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Reinhard Bögle Ayurveda YOGA PRAXISBUCH Mehr Energie durch Marma-Übungen

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Reinhard Bögle

AyurvedaYOGA

PRAXISBUCH

Mehr Energie durch Marma-Übungen

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Inhalt

Yoga durch die Marmas begreifen 4

Mehr Lebensqualität durch Yoga und Ayurveda 8Haltungen, Bewegungen und Umgang mit dem Körper

werden gelernt 9Sich und die eigene Gesundheit besser verstehen 14

Leitideen von Yoga, Samkhya und Ayurveda 18Ursprung, Geschichte und Grundlagen von Wissen und Lehre 19Was ist Ayurveda? 20Was ist Samkhya? 23Was ist Yoga? 26Zurück zur ursprünglichen Yoga-Tradition 47

Die Marma-Kunde 48Ein Marma – was ist das? 49Die erste Definition: Den Nagel auf den Kopf treffen 53Die zweite Definition: Vitale Gegenden – dynamische Zentren 54Die dritte Definition: Die sieben Pranas – die Leben

hervorbringenden Sieben 56Die vierte Definition: Jedes Marma hat seine eigene Funktion 58Die fünfte Definition: Marmas sind frei und geheimnisvoll 61Marmas spüren – Marmas benutzen 63

Kein Asana ohne Marmas 66Übungsschritte für Ayurveda-Yoga 67Die Asanas zum Einüben der Marmas 68

Sehnen-Marmas: Kraftquellenorte 78Die Grundlagen der Sehnen-(snayu)-Marmas 79Fußwinkel- und Handwinkel-Marmas 83Fußwurzel-/Mittelfuß- und Handwurzel-/Mittelhand-Marmas 86Beinkraft- und Armkraft-Marmas 91Oberste-Rippe-Marmas 93Das Blasen-Marma 98

Inha l t

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Inha l t

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Gelenk-Marmas: Raumgestaltungsorte 100Die Grundlagen der Gelenk-(sandhi)-Marmas 101Fußgelenk- und Handgelenk-Marmas 106Knie- und Ellbogen-Marmas 109Hüftgelenk-Marmas 112Kopfgelenk-Marmas 116

Muskel-Marmas: Längenbeurteilungsorte 118Die Grundlagen der Muskel-(mamsa)-Marmas 119Fußsohlen- und Handteller-Marmas 125Wadenmitte- und Unterarmmitte-Marmas 127Brustkorbaufrichtung-Marmas 132Das Beckenboden-Marma 135

Knochen-Marmas: stabile Koordinationsorte 138Die Grundlagen der Knochen-(asthi)-Marmas 139Hüftknochen- und Schulterblatt-Marmas 143Kreuzbein-Darmbein-Marmas 148

Blutgefäß-Marmas: Orte ruhiger Dynamik 150Die Grundlagen der Blutgefäß-(sira)-Marmas 151Oberschenkelmitte- und Oberarmmitte-Marmas 156Beinblutfluss- und Armblutfluss-Marmas 159Leisten-Marmas 162Der Rumpf als ein Blutgefäß 165Hals und Kopf als ein Blutgefäß 168

Die Marmas erschaffen die Qualität der Asanas 170Aktionen und Erfahrungen initiieren und stabilisieren 171

AnhangLiteratur 214Glossar 215Impressum 224Bildnachweis 224

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Yoga durch die Marmas begreifenViele Menschen haben Freude an Naturerlebnissen; Berge, Wälder, Seenund Meeresküsten sind beliebte Ausflugs- und Urlaubsziele. In diesemBuch werden Sie eingeladen, Ihre eigene Natur zu erleben – und das be-deutet, Yoga zu praktizieren. Gönnen Sie sich diese besonderen, immerwieder überraschenden und anregenden inneren Naturerlebnisse. FallsSie sich auf Yoga einlassen, werden Sie Neues entdecken und bereits Be-kanntes besser einordnen und verstehen können.Es geht dabei um Ihren eigenen Körper, um Ihre Körperwahrnehmung, IhrGefühl, Ihr Denken und Ihr Bewusstsein. Mit ein wenig Übungspraxis wirdes Ihnen gelingen, Gegenden Ihres Körpers wahrzunehmen, die Sie bis-lang kaum oder noch gar nicht gespürt haben.»Jetzt fühle ich mein Hüftgelenk das erste Mal in meinem Leben!«, soetwas höre ich öfter von meinen Seminarteilnehmern. Andere erleben die

wichtigen Streckmuskeln ihrer Beinedeutlicher; wieder andere entdeckendie Seiten des Rumpfs als wichtigeStützen.Sowohl Entspannung als auch Akti-onsmöglichkeiten können durch Yogaintensiver wahrgenommen werden.Von Tag zu Tag sind dabei neue Steige-rungen möglich, als ob Sie eine Spra-che oder ein Musikinstrument erler-nen würden. Stellen Sie sich vor, nochentspannter zu sein, als Sie es jemalsin Ihrem Leben waren.Das Denken, Erleben und Handeln ei-nes jeden Menschen, und damit auchIhr eigenes, besitzt aus der Sicht vonYoga Entwicklungspotenzial. Heute be-ginnt der Rest Ihres Lebens, und Siekönnen sofort damit beginnen, in sichselbst zu investieren. Dazu vermittleich Ihnen in diesem Buch die im Yogaso wichtige Marma-Kunde. Es ist dieverbesserte Version meines 1991 erst-

Yoga durch d ie Marmas begre i fen

Die Ästhetik der eige-

nen inneren Natur

steht der Ästhetik der

äußeren nicht nach

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Yoga durch d ie Marmas begre i fen

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Marmas sind lebens-

stützende Orte,

Regulationszentren

auf körperlicher,

psychischer und

auch sozialer Ebene

mals erschienenen und in der Praxis bewährten Lehrbuches »Yoga – EinWeg für Dich. Einblick in die Yoga-Lehre«.Nach 35 Jahren Beschäftigung mit Yoga-Unterricht und -Forschung sowiemit der Ausbildung von Yoga-Lehrern schreibe ich dieses Praxisbuch fürMenschen, die Yoga betreiben wollen oder es bereits tun, und für Men-schen, die sich für die Theorie des Yoga interessieren. Bei der Auswahl derThemen und Übungen habe ich mich von den Lernprozessen und Fragenmeiner Schüler und Schülerinnen, von den Bedürfnissen von Yoga-Laienund natürlich hauptsächlich von den Ideen des Yoga leiten lassen.

Einblick in Yoga

Das Buch gibt Ihnen Einblicke in die wenigen und doch für die Übungspra-xis außerordentlich wichtigen Grundgedanken des Yoga und seiner Part-nerdisziplin Samkhya sowie des Ayurveda. Insbesondere erkläre ich dieMarma-Kunde, die aus dem Yoga stammt und im Ayurveda detailliert aus-gearbeitet wurde.Die Marmas sind bestimmte Körperpunkte, die von den Yoga-Gelehrten alslebensstützende Orte erkannt wurden. Auf der Kenntnis der Marmas ba-sieren die Haltungs- und Bewegungsmuster und die Gedanken des Yoga.Die insgesamt 107 Marmas werden nach Körpergegenden und Körper-funktionen in fünf Gruppen eingeteilt: Sehnen-, Gelenk-, Muskel-, Kno-chen- und Blutgefäß-Marmas. In den Sehnen-Marmas sitzt die Kraft. DieGelenk-Marmas sind Orte des Raumerlebens und der Raumgestaltung.Muskel-Marmas bilden die Länge und Breite der Aktionsflächen. Knochen-Marmas stabilisieren die Gesamtkoordination, und die Blutgefäß-Marmasregulieren die Ströme des Bluts und die nervliche Verfassung. Ab Seite 78werden die für Ihre Übungspraxis wichtigsten Marmas, nach den fünfGruppen geordnet, erläutert.Darüber hinaus finden Sie Übungsvarianten abgebildet und beschrieben,die Sie für erste Erfahrungen mit den Marmas brauchen. Mit Hilfe sowohlvon mehr rezeptiven, aufnehmenden Wahrnehmungsübungen als auchvon aktiven Übungshaltungen (Asanas) können Sie mit diesen Orten Kon-takt aufnehmen.Am Schluss des Buches werden die wichtigsten Asanas vorgestellt undHinweise auf die Verwendung der Marmas gegeben. Sie bekommendadurch eine gute Orientierung für die korrekte Ausführung der Asanas.Sie lernen also zunächst die einzelnen Instrumente zu spielen, danach

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Die Marma-Kunde

liefert einen

Schlüssel für körper-

gerechte Bewegung

und die Schaffung

einer gesundheits-

förderlichen und kör-

pergerechten Welt

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spielt in den Asanas das ganze Orchester, deren Dirigent bzw. DirigentinSie sind.

Die Marma-Kunde nutzen

Die für Yoga zentrale und grundlegende Marma-Kunde kann auch im Rah-men anderer gesundheitsfördernder Verfahren genutzt werden – ange-fangen beim Sport und der Sportmedizin über das Entspannungstrainingbis hin zur Psychotherapie. Informationen und Übungshinweise des Yogaund speziell der Marma-Kunde bieten viele Anregungen für diese Diszipli-nen sowie für ganz einfache Bewegungen im normalen Alltag.Ordnet man Yoga nach westlichen Kriterien ein, so ist es eine sportlicheBasisaktivität, eine »indische Gymnastik«, ein gesundheitsorientiertesGrundlagentraining. Pädagogisch und psychologisch gesehen ist es einkörperorientiertes Lernen in Kombination mit dem eigenen Denken undFühlen, in dem insbesondere das Erlernen des befreienden und mündigenUmgangs mit der eigenen Aufmerksamkeit Bedeutung hat.Eine in den Jahren 2003 bis 2005 von der amerikanischen Regierung inAuftrag gegebene Zusammenfassung der gesamten Forschung der letz-ten fünfzig Jahre über Yoga ergab, dass sich Yoga auf nahezu alle Organeund Funktionen positiv auswirkt – sowohl somatisch als auch psychisch.Kritisiert wurde jedoch die unklare Theorie von Yoga und die unklaren In-struktionen für die Durchführung von Yoga. Die Marma-Kunde und dieGrundlagen des Yoga, wie sie Ihnen in diesem Buch dargestellt werden,sind für mich und meine wissenschaftlichen Berater wichtige Ansätze, umdiese Lücke zu schließen.Sie können die Marma-Kunde darüber hinaus als den Schlüssel für dieTheorie und Praxis körpergerechter Haltungen und Bewegungen ver-stehen. Es geht dabei um die Schaffung einer im umfassenden Sinne ge-sunden, passenden Lebenswelt, in der sich der Mensch wohlfühlt. Was indiesem Buch an einfachen Marma-Übungen beschrieben ist, lässt sichdeshalb sowohl auf kompliziertere Übungen als auch auf einfache Bewe-gungsabläufe gut übertragen. Alle Lebensbereiche als Übungspraxis zunutzen entspricht ganz der Idee des Yoga.Das Buch bietet Informationen, Denkanstöße und Übungsanregungen.Sie können es Seite für Seite von vorn bis hinten durcharbeiten oder sichdie Kapitel herausgreifen, die Sie vorerst am meisten interessieren. Man-ches werden Sie jedoch nur unter der professionellen Anleitung eines

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Yoga durch d ie Marmas begre i fen

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Yoga repräsentiert

eine große Tradition.

Es bietet unserer

Kultur viele Lern-

chancen und

-anregungen

beim Yogaforum München e.V. ausgebildeten Yoga-Lehrers oder bei ande-ren erfahrenen Spezialisten erlernen können.Für Menschen, die sich neu mit Yoga beschäftigen, wird das Buch in jedemFall einen wertvollen Einstieg bieten. Den geübten Yoga-Praktikern, Yoga-Kennern und Yoga-Lehrenden wünsche ich, dass mein Buch dazu beiträgt,auf anregende Weise Fachkenntnisse zu erweitern.

Hinweise zu den Fachbegriffen

In Ihrem Körper laufen Lebensprozesse ab, die von Ihnen zum großen Teilnicht registriert werden,die Sie aber erfahren können. Um sie sich bewusst-zumachen, um sie zu durchdenken, zu begreifen und davon zu berichten,brauchen Sie Sprache und kulturellen Kontext. Sie kommunizieren aufDeutsch; die Begriffe des Yoga kommen jedoch aus dem Sanskrit, der klas-sisch gewordenen Form des Altindischen.Um mich in diesem Praxisbuch auf gut verständliche Weise auszudrü-cken, habe ich mich bei der Sprache für einen Kompromiss entschieden:Wenige wichtige Yoga-Fachausdrücke bleiben in der Sanskritform, und icherläutere die Bedeutung auf Deutsch. Für andere Fachausdrücke gebe icheine möglichst genaue Übersetzung an und füge die Sanskritform kursivin Klammern hinzu, z. B. innere Natur (prakriti) oder Sehne (snayu). Eineweitere Hilfe bietet das Glossar am Ende des Buches.Bedenken Sie, dass die vor mehr als 2000 Jahren entwickelten Fach-begriffe präzise ausdrücken, was im Yoga gemeint ist. Der Sinn und der Be-deutungsumfang stimmen selten mit deutschen Wörtern überein.Buddhi etwa meint Aufmerksamkeit, Sinnerzeugen, Intuition, Gewahr-sein, Erkenntnisgewinn, Erkenntniserzeugung, Weisheit, Erwachen, Nach-denken, Intelligenz, Urteil, Feingefühl. Buddhi ist eine Art »oberste Füh-rungskraft« im Inneren jedes Menschen und das, womit Lernen in Yogastattfindet.Für die korrekte Aussprache genügt die Regel, in Silben zu sprechen undjede Silbe gleich zu betonen, z. B. Mar-ma, A-sa-na, A-yur-ve-da. Es gibt imSanskrit wie im Deutschen ein kurzes und ein langes »a«, »i« und »u«.Asana hat ein langes »a« (wie in »habe«) am Anfang und dann zwei kurze(wie in »hat«) in der Mitte und am Ende. Das erste »a« in dem Wort Asanawird also doppelt so lang gesprochen, ohne betont zu sein. »O« und »e«sind in der Aussprache immer lang, also auch im Wort Yoga (langes »o«,kurzes »a«). Das Wort Ayurveda beginnt mit einem langen »a«.

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Mehr Lebensqualität durch Yoga und Ayurveda

Der richtige Umgang mit dem eigenen Körper, mit

dem eigenen Denken und Fühlen ist aus Yoga-Sicht

genauso wichtig wie das Erlernen des ABC

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Haltungen, Bewegungen

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Wir haben besser

gelernt, mit Kugel-

schreiber oder

Milchtüte zu hantieren

als mit den Teilen

unseres eigenen

Körpers

Haltungen, Bewegungen und Umgangmit dem Körper werden gelerntNeugeborene beginnen nach kurzer Zeit, Haltung und Bewegungen zuerlernen. Das erste Übungsspielzeug im Liegen in der Hand zu halten er-fordert jedoch wochenlanges Ausprobieren, Einüben und Angeleitetwer-den. Vom Liegen zum Sitzen kommen zu können ist ein weiteres wichti-ges, kulturell beeinflusstes Training im Lehrplan der Natur. Vom TellerNahrung zu nehmen – den Löffel vom Teller zum Mund zu führen und erstim Mund abzugeben, was auf dem Löffel transportiert wurde – ist einweiteres Beispiel für eine der zu entwickelnden anspruchsvollen Bewe-gungssteuerungen. Sie verlangen kontrollierte Anstrengung (geregelteIntensität) und genügend Ausdauer, also eine aktive Haltungs- und Bewe-gungskoordination.Wie wir noch genauer sehen werden, können all dieseVorgänge anhand der Marmas besser verstanden und optimiert werden.Später lernt ein Kind das Stehen und Gehen. Wie ängstlich schauen dochKinder, wenn sie wackelig auf den Beinen sind, und wie stolz sind sie,wenn sie die ersten Male stabil stehen – denn wie viel schöner ist es,wenn man die Arme nicht mehr zum Stabilisieren verwenden muss. DieArme können nun als frei erlebt werden, bereit für mehr Aktionsspiel-raum. Freiheit wird somit in den Armen erlebt.Das Gehenlernen dauert im Durchschnitt neun Monate. Doch wer erin-nert sich als Erwachsener noch daran? Die Psyche, das Ich, ist noch nichtentwickelt genug gewesen, um diese Erlebnisse als ichbezogene Erinne-rung abspeichern zu können. Das heißt in unserem Zusammenhang: Wirsind nicht im Lernen von Bewegungsabläufen geschult, können dies aberüber Yoga erlernen.

Kinder und Yoga

Während der Winterzeit üben die Inuit mit ihren Kindern im Iglu, auf demTrockenen so zu sitzen und die Arme zu bewegen, wie sie es dann im Som-mer draußen beim Kanufahren brauchen: Sie sitzen mit beiden Beinenparallel am Boden, halten den Rumpf aufrecht und bewegen den gestreck-ten Arm von hinten am Ohr vorbei nach vorn wie beim Speerwerfen. Dasist Bewegungs- und Haltungstraining für den späteren Alltag. Die Arme zubewegen, ohne in den Beinen und im Rumpf zu wackeln, wird geübt, umspäter das Boot stabil zu halten und nicht ins eiskalte Wasser zu kippen.

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Kinder imitieren

die guten und die

schlechten Vorgaben

der Familie auch

im Hinblick auf

Körperhaltung und

Bewegungsmuster.

Kinder lernen

jedoch meist schnel-

ler und leichter als

Erwachsene, die

Kraftquelle Marma

zu nutzen

10

Doch wer lehrt unseren Kindern Aufmerksamkeit, Haltung und Bewegungdes Körpers – also die Aktionen der Marmas – so genau, wie wir uns dasnach yogischer Bewegungsanalyse erwarten?Kinder im Alter ab drei Jahren, mit denen ich Yoga übte, konnten alle ihreHüftgelenke schlecht bewegen und fielen stattdessen in den unterenRücken. Sie hatten unproportional wenig Kraft im oberen Brustkorb und inden Seiten des Rumpfs und zeigten bereits erste Neigungen zum Buckel.Die Ähnlichkeiten mit den Eltern waren frappierend. Konnte der Vater dasHüftgelenk schlecht bewegen, hat der Sohn dies schnell imitiert.In Indien war es früher üblich, mit den Babys und Kleinkindern bis ins Altervon sechs bis acht Jahren Yoga-Übungen passiv zu machen. Dies wurde et-was irreführend als indische Babymassage bekannt. In manchen Gegen-den Indiens begannen die Kinder danach mit Yoga am Seil und Yoga amPfahl (mallakhamb). Im Süden Indiens erlernten sie »Yoga-Selbstverteidi-gung« (kalaripayat). Deutsche Schulkinder dagegen, die an einem Yoga-Wochenkurs teilgenommen hatten, sagten: »In der Schule kommt nie-mand und zeigt mir, wie eine Bewegung genau geht und wie nicht.«Leider wird generell hierzulande viel zu wenig für ein gutes Bewegungs-und Haltungstraining im Sinne des Yoga getan. Vor allem Kinder würdendavon profitieren, denn sie könnten die Kraftquelle Marma noch amschnellsten und leichtesten zu nutzen verstehen.

Weiterlernen und täglich in sich selbst investieren

Sie haben heute die Möglichkeit, sozusagen auf dem zweiten Bildungs-weg, im Sinne des lebenslangen Lernens, das zu lernen, was für Sie früherin Elternhaus und Schule nicht möglich war. Das kann leicht sein und Spaßmachen, wie eine meiner Leserinnen meinte: »Die Übungen sind so ein-fach beschrieben, es gibt jetzt keine Ausrede mehr, sie nicht zu machen.«Vielleicht gehören Sie auch zu den Menschen, die zahlreichen Belastun-gen ausgesetzt sind und durch den Alltag hetzen, weil Beruf und Haushaltihnen vieles abverlangen. In dieser Situation kann es schwer sein, über-haupt Zeit und Kraft für Yoga zu finden. Doch darin besteht die erste undwichtigste Aufgabe.Ganz im Sinne des Yoga und Ayurveda heißt es nun für Sie: Nehmen Siesich etwas Zeit für sich. Investieren Sie täglich die Hälfte der Energie, dieSie haben, in sich selbst. Machen Sie am besten nach der Morgentoiletteund vor dem Frühstück Ihre Yoga-Übungen, die Sie sich selbst zusammen-

Mehr Lebensqual i tä t durch Yoga und Ayurveda

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Haltungen, Bewegungen

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Ayurvedische

Meditation bedeutet:

Sie denken über Ihr

Leben nach, beson-

ders über den ver-

gangenen Tag, und

überlegen sich, wie

Sie den heutigen

Tag gestalten und

was Sie besser

machen wollen

stellen oder, besser noch, die Sie unter Anleitung eines Lehrers, einer Leh-rerin kennengelernt haben.

Von Stress geschlagen sein

Stress erzeugt Verspannungen, Schmerzen, Irritationen und Fehlregulatio-nen an den Marmas. Stress, beispielsweise durch Feindseligkeit, Über-oder Unterforderung, wird mitunter erst wahrgenommen, wenn die Ver-spannungen schon deutlich spürbar und eventuell lang anhaltend sind.Mitunter treffe ich auf Menschen, denen die Zusammenhänge bereits klar sind und die mir sagen: »Richtig, es gibt Tage, an denen ich in der Ar-beit und beim Tennis gut bin, und es gibt Tage, da klappt es in der Arbeitund beim Tennis nicht so gut.«Andere Menschen denken, Rückenschmerzen seien unvermeidbar. Häufiglassen sich Rückenschmerzen jedoch auf Fehlhaltungen und Fehlbelas-tungen sowie auf psychische Belastungen zurückführen. Fielen die Über-lastungen weg, verschwand auch der Schmerz.Mediziner sprechen von muskulären Dysbalancen. Psychologen sagen,dass der Stress, der durch die Spannung zwischen hoher Leistungsbereit-schaft und geringer Möglichkeit der Leistungserbringung entsteht, sich inRückenverspannungen niederschlägt.Der knapp und treffend formulierte Samkhya-Text, auf den ich ab Seite 23noch genauer eingehen werde, beginnt mit der Aufzählung der dreiLeidensbereiche: Leiden an der äußeren Natur (z. B. Naturkatastrophen,ungesundes Klima, Mangel an Ressourcen, Unglücksfälle), Leiden an denMitmenschen (und den von Mitmenschen geschaffenen Lebensbedin-gungen) und Leiden, für deren Verursachung man selbst verantwortlichist. Anschließend wird erörtert, was gegen diese Belastungen und Schick-salsschläge unternommen werden kann.

Fehlstart durch Fehldenken

Aus ayurvedischer Sicht spielt Fehldenken für den Beginn einer Erkran-kung eine wichtige Rolle. Daher sollte man den Signalen der eigenen Na-tur folgen: essen, wenn man hungrig ist; trinken, wenn man durstig ist;Blase und Darm entleeren, wenn die Signale dazu kommen; weinen, wenndas Signal dazu kommt; etwas Belastendes aussprechen; dem Bedürfnisnach Sexualität nachgehen. Dieses Antworten auf den Ruf der eigenen

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»Je früher man klei-

ne Veränderungen,

die Botschaften in

Körper, Psyche und

Umwelt sind, zur

Kenntnis nimmt und

darauf eingeht,

desto besser für die

Gesundheit«, sagt

Dr. Narendra S.

Bhatt, einer der

bedeutendsten

Ayurveda-Kenner

Indiens

12

Natur sollte jedoch stets in einem kultivierten Rahmen erfolgen – z. B. mitnetten Menschen bei entspannten Tischgesprächen zur passenden Zeitdes Tages etwas auf gesunde Weise Nahrhaftes, etwas Bekömmliches undWohlschmeckendes essen.»Kleine Abweichungen führen über längere Zeit zu großen Veränderun-gen«, sagt der Ayurveda-Spezialist Professor N. S. Bhavsar. Dies geschiehtim Guten wie im Schlechten. So habe ich eine Lehrerin erlebt, die unterVerstopfung litt, weil sie immer dann, wenn der Darm sich meldete, imUnterricht war und nicht zur Toilette gehen konnte.Weinen zu können ist das ayurvedische Musterbeispiel für den Einklangmit der inneren Natur. Es wird gelehrt, dass Emotionen etwas Natürlichessind und es wichtig ist, sie auszudrücken. Unbewältigte Emotionen sindaus ayurvedischer Sicht Teil des Fehldenkens, emotionslos funktionierenzu müssen. Emotionen sind auch ein zutiefst körperliches Erleben. Körper-bewusstsein ist hilfreich, um sie ausdrücken zu können. Für Dr. HeinzStrauß, den Begründer der systemenergetischen Psychologie und Psycho-therapie, bedeutet der Vorgang, sich der körperlichen Dimension der Emo-tionen bewusst zu werden, einen wichtigen und manchmal auch schwe-ren Zwischenschritt, um die eigenen Fähigkeiten weiterentwickeln zukönnen. Er sagt: »Emotion bedeutet auch Bewegung.«

Atmen, Essen und Schlafen ernähren uns

Die Faktoren, von denen die Atmung gesteuert wird, sind besonders leichtirritierbar. Bei Computerarbeit, so hat man festgestellt, wirkt der Rhyth-mus des Computers, d. h. das Tempo, in dem das Bild aufgebaut wird, aufden Atemrhythmus ein. Nicht nur bei Anstrengung oder Schreck haltenMenschen ab und zu die Luft an – eine schlechte Gewohnheit –, statt freizu atmen. Manche Menschen meinen sogar fälschlicherweise, man müss-te nach dem Ausatmen die Luft etwas anhalten, weil das natürlich sei.Nahezu jeder weiß, dass drei Mahlzeiten am Tag dem Körper guttun, dochwer hält sich an diesen Rhythmus? Geht man im Restaurant essen, so hatdas Gericht auf dem Teller selten die Qualität und Zusammensetzung, zudenen die Ernährungsforscher raten. Mehr als die Hälfte der Mahlzeit müss-te aus Gemüse oder Salat bestehen, das verbleibende größere Viertel ausNudeln oder Reis und nur das kleinste Viertel aus Linsen, Fisch oder Fleisch.Um die vom Körper benötigte Flüssigkeitsmenge zu sich zu nehmen, müss-te man am Tag sechs bis acht große Gläser Wasser trinken. Im Ayurveda wird

Mehr Lebensqual i tä t durch Yoga und Ayurveda

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Haltungen, Bewegungen

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Yoga-Übungen lösen

bestimmte Aktionen

der Marmas aus und

helfen damit, den

eigenen Rhythmus

wieder zu normali-

sieren

dazu geraten, den Tag mit einer etwa körperwarmen Tasse Wasser – gleichnach dem Aufstehen getrunken – zu beginnen. Würde man ab sieben Uhrmorgens alle zwei Stunden etwas trinken, hätte man gegen Abend die emp-fohlene Trinkmenge geschafft. Doch an welchem Arbeitsplatz ist dies mög-lich? In welchem Restaurant wird automatisch und kostenfrei ein Glas Was-ser auf den Tisch gestellt, wie das beispielsweise in Indien üblich ist?Schlafforscher konstatieren, dass jeder Mensch heutzutage im Schnittetwa eine Stunde zu wenig schläft. Künstliches Licht, Arbeitsdruck, derWunsch, wegen langweiliger, monotoner Jobs wenigstens in der Freizeitetwas zu erleben, Sorgen und vieles mehr sind Schlafräuber. Sie verkürzenoder verhindern den Schlaf. Wer wacht schon täglich morgens ohneWecker auf, wie die Ayurveda-Lehre es empfiehlt, und ist ausgeschlafen,munter, kräftig und unternehmungslustig?

Fehlhaltungen und Bewegungsmangel

Ein befreundeter Frauenarzt mit Praxis in der Nähe des Flughafens hatfestgestellt, dass bei vielen Stewardessen der Menstruationsrhythmusdeutlich gestört ist. Bei Leistungssportlerinnen bleibt die Periode oft ganzaus. Ist ein körpereigener Rhythmus verloren gegangen, kann es jedochschwer und sogar unmöglich sein, ihn wiederzugewinnen. Alle diese Kör-perrhythmen hängen mit der Bewegungssteuerung zusammen und ma-chen sich in den Marmas bemerkbar.Verspannungen und muskuläre Dysbalancen sind inzwischen eine ArtVolkskrankheit. Jeder zweite Deutsche leidet Untersuchungen zufolge anRückenschmerzen. Fehlhaltungen beginnen schon bei den Kindern. Für dennoch nicht fertig ausgebildeten Körper sind oft schon die Schultaschen zuschwer. Doch wer Sport treibt, ist nicht unbedingt dagegen gefeit. Die Ge-neration, die in den letzten Jahrzehnten Sport getrieben hat, leidet heutenach Angaben amerikanischer Forscher unter sportbedingten Verschleiß-erscheinungen. Nichts zu tun scheint manchmal besser zu sein.Doch seine Zeit nur vor dem PC oder Fernseher zu verbringen und für alleWege das Auto zu nehmen ist kaum zuträglich. Bewegungsmangel scha-det. Der Kreislauf und das Herz brauchen Aktivierung. Sportliche Aktivitätwird daher heute sorgfältig unterschieden in sportliche Leistung undsportliche Aktivität mit gesundheitlichem Wert. Als gesundes Ausdauer-training für Herz und Kreislauf sind zwei bis vier Stunden leichte Aktivitätpro Woche das Maximum.Was darüber hinausgeht, ist für die Gesundheit

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Yoga verbessert die

Muskelbalancen und

wirkt Fehlhaltungen

und Bewegungs-

mangel entgegen

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ohne Wert. Die durch leistungsorientiertes Training erzeugten Oxidanzien(Freie Radikale) schädigen den Körper. Die Gesundheit wird durch solchesLeistungstraining nicht gefördert.Der Schwerpunkt von Yoga besteht darin, die Haltung zu verbessern. Yogawirkt sich aber auch positiv auf Herz und Kreislauf aus, da bei den Asanasdie Körpermuskulatur aktiv ist und die Durchblutung gefördert wird. Die-se Art von Ausdauertraining liegt ganz im gesunden Bereich.

Sich und die eigene Gesundheit besser verstehenYoga und Ayurveda zielen auf ein erfülltes Leben. Verschiedene Phasensind dabei zu unterscheiden. Da sind die Lernjahre in der Jugend, dann fol-gen Berufstätigkeit, Familienleben und aktive Pflege von sozialen Kontak-ten im Erwachsenenalter. Danach kommt die Übergabe an die nächsteGeneration und die Großelternschaft. Den Schluss bildet der Lebensabendmit – hoffentlich – wachsender Altersweisheit.In allen Phasen passende Aktivitäten sollten nicht nur Jahre zum Leben,sondern auch Leben zu den Jahren addieren. Yoga und die Marmas bietendafür die stärksten Überprüfungsmöglichkeiten. Sie verleihen Klarheitund Kraft, um sich jeden Tag neu zu orientieren und die Dinge so zu gestal-ten, dass wir persönlich damit zufrieden sind. Aus der Yoga-Sicht wird diesdurch das Wissen um die eigenen Marmas möglich.

Die Selbstregulation fördern

Gesundheit heißt im Ayurveda svastha, damit ist ein eigenständiger Zu-stand der Selbstregulation (wörtlich: Eigenstabilität) gemeint. Solche ei-genständigen, guten Zustände beziehen sich in umfassender Weise aufalles, was den Körper und die Körpergewebe stützt: die Funktionssystemewie Herz-Kreislauf, die Sinne, das Mentale und Emotionale sowie die sinn-stiftenden Ideen.Einiges kann man allein erreichen; für manches braucht man ein gesund-heitsförderndes Umfeld (Kontext), und auch dafür kann man selbst etwastun. Sich und die eigene Gesundheit besser zu balancieren verlangt alsoein Stück Kontextunabhängigkeit, ein Stück Kontextberücksichtigung undein Stück Kontextverbesserung. Mit meinem Kollegen Dr. Roland Lüthi, ei-

Mehr Lebensqual i tä t durch Yoga und Ayurveda

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Leichtes Ausdauer-

training fördert Herz

und Kreislauf

nem früheren WHO-Gesundheitsforscher, habe ich zu diesem Thema dasBuch »Erfolgsfaktor Gesundheit« geschrieben.Im Yoga wird versucht, die Selbstregulationen an den Marmas zu fördern.Die Beschäftigung damit lenkt das Bewusstsein auf die eigenen Marmas.Durch die stärkere Beschäftigung mit dem Eigenen werden Selbstregula-tionsprozesse unterstützt, und es entsteht relative Freiheit vom Umfeld.Äußere Einflüsse wie Hitze und Kälte oder andere Belastungen könnendem Einzelnen dann nicht mehr so viel anhaben.Der logische Kerngedanke lautet: Die eigene Gesundheit von der Gesund-heit her verstehen. Im Ayurveda, in dem die Konzepte des Yoga praktischausgearbeitet sind, unterscheidet man zwischen Ursachen, Sympto-men/Zeichen und Mitteln/Maßnahmen der Gesundheit und dann zwi-schen Ursachen, Zeichen und Mitteln der Krankheit. Nahrung, Zähneput-zen, Yoga-Übungen, gute Luft und angenehme Gesellschaft sind Mittelder Gesundheitsförderung; Medikamente und ärztliche Behandlung sindMittel gegen Krankheit.

Passende Gleichgewichte finden

Im Ayurveda werden viele Hinweise auf Gesundheitsförderliches ge-geben, und es wird ein Zusammenhang zwischen dem Menschen und sei-ner Umgebung beobachtet. Diese wichtige Grundlage werde ich ab Seite20 noch genauer erklären. Die ayurvedische Art, sich auszubalancieren,baut darauf auf. Wenn es heiß ist, balancieren Sie sich aus, indem Sie ausder Sonne gehen oder das Fenster öffnen; wenn es kalt ist, indem Sie sichwarme Kleidung überziehen oder die Heizung aufdrehen. Wenn es

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Wie bei jeder

dynamischen

Balance können

die Schwerpunkte

sich verschieben.

Anstrengende

Arbeitsphasen kön-

nen sich mit erhol-

samen Urlaubs-

phasen sinnvoll

abwechseln

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regnet, spannen Sie einen Regenschirm auf, damit Sie nicht nass werden.Jede dieser Eigenschaften, wie warm, kühl, kompakt, lose, trocken oderfeucht, besitzt ihren eigenen Wert. Es ist eine gute Übung, sich bewusstzu-machen, welche Eigenschaften im eigenen Körper wahrnehmbar sind undwelche Eigenschaften Sie außerhalb Ihres Körpers wahrnehmen können.Dieses Wissen eröffnet Ihnen die Möglichkeit, Ihre Balance zu verbessern.Sie sollten außerdem lernen, Schwierigkeiten zu erkennen und Ideen zuentwickeln, wie Sie sich balancieren können. Dies lässt sich in folgendenSchritten bewerkstelligen:Am Anfang steht die Problembeschreibung,z. B.:»Mir ist zu kühl.« Dann folgt die Problemanalyse: »Weniger Zug wäre bes-ser.« Danach entwickeln Sie Ideen zur Problemlösung: »Das Fenster schlie-ßen. Kein kaltes Wasser mehr trinken. Einen Pullover anziehen.« Nunkommt die Auswahl und Durchführung der Idee: Sie schließen das Fenster.Wenn es Ihnen dann nach einer Weile wieder warm geworden ist, erlebenSie das gewünschte Erlebnis einer neuen, gelungeneren Balance, oder Siebeginnen von neuem und entwickeln eine andere, passendere Idee.Darüber hinaus gibt es Verbesserungen des Umfelds,die angestrebt werdenkönnen. Der Bürostuhl, auf dem Sie sitzen, sollte Sie optimal unterstützen.Ein freundliches, nicht feindseliges Arbeitsklima ermöglicht es, Leistung zuerbringen und dabei noch Spaß zu haben. Lärmvermeidung reduziert Stress.Kommunikation, Arbeitsplatz, Wohnung, Freundeskreis, Wohnort, Sicher-heit, Einkommen und noch viele andere Aspekte spielen in diesem Zusam-menhang eine Rolle. Treffender als die WHO kann man es kaum ausdrü-cken: »Gesundheit wird von den Menschen in ihrer alltäglichen Umweltgeschaffen und gelebt – dort wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben.«Die Lebensqualität können Sie steigern, indem Sie verschiedene Gleichge-wichte immer wieder neu finden. Eine dieser Arten von Balance besteht dar-in, sich zu erinnern, die vergangenen Erfahrungen neu einzuordnen und mitden entsprechenden Konsequenzen in die Zukunft voranzugehen. Die Ba-lancen zwischen Tag und Nacht,Wachsein und Schlaf,Aktivität und Entspan-nung, Arbeit und Muße stellen weitere Aufgaben dar. Die Marmas werdenIhnen Signale geben können, um herauszufinden, was für Sie wichtig ist.

Nehmen Sie die Ich-Perspektive ein

Das Lerngebiet des Yoga sind Sie selbst: Ihr Körper mit all seinen Teilen, IhrDenken mit allen Aspekten sowie der Prozess des Bewusstwerdens. Dieseverschiedenen Bereiche werden in den nächsten Kapiteln besprochen.

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S ich besser vers tehen

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Ein gesunder

Egoismus führt vom

Ich zum Du und

somit zum Wir. Über-

triebener Egoismus

verfehlt das Eigene

Yoga ermuntert Sie

und leitet Sie an,

die Perspektive der

eigenen Person ein-

zunehmen.

Es wurde mit höchs-

ter Genauigkeit aus-

gearbeitet, wie Sie

zu dieser Perspektive

gelangen

Nur Sie haben zu sich selbst diesen besonderen, privilegierten Zugang.Alle anderen Menschen können nur Vermutungen anstellen, Sie von au-ßen beobachten oder von Ihnen selbst hören, wie es in Ihnen aussieht.Yoga heißt, sich mit anspruchsvoller Genauigkeit mit der Ich-Perspektivezu beschäftigen, und Yoga kann Ihnen Anregungen geben, diese Ich-Per-spektive noch mehr, als es Ihnen bisher schon möglich war, einzunehmen,damit umzugehen und auch Fehlkonzepte abzubauen. Mitunter wird die-se Ich-Perspektive mit Egoismus verwechselt. Doch nur wer für sich undum sich selbst sorgen kann, kann auch andere respektieren.Durch Ihre Yoga-Praxis werden Sie lernen, Ihre Energie gezielter einzuset-zen, mehr Sie selbst zu sein und daher ein aktiveres Leben zu führen. DieMarmas spielen dabei eine besondere Rolle. Von der Ich-Perspektive ausgesehen liegen die Marmas an der Schwelle zur umgebenden Welt.Sie sind für die Tastwahrnehmung zugänglich und brauchen auch sprach-lichen Ausdruck.

Steigerung der Lebenslust

Wie im nächsten Kapitel ausführlich behandelt wird, sind die Marmas Orte,die in besonderer Weise das Leben beeinflussen und die vom Leben beein-flusst sind. Sobald dort verbessernde Veränderungen stattfinden, werdenSie nicht nur an Gesundheit gewinnen,sondern auch mehr Lebenslust emp-finden.Im Ayurveda gibt es zwei wichtige Unterscheidungen: erstens nützlichund unnütz, zweitens angenehm und unangenehm. Die Reihenfolge istim Ayurveda eindeutig: Zuerst sollte etwas nützlich sein, dann wäre es vonVorteil, wenn es auch noch angenehm ist. Nur nützlich zu sein ist ausrei-chend, nur angenehm zu sein etwas zu wenig. Trinken soll z. B. den Durststillen und dem Körper auf gesunde Weise Flüssigkeit zuführen, aber es istdurchaus wünschenswert, wenn das Getränk auch gut schmeckt. Essensoll den Hunger stillen und den Körper ernähren. Im Ayurveda sind aller-dings die Art des Hungers und die Bedürfnisse des Geschmacks Wünsche,die aufgenommen und umgesetzt werden sollen, indem man sich einewohlschmeckende, bekömmliche Mahlzeit zubereitet. Ernährungswissenist zwar wichtig, um eine gesunde Kost zu wählen, aber die angenehmenSinneswahrnehmungen, Gefühle, Gedanken und Handlungen sind eben-so erstrebenswerte und wichtige Quellen der Gesundheit.Leben Sie also nach dem, was der eigene Körper Ihnen signalisiert.

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Leitideen von Yoga,Samkhya und Ayurveda

In einem Land, das erst später Indien genannt wurde,

entstanden vor knapp 2000 Jahren die bis heute

fruchtbaren, nun weltweit angewendeten Lehren des

Yoga, Samkhya und Ayurveda

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Das Yoga-Sutra ist

der Leitfadentext

des Yoga und eine

Darlegung der

Samkhya-Lehre

Ursprung, Geschichte und Grundlagen

Ursprung, Geschichte und Grundlagenvon Wissen und LehreAltindische Texte gehören zu den bedeutendsten schriftlichen Quellen derWelt. Sie sind große Zusammenfassungen vom Wissen gelehrter Men-schen auf dem Gebiet des Rechts, der Liebeskunst (kamasutra) und des Zu-sammenhangs von Körper, Bewusstsein und Gesundheit, die bis heuteGültigkeit haben. Für Ayurveda, Yoga und dessen Partnerdisziplin Sam-khya stellen sie die einzigen autoritativen, zentralen Grundlagentexte dar.Moderne Wissenschaftler sagen, dass dieses Wissen schon zweihundertbis dreihundert Jahre vor der schriftlichen Fixierung existiert hat und esältere Vorläuferformen gab.Für Yoga beschreibt das Yoga-Sutra und für Samkhya die Samkhyakarikadie wesentlichen Gegenstände der Lehre. Als Quellen des Ayurveda sindzu nennen Carakasamhita (etwa 100 n. Chr.), Susrutasamhita (etwa 200 n. Chr.) und Vagbhata Astangahrdayasamhita (etwa 500 n. Chr.).In Indien geht man davon aus, dass ein Mann namens Patanjali das Yoga-Sutra verfasst hat. Caraka, Susruta und Vagbhata gelten als die Autorender Ayurveda-Texte. Andere, meist westliche Wissenschaftler sehen dafürhingegen keine Anhaltspunkte und meinen, dass sich hinter den Autoren-namen keine realen Personen verbergen.Der Yoga- und der Samkhya-Text sind recht kurz, während die drei Ayur-veda-Texte umfangreiche Abhandlungen darstellen. Die Texte sind, mo-dern gesprochen, lexikonartige Fachartikel und lehrbuchartige Zusam-menfassungen, die am Höhepunkt des Wissens entstanden. Es handeltsich um Schriften, die nicht für Laien, sondern für Fachleute verfasst wur-den; genauso wie damals bedürfen sie auch heute der Erläuterung durcherfahrene Lehrer.Die Inhalte wurden in mündlicher Kommunikation im direkten Unterrichtgelehrt und gelernt. Es waren Merktexte, Teile einer Wissenstradition, dieüber Generationen zusammen mit der Praxis weitergegeben wurden.Große Arztfamilien haben sich beispielsweise der Wissensbewahrung ver-pflichtet und diese Aufgabe über Generationen hinweg erfüllt – bis zurGegenwart etwa sechzig Generationen lang. Mein wichtiger Ayurveda-Lehrer Vd. B. P. Nanal beispielsweise war Universitätsdekan für Ayurveda.Er stammte aus einer Familie, die sich viele Generationen lang dem Ayur-veda gewidmet hatte, und lebte in der für Indien sehr bedeutsamen Ge-lehrtenstadt Puna. Heute praktizieren dort seine Neffen und Großneffen.

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Ayus bezeichnet

den ausgewogenen

Zusammenhalt der

Ähnlichkeitsbezie-

hungen von Körper,

Sinnen, Psyche

und Person

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Professor N. S. Bhavsar, ein Sanskrit-Gelehrter und Physiker mit traditio-neller Yoga-Ausbildung, kann seine Yoga-Lehrer sieben Generationen weitzurückverfolgen.Yoga und Samkhya bilden eine untrennbare Einheit. In Indien – und heuteauch weltweit – sind sie die hoch respektierte Theorie und Praxis der Selbst-und Welterkenntnis. Ayurveda gilt als angewandte Wissenschaft, die beides– Yoga und Samkhya – aufgreift und andere Komponenten hinzufügt. Ayur-veda zielt auf Gesundheitsförderung und Krankenbehandlung.Yoga, Samkhya und Ayurveda sind stark an dem interessiert, was wir heutePersönlichkeitsentwicklung und Körperbewusstsein nennen und was inden alten Schriften als Freiheit und Befreiung (mukti, vimukti) bezeichnetwird.

Was ist Ayurveda?

Schwerpunkt der altindischen Medizin und Gesundheitslehre Ayurvedaist die Lebensspanne bzw. der Zusammenhalt (ayus) von der Geburt biszum Tod. Der Zusammenhalt eines Menschen, sein Lebendigsein, wirddurch vier Bereiche ermöglicht:HDer Körper (sharira) tendiert zum Abbauen, wenn wir nicht atmen, es-sen, schlafen und unsere Kraft einsetzen.H Die zehn Wahrnehmungs- und Handlungssinne (indriyas) wieHören und Sprechen gestalten den Zusammenhalt durch die Qualität, mitder sie ausgeführt werden. In welcher Weise ein Mensch z. B. seine Wortewählt, kann sich auf sein soziales genauso wie auf sein Berufsleben oderauf seine Gesundheit auswirken.H Die Psyche (hier sattva genannt, das gesamte innere psychische In-strument des Samkhya-Yoga) ist gekennzeichnet durch Registrieren, ich-bezogenes Handeln und Wahrnehmen. Dazu gehören auch Entscheidun-gen treffen, Erkenntnisse gewinnen und Handlung initiieren. Diesementalen Tätigkeiten tragen in wichtiger Weise zum Zusammenhalt bei,gleichzeitig besteht immer die Gefahr von Misskonzepten.HDie handlungsfähige Person (purusha) besitzt ein natürliches Inter-esse am Gesundsein, was den Zusammenhalt fördert. Sie vermag zu ein-deutigen Eindrücken zu gelangen, bevorzugt Angenehmes und zeigt eineAbneigung gegenüber Schmerz und Leid.Der Mensch wird als in ständiger Veränderung befindlich verstanden,

Le i t ideen

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Was i s t Ayurveda?

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Die Aufmerksamkeit

erzeugt konstruierte

Verbindungen und

kann sie auch wie-

der auflösen (dekon-

struieren). Yoga zielt

auf ein in Richtung

und Haltung passen-

des Verbinden

daher braucht er eine fortwährende Beschäftigung, um gesund zu sein.Durch aktives, sinnvolles Handeln im Alltag, durch Bezugnehmen auf dieSignale des eigenen Körpers und auf die konkreten Wahrnehmungen derUmwelt wird fortwährend ein balancierter Zustand geschaffen und stabi-lisiert. Balance wird immer wieder neu aufgebaut in der Basisbeziehungzwischen der eigenen Person und Lebenswelt und innerhalb der körperbe-zogenen eigenen Innenwelt.

Die Basisbeziehung

Aus Ayurveda- bzw. Yoga-Sicht geht es um vier Beziehungsqualitäten: zuviel (atiyoga), zu wenig (hinayoga), verkehrt (mithyayoga) und passend(samayoga). Man kann dafür Beispiele in vielen Lebensbereichen finden.Das Zuviel kann sich ausdrücken als zu viel Essen, zu viel Hitze, zu harteWorte, zu viel Druck, zu viel Ruhe, zu viel Anregung und Stimulierung, zuviel Gerede, zu viel Arbeit, zu viel Freizeit.Zu wenig kann bedeuten zu wenig Wärme, zu wenig Nahrung, zu wenigMotivation, zu wenig Anerkennung.Das Verkehrte äußert sich in unstimmigen Handlungen, d. h., jemand isst,obwohl er eigentlich Durst hat, oder er arbeitet, obwohl er Ruhe braucht.Auch schlechte Körperhaltung, gebrochene Versprechen, Lügen und nutz-loses Diskutieren fallen in diese Kategorie.Passend bedeutet geeignet, ausgewogen, die geeignete Verbindung zwi-schen Innenwelt und Außenwelt.

Jeder lebt in seinem

inneren und äußeren

Umfeld (doppelte

Basisbeziehung)

Klima, Jahreszeiten

Mitmenschen,Gesellschaft

äußere Natur

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Das machtvolle

Funktionssystem

Vata vermag alles

Lebenswichtige in

Gang zu bringen

und aufrechtzuhal-

ten; im irritierten

Zustand kann es

auch viele Probleme

erzeugen

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Körper, Sinne, Psyche und aktive Person brauchen aus der Sicht von Ayur-veda den passenden Zusammenhalt (ayus). Den leisten vor allem die dreiFunktionssysteme, die fortwährend selbstständig arbeiten und miteinan-der kooperieren. Sie bilden die wichtige Grundlage der Gesundheitsbalan-ce des menschlichen Lebens. Die drei gestalten die normalen Abläufe, sindjedoch leicht durch innere und äußere Einflüsse – durch Zuviel, Zuwenigund Verkehrtes – irritierbar. Wörtlich übersetzt heißen sie daher »Die dreileicht Irritierbaren« (drei doshas).Die Funktionssysteme sind zuständig für Transport und Bewegung (vata,vayu), Umwandlung und Verdauung (pitta), Formgebung und Gewebeent-stehung (kapha).H Vata, das Funktionssystem für Transport und Bewegung, hält folgendeAktivitäten in Gang: Wünsche, Enthusiasmus, Atmung, Herzschlag, Kreis-lauf, Ausscheidung, klares Denken, Wahrnehmen und Handeln. Wird es ir-ritiert, so kommt es zu gestörtem Herzrhythmus, Bluthochdruck, steifenMuskeln, blockiertem und irritiertem Denken, unklarem Sprechen, Unru-he, Verlust von Stärke oder dem Wunsch nach Heißem. Vata (va = sich be-wegen, gehen, in Gang sein) ist gemäß dem bedeutenden Arzt Susruta»der König von Gesundheit und Krankheit«. Man sagt, die anderen beidenFunktionssysteme hätten »keine Beine«. Nur zusammen mit Vata könnensie sich bewegen. Die Qualitäten von Vata sind: trocknend, dünn machend,kühl, leicht, fein, bewegend, klar, locker und einfach.H Das Funktionssystem, das für Umwandlung und Verdauung verant-wortlich ist, wird Pitta genannt. Es sorgt dafür, dass man Nahrung ver-daut und Eindrücke verarbeitet, und es ermöglicht präzise und rasche Ent-scheidungen und Beurteilungen. Reguliert werden Körpertemperatur,Hunger, Durst, Appetit, Intelligenz und Glanz (bezogen z. B. auf Haut,Augen oder Stimmung). Seine Irritation führt zu einem Brennen, Stechen,Jucken, Augenbrennen, Seitenstechen sowie zu Magengeschwüren, Stress,Heißhunger, starkem Durst und Schlaflosigkeit. Die Qualitäten von Pittasind: etwas ölig, heiß (Wärme erzeugend), scharf (stechend, tief, eindrin-gend, schnell), flüssig, sauer und scharf/präzise.H Formgebung und Gewebeentstehung wird von Kapha verursacht. Zuihm gehört alles, was den Menschen zusammenhält, was ihm Festigkeitund Ausdauer gibt: der kräftige Brustkorb, die unterstützende Wirbelsäu-le, die Stabilität (z. B. Ausdauer in der Konzentration) und Befriedigung derSinne, der »kühle Kopf«, der mit starken Emotionen und Belastungen zu-rechtkommt. Eine Irritation führt zu Schnupfen, Wirbelsäulenproblemen,

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Was i s t Samkhya?

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Samkhya gilt für

Fachleute als die

wichtigste indische

»Philosophie«

Unzufriedenheit oder übermäßigem Schlafbedarf. Die Qualitäten von Ka-pha sind: schwer, kalt (Kühle produzierend), weich, langsam, süß, stabili-sierend, beruhigend, ölig/geschmeidig.Die Seele/Psyche besteht aus ayurvedischer Sicht aus drei Qualitäten, diewie drei Fasern zu einem Faden verwoben sind und die eine Leitlinie unse-res Seelenlebens ausmachen. Vergleichbar einem Musiktrio, das ein Stückspielt, wirken die drei aktiv zusammen. Diese Dynamik kann harmonischsein, dann erleben wir einen »roten Faden«, oder disharmonisch, dannfühlen wir uns verwirrt. Das Leitfadentrio ergänzt und begrenzt sich beigelungenem Zusammenspiel wechselseitig. Ayurveda hat dieses Konzeptvon Samkhya übernommen (siehe unten).Die meditative, durch Aufmerksamkeit geprägte Vorstellung von Gesund-heit lautet demgemäß: »… wenn der Mensch schläft, dann schläft er;wenn er isst, dann isst er; wenn er arbeitet, dann arbeitet er.« Das bedeu-tet, Sie machen sich bewusst, was Sie gerade tun, und sind mit Ihrer Auf-merksamkeit bei dem, was Sie tun. Das ist die im alltäglichen Leben geleb-te Aufmerksamkeit, mit der Samkhya bzw. Yoga sich näher befasst. DieserKreislauf von Handeln und Wahrnehmen beschreibt eine immer wiedererforderliche, neu zu knüpfende Beziehung der inneren und äußerenFaktoren, die – wenn sie angemessen und passend durchgeführt wird –gesundheitsstabilisierend wirkt.

Was ist Samkhya?

Samkhya ist die äußerst bedeutende altindische Theorie und Methode,passende gedankliche Unterscheidungen zu treffen und Wissen zu ge-winnen. Wörtlich heißt Samkhya »zusammenzählen« (sam = zusammen,gleich, ähnlich; khya = bekannt sein, bekannt machen, erwähnen, nen-nenswert sein, die Entstehung von Wissen veranlassen, das gesamte Wis-sen bekannt machen).In der Samkhya-Erkenntnislehre wird vernünftig und begründet, kurz undbündig aufgezählt, was existiert und zu den Grundlagen unserer Lebens-welt gehört – als würde man bei einer Feier aufzählen, wer alles anwesendist. Im Kern der Samkhya-Lehre steht ein grundlegendes Wahrnehmungs-und Handlungsschema. Es setzt sich aus dreizehn Teilen (»Das Außen-machende« und »Das Innenmachende«) mit je eigenen Funktionen zu-sammen:

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Reinhard Bögle

Praxisbuch Ayurveda-YogaMehr Energie durch Marma-Übungen

Paperback, Klappenbroschur, 224 Seiten, 17,2X23,5ISBN: 978-3-517-08272-1

Südwest

Erscheinungstermin: November 2007

Die neue Dimension des Körperbewusstseins Ayurveda, die altindische Wissenschaft vom Leben, kennt Energiezentren des Körpers.Diese sogenannten Marma-Punkte sind von entscheidender Bedeutung für das harmonischeZusammenspiel von Körper, Geist und Seele. Die indische Weisheitslehre Yoga ist eng mitdem Ayurveda verknüpft und Yoga-Übungen haben von jeher dazu gedient, die Marma-Punktezu aktivieren, damit die Lebensenergie fließen kann. Endlich steht dieses kombinierteAyurveda-Yoga-Wissen auch hier zur Verfügung. Systematisch werden alle wichtigenMarma-Punkte gezeigt. Dank zahlreicher Wahrnehmungsübungen lernt man, die Energiezentrenzu spüren und anzuregen. Dies ist das richtige Buch für alle, die Yoga in seiner ursprünglichstenForm betreiben wollen.