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Rechtsprechung bbl 2008, Heft 4 August 151 © Springer-Verlag 2008 Der Bf bringt, wie schon im Verwaltungsverfahren, vor, § 8a BauPolG sei im Fall einer nachträglichen Bau- bewilligung nicht anwendbar, zumal es nicht anginge, dass die mit dem (notwendigerweise vor der Erteilung der Baubewilligung liegenden) Zeitpunkt des Beginnes der Bauarbeiten laufende 6-Monatsfrist möglicherweise schon abgelaufen wäre, bevor die nachträgliche Baube- willigung noch überhaupt erteilt wird. Diese Auffas- sung ist zutreffend: Entgegen der Ansicht der bel Beh ist § 8a BauPolG im Hinblick auf seinen maßgeblichen Wortlaut im Fall einer nachträglichen Baubewilligung nicht anwendbar. Hätte der Gesetzgeber auch diesen – in der Praxis häufig vorkommenden – Fall erfassen wollen, hätte er dies im Gesetz entsprechend zum Aus- druck bringen müssen. (Auebung) Anmerkung: In diesem Erk orientiert sich der VwGH – im Unterschied zu oben bbl 2008/119 – keineswegs (nur) am „klaren“ Wortlaut, sondern nimmt richtigerweise eine teleo- logische Reduktion des Anwendungsbereiches des § 8a sbg BauPolG vor. Sie scheint mE vor allem aus verfassungsrecht- lichen Gründen (Art 7 B-VG – Sachlichkeitsprinzip; Recht- staatsprinzip) erforderlich (s dazu schon Giese, Salzburger Baurecht [2006] § 8a BauPolG Rz 12), sodass der Gesetzge- ber diesen Fall – entgegen der impliziten Anregung des VwGH – in Wahrheit (auch) gar nicht erfassen darf. Recht- liche Konsequenz aus der Unanwendbarkeit des § 8a sbg BaupolG ist (arg e contrario), dass bei Bauverfahren über be- reits errichtete („Schwarz-) Bauten übergangene Nachbarn ihre nachträglichen Einwendungen unbefristet bei der zu- ständigen Behörde einbringen können (ebda, Rz 12). Karim Giese Steiermark Feststellung des rechtmäßigen Bestandes; Bau- und Benützungsbewilligung; unzulässige „Mischformen“ DOI 10.1007/s00738-008-0445-8 § 40 Abs 2 und 3 stmk BauG 1995 Im Rahmen eines amtswegig erlassenen Fest- stellungsbescheides über den rechtmäßigen Be- stand (hier: aus dem Jahr 1983) kann ohne Antrag des Bauwerbers nicht gleichzeitig auch eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden. VwGH 28.2.2008, 2007/06/0230 <121> Bauplatzeignung; Tragfähigkeit des Grundes; Gefähr- dungen; verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung; Kumulationsprinzip DOI 10.1007/s00738-008-0446-7 § 5 stmk BauG 1995 Bei der Überprüfung der Bauplatzeignung kön- nen keine spezifisch wasserrechtlichen (hier: be- treffend das Niveau des Bauplatzes) oder abfall- wirtschaftsrechtlichen Gesichtspunkte einbezo- gen werden. VwGH 1.4.2008, 2004/06/0104 <122> Konsenslose Gartenhütte; Beseitigungsauftrag; Grenzüberbauung DOI 10.1007/s00738-008-0447-6 § 41 Abs 3 stmk BauG 1995 Auch im Fall einer Grenzüberbauung (hier: kon- senslose Gartenhütte) ist der Beseitigungsauf- trag gegenüber dem maßgeblichen Eigentümer zu erlassen und auf das gesamte (rechtlich ein- heitliche) Bauwerk zu beziehen. VwGH 1.4.2008, 2007/06/0310 <123> Aus der Begründung: Ausgehend von den Feststellun- gen der Beh, das Bauwerk befinde sich auf beiden Grundstücken, rügt der Bf, dass der Beseitigungsauf- trag an den Eigentümer des Bauwerkes zu richten sei, wobei dies im Regelfall der Eigentümer jener Liegen- schaſt sei, auf der das Bauwerk errichtet worden sei. Lediglich ausnahmsweise sei denkbar, dass der Eigen- tümer der Liegenschaſt nicht der Eigentümer des Bau- werkes sei und es gelte dies insb dann, wenn ein Super- ädifikat errichtet worden sei, das Bauwerk also auf fremden Grund in der Absicht errichtet worden sei, nicht stets darauf zu bleiben (§ 435 ABGB). Diese Vor- aussetzungen lägen nicht vor, sodass dementsprechend kein Superädifikat vorliege, weshalb der Bf nicht Eigen- tümer jenes Teiles der Gartenhütte sei, der sich angeb- lich auf der Liegenschaſt seiner Nachbarn befinde. Im Hinblick auf diesen Teil sei der Beseitigungsauſtrag je- doch nicht an ihn, sondern an den jeweiligen Nachbarn zu richten, sodass der bekämpſte Bescheid auch aus diesem Grunde rechtswidrig sei. Dem ist zu entgegnen, dass es sich bei dieser Garten- hütte (wie auch aus den Lichtbildern im Akt ersichtlich ist) um ein rechtlich einheitliches Bauwerk handelt, daher nicht von einem real geteilten Eigentum ausge- gangen werden kann, das gleichsam an der Grenzlinie endet. Daher ist der Bf in keinen Rechten verletzt, wenn sich der an ihn ergangene Beseitigungsauſtrag auf das gesamte Gebäude bezog. (Abweisung) Tirol Rechtlich gesicherte Zufahrt; subjektiv-öffentliche Nachbarrechte DOI 10.1007/s00738-008-0448-5 §§ 3 Abs 1, 25 Abs 3 tir BauO 2001 Nachbarn kommt kein Recht auf Einhaltung einer rechtlich gesicherten Zufahrt zu. VwGH 31.1.2008, 2007/06/0178 <124>

Bauplatzeignung; Tragfähigkeit des Grundes; Gefährdungen; verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung; Kumulationsprinzip

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Page 1: Bauplatzeignung; Tragfähigkeit des Grundes; Gefährdungen; verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung; Kumulationsprinzip

Rechtsprechungbbl2008, Heft 4August 151

© Springer-Verlag 2008

Der Bf bringt, wie schon im Verwaltungsverfahren, vor, § 8a BauPolG sei im Fall einer nachträglichen Bau-bewilligung nicht anwendbar, zumal es nicht anginge, dass die mit dem (notwendigerweise vor der Erteilung der Baubewilligung liegenden) Zeitpunkt des Beginnes der Bauarbeiten laufende 6-Monatsfrist möglicher weise schon abgelaufen wäre, bevor die nachträgliche Baube-willigung noch überhaupt erteilt wird. Diese Auffas-sung ist zutreffend: Entgegen der Ansicht der bel Beh ist § 8a BauPolG im Hinblick auf seinen maßgeblichen Wortlaut im Fall einer nachträglichen Baubewilligung nicht anwendbar. Hätte der Gesetzgeber auch diesen – in der Praxis häufig vorkommenden – Fall erfassen wollen, hätte er dies im Gesetz entsprechend zum Aus-druck bringen müssen. (Aufhebung)

Anmerkung: In diesem Erk orientiert sich der VwGH – im Unterschied zu oben bbl 2008/119 – keineswegs (nur) am „klaren“ Wortlaut, sondern nimmt richtigerweise eine teleo­logische Reduktion des Anwendungsbereiches des § 8a sbg BauPolG vor. Sie scheint mE vor allem aus verfassungsrecht-lichen Gründen (Art 7 B-VG – Sachlichkeitsprinzip; Recht-staatsprinzip) erforderlich (s dazu schon Giese, Salzburger Baurecht [2006] § 8a BauPolG Rz 12), sodass der Gesetzge-ber diesen Fall – entgegen der impliziten Anregung des VwGH – in Wahrheit (auch) gar nicht erfassen darf. Recht-liche Konsequenz aus der Unanwendbarkeit des § 8a sbg BaupolG ist (arg e contrario), dass bei Bauverfahren über be-reits errichtete („Schwarz-) Bauten übergangene Nachbarn ihre nachträglichen Einwendungen unbefristet bei der zu-ständigen Behörde einbringen können (ebda, Rz 12).

Karim Giese

Steiermark

Feststellung des rechtmäßigen Bestandes; Bau- und Benützungsbewilligung; unzulässige „Mischformen“

DOI 10.1007/s00738-008-0445-8

§ 40 Abs 2 und 3 stmk BauG 1995

Im Rahmen eines amtswegig erlassenen Fest-stellungsbescheides über den rechtmäßigen Be-stand (hier: aus dem Jahr 1983) kann ohne Antrag des Bauwerbers nicht gleichzeitig auch eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden.

VwGH 28.2.2008, 2007/06/0230 <121>

Bauplatzeignung; Tragfähigkeit des Grundes; Gefähr-dungen; verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung; Kumulationsprinzip

DOI 10.1007/s00738-008-0446-7

§ 5 stmk BauG 1995

Bei der Überprüfung der Bauplatzeignung kön-nen keine spezifisch wasserrechtlichen (hier: be-treffend das Niveau des Bauplatzes) oder abfall-

wirtschaftsrechtlichen Gesichtspunkte einbezo-gen werden.

VwGH 1.4.2008, 2004/06/0104 <122>

Konsenslose Gartenhütte; Beseitigungsauftrag; Grenzüberbauung

DOI 10.1007/s00738-008-0447-6

§ 41 Abs 3 stmk BauG 1995

Auch im Fall einer Grenzüberbauung (hier: kon-senslose Gartenhütte) ist der Beseitigungsauf-trag gegenüber dem maßgeblichen Eigentümer zu erlassen und auf das gesamte (rechtlich ein-heitliche) Bauwerk zu beziehen.

VwGH 1.4.2008, 2007/06/0310 <123>

Aus der Begründung: Ausgehend von den Feststellun-gen der Beh, das Bauwerk befinde sich auf beiden Grundstücken, rügt der Bf, dass der Beseitigungsauf-trag an den Eigentümer des Bauwerkes zu richten sei, wobei dies im Regelfall der Eigentümer jener Liegen-schaft sei, auf der das Bauwerk errichtet worden sei. Lediglich ausnahmsweise sei denkbar, dass der Eigen-tümer der Liegenschaft nicht der Eigentümer des Bau-werkes sei und es gelte dies insb dann, wenn ein Super-ädifikat errichtet worden sei, das Bauwerk also auf fremden Grund in der Absicht errichtet worden sei, nicht stets darauf zu bleiben (§ 435 ABGB). Diese Vor-aussetzungen lägen nicht vor, sodass dementsprechend kein Superädifikat vorliege, weshalb der Bf nicht Eigen-tümer jenes Teiles der Gartenhütte sei, der sich angeb-lich auf der Liegenschaft seiner Nachbarn befinde. Im Hinblick auf diesen Teil sei der Beseitigungsauftrag je-doch nicht an ihn, sondern an den jeweiligen Nachbarn zu richten, sodass der bekämpfte Bescheid auch aus diesem Grunde rechtswidrig sei.

Dem ist zu entgegnen, dass es sich bei dieser Garten-hütte (wie auch aus den Lichtbildern im Akt ersichtlich ist) um ein rechtlich einheitliches Bauwerk handelt, daher nicht von einem real geteilten Eigentum ausge-gangen werden kann, das gleichsam an der Grenzlinie endet. Daher ist der Bf in keinen Rechten verletzt, wenn sich der an ihn ergangene Beseitigungsauftrag auf das gesamte Gebäude bezog. (Abweisung)

Tirol

Rechtlich gesicherte Zufahrt; subjektiv-öffentliche Nachbarrechte

DOI 10.1007/s00738-008-0448-5

§§ 3 Abs 1, 25 Abs 3 tir BauO 2001

Nachbarn kommt kein Recht auf Einhaltung einer rechtlich gesicherten Zufahrt zu.

VwGH 31.1.2008, 2007/06/0178 <124>