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305 Fachthemen © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 76 (2007), Heft 5 Um ETFE (Ethylen-Tetra-Fluorethylen)-Folien nachhaltig einen Platz im Materialkanon der Baukonstruktionen zu sichern, wie es für das Glas und die textilen Gewebe in den letzten Jahren gelungen ist, ist eine ständige kritische Bestandsaufnahme notwendig. Dieser Aufsatz soll hierzu einen Beitrag leisten, indem aus allen Bereichen des ingeniösen Um- gangs mit Folien berichtet wird. Ausgehend von den Materialeigenschaften wird das Tragverhalten pneumatisch und mechanisch vorgespannter Tragwerke beschrieben, de- ren Bemessung und Konstruktion angesprochen und sinnvolle zukünftige Entwicklungen diskutiert. Engineering with ETFE-foils – report of practice. To allow ETFE-foils to become a su- stainable participant among the other construction materials, as it happened with glass and textile membranes during the past decades, a continuous and critical appraisal is necessary. This article shall support this issue by describing engineering work in the whole field of foil constructions. Starting with the material properties the load bearing features of pneumatic as well as mechanical structures, the design and construction of foil struc- tures are discussed. All topics are regarded with the focus on future developments. bauteile, sowie vielfältigsten Innen- raum- und Objektanwendungen. Die Folien sind heute mit einer Vielzahl von Veredelungen hinsicht- lich der ästhetischen Eigenschaften und der Licht- bzw. Strahlungstrans- mission auf dem Markt erhältlich. Die Bedruckung zur Reduktion des Strah- lungsdurchganges oder aus architek- tonischer Absicht ist dabei sicherlich die am häufigsten angewandte Mög- lichkeit. Allerdings ist die Haftung der Farbe auf der anti-adhesiven Ober- fläche, einer ansonsten unverzicht- baren Eigenschaft des ETFE, weil sie dessen schmutzabweisende Eigen- schaft begründet, problematisch. In einer Corona-Behandlung wird die Folie einer elektrischen Entladung aus- gesetzt und die nicht polare Struktur der Oberfläche durch Oxidation in eine polare umgewandelt [2]. Dieses nicht einfach beherrschbare aber am häufigsten angewendete Verfahren macht eine nachhaltige Bedruckung möglich. Es muss in einer Bedruk- kungskonzeption festgelegt werden, dass beispielsweise für Außenanwen- dungen die Bedruckung und damit die Bestrahlung, die auf eine Seite der Folie beschränkt werden kann, nur auf der Innenseite einer ETFE-Lage erfolgt, um die anti-adhäsiven Eigen- schaften der bewitterten Seite nicht zu mindern, obwohl sich die Wirk- samkeit der Corona-Behandlung mit der Zeit wieder abbaut. Außerdem gelten nach oben enge Grenzen hin- sichtlich der Bedruckungsdicke, so dass die Bedruckung eine signifikante Strahlungstransmission erlaubt und zur Erzielung einer insgesamt wir- kungsvollen Reduktion der Energie- transmission hohe Bedruckungsgrade von teilweise weit über 60 % notwen- dig sind. Lutz Schöne Bauen mit ETFE-Folien – Ein Praxisbericht 1 Einleitung Auf einer Exkursion in den frühen 1880er Jahren zeigte der Wiener Pro- fessor Prokopp seinen Studenten eine Betonbaustelle und meinte: „Sehen Sie sich diesen Matsch an. Aber der wird fest und hält. Das gibt es jetzt“ [1]. Sinngemäß steht manch einer heutigen ETFE-Konstruktionen gegen- über – als Pneu über 4 m oder mehr spannend und konstruiert aus einer ca. 0,2 mm dicken Folie. Diese ist außerdem mit bloßer Muskelkraft de- formierbar und schmilzt unter offener Flamme. Aber sie ist ausreichend fest und hält. Das gibt es jetzt. Die ersten Konstruktionen aus Ethylen-Tetra-Fluorethylen sind ge- rade mal 24 Jahre alt. Beispielsweise die Pneus für das Tropenhaus des Burger’s Dierenpark im Arnheimer Zoo aus dem Jahre 1983, von denen im Zuge von Wartungsarbeiten Mate- rialproben entnommen wurden, die eine weitestgehende Konstanz der mechanischen Eigenschaften zeigen. Was hat es auf sich mit diesem Werkstoff, über den noch so wenig bekannt ist und der gleichwohl in den größten Bauten der letzten Jahre ver- wendet wurde? Und was sind die nächsten Aufgaben, wenn eine solide Fortentwicklung auch über die der- zeitige Mode hinaus gesichert werden soll? 2 Material Ethylen-Tetra-Fluorethylen (ETFE) ist eine in linearer Folge abwechselnd aus Ethylen- und Fluorethylen-Einheiten aufgebaute, sehr stabile Fluorkohlen- stoff-Verbindung. Das erste Erzeugnis in der Fertigungskette ist ein Granulat, das dann von den weiterverarbeiten- den Betrieben wieder aufgeschmolzen und u. a. zu Folien extrudiert wird. Sie werden zur Zeit in Dicken von 10 mm bis 300 mm bei Breiten von bis ca. 2 m hergestellt und finden An- wendung u. a. als Draht- und Kabel- isolierungen, als Trennfolien in der Kompositherstellung oder eben im Bauwesen als Dach- und Fassaden- DOI: 10.1002/stab.200710036

Bauen mit ETFE-Folien – Ein Praxisbericht

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Fachthemen

© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 76 (2007), Heft 5

Um ETFE (Ethylen-Tetra-Fluorethylen)-Folien nachhaltig einen Platz im Materialkanon derBaukonstruktionen zu sichern, wie es für das Glas und die textilen Gewebe in den letztenJahren gelungen ist, ist eine ständige kritische Bestandsaufnahme notwendig. DieserAufsatz soll hierzu einen Beitrag leisten, indem aus allen Bereichen des ingeniösen Um-gangs mit Folien berichtet wird. Ausgehend von den Materialeigenschaften wird dasTragverhalten pneumatisch und mechanisch vorgespannter Tragwerke beschrieben, de-ren Bemessung und Konstruktion angesprochen und sinnvolle zukünftige Entwicklungendiskutiert.

Engineering with ETFE-foils – report of practice. To allow ETFE-foils to become a su-stainable participant among the other construction materials, as it happened with glassand textile membranes during the past decades, a continuous and critical appraisal isnecessary. This article shall support this issue by describing engineering work in the wholefield of foil constructions. Starting with the material properties the load bearing featuresof pneumatic as well as mechanical structures, the design and construction of foil struc-tures are discussed. All topics are regarded with the focus on future developments.

bauteile, sowie vielfältigsten Innen-raum- und Objektanwendungen.

Die Folien sind heute mit einerVielzahl von Veredelungen hinsicht-lich der ästhetischen Eigenschaftenund der Licht- bzw. Strahlungstrans-mission auf dem Markt erhältlich. DieBedruckung zur Reduktion des Strah-lungsdurchganges oder aus architek-tonischer Absicht ist dabei sicherlichdie am häufigsten angewandte Mög-lichkeit. Allerdings ist die Haftung derFarbe auf der anti-adhesiven Ober-fläche, einer ansonsten unverzicht-baren Eigenschaft des ETFE, weil siedessen schmutzabweisende Eigen-schaft begründet, problematisch. Ineiner Corona-Behandlung wird dieFolie einer elektrischen Entladung aus-gesetzt und die nicht polare Strukturder Oberfläche durch Oxidation ineine polare umgewandelt [2]. Diesesnicht einfach beherrschbare aber amhäufigsten angewendete Verfahrenmacht eine nachhaltige Bedruckungmöglich. Es muss in einer Bedruk-kungskonzeption festgelegt werden,dass beispielsweise für Außenanwen-dungen die Bedruckung und damitdie Bestrahlung, die auf eine Seite derFolie beschränkt werden kann, nurauf der Innenseite einer ETFE-Lageerfolgt, um die anti-adhäsiven Eigen-schaften der bewitterten Seite nichtzu mindern, obwohl sich die Wirk-samkeit der Corona-Behandlung mitder Zeit wieder abbaut. Außerdemgelten nach oben enge Grenzen hin-sichtlich der Bedruckungsdicke, sodass die Bedruckung eine signifikanteStrahlungstransmission erlaubt undzur Erzielung einer insgesamt wir-kungsvollen Reduktion der Energie-transmission hohe Bedruckungsgradevon teilweise weit über 60 % notwen-dig sind.

Lutz Schöne

Bauen mit ETFE-Folien – Ein Praxisbericht

1 Einleitung

Auf einer Exkursion in den frühen1880er Jahren zeigte der Wiener Pro-fessor Prokopp seinen Studenten eineBetonbaustelle und meinte: „SehenSie sich diesen Matsch an. Aber derwird fest und hält. Das gibt es jetzt“[1].

Sinngemäß steht manch einerheutigen ETFE-Konstruktionen gegen-über – als Pneu über 4 m oder mehrspannend und konstruiert aus einerca. 0,2 mm dicken Folie. Diese istaußerdem mit bloßer Muskelkraft de-formierbar und schmilzt unter offenerFlamme. Aber sie ist ausreichend festund hält. Das gibt es jetzt.

Die ersten Konstruktionen ausEthylen-Tetra-Fluorethylen sind ge-rade mal 24 Jahre alt. Beispielsweisedie Pneus für das Tropenhaus desBurger’s Dierenpark im ArnheimerZoo aus dem Jahre 1983, von denenim Zuge von Wartungsarbeiten Mate-rialproben entnommen wurden, dieeine weitestgehende Konstanz dermechanischen Eigenschaften zeigen.

Was hat es auf sich mit diesemWerkstoff, über den noch so wenigbekannt ist und der gleichwohl in dengrößten Bauten der letzten Jahre ver-wendet wurde? Und was sind dienächsten Aufgaben, wenn eine solideFortentwicklung auch über die der-zeitige Mode hinaus gesichert werdensoll?

2 Material

Ethylen-Tetra-Fluorethylen (ETFE) isteine in linearer Folge abwechselnd ausEthylen- und Fluorethylen-Einheitenaufgebaute, sehr stabile Fluorkohlen-stoff-Verbindung. Das erste Erzeugnisin der Fertigungskette ist ein Granulat,das dann von den weiterverarbeiten-den Betrieben wieder aufgeschmolzenund u. a. zu Folien extrudiert wird.Sie werden zur Zeit in Dicken von10 mm bis 300 mm bei Breiten von bisca. 2 m hergestellt und finden An-wendung u. a. als Draht- und Kabel-isolierungen, als Trennfolien in derKompositherstellung oder eben imBauwesen als Dach- und Fassaden-

DOI: 10.1002/stab.200710036

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Eine noch viel zu wenig genutzteMöglichkeit stellt das Einfärben desGranulates dar. Auch wenn die Trans-parenz – sicherlich ein determinie-rendes Argument für den Einsatz vonFolien – nicht mehr gegeben ist, liegtder ästhetische Wert weiterhin in denformalen und transluzenten Eigen-schaften. In der Kombination voneingefärbten und transparenten Be-reichen, beispielsweise in Form einerShedstruktur, lässt sich das architek-tonische und bauphysikalische Spek-trum möglicher Entwürfe sicherlichnoch erweitern.

Der mechanischen Ertüchtigungder Folien steht noch ein weites Feld of-fen (s. Beitrag zu Netzfolien). In denletzten Jahren wurden die nachgefrag-ten Festigkeitssteigerungen – meist auf-grund sich vergrößernder Spannweiten,hoher Windlasten und einer erforder-lichen Verringerung des Dauer-lastniveaus zur Vermeidung des Krie-chens in Kissenkonstruktionen bzw.der Relaxation in mechanisch gespann-ten Konstruktionen – hauptsächlichdurch eine Erhöhung der Foliendickeoder die Anzahl der Folienlagen er-reicht. Möglich sind aber auch Beweh-rungen aus Stahlseilen und -drähtenoder aus verschiedenen Kunststoffen.

Nachfolgend sind die wesent-lichen baupraktisch relevanten Mate-rialeigenschaften aufgelistet, die so nurals Anhaltswerte dienen können, char-genweise verifiziert werden müssenund auf der nicht ganz korrekten An-nahme isotropem Werkstoffverhaltensberuhen (s. Bild 1).

Augenfällig ist darüber hinausdie vor allem hinsichtlich der Festig-keit und des Kriechverhaltens nichtzu vernachlässigende Temperaturab-hängigkeit, die für die zunehmendenAnwendungen der Bauweise in Süd-europa und Südasien eine detaillierteAnalyse der Wind-Temperatur-Korre-lation erfordert.

Dabei befindet sich die Erarbei-tung einer zutreffenden Vergleichs-spannungshypothese und eines dar-aus abzuleitenden modifizierten Be-messungskonzeptes zur Zeit besten-falls in einer intensiven Forschungs-phase, so dass der Versuchung, dieSpannweiten durch die Nutzung desbiaxialen Lastabtrages in runden oderrechteckigen Randgeometrien zu ver-größern, nur nachgegeben werdensollte, wenn ein ausreichendes Sicher-heitsniveau infolge anderer Maßnah-men aufrechterhalten werden kann.Ein entsprechend problematischesVerhalten hinsichtlich einer zweiach-sigen Beanspruchung zeigt auch dieBruchdehnung, ohne deren großesPotential das Bauen mit ETFE nichtmöglich wäre.

Darüber hinaus sprechen füreine Abwägung des Spannungsver-hältnisses der beiden Hauptrichtun-gen auch die geringeren Festigkeits-und Bruchdehnungswerte an denNähten. Da die Nähte unidirektio-nal verlaufen, ist hierdurch eine lei-stungsfähigere Richtung parallel zuden Nähten und eine weniger lei-stungsfähige Richtung senkrecht zuden Nähten vorgegeben.

Im Fokus der mechanischen Ma-terialeigenschaften liegen noch dieZeitstandfestigkeit, mithin das Krie-chen bzw. die Relaxation sowie dieWeiterreißfestigkeit. Zu ersterem istnoch keine genügende Klärung er-reicht, es muss aber in jedem Fall –bei einem Kunststoff nicht weiter ver-wunderlich – von langzeitlichen Län-genänderungen unter der Einwirkungvon Lasten ausgegangen werden. Dieswird für Pneukonstruktionen zu derNotwendigkeit des vermehrten Ein-satzes von differenziert und damiteinhergehend wohl i. A. auch automa-tisiert justierbaren Lufthaltungssyste-men führen, die einen geringen Aus-gangsdruck erlauben, indem sie zügigauf äußere Lasteinwirkungen reagie-ren können. Dies kann beispielsweisedurch lokale Gebläse erfolgen, wie sieim Folgenden noch thematisiert wer-den. Für einlagige und damit mecha-nisch vorzuspannende Systeme ergibtsich die Notwendigkeit von nachgie-bigen Einspannkonstruktionen für dieFolie, die ein automatisches Nach-stellen der Vorspannung bewirkenoder manueller Justiermöglichkeiten.

Das Weiterreißverhalten, ein aufdem Gebiet allgemeiner Membran-werkstoffe weit verbreitetes Kriteriumzur Beurteilung der Werkstoffeigen-schaften, spielt für die Konstruktio-nen des Bauwesens eine i. A. unter-geordnete Rolle, da diese in Form derKeder, Seile oder Gurte über system-immanente Randversteifungen verfü-gen. Anrisse in der Membranflächeführen, solange sie im Vergleich zurBauteilfläche klein sind, durch Span-nungsumlagerungen zu keinem Wei-terreißen.

Für die Bauphysik sind im Rah-men der Materialwerte nur die licht-technischen Eigenschaften von Be-lang. Die in der Tabelle angegebenenTransmissionswerte sind in dieserHöhe für einen Wellenbereich von280 nm bis 2000 nm gültig, d. h. vomultravioletten, über den sichtbarenBereich bis zum langwelligen infraro-ten Strahlungsanteil, woraus sich dieherausragende Eignung für Gewächs-häuser ableitet. Dass die Lichtstrah-len beim Materialdurchtritt gebrochenwerden, führt zu der milchigen Durch-sicht und der nur eingeschränkten Ver-wendbarkeit in Fassaden (s. Bild 2).

Doch muss uns – der Vergleichmit den Anfängen des Eisenbetonbausist auch diesbezüglich hilfreich – ge-

Bild 1. Anhaltswerte für Materialeigenschaften von ETFE-Folien (Bild: LEICHT,Rosenheim, Stuttgart)Fig. 1. Reference values of the material properties of ETFE-foils (Bild: LEICHT,Rosenheim, Stuttgart)

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wahr bleiben, dass das Bauen mit Fo-lien noch in den Kinderschuhen stecktund sich das Material ETFE selbstsowie dessen Weiterentwicklungen instetiger Erforschung befindet.

Diesbezüglich erwähnenswert isteine Neuentwicklung der letzten Jahre,eine modifizierte Version des ETFEmit der Bezeichnung EFEP (Ethylen-Fluorethylenpropylen). Dieser Werk-stoff hat folgende Vorteile: dem Glasverwandte visuelle Eigenschaften, ei-nen niedrigeren Schmelzpunkt, wes-halb er einfacher thermisch ver-schweißt werden kann und einen ge-ringeren Sauerstoffindex, der einenverbesserten Feuerwiderstand erwar-ten lässt, bei einer allerdings leicht ge-ringeren Festigkeit und einem gerin-geren E-Modul.

3 Tragwerk und Tragverhalten

Zu welchen Bauteilen und Konstruk-tionen können ETFE-Folien verarbei-tet werden? Ausgangspunkt ist dasallen Membrantragwerken aus druck-schlaffem Material zugrunde liegendePrinzip der mechanischen oder pneu-matischen Vorspannung und dergleichmäßigen Beaufschlagung derlastabtragenden Fläche, die ja über-haupt das Wesen aller Membrankon-struktionen begründet.

So entstehen als typische Kon-struktionen die Folienpneus mit einempneumatischen Überdruck (s. Bild 3)und die einlagigen, mechanisch ge-spannten Folien mit antiklastischerKrümmung (s. Bild 4) bzw. als derenSonderfall mit einer ebenen Fläche.

Den Formenkanon ergänzen noch dieseltener zur Anwendung kommendenUnterdruckkonstruktionen, bei denenin einer von mindestens zwei Begren-zungsfolien gebildeten Kammer Luftevakuiert wird und so ein vorgespann-tes und tragfähiges System entsteht.

Die Form dieser Foliendächerergibt sich wie für alle vorgespann-ten Membrantragwerke als Gleich-gewichtsgeometrie aus vorgegebenenMembranspannungen, Randbedingun-gen und Belastungen ohne Berück-sichtigung der Werkstoffeigenschaf-ten.

Bekannte Gleichgewichtsflächenfür Pneus wie mechanisch vorge-spannte Membranen sind Seifenhäute,die einen hydrostatischen Spannungs-zustand besitzen und damit aus derMenge möglicher Flächen einen klei-nen Teil darstellen. In allen Pneus, dieauf einem polygonalen Grundriss alsSeifenhaut modelliert werden und ei-nen homogenen und isotropen Span-nungszustand haben, entstehen inden Ecken Bereiche mit gegensinni-ger Krümmung. Diese Krümmunglässt sich nur verändern, wenn einanisotroper und inhomogener Span-nungszustand zur Berechnung derGleichgewichtsfläche zugrunde ge-legt wird.

Für Pneus mit Folien von 250 mmDicke sind Spannweiten bis ca. 4,0 msinnvoll. Eine Ertüchtigung des Sy-stems lässt sich durch stärkere Krüm-mungen, die Applikation von Seilenoder den mehrlagigen Einbau von Fo-lien erreichen. Im Vorspannzustand

Bild 2. Verarbeitetes und bedrucktes ETFE (Bild: Prof. Göger, Schonungen)Fig. 2. Printed ETFE in a building (Bild: Prof. Göger, Schonungen)

Bild 3. Pneus aus ETFE-Folie (Bild: Ceno Tec GmbH,Greven)Fig. 3. Pneus of ETFE-foils (Bild: Ceno Tec GmbH, Greven)

Bild 4. Mechanisch gespanntes, einlagiges ETFE (Bild: Hightex GmbH, Rimsting)Fig. 4. Mechanical prestressed, single layer ETFE (Bild: Hightex GmbH, Rimsting)

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sollte ein gegenüber der Atmosphäreum 200 bis 300 Pa höherer Innen-druck vorgehalten werden. Unter derEinwirkung äußerer Lasten (i. A. Windund Schnee) kann der Innendruckweit darüber hinaus ansteigen und istabhängig von der Höhe des Druckesim Vorspannzustand, den Material-dicken und Krümmungsradien vonunterer und oberer Lage sowie derenVerhältnis zueinander – außerdemvon der Einwirkungsdauer der äuße-ren Last und der Ausführung des Sy-stems zur Luftversorgung, von der dieGeschwindigkeit des Druckabfalls beiLasteinwirkung abhängt.

Im Gegensatz zu den textilenMembranen, die mit den biaxial ver-laufenden Fäden eine hohe Festigkeitin beiden Hauptrichtungen aufwei-sen und sich aufgrund der geringenSchubsteifigkeit auch für Flächen mitgroßen Krümmungen eignen, sind derAnwendung von Folien in mechanischgespannten Konstruktionen engeGrenzen gesetzt.

Aufgrund der hohen Schubsteifig-keit schließen sich stark gekrümmteGeometrien aus. Eine Lösung sindhybride Tragwerke mit formgebendenSeilen als Primärstrukturen und zwi-schengespannten Folien. Die Folien-spannweiten sind dabei auf ca. 1 mbegrenzt. Die Seile können zweischa-rig oder einscharig angeordnet wer-den und antiklastische oder ebeneFormen aufspannen (vgl. Bild 5 und[3]).

Wählt man eine einscharige Seil-unterstützung, so müssen die Seilei. A. in Richtung linearer Erzeugen-der verlaufen, um in beiden Norma-lenrichtungen der Fläche – also beiWindsog wie bei Schnee – gleicher-maßen anzusprechen. Mögliche Flä-chenformen sind damit Ebenen oderhyperbolische Paraboloide (Sattelflä-chen).

Da biegeweiche lineare Seile dieLasten nur über große Verformungenabtragen, sollte in einer Eigenwertun-tersuchung die Schwingungsanfällig-keit untersucht und gegebenenfalls dieVorspannung, Seilspannweite oder dasGewicht – eine Ballastierung gehörtdabei durchaus zum Repertoire – an-gepasst werden.

Der ca. um den Faktor 10 höhereTemperaturausdehnungskoeffizientdes ETFE gegenüber Stahl stellt be-sondere Anforderungen an die Justier-barkeit des Systems, die Abstimmung

mit der Fertigung hinsichtlich derTemperaturen bei der Konfektion undAbschätzung möglicher Instabilitätenbei geringer Vorspannung.

4 Bemessung

Derzeit existieren in einigen europäi-schen Ländern, in Japan und USAnormative Ansätze zur Regelung desBauens mit Membranen, die teilweisestark divergieren und den WerkstoffFolie wenn überhaupt nur nachge-ordnet thematisieren. In Deutschlandist ETFE-Folie nicht in eine Bauregel-liste aufgenommen, so dass von kei-nen allgemein verbindlichen techni-schen Werten ausgegangen werdenkann und der Werkstoff wie das Be-messungskonzept regelmäßig Gegen-stand eines Verfahrens zur „Zulas-sung im Einzelfall“ sind. Diese An-sätze und administrativen Bedingun-gen sollen hier nicht weiter vertieftwerden. Stattdessen wird in Anleh-nung an die deutsche Praxis dasgrundsätzliche ingeniöse Vorgehen inStatik und Bemessung beschrieben.

Anders als für die Schnittkraft-ermittlung steifer Membranschalenunter äußeren Einwirkungen genügtfür die vorgespannten Folien nicht dereinfache statisch bestimmte Ansatz derGrundgleichung der Membrantheorie

mit s1/R1 + s2/R2 = p/h [4] (h Scha-lendicke).

Aufgrund der geringen Dehnstei-figkeit, geringen Dicke und geringenKrümmung der Folienflächen sowieder daraus resultierenden großen Ver-formungen unter Lasteinwirkung mussvielmehr neben der in den vorherigenAbschnitten thematisierten materiel-len, auch eine geometrische Nicht-linearität Berücksichtigung finden.

Während es bei Windeinwirkungmit den vorherrschenden Leitungs-systemen kaum möglich, aber, soferndie Leckagen und planmäßigen Über-strömöffnungen von geringer Größesind, es im Rahmen der bisherigenAnwendungsgrenzen auch nicht not-wendig ist, den Druck in den Kissennominell (Ausgangsdruck am Gebläse)zu erhöhen, ist dies für den Schnee-lastfall i. A. eine notwendige Bedin-gung.

Schnee ist eine Langzeitbelastung,und der Innendruck sollte höher seinals die einwirkende Schneelast, umein Durchschlagen der oberen Kis-senlage zu vermeiden. Ist die Schnee-last geringer als der nominelle Innen-druck unter Dauerlast, ist eine Rege-lung nicht erforderlich. Bei höherenSchneelasten ist die Erhöhung desInnendruckes parallel zur einwirken-den Last möglich. Die Kissengeome-trie bleibt erhalten, allerdings unterInkaufnahme einer hohen Belastungder unteren Folienlage, die im Grenz-zustand die gesamte Schneelast tra-gen müsste. In der Praxis wird mandieses Konzept nur bis zu einerSchneelast verfolgen, bei der ein stati-stisch ca. alle 5 Jahre auftretendesmax. Schneeereignis abgedeckt ist. Einzusätzliches Potential für eine längereStabilität der oberen Lage ist infolgeder glatten Oberfläche gegeben, überdie der Schnee zu den Rändern hinabrutscht (s. Bild 6).

Für den Grenzzustand der Trag-fähigkeit kann dabei konservativ dieBemessungsschneelast auf die untereFolie angesetzt werden. Bei genauererAnalyse lässt sich auch eine höhereLeistungsfähigkeit nachweisen. Über-schreitet die äußere Schneelast deninneren Druck, so schlägt die äußereETFE-Folie langsam durch. Diese lässtsich planmäßig als zusätzliches Trag-element ansetzen, sofern die Geome-trien aller Lagen kongruent sind. DieFunktion des Tragwerkes ist gegeben,wenn der aufgrund der sehr schlech-

Bild 5. Trichterförmige Konstruktionmit einem 2-scharigen Seilnetz (Bild: Prof. Göger, Schonungen)Fig. 5. Funnel-shaped constructionwith a 2-directional cablenet (Bild: Prof. Göger, Schonungen)

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ten Wärmedämmung zügig abschmel-zende Schnee mit einer ausreichen-den Neigung abfließen kann.

Bei keinem oder nur geringemGefälle des Primärtragwerkes ist dasvorstehend beschriebene Vorgehen nurbei einem planmäßigen Abpumpendes Wassers mit einer stationären An-lage denkbar. Ansonsten stellen sichdie gleichen Fragen wie für den Ha-variefall: Dieser tritt ein, wenn auf-grund des Ausfalls der Luftversorgungoder einer großen Leckage der Luft-druck im Kissen nicht aufrechterhal-ten werden kann.

1. Kann sich ein Wassersack bil-den, der nach Größe oder Masse eineGefährdung des Systems darstellt bzw.zu einem unter wirtschaftlichen Ge-sichtspunkten unbrauchbaren Primär-tragwerk führt?

2. Falls dies der Fall ist: Wie ister unter dem Gesichtspunkt der Si-cherheit und Häufigkeit zu bewerten?Reagiert man mit zerstörungsfreienoder zerstörenden Systemen?

Erstere Frage führt zu einer geo-metrischen Untersuchung des durch-geschlagenen Zustandes bezüglichder Menge des verbleibenden Wassersund der Ablaufbedingungen. Dabeispielen wiederum die angenommenenKriechverformungen und Tempera-tursteifigkeiten eine zentrale Rolle.Bei ebenen oder nur flach geneigtenDächern ist die Gefahr einer Wasser-sackbildung i. A. gegeben.

Grundlage der Beantwortung derzweiten Frage sind die statische Un-tersuchung und die Diskussion über

die Bewertung des Lastfalles als ver-änderliche oder außergewöhnlicheEinwirkung in der Bemessung. Einemaßgebende Bedeutung hat dabei diegewählte Strategie im Umgang mitdem Wassersack.

Zerstörungsfreie Methoden, alsodas Abpumpen oder Durchleiten desWassers, sind mit großem Installa-tionsaufwand verbunden. Das Ab-pumpen ist durch stationäre Instal-lationen, eventuell integriert in eineohnehin notwendige pumpengestützteRegenwasserführung, oder durch mo-bile Systeme der örtlichen Feuerweh-ren denkbar. Für das Durchleiten desWassers durch den kollabierten Pneugibt es Lösungen mittels steifer Rohre,die nur mit parallelen Maßnahmen

zur Verhinderung von Vereisungen zuempfehlen sind und naturgemäß zuProblemen über Innenräumen füh-ren. Letzteres gilt auch für die zer-störenden Mechanismen. Als solchesind Dorne, die eine mechanischeZerstörung oder Heizdrähte, die einethermische Zerstörung der Folien be-wirken, im Einsatz.

Für Wind als kurzzeitige Einwir-kung kann für die Berechnung derSpannungen von einem geschlosse-nen Volumen ausgegangen werden.Dies bedeutet die Anwendbarkeit desBoyle-Mariottschen Gesetzes. FürSoglasten kann damit bei einer Ver-ringerung des Innendrucks von einerVolumenzunahme ausgegangen wer-den. Die Volumenzunahme bzw.Druckabnahme ist allerdings abhän-gig von der Steifigkeit der Folien so-wie deren Verhältnis zueinander (s.Bild 7).

Augenfällig wird dies bei einemPneu mit sehr steifer oberer Lage, weildiese beispielsweise doppellagig oderseilunterstützt konstruiert ist, und mitnur einlagiger unterer Lage unterWindsoglasten. Die Belastung deroberen Lage ist die Summe aus Wind-soglast (bzw. den Winddruckunter-schieden) und dem Innendruck, derja mit derZunahme des Volumens ab-nimmt. Da sich die äußere steife Lageaber nur gering unter der äußerenLast verformt, verringert sich das Vo-lumen ebenfalls nur geringfügig, unddie Spannungsabnahme in der unte-ren Lage ist gering. Bei großen Steifig-keitsunterschieden zwischen obererund unterer Lage muss ohne genauere

Bild 6. Schneeverteilung auf einem ETFE-Dach (Bild: Fraunhofer Gesellschaftfür Bauphysik, Holzkirchen)Fig. 6. Snow distribution on an ETFE pneu roof (Bild: Fraunhofer Gesellschaftfür Bauphysik, Holzkirchen)

Bild 7. Überdruck im Pneu als Funktion der Windsogbelastung beispielhaft füreinen Pneu mit 2 m Spannweite (Bild: LEICHT, Rosenheim, Stuttgart)Fig. 7. Inner pressure in a pneu as a function of the wind suction loads exemplifiedat a pneu of 2 m span (Bild: LEICHT, Rosenheim, Stuttgart)

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Untersuchung somit auf der sicherenSeite liegend von einer Addition deräußeren Lasten und dem nominellenInnendruck ausgegangen werden.

Um dem Systemvorteil aus dergeometrischen Nichtlinearität zu nut-zen, wird im Allgemeinen dem semi-probabilistischen Sicherheitskonzeptgefolgt, in dem für den GrenzzustandderTragfähigkeit auch für die Lastwertedas geometrisch nichtlineare Verhal-ten Berücksichtigung findet. Die last-seitigen Sicherheitsfaktoren könnenin Anlehnung an die DIN 1055-100mit Bezug auf die jeweiligen nationa-len Regeln gewählt werden, wobei dieDIN 1055-100 keinen Sicherheitsfak-tor für den Innendruck aufführt.

Das Spannungs-Dehnungs-Ver-halten von ETFE-Folie im einachsi-gen Zugversuch ist nichtlinear, wobeies drei Bereiche gibt, einen nahezu li-nearen bis zu einer Spannung von rd.15 N/mm2, einen wesentlich weiche-ren bis zu einer Spannung von rd.20 N/mm2 und einer Dehnung vonrd. 10 % – danach stellt sich einFließen bis zum Bruch ein. Weiterhinsind Verformungskriterien zu erfül-len, die im Wesentlichen eine ausrei-chende Distanz zu anderen Bauteilenoder eine Begrenzung eines Wasser-sacks definieren. Ergänzend sind diekriecherzeugenden Dauerlasten unddamit die Höhe des Innendrucks zubeschränken.

Für die werkstoffseitigen Sicher-heiten schlägt der European DesignGuide for Tensile Surface Structures[5] eine kondensierte und bewerteteMaterialsammlung verschiedener zumTeil normierenderAnsätze vor: 1,4 fürdas Grundmaterial bzw. 1,5 für Fü-gungen und Nähte. Ebenfalls im Sinneeiner materialseitigen Minderung sinddie Abminderungsfaktoren zu verste-hen, die sich aus dem Umgang mitKunststoffen ergeben. Deren Ansatzkorrespondiert zum einen mit Ortund Art derVerwendung und zum an-deren mit Möglichkeit, Aufwand undGenauigkeit der ermittelten Material-kennwerte.

Abminderungen sind i. A. vorzu-sehen für eine Reduktion der einach-sigen Reißfestigkeit, die Rand- undNahtausbildungen, für hohe Tempe-raturen, für Langzeiteinflüsse (Ermü-dung und Reibung) und einen schäd-lichen Einfluss atmosphärischer Strah-lung bzw. der Umgebungsbedingun-gen. Die Abminderungsfaktoren sind

Bestandteil der Zulassung im Einzel-fall und berücksichtigen die Beson-derheiten der Bauaufgabe.

Berücksichtigt man die insgesamtpositive Schadensbilanz der bisheri-gen ETFE-Bauteile, kann man für diebisherige Konstruktionspraxis trotzder aufgezeigten noch nicht befriedi-gend gelösten Aufgaben von einemsinnvollen Sicherheitsniveau ausge-hen. Gleichzeitig erkennt man dasPotential einer mit der intensiven Er-gründung des Materials und des Be-messungskonzepts einhergehendenVerringerung der Abminderungsfak-toren.

5 Herstellung und Konstruktion

Die konstruktiven Aufgaben bei ETFE-Konstruktionen gliedern sich in vierBereiche: die Fügung der Folie selbsteinschließlich dem Einbau von Ver-stärkungen, in Form der erwähntenSeile o. ä., die Anbindung an die Pri-märkonstruktion, die Luftversorgungund die Sekundärbauteile.

Die Abwicklung der ebenen Zu-schnitte kann bei räumlicher Aus-gangsgeometrie nach der Methodeder Streifenzuschnitte oder des Rand-zuschnitts erfolgen. Die bahnenweiseVerebnung der „Streifenzuschnitte“bildet die vorgegebene Geometrie auf-grund der kleinteiligeren Vorgehens-weise besser ab, die gekrümmten Rän-der der Einzelbahnen führen beim Zu-

sammenschweißen allerdings zu kom-plexeren Fertigungsbedingungen.

Hingegen birgt das Verebnen dergesamten Fläche und Einteilen desZuschnittes in Streifen mit geradenRändern beim „Randzuschnitt“ denVorteil, dass die Bahnen einfach ent-lang ihrer geraden Ränder mit Bal-kenschweißmaschinen verbunden wer-den können. Die Formgenese in denräumlichen Ausgangszustand ist nurmit großen, i. A. auch plastischenVerzerrungen verbunden, die diemöglichen Krümmungen begrenzenoder ein planmäßiges Tiefziehen erfor-dern, das für große Abmessungen nochnicht üblich ist.

Die Hauptverbindungstechnik derFolien untereinander ist das Schwei-ßen. Das Verschweißen erfolgt ineinem schmalen Temperaturbereichknapp oberhalb der Schmelztempera-tur des ETFE von ca. 265 °C. Sinn-volle Schweißnahtbreiten betragen ca.10 mm. Durch Nahtkonfigurationenmit großen Überlappungen, die nuran den Enden verschweißt sind, las-sen sich so genannte „Taschen“ er-zeugen, die Seile, Stäbe oder Kederals Bewehrung aufnehmen können (s.Bild 8).

An den Folienenden müssen nor-male und tangentiale Spannungenaufgenommen und in das Randprofileingeleitet werden. Hierzu könnenRandseile vorzugsweise an freien Rän-dern nach dem Vorbild der textilen

Bild 8. Seilführung in „Taschen“ (Bild: Prof. Göger, Schonungen)Fig. 8. Cables in „pockets“ (Bild: Prof. Göger, Schonungen)

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Segelkonstruktionen verwendet wer-den. Meist sind aber steife Profile, dieeinen kontinuierlichen Anschluss andie Primärkonstruktion erlauben undso der häufigen Anwendung als Be-grenzung geschlossener Räume Rech-nung tragen, sinnvoller. Diese Profilemüssen eine Vielzahl von Anforde-rungen erfüllen: eine sichere Last-übertragung, einen wasserdichten An-schluss der Fuge ETFE-Profil, wie derFuge Profil-Primärkonstruktion unddie Regenwasserableitung, letztlich dieGewährleistung einer sicheren undzügigen Montage der Folie und dieAufnahme der unterschiedlichen Tem-peraturausdehnungen von Primär- undKissenkonstruktion. Dabei müssen diearchitektonischen Belange Berück-sichtigung finden, Wärmebrücken ver-mieden, i. A. die Begehbarkeit zu War-tungszwecken ermöglicht und die ent-sprechenden Sicherungsanschläge vor-gehalten werden sowie gegebenenfallsSorge für einen ausreichenden Vogel-schutz und die Enteisung der Regen-rinne getragen werden. Die Konstruk-tionen sind darüber hinaus für pneu-matisch oder mechanisch gespannteKonstruktionen aufgrund der unter-schiedlichen Lagenanzahl und diffe-rierenden Ausgangswinkel der Folienverschieden.

In Bild 9 ist aufgrund der größe-ren praktischen Bedeutung und höhe-

ren Komplexität eine aktuelle Kon-struktion für einen Pneu dargestellt.Die Kederprofile eignen sich aufgrundihrer differenzierten Querschnitts-geometrie sehr gut für die Herstellungals Extrusionen und sind somit i. A.aus Aluminium hergestellt, das auchaufgrund ausreichender Festigkeit undsehr guter Witterungsbeständigkeitgeeignet ist. Die Rinne ist aus ver-zinktem Stahl bzw. Edelstahl herge-stellt, die der Dichtung und der Lage-rung dienenden Profile aus EPDM,und die Wärmedämmung ist aus Hart-schaum oder mit einer Vakuum-Isola-tion denkbar.

Eine besondere Bedeutungkommt dem Sonnenschutz und derMinderung von Regengeräuschen zu.Dem Sonnenschutz dient die Be-druckung mit teilweise sehr hohen er-forderlichen Bedruckungsgraden. Umdiesem Dilemma zu entgehen undeine Reaktion auf unterschiedlicheSonnenintensitäten zu ermöglichen,ist es bei Pneus möglich, den erfor-derlichen Bedruckungsgrad durcheine sich ergänzende Bedruckungzweier Folien zu erreichen. Für denvollen Bedruckungsgrad müssen dieseaufeinander liegen. Ein Abstand be-wirkt eine größere Strahlungstrans-mission (Bilder 10 und 11). Die zweiunterschiedlichen Zustände werdendurch die Positionsänderung der Mit-

tellage ermöglicht, entweder an deroberen Lage oder nach unten ge-wölbt. Die Steuerung erfolgt durcheine Umleitung der Luft in die jewei-lige Kammer. Allerdings dauert derVorgang mitunter bis zu 60 min undbindet Systemressourcen, wie einenmöglichen Ansatz der Mittellage zumLastabtrag, so dass die Verwendungeiner so genannten „wandelbaren Mit-tellage“ die Leistungsfähigkeit verrin-gert.

In dem nachfolgenden Abschnittist die Alternative eines zwischen denFolienlagen angeordneten konventio-nellen lamellaren Sonnenschutzes be-schrieben (s. Bild 12), der einen addi-tiven Bestandteil darstellt. DerVorteilder geringen Bauhöhe und geschütz-ten Konstruktion dieses integriertenSystems überwiegt i. A. den Nachteilseiner inneren Aufheizung.

Zur Minderung der je nach Nut-zung als störend einzustufenden Re-gengeräusche wird versucht, die Kol-lisionsebene von Wassertropfen undFolie zu verlagern. Bekannt ist dieMöglichkeit, durch ein separat aufge-legtes Netzgewebe eine Wasser-schicht zu erzeugen, die dann für denauftreffenden Tropfen als Dämpferwirkt – mit dem Nachteil, dass dieDurchsicht beeinträchtigt wird unddas Halten des Wassers die norma-lerweise geringe Schmutzanhaftungkonterkariert. Ein vielversprechen-der Ansatz liegt in der Möglichkeit,auf der regenzugewandten Seite un-ter der äußersten Folienlage eineKammer mit, zumindest bei entspre-chender Beregnung, geringem Druckanzuordnen, so dass die Tropfen aufeine weniger gespannte Folie treffenwürden.

Die Luftversorgung für Pneusy-steme stellt einen jenseits der baulich-konstruktiven Aspekte gesondert zubetrachtenden Aufgabenbereich dar.In der Gebläsestation befinden sichdas Gebläse zum Druckaufbau, i. A.auch ein Trockner zur Konditionierungder Luft und gegebenenfalls Weichenund Drosselklappen in den abgehen-den Leitungen zur Luftführung, wiesie beispielsweise für den Betrieb„wandelbarer Mittellagen“ erforder-lich sind, außerdem ein zweites Ge-bläse als Reserve, das in regelmäßigemAbstand den Betrieb mit dem Haupt-gebläse wechselt, und die Steuerungs-einheiten der Druckmessung und Ge-bläsesteuerung.

Bild 9. Querschnitt durch einen Pneuanschluss mit Wasserführung: 1Anschlußprofil, 2 ETFE-Pneu, 3 EPDM-Profil, 4 U-Profil geschweißt,5 Dämmung, 6 Sekuranten, 7Vogelabweiser, 8 Wartungssteg, 9 Primärtragwerk(Bild: LEICHT, Rosenheim, Stuttgart)Fig. 9. Cross-section through a pneu connection including gutters (Bild: LEICHT, Rosenheim, Stuttgart)

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Das Leitungssystem gliedert sichin Hauptleitungen und Stichleitungen,die die Kissen parallel anfahren. DieWahl des Leitungsmaterials hängt vonder Systemlänge sowie der UV- undFeuchtigkeitsbeaufschlagung ab. Beisehr hoher Beanspruchung, insbeson-dere durch UV-Strahlung ist letztend-lich nur Edelstahl sinnvoll einsetzbar,ansonsten auch UV-beständiges PVC-U oder Wickelfalzrohre aus verzink-tem Stahl in Innenräumen.

Die Steuerung der Gebläselei-stung erfolgt durch kontinuierlicheDruckmessungen in Referenzkissen,ergänzende optische Kontrollen undInformationen über die Umgebungs-bedingungen über Windmesser undSchneewächter. Der Automatisie-rungsgrad sollte in sinnvollen Gren-zen und unter Berücksichtigung einerausreichenden Redundanz gewähltwerden. Die Auslegung der Luftver-sorgung unterliegt neben den stati-schen Erfordernissen auch bauphysi-kalischen Anforderungen derart, dassder Feuchtegehalt in den Kissen durchdie Parameter Trocknung und Luft-wechsel so eingestellt werden muss,dass es zu keiner schädigenden Kon-densation kommt. Um einen plan-mäßigen Luftwechsel zu ermöglichenist es i. A. notwendig, Öffnungen inden Pneus vorzusehen.

Auch um die Vielfalt der Anfor-derungen an das System der Luftver-sorgung zu begrenzen, könnte in Zu-kunft den vorstehend bereits erwähn-ten lokalen Gebläsen als ergänzendeDruckerzeuger eine Bedeutung zu-kommen. Bei den vielen aufblasba-

ren Werbeträgern und Hüpfburgenist dies bereits eine bewährte Tech-nik. Eine Anwendung für große Volu-menströme bei geringem Druckni-veau und großen Geschwindigkeitenfanden in die Hülle integrierte Ge-bläse (s. Bild 12) bisher auch in derLuftschifftechnik, die sicherlich noch

eine Vielzahl zu entdeckender Paral-lelen zum Bauen mit Pneus bereit-hält.

6 Zusammenfassung und Ausblick

Es ist wohl symptomatisch für techni-sche Entwicklungen allgemein, dass

Bild 11. Fassade bei „offener“ wandelbarer Mittellage (Bild: Atelier Brückner, Stuttgart, Foto: Thomas Meyer,Neuss)Fig. 11. Facade with „open „middle layer (Bild: AtelierBrückner, Stuttgart, Foto: Thomas Meyer, Neuss)

Bild 12. Fernsteuerbares lokales Gebläse (Bild: Festo AG & Co KG, Esslingen)Fig. 12. Local blower, remote controllable (Bild: Festo AG & Co KG, Esslingen)

Bild 10. Fassade bei „geschlossener“ wandelbarer Mittellage(Bild: Atelier Brückner, Stuttgart, Fotograf: Thomas Meyer,Neuss)Fig. 10. Facade with „closed“ middle layer (Bild: AtelierBrückner, Stuttgart, Fotograf: Thomas Meyer, Neuss)

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phasenweise die Grenzen derAnwen-dung geradezu ruckartig verschobenwerden. Für das Bauen mit Foliendeutet sich dies gerade an, und es istder richtige Moment, deren fachge-rechten und seriösen Einsatz zu the-matisieren und zu beschreiben, damitsie nachhaltig ihren Platz im Kanonder Baustoffe finden können.

Den positiven Eigenschaften, denungeahnten formalen und architekto-nischen Möglichkeiten, dem geringenGewicht, das eine wirtschaftliche Pri-märkonstruktion ermöglicht, dem ho-hen Lichttransmissionsgrad über einenbreiten Wellenlängenbereich stehengrundsätzlich die Anfälligkeit gegen-über mechanischen Beschädigungen,die Lichtbrechungen als Ursache dermilchigen Durchsicht und die im Ver-gleich zu anderen Fassadenbaustof-fen noch schwächeren bauphysikali-schen Werte gegenüber, außerdem diezur Zeit noch zu häufig als Einzel-lösung konzipierten Details, die zügigeiner, wie beispielsweise im Fassaden-bau üblichen, Systematisierung bedür-fen.

Das Brandverhalten hybriderStahl-ETFE- oder Holz-ETFE-Kon-struktionen ist in den bestehendenRegelwerken nicht adäquat abgebil-

det. Dabei liegt gerade hier ein großesPotential leichter Folienmaterialien,indem sich beim möglicherweise so-gar beabsichtigten, Schmelzen großeRauchabzüge bilden und damit fürdie Menschen und infolge der gerin-geren Temperatur auch für das Ge-bäude die hiervon ausgehende Ge-fahr verringert.

Folienwerkstoffe, wie das klareEFEP stehen bald auch in größerenMengen und damit dem Bauwesenzur Verfügung und werden zu einerweiteren Diversifizierung der Anwen-dungen führen.

Bild 13 zeigt abschließend dasSchema eines transparenten Dach-elementes, in dem einem hybridenAnsatz aus mechanischer und pneu-matischer Vorspannung folgend einemögliche zukünftige Entwicklung auf-gezeigt wird. Die Primärkonstruktionwird durch stählerne Sichelträger ge-bildet, die innerhalb der Folienlagenzu liegen kommen und von diesen rä-umlich stabilisiert werden. Die damiterforderliche Trennung der Folienla-gen ermöglicht es, auch additive Bau-teile, wie beispielsweise den Sonnen-schutz und Beleuchtung, innerhalb derKonstruktion anzuordnen und ver-bessert den globalen Wärmedurchgang

der Konstruktion um bis zu 15 % ge-genüber klassischen Überdruckpneusbei gleicher Lagenanzahl. Die Folienwerden entlang der Gurte der Sichel-träger geführt und können mecha-nisch vorgespannt werden, so dass dieStabilität unabhängig von möglichenHavarien und der Stromversorgunggewährleistet ist. Ein möglicher Un-terdruck innerhalb der Struktur un-terstützt lediglich den Lastabtrag beiWindsoglasten und erzeugt die zurKonditionierung der Luft notwendigeDurchströmung. Auch Sondernutzun-gen, beispielsweise für Lichteffekteindem Dampf eingeblasen und be-leuchtet wird, sind denkbar. Da dieeinzelnen Joche keine abgeschlosse-nen Kammern bilden, sondern derenGröße nur von den Anforderungendes Brandschutzes und der Wartungbegrenzt wird, kann das Luftleitungs-system einfacher ausgelegt werden.

Literatur

[1] Huberti, G. (Hrsg.): Vom Caemen-tum zum Spannbeton – Beiträge zurGeschichte des Betons. Band I, Teil B.Wiesbaden: Bauverlag 1964.

[2] Nentwig, J.: Kunststoff-Folien. 2., völligüberarb. Auflage. München: Carl Han-ser Verlag 2000, S. 158.

[3] Schöne, L.: Florale Transparenz: Dasneue Dach über dem Innenhof derIHK in Würzburg. Stahlbau 73 (2004),H. 11, S. 879–885.

[4] Franz, G., Hampe, E., Schäfer, K.:Konstruktionslehre des Stahlbetons.Band 2, Teil A. 2., völlig neu bearbei-tete Auflage. Berlin: Springer 1988.

[5] European Design guide for TensileSurface Structures, Brüssel, 2004, S. 181u. 182.

Autor dieses Beitrages:Dipl.-Ing. Lutz Schöne, LEICHT Structuralengineering and specialist consulting GmbH, Klepperstraße 5, 83026 Rosenheimwww.LEICHTonline.de

Bild 13. Systemelemente für Dächer oder Fassaden: 1 ETFE-Folie, 2 konditionier-ter Luftraum, 3 Stahltragwerk, 4 Sonnenschutz, 5 Installationssteg, 6 Regenrinne(Bild: LEICHT, Rosenheim, Stuttgart)Fig. 13. System for roof and facade constructions (Bild: LEICHT, Rosenheim,Stuttgart)