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awo.org 55. JAHRGANG HEFT 1 JANUAR/FEBRUAR 2010 G 11394 Führungswechsel Führungswechsel

AWO Magazin | Ausgabe 01-2010 | Leseprobe

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Leseprobe AWO Magazin, Ausgabe 01-2010

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55. JAH RGANG H E F T 1 JAN UAR/F EB RUAR 2010

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Führungswechsel Führungswechsel

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BL ICKPUNKT

Wilhelm SchmidtVorsitzender des Präsidiums

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich wünsche Ihnen, auch im Namen der Redaktion des AWOmagazins, ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr!

Seit dem 1. Januar 2010 hat der AWO Bundesverband einenneuen Vorstandsvorsitzenden. Ich freue mich sehr, dass Wolf-gang Stadler den Vorsitz übernommen hat. Im Präsidium wur-de der Vorschlag der Findungskommission ebenso erfreut auf-genommen und die Ernennung Stadlers einstimmig beschlos-sen. Aufgrund seiner Geschäftsführung des BezirksverbandesOstwestfalen-Lippe seit 1992 ist Wolfgang Stadler mit derAWO bestens vertraut. Er hat es in seiner Zeit als Bezirksge-schäftsführer geschafft, Arbeit und Wirken von Dienstleistungs-unternehmen und Mitgliederverband in Einklang zu bringen.Kurz gesagt: Wolfgang Stadler hat mit seinen Mitarbeiter-innen und Mitarbeitern die Beschlüsse von Magdeburg 2007zur Verbandsentwicklung bereits mit Leben gefüllt.

Die Beschlüsse zur Verbandsentwicklung wären ohne denscheidenden Bundesvorsitzenden Rainer Brückers so nicht mög-lich gewesen. Er hat seit seiner Ernennung zum Bundesge-schäftsführer 1992 immer wieder das Thema auf die Tages-ordnung gesetzt und den Prozess der Modernisierung beharr-lich vorangetrieben. Ich möchte Rainer Brückers dafür, und fürseine Arbeit als Bundesgeschäftsführer – und seit November2008 als Bundesvorsitzender – insgesamt an dieser Stelleherzlich danken. Neben einer Vielzahl anderer Vorhaben zurVerbandsmodernisierung hat Rainer Brückers sich für dieAWO immer wieder in Debatten eingemischt und Themen aufder sozialpolitischen Agenda platziert. Ohne seinen Einsatzwäre etwa die Ausgestaltung einer Pflegeversicherung wie wirsie haben kaum möglich gewesen. Es ist demnach nur konse-quent, wenn Brückers derzeit den Vorsitz der Kommission zurFindung eines Mindestlohns in der Pflege von der Bundesre-gierung angetragen bekommen hat.

Das AWOmagazin hat in dieser Ausgabe ein Interviewmit den beiden als Titelgeschichte. Erfahren Sie dort noch eini-ges mehr – im Rückblick und Vorausschau – zur Arbeit desBundesverbandes und der AWO insgesamt.

Für den Bundesverband war Rainer Brückers qua Amt derHerausgeber des AWOmagazins. Er hat die Entwicklung die-ser Verbandspublikation mit seinen Redaktionsteams immerauf den Prüfstand gestellt und Inhalt wie Erscheinungsbild be-hutsam den jeweiligen Anforderungen der Zeit angepasst.Auch dafür möchte ich mich an dieser Stelle bedanken. Wolf-gang Stadler wird nun der Herausgeber des Magazins undich bin überzeugt, dass er die Arbeit am und mit dem Heft ent-sprechend fortsetzen wird.

IN DIESER AUSGABE

Impressum24

Publikationen24

Rätsel34

Ländermagazin26

AWOmagazin 1/2010

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Titel: Wolfgang Siesing

AWO aktuell4

Internationales22

Foto

: AW

O

Führungswechsel

Titel12

Führungswechsel

90 Jahre AWO – die Feier in Berlin am 13.12.2009AWO Sozialbericht vorgestellt

Report20

Gemeinsam stark – FSJ in der AWO

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FührungswechselWolfgang Stadler ist der neue AWO-Bundesvorsitzende. Er tritt die Nachfolge von Rainer Brückers an. In einem gemeinsamen Interview mit dem AWOmagazin sprechenbeide unter anderem über Historie und Zukunft der AWO,warum die Arbeit bei der AWO anstrengender ist als Marathon zu laufen und weshalb das Joggen in Weißensee zur Erholung beitragen kann.

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AWOmagazinHerr Stadler es ist zu hören, dass sie regelmäßig undgerne in den frühen Morgenstunden joggen. Wieviele Runden haben sie gedreht, um sich zu entschei-den, den Bundesvorsitz der AWO zu übernehmen?

StadlerEinen Tag vor dem letzten Sommerurlaub bin ich an-gesprochen worden, ob ich Interesse hätte, mich fürdie Stelle des AWO-Bundesvorsitzenden zu bewer-ben. Ich habe dann zweieinhalb Wochen jeden Mor-gen beim Joggen auf unserer Lieblingsinsel Korfudarüber nachgedacht, ob ich mich darauf einlassenkönnte.

AWOmagazinIst die Entscheidung dann tatsächlich beim Laufen ge-fallen oder im „Familienrat“?

StadlerIch bin ein Familien-mensch, deshalb habeich die Entscheidungnicht alleine getroffen.Ich habe insbesonderemeine Frau, meine dreiKinder und zwei Freun-de zu Rate gezogen.Danach, irgendwannMitte August letzten Jah-res fiel die Entschei-dung, mich aktiv zu be-werben.

AWOmagazinWas waren letztlich dieausschlaggebendenGründe, sich auf dieneue Aufgabe einzulas-sen?

StadlerIch arbeite jetzt sehr lange auf verschiedenen Ebe-nen innerhalb der AWO und seit vielen Jahren in lei-tender Funktion im Bezirksverband Ostwestfalen-Lip-pe. Regional habe ich dort viele Erfahrungen gesam-melt und zahlreiche Projekte umgesetzt. Zusätzlichengagiere ich mich bundesweit in Arbeitskreisen derGeschäftsführerkonferenz und als Geschäftsführerdes ElternService AWO. Vor diesem Hintergrundglaube ich, dass ich eine ganze Menge innovativerund kreativer Impulse in die Arbeit auf Bundesebeneeinbringen kann. Und es hat mich gereizt, dies alsVorstandsvorsitzender auch tun zu können.

AWOmagazinHerr Brückers, auch sie laufen gerne. 2005 war essogar der Berlin Marathon, an dem sie erfolgreichteilnahmen. Für was benötigt man einen längerenAtem, die 17 Jahre an der Spitze des AWO-Bundes-verbandes oder die gut 42 Kilometer durch BerlinsStraßen?

Rainer BrückersEindeutig für die Arbeit beim Bundesverband.

AWOmagazinWeil?

BrückersWeil die Strecke, die man als Bundesgeschäftsführerbzw. -vorsitzender konditionell zu bewältigen hat,wesentlich länger und anspruchsvoller ist; weil dieProzesse, die man in der Zeit angehen und begleiten

muss, wesentlich längersind.

AWOmagazinWas ist ihnen aus dieserZeit in besonders guterErinnerung geblieben?Gibt es so zwei, dreiHighlights wo sie sagen:'Mensch, klasse, dassdas geklappt hat?'

BrückersNaja, das waren in die-ser langen Zeit viele Din-ge; viele kleine Erfolge.Davon lebt diese Aufga-be aber auch. Wir hat-ten (und haben) unter-schiedlichste Aufgaben-stellungen auf Bundes-ebene anzupacken.Wenn dann Ideen, dieman mit Kollegen ent-

wickelt hat – etwa in der Bundesgeschäftstelle oderin den Verbandsgremien –, wenn diese Ideen dannnach einer gewissen Zeit umgesetzt werden, ist dasimmer ein Erfolg. Wir hatten aber auch größere Pro-jekte vor der Brust, etwa die Gründung von Fachver-bänden. Inzwischen gibt es mit AWO Internationalund dem Zukunftsforum Familie (ZFF) zwei sehr gutfunktionierende Fachverbände, die ihre Aufgaben-stellung eigenständig erfüllen.

Natürlich hat der Verbandsentwicklungsprozessmich über all die Jahre in meiner Arbeit begleitet –seit der ersten Konferenz 1994 bis Magdeburg

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2007. In der Nachfolge gab und gibt es noch eineReihe von wichtigen Projekten, die unmittelbar dar-aus abgeleitet wurden.

AWOmagazinWie hat sich denn eigentlich die so genannte politi-sche Landschaft, der Kampf, AWO-Interessen auf derpolitischen Ebene durchzusetzen in den fast zweiJahrzehnten seit ihrem Amtsantritt verändert?

BrückersPolitisch gesehen habe ich 1992 zu Zeiten einerschwarz-gelben Koali-tion die Geschäftsfüh-rung übernommen. Dawar es nicht einfach,AWO-Positionen ausrei-chend Gehör zu ver-schaffen. Das hat sich in den vergangenen elfJahren etwas geändert.Wir haben in den Bun-desregierung mit SPD-Beteiligung zumindestunsere Positionen besserplatzieren können. Nichtimmer wurden diese anentscheidenden Stellenauch entsprechend be-rücksichtigt. Dies gehörtsicherlich zu den Din-gen, auf die man haltnicht so freudig zurück-blickt. Gleichwohl, un-abhängig von der politi-schen Konstellation, binich von einem fest über-zeugt: Die AWO hat Po-sitionen, mit denen siesich in jeder politischenKonstellation behauptenkann. Für eine breitere gesellschafts- und sozialpoliti-sche Debatte sind wir gut aufgestellt; auch und vorallem im unternehmerischen Bereich sind wir besseraufgestellt als vor 20 Jahren, keine Frage. Da habensich die Bedingungen der Arbeiterwohlfahrt zum po-sitiven hin verändert.

AWOmagazinHerr Brückers, sie waren vor ihrer Tätigkeit beimBundesverband AWO-Geschäftsführer vom BezirkMittelrhein. Welche Erfahrungen konnten sie da fürdie Arbeit beim Bundesverband mitnehmen? Odersind das zwei gänzlich verschiedene Aufgaben?

BrückersJa, das sind zwei verschiedene Aufgaben. Aber für

die Arbeit als Bundesgeschäftsführer war es schonwichtig und hilfreich, Dienste und Einrichtungen in ih-rer praktischen Arbeit zu kennen. Kurz gesagt: Es istschon von Vorteil, zu wissen, wie man ein Altenheimaufbaut, strukturiert und finanziert; welche Problemedie Mitarbeiter in diesen Einrichtungen/Diensten ha-ben. Wer diese Erfahrung nicht hat, wird sich we-sentlich schwerer tun. Und: Wer schon einmal jahre-lang in Gremien des Bundesverbandes aus einer ver-antwortlichen Position wie die eines Bezirksge-schäftsführers mitgearbeitet hat, kennt die Verbands-struktur und die verantwortlichen Menschen inner-halb des Verbandes. Dies erleichtert das Geschäftganz erheblich.

AWOmagazinHerr Stadler, kommenwir noch einmal zurückzu ihrer Zeit als Bezirks-geschäftsführer in Ost-westfalen-Lippe. Wiesieht ihre persönliche Bi-lanz aus? Wo würdensie sagen, da haben wirgute Arbeit geleistet – fürden Bezirk und für dieAWO im Bezirk?

StadlerWir haben in den ver-gangenen Jahren einesehr gute ehrenamtlicheStruktur in Ostwestfalen-Lippe aufgebaut undweiterentwickelt. Da sindzum einen die traditio-nellen Strukturen in denOrtsvereinen und denKreisverbänden, die beiuns sehr gut aufgestelltsind – und auch noch

funktionieren. Zudem haben wir zur Förderung desBürgerschaftlichen Engagements unter dem Dach derAWO eine Freiwilligenakademie aufgebaut. Dort en-gagieren sich in 150 Projekten fast 1500 Menschen,die keine Mitglieder der Arbeiterwohlfahrt sind, inden Arbeitsfeldern der AWO. Sie lesen z.B. alsSprachpaten in Kitas vor, begleiten Sterbende auf ih-rem letzten Weg oder engagieren sich im Rahmender Kinderlobby OWL für bessere Spielplätze odergesunde Ernährung.

Der zweite wichtige Bereich neben dem Ehren-amt ist das Unternehmen. Als ich 1993 die Ge-schäftsführung übernahm, hatten wir in OWL insge-samt 600 Beschäftigte, aktuell sind es über 4.500.Wir sind also relativ stark gewachsen. Insbesondereim Bereich der Kindertageseinrichtungen. Wichtigersind mir aber die qualitativen Aspekte. Wir konnten

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in allen Bereichen der hauptamtlichen sozialen Ar-beit innovative Strukturen schaffen, auf die wir stolzsind und um die uns andere beneiden. Qualitätsma-nagement, Bedarfsorientierung, Vernetzung, Koope-ration und Flexibilität sind Stichworte dieser Entwik-klung.

Der dritte Aspekt ist die sozialpolitische Rolle desflächen- und einwohnermäßig kleinsten Bezirksver-bandes in Nordrhein-Westfalen. Durch unsere Pro-jekte im Bereich des Bürgerschaftlichen Engagementsund im Unternehmen wurden wir in NRW stärkerwahrgenommen und haben verstärkt Lobbyarbeit be-treiben können. Ich persönlich habe mich insbeson-dere immer um das The-ma Kindertagesbetreu-ung gekümmert.

AWOmagazinHerr Stadler, was möch-ten sie auf alle Fälle mitin die Arbeit beim Bun-desverband einfließenlassen? Ich habe da vorallem die Ergebnissedes Verbandsentwick-lungsprozesses vor Au-gen. Da war es ja einezentrale Diskussion, wieman Unternehmensbe-reiche und Mitglieder-verband so neu aufstellt,dass dies zusammenträgt. Ist das einer derzentralen Punkte für dieZukunft?

StadlerJa, auf jeden Fall. InMagdeburg sind weitrei-chende Beschlüsse gefasst worden, die zügig umge-setzt werden müssen. Dabei stehe ich persönlich füreine enge Verzahnung zwischen Ehren- und Haupt-amt – bei gleichzeitiger klarer Definition der jeweili-gen Aufgaben. Wir haben in OWL im Mai 2008das Präsidiumsmodell eingeführt, ohne die traditio-nell enge Klammer zwischen Ehren- und Hauptamtzu lösen. Der eine Bereich weiß vom anderen genauBescheid, die ehrenamtlichen Aufsichtsgremien ha-ben den hauptamtlichen Vorstand im Blick. Umge-kehrt gilt dies auch.

Ein zweiter wichtiger Aspekt betrifft das Unter-nehmen: Für die Zukunft wird es darauf ankommen,dass die AWO versucht, passgenaue Lösungen undAngebote für die Hilfe und Rat suchenden Menschenzu entwickeln. Eine solche „kundenorientierte Sicht-weise“ funktioniert aber nur, in dem man über Trä-

gergrenzen hinweg denkt. Es gibt in den Regionenund Kommunen unterschiedliche Trägerschaften derAWO in einem Arbeitsgebiet. Solche kompliziertenStrukturen interessieren den Nachfrager oder denKunden überhaupt nicht. Er möchte eine gute AWO-Leistung aus einem Guss haben. Mit dem ElternServi-ce AWO haben wir es erstmals geschafft, bundes-weit eine einheitliche Struktur bei gleichzeitigerSelbstständigkeit der Regionen aufzubauen. An ei-nem solchen Modell müssen wir arbeiten: Wir brau-chen eine hohe einheitliche Qualität und ein abge-stimmtes Auftreten und Marketing bei dezentralerTrägerschaft.

AWOmagazinHerr Brückers, ist dasder richtige Weg für dieZukunft der AWO: diesinnvolle Verbindung Un-ternehmen-Mitgliederver-band mit Leben zu füllenund trägerübergreifendeStrukturen aufzubauen?

BrückersIn der Tat, und das sindja auch die Hauptergeb-nisse unseres Verbands-entwicklungsprozesses.Ebenso werden wir ohneTrägerstrukturverbündein bestimmten Arbeits-bereichen, zumindest in naher Zukunft, nichtmehr auskommen kön-nen. Die entscheidendeFrage wird sein: Was ist

der Unterschied zwischen denjenigen, die freige-meinnützig arbeiten und denjenigen, die privat ge-werblich arbeiten. In diesem Zusammenhang ist esgeradezu eine Verpflichtung aus der freigemeinnützi-gen Idee heraus, dass wir verankert sind in ehren-amtlichen Strukturen und Freiwilligendiensten. Diesist das entscheidende Merkmal für Einrichtungen derArbeiterwohlfahrt.

Mit Blick auf andere Konkurrenten haben wir zu-dem, so meine feste Überzeugung, einen ganz er-heblichen Vorteil: Wir sind ein relativer homogenerVerband, wenngleich wir uns nicht auf allen Ebenenso richtig dazu durchringen konnten. Doch was dasFundament angeht haben wir die besten Vorausset-zungen unter dem Aspekt 'AWO als eine Marke',die ehrenamtliche und hauptamtliche Tätigkeit zu-sammenzubringen.

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AWOmagazinHerr Brückers, gab es in ihrer Zeit als Bundesge-schäftsführer Momente, wo Sie sagen würden:„Mmh, wenn wir das hätten irgendwie vermeidenkönnen, wäre mir das lieber gewesen?“

BrückersWas die großen Stränge, über die wir gerade ge-sprochen haben, anbelangt, gibt es nichts was wirhätten vermeiden müssen. Man hätte sich wünschenkönnen, an der ein oder anderen Stelle noch eindeu-tiger, auch ein Stück mutiger zu sein.

AWOmagazinZum Beispiel?

BrückersEtwa in der Frage, in-wieweit wir die Ver-bandsstrukturen für Men-schen, die nicht dem en-gen Milieu der Arbeiter-wohlfahrt zuzurechnensind, wirklich öffnenkönnen. Da sind wir imZuge des Verbandsent-wicklungsprozessesdoch sehr vorsichtig ge-wesen; durchaus auchbegründet. Unterm Strichaber eindeutig nicht soerfolgreich wie wir unsdas gewünscht hatten.

Oder die Vorstel-lung, man könne alleKräfte im Verband bün-deln, um die Anzahl der Mitglieder innerhalbvon drei Jahren zu ver-doppeln. Auch da hätteman vielleicht mutiger sein können. Die Grundaussa-ge: wir haben eine Öffnung des Mitgliedsverbandeserreicht, bleibt trotzdem richtig, wenn eben auchsehr zaghaft. Gleiches gilt – mit Blick auf regionaleZusammenschlüsse – für den Unternehmensbereich.Da haben wir ebenfalls eine sehr vorsichtige Öff-nung. Von daher gibt es eigentlich nichts von demich sagen könnte, da haben wir was falsch gemacht.Dass jetzt in der Umsetzung hier und da mal etwasnicht so funktioniert – das gibt es überall. Es ist fürmich jedoch kein Grund, nach über zehn Jahren Ver-bandsentwicklung zu sagen, der Prozess sei geschei-tert. Das ist nicht so.

AWOmagazinKann man zugespitzt sagen, dass die Dauer für die-

sen Verbandsentwicklungsprozess im besten Sinnetypisch ist für die AWO? Dass es eben so lange ge-dauert hat, um die verschiedenen Verbandsebenenentsprechend mitzunehmen? Oder war das Ganzeaufgrund der Größe der Aufgabe gar nicht eher zurealisieren?

BrückersIch vergleiche uns in diesem Zusammenhang gernemit anderen Verbänden. Wir sind eine große Orga-nisation; und wenn ich mir anschaue, wie intensivwir diesen Verbandsentwicklungsprozess vorange-trieben haben und eben auch sehe, wie erfolgreichgegenüber anderen, die es ja auch versucht haben,

dann muss ich sagen: Ja es hat lange Zeit gedauert. Für den einoder anderen auch zulange, da will ich michgar nicht ausnehmen.Wenn das Herz an einerSache hängt und manunbedingt etwas be-wegen möchte, dann er-scheinen solche Prozes-se schnell zähflüssig...Unterm Strich hat es sichgelohnt. Ich muss dannauch akzeptieren, wennman in einem Verbandmit so vielen Meinun-gen, mit so viel Eigen-ständigkeit eben auchlänger braucht als in ei-nem Unternehmen, dasandere Entscheidungs-strukturen hat.

AWOmagazinHerr Stadler?

StadlerIch sehe es genauso. Einige Dinge haben etwas län-ger gebraucht, als wir das ursprünglich gedacht ha-ben. Doch sind wir viel weiter als andere Organisa-tionen.

Eine offene Baustelle und ein Thema für dieAWO bundesweit ist der Fachkraftmangel. Ich glau-be, wir haben das Thema zu lange ignoriert, eskommt über die demographische Entwicklungzwangsläufig auf uns zu. Hier müssen wir entspre-chende Gegenmaßnahmen ergreifen, in dem wir jun-ge Menschen sehr viel früher und systematischer aufunsere Berufsfelder aufmerksam machen. Zweitensmüssen wir noch intensiver, als wir es bisher ma-

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chen, Ausbildungsstätten für junge Menschen bereit-halten, so dass in den einschlägigen Arbeitsfeldern,die die AWO vorhält, ausgebildet werden kann.

AWOmagazinEin kleiner Sprung. Herr Brückers, wie sieht eigent-lich Ihr Lebensalltag ab dem 1. Januar 2010 aus?'Legen Sie die Beine hoch' und schauen sich alles inRuhe an oder gibt es doch noch kleine Tätigkeiten,die Sie wahrnehmen werden?

BrückersAlso, erst einmal brau-che ich für mich und fürmeine Familie eine gro-ße Pause, die sicher län-ger als ein dreiwöchigerUrlaub andauern wird.Es waren für mich per-sönlich anstrengendeZeiten. Ich habe immerversucht, alles zu tun,was in meinen Augennotwendig war für denVerband. Das brauchteKraft und ich muss ersteinmal wieder auftan-ken, wie es so schönheißt. Dennoch bin ichnatürlich weiterhin anEntwicklungen der Ar-beiterwohlfahrt interes-siert. Ich habe mich jaauch bereit erklärt, imRahmen der Aufgabender bundeseigenen Be-ratungsgesellschaftGOS mitzuwirken. Dagibt es nicht nur in denklassischen Aufgabenfel-dern der Beratungsge-sellschaft wichtige Dinge anzupacken, sondern viel-leicht auch ein paar Innovationen wie zum Beispieldie Förderung des Führungskräftenachwuchses zuentwickeln. Da möchte ich mich gerne einbringen.Ansonsten: Schaun' wir mal...

AWOmagazinGut, wie der Kaiser Franz, wir kennen ihn.Herr Stadler, jenseits der Aufgabe, die bei demBundesverband auf sie wartet, wie finden sie denneigentlich Berlin?

StadlerEs gab mal eine Zeit, da war ich eigentlich ganzfroh, wenn der ICE aus dem Bahnhof Zoo in RichtungBielefeld herausfuhr. Die Stadt erschien mir hektisch,

ich konnte keine richtige Orientierung finden. Mittler-weile habe ich einen anderen Blickwinkel bekom-men. Auch und vor allen Dingen dadurch, dass icheine kleine Wohnung in Weißensee angemietet habeund dort eine sehr schöne Umgebung vorfinde. Ichlerne so auch die ruhigen Seiten Berlins kennen. Ru-he, die ich für mich persönlich benötige, etwa ummich morgens beim Laufen auf den Tag vorzuberei-ten. Das heißt: Ich lasse mich jetzt gerne auf Berlinein. Ich hoffe, dass es meiner Frau und meinen Kin-dern in Berlin auch gut gefallen wird. Dabei prakti-zieren wir anfangs eine Pendelbeziehung. Aber werweiß, schaun' wir mal...

AWOmagazinHerr Brückers, haben sieBerlin bisher als eineschöne Herausforderungerlebt, so dass sie sagenkönnen, lieber Stadler,je länger man in Berlinist, umso besser findetman die Stadt? Oder ha-ben sie gefremdelt?

BrückersNein, nein. Also ich habja lange Zeit, bevor wirden Umzugsbeschlussgefasst haben, teilweisein Berlin leben müssen.Wir hatten nach demUmzug des Parlamentsund der Regierung nachBerlin jede Menge hierzu tun. Ich habe Berlinimmer schon als einesehr spannende Stadt er-lebt; habe an vielen Stel-

len auch den Aufbau der Stadt mitverfolgen können.Und da ich nie in Bonn gelebt habe, ist mir der Ab-schied von Bonn selbst nicht so schwer gefallen. Aufden Punkt gebracht: Man kann hier in Berlin gut le-ben. Ich werde auch nach meinem Ausscheiden alsBundesvorsitzender hier bleiben. Ebenso bin ichfroh, dass zumindest ein guter Teil an Kolleginnenund Kollegen aus der Bonner Zeit diesen Weg mitge-gangen ist und sich mittlerweile auch in Berlin wohl-fühlt und nur noch zum Karneval unbedingt ins Rhein-land will...

AWOmagazinEine Frage zum Schluss: Warum soll eigentlich je-mand AWO-Mitglied werden? Kann man das schlag-wortartig in zwei, drei Sätzen beantworten?

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StadlerZwei, drei Sätze reichen dafür überhaupt nicht, daes eine Menge von guten Gründen gibt, Mitglied derAWO zu werden. In unserem Grundsatzprogrammheißt es: „Wir sind ein Mitgliederverband, der für ei-ne sozial gerechte Gesellschaft kämpft und politischEinfluss nimmt. Dieses Ziel verfolgen wir mit ehren-amtlichem Engagement und professionellen Dienstlei-stungen.“ Und „wir unterstützen Menschen, ihr Lebeneigenständig und verantwortlich zu gestalten und för-dern alternative Lebenskonzepte.“ In diesem großenBogen und mit diesem Selbstverständnis können wiroffensiv auf Menschen zugehen und um eine Mit-gliedschaft werben. Wir müssen dabei deutlich ma-chen, welche Chancen die AWO bietet, gemeinsamaktiv zu werden. Gerade das ist nach 90 Jahrennichts Antiquiertes, diese Zielsetzungen sind hochak-tuell!

AWOmagazinHerr Brückers?

BrückersIch finde es generell gut, wenn man sich für den Zu-sammenhalt des Gemeinwesens engagiert. Da bietetdie Arbeiterwohlfahrt, wie ich denke, gute Vorausset-zungen, um als passives oder als aktives Mitglied da-bei zu sein. Dabei zu sein, um an einer Idee in einerGemeinschaft teilzuhaben, sie zu unterstützen undmitgestalten zu können. Als Mitglied macht es auchein wenig stolz, einer Organisation wie der AWOmit ihrer bedeutenden Geschichte anzugehören.

AWOmagazinVielen Dank.

Interview: Peter KuleßaFotos: Wolfgang Siesing

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