia“. Nun hat er seinen Traum wahr gemacht und mit Unterstüt-zung verschiedener Bremer Institutionen,

03/September 2015Zeitung des Bremer Rates für Integration

„Verschieden-Sein ist eben voll normal“Integrationssenatorin Stahmann will Stärken einer vielfältigen Gesellschaft sichtbar machen

Das Thema „Integration“ fällt seitBeginn der neuen Legislaturperiodein Anja Stahmanns (Sozial-) Ressort.

MITeinander: Bereits vor einigen Jahren war

das Thema „Integration“ bei der Sozialbehörde

angesiedelt, die letzten vier Jahre in der Senats-

kanzlei. Viele hatten es damals begrüßt, dass die-

ses Thema – das ja alle Ressorts betrifft – erstmals

ins Rathaus verlegt wurde. Warum wurde es wie-

der zurückverlagert, was sind die Gründe?

Anja Stahmann: Hier gilt das „Primat derPolitik“: Die Entscheidung ist beide Male in denKoalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grü-nen gefallen. Und beide Zuordnungen haben ihreStärke: Als im Jahr 2011 die Zuständigkeiten imSenat neu sortiert wurden, hatte man vor allem dievielfältigen Aufgaben der Integration in allen ge-

sellschaftlichen und politischen Handlungsfeldernvor Augen. Durch die Ansiedlung im Rathaussollte das Thema in seiner gesamtgesellschaftli-chen Bedeutung hervorgehoben werden. Es solltedeutlich werden, dass Integration kein Thema ist,das allein im Sozialen spielt. Es ging darum, einenspürbaren Akzent zu setzen: GleichberechtigteTeilhabe und die Stärke einer vielfältigen Gesell-schaft – das hat Bedeutung in allen Ressorts, inallen Handlungsfeldern und geht alle an. Seitdemhat sich die Welt grundlegend gewandelt: Alleinim August dieses Jahres haben fast 1.000 Men-schen, Erwachsene und Kinder, Schutz im LandBremen gesucht und zusätzlich über 100 alleinste-hende Jugendliche. Damit rücken die Flüchtlingeviel stärker ins Zentrum aller Integrations-bemühungen, und längst ist das Thema Asyl ganzoben auf der Tagesordnung. Da halte ich eine engeAnbindung der Integration und der Beauftragtenan mein Ressort für ein Gebot der Stunde.

MITeinander:Welche Vorteile ergeben sich dar-

aus?

Stahmann: Das Wirken unter dem Dacheiner gemeinsamen Behörde birgt die Chance zueiner Integrationspolitik „aus einem Guss“. Wirwollen alle Zuwanderungsgruppen mitdenkenund auch die Aufnahmegesellschaft im Blickbehalten. Aber angesichts der vielen Flüchtlingeist ein ganz erheblicher Teil der Integrationspoli-tik schon vor der Neuaufteilung im Senat in mei-nem Hause gelaufen – denken Sie etwa an dieRunden Tische, die wir angestoßen haben, woimmer eine Gemeinschaftsunterkunft für Flücht-linge eingerichtet worden ist. Derzeit müssen wiruns voll auf die Erstaufnahme und Unterbrin-gung von Flüchtlingen konzentrieren. Undgleichzeitig denken wir über den Tag hinaus:Wir brauchen vielfältige Wege und Angebote zuIntegration, denn wir wissen: Die große Mehr-heit der Flüchtlinge wird auf Dauer bei uns blei-ben. Aber wir vergessen auch unsere übrigenAufgaben nicht: andere Zugewanderte sowieBremerinnen und Bremer ohne eigene Migrati-onserfahrung sollen gleichberechtigt teilhabenan unserem Gemeinwesen. Diese Aufgaben blei-ben uns erhalten, ich möchte sie künftig aus mei-nem Ressort heraus als übergreifende Aufgabeim Senat verankern.

MITeinander: Gibt es den Posten der Integra-

tionsbeauftregten noch?

Stahmann: Natürlich, Silke Harth bleibt unse-re Integrationsbeauftragte, daran wird sich nichtsändern. Und sie soll auch weiterhin als Ansprech-partnerin in hohem Maße eigenständig agierenund entscheiden können. Angesichts der veränder-ten Aufgaben wünsche ich mir aber schon, dasssie und ihre Kolleginnen und Kollegen auchräumlich in mein Haus wechseln. Das bereiten wirgerade vor.

MITeinander: Wie sieht die Aufgabenvertei-

lung zwischen Ihnen aus?

Stahmann: Wir haben eine ähnliche Kon-struktion wie mit der Integrationsbeauftragten inunserem Hause ja auch mit der Landesbeauftrag-ten für Frauen, Ulrike Hauffe. Das hat sich durch-aus bewährt. Die fachliche Arbeit kann in hohemMaße autonom laufen, in der politischen Abstim-mung sind wir dann eng miteinander im Ge-spräch. Den Austausch habe ich immer als span-nend empfunden und als förderlich in der Sache.Ich bin mir sicher, dass das mit Silke Harth auchklappen wird. Die Chemie stimmt auf jeden Fall.

MITeinander: Integration ist eine Mammutauf-

gabe. Was sind für Sie als „Integrationssenato-

rin“ die dringlichsten Fragen?

Stahmann: Das stimmt: Es gibt einen großenStrauß an wirklich dringenden Anliegen. Mir istwichtig, die Stärken einer vielfältigen Gesellschaftsichtbar zu machen. Bremerhaven und Bremensind Städte, in denen sich jede und jeder zugehörigfühlen kann. Und es gehört auch dazu, dass wirRassismus und Fremdenfeindlichkeit entgegentre-ten, genauso wie Vorbehalten z.B. gegenüber reli-giösen Orientierungen. Denn so sehr die Zugewan-

Nächste Termine

Die nächste öffentliche Sitzungdes Bremer Rates für Integrationist am Mittwoch, 18. November, in Bremen. Der genaue Ort wirdkurzfristig bekannt gegeben unter:

www.bremer-rat-fuer-integration.de

Büro des BRI: Am Markt 20, im Gebäude der Bürgerschaft (Eingang EuropaPunkt Bremen),28195 Bremen

Sprechzeiten: tägl. 14–15 UhrTelefon: 0421 | 361-26 [email protected]

www.bremer-rat-fuer-integration.de

>

Page 2: „Verschieden-Sein ist eben voll normal“ · Direktor des Ensembles „Camellia“. Nun hat er seinen Traum wahr gemacht und mit Unterstüt-zung verschiedener Bremer Institutionen,

Seite 2 03/2015 MITeinander

Wissenswert

„Ethnisches Profiling“ in der Polizeiarbeit2. Fachtag zum Thema mit Blick auf die Nachbarn Niederlande und Großbritannien

Ins Netz gegangen

@ Syrisches Exil-OrchsterDer Syrer Raed Jazbeh lebt seit zwei Jahren inBremen. Er ist Kontrabassist und musikalischerDirektor des Ensembles „Camellia“. Nun hat erseinen Traum wahr gemacht und mit Unterstüt-zung verschiedener Bremer Institutionen, Verei-ne und Privatleute ein Exil-Orchester ins Lebenrufen. Am 22. September 2015 wird erstmals einKonzert der in Deutschland lebenden Musikerstattfinden. Aufführungsort ist der Bremer Sen-desaal. Unterstützt werden die Syrer dabei von

Musikern verschiedener Bremer Orchester. Dienstag, 22. September 2015, 20.00 Uhr, Sendesaal, Bürgermeister-Spitta-Allee 45Mehr unter www.bremer-rat-fuer-integration.de/Termine/

@ Schnuppertag für FlüchtlingeOb Einheimische oder Zugewanderte –Jugendliche in Bremen stehen alle vor dersel-ben Frage: Was will ich später eigentlich malarbeiten? Welcher Beruf passt zu mir? Finde

ich einen Ausbildungsplatz? Dabei stehen dieChancen für Flüchtlinge besonders schlecht. Deshalb haben der Bremer Rat für Integrati-on (BRI) und die Kfz-Innung Bremen mitUnterstützung der Akademie Lothar Kannen-berg ein Pilotprojekt gestartet: Zehn unbe-gleitete minderjährige Flüchtlinge bekamenin diesem Sommer die Chance, in den Aus-bildungsberuf des Automechanikers hinein-zuschnuppern. Mehr unter www.bremer-rat-fuer-integration.de/Aktuelles

www.bremer-rat-fuer-integration.de

„Ethnisches Profiling“ bedeutet, dassdie Mitarbeiter der Polizei- und Ord-nungsbehörden ihr Handeln auf verall-gemeinernde Kriterien wie Rasse, ethni-sche Zugehörigkeit, Religion und natio-nale Herkunft einer Person gründen.

Kritiker fordern, dass sich Verdachtsmomentenur auf das Personenverhalten und auf objektiveBeweise gründen sollten. Das ethnische Profilingwird dem institutionellen Rassismus zugeordnet.Bei der Polizei Bremen hat man sich dieser

Thematik bereits im Dezember 2012 angenom-men und zusammen mit Arbeit und Leben Bre-men, dem Bremer Rat für Integration, dem Insti-tut Français und dem Kulturzentrum Lagerhauseinen Fachtag unter dem Titel „Halt Polizei! Eth-

nisches Profiling im Spannungsfeld des Gleichbe-handlungsgrundsatzes“ ausgerichtet. Seitdem hatsich die gesellschaftliche Auseinandersetzung umEthnic oder auch Racial Profiling erheblich zuge-spitzt. So waren in Deutschland allein im Mai2015 zehn Verfahren von Betroffenen vor Verwal-tungsgerichten noch nicht entschieden. Zielsetzung des 2. Bremer Fachtages zum Eth-

nischen Profiling, am 29. September 2015, ist es,die Debatte zu intensivieren und zu fokussieren,was die deutsche Polizei von polizeilichem Han-deln in den Nachbarländern lernen kann.Es kommen Bremens Polizeipräsident Lutz

Müller, der Integrationsbeauftragte der Polizei,Thomas Müller sowie Martin Herrnkind, Polizei-Experte von Amnesty International und TahirDella, Vorstandsmitglied der Initiative schwarzeMenschen in Deutschland zu Wort. Es wird darü-

berhinaus einen Vergleich der Kontrollpraxis inBerlin und Paris geben und Polizeiexperten ausden europäischen Nachbarländern Niederlandeund Großbritannien berichten aus dem Alltag.

29.09.2015 / 10–16 Uhr DGB-Haus

Bremen / Tivoli-Saal, Bahnhofsplatz 22–

28, 28195 Bremen

Diese Veranstaltung richtet sich an Polizi-

sten und die interessierte Öffentlichkeit.

Anmeldung bis zum 22.9.2015 bei:

Arbeit und Leben Bremen e.V. / ADA –

Antidiskriminierung in der Arbeitswelt

Tel.: 0421/ 960 89–0 oder

[email protected]

derten uns kennenlernen müssen, so wesentlich istes für eine erfolgreiche Zukunft unserer Gesell-schaft auch, dass wir offen sind, die Aufnahmege-sellschaft, für die Impulse, die durch Zugewander-te in unseren Städten schon lange existieren und dienun durch weitere Zuwanderung verstärkt hinein-getragen werden. Es geht also nicht darum, dass wirMenschen assimilieren. Es geht darum, Verschie-den-Sein als Glücksfall zu erleben und als Chancezu nutzen. Verschieden-Sein ist eben voll normal.

MITeinander: Haben Sie – angesichts der

dringenden Flüchtlingsfragen – noch Kapa-

zitäten für die Belange der Migranten, die

schon viele Jahre, manche seit Generationen,

hier leben?

Stahmann: Ich werde oft gefragt, ob nochKapazitäten für anderes da ist, als für die Unter-bringung von Flüchtlingen. Und: Ja, der Zuzug

von so vielen Menschen in so kurzer Zeit istzurzeit die größte Herausforderung, vor der wirals Gesellschaft stehen. Das bindet sehr vielKraft und verlangt große Aufmerksamkeit,nicht nur von mir. Aber als Sozial-, Jugend- undIntegrationssenatorin liegt mir auch das amHerzen: die Teilhabe in Quartieren, Beschäfti-gungschancen für alle, die bewusste Auseinan-dersetzung mit Diskriminierung und dieLebensperspektiven junger Menschen. Klar,alles gleichzeitig geht nicht. Aber wir verteilendie Aufgaben ja auf mehrere Schultern, auchmit der Integrationsbeauftragten und mit all denHaupt- und Ehrenamtlichen überall in unseremLand. Und zwischen meinen Aufgaben, Jugend,

Frauen – nicht zuletzt auch dem neuen BereichSport – gibt es eine Fülle von Synergien mitdem Themenfeld Integration.

MITeinander: Wie sieht die Zusammenarbeit

mit dem Bremer Rat für Integration (BRI)

zukünftig aus?

Stahmann: Ich glaube schon, dass ich dieZusammenarbeit intensivieren werde, die ich in dervergangenen Legislaturperiode ohnehin mit dem BRIaufgebaut habe. Und die Arbeit mit Frau Harth in vie-len gesellschaftlichen Bereichen ist ja gut eingespielt.Ich bin dankbar für seine Anregungen aus etlichenGesprächen und Kontakten Und für die konstruktiv-kritische Begleitung unseres Handelns, auch wennwir in der jetzigen Situation nicht alles so schnellumsetzen können wie ich mir das selber wünsche.Der Rat hat eine wichtige Funktion, auch die Breiteder Themen der Integration immer wieder zu thema-tisieren. Und da weiß ich, dass ich mich auf diesesGremium in seiner Rolle für das Land verlassen kann.Ich freue mich darauf diese Zusammenarbeit in mei-ner neuen Rolle zu intensivieren.

Page 3: „Verschieden-Sein ist eben voll normal“ · Direktor des Ensembles „Camellia“. Nun hat er seinen Traum wahr gemacht und mit Unterstüt-zung verschiedener Bremer Institutionen,

Die Idee ist so einfach wie wir-kungsvoll: eine Internet-Plattform, aufder Flüchtlinge und Einheimische mit-einander in Kontakt treten können.„Gemeinsam-in-Bremen.de“ (GiB) gingam 18. Juni 2015 online und vermit-telt seitdem im großen Stil Zeit- undSachspenden – und manchmal ent-steht daraus sogar mehr.

Wenn man gemeinsam in einem Boot sitztoder auch in einer Stadt lebt, ist es angenehmer,wenn man miteinander spricht, füreinander da ist,sich gegenseitig hilft. Das kann für beide Seiteneine Bereicherung sein. „Unsere Idee war, dasssich mit der Plattform ‚Gemeinsam-in-bremen.de‘alle einbringen und somit das Zusammenleben inder Stadt mitgestalten können“, erklärt LucynaBogacki, Koordinatorin des zivilgesellschaftli-chen Engagements im Flüchtlingsbereich in Bre-men. Gemeinsam mit der ehrenamtlich arbeiten-den Sandra Spranger hat sie rund ein Jahr lang aneinem Konzept für „GiB“ gefeilt. Die technische Umsetzung dauerte dank eines

Teams aus Grafiker, Texterin und Programmierernur zwei Monate. „Ich habe teilweise zehn Stun-den pro Tag daran gesessen, weil ich gesehenhabe, dass es drängt“, sagt der 23-jährige Hobby-programmierer Leander Muskalla, der sich schonlänger neben seinem Politikstudium in der Flücht-lingshilfe engagiert. Bis vor zwei Monaten habe ernur Seiten gebastelt, die hauptsächlich von ihmselbst aufgerufen wurden, sagt er lachend. Mit„Gemeinsam-in-Bremen.de“ hat er nun eine Seiteprogrammiert, die in den ersten zwei Monatenihres Bestehens bereits 65.000 Mal aufgerufenwurde. „Inzwischen gibt es sogar Anfragen ausanderen Städten, die unsere Software gerne hät-ten.“ Doch das sei schwierig, sagt er, denn er habenicht mit einem herkömmlichen Content-Mana-gement-System gearbeitet, sondern alles „perHand“ programmiert, „damit die Seite genau aufdie Bedürfnisse zugeschnitten ist. Es gibt keinenüberflüssigen Firlefanz, keine Spielerei.“ Genutzt wird die Plattform von Initiativen, ein-

zelnen ehrenamtlich Engagierten und Leitern derNotunterkünfte und Übergangswohnheime. Aberauch große Firmen surfen vorbei, reagieren aufGesuche und bieten kostenlos ihre Dienste oderSachspenden an. Und immer mehr wird die Platt-form auch von Geflüchteten selbst genutzt, dankder Heimleiter und Ehranamtlichen, die auf dasAngebot aufmerksam machen und Hilfestellunggeben. Die Handhabung ist einfach, wie bei ande-ren „Schwarzen Brettern“ auch. Allein für Zeit-spendengesuche müssen sich die Nutzer registrie-ren lassen. „Das hat einfach den Hintergrund, dass

wir Missbrauch vorbeugen wollen“, erklärt Lean-der Muskalla. Deshalb sieht er mehrmals täglichalle eingehenden Anzeigen durch und entschei-det, was seriös ist und freigeschaltet werden kann.Das macht er ehrenamtlich – und sogar im Urlaub.Dass es die Plattform nur auf Deutsch gibt, sei

Absicht. „Der Übersetzungsaufwand wäre zugroß. Außerdem wissen wir, dass die allermeistenFlüchtlinge die Seite per Smartphone aufrufen, zurNot lassen sie sich alles von Google-Translationübersetzen.“ Eine begeisterte Nutzerin ist auch Sabine

Horn, die sich seit rund drei Jahren ehrenamtlichin der Flüchtlingsarbeit engagiert: „Eine tolleIdee. Für die einen bekommen wir darüber einenLaptop, für andere eine Zwillingskarre und wie-derum andere haben ihre Wohnung auf die Weiseeinrichten können.“ Sabine Horn engagiert sichaktuell in der Notunterkunft Falkenstraße, demehemaligen Bundeswehrhochhaus. Dreimal proWoche gibt sie hier Deutschunterricht und betreutKinder. Deshalb ist sie für viele eine wichtigeAnsprechpartnerin. „Durch die Plattform hatte ichin den letzten zwei Monaten mehr Kontakt als

sonst in fünf Jahren“, lacht sie. Eine Geschichte, die sie besonders bewegt hat, ist

die von Claire, die mit ihrer Familie aus Albaniennach Deutschland kam. Die 13-Jährige musste auf derFlucht ihre Gitarre zurücklassen. Sie war so traurigdarüber, dass Sabine Horn für sie ein Gesuch auf„Gemeinsam-in-Bremen.de“ aufgab. Es meldete sichdie 17-Jährige Miriam aus Bremen. Sie hatte zwarkeine Gitarre abzugeben, bot aber an, sie mit ihremInstrument zu besuchen. „Am Ende hat Miriam sogardoch noch eine Gitarre für Claire auftreiben könnenund sie ihr am letzten Schultag vor den Ferien miteiner von ihrem Taschengeld gekauften Hülle über-reicht“, erzählt Sabine Horn. Der Jubel war groß! Seit-dem unterstützen die beiden Mädchen die Kinderbe-treuerinnen in den Falkenstraße beim Musizieren mitden Kleinsten.Leander Muskalla kennt noch viele andere, ähn-

lich tolle Geschichten wie die von Miriam und Clai-re. „Das Besondere ist, dass über diese Seite Leutedirekt in Kontakt miteinander treten. Dieses Portalpasst einfach gut zu Bremen.“

Seite 3MITeinander 03/2015

Aktuell

„Dieses Portal passt einfach gut zu Bremen“Unkomplizierte Hilfe für Flüchtlinge dank Internetplattform „Gemeinsam-in-Bremen.de“ (GiB)

Sabine Horn (hinten re.) ist begeisterte Nutzerin von „GiB“. Miriam und Claire (vorne)lernten sich über die Plattform kennen und treffen sich in der Notunterkunft, um mit denkleineren Kindern für das Sommerfest in der Falkenstraße Lieder einzustudieren. ClairesBruder Xhezsi (hinten li.) bekam über „GiB“ einen Laptop.

www.Gemeinsam-in-Bremen.de

Dieter Schütz/pixelio.de

Page 4: „Verschieden-Sein ist eben voll normal“ · Direktor des Ensembles „Camellia“. Nun hat er seinen Traum wahr gemacht und mit Unterstüt-zung verschiedener Bremer Institutionen,

Seite 4 03/2015 MITeinander

Wir stellen vor

Impressum

Herausgeber: Bremer Rat für Integration www.bremer-rat-fuer-integration.deRedaktion: Silke Düker (v.i.S.d.P.)Druckvorbereitung: Silke DükerE-Mail: [email protected]: 2.500 Exemplare

Weniger Barrieren für behinderte Migranten BRI und Büro des Landesbehindertenbeauftragten wollen enger zusammenarbeiten

In Bremen gibt es eine Vielzahl vonOrganisationen und Einrichtungen,die sich für eine gleichberechtigteTeilhabe behinderter Menschen ein-setzen. Migranten nutzen die Unter-stützungssysteme bisher aber wenig.

„Womöglich kommen die Menschen aus Län-dern, in denen Menschen mit Behinderung sozialausgegrenzt werden und Behinderung stark scham-besetzt ist“, erklärt Florence Samkange-Zeeb vonder AG Gesundheit des Bremer Rates für Integrati-on (BRI). „In ihrer Heimat bekommen sie höchs-tens Hilfe von ihrer Familie. Das organisierte, teil-weise staatliche Hilfesystem ist vielen unbekanntund deshalb suspekt.“ Beispielsweise kann es pas-sieren, dass die Betroffenen das Beantragen einesSchwerbehindertenausweises ablehnen, weil sieannehmen, sie würden abgeschoben, gesellschaft-lich ins Abseits gedrängt oder Daten würden an dieAusländerbehörde weitergeleitet. Deshalb verzich-ten viele Zugewanderte auf Hilfe, die ihnen zusteht. „Migration und Behinderung“ ist ein zu wenig

beachtetes Thema findet die UN-Behinderten-rechtskonvention. In Deutschland leben ungefähr16,4 Millionen Menschen mit Migrationshinter-grund (Quelle: Statistisches Bundesamt, 2014).Laut Schätzungen hat jeder zehnte von ihnen eineBehinderung. „Es gibt bislang leider keine statisti-schen Erhebungen, wie viele behinderte Men-schen einen Migrationshintergrund haben“, sagtJoachim Steinbrück, Landesbehindertenbeauf-tragter in Bremen. „Wir bekommen aber von denBeratungsstellen zurückgemeldet, dass Migrantendort deutlich unterrepräsentiert sind.“ Neben kul-turell bedingter Scham spielen fehlende Kenntnis-se über das deutsche Unterstützungssystem,Sprachbarrieren, Diskriminierungserfahrungensowie geringe oder fehlende interkulturelle Kom-petenz des Fachpersonals eine Rolle. Im Februar dieses Jahres organisierten der Lan-

desbehindertenbeauftragte, der BRI und die „Lan-desvereinigung für Gesundheit und Akademie fürSozialmedizin Niedersachsen e.V.“ deshalb eineTagung. Unter dem Titel „Brücken bauen“ ging esum die Fragestellung: „Wie kann sich das Unter-stützungssystem für behinderte Menschen in Bre-men interkulturell öffnen?“. Anlass war der Akti-onsplan zur Umsetzung der UN-Behinderten-rechtskonvention im Land Bremen. Der Planwurde im Dezember 2014 vom Senat verabschie-det und sieht die Belange von behinderten Men-schen mit Migrationshintergrund darin als Quer-schnittsthema vor. Auf der Tagung im Februar diskutierten Exper-

ten von Migrantenorganisationen, Religionsge-meinschaften, Behindertenverbänden, Behinder-

tenberatungsstellen sowie interessierte Zugewan-derte über Hürden beim Zugang und über Wege zurinterkulturellen Öffnung. „Zugleich war dieTagung Auftakt für eine breite Vernetzung vonBehindertenverbänden mit den im Integrationsbe-reich engagierten Akteuren“, so Steinbrück. Jetztsei es wichtig, den einmal aufgenommenen Fadennicht fallen zu lassen und die Fachöffentlichkeitimmer wieder daran zu erinnern. Denn eine inter-kulturelle Öffnung muss von den Organisationen,kommunalen Einrichtungen, Trägern und Verbän-den gewollt sein und von allen getragen werden.Dann können auch Zugänge durch mehrsprachigeBerater, Materialien und Dolmetscher in niedrig-schwelligen und flexiblen Beratungsangeboten imStadtteil ermöglicht werden. „Gleichzeitig muss ein Problembewusstsein in

der Öffentlichkeit geschaffen werden“, so Stein-brück. „Wir müssen in den Gemeinden und Com-munitys Aufklärungsarbeit leisten. Wir überlegenbeispielsweise Gemeinden und Communitys fürein erstes Kennenlernen direkt aufzusuchen und siezu ermutigen, das Hilfe- und Unterstützungssystemfür behinderte Menschen in Anspruch zu nehmen.“

BRI als PartnerIm Land Bremen wollen der BRI und das Büro

des Landesbehindertenbeauftragten künftig einenengeren Austausch pflegen. „Dafür war es unswichtig, den Bremer Rat für Integration als ständi-gen Gast in unserem Landesteilhabebeirat aufzu-nehmen“, sagt Joachim Steinbrück. Der neu konsti-tuierte Beirat besteht aus stimmberechtigten Mit-gliedern (Interessensvertretungen behinderter Men-schen), Vertretern (aller Senatsressorts, der Senats-

kanzlei sowie der Bremischen Zentralstelle für dieVerwirklichung der Gleichberechtigung der Frau)und ständigen Gästen. Vertreten wird der BRI dortdurch Brigitte Paschen und Markus Wächter. Drei- bis viermal im Jahr tagt das Gremium. Als

Querschnittsthema soll „Migration und Behinde-rung“ in allen Handlungsfeldern des Landesaktions-plans Beachtung finden. Auf der Beiratssitzung am16. Dezember 2015 wird „Migration und Behinde-rung“ voraussichtlich Schwerpunktthema sein. Auch für das kommende Jahr ist wieder eine

größere Veranstaltung zum Thema geplant. Wahr-scheinlich im Frühjahr. Diesmal zusammen mitdem Sozialressort, wo das Thema „Integration“ seitder neuen Legislaturperiode angesiedelt ist. „Wirwollen dann weiter über den Aktionsplan spre-chen“, so Steinbrück. „und in diesem Zusammen-hang auch einmal in die anderen Bundesländergucken, zum Beispiel nach Berlin, die da schon einwenig weiter sind als wir.“

Auf der Tagung im Februar wurde darüber diskutiert, wie sich das Unterstützungssy-stem in Bremen für behinderte Migranten öffnen kann.

Material zum Herunterladen unter:

www.bremer-rat-fuer-integration.de