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25 BAYERISCHES LANDESAMT FÜR DENKMALPFLEGE LANDESSTELLE FÜR DIE NICHTSTAATLICHEN MUSEEN FAKTEN , TENDENZEN , HILFEN

BAYERISCHES DENKMALPFLEGE FAKTEN TENDENZEN HILFEN

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Page 1: BAYERISCHES DENKMALPFLEGE FAKTEN TENDENZEN HILFEN

25BAYERISCHESLANDESAMTFÜRDENKMALPFLEGE

LANDESSTELLE FÜR DIENICHTSTAATLICHEN MUSEENFAKTEN , TENDENZEN , HILFEN

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Museum heute 25

Fakten – Tendenzen – Hilfen

Herausgeber:Landesstelle für die nichtstaatlichen Museenbeim Bayerischen Landesamt für DenkmalpflegeAlter Hof 280331 MünchenTelefon 089/210140-0Telefax 089/210140-40E-Mail [email protected] www.museen-in-bayern.de

Redaktion:Dr. Wolfgang Stäbler

Gesamtherstellung:Lipp GmbH, Graphische Betriebe,81477 München

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier

Titelfoto:Joseph Kaspar Sattler, Plakat für die Zeitschrift „Pan“ 1895/96 (Ausschnitt),Museum im Pflegschloss Schrobenhausen

München, im Juli 2003

ISSN 0944-8497

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INHALT

Museumsporträt

Geschichte – Kunst – Kultur. Das Museum imPflegschloss in Schrobenhausen (Claudia Freitag-Mair) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

Die „Porzellanwelt Selb“ – eine Welt im Entstehen.Ein weiterer Ausstellungsbereich des Europäischen Industriemuseums für Porzellan in Selb-Plößberg (Wilhelm Siemen) . . . . . . . . . . 10

Das Grenzland- und Trenckmuseum Waldmünchen (Günther Bauernfeind) . . . . . . . . . 15

Das Fränkische Freilandmuseum in Fladungen.Gedanken zu Aufbau, Konzept und Zukunfts-perspektiven (Albrecht Wald) . . . . . . . . . . . . . . . 21

Museumspädagogik

Museumsbesucher mit Handicaps – immer noch eine vernachlässigte Zielgruppe (Hannelore Kunz-Ott) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Vom Blindenführer zum begreifbaren Objekt –Angebote für behinderte Besucher im Freilicht-museum Glentleiten des Bezirks Oberbayern (Franziska Lobenhofer-Hirschbold) . . . . . . . . . . . 33

Wieder entdeckt: Kinder im Museum. Ausstel-lungen, Tagungen und neuere Publikationen für das junge Museumspublikum (Hannelore Kunz-Ott) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

Aktuelles – Berichte

In 80 Bänden durch die Welt des Porzellans. Die Schriften und Kataloge des Deutschen Porzellanmuseums Hohenberg a. d. Eger (Werner Endres) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

Museen haben Freunde. Der internationaleMuseumstag 2003 in Bayern (Wolfgang Stäbler) 43

Museen vernetzt – Wege der Zusammenarbeit. 12. Bayerischer Museumstag in Weißenburg (Monika Dreykorn) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

Hybride Räume. 3. Szenographie Kolloquium,Dortmund 22.-24.1.2003 (Eva-Maria Fleckenstein) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

Kultur und Sightseeing: Was die Kultur vomTourismus lernen kann. Eine AsKi-Tagung inder Kunsthalle Bremen, 8.-9. Mai 2003 (Monika Dreykorn) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

Archäologie im Museum. Kurzbericht über eineTagung in Ingolstadt (Christof Flügel) . . . . . . . . . 52

Römische Museen am Weltkulturerbe Limes(Christof Flügel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

Menschen? Zeiten? Räume! Zur Archäologie-ausstellung in Berlin und Bonn (Christof Flügel) . 56

Auf den Spuren von Fasanenwärtern, Polizistenund Bauforschern. Eine neue Dauerausstellungim Westfälischen Freilichtmuseum Detmold(Heinrich Stiewe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

Die Kulturkuratorinnen – ein Netzwerkbewährt sich (Doris Hefner/Edith Schoeneck/Michaela Breil) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

Neue Bücher (Albrecht A. Gribl/Wolfgang Stäbler) . . . . . . . . . . 67

Museumseröffnungen in Bayern . . . . . . . . . . . . . 70

Personalia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Sonderausstellungen bayerischer Museen . . . . . 74

Varia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

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GESCHICHTE – KUNST – KULTURDas Museum im Pflegschloss in Schrobenhausen

Am 20. September 2002 öffnete das Museum im Pfleg-schloss Schrobenhausen seine Pforten. Es widmet sichder Stadt-, Gewerbe- und Industriegeschichte, zeigtMünzen und Medaillen, sakrale Bildwerke und Volkskunstund präsentiert Werke Schrobenhausener Künstler. Durchdie Möglichkeit für Sonderausstellungen und Versamm-lungen bietet das vierte Museum der Stadt ein weiteresForum für unterschiedlichste Veranstaltungen.

Konzeption und Verwirklichung hatten sich lange hinge-zogen: Bereits im Jahr 1980 hatte die Stadt das Anwesenerworben mit dem Ziel, dort später ein Museum ins Lebenzu rufen, das der historischen Bedeutung dieses Hausesgerecht würde. Mit der Zeit entwickelte sich die Idee ei-nes Museumsviertels, zumal sich in unmittelbarer Nähezur Schlossanlage die Galerie im Geburtshaus des späte-ren „Malerfürsten“ Franz von Lenbach und das Europäi-sche Spargelmuseum befinden.

Nach einer langjährigen Vorbereitungs- und Planungspha-se begannen im Frühjahr 2000 die Umbau- und Sanie-rungsmassnahmen am historischen Gebäude, und im Julides Jahres beauftragte die Stadt eine wissenschaftlicheFachkraft mit der Erarbeitung eines Museumskonzeptes.Von Mai bis Juli 2001 wurden die für die Ausstellung aus-gewählten Exponate, die mehr als ein Jahrzehnt im Depotgelegen hatten, in einem Stickstoffzelt von Schädlingenbefreit und im Frühjahr 2002 von einem Restauratoren-team konservatorisch behandelt. Für eine umfassendeRestaurierungsaktion fehlten die finanziellen Mittel.

Auf 570 m2 Ausstellungsfläche zeigt das Museum nun diewichtigsten Teile des umfangreichen Sammlungsbestan-des, der neben Objekten zur Geschichte und Entwicklung

von Stadt und Umland einige bemerkenswerte Schwer-punkte von überregionaler Bedeutung aufweist: eine um-fangreiche Münz- und Medaillensammlung mit Künstler-medaillen aus der Zeit um 1900, die in Schrobenhausengeprägt wurden und zu den bedeutendsten Medaillenihrer Zeit zählten, sowie das nahezu vollständige Werkdes Jugendstilkünstlers Joseph Kaspar Sattler (*1847 inSchrobenhausen/†1931 in München).

Das historische Gebäude

Das Pflegschloss in Schrobenhausen, um 1500 als Amts-und Wohnsitz des herzoglichen Pflegers erbaut, war jahr-hundertelang Mittelpunkt des Gerichtsbezirks Schroben-hausen und somit das wichtigste und größte Profan-gebäude im Altstadtbereich. Direkt an die Stadtmaueranbindend stand der landesherrliche Verwaltungs-, Ge-richts-, Repräsentations- und Lagerhaltungsbereich miteigener Mauersicherung und Wassergraben, abgeschirmtvon der Bürgersiedlung. Ab 1861 beherbergte das Ge-bäude das Bezirksamt, anschließend das Landratsamt.Im Jahr 1913 erhielt das alte Pflegschloss einen Anbau,der als Wohnung für den jeweiligen Amtmann diente. DieGebietsreform 1972 brachte das Ende des eigenständi-gen Landkreises Schrobenhausen; Hauptsitz der Verwal-tung wurde Neuburg. Das traditionsreiche Gebäude inSchrobenhausen verlor seine zentrale Bedeutung, wurdezunächst aber bis zum Kauf durch die Stadt 1980 weiter-hin für Verwaltungszwecke genutzt.

Bausanierung

Im Jahr 1990 wurde in einer ersten konkreten Planungs-phase eine Bauuntersuchung für den älteren Gebäudeteileingeleitet. Mit den Planungen zur Umgestaltung des An-baus konnte noch nicht begonnen werden, da ein Mietver-trag mit der Verwaltungsgemeinschaft erst 1998 endete.

Bis 1994 wurde von der damals bei der Stadt beschäftig-ten Kunsthistorikerin Doris Heller ein vorläufiges Konzepterarbeitet, das sich im Wesentlichen auf die Räume desErdgeschosses und Obergeschosses des älteren Gebäu-deteils beschränkte. Hier sollte die Dauerausstellung ein-gerichtet werden mit Exponaten, die, um das Ganze im-mer wieder zu beleben, im Laufe der Zeit gegen Objekteaus den Depots ausgewechselt werden sollten. Fernerüberlegten sich die Planer, das Dachgeschoss für Verwal-tungs- und Depotzwecke zu nutzen. In die Räume derVerwaltungsgemeinschaft, d. h. in den Anbau von 1913,sollten später ein Café und eine Hausmeisterwohnungeinziehen.

MUSEUMSPORTRÄT 3

Das Museum im Pflegschloss, Schrobenhausen

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Die Auftragsvergabe für die beiden ersten Leistungspha-sen, also für die Erstellung der Vorplanungen sowie derErmittlung der Sanierungskosten, erfolgte im Jahr 1994an die Architekten Homeier und Richter. Ihre Kosten-berechnung von 2 Mill. DM ging von einer umfassendenSanierung aus, eine „Minimalsanierung“ kam für dieArchitekten nicht in Frage. Daraufhin befragte man denKreisheimatpfleger Wolfgang Kirchner, einen in SachenSanierung historischer Gebäude erfahrenen Fachmann.Noch im selben Jahr legte er eine Stellungnahme vor underklärte, dass eine „schonende Sanierung“ in einerGrößenordnung von etwa 600-800.000 DM möglich wäre.In dieser Phase übergab die Stadt die gesamte Aus-schreibung, Koordination und Bauüberwachung an einenleitenden Baudirektor i. R., der gegen Erstattung von Aus-gaben, aber ohne Honorar tätig wurde.

Ein „Arbeitskreis Pflegschlosssanierung“ trat in Aktion,Mitglieder des Stadtrates waren in freiwilligen Wochen-endaktionen am Bau beschäftigt, örtliche Firmen unter-stützten die Maßnahmen mit Sachspenden. Der Vertrag

mit der Kunsthistorikerin wurde nicht verlängert, stattdessen engagierte man einen Historiker, der bereit war,gegen Aufwandsentschädigung und ohne Honorar dasMuseumskonzept zu erstellen.

Bald stellte sich heraus, dass dieser Weg nicht wie er-wartet Kosten einsparen konnte. Schließlich wurde 1997wieder Prof. Homeier mit den weiteren Planungen beauf-tragt. Mittlerweile war auch die Verwaltungsgemeinschaftausgezogen und einer Sanierung des Gesamtkomplexesstand nichts mehr im Wege. Die weiteren Planungen unddie Realisierung der Maßnahme führte der Architekt inenger Abstimmung mit dem Stadtbauamt, mit dem Lan-desamt für Denkmalpflege und mit dem Städtebauförde-rungsreferat der Regierung von Oberbayern durch.

Maßnahmen

Der historische Dachstuhl aus dem 16. Jahrhundert wur-de konserviert, in Teilbereichen in alter Verbundtechnikergänzt und somit selbst zu einem Teil der Ausstellung.Die Raumaufteilung blieb in beiden Gebäudeteilen weit-gehend erhalten. Den Eingangsbereich verlegte man inden Verbindungsbau, wobei die Decke über dem Erd-geschoss durch einen Steg ersetzt wurde. Die beiden ur-sprünglichen Eingangstüren wurden vollständig verglast,mit der Überlegung, hier besondere Exponate zu präsen-tieren, um Besucher und Passanten neugierig zu machen.

Die stark verwurmten Dielenfußböden im alten Pfleg-schloss mussten entfernt und durch Riemenparkettersetzt werden, die Parkettböden im Anbau blieben er-halten. Die Fenster wurden den Befundergebnisse ent-sprechend und in Abstimmung mit dem Landesamt fürDenkmalpflege nachgebaut und erneuert, unter besonde-rer Berücksichtigung der Auflagen von Seiten des Versi-cherers. Ein Teil der historischen Innentüren im altenPflegschloss konnte samt Türstock weiter genutzt wer-den. In den Räumen, in denen die Türblätter fehlten, be-ließ man die Öffnungen als Durchgänge. Im Anbau warenmehrere Türen zu erneuern.

In einem aufwändigen Verfahren wurden die historischenPutze im Innen- und Außenbereich konserviert und dieFehlstellen in historischer Technik und nach alten Rezep-turen ergänzt.

Sammlungsgeschichte

Die Bestände des Museums im Pflegschloss gehenzurück auf die Sammeltätigkeit des Historischen Vereins

MUSEUMSPORTRÄT4

Eingangsbereich mit dem darüber führenden Verbindungsstegzwischen den beiden Gebäudeteilen

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Schrobenhausen. Sein Ziel waren die Erforschung, Be-wahrung und Vermittlung der Geschichte von Stadt undUmland. Ein Aufruf im Gründungsjahr 1901, eine Samm-lung von historischen Gegenständen anzulegen, fandgroßen Widerhall. Bürger aus Stadt und Umland brachtenUrkunden, Bücher, Möbel, Gewänder, Gebrauchsgegen-stände, Bilder und Fotos. Bereits im Jahr darauf konnteder Historische Verein ein Heimatmuseum im so genann-ten Amtsturm, in dem heute das Europäische Spargelmu-seum untergebracht ist, eröffnen. Der Bestand wuchskontinuierlich an, und bereits 1905 zeigte sich, dass dieRäumlichkeiten zu eng geworden waren. 1908/09 bezogman einige Räume im Erdgeschoss des Rathauses, 1911kamen Kellerräume hinzu.

Schon im Jahr 1915 galt die Sammlung in Fachkreisen alsherausragend und war über die Grenzen der Stadt hin-weg bekannt: „Verdient voll ins Programm der jährlichenMuseumsreisen eingefügt zu werden“, urteilte Prof.Dr. Georg Hager, Königlicher Generalkonservator derKunstdenkmale und Altertümer in München, bei einemBesuch in Schrobenhausen.

Durch Schenkungen und Ankäufe wuchs der Bestandkontinuierlich weiter an. Ab 1943 wurden die Sammlun-gen im Waaghaus präsentiert. Als 1967 das Gebäudeabgerissen wurde, lagerte man die Bestände in Depotsein. 1974 übereignete der Historische Verein seineSammlungen der Stadt, und noch im selben Jahr wurdeeine neue Aufstellung in den Räumen der ehemaligenOberrealschule eröffnet. Mit der Entscheidung, diesesGebäude für die Volkshochschule zu nutzen, wandertendie Sammlungen 1991 wieder ins Depot mit der Aussicht,in absehbarer Zeit im herzoglichen Pflegschloss eineneue und dauerhafte Bleibe zu finden.

Grundsätzliche Überlegungen und Konzept

Die Sammlungen des Museums in einem denkmalge-schützten Gebäude unterzubringen, erforderte an vielenStellen Rücksichtnahme und manchen Kompromiss. Er-schwerend kam hinzu, dass die Sanierung des Gebäudesschon angelaufen war, während das endgültige Konzeptder Präsentation noch nicht feststand. Es waren schließ-lich nur noch in kleinen Teilbereichen geringfügige bauli-che Veränderungen zugunsten der speziellen Museums-bedürfnisse möglich.

Das Konzept selbst orientierte sich in erster Linie an denvorhandenen Sammlungen und der Stadtgeschichte,wobei es die umfangreichen Bestände erlaubten, auszu-wählen und Schwerpunkte zu bilden, um die Geschichte

der Stadt und ihrer Region in historischer und wirtschaft-licher Sicht sowie unter Berücksichtigung sozialer Bedin-gungen darzustellen. Nach der Sichtung des Bestandessowie ausführlichen Vorüberlegungen und Besprechun-gen, gerade auch mit den Vertretern des HistorischenVereins, legte man die Schwerpunkte des Hauses fest,die schließlich im Stadtrat allgemeine Zustimmung fan-den. Bei vielen Fragen und Problemen war die intensiveBetreuung und Unterstützung der Landesstelle für dienichtstaatlichen Museen in Bayern von entscheidenderBedeutung.

Grundsätzlich waren sich alle Beteiligen darin einig, dasshier kein Heimatmuseum im herkömmlichen Sinne ent-stehen sollte. Daher befolgte man bei der Exponataus-wahl auch die Devise „weniger ist mehr“, um zu vermei-den, dass die Besucher auf Grund einer nicht zu verar-beitenden Fülle von Exponaten die Ausstellung nichtmehr ausreichend aufnehmen können. Viele Objekte derSammlung bleiben weiterhin im Depot; sie sollen jedochim Laufe der Zeit in Sonderausstellungen gezeigt werden.

Einrichtung

Die Einrichtungsplanung übernahmen die Architekten, dieauch für die Sanierung des Gebäudes verantwortlich wa-ren. Die bei den Planungen geführten Diskussionen ver-liefen nicht immer gerade einfach, dennoch suchte mandie bestmöglichen Lösungen für die angestrebte Einheitvon vorbildlich restauriertem Denkmal und modernemMuseum. Die Verantwortlichen einigten sich auf eine

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Sequenz „Markt“: Bedruckte Stofffahnen dienen als Abbildungs-und Schriftträger sowie als Vitrinenhintergrund

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Inszenierte Situation einer archäologischen Grabung

Präsentation der Exponate in einem einheitlichen Vitrinen-system: kleinere Exponate werden konsequent in weißenWandvitrinen hinter Plexiglas gezeigt, einzelne größereObjekte auf schwarzen Sockeln mit Plexiglasstürzen.Zum Teil sind die Exponate auch auf Trägertafeln mit Tast-schutz montiert. Die Konzeption beinhaltete zwar einigeInszenierungen, die aber von den Gestaltern (Architekten)auch nach langen, intensiven Gesprächen nicht umge-setzt wurden. Unter Berücksichtigung des Raumeindruckswurde so weitgehend auf Szenen verzichtet, lediglich einRaum in der Abteilung „Schrobenhausener Gewerbe-und Industriegeschichte“ stellt die Arbeitssituation imMünz- und Prägewerk Carl Poellath um 1900 dar. Dieschlichte Präsentation im ganzen Haus zielt darauf ab,die Einzelexponate zur Geltung zu bringen und nichtdurch Beiwerk vom Objekt abzulenken.

Die grafische Gestaltung übernahmen Wolfgang Reichertund Anette Kallmeier vom büro ay in Augsburg. Zusam-

men mit den Einrichtungsplanern legte man für die Text-tafeln zwei unterschiedliche Formate fest: Hohe schmaleTafeln für die Raumtexte und kleinere Tafeln für die unter-geordneten Texte, so dass der Besucher bereits formaldie einzelnen Textkategorien leicht unterscheiden kann.Bei der farblichen Gestaltung einigte man sich auf einenweißen Untergrund und schwarze Schrift. Die Raumtexteheben sich durch rote Überschriften und jeweils einestark vergrößerte Abbildung eines raumspezifischenExponates im selben Rot von den übrigen Texttafeln ab.Fotoreproduktionen, Zeitungsausschnitte und weiteregrafische Elemente ergänzen und bereichern die Tafelnmit den untergeordneten Texten und geben so detaillierteAuskunft zu den Raumthemen.

Die Objekttexte in den Vitrinen sind, unter Berücksichti-gung einer leichten Zuordnung, auf schmalen Tafeln zu-sammengefasst, Einzelobjekte gesondert beschriftet. Inmanchen Abteilungen erforderte das Konzept großforma-

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Ausstellung religiöser Kunst im historischen Dachstuhl

tige Reproduktionen von Fotografien und alten Stichen.Da aus technisch-statischen Gründen keine großen Trä-gertafeln gewählt werden konnten, entschied man sichfür Stoff-Fahnen, die außerdem in ihrer Leichtigkeit zumübrigen Ausstattungsprogramm passen.

Bei der Gestaltung des Museumssignets galt es, dasneue Haus nicht für sich alleine darzustellen, sondern mitden anderen Museen der Stadt zu verbinden, gerade imHinblick auf die Schaffung eines „Museumsviertels“ undmit der Absicht, in Zukunft mit dem Begriff „MuseenSchrobenhausen“ zu werben. Aus mehreren Vorschlägenwählten Vertreter der Stadt ein Logo mit vier Bögen in denFarben blau – rot – gelb – grün. Jeder Bogen steht füreines der vier Museen, symbolisiert aber zugleich diehistorische Stadtmauer, womit eine unverwechselbareVerbindung der Museen mit der Stadt Schrobenhausenhergestellt wird.

Führungslinie – Rundgang

Die Konzeption der Raumnutzung und der Führungsliniebereitete einige Schwierigkeiten, da auf Grund der bauli-chen Gegebenheiten der Verbindungsweg zwischen denbeiden Gebäudeteilen ins Obergeschoss gelegt werdenmusste. Eine Verbindung über die Dachgeschosse derbeiden Gebäudeteile war nicht möglich, da sich der Zwi-schentrakt als zu niedrig erwies.

Man entschied sich daher, den Besucher nicht mehrmalsdurch dieselben Abteilungen des Obergeschosses zu lot-sen, sondern den Rundgang direkt vom Erdgeschoss desälteren Gebäudes ins Dachgeschoss zu führen, von hieraus dann ins Obergeschoss und über den Steg im Ver-bindungsbau in den Anbau, von hier aus schließlichzurück ins Erdgeschoss mit den Sonderausstellungsräu-men und dem Aus- bzw. Eingang.

MUSEUMSPORTRÄT 7

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Thematisch beginnt der Rundgang mit Erläuterungen zurGeschichte und Bedeutung des Pflegschlosses, um diehäufig geäußerte Meinung, es handle sich hier um einehemaliges Krankenhaus, zu berichtigen. Im nächstenRaum folgt ein Überblick zur Sammlungsgeschichte. Hierfand eine Handspindelpresse des Münz- und PrägewerksCarl Poellath Platz, die bereits an dieser Stelle auf einenSchwerpunkt des Museums aufmerksam machen soll.Die Maschine aus dem Jahr 1890 ist noch funktionstüch-tig, ihre Nutzung kann daher bei Museumsfesten oder anbesonderen Tagen von Fachkräften in Vorführungen ge-zeigt werden. Die Geschichte der Stadt und ihrer Umge-bung wird in den nächsten drei Räumen an Hand unter-schiedlicher Objekte gezeigt. Thematisiert sind die „Stadt-werdung“, „Schutz und Verteidigung“, „Markt undSchranne“ sowie das „Städtische Gewerbe“.

Mit einem grafischen Leitsystem wird der Besucher vomErdgeschoss ins Dachgeschoss geführt, in dem volks-kundliche Gegenstände thematisch in einen Lebensweg„Von der Geburt bis zum Tod“ eingebunden sind. SakraleKunst und wertvolle Skulpturen präsentieren die wesent-lichen Stilstufen und Entwicklungstendenzen in derSchnitzplastik. Ergänzend hierzu ist in einem kleinenNebenraum, einer didaktischen Zone, die Arbeit desBildschnitzers und Fassmalers dokumentiert. Im selbenRaum fanden Objekte aus der Vorgeschichte in einerInszenierung zur Methodik und Arbeitweise eines Archäo-logen ihren Platz.

Der Rundgang führt von hier aus ins Obergeschoss desGebäudes. Die Geschichte der Schrobenhausener Indus-trie wird ausführlich und exemplarisch an der Entwicklungdes Münz- und Prägewerks Carl Poellath gezeigt. 1778gründete Christoph Abraham in Schrobenhausen einkleines Nadlergeschäft, das Carl Poellath 1798 übernahmund zu einer angesehenen Hart- und Fasswarenfabrikausbaute. Knöpfe, Mieder- und Schurzhaken, Schließenund Schnallen waren Hauptprodukte des Prägewerks.Mitte des 19. Jahrhunderts stellte die Firma die Pro-duktion auf religiöse Artikel aller Art um und verkaufteRosenkränze, Wallfahrtsandenken und Heiligenbildchenin alle fünf Erdteile. Um 1900 erweiterte die Firma ihreProduktion; die Prägung profaner Münzen, von Künstler-und Vereinsmedaillen kam hinzu. Abzeichen, Orden undMarken werden auch heute noch bei Carl Poellath gefer-tigt. In einem eigenen Raum ist die Arbeitssituation einesGraveurs um 1900 in Szene gesetzt: Ein Graveurtisch mitentsprechenden Werkzeugen, ein Tisch mit Stahlstem-peln, ein Löttisch sowie eine Stechuhr vor einem Groß-foto aus den Schrobenhausener Werkstätten vermittelndem Besucher einen Eindruck der damaligen Arbeitsver-hältnisse.

Die Präsentation der hervorragenden Künstlermedaillen,die bei Poellath in Schrobenhausen um 1900 geprägtwurden und die mit zu den besten Stücken ihrer Zeit zähl-ten, bereitete einiges Kopfzerbrechen. Schließlich lösteman das Problem durch eine Anordnung der Objekte insenkrecht montierten Schautafeln. Aus einer Plexiglas-scheibe wurden in genauen Maßen Ausschnitte gefräst,in die man die Medaillen legte und von hinten und vornemit einer durchgehenden Glasscheibe sicherte. Die vierTafeln sind an Metallständern montiert und greifen in denRaum, so dass man die Medaillen von der Vorder- undder Rückseite betrachten kann. In einer Vitrine und aufeiner Schautafel werden die einzelnen Arbeitsschrittevom Entwurf bis zur fertigen Medaille erläutert. Ein weite-rer Raum in dieser Abteilung zeigt „Die Geschichte derMedaille – von der Antike bis zur Moderne“. Diese Aus-stellung wurde von der Staatlichen Münzsammlung Mün-chen konzipiert und mit Leihgaben aus deren Beständenbestückt.

Die Firmen Agfa-Gevaert, Bauer Spezialtiefbau, Leinfel-der Papier, EADS und Ytong präsentieren im nächstenRaum stellvertretend für die Schrobenhausener Industrieje ein Produkt und ihre Firmengeschichte. Ein von diesenUnternehmen finanziertes Terminal mit Touchscreen bie-tet den Besuchern die Möglichkeit, auf den betreffendenInternetseiten weitere Information abzurufen. Ein Blick aufdie Situation in Schrobenhausen nach 1945 bis hin zurGegenwart beendet den stadtgeschichtlichen Teil desRundgangs.

Über einen Steg gelangt man in das Obergeschoss desAnbaus mit der Abteilung „Kunst und Künstler in und ausSchrobenhausen“. Kaspar Joseph Sattler, 1867 in Schro-benhausen geboren, später hauptsächlich in Straßburgund Berlin tätig, war in seiner Zeit ein anerkannter und er-folgreicher Zeichner, Aquarelllist und Graphiker. In großenBilderrahmen sind zahlreiche Exlibris, Buchillustrationenund Urkunden des Künstlers präsentiert. Die letzten Jahreseines Lebens verbrachte Sattler in München. Hier kon-zentrierte sich sein Schaffen ab 1924 auf die Zusammen-arbeit mit dem Kupferdrucker Heinrich Graf, der SattlersNachlass 1961 an die Stadt Schrobenhausen verkaufte.Eine Radierpresse und Erläuterungen zur Technik desRadierens bringen dem Besucher die Arbeit Sattlersnäher.

Im weiteren folgen Radierungen des SchrobenhausenerKünstlers Norbert Richter (1928-1975), der sich ab 1961Richter-Scrobinhusen nannte und damit seine Wertschät-zung der Stadt zum Ausdruck brachte. Zwei weitere Räu-me zeigen Werke von zwölf professionellen Künstlern, dieheute in Schrobenhausen leben und arbeiten. Im Wechsel

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sollen die Künstler hier die Möglichkeit für Einzelausstel-lungen bekommen.

Im Erdgeschoss des Anbaus befinden sich die Sonder-ausstellungsräume, die für wechselnde Veranstaltungengenutzt werden können. In regelmäßigen Abständen sol-len themenbezogene Wechselausstellungen aus denBeständen des Museums sowie Ausstellungen mit Künst-lern nicht nur aus der Region gezeigt werden. Museums-feste, Vorträge und Symposien sind geplant.

Ausblick

Bis zur Eröffnung des Museums konnten noch nicht allePläne realisiert werden. In einigen Abteilungen werden

noch Computerterminals aufgestellt, um zusätzliche In-formationen zur Vertiefung der einzelnen Themen zu ge-ben. Ein kleiner Museumsführer soll die Orientierung er-leichtern, ein begleitender Film (im Erdgeschoss befindetsich ein Medienraum) die Inhalte des Museums ergänzenund vertiefen.

Das Museum sieht es als wichtige Aufgabe, Schülern dieGeschichte der Stadt und seiner Umgebung nahe zu brin-gen. Es eignet sich nicht nur für den Geschichtsunterrichtder verschiedenen Schularten, sondern bereits für denHeimat- und Sachkundeunterricht der Grundschulen. Einmuseumspädagogischer Leitfaden, in Zusammenarbeitmit Lehrern erstellt, soll das Museum besser für den Un-terricht erschließen.

Das neue Haus wird von den Besuchern sehr gut ange-nommen. Schulklassen, Gruppen und zahlreiche Einzel-besucher beurteilten den Umbau, das Konzept und diePräsentation als gelungen. Viele Schrobenhausener, diedie Sammlungen aus den früheren Aufstellungen kennen,vermissen jedoch eine Reihe der einst gezeigten Expo-nate. Ihnen kann aber schnell klar gemacht werden, dassdurch die reduzierte Auswahl die Besonderheit der Einzel-objekte herausgestellt wird und dass die „vermissten“Stücke, die derzeit z. T. auch aus konservatorischenGründen nicht gezeigt werden können, in Zukunft beiSonderausstellungen zu sehen sein werden.

Claudia Freitag-Mair

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Museum im Pflegschloss, Am Hofgraben 1,86529 Schrobenhausen, Tel. 08252/90985-0, Fax -32

Öffnungszeiten:Dienstag bis Sonntag 13-17, 1. Donnerstag im Monat 13-20 Uhr

Präsentation von Künstlermedaillen, die so genannte Hitl-Serie

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DIE „PORZELLANWELT SELB“ – EINE WELT IM ENTSTEHENEin weiterer Ausstellungsbereich des Europäischen Industriemuseums für Porzellan in Selb-Plößberg

Wer in Nordbayern, dem Herzen der europäischen Por-zellanindustrie, eine Porzellanfabrik besuchen möchte,der ist im „Europäischen Industriemuseum für Porzellan“an der richtigen Adresse: Was in den rationalisierten undautomatisierten modernen Fabriken so nicht mehr erlebtwerden kann, die Herstellung von Porzellan in seinerganzen Dimension, das ist hier in diesem auf Vermittlungdurch Erleben und Unterhaltung ausgerichteten Museum

seit der feierlichen Eröffnung, dem 24. Juli 2002, hautnaherfahrbar.

Eine alte Porzellanfabrik, neu belebt

An historischem Ort, in der 1866 von Jacob Zeidler direktan der Eisenbahnlinie Hof-Asch gegründeten und 1917von Philipp Rosenthal erworbenen Porzellanfabrik imSelber Ortsteil Plößberg, ist in den letzten Jahren einMuseum entstanden, wie es in der Welt des Porzellans inEuropa bisher keine Entsprechung hat.

Nach der von Carolus Magnus Hutschenreuther 1814 imbenachbarten Hohenberg an der Eger gegründeten undder von dessen Sohn Lorenz Hutschenreuther 1856 inSelb ins Leben gerufenen Produktionsstätte ist sie diedrittälteste Porzellanfabrik im Landkreis Wunsiedel. Nachzahlreichen Erweiterungen im letzten Viertel des 19. und inden zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts waren 1930rund 900 Menschen beschäftigt, um mit 10 großvolumigenRundöfen allerfeinste Service, Zierartikel und Figuren zufertigen. Aus der Vergangenheit des Porzellans ist sie nichtwegzudenken: Philipp Rosenthal sen. hatte sie nach derGeburt seines Sohnes Philip, 1916, als nicht zur RosenthalAG gehörige Fabrik im Familienbesitz gehalten. Unter sei-ner Leitung war sie durch den weltgewandten und gebil-deten Unternehmer zu einer renommierten Erzeugungs-stätte ausgebaut worden. Er engagherte Künstler vonWeltrang, deren Namen durch ihre für Rosenthal erarbei-teten Entwürfe weltweit nunmehr auch mit Porzellan inVerbindung gebracht wurden, so wie auch der HerstellerRosenthal selbst an Renommee gewann. Ein eigenes Ge-bäude für die Kunstabteilung wurde auf dem Areal errich-tet, kurzzeitig sogar Elektroporzellan hergestellt.

Die Hinwendung zur modernen Linie in der Gestaltungkam nach der Rückkehr seines Sohnes Philip Rosenthaljun. aus der Emigration nach Selb im Jahr 1950 verstärktzum Tragen: Anerkannte Künstler und Designer wie BjörnWinblad, Tapio Wirkkala und Elsa Fischer-Treiden arbeite-ten jetzt hier auf seine Veranlassung. Meilensteine desPorzellandesigns wurden entwickelt, realisiert und erfolg-reich vermarktet. Selb-Plößberg ist damit einer der Ur-sprungsorte der 1961 ins Leben gerufenen „Studio Linie“.

Doch aufgrund der zunehmenden Mechanisierung undMaschinisierung in der Porzellanbranche in den sechzigerJahren war das Aus für die Fabrik in Selb-Plößberg vor-aussehbar: Die Gebäudestruktur war auf mehretagigeRundöfen abgestimmt. Sie ließ eine Umstellung auf diemoderne Brenntechnik mittels der lang gestreckten,ebenerdig angelegten Tunnelöfen nicht zu. Es unterblieben

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Europäisches Industriemuseum für Porzellan in Selb-Plößberg:Teilansicht der bis jetzt fertiggestellten Gebäude

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Umbauten, Modernisierungen und Erweiterungen, wie sieandernorts durchgeführt wurden. Stattdessen entstandauf anderem Areal eine völlig neue Produktionsstätte, Ro-senthal am Rotbühl, nach Entwürfen des Bauhaus-Archi-tekten Walther Gropius. Die Produktion in Selb-Plößbergendete 1968/69, die Porzellanfabrik wechselte mehrfachden Besitzer, verfiel.

Erhalten blieben die entscheidenden baulichen Struktureneinschließlich des Fabrikareals mit den Eisenbahngeleisen,dem Feuerlöschteich, den Werkstätten und Nebengebäu-den – sowie das gesamte Umfeld mit den Arbeiterwohn-häusern, dem Bahnhof, dem Fabrikantenwohnhaus – ineiner selten anzutreffenden geschlossenen Form. Erhaltenblieb somit ein Industrieensemble von außergewöhnlichhohem historischem Wert. Es repräsentiert auf idealtypi-sche Weise die Strukturen einer Porzellanfabrik, wie sienicht nur in Nordbayern mit Selb als einstigem „Weltzent-rum der Porzellanproduktion“, sondern fast in ganz Euro-pa bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts bestanden.

Aufgrund seiner historischen Bedeutung wurde der Ge-samtkomplex 1988 in die Denkmalliste aufgenommenund in der Folge zum Museum ausgebaut, dem „Europäi-schen Industriemuseum für Porzellan“. Ein Großdenkmalwurde restauriert und wird es immer noch: Mit geringstenfinanziellen Mitteln begann 1990 die Sanierung der Ge-bäude. Im Rahmen von AB-Maßnahmen angestellte Kräfteleisteten die ersten Arbeiten. Aufgrund der Dimension desVorhabens wurde 1993 mit den fördernden Stellen ver-einbart, den Ausbau in mehreren in sich funktionsfähigenModulen voranzutreiben. 1996 konnte der erste Bauab-schnitt abgeschlossen werden, der zweite 1998, derdritte, 2002 von Staatsminister Hans Zehetmair eröffnet,in Betrieb gehen. Zurzeit ist ein weiterer Abschnitt im Bau.

Mehr als 15 Jahre liegen nun die Anfänge zurück.Während der gesamten Zeit wurde intensiv mit den betei-ligten staatlichen Stellen zusammen gearbeitet: Einerseitsmit den Vertretern der zuständigen Stelle beim Bayeri-schen Landesamt für Denkmalpflege, soweit es z. B. dieRestaurierung der Gebäude und die denkmalgerechteNutzung betrifft, andererseits mit den Referenten derLandesstelle für die nichtsstaatlichen Museen im Hinblickauf die Arbeit an der Ausstellungspräsentation und Fort-schreibung des Museumskonzeptes.

Die Fabrik ist als Museum zu neuem Leben erwacht:Mehr als 13 Meter lang ist eine der beiden Dampfmaschi-nen, die einst die Fabrik über die ledernen Transmissions-riemen und stählernen Wellen mit Antriebskraft versorg-ten. Heute läuft sie dank Pressluftgeneratoren von hohemDruck angetrieben wieder unter „Volldampf“. Die riesigen

Mahlsteine des Kollerganges, der einst Feldspat undQuarz zerkleinerte, die tonnenschweren Trommelmühlenim Bereich der Massemühle bilden einen markanten Kon-trast zu der feinsinnigen Arbeit der Modelleure, die wievor 250 Jahren für die Gestaltung der Formen die Verant-wortung tragen. Unter den Händen der Dreher und Gießerentsteht das rohe Porzellan. Hier findet sich der Drehtischwie vor fast 300 Jahren, als das Porzellan in Meissendurch Johann Friedrich Böttger und Walther Ehrenfriedvon Tschirnhaus für Europa entdeckt wurde. In der authen-tisch eingerichteten Dreherei und Gießerei der 1950/60erJahre mit den Rollern, Gießkarussellen, Elevatoren sinddie einzelnen Arbeitsschritte an den realen Arbeitsplätzenzu verfolgen. Die didaktisch aufbereiteten Präsentationenvon isostatischen Pressen und Hochdruckgießanlagendokumentieren die Fabriken von heute. Im Bereich desBrennhauses, wo der Porzellanscherben nach dem Brandseine Weißheit, seine Transparenz und seinen hellenKlang erhält, werden die historischen Rundöfen zu Erleb-niszonen, die die Arbeit in der stickigen und heißen Atmo-sphäre vermitteln. Die Dekorationsvarianten werden er-fahrbar im Buntbetrieb – derzeit noch im Stadium einerStudiensammlung –, wo von der Handmalerei bis zummodernsten Siebdruck die Verfahren der Porzellandeko-ration dargestellt werden. Bei dem Weg durch die Ferti-gungsgeschichte der Europäischen Porzellanmanufak-

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Massemühle der 1920er Jahre: Laufende Maschinen vermittelneinen Eindruck von den Arbeitsbedingungen in der Porzellan-industrie.

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turen und -fabriken bleibt zur Technik der Porzellanher-stellung, zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in diesemMuseum kaum eine Frage offen.

Die neue Abteilung: „Weißfertigung – Vom Modell zumfertig gebrannten weißen Porzellan“

Das Konzept der seit Juli 2002 zugänglichen neuen Ab-teilung: „Weißfertigung – vom Modell zum fertig gebrann-ten weißen Porzellan“ wurde von den am Museum selbstangestellten Wissenschaftlern gemeinsam mit der Lan-desstelle für die nichtstaatlichen Museen und demInnenarchitekten Arthur Pufke, Schwandorf, entwickelt.Das Heinz-Nixdorf-Forum, Paderborn, das weltgrößteComputermuseum, stand beim Einsatz der elektroni-schen Medien mit Rat und Tat zur Seite. Die europäischenPartnerinstitutionen, insbesondere im französischenLimoges, in Sèvres sowie in Stoke-on-Trent in Groß-britannien, zahlreiche Museen, Archive, Forschungsinsti-tute an Hochschulen, Unternehmen aus der Welt desPorzellans, d. h. Porzellanerzeuger, Maschinen- undOfenbauer: sie alle trugen auf vielfältige Weise wesentlichzum Gelingen bei.

Dass der Rundgang für Alt und Jung stets spannend, at-traktiv und erlebnisreich bleibt, dafür sorgt einerseits dasoriginalgetreu inszenierte Ambiente in den denkmalge-schützten Räumen: Das sind z. B. die Modelleurstube ausdem 18. Jahrhundert, der Gießplatz um 1900, die Dre-herei der 50er Jahre mit ihren Rollermaschinen, demTrockenelevator, den Putzplätzen, das sind die originalenRundöfen, die das Bild aller Porzellanfabriken über 150Jahre prägten. Aber es sind nicht allein diese weitgehendauthentisch eingerichteten Arbeitsbereiche, sondern

ebenso die Menschen, die die Besucher dort antreffen:die „Besucherbetreuer“ mit ihren Vorführungen an denlaufenden Maschinen. Ihr Tun wird – auf Anmeldung – er-gänzt durch Führungen erfahrener Porzellanarbeiter. AlsZeugen ihrer Zeit geben sie ihr in Jahrzehnten in der „Por-zellinerei“ erworbenes Wissen weiter. Sie sprechen vomPorzellan und seiner Herstellung, dem Leben und Arbei-ten der Menschen, der „Porzelliner“.

Leben, Arbeit, Technik in Geschichte und Gegenwart sindan verschiedenen Stellen mit Hilfe des gezielten Einsat-zes von Medien auf intensive Weise erfahr- und nachvoll-ziehbar: Neue Formen für Porzellan werden heute amComputer entworfen. Ein Film zeigt, wie dies vor sichgeht. Flachgeschirr wurde in den Fabriken der erstenHälfte des 20. Jahrhunderts von Hand gedreht und wirdheute isostatisch gepresst. Historische und speziell fürdie neue Abteilung hergestellte aktuelle Filme dokumen-tieren dies. Die Dimensionen der Maschinen und Aggre-gate in den Porzellanfabriken nahmen immer größereAusmaße an. Sie in das Museum zu holen, ist nicht mög-lich. Das Konzeptionsteam hat sich aber auch hier einigeseinfallen lassen: So mit der Tassentaktstraße, deren Kopfund Abschluss original im Museum aufgebaut sind. Diegesamte Funktion machen in eine dreidimensionaleStrichzeichnung integrierte Monitore filmisch deutlich. EinTunnelofen ist in der Porzellanfabrik Selb-Plößberg nichtmehr errichtet worden. Doch der Besucher kann trotzdemim „Überwachungs- und Steuerungsraum“ eines solchenPlatz nehmen, die Brennkurve verfolgen, aus dem Fens-ter in die Ofenhalle blicken, auf den Überwachungsbild-schirmen sehen, wie die Wagen mit Porzellan beladenwerden, wie sie in den Ofen hineinfahren und ihn wiederverlassen. Er hört das dumpfe Brummen, das die Ofen-halle erfüllt. Geruch und Geräusch, Hitze erlebt der Besu-cher hautnah, z. B. wenn er zum Ende des Rundgangsden Nachbau eines modernen Rollenofens, in dem dasGeschirr schließlich „glatt-“, d. h. fertig gebrannt wird,durchschreitet. Wie haben die Porzelliner in den FabrikenEuropas ihre Arbeit empfunden? In Video-Interviews ge-ben sie Auskunft.

Recherchieren, experimentieren und selbst Hand anzule-gen, auch diese Aspekte wurden nicht vergessen: Aufdurch Berühren gesteuerten Monitoren kann man an denverschiedensten Stellen noch mehr Details erfahren, inmuseumspädagogischen Inseln in den Internet-Auftrittenvon Hochschulen und Wirtschaftsunternehmen stöbern,selbst Formen zusammensetzen – und, mit einem Griffelin der Hand, virtuell dreidimensionale Gegenstände ge-stalten, dabei tatsächlich deren „Oberfläche“ erspüren.Eine Drehscheibe „anzukurbeln“, wie dies im 18. Jahr-hundert von Kindern gemacht wurde, ist die eine Seite,

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An authentisch eingerichteten Arbeitsplätzen können Arbeits-techniken früherer Zeiten vorgeführt werden.

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die andere ist das in Begleitung durchgeführte Experi-ment im museumspädagogischen „Labor“, wie das selb-ständige Gießen und Drehen. Für den Unterricht reser-vierte und auf Klassenstärke ausgerichtete Räume run-den das Angebot ab.

Das Europäische Industriemuseum für Porzellan in Selb-Plößberg präsentiert sich als ein Museum der Vielfalt, alseine eigene Welt: Eine Welt, die mit durchdachten und aufVermitteln durch Erleben ausgerichteten Schaueinheiteneine neue Attraktion in Nordostbayern darstellen will. DasMuseum möchte damit einerseits den Tourismus stärken,anderseits durch das Erschließen der bisher so nicht ge-kannten und vor Augen geführten Welt des Porzellans einkaum zu gering zu schätzender Werbeträger für dasPorzellan und die Porzellanbranche sein. Jung und alt,Schüler und Familien, jede auf ihre Art, können sich hierangesprochen fühlen.

Bereits heute umfasst das Museum eine Fläche von4.500 m2 und es ist gerade in seinem Sonderausstel-lungsprogramm bewusst vielschichtig angelegt. DessenSpannbreite reicht von der Arbeit junger Künstler und re-nommierter internationaler Hochschulen im Bereich vonKunst und Design bis hin zu Themen aus dem Bereich derWirtschafts-, Sozial- und Technikgeschichte. Seit 2003stehen rund 1.000 m2 für diese wechselnden Ausstellun-gen bereit. Die dafür genutzten Räumlichkeiten wurdendurch die „Bauhütte“ des Museums weitgehend in Eigen-leistung hergerichtet. So wurde eine Temperierung einge-bracht, ein Teil der Wände verputzt und, wo dies nichtmöglich war, nach dem Vorbild des Musée de la Publicité,Paris, eine Innenwandverkleidung aus Zinkblech herge-stellt, die ein Durchlüften der ursprünglich feuchten Au-ßenwände bei schonendem Umgang mit der historischenBausubstanz erlaubt, während nach innen weitgehendeSauberkeit gegeben ist.

Perspektiven – ein Blick in die Zukunft

Im Endausbau wird das Europäische Industriemuseumfür Porzellan seinen Besuchern eine Ausstellungsflächevon fast 9.000 m2 bieten. Es wird in den kommenden Jah-ren auch in den Bereichen weiter wachsen, die nicht alsAusstellungsräume dienen, und dann mit der Infrastrukturinternationaler Institutionen konkurrieren können. Wie sieist es bestrebt, sich mehr noch als bisher schon zu einem„Servicecenter“ für Kultur wie Wirtschaft zu entwickeln.Aufgrund seiner Lage an einer der interessantesten geo-grafischen „Schnittstellen“ zwischen der heutigen EU undden östlichen Nachbarländern kann es ein idealer Ort derBegegnung werden.

Der zukünftige Eingangsbereich wird den für eine musea-le Institution heute selbstverständlichen Museumsshopbieten, der in Regie eines Privatunternehmens betriebenwird. Der Kassenbereich ist zudem „Info-Center“: Im Hin-tergrund der Kasseninsel wird das gesamte Angebot desMuseums aufgeschlüsselt, der Besucher über den Rund-gang, die Inhalte der einzelnen Ausstellungsbereiche, dielaufenden Sonderausstellungen und museumspädagogi-schen Aktivitäten informiert. Dass die in Hohenberg an-gesiedelte Abteilung „Deutsches Porzellanmuseum – Mu-seum für Porzellangeschichte, -kunst und -design“ eben-so Berücksichtigung findet, erklärt sich schon daraus,dass beide Museen in ihrer Thematik eng verzahnt sindund sich gegenseitig unverzichtbar ergänzen. Die rundeKasseninsel wird mehr Aufgaben wahrnehmen als nur die

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Modelleure arbeiten heute auch mit dem Computer: Mit diesemfreeform-modelling-program des Hothouse in Stoke-on-Trentkann die Leistungsfähigkeit moderner Systeme demonstriertwerden.

Eine der „Inseln des Wissens“ mit Touch-Screens zur flexiblen,auch fremdsprachigen Vermittlung und zum spielerischen Arbei-ten am PC

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Verkaufsstelle für die Eintrittskarten und Ausgabeort fürdie geplanten „Audio Guides“ zu dienen. Im Herzen derPorzellanstraße wird das Center „Infothek“ für die touris-tischen Attraktionen und Möglichkeiten im Umkreis sein.So informieren Touchscreen Monitore über Aktivitäten inder Region und erlauben direkten Internetzugang.

Bereits 2004 soll zum 125-jährigen Jubiläum der Rosen-thal AG als nächste Schaueinheit das „Rosenthal-Muse-um“ in diesem Gesamtkomplex entstehen. Und das Ex-periment steht wieder ganz oben an, wenn ab 2005 derzweite Themenschwerpunkt, die Technische Keramik mitall ihren faszinierenden Anwendungsbereichen in Elektro-technik, Elektronik, im Automobilbau, in Chemie und Me-dizin mit ihren Produkten vom Isolator bis hin zum Com-puterchip Ziel des Aufenthaltes sein kann. 2006 geht esim Zeichen des Kändler-Jahres, das dem Begründer derfigürlichen Porzellanplastik in Europa an der Porzellanma-nufaktur Meißen, J. J. Kändler, gewidmet ist, den Schau-bereich „Porzellanherstellung in den europäischen Manu-fakturen“ zu widmen. Hier wird gezeigt, wie aus demModel des Bildhauers die Porzellanplastik entsteht, wel-che speziellen Methoden von der feinsten handgemach-ten Blüte bis hin zum von Hand geschnittenen Durch-bruchrelief die europäischen Manufakturen einst ent-wickelt haben und heute als Wahrer einer bald dreihun-dertjährigen Tradition pflegen.

In absehbarer Zeit wird die Cafeteria mit mehr als 80 Sitz-plätzen folgen. Ein gastronomisches Angebot ist Voraus-setzung für einen besucherfreundlichen Betrieb. Der aufdie vielfältigsten Nutzungsvarianten ausgerichtete Mehr-zwecksaal mit rund 200 Sitzplätzen rundet das Angebot insinnvoller Weise ab. Ausgestattet mit Simultanüberset-zungskabinen wie zeitgenössischer medialer Technik kanner Begegnungsstätte von Wirtschaft, Politik wie Kultur sein.

„Porzellanwelt Selb“

Trotz des zugegebenermaßen noch unfertigen Erschei-nungsbildes im Süden des Areals hat das Museum auchhier schon ausgesprochen reizvolle „Ecken“. Mit seinemGelände von über 30.000 m2 ist Platz für das Picknick amehemaligen Feuerlöschteich in romantischer Umgebungwie für das Open Air Konzert. Das große Museumsfestmit nahezu 3.000 Besuchern beweist immer wieder, dassdie Menschen gern hierher kommen.

Dort, wo wie vor fast 100 Jahren wohl bald wieder dieWerksbahn fährt, dort hat das Fichtelgebirge, dort hatOberfranken, Bayern und Deutschland eine besondere„Welt“, seine Welt des „weißen Goldes“, seine „Porzel-

lanwelt“. Sicherlich ist davon erst die erste Hälfte zu ent-decken, aber auch diese ist eine bereits jetzt für Groß wieKlein interessante, Erkenntnis wie Erlebnis vermittelndeund attraktive Welt.

Hier in Selb-Plößberg hat Oberfranken ein Museum, wiees wohl sonst nur in großstädtischen Ballungszentrenerwartet wird. In Kombination mit dem 15 Kilometer ent-fernten deutschen Porzellanmuseum in Hohenberg an derEger, wo die Geschichte der Erzeugnisse, ihr Design undihre Dekoration im deutschsprachigen Raum präsentiertwerden, ist dank der Mithilfe und des Engagements vieler,dank des Freistaates Bayern mit seinen Ministerien undFachstellen, des Bezirks Oberfranken, der EuropäischenUnion, der Kulturstiftungen und der regionalen Akteureaus Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften ein Zentrumzu Gegenwart und Geschichte des Porzellans entstandenund nach wie vor im Ausbau, eine Einrichtung, die inter-national anerkannt und verankert ihresgleichen sucht.

Wilhelm Siemen

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Beim „Gang durch einen Rollenofen“ werden dem Besucher „In-nenansichten“ vermittelt wie das Brausen der Ventilatoren oderHitze, die durch den Brenner einströmt. Auf Bildschirmen flackertwie in der Realität die Brennerflamme.

Europäisches Industriemuseum für Porzellan, Bahnhofstr. 3, 95100 Selb-Plößberg,Tel. 09287/91800-0, Fax -30,[email protected]

Öffnungszeiten:April bis Oktober Dienstag bis Sonntag 10-17 Uhr

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DAS GRENZLAND- UND TRENCKMUSEUMWALDMÜNCHEN

Die Stadt Waldmünchen, Luftkurort im Bayerischen Wald,hat 2001 im historischen „Schergenhaus“ das Grenzland-und Trenckmuseum eingerichtet. Das Einrichtungskon-zept wurde von den Fachkräften des Museumsreferatsdes Landkreises Cham erarbeitet. Diese fachliche Betreu-ung wird ermöglicht durch das „Chamer Modell“, eineZweckvereinbarung, in der sich neun Städte und Ge-meinden, u. a. auch Waldmünchen, mit dem LandkreisCham zusammengeschlossen haben. Der Umfang derBetreuung und die entsprechende finanzielle Beteiligungan den Personalkosten können je nach Arbeitsaufwanddes jeweiligen Museums oder Museumsprojekts vari-ieren. Für den Betrieb des Museums hat die Stadt Wald-münchen als Träger darüber hinaus eine Vereinbarung mitdem Museumsverein, der aktiv den Aufbau des Museumsbegleitet hat, abgeschlossen.

Auf drei Stockwerken präsentiert das Museum dieSchwerpunktthemen „Leben an der Grenze“ und „Trenckder Pandur“: Die Stadtgeschichte Waldmünchens warund ist von der besonderen Lage an der Landesgrenzegeprägt. Die Beziehung zu den böhmischen Nachbarn,ob Grenzverkehr und Handel oder Krieg und Feindschaft,bestimmte die Entwicklung der Stadt immer in hohemMaße. Seit 1990 haben sich nach dem Fall des „EisernenVorhangs“ und der Grenzöffnung zu Tschechien neueChancen und Perspektiven eröffnet. Franz Freiherr vonder Trenck stand während des Österreichischen Erbfolge-kriegs in Diensten von Kaiserin Maria Theresia und bela-gerte unter anderem Waldmünchen. Seit 1950 erinnertdas überregional bekannte Freilichtfestspiel an diese his-torische Begebenheit.

Vorarbeiten

Der Eröffnung des Grenzland- und Trenckmuseums Wald-münchen ging eine lange Zeit der Vorbereitung und desAufbaus voran. Schon seit 1977 arbeitete und sammelteder Verein „Grenzland- und Trenckmuseum Waldmünchene. V.“ eifrig unter dem damaligen Vorsitzenden Senatora. D. Heinrich Eiber für seinen Vereinszweck, den „Aufbaueines oberpfälzischen Grenzlandmuseums“. 1988 erwarbdie Stadt mit dem ehemaligen „Schergenhaus“ ein Ge-bäude, das im Kern bis in das 16. Jahrhundert zurück-reicht und nach den ersten Überlegungen des Architektur-büros Wild, Furth im Wald, für die Einrichtung des Mu-seums geeignet war. Der Museumsverein trug die künfti-gen Exponate in einem Depot zusammen und ordnete sieübersichtlich nach Sachgruppen. Mit großem Engagementfotografierten und inventarisierten die Vereinsmitgliederunter Anleitung der Fachkräfte vom Kultur- und Museums-referat des Landkreises Cham über 1.500 Objekte. Ab

1990 führten Mitglieder des Vereins unter Anleitung vonRestauratoren auch einfachere Konservierungs- und Res-taurierungsmaßnahmen durch. Der Verein trat immer wie-der mit gezielten Aktionen zur Förderung des Museums-gedankens an die Öffentlichkeit, wobei die jährlichen Son-derausstellungen zur Vorstellung der Sammlung beson-dere Erfolge waren und eine breite Akzeptanz bei der Be-völkerung fanden. Seit 1980 gibt der Verein in regelmäßi-ger Folge den „Waldmünchner Heimatboten“ mit lokalhis-torischen, heimat- und volkskundlichen Beiträgen ausdem Waldmünchner Raum heraus, ein Kompendium zurKulturgeschichte der Stadt Waldmünchen, das wertvolleHinweise auf Themen und Objekte für das Museum gibt.

Nach Vorlage eines Rahmenkonzepts 1991 durch dieFachwissenschaftler des Museumsreferats war man sichmit der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen ei-nig, dass nur ein Spezialmuseum mit einer differenziertenThematik erfolgversprechend sein könne. Die Landes-stelle begleitete das Projekt beratend und finanziell. Auf-grund des Objektbestands und unter Berücksichtigungder historischen Gegebenheiten wurden die genanntenbeiden Schwerpunktthemen entwickelt, in einem Rah-menkonzept ausführlich beschrieben und eine Reihen-folge der einzelnen Ausstellungseinheiten vorgeschlagen.

Nach langen Verhandlungen konnte ein tragbares Finan-zierungskonzept aufgestellt werden. Besonders wichtigwaren hier auch die Überlegungen, die künftigen Be-triebskosten in den Griff zu bekommen. Dabei wird dieStadt Waldmünchen als Museumsträger sehr durch denMuseumsverein unterstützt: Ein ausführlicher Betreiber-vertrag (Geschäftsordnung) legt unter anderem die Ge-währleistung der regelmäßigen Öffnungszeiten durch den

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Das Waldmünchener „Schergenhaus“ beherbergt das Grenz-land- und Trenck-Museum

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Einsatz von Vereinsmitgliedern fest. Zur finanziellen Un-terstützung wurde eine Museumsstiftung gegründet.

Konzept

Die Museumsfachkräfte konnten nun beginnen, dasGrobkonzept für die Einrichtungsplanung zu verfeinern.Dafür wurde zunächst eine erste Raumaufteilung vorge-nommen und damit die Themenabfolge innerhalb deskünftigen Museumsrundgangs festgelegt. In einer ArtDrehbuch wurde schließlich die exakte Reihenfolge derExponate, Texte, Fotos und Filmausschnitte, der Abbil-dungen, Grafiken und Toneinspielungen beschrieben. An-hand dieses Drehbuchs, das darüber hinaus die Präsen-tation der Exponate an Ausstellungswänden oder in Vitri-nen vorgab, konnten nun gemeinsam mit den Museums-gestaltern (atelier-bauernfeind, Viechtach) die Überlegun-gen beginnen, welche gestalterischen und didaktischenMittel am besten geeignet wären, das jeweilige Themaanschaulich und besucherfreundlich zu vermitteln – eine

schwierige Aufgabe angesichts der relativ beengtenRäume und der begrenzten Anzahl geeigneter Originale.

Ergebnis dieser Planungen war eine maßstabsgetreu ge-zeichnete Wandabwicklung. In einem langen Prozesswurden viele Ideen geboren und eingebracht, viele ande-re Gedanken zunächst weiterverfolgt, um dann letztend-lich doch fallengelassen zu werden. Für die optimale Prä-sentation der Exponate, Bilder und Informationstafelnhaben die Museumsgestalter eine spezielle, auf die ein-zelnen Räume bzw. Themen zugeschnittene „Museums-landschaft“ installiert. Die Ausstellungseinheiten sindüberwiegend „szenisch“ präsentiert; der Besucher ist fastim ganzen Haus von lebensgroßen Fotos umgeben. Angeeigneten Stellen wird der Eindruck verstärkt durch Ton,Film, Lichteffekte und Computertechnik. Für die beson-ders engen Gewölberäume im Erdgeschoss wurde einespezielle Kombination aus schrägem Podest und Boden-vitrine entwickelt. Das Museum bietet so nicht nur Infor-mationen, sondern auch eine abwechslungsreiche undlebendige Reise in die Geschichte, modern und anspre-

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Ein Touch-Screen-Terminal informiert über die Stadtgeschichte

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chend präsentiert. Der Rundgang durch das Museumwird für den Besucher zum Erlebnis. Schon vor Beginndes Innenausbaus konnten einige Ausstellungseinheitenam Computer virtuell „begangen“ werden.

Rundgang

Stadtgeschichte und FeuersteinstraßeDer Museumsrundgang beginnt mit Informationen zurWaldmünchner Stadtgeschichte. Per Fingerdruck aufden Computerbildschirm (Touchscreen) können die ge-wünschten Daten abgerufen werden. Eine Ausstellungs-einheit ist der „Feuersteinstraße“ zwischen Bayern undBöhmen, dem ältesten Handelsweg Europas, gewidmet.Waldmünchen lag an dieser Verbindungsstrecke zwi-schen Arnhofen und Prag, auf der schon die Menschender Steinzeit Handelsbeziehungen aufbauten. Als wich-tigster Rohstoff für Werkzeuge und Waffen wurde der inArnhofener Bergwerken abgebaute Feuerstein gegen an-dere lebensnotwendige Gegenstände eingetauscht.

Hausindustrie und WaldarbeitDer nächste Raum befasst sich mit hausindustriellenTätigkeiten wie dem Spitzenklöppeln oder Holzarbeiten,mit denen sich viele Bewohner des Grenzgebiets einenNebenverdienst sicherten. Dasselbe gilt für das Sam-meln von Beeren und Waldfrüchten, das mit der Wald-arbeit in der folgenden Ausstellungseinheit vorgestelltwird.

Waldmünchen an der GlasstraßeFür Waldmünchen war vom 16. bis Ende des 19. Jahr-hunderts die Glasproduktion und -veredelung von großerBedeutung. Anhand mehrerer Fertigungsstufen wird dieProduktion eines geschliffenen Kelchglases von den Roh-stoffen bis zum Endprodukt dargestellt. Eine Vitrine zeigtkostbare historische Gläser aus der Produktion derbekannten Firma Nachtmann, die 1834 in Waldmünchengegründet wurde. Im Reliefmodell der Umgebung Wald-münchens sind die Standorte der ehemaligen Glasbe-triebe eingetragen.

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Abteilung „Trenck-Festspiel“

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Beeindruckend ist der Ausschnitt aus einer Glasschleife-rei unter Verwendung von Originalteilen. Vor allem imUlrichsgrüner Tal gab es im 19. Jahrhundert mehrereGlasschleifen und -polierwerke, welche die geblasenen,groben und unebenen Glasscheiben für Fenster undSpiegel verwendbar machten. Andere Hütten hatten sichauf die Herstellung von Glasperlen für Rosenkränze undSchmuck spezialisiert.

Früher TourismusEine neue Einnahmequelle ergab sich seit Beginn des20. Jahrhunderts mit der neu entdeckten Lust am Reisen.In dieser Museumsabteilung wird der schon um die Jahr-hundertwende einsetzende Fremdenverkehr in Waldmün-chen mit dem böhmischen Berg Cerkov als Naherho-lungsziel vorgestellt.

AuswanderungDie ungünstige Erwerbslage im ostbayerischen Grenz-gebirge war der Hauptgrund, warum viele Familien derHeimat den Rücken kehrten. Auswanderungswellen gabes vor allem im 19. Jahrhundert. Allein aus dem Altland-kreis Waldmünchen wanderten zwischen 1780 und 1950etwa 1.300 Personen aus, die meisten nach Amerika. ImMuseum überquert der Besucher auf einem blauenBodenbelag symbolisch den Atlantik, die historischeNew Yorker Skyline mit der Freiheitsstatue in Sichtweite,und wird dann mit dem Schicksal eines 1883 ausge-wanderten Waldmünchener Bäckermeistersohns kon-frontiert.

Café FeichtmayrZum Abschluss des Rundgangs im Erdgeschoss kannder Besucher Atmosphäre atmen im Ambiente des CafésFeichtmayr, das bis in die 1970er Jahre als „erstes Hausam Platze“ betrieben wurde.

Der „Eiserne Vorhang“Der Themenbereich „Grenze“ nimmt die gesamte ersteEtage des neuen Museums ein. Bis vor gut einem Jahr-zehnt war die Grenze zu Tschechien durch den „EisernenVorhang“ verschlossen, den streng bewachten Stachel-drahtzaun entlang des Grenzverlaufs. Die Grenzöffnung1990 hat nach einem halben Jahrhundert der Trennungneue Möglichkeiten eröffnet. Den Bewohnern der Grenz-regionen beider Länder hat sich jeweils die vierte, zuvorweitgehend unbekannte Himmelsrichtung erschlossen –für die einen der Westen, für die anderen der Osten. EinJahrzehnt nach der Grenzöffnung ist es für die Bewohnerder Grenzregion nichts Besonderes, das jeweilige Nach-barland zu besuchen. Die Inszenierung im Museum ver-mittelt die beklemmende Verunsicherung, mit der manzuvor am Grenzübergang stand: Warnschilder, Düsternis,Blinklicht. Nach Durchschreiten des Schlagbaums wirdder Museumsbesucher an die Momente der Grenzöff-nung erinnert.

Postgeschichte – Berühmte ReisendeDer folgende Bereich berichtet von denen, die die Gren-ze passierten oder passieren wollten. Nach einer Szenemit einer historischen Postkutsche folgt im Museumdie Ausstellung über Berühmtheiten, die als Reisendevon oder nach Böhmen in Waldmünchen Station mach-ten. So verbrachte der französische Schriftsteller undPolitiker François René Auguste Vicomte de Chateau-briand 1833 drei Tage in Waldmünchen, weil ihm derZöllner in Haselbach zunächst den Grenzübertrittverweigerte. Seinen Aufenthalt in Waldmünchen be-schrieb Chateaubriand später ausführlich in seinen Me-moiren.

Bodenvitrine „Holzschuh-Machen“ in Entwurf ...

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... und Ausführung

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SchmuggeleiEtwas verunsichert mag der Museumsbesucher dennächsten engen Raum betreten. „Mitten im Wald“ liegteine Figur, zu Boden gestürzt, das Gesicht mit Ruß ge-schwärzt – ein „Schwirzer“. Diese Szenerie leitet über zurgroßen Ausstellungseinheit über den illegalen grenzüber-schreitenden Handel, den Schmuggel, und über dieWidersacher der Schmuggler, Zoll und Grenzpolizei. Hierwird unter anderem eine Auswahl an Gegenständen ge-zeigt, die in den letzten Jahren an den Grenzübergängenbeschlagnahmt wurden und an der „Hör-Theke“ kannman den Geschichten ehemaliger Schmuggler lauschen.

Trenck der Pandur vor WaldmünchenDas gesamte 2. Stockwerk ist dem Schwerpunktthema„Trenck und Trenck-Festspiel“ gewidmet. Im ersten Aus-stellungsraum findet sich der Museumsbesucher inmitteneiner Theaterszene aus dem Festspiel, umgeben vonFiguren in historischen Kostümen. Auf dem Bildschirmlaufen Festspiel-Filmausschnitte. In den Vitrinen werdenalte Kostüme und Requisiten, Plakate, Programme undTextbücher aus der Geschichte des Festspiels präsen-

tiert. Seit 1950 wird das Festspiel alljährlich aufgeführt, esträgt heute zur touristischen Attraktivität Waldmünchensbei. Man versteht sich als „Trenck-Stadt“, wirbt mitTrenck-Veranstaltungen und Souvenirs.

Der Österreichische ErbfolgekriegDie folgenden Ausstellungsräume erläutern den histori-schen Hintergrund des Waldmünchener Festspiels. Derbayerische Kurfürst Karl Albrecht meldete nach dem TodKaiser Karls VI. (1740) Ansprüche auf die habsburgischeErbfolge an, die allerdings Maria Theresia, die Tochter desKaisers, als Königin von Ungarn und Böhmen sowie Erz-herzogin von Österreich bereits angetreten hatte. Es kamzum Österreichischen Erbfolgekrieg (1741-1748). 1741beauftragte Maria Theresia den Freiherrn Franz von derTrenck, ein Freicorps aufzustellen. Innerhalb von drei Wo-chen gelang es Trenck, aus seinen Herrschaftspandurensowie begnadigten Grenzräubern ein Corps von rund1.000 Mann zu stellen. Die angeworbenen Leute stamm-ten aus ungarischen und slawonischen Landstrichen.Trencks Panduren waren schnell als disziplinlos und grau-sam berüchtigt. Nach einem Feldzug durch Bayern stan-

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Sequenz „Grenze“

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den sie im September 1742 vor den Toren Chams, das sieschließlich brandschatzten und plünderten. Die traurigeBilanz dieses Angriffs waren 42 Todesopfer und über 700Gefangene. Fast alle Gebäude der Stadt waren niederge-brannt. Von hier zog der Pandurentross weiter nachWaldmünchen. Unter Androhung der Plünderung forderteTrenck fünfzig Speziesdukaten von den Stadtoberen beisofortiger Bezahlung. Die Stadt lieh das Geld von demdamaligen Bräuverwalter Andre Frank. Insgesamt eignetesich Trenck in Waldmünchen und Umgebung 1.062 Gul-den an und zog anderntags mit seiner Mannschaft weiternach Böhmen. Weitaus größer war der Schaden, der denWaldmünchnern durch die Einquartierung der Truppenentstand.

Im Museum erinnern Bilder, Gemälde, Kupferstiche, his-torische Waffen und andere Exponate an die damaligenGeschehnisse. Beinahe erschreckend ist für den Besu-cher die überraschende Gegenüberstellung mit drei über-lebensgroßen Pandurenfiguren, gestaltet nach Kupfer-stichen aus der Zeit.

MedienraumZum Abschluss des Museumsrundgangs bietet der Me-dienraum anhand eines bedienerfreundlichen Computer-terminals (Touchscreen) Gelegenheit, sich mit einzelnenThemen näher zu befassen, historische Bilder oder Film-sequenzen (z. B. Hans Albers als Trenck) in Ruhe auf derGroßleinwand zu betrachten. Kinder können beim Com-puterspiel „McCustom“ in die Rolle eines Zöllners schlüp-fen. Es darf mit freundlicher Genehmigung der Eidgenös-sischen Zollverwaltung Bern angeboten werden.

Als Zusatzangebot des Museums kann der Besucher inder „Kristallhöhle“ im Kellergeschoss die als Sammler-stücke begehrten Kristalltiere der Swarovski-Silver-Crystal-Serie oder im Sonderausstellungsraum im Dach-geschoss des Museums eine der mehrmals im Jahrwechselnden Wechselausstellungen bestaunen.

Der Thematik „Grenze“ des Museums angemessen, istdas Faltblatt mit grundlegenden Informationen zum Mu-seum zweisprachig verfasst, so dass in deutscher undtschechischer Sprache geworben wird. Darüber hinauskönnen tschechische Besucher ein Geheft mit auf denMuseumsrundgang nehmen, das sämtliche Ausstellungs-texte in tschechischer Sprache enthält.

Günther Bauernfeind

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Inszenierung zur Grenzkontrolle

Grenzland- und Trenckmuseum Waldmünchen,Schlosshof 4, 93449 Waldmünchen,Tel. 09972/[email protected]

Öffnungszeiten:15. März bis 31. Oktober und 15. Dezember bis 15. JanuarDienstag, Samstag, Sonn- und Feiertage 14-17 Uhr

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DAS FRÄNKISCHE FREILANDMUSEUM IN FLADUNGENGedanken zu Aufbau, Konzept und Zukunftsperspektiven

Absichten und Vorgaben

Als sich zum 1. Januar des Jahres 1983 der Träger desfränkischen Freilandmuseums in der Form eines Zweck-verbandes konstituierte, waren fünf Jahre intensiverDiskussion um die Inhalte und das Ziel sowie vier Jahrepolitischer Auseinandersetzung um die grundlegendeNotwendigkeit und den sichtbaren Nutzen einer solchenMuseumsneugründung ihrem vorläufigen Ende zugeführt.Die Mitglieder des Zweckverbandes – der Bezirk Unter-franken, der Landkreis Rhön-Grabfeld und die Stadt Fla-dungen – einigten sich darauf, gemeinsam dieses Grün-dungswerk anzugehen und es gemäß ihrer Intention inseiner Existenz dauerhaft zu erhalten: „Der Zweckver-band Fränkisches Freilandmuseum Fladungen hat dieAufgabe, in der Stadt Fladungen für die SiedlungsgebieteSpessart, Rhön und Grabfeld ein ,Fränkisches Freiland-museum‘ zu errichten und zu betreiben. In diesem Mu-seum sollen die wesentlichen baulichen Anlagen mitverschiedenen Einrichtungen, die Lebensweisen und Ge-wohnheiten der Bewohner und das überkommene länd-

liche Siedlungswesen Unterfrankens dargestellt werden.Neben der Dokumentation der überlieferten Kultur undLebensart dient das Fränkische Freilandmuseum Fladun-gen auch der Förderung des Fremdenverkehrs.“ (Präam-bel der Vereinbarung des Zweckverbandes)

Die Darstellung historischer Sachverhalte also und dieFörderung des Fremdenverkehrs wurden als anzusteu-ernde Ziele des Museums formuliert. Welche Gedan-kengänge lagen diesen auf den ersten Blick doch rechtdisparaten Zielvorgaben zugrunde?

Als erstes darf man wohl die im Zuge des Denkmaljahres1975 sensibilisierte öffentliche Meinung über den gene-rellen Erhalt von Geschichtszeugen anführen, mit derNotwendigkeit, auch das historische ländliche Milieu unddessen Bauwerke zu berücksichtigen. Diese Strömungzeichnete unter anderem auch für die Anlage der neuenDenkmallisten verantwortlich. In diesem Zusammenhangspielte natürlich der Rettungsgedanke eine Rolle, und dadieser dem Museum mit seiner Verpflichtung zum Erhalten

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Wiederaufbau des Hauses Oberhohenried: Aus den Außenwänden wurden die Gefache entnommen, die Innenwände (verpackt)werden als Ganztafeln wiedereingesetzt.

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stets immanent ist, lag nichts näher, als die Fürsorge fürwenigstens einige der als bedroht erachteten Zeugnisseländlichen Bauens und Lebens in ein Museum zu verla-gern und hier ihren Erhalt sicherzustellen. Die Museums-gattung „Freilandmuseum“ musste dazu nicht erfundenwerden: Sie existierte bereits seit 100 Jahren und war inder Zeit nach dem 2. Weltkrieg auch für Deutschlandfruchtbar entdeckt worden. Seit 1979 war vor der HaustürUnterfrankens in Bad Windsheim ein solches Museum imEntstehen, dessen erste öffentliche Erfolge zur Nachah-mung geradezu herausforderten.

Fladungen, die nördlichste Kommune Unterfrankens, lagzum damaligen Zeitpunkt weniger als zwei Kilometer vonder Grenze zur DDR entfernt. Diese Randlage führte seit1945 zu einer spürbaren Benachteiligung in der gesamtenwirtschaftlichen Entwicklung. Neue Anstöße erhoffte mansich nun vor allem vom Tourismus, der in jenen Jahrenvon den Wirtschaftsministerien auf Bundes- und Länder-ebene gerade in benachteiligten Randgebieten erheblichgefördert wurde. Der Standort Fladungen war für solcheFörderungen aufgrund seiner Grenzlage prädestiniert, einMuseum hier in hohem Maße förderfähig und durchausimstande, innerhalb der regionalen Anstrengungen zurHebung und Steuerung des Fremdenverkehrs ein ge-wichtiges Wort mitzureden. Das im Ort schon seit über50 Jahren existierende Rhön-Museum zeigte mit damalsüber 30.000 Besuchern jährlich mögliche Erfolge an.

Der Inhalt und die Anlage des Freilandmuseums, dessenzu schaffende Substanz, wurden mit der zitierten Aufga-benbeschreibung grob umrissen – dazu gab es grund-legende Vorplanungen und Abstimmungsgespräche, diein konkrete Vereinbarungen mit dem Museum in BadWindsheim mündeten. In ihnen legte man die Grenzender jeweiligen Einzugsbereiche fest, die historische Tiefen-

schürfung, wenn man so will, wurde angesprochen undeine differenzierte Zusatzthematik für jedes der beidenMuseen festgestellt. Gleichzeitig wurde aber auch derzentrale Anspruch von Bad Windsheim für die BauformenUnterfrankens zurückgewiesen.

Konzeptionelle Abklärungen

Nach dieser Abstimmung mit dem Bad Windsheimer Mu-seum, einem der heute wichtigsten Freilandmuseen inDeutschland, konnte Fladungen als eigenständig operie-rende Einrichtung die Feinabstimmung hinsichtlich seinerThematik, seiner zeitlichen und räumlichen Einschränkun-gen angehen. Die nun gewonnenen Rahmenbedingungenzu seiner Arbeit seien noch einmal kurz in Erinnerung ge-rufen, da sie in der Lage sind, die doch etwas allgemeinformulierte Aufgabenbeschreibung der oben zitierten Sat-zungspräambel zu ergänzen oder zu kommentieren.

Das Einzugsgebiet des Museums umfasst das gesamtenördliche Unterfranken bis zum Mainlauf. Innerhalb desMaindreiecks stellt der Lauf der Wern eine Überschnei-dungszone zum Einzugsgebiet von Bad Windsheim dar.Der unterfränkische Anteil am Odenwald wird der Fürsorgedes Freilichtmuseums in Walldürn-Gotterdorf (Baden-Württemberg) überlassen. Zu Hessen und Thüringen hinwerden in Einzelfallprüfung die Landesgrenzen respektiert.

Das Museum rückt das nachmittelalterliche ländlicheBauwesen Unterfrankens in den zentralen Blickpunkt sei-nes Interesses, da Bad Windsheim das mittelalterlicheBauen in Franken als die wichtigste und durchaus spek-takulärste Schwerpunktsetzung thematisiert hatte undmittlerweile beeindruckend vor Augen führt. Demgegen-über eröffnet sich für Fladungen aus der besonderenSiedlungs- und der in ihrer Folge entwickelten Satzungs-genese des unterfränkischen Dorfes heraus der weite Be-reich der gemeindlichen Architektur. Mit dem Einbeziehenihrer überlieferten Bauten ist die besondere Thematik an-gesprochen, der sich Fladungen verpflichtet fühlt. Dieallgemeine Zielsetzung unterscheidet sich wenig von deranderer moderner Museumskonzeptionen, die ihr Haupt-augenmerk darauf legen, die festgestellte Bandbreite desbäuerlich-ländlichen Bauens auch in dessen sozialer undwirtschaftlicher Bedingtheit zu berücksichtigen und Bau-ten auch unter diesem Aspekt als potentielle Übertra-gungskandidaten zu betrachten. Das heißt nichts ande-res, als dass die Gebäude, die im Museum zur Darstel-lung des Themas herangezogen werden, nicht zufällighier stehen, sondern als Analyseergebnis ihrer Darstel-lungsmöglichkeiten unter vorher festgelegten und an ih-nen wirklich festgestellten Gesichtspunkten.

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Eingangsbauten des Museums von Parkplatz und Bahnsteig ausgesehen

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Die Aufgaben- und auch Zielvorstellung in diesem Sinnezu formulieren, zu beachten und notfalls zu ändern (wennz. B. aus der Betrachtung und Beschäftigung neueAspekte erstehen), gilt zu Recht als der Anteil der wis-senschaftlichen Arbeit im Museum. Sie aber damit in ihreGrenzen zu weisen, meint nichts anderes, als ihr dieFähigkeit und Möglichkeit abzusprechen, prinzipiellenEinfluss auf die weitere hervorgehobene Zielvorstellungzu nehmen: die Förderung des Fremdenverkehrs aus derAttraktivität des Museums heraus.

Auch wenn eine aktive Tourismusbeeinflussung im allge-meinen Verständnis anderen Gegebenheiten, Vorstellun-gen und Regeln folgen mag, bleibt die wissenschaftlicheTätigkeit doch die Grundlage auch dieser Zielvorgabe.Wie das? Indem die konzeptionellen Überlegungen ver-ständlich und logisch dargelegt werden und in ihrem wirk-lichen Vortrag (in den Realien nämlich) nachvollziehbar inihren Voraussetzungen, erfahrbar in der gebauten Exis-tenz, wissensbereichernd in der Interpretation und daherattraktiv auftreten. Attraktivität ergibt sich alleine aus dem

Wechsel der Standpunkte innerhalb des einen großenThemas und dem jetzt auch ganz real gemeinten Arran-gement dieses Aspektewechsels im Museum selbst.Diese Überzeugung geht natürlich von der Voraussetzungaus, dass das Museums auch und vor allem eine Bil-dungseinrichtung ist, der Museumsbesucher in sinnvollgenutzter Freizeit sein Wissen und sein Informations-bedürfnis erweitern will, und die Wissensvermittlung mitdem „Bereiten von Freude“ verbunden sein sollte, wieKilian Kreilinger gelegentlich anmerkte.

Das „Bereiten von Freude“ – oder eine Unterhaltungszu-gabe, wie man es auch nennen könnte – kann dann auchSache eines Beiwerkes im Sinne von „Dekorum“ sein,das auf das Thema abgestellt ist. So dachte man bereitsin den Vorüberlegungen des Jahres 1981 daran, die Wie-derinbetriebnahme der stillgelegten Nebenbahnlinie Mell-richstadt – Fladungen unter der Regie des Museums zuüberprüfen (R. Worschech). Sie fand dann nach massi-vem „politischem Bretterbohren“ (F. Steigerwald) 100Jahre nach der ersten Inauguration 1898 statt.

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Vereinzelung der Baueinheiten im Bauabschnitt III des Ausstellungsgeländes

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Das Museumsgelände

Das Museumsgelände als reale Grundlage wurde ab1986 sukzessive im Rahmen einer innerörtlichen Flurneu-ordnung von Fladungen bereitgestellt. Seine Lokalisie-rung folgte keinen konzeptionellen Überlegungen, son-dern ergab sich aus pragmatischen Gesichtspunkten: Esliegt in unmittelbarer Nähe zum Siedlungskern Fladun-gens, es eröffnete sich die Möglichkeit, ein bestehendenMühlengebäude miteinzubeziehen und es ist nur sehr ein-geschränkt landwirtschaftlich nutzbar, daher für die örtli-chen Bauern entbehrlich. Seine schöne landschaftlicheLage in der Talaue der Streu, mit Fließgewässern reichgesegnet, und die nächste Nachbarschaft zum Bahn-hofsgelände sind eine willkommene Dreingabe. Mit etwasmehr als 7 ha Ausstellungsfläche mag es im Vergleich zuanderen Freilandmuseen klein erscheinen, übt aber da-durch einen sanften Zwang zu einer auch konzeptionellgewollten Konzentration des zu übertragenden Baube-standes aus.

So wurde diese Fläche, die durch den mittig durch-fließenden Bachlauf geteilt ist, auch gemäß der Prove-nienz der Museumsexponate zweigeteilt: Südlich des Ba-ches werden Bauten aus den Hassbergen, dem Grabfeldund dem nördlichen Schweinfurter Umland errichtet,nördlich davon Bauten aus der Rhön, dem Spessart undihrem unmittelbaren Umland. Diese Zweiteilung besitztauch aus der Betrachtung des rezenten Altbaubestandesheraus ihre Berechtigung, denn man kann zweifellos Un-terschiede in den Bauausführungen vom westlichen zumöstlichen Unterfranken nördlich des Mains herausarbei-ten, die auf verschiedenen Betrachtungsebenen zu findensind. Während für die Gebäude aus dem östlichen Unter-franken von vornherein eine kompakte und zentrierteBaufläche ausgewiesen wurde, werden die Gebäude ausdem westlichen Unterfranken entlang eines Wegkreuzesaufgereiht. Beide Bereiche sind auf eine allmähliche bau-liche Verdichtung hin angelegt.

Ein dritter Bauabschnitt wurde von Anfang an in diePlanung zur Geländenutzung miteinbezogen: der Bahn-damm mit seinen Gleisanlagen, Verladeflächen und Ge-bäuden. Er erwies sich beim Aufbau nicht nur der besu-cherorientierten Infrastruktur als äußerst wertvoll, dennhier konnten die Parkplätze und ein lang gezogenerBahnsteig für den Eisenbahnbetrieb angelegt werden.Nachdem das Kopfende des Dammes zurückgebautworden war – Fladungen war ein sogenannter Sack-bahnhof –, fand man hier auf Anregung K. Kreilingers denidealen Standort für das unerlässliche Museumsgasthausnebst Tanzsaal, Biergarten und Eingangshalle. Das späterangekaufte Bahnhofsgebäude wurde zur Museumsver-

waltung ausgebaut, das dazugehörige Waschhaus zueinem Verkaufsladen für regionale Produkte, in der Lager-halle entstand ein Materialdepot für den Bahnbetrieb.Dies allerdings waren Ergebnisse einer Feinplanung, dieerst Anfangs der 90er Jahre vorgenommen wurde und bis1997 realisiert wurde.

Zunächst ging es darum, erste Museumsexponate zuübertragen. Am Anfang stand der Erhalt der stark ruinö-sen „Äußeren Mühle“ von Fladungen, deren Standort indas Museumsgelände mitaufgenommen worden war.

Umgang mit Gebäuden als Museumsexponate

Als man mit den Bauarbeiten an dieser Getreidemühlebegann, fand gerade eine intensive Diskussion über die

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Neugeschaffene bauliche Zusammenhänge mit Kirchenumgriffund Hof Rügheim

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Arbeitsweisen in Freilandmuseen statt, die auf dieKlärung des Dokumentstatus der den Museen überant-worteten Gebäude hinauslief. Sie schloss gleichermaßenden „handwerklichen“ Umgang mit der Bausubstanz –Stichworte dazu waren: Wahrung der Authentizität imBezug zur Originalität – als auch den interpretativen An-satz zu deren Darstellungsmöglichkeiten ein: Was soll,was kann dargestellt werden? Man sollte nicht vergessen,dass zu jenem Zeitpunkt das Bayerische Landesamt fürDenkmalpflege übertragenen Gebäuden das Prädikat„Baudenkmal“ absprach. Fragen der dauerhaften Erhal-tung der teuer translozierten Objekte traten als Beitragder Restauratoren zu dieser durchaus kontrovers geführ-ten Debatte hinzu. In Fladungen schloss man sich natür-lich nicht von diesen Diskussionen aus, sondern manbeteiligte sich im Gegenteil aktiv daran. Die Ergebnisseflossen konkret in die Museumsarbeit ein.

Jede Beschäftigung mit einem Gebäude, das in ein Muse-um überführt wird, beginnt ganz positivistisch mit derFrage nach der Originalität des Bauganzen und, darin ein-gebettet, seiner Teile. Da Häuser („Häuser“ als Pars-pro-toto-Bezeichnung) von ihren Bewohnern stets als Gegen-stände intensiver, täglicher Nutzung betrachtet werden,stellt sich von vornherein nicht die Frage nach einer Ori-ginalität, wie sie an Kunstwerke gerichtet wird, sonderndas Augenmerk richtet sich auf Sachverhalte des Unver-änderten aus der initialen Baulösung, die gegenwärtignoch feststellbar sind. Originalität ist also der Bauzustand,den der Erbauer bei Einzug intendiert und erreicht hatte.

Diese Jungfräulichkeit haftet normalerweise nicht langedem Gebäude an, sondern der Umgang mit und in ihmunterzieht es einem täglichen Verschleiß, dem der Nutzerdurch Renovierungen und Änderungen begegnet. Geän-derte Vorstellungen und Gegebenheiten von einer zweck-mäßigen Nutzung, von Wohnkomfort bis hin zu Umwid-mungen erzeugen in einem fort Veränderungen an derOriginalität, die als Umbauten, Verbauten, Anbauten undEinbauten, an geänderten Materialien und Oberflächenunmittelbar ablesbar sind. Ein solches Baugebilde istnicht mehr original, sondern in seiner Originalität be-schnitten, ergänzt, umgebildet. Es ist hingegen authen-tisch in der Gesamtheit seiner Umbildungen, wenn mandiese Umbildungen unter dem Gesichtspunkt seiner Nut-zungen im kontinuierlichen oder auch abrupten Wandelbetrachtet und das Gebäudeganze als Objekt interpre-tiert, das im Zeitfluss gestanden hat.

Dieser Ansatz zwingt zur Beachtung aller festgestelltenBaulösungen und deren Einordnung in eine zeitliche Ab-folge, bei der die Frage nach der Originalität noch inso-fern von Bedeutung ist, als sie sich objektiv und authen-

tisch am Bestand feststellen lässt. Ist dies in hohemMaße der Fall, kann man auch von weitgehender origina-ler Authentizität in seiner Patina sprechen. Erreicht mandie Originalität initialer Baulösungen jedoch nur durchRückbauten, liegen streng genommen Rekonstruktionenvor, denen eine ideelle, erschlossene Originalität wohlinnewohnen kann, aber die faktische fehlt, da sie nurnoch fragmentarisch angetroffen wurde. Es geht also da-rum, Originalität in diesem Sinne und nicht nur sie, son-dern auch die „Originalität“ der Veränderungen genau zubeachten, sie in ihrer faktischen Authentizität zu sichernund zu dokumentieren, um so die gesamte Bandbreitemöglicher Baurekonstruktionen offen zu halten. Im„handwerklichen“ Umgang, im Aufdecken und Präparie-ren authentischer Fragmente liegt denn auch der ersteAufgabenbereich eines Freilandmuseums, das zu einer

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Bauliche Verdichtung im Bauabschnitts I des Ausstellungsgelän-des: Zentrierung bei der Kirche

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exakten Bestimmung jedes einzelnen Gebäudes führt: eszeigt sich als individueller Katalog von Baulösungen sei-ner Nutzer im Laufe der Zeit; es ist nicht mehr nur Objekt,hergestelltes Artefakt, sondern darüber hinaus Träger vonInformationen beigeordneter oder übergeordneter Sach-verhalte und Lebensumstände.

Die Summe der authentischen Fragmente, seien sie origi-nal oder später hinzugefügt, die mit und im Haus über-liefert wurden, können nur durch das Beiziehen komple-mentärer Quellen zum informationsgefüllten Objektselbst, sowie durch das Einknüpfen und Erweitern bereitsvorhandenen Wissens hinsichtlich bei- oder übergeord-neter Sachverhalte einer Ordnung zugeführt werden. Siemündet in die Frage, was dargestellt werden kann undsoll. Jetzt eröffnet sich der Spielraum zur Interpretation,der natürlich die Fragen des wie berührt: wie haben siegebaut, wie haben sie gelebt und gewirtschaftet. Es wirddann aber auch die Frage nach dem warum relevant, diesich bei der Betrachtung bauspezifischer Lösungen stellt.Sie ist deshalb wichtig, weil sie auch Antwort auf einemögliche Individualität des Gebäudes gibt bzw. das ein-zelne Gebäude in einen Strang von Bautraditionen aufverschiedenen Ebenen einordnet, die es exemplarisch zurDarstellung bei- oder übergeordneter Sachverhalte er-scheinen lassen. Mehr noch: sie stellt sich bereits bei derAuswahl eines Bauobjektes für ein Freilandmuseum, dasja gehalten ist, einen Überblick über das historische Bau-geschehen einer Region anzubieten. Ganz beiläufig lösensich in diesem Verfahren die Gegensätze auf: Durch dieeingehende Behandlung wird das Objekt zu einem indivi-duellen Zeugen für generelle historische Sachverhalte,die an ihm darstellbar werden. Es geht nun auch bei derAuswahl nicht mehr darum, ob ein Gebäude aus derMehrzahl seiner Gattungsvettern durch „Schönheit“ oderRepräsentation in einer seiner Betrachtungsebenen he-rausragt oder im Gegenteil als „typisch“ – was immerauch das sein mag – bezeichnet wird, sondern inwieweites in der Lage ist, als authentischer Informationsträgerdarstellbar zu sein, aus dem sich Erkenntnisse über dasWirken von Menschen in einem gegebenen zeit-räumli-chen Rahmen ziehen lassen.

Die Darstellung im Museum – auch die reale – ist dahervielmehr Interpretation als Rekonstruktion: als Interpre-tation stellt sie Authentizität vor, wenn, wie bereits ange-merkt, die zur handwerklichen Rekonstruktion herange-zogenen Fragmente äußerst sorgfältig als Belege beach-tet werden und ihr Vorhandensein bzw. ihre Aufdeckungberechtigten Anlass dazu geben, in ihnen Reste einesehedem existent gewesenen integralen Ganzen zu sehen.Sie allein besitzen den Dokumentcharakter, der eine Inter-pretation nachvollziehbar macht.

Aus diesem Grund fand auch in den Jahren des Mu-seumsaufbaus ein intensiver Gedankenaustausch überMethoden der Gebäudeübertragung statt, der zu dem all-gemeinen Konsens führte, dass lediglich die sogenannteGanztafelübertragung in der Lage sei, das Maß an Au-thentizität zu gewährleisten, das zu nachvollziehbarenInterpretationen notwendig ist. Deren Handhabung er-streckt sich mittlerweile auf alle Konstituenten eines Ge-bäudes, soweit es dessen Erhaltungszustand in situzulässt. Andernfalls werden die zur Interpretation not-wendigen Fragmente aus dem Gebäudeganzen in totoherausgelöst, unabhängig transportiert und am neuenStandort wieder eingebracht bzw. als Primärdokumenteidentifizierbar gesichert verwahrt. Dieses gewiss sehr ar-beitsintensive und finanziell sehr aufwändige Vorgehenbelebte in einem Nebeneffekt auch die Debatte um dieDenkmalwürdigkeit der Gebäude, die in ein Museumübertragen wurden, neu und führte zu einem überra-schenden Ergebnis.

Gebäudeauswahl – Darstellungsziele

Man mag den Begriff „Interpretation“ vielleicht überzogennennen, wenn es lediglich darum geht, anhand von Be-funden frühere Zustände eines Gebäudes in unterstelltererschlossener Gänze zu rekonstruieren. Er wird jedocheinleuchtend, wenn man den Begriff des „Darstellungs-zieles“ in die Debatte einführt. Die Formulierung einesDarstellungszieles geht wie die Formulierung von Aus-wahlkriterien auf die Frage nach dem Warum angetroffe-ner Baulösungen ein, die mehr oder weniger direkt ables-bar sind oder aufgedeckt wurden – auch sie setzt Ursa-chenforschung voraus, die im Rahmen größerer Zusam-menhänge in regionaler, historischer und sozialer Hinsichtangesiedelt ist. Allein das Heranziehen dieser Zusam-menhänge bei der Betrachtung eines Gebäudes und diedarin implizierten Fragestellungen geben einen Interpre-tationsfilter vor, der insofern individuell und auch sub-jektiv ist, als er den spezialisierten Wissensstand und dietheoretischen Ansätze zu einem Erkenntnisgewinn desInterpreten widerspiegelt, aber auch allgemein, da dasindividuelle Wissen innerhalb des allgemeinen Kenntnis-standes einbezogen schlüssig und nachvollziehbar vor-zutragen ist.

Der Ansatz des Interpretationsfilters steht aber nicht, wieschon erwähnt, erst am Ende der Auseinandersetzungmit dem einzelnen Gebäude, sondern er muss bereits beider Auswahl eines Gebäudes parat sein und an das ein-zelne Objekt angelegt werden. Die Begründung für eineGebäudewahl schließt dann die vorläufige Formulierungdes Darstellungszieles mit ein. Im Umgang mit dem Objekt

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verfestigt sich der Interpretationsansatz, er wird erweitertoder er ändert sich, in jedem Fall aber bleibt die Formu-lierung und dann die Vorstellung eines Darstellungszieleseine Domäne der Interpretation.

Es kann daher also durchaus vorkommen – und mit allerWahrscheinlichkeit wird es so sein –, dass die eine oderandere Gebäudeinterpretation im Museum einer Korrek-tur unterzogen werden wird, wenn aufgrund neuer Er-kenntnisse zu allgemeinen Zusammenhängen das Objektunter einem anderen Aspekt betrachtet werden kann. Dasist nicht tragisch, sondern erwünscht und unterstreichtnur diese Sichtweise. Das Fortschreiten der Erkenntnisselässt im Gegenteil den Wert der Fragmentsicherung alsGrundlage des Gebäudeumgangs unerlässlich erschei-nen. Sie ist der Garant für erneute Interpretationsmög-lichkeiten. Daher betrachte ich auch die nach Fladungenübertragenen und hier dem Publikum vorgestelltenGebäude als Interpretationsvorschläge zum konkretenGebäude, die dem Ziel dienen, Sachverhalte zu verdeut-lichen, die sich aus einem rezipierenden Umgang mit ihmergeben haben.

Die Gefahr bei diesem Vorgehen liegt darin, ein Darstel-lungsziel forcieren zu wollen oder in das Objekt hinein in-terpretieren zu wollen. Die Redlichkeit im Umgang mitdem Gebäude als Quelle, die Behutsamkeit im hand-werklichen Umgang mit ihm und die Dokumentations-pflicht einer aufmerksamen Öffentlichkeit gegenüber bie-ten jedoch hinreichend Schutz, der stets die Frage in sichbirgt: Was kann die Gebäudesubstanz darstellen, ohnemühsam und nur mit sehr großem Aufwand „rekonstru-iert“ werden zu müssen? Auch in diesem Sinne erscheintdie Einschränkung des Begriffs der Rekonstruktion aufdas handwerkliche Vorgehen wiederum sinnvoll. Dieüberprüfbare Interpretation hingegen, die schließlich indas vorgestellte Darstellungsziel einmündet, baut auf dervorhandenen Substanz und ihrer objektiv einwandfreienRekonstruierbarkeit auf. Interpretation, soviel ist klar, istdabei kein Vorgehen ad libitum, sondern ein beiläufigauch spannender Prozess ähnlich dem Entschlüsseln desSinns eines vorhandenen, aber verwischten, brüchigen,an manchen Stellen fehlenden oder überarbeiteten Tex-tes. Grundlage ist und bleibt aber der Text.

In einem anderen Zusammenhang – der Fortschreibungdes Museumsaufbaukonzeptes vom Mai 2002 – habe ichversucht, in knappen Worten die Auswahlkriterien für diebisher in das Museumsgelände übertragenen Gebäudevorzustellen. Sie folgen der Gesamtheit möglicher Inter-pretationsfilter und -ansätze, wobei sie bereits die For-mulierung des Darstellungszieles beeinflussen. Die Ge-bäudevorstellung im Museum hält daran fest, wobei die

einzelne Gebäudeinterpretation sich dann nach dem hin-reichend Darstellbaren, d. h. Rekonstruierbaren richten,was mithin als vorgestellter „Zeitschnitt“ bezeichnet wird.Die Frage nach der Gebäudeausstattung wird hierbeinicht expressis verbis berührt, obwohl gerade die Aus-stattung wesentlich zur Interpretation beiträgt, ja sie selbstwieder in hohem Maße Interpretation ist, da in den we-nigsten Fällen authentische Ausstattung aus den Gebäu-den für welchen Zeitschnitt auch immer vorhanden ist.Folgt man diesen Überlegungen, wird man auch in Zu-kunft wohl schlüssige Interpretationen vorstellen können;vor allem weicht man den Gefahren aus, des Guten zuvielzu tun bzw. die Beliebigkeit durch falsch verstandenesOrnamentum fantasiereich und ansprechend in ein ver-meintliches Recht zu setzen.

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Wiederaufbau des Hauses Oberhohenried: Übernahme authenti-scher Bauveränderungen, hier zwei zeitlich differierende Mauer-werksabschnitte

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Die Infrastruktur des Museums

Neben der Arbeit am authentischen Objekt selbst warenim Museumsgelände die Grundlagen zu Präsentation undErhaltung zu schaffen: die Erschließung des Geländes mitWasser und Abwasserleitungen, Elektrizität, Telefon- undAlarmleitungen, die Anlage eines Wegenetzes, die Schaf-fung besucherorientierter Einrichtungen und baulicher An-lagen zur Versorgung und zum Erhalt der Exponatgebäude.

Von Anfang an war man in Fladungen davon überzeugt,dass der besten Arbeit am Objekt keine große Dauer be-schieden ist, wenn es an den notwendigen Maßnahmenzur weiteren Erhaltung mangelt. Die von der Landesstellefür die nichtstaatlichen Museen in den frühen 80er Jahrenvorgestellte „Temperierung“ zur Klimastabilisierung in denGebäuden wurde als der Königsweg zur dauerhaften Er-haltung übertragener Objekte erkannt, da sie einerseitsschadensvorbeugend wirkt, andrerseits ihre bauseitigeInstallation einfach zu bewerkstelligen und ihre Bedie-nung mit wenigen Handgriffen aktiv steuerbar ist.1 Siesetzt allerdings eine ständige Klimabeobachtung in denGebäuden voraus. Bereits im Jahr 1985 in das erste Ob-jekt installiert, wurde sie im Rahmen eines Pilotprojektesder Landesstelle auch für alle weiteren Hauptgebäudenutzbar gemacht. Dies war möglich, da die Planung zurGeländeerschließung erst ab 1986 auf der Tagesordnungstand und in dieser Phase die zentrale Führung der Tem-perierung entschieden wurde. Ausgehend von zwei Ver-sorgungszentralen in Bauabschnitt I und III, in denenGasthermen die notwendige Energie erzeugen, wurdenRingleitungen in Frosttiefe verlegt, an die man dann dieeinzelnen Gebäude, die in der Folgezeit errichtet wurden,mittels Wärmetauscher andockte. Steuerungen an denWärmetauschern erlauben eine individuelle Klimabeein-flussung in den einzelnen Gebäuden.

Geschah die Überwachung der klimatischen Parameter(relative Luftfeuchte in Temperaturabhängigkeit) anfangsnoch mittels Thermohygrographen, wurde ab 1996 auf ei-ne zentrale digitale Datenerfassung der Werte umgestellt,die über Modems abrufbar sind. Energieseitig setzte manfür den Bauabschnitt III zusätzlich zur Gastherme Son-nenkollektoren und einen Holzbrenner ein. Die Kapazitä-ten zur Energieerzeugung wie auch die Anlage zur Ener-giezuführung mittels Ringleitung sind für das Doppeltedes heutigen Gebäudebestandes ausgelegt.

Nach den ausgezeichneten Erfahrungen, die man mit derTemperierung in den Gebäudeexponaten gemacht hatte,war es nur konsequent, weitere Bereiche der Museums-infrastruktur unter dem zwingenden Aspekt der dauer-haften Erhaltung anvertrauter Güter zu organisieren. An

erster Stelle der Überlegungen stand die entschiedeneVerbesserung der Depotsituation. In den frühen 90er Jah-ren begann man damit, in einzelnen Räumen und Dach-stühlen von Gebäudeexponaten provisorische Depots fürKleinobjekte oder einzelne Sammlungsabteilungen einzu-richten. Zwar notdürftig untergebracht, aber unter klima-tisch akzeptablen Bedingungen geborgen, konnte nunmit den notwendigen Planungsarbeiten begonnen wer-den, nachdem der Museumsträger weitblickend dasGelände und den Gebäudebestand einer landwirtschaft-lichen Lagerhauskette in Fladungen erworben hatte.Gleichzeitig ergab sich mit dem Wiederaufbau des Wirts-hauskomplexes im Eingangsbereich des Museums dieMöglichkeit, Teile der Sammlung hier in von vornhereinals qualifizierte Depots eingerichteten Räumen unterzu-bringen. Ebenso wie die Temperierung wurde auch dieseMaßnahme über Jahre hinweg von der Landesstelle fürdie nichtstaatlichen Museen nachdrücklich gefördert undfachlich begleitet.

Die Maßnahme dauert zwar noch an, jedoch kann eineerfolgreiche Zwischenbilanz gezogen werden. ExterneVerwahrorte konnten zum Teil aufgelöst werden, die dortuntergestellten Güter wurden an neue Orte verbracht, dieDepotprovisorien in den Gebäudeexponaten zurückge-nommen. Im Kellergeschoß des Gasthauses entstehendie Depots für Textilien und häusliche Kleineinrichtung,weiterhin findet hier die fotografische Erfassung der mo-bilen Güter statt. Im Obergeschoß des Wirtshausanbauswerden die hauswirtschaftlichen Kleinobjekte der Samm-lung geordnet verwahrt, im Dachgeschoß die „flachen“Objekte – Wandschmuck aller Art. Die Erfassung, Klassi-fizierung und Einordnung – die grundlegende Vorausset-zung jeder Depotarbeit – erfuhr in all den Jahren ebenfallsgroßzügige Förderung, die noch andauert.

Die Arbeit am eigentlichen Zentraldepot begann im Som-mer 1995 mit einem Werkstattgebäude, in dem zuvorlandwirtschaftliche Maschinen repariert worden waren.Es wird im Hauptgeschoß weiterhin als Werkstatt, jetztjedoch als Schreinerei des Museums, genutzt, im Unter-geschoß wurde die Anlieferung und Bearbeitung neu ein-gehender mobiler Güter eingerichtet. Diese Installationfand im Laufe des Bayerischen Museumstages 1997 be-sondere Beachtung unter den Fachkollegen, da hier dieerste stationäre Stickstoffanlage zur Schädlingsbekämp-fung an organischem Material vorgestellt werden konnte.In konsequenter Fortführung des Erhaltungsgedankensneben der klimatischen Sicherung wurde auch diesesProjekt in enger Zusammenarbeit mit der Landesstelleentwickelt und funktionsfähig eingerichtet.2 Mittlerweilewurden mehrere Nitrogenbehandlungen problemlos

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durchgeführt, ein Dauerbetrieb unter Überwachung durchdie Museumsmitarbeiter erwies sich als möglich.

In einem nächsten Schritt wurde das ehemalige Lager-haus zum zentralen Möbeldepot umgebaut. Zurzeit wirdseine Einrichtung auf vier Ebenen durchgeführt. Hilfsmit-tel wie Regale, Standflächen und Hängevorrichtungenwerden zum Teil aus dem Handel bezogen, zum größtenTeil aber selbst in der Museumswerkstatt gefertigt. Einevorläufig letzte Anstrengung gilt einer ehemaligen großenLagerhalle, die nach entsprechendem Umbau die Samm-lung landwirtschaftlicher Geräte und Maschinen sowieWerkstätten aufnehmen soll. Hier ist die Planung über dieGrobkonzeption noch nicht hinausgelangt. Es bleibt aberzu hoffen, dass sie zielstrebig angegangen wird, um denArbeitskomplex „Depot“ zumindest bauseitig abschlie-ßen zu können.

Ausblicke und Planungen

Neben der noch andauernden Bereitstellung qualifizier-ter Depots, die für das Funktionieren eines Museumsunentbehrlich sind, richtete sich der Blick auf weitere Ar-beitsbereiche der kommenden zehn Jahre, die in einerKonzeptfortschreibung formuliert wurden. Sie betreffeneine Erweiterung des Museumsgeländes, die Infrastruk-tur des Museums und die Vorstellung weiterer Gebäude-exponate.

In den 90er Jahren wurden bereits die Weichen zu weite-ren Gebäudeübertragungen gestellt, wobei der Aufbaueines Mehrfachhofes zentrale Bedeutung einnehmen soll-te. Mehrfachhöfe stellen vor allem in ehemals reichsritter-schaftlich geprägten Landstrichen Unterfrankens einenzwar geringen, aber zum Verständnis des herrschaft-lichen, wirtschaftlichen und sozialen Gefüges der dörfli-chen Architektur wichtigen Bestandteil dar. In ihnen fass-te der niedere Adel seine Untertanen im Dorf an einenPlatz gebunden zusammen. Ein Charakteristikum ist dasAuftreten mehrerer Haupthäuser und mehrerer Wirt-schaftsgebäude vergleichbarer Funktion innerhalb einerHofrieth.

Mit der Übernahme und Übertragung des Hauses AmSteingrund 4 aus Oberhohenried, Lkrs. Hassberge, wur-de ein Anfangszeichen gesetzt. Im Jahr 1707 vermutlichanstelle einer Zehntscheune errichtet, diente es bis in dasfrühe 19. Jahrhundert als Wohnhaus des Schultheißender truchsessischen Untertanen im Dorf. Zwei weitereHäuser und mehrere Scheunen und Stallgebäude warenihm über den Hofraum zugeordnet. Im Museum soll eswieder in dieser Funktion vorgestellt werden. Weitere ihm

zuzuordnende Gebäude (zwei Haupthäuser, eine Scheu-ne) wurden bereits ausgewählt. Eine Komplettierung solltenachdrücklich verfolgt werden.

Als weiteres Beispiel gemeinschaftlichen Bauens wird dieGenossenschaftsschäferei aus Hausen bei Bad Kissingenübertragen werden. Sie besteht aus einem Schäferhaus,einem kleinen Zwischenbau mit Schweineställen und derSchafscheune. Der erste Gewerbebau des Freilandmu-seums in Fladungen soll eine Schmiede aus Gochsheim,Lkr. Schweinfurt, sein. Reinen landwirtschaftlichen Erfor-dernissen des frühen 19. Jahrhunderts entspricht eineausgewählte Hofstelle aus Leutershausen, Lkr. Rhön-Grabfeld, deren fünf Einzelgebäude in einer klassischen

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Authentische, d. h. in situ angetroffene Stubensituation im Aus-tragshaus aus Oberbernhards

Interpretation der Stube im Haus aus Waldberg nach befund-gesicherter Rekonstruktion der Oberflächen und Fenster –Möblierung durch H. Hacker; es gab kein authentisches Mobiliarim Haus.

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Dreiseitanlage einander zugeordnet sind. Ein Augenmerksollte auch der Komplettierung bereits im Ansatz ange-legter Hofstellen mit Nebengebäuden gelten, und schließ-lich halten wir es für erforderlich, sich mit der Technisie-rung des Dorfes und deren Niederschlag in Gebäudenauseinander zu setzen (Pumpenhaus zur Wasserversor-gung, Trafostation zur Elektrizitätsversorgung, Feuer-wehrgerätehaus als Domizil organisierter Brandbekämp-fung, Milchsammelstelle als bauliches Zeichen überörtli-cher Absatzorganisationen etc.).

Die Erweiterung des Museumsgeländes und eine Aus-weitung der Museumsfunktionen sowohl hinsichtlich derInfrastruktur als auch der Besucherorientierung sind zweiSeiten eines Vorhabens, das enorme planerische undfinanzielle Anforderungen stellen wird. Die Erweiterungwird durch den Ankauf des 1,4 ha großen Geländes derAumühle bei Fladungen möglich, das unmittelbar im Süd-osten des Museums liegt. Es ist mit einer Getreidemahl-mühle inkl. Wohnbereich und mehreren Nebengebäudenbebaut. Die Mühlentechnik, deren Funktionsfähigkeitnach geringen Instandsetzungsarbeiten gegeben ist, da-tiert in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Siekann als technisches Denkmal den Museumsinhalten zu-geordnet werden.

Von gleich wichtiger Bedeutung ist aber die Freifläche,die die Mühle umgibt. Da etwa 2/3 der Ausstellungsflächedes Museums zur Bebauung ausgewiesen sind und eineentsprechende Infrastruktur besitzen, werden im Laufeder Zeit die Freiflächen verschwinden, die bislang tem-porär zur Durchführung von Veranstaltungen des Mu-seums herangezogen wurden. Da diesen Veranstaltungenein großes Gewicht innerhalb der Museumsarbeit be-sitzen, wird es notwendig werden, Flächen für dieseZwecke gesondert auszuweisen, um einen ZielkonfliktExponatstandort – Veranstaltungsort zu vermeiden. EinAbrücken des Veranstaltungsortes vom Ausstellungsort,der aus meiner Sicht wünschenswert und nur von Vorteilwäre, ist gegeben. Schließlich eignet sich diese Gelän-deerweiterung als Bauort von Ausstellungs- und Wirt-schaftsbauten sowie Serviceeinrichtungen für die Besu-cher.

Das Ausstellungsgebäude, vielleicht auch in der Formmehrerer Pavillons, dient in erster Linie dazu, Daueraus-stellungen möglich zu machen, die sich aus dem Samm-lungsgut des Museums ergeben. Vor allem sollte es mög-lich sein, die bereits in den Depots eingelagerten Werk-stätten gut aufbereitet zu präsentieren, um so das Thema„Landhandwerk“ angemessen abhandeln zu können.Teilflächen sollten für Sonderausstellungen reserviertsein. In den Nebengebäuden der Aumühle können die

Wirtschaftsbereiche des Museums konzentriert werden:Fuhrpark, Werkzeug und ausreichend große Personalein-richtungen. Schließlich ergibt sich hier die Möglichkeit,Serviceeinrichtungen zu lokalisieren, die dem Besucherzur Verfügung stehen: Vortragsraum, Tagungsräume undmuseumspädagogische Einrichtungen.

Die kurze Vorstellung zeigt, dass das Museum 12 Jahrenach seiner Eröffnung die Phase des Erwachsenseinserreicht hat und nun die Möglichkeiten des Ausbaus, wei-terhin vorrangig in thematischer Hinsicht, zu ergreifen ist.

Albrecht Wald

Anmerkungen:

1 Zur Temperierung erschienen seit dieser Zeit mehrfach Auf-sätze von Henning Großeschmidt, z. B.: Stabilisierung desRaumklimas als Grundlage sachgerechter Bewahrung.., in:Das Museumsdepot, Grundlagen – Erfahrungen – Berichte,Hg. Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern,Museumsbausteine 4, München 1998, S. 49-79

2 Zur Wirkungsweise dieser Einrichtung und zur Funktion imArbeitszusammenhang des Museums s. im selben Band wieAnm. 1 v. a. Alexander Wießmann: Schädlinge im Museum undIhre Bekämpfung, S. 105-109; Georg Fröba/Gerhard undJoachim Binker: Innovative Stickstoffbegasung.., S. 125-130;Albrecht Wald: Die Stickstoffbegasungsanlage im Zentralde-pot des Fränkischen Freilichtmuseums Fladungen, S. 181-195

MUSEUMSPORTRÄT30

Fränkisches Freilandmuseum, Bahnhofstr. 19,96750 Fladungen, Tel. 09778/9123-0, Fax -45,[email protected], www.freilandmuseum-fladungen.de

Öffnungszeiten:April bis 1. November Dienstag bis Sonntag 9-18 Uhr

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MUSEUMSBESUCHER MIT HANDICAPS – IMMERNOCH EINE VERNACHLÄSSIGTE ZIELGRUPPE

Die Europäische Union hat 2003 zum Jahr der Menschenmit Behinderungen erklärt mit dem Ziel, unsere Gesell-schaft für die Bedürfnisse behinderter Menschen zu sen-sibilisieren. Man mag nun darüber streiten, ob solcheJahresschwerpunkte tatsächlich zum Ziel führen oder nurAlibimaßnahmen sind – jedenfalls geben sie Impulse, dievon verschiedenen Seiten auch aufgegriffen werden.

Auch Museen sind aufgerufen, ihre Tore dieser speziellenZielgruppe zu öffnen. Doch leichter gesagt als getan,denn reale aber auch mentale Barrieren erschweren denZugang zu unseren Museen. Auf die Frage, welche Ziel-gruppen bayerische Museen erreichen wollen, standenmit 5 % behinderte Menschen an letzter Stelle einer Um-frage aus dem Jahre 1999. Häufig erhält man auf dieNachfrage, ob das Museum denn spezielle Veranstaltun-gen für Menschen mit Behinderungen anbiete, die Ant-wort, man müsse sich in erster Linie dem Massenpubli-kum widmen, der Arbeits- und Zeitaufwand, Programmefür behinderte Besucher zu entwickeln, stünde in keinemVerhältnis zu dieser doch sehr kleinen Besucherschicht.Zwar kann man dieser Argumentation einerseits gewissesVerständnis entgegenbringen, andererseits kann es dochwohl nicht sein, dass Institutionen, die mit öffentlichenGeldern finanziert oder gefördert oder gar von öffentlichenTrägern unterhalten werden, nicht allen gesellschaftlichenGruppen zur Verfügung stehen.

Selbstverständlich bedürfen diese Menschen einer be-sonderen und intensiveren Betreuung als normale Besu-cher, wofür das Museumspersonal in der Regel nicht aus-gebildet ist. Entsprechende Qualifizierungen sind für alleMuseumsmitarbeiter notwendig, sowohl für die Kassen-als auch für die Aufsichtskräfte und für museumspädago-gische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Wer hat dennschon Erfahrung im Umgang mit Rollstuhlfahrern oder mitsehbehinderten Menschen und ihren speziellen Wahrneh-mungen?

An erster Stelle steht daher die enge Zusammenarbeit mitentsprechenden Verbänden und Einrichtungen vor Ortoder in der Region, wie zum Beispiel dem BayerischenLandesblindenbund e. V., den Gehörlosenverbänden, derLebenshilfe für geistig Behinderte e. V. oder deren schuli-schen Einrichtungen wie etwa der Bayerischen Landes-schule für Körperbehinderte. Die Mitarbeiter und Betreuerverfügen über ausreichend Erfahrung und kennen dieInteressen, die Bedürfnisse und die Aufnahmefähigkeitdieser Menschen. Als Anhang sind daher die Adresseneinschlägiger Ansprechpartner zusammengestellt.

Dass sich der zeitliche und personelle Aufwand lohnt, fürMenschen mit Behinderungen museale Angebote zu erar-

beiten, zeigen die Erfahrungsberichte, die die Landes-stelle für die nichtstaatlichen Museen in Museum heute im-mer wieder publiziert hat. (Heft Nr. 14: F. Koutouc undB. Vogel-Fuchs über meditatives Malen mit geistig Behin-derten in der Galerie Alte Reichsvogtei in Schweinfurt;Nr. 16: U. Vedder über Kunstgeschichte für Blinde undSehbehinderte; Nr. 22: K. Bechler über Gäste im Rollstuhlim Wörlitzer Park.) Weitere Praxisbeispiele zu diesemThema finden sich in der Fachzeitschrift des Bundesver-bandes Museumspädagogik e.V. „Standbein-Spielbein.Museumspädagogik aktuell“, die ihre Ausgabe 59 vomApril 2001 als Themenheft unter dem Titel „Barriere-Frei –Teilhabe von Menschen mit Behinderung im/am Museum“dieser Zielgruppe gewidmet hat. Die Arbeitsgemeinschaft„Behinderte Besucher im Museum“ bietet immer wiederspezielle Fortbildungen mit und für Menschen mit Handi-caps an. (Hinweise im Internet unter www.museumspaedagogik.org.)

Neben den genannten Beispielen ist das Angebot ausbayerischen Museen nicht sehr umfangreich: An ersterStelle zu nennen sind der seit vielen Jahren bestehendeDuft- und Tastgarten für blinde und rollstuhlfahrendeBesucher und Besucherinnen im Deutschen Medizinhisto-rischen Museum in Ingolstadt sowie die museumspäda-gogischen Angebote für Rollstuhlfahrer im Museum fürKonkrete Kunst, ebenfalls in Ingolstadt. Die MünchnerArchäologische Staatssammlung hat vor Jahren ein Pro-gramm für blinde und sehbehinderte Besucher entwickelt:mehrere gleichartige Tabletts mit historischen Exponatenund Kopien zum Anfassen.

Anlässlich des Europäischen Jahres der Menschen mitBehinderungen haben nun die bayerischen Bezirke ihreMuseen und jene Museen, in deren Trägerschaft siebeteiligt sind, angeregt, für das Jahr 2003 Aktivitätenspeziell für diese Zielgruppe zu planen. Im folgendenBeitrag erläutert die langjährige Museumspädagogin desFreilichtmuseums des Bezirks Oberbayern an der Glent-leiten, Franziska Lobenhofer-Hirschbold ihre Aktivitätenund berichtet über erste Erfahrungen. Aus den Äußerun-gen der Beteiligten geht bereits jetzt schon hervor, dassnicht nur Besucher mit Behinderungen von dem neuenProgramm profitieren, sondern auch das Publikum ohneHandicaps. Möge sich die eine oder andere Museums-leiterin, der eine oder andere Museumspädagoge vondem Projekt aus Großweil anregen und ermutigen lassen,damit sich die bayerischen Museen für eine vernach-lässigte Zielgruppe, für Menschen mit Behinderungen,öffnen.

Hannelore Kunz-Ott

MUSEUMSPÄDAGOGIK 31

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BEHINDERTENEINRICHTUNGEN IN BAYERN(AUSWAHL):

Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen,Landesarbeitsgemeinschaft „Hilfe für Behinderte“ in Bayern e. V.Orleansplatz 3, 81667 MünchenTel. 089/459924-0, Fax [email protected]

Die Behindertenbeauftragte der Bayerischen StaatsregierungWinzerer Str. 9, 80797 MünchenTel. 089/1261-2799, Fax -2453Behindertenbeauftragte@stmas.bayern.dewww.behindertenbeauftragte.bayern.de

Sozialverband VdK Bayern e. V.Schellingstr. 31, 80799 MünchenTel. 089/2117-0, Fax [email protected]/bayern

Arbeiterwohlfahrt Landesverband Bayern e. V.Edelsbergstrasse 10, 80686 MünchenTel. 089/546754-0, Fax [email protected]

Landes-Caritasverband BayernLessingstr. 1, 80236 MünchenTel. 089/54497-0, Fax [email protected]

Bayerisches Rotes Kreuz LandesgeschäftsstelleVolkartstr. 83, 80636 MünchenTel. 089/9241-0, Fax [email protected]

Diakonisches Werk Bayern der Evangelisch-Lutherischen Kirchein Bayern – Landesverband der Inneren Mission e. V.Pirckheimerstraße 6, 90408 NürnbergTel. 0911/[email protected]

Lebenshilfe für geistig Behinderte, Landesverband Bayern e. V.Kitzinger Str. 6, 91056 ErlangenTel. 09131/75461-0

Deutsche Schwerhörigenbund e. V., Ortsvereine BayernManfred HartmannOberes Tor 4, 97450 Arnstein-ReuchelheimTel. 09363/1090, Fax [email protected]/DSB/KONTAKT

Landesverband Bayern für Körper- und Mehrfachbehinderte e. V.Hans Reutemann (Geschäftsführer)Adamstraße 5, 80636 MünchenTel. 089/357481-12, Fax [email protected]/kontakt.html

Landesarbeitsgemeinschaft Integrationsfachdienste Bayern e. V.Regensburger Strasse 60, 93326 Abensberg Tel. 09443/7092-02, Fax -22ifd-bayern@integrationsfachdienst.dewww.integrationsfachdienst.de/

LV Bayern der Gehörlosen e. V.Schwanthalerstr. 76, 80336 MünchenTel. 089/543-8191, Fax -9792Schreibtelefon -8193www.selbsthilfe-online.de/regional/by.shtml

Gemeinsam Leben – Gemeinsam Lernen, Landesarbeits-gemeinschaft BayernVorsitz: Roland SchwarzKustermannstr. 39, 82327 TutzingTel. 089/1295273, Fax [email protected]/regional/by.shtml

Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, LV Bayern e. V.St.-Jakobs-Platz 10, 80331 MünchenTel. 089/236641-0, Fax [email protected]/regional/by.shtml

MUSEUMSPÄDAGOGIK32

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VOM BLINDENFÜHRER ZUM BEGREIFBAREN OBJEKTAngebote für behinderte Besucher im FreilichtmuseumGlentleiten des Bezirks Oberbayern

Behinderte Besucher in einem Freilichtmuseum, ob ein-zeln oder als Gruppe – dies stellt die museumspädagogi-sche Vermittlung vor neue Aufgaben und fordert unkon-ventionelle Ideen. Gleichzeitig eröffnet sich aber auch dieMöglichkeit, Methoden und Konzepte auszuprobieren,die im „normalen“ museumspädagogischen Alltag viel-leicht nicht so leicht durchzuführen wären.

Noch in den 1980er und frühen 1990er Jahren unter-schieden sich die Angebote für behinderte Gruppen imFreilichtmuseum kaum von denjenigen „normaler“ Besu-cherführungen. Man konnte eine Führung buchen, diesich allerdings – je nach dem Grad der Behinderung – aufden oberen, leichter zugänglichen Geländeabschnitt be-schränkte. Führungen für Blinde und Sehbehinderte wur-den von einigen, darauf spezialisierten Führerinnendurchgeführt. In zwei bis drei Häusern wurde dabei spe-ziell auf die täglichen Gebrauchsgeräte eingegangen, in-dem man diese zum Abtasten anbot. Kam eine Gruppevon Rollstuhlfahrern, so wurden mehrere Aufseher mobi-lisiert, um ihnen den leichteren Zugang ins Gelände überdie Fahrstraße zu ermöglichen, denn das Eingangsge-bäude des Museums wies keinerlei behindertengerechteEinrichtungen auf, weder Aufzüge noch im sanitären Be-reich. Es herrschte die allgemeine Übereinstimmung,dass ein Freilichtmuseum und noch dazu in Hanglage amGebirgsrand denkbar ungeeignet für einen Besuch vonBehinderten sei und dass sich daran kaum etwas ändernließe. Bereits die Diskussion um Holzrampen, die Roll-stuhlfahrer einen leichteren Zugang zu den Häusern ver-schaffen sollten, entzweite regelmäßig die Mitarbeiterüber die Frage, ob dies denn wirklich hilfreich sei odernicht doch das Aussehen des Museums beeinträchtige.

In den 1990er Jahren wurden dann nach und nach im mu-seumspädagogischen Bereich spezielle Angebote ent-wickelt, auch wenn sie anfangs noch sehr bescheidenwaren. Es stand fest: Das Freilichtmuseum Glentleitenwürde nie ein komplett behindertengerechtes Museumwerden, aber bestimmte Hilfestellungen konnten den Be-such für körperlich, geistig oder mehrfach Behinderte er-leichtern. Notwendig war zuerst eine klare Zieldefinition:Wer kam als Behinderte/r ins Museum? Kam er/sie be-gleitet von Familienangehörigen oder im Rahmen einesGruppenausfluges mit Betreuern? Welche Ansprechpart-ner gab es für eine Kooperation mit dem Museum? Wel-che Hilfestellungen waren am notwendigsten und in kürze-rer Zeit zu erarbeiten? Welche Hilfsmittel brauchten einelängere Vorbereitungszeit, ideelle Unterstützung durchFachleute sowie einen größeren finanziellen Rahmen?

Am vordringlichsten, aber auch am einfachsten zu erstel-len war ein Geländeplan, der das Museum in leichte und

schwierige, weil steile Wege einteilte, mit speziellen Emp-fehlungen für Rollstuhlfahrer bezüglich der Zugänglichkeitder einzelnen historischen Gebäude. Dieser kostenlosePlan lag bald an der Kasse auf und wurde von den Kas-senangestellten an die jeweiligen Besucher verteilt. Ineinem zweiten Schritt wurde über den Träger des Mu-seums, den Bezirk Oberbayern, ein Rollstuhl beschafft,der an der Kasse ausgeliehen werden konnte, falls Bedarfwar. Dieses Angebot richtete sich vor allen ältere Men-schen, denen die „Museumsdurchquerung“ zu Fuß zuanstrengend war.

In jüngster Zeit sind für Rollstuhlfahrer und Gehbehinder-te weitere Erleichterungen dazugekommen. Mobile, trans-portable Rampen erleichtern ihnen die Zufahrt über dieoft hohen Hausschwellen der einzelnen historischen Ge-bäude. Allerdings sind bestimmte Räume im Oberge-schoss wie Schlafkammern und Tennen, die nur überTreppen erreichbar sind, leider auch in Zukunft für Roll-stuhlfahrer nicht erreichbar. Im Rahmen einiger Umbautenim Eingangsgebäude wurden aber in jüngster Zeit durcheinen Lift alle Stockwerke für diese Besuchergruppen zu-gänglich. Im Ausstellungsbereich wurde ein zusätzlicherLift für Rollstuhlfahrer eingebaut. Behindertentoilettengibt es nun im Eingangsbereich sowie im Gelände.

Hilfestellungen für Blinde und Sehbehinderte erforderteneine größere Vorbereitungszeit. In Zusammenarbeit mitdem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund e. V.in München wurde der Museumsführer auf Kassette auf-gelesen und an der Museumskasse zum Ausleihen bzw.zum Kauf angeboten. Die Museumsführerinnen und -füh-rer wurden durch eine Fachkraft des Blindenbundes im

MUSEUMSPÄDAGOGIK 33

Zwei Gruppenteilnehmer sind notwendig, um das Feuer zu unter-halten

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Rahmen einer Fortbildung speziell für Führungen mit Blin-den geschult. Ein nächster, sehr zeitintensiver Schritt wardie Erarbeitung eines vierfarbigen, taktilen Übersichts-plans des Museums in Blindenschrift mit vier eingetra-genen Rundgängen in unterschiedlichen Schwierigkeits-graden. Dazu wurde gleichzeitig ein Kurzführer in Blin-denschrift fertiggestellt mit Gebäudeerklärungen zu die-sen Rundgängen. Übersichtsplan und Führer sind an derKasse leihweise erhältlich.

Mit diesen Angeboten gab es nun eine geeignete Infra-struktur und ein Basis an Informationen, um unseren be-hinderten Besuchern das Museum leichter zugänglich zumachen. Wurden von Behindertenorganisationen spezi-elle Führungen gewünscht, so bemühten wir uns, auf die-se Wünsche einzugehen oder auch individuelle Lösungenanzubieten.

Das Jahr 2003 wurde von der Europäischen Union zumJahr der Menschen mit Behinderungen erklärt, um damiteine allgemeine Sensibilisierung für die Anliegen von be-hinderten Menschen in der Gesellschaft zu erreichen.Auch das Freilichtmuseum Glentleiten wollte sich an denAktionsprogrammen dieses Jahres beteiligen. Als Koope-rationspartner wurden zwei Institutionen im LandkreisGarmisch-Partenkirchen ausgewählt, zu denen das Frei-lichtmuseum bereits in den vergangenen Jahren engenKontakt hatte: Zum einen ist dies die „Kinder-, Jugend-und Erwachsenenhilfe e. V.“, die in ihren integrierten Kin-dergärten, Tagesstätten, Werkstätten und WohnheimenMenschen aller Altersstufen und mit unterschiedlicherBehinderung betreut und fördert. Der zweite Ansprech-partner ist das „Aura-Hotel“, ein Kur- und Begegnungs-zentrum des Bayerischen Blinden- und Sehbehinderten-bundes e. V. in Saulgrub. Im Laufe dieses Jahres solltenfür Gruppen beider Institutionen museumspädagogischeFührungen zu bestimmten Schwerpunkten angebotenwerden, allerdings auf der Grundlage bereits bestehenderProgramme.

Parallel dazu liefen im Museum schon seit längeremÜberlegungen, eines der Museumshäuser der erstenStunde für Besucher „freizugeben“, d. h. so einzurichten,dass mit Gruppen dort bestimmte Tätigkeiten ausprobiertwerden könnten. Die Idee nahm während der Winterpau-se 2002/3 langsam Gestalt an. Was lag näher, als dasProjekt für die Gruppen der beiden oben genannten Insti-tutionen hier stattfinden zu lassen, denn sie hatten nacheiner ersten Rücksprache sehr positiv auf unser Angebotreagiert?

Die Einrichtung des ausgewählten Hauses, des Mirzn-häusls aus dem Süden von München sollte weiterhin der

Zeit zu Beginn des 20. Jhs. entsprechen, allerdings mitMobiliar, das benutzt werden konnte. In Zusammenarbeitmit der Restauratorin und dem Volkskundler des Hauseswurden drei Räume im Erdgeschoss des Haus so einge-richtet, dass hier verschiedene Themenkomplexe „aus-probiert“ werden konnten. Gegenstände, die direkt mitLebensmitteln in Berührung kommen sollten, wurden al-lerdings aus hygienischen Gründen neu gekauft. DerKüchenraum mit offener Feuerstelle bietet sich an für dietäglich sich wiederholenden Arbeiten wie Holz holen,Feuer machen, Wasser erhitzen, Licht anzünden. DieStube mit Sesselofen und Tisch ist der Ort, wo geheiztund gekocht, aber auch abgespült wird. Hier kommt dieganze Gruppe am Schluss wieder zusammen und ge-meinsam wird gegessen. In der Schlafkammer desGroßvaters nebenan, der hier im Austrag lebte, sind dieThemen Kleidung, Wäsche und Schlafen präsent. Nebendiesen alltäglichen Arbeiten kommen jahreszeitlich be-dingte Tätigkeiten wie Gartenarbeit im Frühling und Som-mer, Vorratshaltung und Wollverarbeitung im Herbst undWinter.

MUSEUMSPÄDAGOGIK34

Das Kochen eines Mehlschmarrns auf dem engen Sesselofen

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Eingebunden sind die verschiedenen Arbeiten in einRollenspiel, in der die einzelnen Gruppenteilnehmer zuMitgliedern einer bäuerlichen Familie mit historischenBiographien werden. Alle diese Arbeiten sind mit denHänden begreifbar, mit Nase, Mund und Ohren erfahr-und fühlbar. Petroleumlampe, Holzspreißel und Feuer-haken werden zum Feuer machen gebraucht; Pfanne,Mehl, Schmalz und Kochlöffel sind wichtig für die Zube-reitung des Essens; gekämmte Schafwolle, Spinnrad undkratzige Strickunterwäsche haben mit Wollverarbeitungzu tun; Holzbottich, Waschbrett, Wurzelbürste und Seifewaren früher wichtige Geräte zum Wäschewaschen. Be-wusst wurden einfache, typische Geräte ausgewählt, diezur Grundausstattung eines Haushalts der angegebenenZeit gehörten. Speziell für die Gruppe der Sehbehinder-ten und Blinden macht in den Sommermonaten ein Pro-gramm auch mit den Heil- und Gewürzpflanzen in denGärten vertraut. Die Teilnehmer treffen sich nach der „Ar-beitszeit“ wieder beim gemeinsamen Essen in der Stubeund tauschen ihre Erfahrungen aus. Angelegt ist einGruppenbesuch auf eine Dauer von 2 Stunden.

Dieses Programm mit der ganzen Bandbreite der „Arbei-ten“ wurde in einer ersten Fortbildungsveranstaltung denLeiterinnen und Leitern der „Kinder-, Jugend- und Er-wachsenenhilfe e. V.“ vorgestellt und „ausprobiert“. Esstellte sich heraus, dass der ganze Komplex an Arbeitenwohl die einzelnen Gruppen überfordern würde. Wichtigist also die Auswahl eines für die Gruppe geeigneten The-mas, also z. B. Feuer machen oder Kochen.

Gerade in dieser ersten Erprobungsphase ist es entschei-dend, durch engen Kontakt und Informationsaustauschmit den jeweiligen Betreuern und Teilnehmern der Grup-

pen herauszufinden, was wichtig ist und was ergänztwerden muss. Bei diesem Projekt hat die sinnliche Erfah-rung im Umgang mit historischen Gegenständen eindeu-tig die Priorität. Mit Tasten, Riechen, Schmecken undHören wird die Vergangenheit erforscht. Feuer, Pfanne,Leinenhemd und Mehlschmarrn sind die Medien für dieseReise in die Geschichte unserer Vorfahren.

Dieses Projekt „Ein Haus zum Anfassen“ wird sicher auchneue Aspekte für die Vermittlung an „normale“ Museums-besucher erbringen. Hier ein erstes, weil sehr erstauntesUrteil eines Gruppenleiters nach diesem Vormittag imMirznhäusl: „Wahnsinn, wie viel Zeit die früher nur damitverbracht haben, das Feuer nicht ausgehen zu lassen undfür acht Leute zu kochen. Heute kauft man eine Gefrier-pizza, schiebt sie in die Mikrowelle und isst sie allein, dasdauert fünf Minuten... Hier hab ich dauernd mit den an-deren reden müssen, beim Feuer machen, beim Kochen,es ging gar nichts allein...“

Franziska Lobenhofer-Hirschbold

MUSEUMSPÄDAGOGIK 35

Schreibtest mit der Gänsefeder

Die „Familie“ trifft sich wieder am Stubentisch beim Essen undReden über ihre Arbeit

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WIEDER ENTDECKT: KINDER IM MUSEUMAusstellungen, Tagungen und neuere Publikationen für das junge Museumspublikum

In den 1970er Jahren umwarben Museen Kinder, Jugend-liche und Schulklassen in dem Bestreben, die Museenauch für andere Kreise neben dem „Bildungsbürgertum“zu öffnen und neue Besuchergruppen zu gewinnen. Eswar die Zeit, in der die großen museumspädagogischenZentren in Deutschland entstanden: 1968 das Kunst- undKulturpädagogische Zentrum in Nürnberg, 1969 der Mu-seumsdienst in Köln oder 1971 das Museums-Pädagogi-sche Zentrum in München. Seither bemühen sich Museenmehr oder weniger ernsthaft um junge Besucher. Einer-seits sieht man sie gerne, weil sie die Zahlen der Besu-cherstatistik nach oben schnellen lassen, andererseitsaber fürchtet man sie, weil Kinder oder Schüler in der Re-gel geballt und in Gruppen auftreten, daher oftmals lautsind und undiszipliniert durch Ausstellungsräume ziehen.

Nennen bayerische Museen ihre Zielgruppen, so stehendabei Schüler und Schulklassen seit Jahren an ersterStelle. Natürlich wollen Museen neben dem Sammelnund Bewahren auch ihren Bildungsauftrag wahrnehmen,und sie bieten daher gerade dieser Zielgruppe besondereVermittlungsangebote an. Die umfangreiche Palette reichtvon Unterrichtsgesprächen im Museum und von Aktiv-blättern für Schüler bis hin zu Lehrerfortbildungen undspeziellen Lehrerhandreichungen.

Ein sichtbarer Erfolg dieser verstärkten museumspädago-gischen Maßnahmen speziell für Schulklassen bestehtsicherlich darin, dass Kinder im Anschluss an ihren erstenMuseumsbesuch, den sie oftmals in guter Erinnerunghaben, häufig nun wieder in Begleitung der Familie amWochenende, zur Ferienzeit oder anlässlich einer Ge-burtstagsfeier, also in ihrer Freizeit ins Museum kommen.Auf ihre Wünsche und speziellen Bedürfnisse müssen en-gagierte Museen reagieren. Einige Beispiele, innovativeEinrichtungen, jüngste Diskussionen und Projekte sowieneuere Literatur zum Thema „Kinder im Museum“ sollenim folgenden Beitrag kurz vorgestellt werden.

Neue Museen für Kinder

Die permanenten Ausstellungen in den bayerischen Mu-seen richten sich überwiegend an ein erwachsenes Publi-kum. Daher betrat das 1999 eröffnete Allgäu-Museum inKempten mit seinem speziell für junge Museumsbesu-cher installierten Kinderpfad im wahrsten Sinne des Wor-tes neue Wege. Aktivstationen, verteilt über den ganzenMuseumsrundgang, regen – nicht nur – das junge Publi-kum zum Mitmachen an.

Drei Jahre später wurde in Nürnberg das erste Kindermu-seum in Bayern eröffnet.1 Nachdem seit zwei Jahrzehnten

das Museum im Koffer, ein mobiles Kindermuseum, mitüber 20 Themeneinheiten von der Naturgeschichte überTechnik bis hin zur Kulturgeschichte Europas und Über-sees mit historischen Gegenständen, Modellen, Grafik-und Bildtafeln Nürnberger Schulen und Freizeiteinrichtun-gen, aber auch Museen im Umland in ein „Kinder-Muse-um auf Zeit“ verwandelte, konnte der Verein im April 2001ein eigenes festes Quartier eröffnen. Gemeinsam mit demKindertheater Mummpitz und dem Kinderzirkus CRI-CRIbezog der Verein den „Kachelbau“ im ehemaligenSchlachthofgelände St. Leonhard, von Theo Kief in den50er Jahren erbaut, das neue Nürnberger Kinderkultur-zentrum.

Auf 600 m2 Ausstellungsfläche können Schulklassen, aberauch Familien mit Kindern den „Alltag der Urgroßeltern“und die „Schatzkammer Erde“ erforschen. In interaktivenAusstellungen heißt es Ärmel hochkrempeln, die Arbeits-schürze umbinden und waschen, backen, kochen wie zuGroßmutters Zeiten. In der Umwelterlebnisstation dage-gen gilt es für junge Museumsbesucher, Zusammen-hänge und Verantwortungsbewusstsein zum ThemaMensch und Natur zu entdecken und zu vertiefen. Dieersten zwei Jahre waren mit mehreren Tausend jungenBesuchern und Besucherinnen äußerst erfolgreich.

Noch ganz neu ist das am 6. Februar 2003 zum 100-jähri-gen Jubiläum des Deutschen Museums neu eröffneteKinderreich.2 Das Münchner Museum machte sich diesenneuen Spiel- und Lernbereich auf 1.300 m2 Fläche selbstzum Geburtstagsgeschenk. „Eine ‚Welt des Wissens‘ mitgroßzügigen Spielräumen vermittelt besonders Vorschul-kindern und ihren Eltern spielerisch und phantasievollWissenschaft und Technik, ihre Phänomene und Rätsel“,heißt es im Pressetext. Kindern im Alter von 3 bis 10 Jah-ren werden vier Themenbereiche in räumlichen Kojenzum Ausprobieren angeboten: „Draußen ist die Welt! Na-tur, Welt, Wasser“, „Stark und Schnell – Kraft, Bewegung,Energie“, „Hell und Dunkel – Licht, Optik, Astronomie“und „Laut und Leise – Schall, Akustik, Musik“. Bauklötze,Computer, Lese-Ecke oder Studienlabor ergänzen dasreichhaltige Angebot. Der Projektleiter, Christof Gießler,betont, dass es ihm „nicht nur um die Vermittlung vonWissen [geht], sondern auch um den neugierigen Um-gang miteinander – um neue Einsichten, was in dieserWelt vorgeht...“

Das Kinderreich befindet sich im Bereich der ehemaligenAutomobil-Halle im Untergeschoß, leider getrennt vonden jeweiligen historischen Ausstellungseinheiten, die imDeutschen Museum durch entsprechende Objekte, Mo-delle und Versuchsreihen didaktisch aufbereitet präsen-tiert werden. Ob die jungen Besucher die wünschens-

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werte Verbindung zu diesen Museumsabteilungen finden,wird das Besucherverhalten erst in den nächsten Wochenund Monaten zeigen. Schon jetzt ist es für junge Be-sucher der große Renner und führt viele Familien mitihren Kindern immer wieder aufs Neue in das DeutscheMuseum.

Tagung zum Thema „Kinderkultur – Kindheit und Kinderim Museum“

Das neue Münchner Kinderreich stellte der Projektleiterbei einer Tagung vor, die sich mit der Zielgruppe „Kinder“,aber auch mit dem Ausstellungsthema „Kinder und Kind-heit“ befasste. Im Rheinischen Industriemuseum Ober-hausen trafen sich vom 20.-22.3.2003 über 130 Vertreterund Vertreterinnen von deutschen Kindermuseen, vonmuseumspädagogischen Abteilungen, aber auch vonMuseen, die einschlägige Sammlungsgebiete betreuen.Da im Anschluss dieses Fachkongresses die 17. Jahres-tagung des Verbandes der Museumspädagogen und Mu-seumspädagoginnen an Freilicht- und Industriemuseenstattfand, boten die Organisatoren die Gelegenheit zurBesichtigung von verschiedenen rheinischen und westfä-lischen Industriemuseen. Die imposanten Industriedenk-mäler haben nicht nur die bayerischen Teilnehmer beein-druckt, die mit Wehmut an die wenigen Industriebeispielein unserem Bundesland dachten.

Vor der prächtigen und imposanten Kulisse von ehema-ligen Zechen, Stahlwerken und Industriefirmen wurden inden Beiträgen von Wolfgang Zacharias, München, undLudwig Duncker, Gießen, grundlegende Fragen und Ent-wicklungen angesprochen. Aus welcher Sicht werdenAusstellung für Kinder gemacht: aus der Sicht des Er-wachsenen oder aus jener des Kindes? Was projizierenErwachsene in „Kinderkulturen“ hinein?

Professor Duncker von der Universität Gießen definiertezunächst den Begriff „Bildung“. Für ihn setzt er sich zu-sammen aus der Entfaltung einer allgemeinen Lernfähig-keit: Bildung sei eine Form von Kulturaneignung, liefereBewusstsein für historische Veränderungen und befähigezu vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten eigener Kreati-vität. Der Pädagogikprofessor zeigte die Veränderungkindlicher Lebenswelten auf: Deutlich festzustellen sei beiheutigen Kindern und Jugendlichen erstens eine Reduk-tion sozialer Kontakte, zweitens die Ausbreitung von Be-wegungsarmut, drittens eine konsumptive Aneignung vonWirklichkeit und schließlich die Scholarisierung von Frei-zeit. Alle diese Faktoren müssten auch Museen bei ihrenAngeboten für Kinder und Jugendliche berücksichtigen,vor allem aber Punkt 3: das junge Publikum sei es ge-

wöhnt, von Dienstleistungen umgeben zu sein, etwa inden Ferien durch Animateure oder bei Geburtstagsfeierndurch den Service von Mc-Donalds. Ein deutlicher Verlustan Eigentätigkeit sei daher gegeben.

Am Beispiel des Sammelns erläuterte der Referent exem-plarisch methodische Aspekte der Kinderkultur. DasSammeln sei ein bedeutungsstiftender Akt, da ObjekteTräger von Erinnerungen seien und somit ein Fenster indie Vergangenheit darstellen. Durch das Sammeln könn-ten ästhetische (Oberfläche erkennen und ordnen) undhistoriografische (persönliche und kollektive kulturelle Er-innerung), journalistische (recherchieren, Informationensammeln, bewerten), aber auch wissenschaftspropädeu-tische (ordnen, vergleichen, strukturieren) Dimensionensichtbar gemacht und erlernt werden. Gerade Künstler,vor allem auch Zeitgenossen, bedienten sich des Sam-melns, um Objekten auch eine neue Bedeutung zu ge-ben, z. B. Arcimboldo mit seinen Bildnissen aus Früchtenoder Gemüse, oder Boltanski und Beuys.

Im Anschluss an diese grundlegenden Gedanken wurdenverschiedene Ausstellungen und ihre didaktischen Me-thoden und Konzepte zum Thema „Kindheit und Kinder-kultur“ vorgestellt: die Sonderausstellung „Maikäfer flieg– Kindheitserfahrungen 1940-1960“ im RuhrlandmuseumEssen, das Museum Kindheit und Jugend Berlin, die Son-derausstellung „Kinderarbeit einst und jetzt“ im MuseumIndustriekultur Osnabrück oder die Gemeinschaftsaus-stellung „Alles nur Kinderkram. Kindheit und Kinder-arbeit“ der Rheinischen und Westfälischen Industriemu-seen.

Mit dem Kindermuseum des Historischen MuseumFrankfurt, das bereits 1972 eröffnet wurde und das vorallem seit den letzten 20 Jahren kulturhistorische Ausstel-lungen für Kinder und Jugendliche organisiert, die neu-gierig machen und interaktiv sind, widmete sich die Ta-gung dem besonderen Publikum „Kinder“. Seit etwa fünfJahren ist das Frankfurter Kindermuseum nun mit einemmobilen Teil auch in Stadtrandgebieten unterwegs, umKinder von ausländischen Mitbürgern besser erreichen zukönnen.

Seit 16 Jahren existiert das Kindermuseum im Wilhelm-Lehmbruck Museum in Duisburg, das ein ganz anderesVerständnis von Museum für Kinder vermitteln will. Hierwerden keine didaktischen Ausstellungen organisiert, dieetwas erklären wollen, hier werden vielmehr spezielleKunstausstellungen für Kinder initiiert und realisiert. VonBeginn an hat die Leiterin des Kindermuseums zeit-genössische Künstler angesprochen, sie sollten spezielleWerke auswählen, die sich besonders für Kinder eignen

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und für diese leichter verständlich sind oder sogar eigeneKunstausstellungen für dieses spezielle Publikum konzi-pieren. So entstanden ungewohnte Installationen vonTony Craig oder Miquel Navarro oder eine besondere Per-formance für „Museumsratten“ von Lily Fischer.

Nach diesen historischen und künstlerischen Beispielenwurden Museen aus dem Industriesektor vorgestellt, diesich auf ihre Weise der speziellen Zielgruppe „Kinder“widmen, wie etwa das „Stahl.Werk – eine Mitmachaus-stellung des Rheinischen Industriemuseums, SchauplatzOberhausen“, in der das junge Publikum unter anderemArbeitskleidung verschiedener Stahlarbeiter anziehen,Laborversuche durchführen oder spezielle Aufgaben lösenkann.

Die westfälischen Industriemuseen haben grundsätzlichfür ihre jungen Besucher jeweils eigene kindgerechte Leit-figuren entwickelt, die sowohl in Wort und Bild, manchmalauch in eigens gestalteten Ausstellungseinheiten, durchdie Ausstellungen und Baudenkmäler führen: so zum Bei-spiel Käpt’n Henri im Schiffshebewerk HenrichenburgWaltrop oder eine Ratte in der Henrichshütte Hattingen.

Besonders eindrucksvoll war die abschließende Exkur-sion zum Westfälischen Industriemuseum, Zeche Hanno-ver mit dem eigens für Kinder errichteten Kinderbergwerk„Zeche Knirps“, ein voll funktionstüchtiges Kinderberg-werk mit hölzernem Förderturm, Schacht, Stollen, För-dermaschine und Lorenbahn. Betreut von Museums-pädagogen bauen Jungen und Mädchen hier Kies – stattKohle – ab und fördern ihn zu Tage. Mehr als 300 Kinder-gruppen pro Jahr lernen bei einer solchen Schicht dieArbeit in einem Bergwerk kennen. Entsprechende kindge-rechte Kataloge ergänzen das Angebot und erläuternArbeitsabläufe, Maschinenteile und historische Zusam-menhänge.

Museumspublikationen – speziell für Kinder

Spezielle Museumsliteratur für Kinder oder für Familienerleben in jüngster Zeit auf dem Büchermarkt einenerstaunlichen Boom. Die bunten Hefte wollen nicht nureinzelne Institutionen vorstellen, sondern möchten zumBesuch ganzer Museumsregionen einladen.

Breits 1998 erschien auf Initiative der thüringischen Ar-beitsgruppe Museumspädagogik die erste Ausgabe dessiebenbändigen Werks Auf Schatzsuche – Museums-Tourmit Leo Löwenzahn durch Thüringen, herausgegebenvom Museumsverband Thüringen e. V., der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und der Sparkassen-

Versicherung Hessen-Nassau-Thüringen. Nach Landkrei-sen geordnet wird je ein Museum pro Doppelseite in Wortund Bild vorgestellt. Die Comicfigur Leo, ein kleiner Löwe,weist durch Kniffelfragen die jungen Leser auf besondereExponate oder spezielle Details hin. 2001 brachten wie-derum die genannten Institutionen der Sparkassen, dies-mal mit dem Hessischen Museumsverband, ein ebenfallssiebenbändiges Opus unter dem Titel Komm mit ins Mu-seum – Auf Entdeckungsreise durch hessische Museenheraus.3 Für die Realisierung zeichnen Uwe Reher undder Arbeitskreis Museumspädagogik im Hessischen Mu-seumsverband verantwortlich. Die reich bebilderten Hefte(Umfang zwischen 36 und 62 Seiten) stellen auf einerDoppelseite jeweils ein Museum in alphabetischer Rei-henfolge vor, wobei die Comicmaus Sofie durch witzigeKommentare, Fragen oder Tipps auf Besonderheiten imMuseum hinweist. Der erläuternde Text möchte wohl denjugendlichen Leser direkt ansprechen, während dieZeichnungen mit der Maus Sofie und ihre Kommentaredagegen eher für noch jüngeres Publikum gedacht sind.Organisatorische Hinweise, übersichtliche Landkarten-ausschnitte, Informationen zu museumspädagogischenMaterialien oder rollstuhlgerechten Ausstellungen ergän-zen den Informationsteil.

„Es ist das erste Mal, dass in Hessen ein Kindermu-seumsführer erscheint. Er stellt viele Museen vor, die füreuch eigne Themen und Programme haben...“ heißt es imVorwort der sieben Bände, die Kindern und ihren Elternreichliches Anschauungsmaterial und für Entdeckungs-reisen durch hessische Museen geben.

Ganz ähnlich präsentiert sich seit kurzem der vierbändigeMuseumsführer für Kinder in Niedersachsen und Bremenunter dem Titel Abenteuer mit Marie und Max, ein Projektder Niedersächsischen Sparkassenstiftung in Zusam-menarbeit mit dem Museumsverband für Niedersachsenund Bremen e. V., dem Arbeitskreis Museumspädagogik-Nord e. V., der Fachhochschule Hannover, dem IsenseeVerlag und dem NDR Medienpartner.4 Die beiden Comic-figuren Max und Marie wandern durch die unterschiedli-chen Museen und erleben dabei interessante Abenteuer.Die etwas grob und lieblos gestaltete Figur Lupi, ein Ver-größerungsglas, untersucht spezielle Fragestellungenund gibt den jungen Lesern Aufgaben und Rätsel auf.

Während der hessische Kinderführer nach Landkreisengegliedert ist, präsentiert sich die niedersächsische Vari-ante nach vier landschaftlichen Großregionen. Geschich-ten zu historischen Personen, Gegenständen oder Ereig-nissen sollen auch hier zum Museumsbesuch einladen.Auch in der niedersächsischen Publikation ist der Textleicht lesbar und nicht mit zu vielen Detailinformationen

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überfrachtet. Wie ein reichbebildertes Kinderbuch lesensich die Geschichten. Übrigens sieht man auf fast allenFarbabbildungen Kinder, die in Ausstellungsräumen agie-ren oder besondere Exponate betrachten. Eingestreut indiese Geschichten sind comicartige Zeichnungen, Bas-tel- und Ausschneidebögen, welche die mit Spiralheftungversehenen Bände zu richtigen Arbeitsheften werdenlassen.

In einem Infoteil, der sich eher an Erwachsene richtet, fol-gen weitere Museen im Überblick, sowie organisatorischeHinweise zu den ausführlich vorgestellten Einrichtungenund eine geografische Karte, die man sich gerne etwasgrößer und deutlicher gewünscht hätte.

Im Vorfeld hatten die Herausgeber eine Umfrage gestar-tet, bei der die Museen auf kinderfreundliche Angebotehin überprüft wurden. Nur jene Museen wurden in denFührer aufgenommen, welche den Kriterien der Jurystandhielten. Bei der Auswertung der Fragebögen wurdefestgestellt, dass zahlreiche Museen noch Defizite im Hin-blick auf Familien- und Kinderfreundlichkeit im Ausstel-lungsbereich aufweisen. Daher erfüllt der neue Museums-führer für Kinder zwei Funktionen gleichzeitig: „Wie sichzeigt, schenken noch nicht genügend Museen einer ihrerwichtigsten Zielgruppen ausreichend Aufmerksamkeit.Um die Überlebensfähigkeit von Museen zu sichern, soll-te langfristig und nicht nur als Reaktion auf die PISA-Stu-die für eine Verbesserung gesorgt werden. Dazu kann einMuseumsführer für Kinder beitragen, der nicht nur Elternund ihre Kinder erreicht, sondern auch die Museen dazuanimiert, sich dieser Zielgruppe verstärkt zu widmen.“5

Ebenfalls 2002 wurde der Führer Münchens Schlösser fürKinder von der Bayerischen Schlösserverwaltung heraus-gegeben.6 Mit Susanna Partsch und Rosemarie Zacherhatte man zwei Autorinnen gewonnen, die erfahrene Mu-seumspädagoginnen und Kunsthistorikerinnen sind. Sowurde Susanna Partschs erfolgreiches Buch „Haus derKunst“ mit dem deutschen Jugendliteraturpreis ausge-zeichnet. Auf 88 Seiten und mit zahlreichen farbigen Ab-bildungen versehen führen die beiden Autorinnen durchdie Residenz und Schloss Nymphenburg in München so-wie durch Schloss Schleißheim.

Der umfangreiche Text schildert detailliert das höfischeLeben früherer Zeiten und ähnelt in manchen Kapitelneinem lebendigen Geschichtsbuch. Fachinformationenwerden darüber hinaus in farbigen Texten als ausführlicheBildlegenden oder in zusätzlichen Spalten angeboten.Wünschenswerte organisatorische Hinweise wie Adresse,Telefonnummern und Öffnungszeiten fehlen leider völlig,nur die Münchner Residenz ist mit zwei Grundrissplänen

vertreten. Der Band versteht sich wohl eher als Lesebuchfür Jugendliche, in das man sich vor oder nach einemSchlossbesuch vertiefen soll.

Zum Schluss möchte ich noch auf zwei bemerkenswertePublikationen hinweisen, die sich speziell den Kunstmu-seen widmen und die nicht nur für Kinder und Jugend-liche geeignet sind. Linien, Formen und Farben – Mit Kin-dern unterwegs in Kunstmuseen7 möchte einladen, durchverschiedene hessische Kunstmuseen in Frankfurt,Darmstadt, Wiesbaden und Gießen zu wandern und dortexemplarisch für andere Kunstmuseen auf Entdeckungs-reise zu gehen.

Im Vorwort wird die Intention des Buches erläutert: „Ge-meinsam mit einigen kunstbegeisterten Kindern, die euchdurch das Buch begleiten, werden wir besonders se-henswerte Werke bekannter Maler genauer unter dieLupe nehmen. Die Kinder stellen euch im Buch auch ihregeschriebenen Geschichten zu einzelnen Bildern vor undzeigen einige ihrer selbst gemalten Bilder. [...] Deshalb ha-ben wir zahlreiche Tipps für euch zusammengestellt, wieihr im Anschluss an einen Museumsbesuch selbst künst-lerisch aktiv werden könnt.“

Die Autorinnen, zwei erfahrene Museumspädagoginnen,haben vor dem Hintergrund ihrer eigenen praktischen Ar-beit auf 64 Seiten einen Streifzug durch die bildendeKunst der Gegenwart entwickelt, reich bebildert und an-schaulich zu lesen, unter anderem zu den Themen „DieFarbe Blau“, „Linien und Formen“, „Stillleben“ und „Ge-heimnisvolle Gesichter“. Neben konkreten Mitmachauf-gaben lebt dieser Kindermuseumsführer in Spiralbindung

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Eine Auswahl neuer Museumspublikationen für Kinder

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von zahlreichen praktischen Anregungen zum eigenenMalen und Gestalten. Für interessierte Eltern, Lehrerinnenund Lehrer finden sich im Anhang konkrete Tipps zurVorbereitung und Durchführung eines anregenden Mu-seumsbesuchs mit Kindern.

Eine Publikation ganz anderer Art hat eine Schweizer Kol-legin in Form eines Karteikasten mit 100 DIN A 5 großenKunstkarten unter dem Titel 10x10 Kunstbegegnungenfür Kinder, Jugendliche und Erwachsene herausgegeben8

Mit ihrer Hilfe können durch aktives Untersuchen, Ent-decken und Handeln nicht nur Kinder einen Zugang zurKunst finden.

Zu hundert Werken des Aargauer Kunsthauses – Gemäl-de, Skulpturen, Fotografien aus verschiedenen Jahrhun-derten in unterschiedliche thematische Gruppen9 geglie-dert – sind Aufgaben formuliert, die zwar zunächst für denUnterricht gedacht sind, aber auch außerhalb des Schul-zimmers eingesetzt werden können. Die Informationenauf der Rückseite der Kunstkarten sind nach einem be-stimmten Schema angeordnet: z. B. Angaben zu Zielen,Zeitaufwand, Materialbedarf, aber auch Hinweise, ob essich um eine Einzelaufgabe oder Gruppenarbeit handelt.

Trotz dieser etwas formalistischen Vorgaben verstehensich die Karten als Impulsgeber zur lustvollen Begegnungmit Werken der bildenden Kunst. „Die Aufgaben regen zuindividuellen Lösungen an und möchten das Vertrauen indie eigenen Wahrnehmung stärken. [...] Vor allem jedochsoll der Blick für die unmittelbare Umgebung, für dasNaheliegende geweckt werden.“ so die Autorin im Be-gleitheft. Die jeweiligen Aufgabenstellungen wollen nichteinen scheinbar vorhandenen Schlüssel zum Kunstwerkaufzeigen, nicht nur eine einzig mögliche Deutung desBildinhaltes vorgeben. Mit den Fragen auf der Rückseitesoll vielmehr Interesse geweckt, das eigene Kunstver-ständnis aktiviert und eine vertiefte Auseinandersetzungmit Kunst ermöglicht werden.

Die offene, spielerische Vorgehensweise der SchweizerPublikation wünschte man sich auch für weitere geplanteKinderführer zu deutschen Museen. Die Idee der einhun-dert Kunstkarten, die man wie ein Kartenspiel sortieren,auslegen, stapeln oder einzeln in die Hand nehmen kann,ist einfach bestechend und hat auch ästhetische Qualität.

Einen Museumsbesuch für unsere jüngsten Besucher at-traktiv und anregend, mit Lust und Freude zu gestalten,Kinder auf spielerische Art mit Kunst, Kultur und Ge-schichte, Technik und Naturkunde in Kontakt zu bringen,ist das Ziel der vorgestellten Publikationen und Institutio-nen. Die ernsthafte Beschäftigung mit der speziellen Ziel-

gruppe „Kinder und Familien“ ist in vielen Museen immernoch ein Manko. Fehlendes qualifiziertes Personal wärenotwendig, um diese Lücke zu schließen. Die vorgestell-ten Beispiele zeigen Methoden und Projekte und könnenda und dort Impulse und Anregungen geben. Es wärewünschenswert, wenn sie in bayerischen Museen Nach-ahmer fänden.

Hannelore Kunz-Ott

Anmerkungen

1 Kindermuseum, Michael-Ende-Str. 17, 90439 Nürnberg, Tel.0911/6000-40, Internet: www.kindermuseum-nuernberg.de.Das in München schon seit einigen Jahren bestehende Kinder-und Jugendmuseum im Münchner Hauptbahnhof zeigt keinepermanente Sammlung, sondern hat sich auf die Präsentationvon interaktiven Sonderausstellungen spezialisiert.

2 Kinderreich im Deutschen Museum München, Tel. 089/2179-411, www.deutsches-museum.de, Ansprechpartnerin: MelanieBeckemeyer

3 Auf Entdeckungsreise durch hessische Museen. Komm mit insMuseum, 7 Bände, Hg. Hessischer Museumsverband e. V.,Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, SV SparkassenVersicherung Hessen-Nassau-Thüringen, Kassel 2001

4 Abenteuer mit Marie und Max. Museumsführer für Kinder –Niedersachsen und Bremen, 4 Bände, Hg. Dr. Sabine Schor-mann/Niedersächsische Sparkassenstiftung und Hans Loch-mann/Museumsverband für Niedersachsen und Bremen e. V.,Hannover 2002

5 ebd. Band 1: Region Braunschweig, S. 103

6 Münchens Schlösser für Kinder, mit Susanna Partsch undRosemarie Zacher durch die Residenz, Nymphenburg undSchleißheim, in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Verwal-tung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, München2002

7 Manuela K. Knaut-Bührmann und Nathalie Wöll: Linien, For-men und Farben – Mit Kindern unterwegs in Kunstmuseen,Bielefeld 2003

8 Franziska Dürr: 10 x 10 Kunstbegegnungen, Schachtel mit 100Kunstkarten und Aufgaben, dazu Broschüre, Zofingen 2000

9 Folgende Motive und thematische Gruppen tauchen auf: Ab-straktion, Begegnung, Gestalten, Dreidimensionales, Porträt,Farbe, Bild und Wort, Landschaft, Im Museum, Kunstkarten-spiele

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MIT 80 BÄNDEN DURCH DIE WELT DES PORZELLANSDie Schriften und Kataloge des Deutschen Porzellan-museums Hohenberg a. d. Eger

Wenn eine Institution in rund 20 Jahren eine Publikations-folge mit über 80 Bänden ediert, so ist das unstrittiger An-lass dies zu würdigen. Edles Porzellan hatte und hat im-mer seine Liebhaber, doch ist auch kaum zu bezweifeln,dass im Vordergrund des „öffentlichen“ Interesses dieüberregional, um nicht zu sagen weltweit berühmten, re-nommierten Manufakturen standen. Viele stolze Besitzerschwärmen von ihren „Meissen-“, „Wien-“ oder „Nym-phenburg“-Sammlungen oder Objekten, ob Plastikenoder hochwertiges Ziergeschirr. Oft mag allerdings gel-ten: Wichtiger als die absolute künstlerisch-ästhetischeQualität ist dabei doch häufig der rein dekorative oder garfinanzielle Aspekt und der damit verbundene Eindruck aufeinen gleichermaßen strukturierten Betrachter. Kera-misch-technische Leistungen finden sehr selten die ver-diente Anerkennung.

Das Deutsche Porzellanmuseum in Hohenberg a. d. Egerberücksichtigt bei seinen Publikationen – dies zeigt be-reits ein kurzer Blick auf die umfangreiche Druckliste –nun nicht vordergründig die erwähnten „Klassiker“, son-dern widmet sich, vereinfacht dargestellt, der sonst vonKunst- und Kulturgeschichte wenig beachteten Zeit etwaab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, begleitet von Bei-trägen zur Geschichte der „Porzelliner“, der Arbeiter undauch der Fabrikherren dieser Zeit. Diese allgemeinen An-gaben sollen im Folgenden durch einige Titel untermauertwerden, zu vage bleiben sonst die Hinweise. Die Fülle derüber 80 Bände gestattet hier aber nur die sehr kurz ge-fasste Erwähnung einiger Beispiele, Subjektivität lässtsich dabei nicht ganz ausschließen.

Ein unübersehbares, dringend einzulösendes Desideratder allgemeinen Porzellangeschichte ist die Erforschungder industriellen Erzeugnisse einer Großregion, ein Be-reich, der bisher kaum allgemeines Forschungsinteressegefunden hat. So erscheinen die einschlägigen Beiträgeaus Hohenberg besonders wichtig, denn sie geben un-verzichtbare Einblicke in die Entwicklung renommierterFirmen, auch wenn deren Produkte sicher weniger demKunstinteresse gedient haben als der Versorgung der Be-völkerung mit täglich unverzichtbarem Gebrauchsporzel-lan, dem wichtigen Erzeugnis der feinkeramischenIndustrie Oberfrankens und der nördlichen Oberpfalz. EinVergleich mit der zeitlich parallelen, in vieler Hinsicht kon-kurrierenden Steingutindustrie in der Oberpfalz liegt nahe.

Zur Geschichte der regionalen Porzellanindustrie erschie-nen in den „Schriften und Katalogen“:– Bd. 4: Pioniere des Hotelporzellans – Bauscher und

Schönwald (1985)– Bd. 9: 100 Jahre Porzellanfabrik Arzberg 1887-1987

(1987)

– Bd. 11: So fing es an – so ging es weiter. DeutschesPorzellan und deutsche Porzellanfabriken 1945-1960(1988)

– Bd. 17: 175 Jahre Hutschenreuther – Ein Beitrag zumFirmenjubiläum 1914-1989 (1989)

– Bd. 27: 125 Jahre Bareuther Porzellan aus Waldsassen(1991)

– Bd. 30: Die Zwanziger Jahre. Deutsches Porzellanzwischen Inflation und Depression – Die Zeit des ArtDeco?! (1992)

– Bd. 58: 100 Jahre Porzellanfabrik Walküre (1999)

Die deutliche Zunahme des Interesses verschiedener wis-senschaftlicher Disziplinen wie z. B. der Soziologie oderder Volkskunde/Empirische Kulturwissenschaft am täg-lichen Leben „einfacher“ Bevölkerungsteile wie derFabrikarbeiter wird systematisch beachtet. Neben um-fangreichen Beiträgen wie z. B. Bd. 71 und 75 (s. u.) wer-den auch die reale Arbeitswelt der Porzelliner und ihre

AKTUELLES – BERICHTE 41

All Nations are welcome, Ausstellungskatalog 2002

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maschinellen Grundlagen der täglichen monotonen Ar-beitsabläufe im fotografischen Bild fassbar. Fototech-nisch bedingt beginnt dies naheliegender Weise mit ge-stellten Abbildungen, um dann gleitend in authentischeSituationsfotos überzuleiten.

Zur Arbeitswelt der Porzelliner erschienen in den „Schrif-ten und Katalogen“ z. B.:– Bd. 41: „Leben für das weiße Gold“ – Arbeit und Alltag

der Porzelliner 1920-1970 (1995, Beiträge zur Wirt-schafts-, Sozial und Technikgeschichte Bd. 2)

– Bd. 52: Mit Volldampf zum Porzellan – Zwei Jahrhun-derte Dampfmaschinen in der Porzellanindustrie (1998)

– Bd. 56: Lebensbilder – Aus den Fotoalben der Porzel-liner (1999)

– Bd. 71: Leben und Arbeiten der Porzelliner in Nordost-bayern 1870-1913 (2001, Beiträge zur Wirtschafts-,Sozial und Technikgeschichte Bd. 4)

– Bd. 75: GründerFamilien – FamilienGründungen: EinBeitrag zur Geschichte der Porzellanindustrie Nordost-bayerns (2002, Beiträge zur Wirtschafts-, Sozial undTechnikgeschichte Bd. 5)

Publikationen zu eher „traditionellen Themen“ waren z. B.:– Bd. 12: Höchster Porzellan aus drei Jahrhunderten

(1988)– Bd. 23: Die Ludwigsburger Porzellanmanufaktur einst

und jetzt (1990)

Weitere Schriften behandeln die Ergebnisse von Design-Wettbewerben oder von Arbeiten aus der StaatlichenFachschule für Porzellan. Es ist selbstverständlich, dassdie ambitionierte Einstellung der Museumsleitung weitereBuch- bzw. Katalogprojekte bereits angekündigt hat, z. B.eine Dissertation über das Porzellan aus Fraureuth, wei-ter mit „Zeitgeist und Tradition“ über den Nachwuchs derManufaktur in Meissen oder von Uwe Mämpel die erwei-terte Neuauflage seiner allgemeinen Einführung „Keramik– Kultur- und Technikgeschichte eines gebrannten Werk-stoffes“.

Einer der gerade erschienenen Beiträge mit weit überre-gionaler Bedeutung sei hier etwas eingehender vorge-stellt: „All Nations Are Welcome ...“ – Porzellan der Welt-ausstellungen 1851 bis 1910, herausgegeben von WilhelmSiemen mit Beiträgen von Andrea C. Röber, SabineZehentmaier, Silvia Glaser und Sally Schöne (Bd. 78,2002). Beschrieben, interpretiert und umfangreich illust-riert werden Höhepunkte der Porzellangeschichte dieser60 Jahre. Die sorgfältige, oft großformatige Bebilderungvermittelt einen unverzichtbaren Eindruck vor allem ausden 50/60er Jahren des 19. Jahrhunderts. Ob der indi-viduelle Zugang zum manchmal monströsen Eindruck der

bis zu 1 m hohen/großen Exponate gerade der frühenAusstellungen durch die wirklich ausgezeichneten farbi-gen Abbildungen möglich ist, kann wahrscheinlich nurder Besucher vor Ort empfinden. Großer Dank gebührtjedenfalls den großen Museen in Berlin, Düsseldorf, Ham-burg, Limoges, London, Meissen, Nürnberg, Sèvres usw.für ihre großzügigen Leihgaben. Unbestreitbare Höhe-punkte der Entwicklung der Weltausstellungen: London1851, Wien 1873 oder Paris 1900 werden in den Beiträ-gen in ihrer Bedeutung gewürdigt, so: „Zwischen friedli-chem Wettstreit und Enzyklopädie der Nationen: DasPorzellan der Weltausstellungen 1851-1867“ (AndreaC. Röber); „Tendenzen der europäischen Porzellanpro-duktion um 1870: Porzellanmanufakturen auf der WienerWeltausstellung und ihr Produktspektrum“ (Silvia Glaser);„Die Weltausstellung in Paris 1900: Tradition versus Mo-derne an der Schwelle zu einem neuen Jahrhundert“(Sally Schöne). – Wenn auch im üblichen Sinn kein eigen-ständiger Beitrag, so ist doch die Zusammenstellung dersehr verstreuten Literatur zu den Weltausstellungen ein inmeinen Augen sehr gewichtiger, hervorzuhebender Anteildes so ansprechenden Bandes, der Interessenten einenschnellen und weitgehenden Zugang zum Thema vermit-telt. Dass der rein technische, d. h. bibliothekarische Zu-gang zur älteren Literatur im einen oder anderen Fall nichtganz so einfach ist, sei nicht verschwiegen.

Dieser Kurzüberblick über wichtige Veröffentlichungendes Porzellanmuseums kann nur Hinweise auf die publi-katorische Leistung dieses Museums geben. Einen Be-such in den reichen Sammlungen und den häufigenWechselausstellungen zum weiten Feld des Porzellansvorwiegend des 19. und 20. Jahrhunderts kann er nichtersetzen. Er sei den Lesern dieser Anmerkung empfohlen.

Werner Endres

Die vollständige Übersicht der vorliegenden Publikationenist erhältlich beim Deutschen Porzellanmuseum, Freund-schaft 2, 95691 Hohenberg a. d. Eger, Fax 09233/7722-30,E-Mail [email protected], Internet www.dt-porzellanmuseum.de

AKTUELLES – BERICHTE42

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MUSEEN HABEN FREUNDEDer internationale Museumstag 2003 in Bayern

Beim Internationalen Museumstag 2003, für den ICOM,der Internationale Museumsrat, das Motto „Museenhaben Freunde“ ausgegeben hatte, zeigten die bayeri-schen Museen Flagge: Genau 247 Häuser boten ihrenGästen wieder ein buntes, unterhaltsames, aber dabeiauch fundiertes Programm.

Erstmals lud neben der Auflistung auf den Internetseitenwww.museumstag.de auch ein gedrucktes Veranstal-tungsprogramm für den Freistaat zu der Fülle von Ver-anstaltungen zwischen Fladungen in der Rhön und Bergenam Fuß der Alpen ein. Ob Museumsfest in Kitzingen mitHandwerksvorführungen, Renaissancetänzen und Schau-kämpfen, ob Münzgießen, Töpfern und der Genuss kelti-schen Bieres im Römermuseum Bedaium in Seebruck amChiemsee, Rundflüge mit einer JU 52 bei den Jubiläums-flugtagen des Deutschen Museums in Oberschleißheim,Vorführungen von Hinterglasmalern, Besenbindern undSchindelmachern im Waldmuseum Zwiesel im Bayeri-schen Wald oder Anfertigen von Tafeln und Griffeln imSchiefermuseum im oberfränkischen Ludwigsstadt: Fürnahezu alle Interessen und Alterstufen war etwas geboten.

Bei einer kleinen Rundtour des Berichterstatters imAlpenvorland südlich von München konnte die Band-breite der Veranstaltungen erlebt werden. Das Heimatmu-seum der Stadt Bad Tölz gewährte einen interessantenBlick hinter die Kulissen der Museumsarbeit. Im Mittel-punkt stand die Vorbereitung einer Ausstellung über dieEntwicklung der Tracht in Tölz und Umgebung. Mu-seumsmitarbeiter erklärten die Schritte der Textilinventa-risation und den richtigen Umgang, vor allem bei derLagerung, mit diesen empfindlichen Materialien. Auf be-sonderes Interesse stieß auch die Herstellung der maß-gearbeiteten Figurinen, die – nach Vorbild des Germa-nischen Nationalmuseums in Nürnberg – für jedes Klei-dungsstück peinlich genau angefertigt wurden. Danebenhatten Museumsleiterin Gabriela Freudenthal und ihreMannschaft auch für das leibliche Wohl ihrer Besuchergesorgt, die sich bei einem musikalischen Frühschoppenstärken konnten. Auf junge Gäste wartete ein Malwett-bewerb mit attraktiven Preisen.

Im Murnauer „Münterhaus“, dem von Wassily Kandinskyund Gabriele Münter in den Tagen des Blauen Reiters be-wohnten „Russenhaus“, herrschte reger Betrieb. Bereitskurz nach Mittag waren mit rund 150 Personen mehr Be-sucher zu verzeichnen als an einem ganzen „normalen“Sonntag. „Ja, wenn’s nix kostet, dann kommen halt dieLeute“, so der Kommentar der freundlichen Kassenkraft.Hochbetrieb auch im Murnauer Schlossmuseum, das aberauch sonst nicht über mangelnden Besucherzuspruch zuklagen hat. Hier hielt man vor allem für Kinder Attraktionen

AKTUELLES – BERICHTE 43

Anfertigung passgenauer Büsten für eine Trachtenausstellung imHeimatmuseum Bad Tölz

Das Heimatmuseum Bad Tölz am 18.5.2003

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bereit, etwa Suchspiele zum „Blauen Reiter“ oder spieleri-sche Bildbetrachtungen. Groß war der Andrang beim krea-tiven Gestalten phantasievoller Postkarten – auch hierstanden die Künstler des „Blauen Reiters“ Pate.

Das Motto „Museen haben Freunde“ wurde am Mu-seumstag aber wohl in keinem Museum so augenfällig alsim Stadtmuseum Penzberg. Voll berechtigten Stolzeskonnte Museumsleiterin Gisela Geiger der Öffentlichkeitan diesem Tag eine besondere Neuerwerbung präsen-tieren: eine aquarellierte Zeichnung von Ernst LudwigKirchner aus dem Jahr 1912. Sie stellt Franz und MariaMarc bei einem Besuch in Kirchners Atelier in Berlin darund ist damit auch ein wichtiges Zeugnis von den Kontak-ten zwischen den Malern der „Brücke“ und des „Blauen

Reiters“. Fast märchenhaft klingt die Erwerbungs-geschichte: Die Museumsleiterin war schon seit einigerZeit mit dem Ehepaar Herbert und Wilma Campendonck,Nachfahren des gleichnamigen Brückemalers, in Kontakt,nicht zuletzt, um eine Campendonck-Ausstellung vorzu-bereiten. Als die Besitzer des Blattes von dem diesjähri-gen Motto des Internationalen Museumstags hörten,schenkten sie das Aquarell kurzerhand dem Museum, einBeispiel, das Schule machen sollte…

Dem Besucher wurde der Internationale Museumstag an-gesichts des breiten Angebots schier zu kurz und somusste darauf verzichtet werden, den Tag der offenen Türvon Kaulbach-Villa und Dorfmuseum in Ohlstadt zu nut-zen oder im Ludwig II.-Schloss Linderhof unter demMotto „Die Kehrseite von Linderhof“ einen Blick hinter dieKulissen der Schlösserverwaltung zu tun oder einer Früh-lingssoiree am Maurischen Kiosk zu lauschen. Doch esbleibt der Trost: Der Internationale Museumstag kommtwieder, genauer gesagt am 16. Mai 2004.

Wolfgang Stäbler

AKTUELLES – BERICHTE44

Eine wertvolle Freundesgabe zum Internationalen Museumstagfür das Stadtmuseum Penzberg: ein Aquarell von Ernst LudwigKirchner

Kinder fertigen Postkarten in der Museumswerkstatt des Schloss-museums Murnau

Besucherandrang vor dem Münter-Haus Murnau

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MUSEEN VERNETZT – WEGE DER ZUSAMMENARBEIT12. Bayerischer Museumstag in Weißenburg

„Museen vernetzt – Wege der Zusammenarbeit“: Mit die-sem Motto des 12. Bayerischen Museumstags wollte dieLandesstelle für die nichtstaatlichen Museen einen Im-puls zu mehr Kooperation im Museumsbereich geben.Rund 300 Museumsfachleute aus Bayern, aber auch an-deren Bundesländern und Österreich, diskutierten von 2.-4. Juli 2003 in Weißenburg, wie sie ihre Handlungs-spielräume durch Kooperationen beispielsweise in denBereichen Museumssammlung, Ausstellung oder Wer-bung erweitern können.

Durch die Vorstellung von beispielhaften Vernetzungspro-jekten sollten die Museumsleiter und -mitarbeiter ange-regt werden, noch stärker als bisher Chancen für die Zu-sammenarbeit zu nutzen und neue Partnerschaften ein-zugehen. Gerade in Zeiten enger werdender finanziellerSpielräume gewinnt eine solche Zusammenarbeit unter-einander, aber auch mit Partnern aus anderen Bereichenwie z. B. der Tourismusbranche ganz neue Bedeutung.Kooperationen, Netzwerke, Ausstellungsverbünde, Ar-beitsgemeinschaften und regionale Werbepartnerschaf-ten sind heute für die Museen nahezu unentbehrlicheInstrumente, um die eigenen Kräfte zu verstärken.

In guter Tradition eröffnete Staatsminister Hans Zehet-mair auch in diesem Jahr wieder den Museumstag undbetonte in seiner Rede, den Wert von Kooperation undVernetzung. Gerade im Kulturbereich seien Teamfähigkeitund Offenheit für gemeinsames Handeln Grundbedingun-gen des Erfolgs.

Prof. Dr. Max Fuchs, Vorsitzender des Deutschen Kultur-rates, rief die Museen in einem profunden Eingangsvor-

trag unter dem Titel „Gemeinsam sind wir stark!“ dazuauf, eine Kultur der Kooperation zu entwickeln, die dannbesonders greifen kann, wenn es Konflikte gibt und einKompromiss gefunden werden muss. Die potentiellenKooperationspartner seien gerade im Kulturbereich kei-neswegs als Konkurrenten oder potentielle Abwerber vonNutzern zu verstehen. Stattdessen belege eine neue Stu-die, dass Menschen, die das eine Kulturangebot nutzen,auch für weitere Angebote zu interessieren seien. Koope-ration bringe also eher mehr Besucher, als dass man sichfürchten müsse, solche durch die Konkurrenz zu verlie-ren. Daraufhin forderte Fuchs die Museen auf, sich aktivin die aktuellen kulturpolitischen Diskurse einzubringen:Er beleuchtete in diesem Zusammenhang die Bildungs-funktion der Museen für den Einzelnen sowie deren Kul-turfunktion für die Gesellschaft. Nur in einem funktionie-renden Netzwerk unterschiedlicher Kultur- und Bildungs-orte könne Bildung, die neben Wissen auch das Emotio-nale und die Fantasie sowie das politische und kulturelleEngagement einschließe, realisiert werden. Neben der

AKTUELLES – BERICHTE 45

Staatsminister Zehetmair eröffnete den Bayerischen Museums-tag 2003

Stadtrundgang: Teilnehmer des Museumstags vor dem EllingerTor in Weißenburg

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Bildungsfunktion von Museen für den Einzelnen müsstenalle Kulturbetriebe aber auch ihre Bedeutung für die Ge-sellschaft herausarbeiten. Diese begründe nicht nurgegenüber der Öffentlichkeit die gesellschaftliche Bedeu-tung der Kultur – gerade in Zeiten enger Finanzen wich-tig! –, sondern diene gleichzeitig einer Selbstreflexion,welche die eigene Arbeit kritisch überprüfe und in die ak-tuellen gesellschaftlichen Diskurse einbinde.

Nach diesem anregenden, theoriebetonten Einführungs-vortrag leiteten die Vorträge von Dr. Andrea Kluxen, Kul-turreferentin des Bezirks Mittelfranken, und Dr. BärbelKleindorfer-Marx vom Museumsreferat des LandkreisesCham zu konkreten Beispielen der Vernetzung von Kul-turbetrieben durch die gezielte Kulturarbeit eines Bezirksoder Landkreises, also „von oben“, über. Das „ChamerModell“ sieht dabei eine flächendeckende Museums-betreuung aller Museen des Landkreises durch einhauptamtliches Museumsreferat vor. Die Fachkräfte be-raten die kleinen Museen der Region in Sachen Konzep-tion, Organisation und Öffentlichkeitsarbeit. Durch diesequalifizierte Betreuung ist es dem Landkreis gelungen,sein überregional wirksames, kulturelles Profil zu ent-wickeln.

Vernetzung „von unten“, also von den Museen selbstausgehend, war Thema der folgenden Vorträge. So stellteDr. Hans-Martin Hinz, Präsident der deutschen Sektiondes internationalen Museumsrats ICOM, Vorteile der Mit-arbeit in Museumsverbünden heraus. Diese böten Foren,die dem Aufbau langfristiger Netzwerke dienen könnten.Gleichzeitig seien Verbände als Interessenvertreter ge-genüber Politik und Gesellschaft tätig, die, gleichsam alsLobbyisten, die Ansprüche der Museen in der Öffentlich-keit wahrten.

Die nächsten Referate diskutierten Chancen und Risikeninternationaler und nationaler Museumsprojekte mit meh-reren teilnehmenden Museen. Wilhelm Siemen M. A.,Leiter des Deutschen Porzellanmuseums Hohenberg a. d.Eger und des Europäischen Industriemuseums für Por-zellan und Technische Keramik Selb-Plößberg, stellte mit„Ceramics Culture Innovations“ ein internationales Kultur-projekt im Rahmen des EU-Programms „Culture 2000“vor. Detailliert schilderte er seine langjährigen Erfahrun-gen mit EU-weiter, internationaler Projektarbeit. Trotz allerRisiken, mühevoller Kleinarbeit und mancher Enttäu-schung über das zu Erreichende, betonte er in seinemResümee die in einer gemeinsamen europäischen Vernet-zung liegenden Chancen für die Zukunft. Herbert MayM. A., Fränkisches Freilandmuseum Bad Windsheim, be-richtete im Anschluss daran über den überregionalenAusstellungsverbund „Arbeit und Leben auf dem Lande“

AKTUELLES – BERICHTE46

Der traditionelle Staatsempfang, Gelegenheit zum Kennenlernenund Diskutieren: Vielleicht der Beginn manch künftiger Zusam-menarbeit?

Die Thermenanlage in Weißenburg gab eine Vorstellung von römi-scher Badekultur

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fünf deutscher Freilichtmuseen. Gemeinsam produzierteWechselausstellungen und wissenschaftliche Katalogeermöglichen die Ausnutzung von Synergieeffekten aufder einen, und den Nord-Süd-Vergleich bei der Aufarbei-tung von Themen auf der anderen Seite. Trotz mancherReibungsverluste überwog auch hier die Zufriedenheitüber die gemeinsame, vernetzte Arbeit.

Beim anschließenden Ideenmarkt wurden in Kurzfassungverschiedenste weitere Kooperationsprojekte vorgestellt.Die Vernetzung einzelner Museen in thematisch oderregional organisierten Verbünden oder auch Werbepart-nerschaften wurden dabei ebenso aufgezeigt wie bei-spielsweise Projekte der Zusammenarbeit mit der Touris-musbranche. Die Statements boten den Teilnehmern desMuseumstags die Möglichkeit, beispielhafte Ideen undProjekte aus der Praxis in kurzer, geraffter Form kennenzu lernen.

Mit der Bekanntgabe des Trägers des Bayerischen Mu-seumspreises 2003 durch die VersicherungskammerBayern bekam der Museumstag dann auch noch einenfeierlichen Höhepunkt: Der mit 10.000.- € dotierte Preisgeht in diesem Jahr an das Fabrikmuseum der Leoni-schen Industrie in Roth. In der Laudatio wurde vor allemdas herausragende Engagement der dort ehrenamtlichtätigen Mitarbeiter des Museums hervorgehoben. Desweiteren wurde die oben erwähnte Kulturarbeit des Land-kreises Cham mit einem Sonderpreis bedacht.

Interessante Exkursionen in die Museen Weißenburgsund der mittelfränkischen Umgebung rundeten die Ta-gung ab. Beim Staatsempfang, mit dem den bayerischenMuseumsleuten ganz offiziell für ihr Engagement gedanktwerden sollte, und den Empfängen von Stadt und Bezirkergaben sich für die Teilnehmer viele Gelegenheiten,gegenseitig Kontakte zu knüpfen. Somit war auch derMuseumstag selbst ein Mittel zum Zweck der aktiven Ver-netzung!

Mit der zum Museumstag erstellten Handreichung „Mu-seen vernetzt – Organisationen, Kooperationen, An-sprechpartner“ stellte die Landesstelle den Museumsleu-ten ein Handwerkszeug zur Verfügung, mit dem sich nochleichter Kooperationen mit unterschiedlichsten Partnernanbahnen lassen.

Ein Berichtsband wird die Referate des Bayerischen Mu-seumstags dokumentieren.

Monika Dreykorn

AKTUELLES – BERICHTE 47

Exkursion zu Zielen entlang des Limes, hier den Resten desKastells Sablonetum

Klöpplerinnen bei der Arbeit bei der Schlussveranstaltung desMuseumstages auf Burg Abenberg

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HYBRIDE RÄUME3. Szenographie Kolloquium, Dortmund 22.-24.1.2003

Bereits zum dritten Mal traf sich in den Räumlichkeitender DASA (Deutsche Arbeitsschutzausstellung) in Dort-mund ein kleiner Kreis von interessierten Fachleuten ausunterschiedlichsten Bereichen der Museums- und Kultur-arbeit im Rahmen eines Kolloquiums zum Thema „Szeno-graphie in Ausstellungen und Museen“. Im Mittelpunktder Veranstaltung, die auch in diesem Jahr internationalbesetzt war, standen Vorträge und Diskussionen zumThema „hybride Räume“. Darunter versteht man Räume,die reale und mediale Welt miteinander vermischen, auchMediaspace genannt.

Insgesamt zwanzig Referenten aus einem Netzwerk derMuseumsarbeit gaben in den drei Tagen der Veranstal-tung einen Einblick in ihre Arbeitsweise im Umgang mitszenographischer Inszenierung innerhalb von Sonderaus-stellungen, aber auch Dauerausstellungen in Museen. DieDiskussionsrunden wurden durch Vorträge sowohl nam-hafter Gestalter im Museumsbereich wie z. B. JohannesMilla (Milla & Partner, Stuttgart), Uwe R. Brückner (AtelierBrückner, Stuttgart und Hochschule für Kunst & Gestal-tung, Basel), Otto Steiner (Steiner Sarnen Schweiz, Sar-nen) als auch internationaler Museumsbetreuer wie u. a.Dominique Botbol (Cité des Sciences et de l’Industrie,Paris), Perttu Rastas (Museum of Contemporary Art –Kiasma, Helsinki) zum gegenseitigen Gedankenaus-tausch angeregt.

Um sowohl die Seite der Ausstellungsinitiatoren wie Mu-seumsorganisatoren und -leiter, Kulturreferenten und Ku-ratoren als auch die Seite der Ausstellungsgestaltung wieDozenten für den Fachbereich Medien, Design undGestaltung in dieser Veranstaltung mit Informationen zuversorgen, kamen u. a . folgende Schwerpunkt-Themenzur Sprache:

– Mediaspace: Bilder im Raum contra Bilder im Kopf– Dramaturgische Strukturen im inszenierten Raum– Navigation der Gestaltung – Zwischen Kuratoren, Auf-

traggebern und Szenographen– Einflüsse digitaler Medien auf die Ausstellungsge-

staltung– Der inszenierte Kunstraum– Erweiterung und Vertiefung des Raums durch neue

Medien– Wege zum virtuellen Museum

Innerhalb der Vorträge zeichnete sich eine Mischung auseher klassischem Umgang mit Medien und einem High-tech-Medieneinsatz ab. Zu einem klassischen Medien-umgang gehören Ton- und Filmstationen, Lichtinszenie-rungen, bewegliche Funktionsmodelle, Dioramen, etc.Aufwändige Großprojektionen, die von mehreren Besu-

chern gleichzeitig erlebbar sind, und virtuelle Kunsträume,auch „Caves“ genannt, gehören unter anderem zu denHigh-tech-Medien. Diese beziehen alle Dimensionen desRaumes mit ein und werden vom Besucher selbst mittelseiner speziellen Ausrüstung interaktiv beeinflusst. Bei je-dem erneuten Besuch eines solchen Raumes ergibt sichdadurch zwangsläufig auch ein neuer Weg des Erlebens.

Je nach Anforderung der Ausstellungsmacher und Zielder Inszenierung sollte jedoch immer eine Abwägungstattfinden, inwieweit der Medieneinsatz im Einzelfall derVermittlung eines Themas dient und dafür als geeignetesMittels einzusetzen ist, immer jedoch in Abhängigkeit dervorgegebenen Budgetierung der Ausstellung.

Um dem Ausstellungsbesucher mittels inszenatorischerGestaltung Inhalte zu vermitteln und auch komplexe Zu-sammenhänge nachvollziehbar und erlebbar zu machen,werden unterschiedliche Methoden eingesetzt. Manch-mal ist die Wiederherstellung historischer Räume (z. B.durch Projektion, Nachbau) oder auch eine räumlicheZeitinszenierung (z. B. Zeitachsen, Zeitreisen) ein Weg.Oft werden aber auch themenbezogene Inszenierungen(z. B. Kunsträume, Themenräume) erzeugt, in denen derBesucher Orientierung und Hintergrund findet. Licht- undToninstallationen, die im Zusammenspiel mit der räumli-chen Präsentation funktionieren, sind ebenfalls gestalteri-sche Mittel, die, reduziert auf das Wesentliche, Nähe zwi-schen Objekt und Besucher schaffen (z. B. eine Hörstellezu einem bestimmten Objekt), um Zusammenhänge emo-tional begreifbar zu machen. Aber auch Grafik und Textsind und bleiben wesentliche Gestaltungs- und Vermitt-lungsmedien, die als eigenständige Erzählebenen effekt-voll umgesetzt werden können.

AKTUELLES – BERICHTE48

Wanderausstellung „Unter die Haut“ des Deutschen MuseumsMünchen,1999-2003. Stationen: Lissabon, Siena, Tunis, London,Helsinki

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Die Intention von Veranstalter und Gestalter mündet oft indem Wunsch, eine Gesamtinszenierung umzusetzen, dieemotional anspricht und bewegt, didaktisch lehrt und be-lehrt und für ein breites Publikum angelegt ist. Dies führtimmer stärker dazu, dass auch im Museums- und Aus-stellungsbereich dramaturgische Elemente aus den Diszi-plinen Film, Theater und Literatur in die gestalterischeKonzeption mit einfließen.

Im Laufe der Tagung zeichnete sich ab, dass mittlerweileauch große Museen durch spürbare finanzielle Einschnit-te gezwungen sind, die Umsetzung und Durchführungder Gestaltung von Ausstellungen auf günstige undtrotzdem kreative und unkonventionelle Weise umzuset-zen. Dies führt dazu, dass inzwischen eine weniger auf-wändige aber bewusste Inszenierung zur Ausführungkommen muss, ohne dass dadurch der inhaltliche An-spruch der Veranstaltung leidet. Innerhalb der Gestal-tungsbranche ist damit Erfahrung und Kreativität in der

Umsetzung solcher Ideen besonders gefragt. Die Rela-tion zwischen den Kosten der Ausstellung und der zuvermittelnden inhaltlichen Aussage muss in einem ge-sunden und gegenüber der Öffentlichkeit vertretbarenVerhältnis stehen.

Allerdings geht es nicht um die Frage, wie viel Inszenie-rung möglich oder nötig ist. Grundsätzlich ist alles als Ins-zenierung zu betrachten, was versucht, Zusammenhängeverständlich und erlebbar zu machen, auf spannende undunkonventionelle Weise. Ohne Zweifel gehören professio-nelle Ausstellungsplanung und kreative Ausstellungsge-staltung zu den zentralen Erfolgsfaktoren, mit denen sichMuseen durch das vermitteln nachhaltiger Eindrücke undsinnlich erfahrbarer Sinnzusammenhänge von kommerzi-ellen Anbietern des Bildungs- und Unterhaltungsmarktesabheben müssen.

Eva-Maria Fleckenstein

AKTUELLES – BERICHTE 49

Ausstellung „Leibesvisitation – Blicke auf den Körper in fünf Jahrhunderten“ des Deutschen Hygiene-Museums Dresden, 1990/91

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KULTUR UND SIGHTSEEING: WAS DIE KULTURVOM TOURISMUS LERNEN KANNEine AsKI-Tagung in der Kunsthalle Bremen, 8.-9. Mai 2003

Kulturleute und Touristiker – häufig stehen sie sich eherskeptisch gegenüber. Zu gegensätzlich scheinen dieStandpunkte: Kulturleute sehen ihre Häuser oft als aussich selbst heraus wertvoll und nicht den Gesetzen desMarktes (und Marketings) unterworfen. Touristiker dage-gen pochen auf die Einbindung der kulturellen Angebotein Werbestrategien, auf konsequente Besucherorientie-rung und Einordnung in den multioptionalen Erlebnis-markt.

Diese Gräben jedoch nicht noch zu vertiefen, sondernVerständnis für die Positionen wecken und zu sehen, wasman von der anderen Seite lernen kann – das war das Zieleiner vom Arbeitskreis selbständiger Kultur-Institute e. V.(AsKI) ausgerichteten Fachtagung vom 8.-9. Mai 2003 inBremen.

Referenten aus dem Tourismusbereich stellten Erfahrun-gen aus dem Reisesektor vor und formulierten Wünschean die Kulturinstitutionen. Beispiele erfolgreich eingesetz-ter touristischer Strategien im Kulturbereich verdeutlich-ten die Chancen, die das Voneinander-Lernen und dieKooperation für alle Beteiligten bieten. Daraus seien imFolgenden einige Vorträge besonders hervorgehoben.

Prof. Dr. Axel Dreyer, Professor für Tourismuswirtschaftund Marketing an der Hochschule Harz, betonte dieWichtigkeit der konsequenten Ausrichtung auch kulturel-ler Angebote an den Maximen der Serviceorientierungund des Qualitätsmanagements. Ausgehend von den Er-fahrungen einer Untersuchung der „Straße der Romantik“empfahl er allen kulturellen Anbietern, sich ihre Angebotevon einem konsequenten Gästestandpunkt aus anzuse-hen. Dies beginne bei der Anfahrt (ist das Museum füreinen ortsunkundigen Besucher zu finden?), gehe überdie Empfangssituation im Hause (fühlt man sich beim An-kommen wohl? Gibt es Parkplätze, Toiletten, Gastrono-mie usw.?) und reiche bis hin zur gelungenen Verabschie-dung aus dem Haus (Hinweise auf weitere Ziele, Hotelsetc.). Diese „Kundenprozesse“, wie er es nannte, müss-ten auch in einem kulturellen Betrieb nach dem „Null-Fehler-Prinzip“ verlaufen, da sich negative Erfahrung zueinem viel höheren Prozentsatz weiterkommunizieren alspositive Erlebnisse. Aus eben diesem Grund sollte aucheine Kulturinstitution ein professionelles Beschwerdema-nagement einrichten und klare Ansprechpartner für Be-schwerden nennen. Denn häufig ließe sich hiermit vielÄrger abfangen und die Verantwortlichen wüssten überdie Schwächen ihres Hauses besser Bescheid. Darüberhinaus empfahl Dreyer, sich die Zielgruppe eines Mu-seums gut anzusehen. Besondere Bedeutung gewönnenin den letzten Jahren verstärkt die Mitglieder der „50+-Generation“. Auf die Wünsche und Bedürfnisse dieser

Zielgruppe, welche über genügend Zeit und Geld für Kul-turreisen verfüge, müsse in Zukunft verstärkt eingegan-gen werden.

Ähnliche Forderungen formulierte auch der AustralierNigel Cox, Leiter der Bereiche Bildung und Ausstellungendes Jüdischen Museums Berlin, in einem provozierenden,aufrüttelnden Vortrag. Er berichtete von der Einrichtungdes populären und laut Besucherzahlen äußerst erfolgrei-chen Te Papa Museums in Wellington, Neuseeland: Eshatte die Maxime, ein fröhlicher, geräuschvoller und infor-meller Ort zu werden. Dies führte unter anderem dazu,dass die Sicherheitssysteme radikal reduziert, dafür imGegenzug jedoch mehr Personal – „Hosts“, nicht Bewa-cher! – eingestellt wurde. Briefkästen, Wechselautoma-ten, eine Touristinformation, Wickelräume, Sitze, Park-plätze und Kinderprogramme rund um die Uhr versteht erals Selbstverständlichkeiten in einem besucherorientier-ten Museum. Aber nicht nur in die Infrastruktur eines Mu-seums solle die Besucherorientierung hineinspielen, auchdie Ausstellung selbst ist in der Pflicht. Texte in deut-schen Museen müssten z. B. radikal gekürzt und vonprofessionellen Autoren geschrieben werden, so Cox’Forderung. Schließlich existiere das Museum für die Be-sucher und nicht für die Angestellten!

Helena von Wersebe, Koordinatorin des Besucherdien-stes im Haus der Geschichte in Bonn, führte danach vor,wie der professionelle Besucherservice eines Museumaussehen kann. Die konsequente Erforschung des Besu-cherspektrums und deren jeweilige Interessen begleitetdie Angebotsgestaltung des Hauses der Geschichte. Zielder Ausstellung ist, Geschichte als Erlebnis zu vermitteln.Dies bedinge Konsequenzen für die Ausstellung wie dieAuthentizität der Darstellung, emotionale Nähe des Aus-stellungsthemas zur Lebenswirklichkeit der Besucher, dieSelbstbestimmung des Besuchers hinsichtlich Inhalt undAblauf seines Besuches sowie Visualität und Konkretheitder ausgestellten Objekte. Darüber hinaus gälte es aberauch die direkte Kommunikation mit dem Besucher zusuchen. Im Haus der Geschichte passiere dies überBegleitung der Besucher, Besucher-Rückmeldekarten,Gästebücher, ein professionelles Beschwerdemanage-ment und Kundenbindungsaktivitäten. Laufende Profes-sionalisierung des Ablaufes ist dabei Ziel der Arbeit. Dieswird unter anderem durch regelmäßige Trainings undFortbildungen, durch Evaluation, technische Unterstüt-zung wie z. B. ein computergestütztes Reservierungs-system und ständigen Austausch einzelner Abteilungengewährleistet.

Jürgen Mensendiek, langjähriger Vorsitzender des Kultur-ausschusses im Deutschen Tourismus Verband, und

AKTUELLES – BERICHTE50

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Dr. Ulrich Gill, Veranstalter von Kultur- und Bildungs-reisen, formulierten „Wunschzettel“ von Touristikern andie Kulturfachleute. Dazu gehören so „einfache“, abereindringlich vorgetragene Dinge wie die langfristige Pla-nung und Bekanntgabe von Ausstellungsterminen und-themen. Um buchbare Reisen zu Ausstellungen und Ver-anstaltungen zu organisieren, müssten Reiseveranstal-tern Daten und grobe Inhalte über eineinhalb Jahre vorherbekannt und zuverlässig buchbar sein! Die Vermittlung inden Häusern müsse den Reisegruppen angemessen(z. B. Sitzgelegenheiten für älteres Publikum) und für denReiseveranstalter planbar (Name der Führerin/des Füh-rers muss bekannt sein, Absprachen müssen eingehaltenwerden), schnell (z. B. die Bezahlung für die Gruppe) undattraktiv (Erlebnisqualität) ablaufen.

Als Beispiel, wie die erfolgreiche touristische Vermark-tung eines Kulturangebotes planbar ist, stellte HansDiers, Geschäftsführer der Kunsthalle Bremen, schließlichdas Marketingkonzept der äußerst erfolgreichenGroßausstellung „Van Gogh: Felder – Das Mohnfeld undder Künstlerstreit“ vor. Ziel der Ausstellung war, eineüberregional wirksame Ausstellung auf die Beine zu stel-len, die ein noch größeres Besucherpotential als bisheri-ge Ausstellungen nach Bremen ziehen sollte. Über ziel-gruppenspezifische Marketingmaßnahmen wie Messe-auftritte, eine Kundendatenbank und Multiplikatoren-arbeit (z. B. bei der Deutschen Zentrale für Tourismus)und durch ideenreiche überregionale Vermarktung gelanges der Kunsthalle, für die Ausstellung bundesweite Auf-merksamkeit zu erzeugen. Als einige Beispiele seien hiernur eine „Promotiontour“ mit einem auffaltbaren Mohn-blumenfeld durch Deutschlands Großstädte, Postkarten-und E-Card-Aktionen oder ein viersprachiger Internetauf-tritt genannt. Dies brachte einen ungeahnten Publikums-erfolg von 322.000 Besuchern, von denen 84 % nachBremen angereist kamen. In diesem Falle haben sich In-vestitionen in kulturelle Angebote sogar in barer Münzeausgezahlt. Das Modell der Bremer Kunsthalle kannsicherlich nicht für alle Museen maßgeblich sein, lag dasMarketingbudget der Ausstellung doch bei rund einer hal-ben Million Euro und die Planungszeit der Marketingkam-pagne bei zwei Jahren, doch gab es ein Beispiel, wohingute Zusammenarbeit zwischen Touristikern, Standort-werbern und Kulturfachleuten führen kann.

Weitere Vorträge zu speziellen Aspekten der touristischenVermarktung kultureller Angebote, wie zur strategischenKonzeption eines Markteintritts, zur Opposition von Tou-rismus und Kultur im europäischen Vergleich, zum Flo-rentinischen Kulturtourismus sowie zu den Spezifika derVermarktung einer Gedenkstätte wie Buchenwald runde-ten das Thema ab.

Die Tagung beleuchtete in kompakter und gebündelterForm vielfältige Aspekte des Spannungsfeldes von Kulturund Tourismus. Durch kompetente Referate und vielepraxisorientierte Vorträge gab sie den Teilnehmer reich-haltige Anregungen, die Grenzen zwischen Kultur undTourismus neu zu überdenken und vielleicht in einigenFällen zu überschreiten. Die Vorträge der Tagung sind –soweit sie bislang vorliegen – im Internet unter www.aski.org/fach2_2003.htm abrufbar.

Monika Dreykorn

AKTUELLES – BERICHTE 51

Bitte vormerken:

Der Internationale Museums-tag 2004 findet am Sonntag,dem 16. Mai statt.

Motto:„Kulturelle Tradition alslebendiges Erbe“

Infos:www.museumstag.de

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ARCHÄOLOGIE IM MUSEUMKurzbericht über eine Tagung in Ingolstadt

Am 10. Juni 2003 traf sich im Rahmen der Jahrestagungdes Süd- und Westdeutschen Altertümerverbandes dieArbeitsgemeinschaft „Archäologie im Museum“. Die Zu-sammenkunft mit etwa 80 Teilnehmern stand unter demMotto „Konzeption – Gestaltung – Umsetzung“. Die Ak-tualität dieses Generalthemas zeigt die Tatsache, dassder Museumsverband Brandenburg in seiner Zeitschrift„Museumsblatt“ im Mai 2003 einen inhaltlichen Schwer-punkt zum Bereich „Archäologie und Museum“ setzte.Die Referate der Ingolstädter Tagung sollen im Archäolo-gischen Nachrichtenblatt (Berlin) publiziert werden.

Die zum Teil stark kontrovers geführte Diskussion kon-zentrierte sich auf das Spannungsfeld zwischen Inszenie-rung und dem archäologischen Objekt selbst und dieFrage, ob die Inszenierungen dem Objekt noch gerechtwerden. Die meisten der präsentierten Beispiele, wie derBereich Altsteinzeit im Archäologischen Landesmuseumin Halle oder das Archäologische Landesmuseum inHerne/Westfalen, sind aufgrund der hohen Kosten für dieInneneinrichtung nur schwer mit archäologischen Regio-nalmuseen in Bayern, bei denen vielfach erst Grundbe-griffe archäologischer Museumsarbeit vermittelt werdenmüssen, zu vergleichen. Trotzdem zeichnete sich bei vie-len der vorgestellten Großprojekte eine Tendenz ab, denBesucher mit allen Sinnen einzubeziehen, was auch beikleineren Museen überlegenswert scheint. Im Beispielvon Halle geschieht dies durch einen hockenden Nean-dertaler in der Pose des Denkers von Rodin, der denBesucher zum Nachdenken über die vermeintliche Primi-tivität des Neandertalers anregen soll. In Herne gingendie Gestalter, die auch für die Archäologieausstellung„Menschen – Zeiten – Räume“ in Berlin und Bonn verant-wortlich zeichneten, einen Schritt weiter: In einem nachOriginalmaßen stilisiert nachgebauten frühchristlichenSakralraum mit gedämpfter Beleuchtung und kühlererTemperatur kann der Besucher den Weihrauch beiAnnäherung an die Vitrinen auch riechen. In die gleicheRichtung weist einer der in Herne aufgestellten Kubenzum Thema „Stadt im Mittelalter“: In einer Bodenvitrinewird ein einziges Exponat, ein hölzerner Überschuh zumÜberqueren der von Unrat übersäten Straßen, gezeigt.Auch hier werden Gerüche und zusätzlich die Boden-gestaltung zur sinnlichen Übermittlung der zentralen Aus-sage „Schmutz in der mittelalterlichen Stadt“ eingesetzt.Die Kritik der Tagungsteilnehmer entzündete sich vorallem an der Tatsache, dass bei einem derartigen kon-zeptionellen Ansatz leicht die Gefahr besteht, das Mu-seumsobjekt der Gesamtinszenierung unterzuordnen.

Insgesamt zeigte die Ingolstädter Tagung, wie wichtigeine Diskussion neuer musealer Konzepte archäologi-scher Museen in Deutschland ist. Die Arbeitsgemein-

schaft „Archäologie im Museum“ steht als Forum allenMuseen mit archäologischen Sammlungsbeständen offen(www.archaeologie-im-museum.de).

Christof Flügel

Literaturhinweise

Günter Bernhardt: Museen für Archäologie und ihre Interessenver-tretungen. Archäologische Informationen 25/1.2, 2002, S. 39-43

Yasmine Freigang: 250.000 Jahre Menschheitsgeschichte. Dasneue Westfälische Museum für Archäologie in Herne, Museums-blätter, Mitteilungen des Museumsverbandes Brandenburg2/2003, S. 16-17

Peter Kracht: In Hernes Unterwelt wartet ein Schatz der beson-deren Art. Das neue Westfälische Museum für Archäologie, AntikeWelt 34/3, 2003, S. 125-128

Peter Kracht: Museum Herne. Unterirdisch durch Westfalens Ge-schichte, Archäologie in Deutschland 4/2003, S. 66-67

Harald Meller: Museum Halle. Lebendige Urwelten, Archäologiein Deutschland 5/2003, S. 62-63

AKTUELLES – BERICHTE52

Inszenierung in den Weißenburger Thermen

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RÖMISCHE MUSEEN AM WELTKULTURERBE LIMES

Der „vordere obergermanisch-raetische Limes“ verläuftüber 550 km durch die Bundesländer Rheinland-Pfalz,Hessen, Bayern und Baden Württemberg. In den vergan-genen Jahren wurde unter Federführung des Landes-denkmalamtes Baden-Württemberg der Bestand dieseslängsten zusammenhängenden Bodendenkmals in Euro-pa von den Denkmalämtern der vier genannten Bundes-länder wissenschaftlich erfasst. Diese Dokumentation istBestandteil eines Anfang 2003 in Paris eingereichtenbundesländerübergreifenden Antrages an die UNESCO,den römischen Limes in Deutschland als Weltkulturerbeeintragen zu lassen.

Entwicklungsplan für die Museen am Limes

Teil des von der UNESCO geforderten Managementpla-nes für den Umgang mit dem zukünftigen WeltkulturerbeLimes ist ein Museums-Entwicklungsplan für die Museenam obergermanisch-raetischen Limes. Dieser hat ledig-lich den Charakter einer Empfehlung und nicht den einerRichtlinie wie etwa das Bayerische Museumsentwick-lungsprogramm von 1979.

Zur Vorbereitung fand auf Einladung des Landesdenkmal-amts Baden-Württemberg am 11. Juli 2002 in Stuttgartein Treffen von Vertretern der Museumsämter und -ver-bände der beteiligten Bundesländer, der Landesmuseenund der Arbeitsgruppe „Weltkulturerbe Limes“ statt. Diebayerischen Museen waren bei dieser Tagung durchDr. Christof Flügel (Landesstelle für die nichtstaatlichenMuseen in Bayern) und Dr. Bernd Steidl (ArchäologischeStaatssammlung München) vertreten. Der Limes-Mu-seumsplan benennt, wie das Beispiel Bayern zeigt, vierinstitutionelle Ebenen, die jeweils unterschiedliche Aufga-benstellungen haben:

1. Überregionale Zentralmuseen: Diese strategisch aneinzelnen Limesabschnitten gelegenen Museen the-matisieren übergreifend den Limes in einem Bundes-land, wie dies beispielsweise schon im LimesmuseumAalen verwirklicht wurde. Sie bieten Gesamtinforma-tionen zum Limes und zu übergeordneten Themen, wiez. B. zu historischen Hintergründen oder aktuellen For-schungstendenzen. Eine wichtige Aufgabe ist der Ver-weis auf die Schwerpunkt- und Regionalmuseen amLimes. Für Bayern wurde der Ausbau des Römermu-seums Weißenburg (Zweigmuseum der Archäologi-schen Staatssammlung) zu einem überregionalen Zent-ralmuseum am Limes empfohlen.

2. Schwerpunktmuseen zu regionalen Einzelthemen: Die-se Einrichtungen konzentrieren sich auf archäologi-

sche Besonderheiten im jeweiligen topographisch-re-gionalem Umfeld, wie beispielsweise die Darstellungder Beneficiarier (römische Straßenpolizei) im Römer-museum Obernburg a. Main.

3. Regionale Informationszentren: Sie thematisieren ein-zelne Kastellplätze oder Limesabschnitte. Die beste-henden Museen in nichtstaatlicher Trägerschaft ent-lang des Limes konzentrieren sich bereits auf die örtli-chen Gegebenheiten, um den Limes der Bevölkerungvor Ort zu vermitteln. Ein aktuelles Beispiel für dieseMuseumsebene, die für den bayerischen Limesab-schnitt von der Landesstelle für die nichtstaatlichenMuseen unterstützt wird, bildet der Aufbau einer römi-schen Abteilung im Schifffahrtsmuseum Wörth a. Main.

4. Lokale Informationspunkte: Hier werden Kastellplätzeoder typische Objekte entlang der Limesstrecke vorOrt ausgeschildert und dadurch im Gelände kenntlichgemacht. Die Beschilderung sollte nach einheitlichenVorgaben erfolgen, um das Bodendenkmal Limes län-derübergreifend erlebbar zu machen.

Deutsche Limeskommission

Im Rahmen einer Verwaltungsvereinbarung zwischen denWissenschaftsministern der Limes-Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinlandpfalz wurdedie Gründung der „Deutschen Limeskommission“ verein-bart. Die Limeskommission mit Sitz des auf drei Jahrebestellten Geschäftsführers Dr. Andreas Thiel im rekon-

AKTUELLES – BERICHTE 53

Der obergermanisch-rätische Limes Anfang des 3. Jh. n. Chr.

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struierten Limeskastell Saalburg bei Bad Homburg v. d. H.(Hessen) soll im wesentlichen das Kulturdenkmal Limesdokumentieren, die zukünftigen Forschungsarbeiten undSchutzmaßnahmen koordinieren und das archäologischeDenkmal Limes einer breiten Öffentlichkeit vermitteln. DerSchwerpunkt liegt auf denkmalpflegerischen Aspekten;die Museen am Limes stellen nicht die Hauptaufgabe derDeutschen Limeskommission dar. Eine wesentliche Aufga-be sieht die Limeskommission in der fachlichen Begleitungund Beratung von Rekonstruktionsvorhaben am Limes, fürdie im Rahmen des UNESCO-Antrages eigene Richtlinienfür den Nach- und Wiederaufbau entwickelt wurden.

Die Verwaltungsvereinbarung sieht die folgende Zusam-mensetzung der Deutschen Limeskommission vor:– Je ein Vertreter der Wissenschaftsministerien der be-

teiligten vier Länder,– je ein Vertreter der für die archäologische Denkmal-

pflege zuständigen Fachbehörde der vier Limes-Bun-desländer,

– ein Vertreter des Vereins „Deutsche Limes-Straße e.V.“,– ein Repräsentant der Hochschullehrer, die in Deutsch-

land das Fach Provinzialrömische Archäologie unter-richten,

– ein Angehöriger der Römisch-Germanischen Kommis-sion des Deutschen Archäologischen Institutes,

– ein Vertreter der „fachlich einschlägigen Museen amLimes“.

Vertretung der Museen am Limes

Besonders die Tatsache, dass etwa 40 Museen mit römi-schen Sammlungsbeständen am Limes nur durch eineneinzigen Vertreter für alle vier Limes-Bundesländer in derDeutschen Limeskommission repräsentiert werden sol-len, stieß bei vielen Museumskollegen auf Unverständnisund massive Kritik. Im Gegensatz zu Baden-Württem-berg, wo nach einer Organisationsreform jetzt sämtlichewichtigen archäologischen Museen am Limes der staatli-chen Bodendenkmalpflege und dem ihr angeschlossenenarchäologischen Landesmuseum zugeordnet sind, erfolgtz. B. die Vermittlung des Limes in Bayern hauptsächlichüber kommunale Museen in nichtstaatlicher Trägerschaft.

Auf Einladung der Landesstelle für die nichtstaatlichenMuseen in Bayern und der Archäologischen Staats-sammlung München trafen sich deshalb am 13. Februar2003 die Vertreter der Museen am Limes in Obernburga. Main, um ihre Kritik an der mangelnden Transparenzbei der Einrichtung der Deutschen Limeskommission undder in der Verwaltungsvereinbarung vorgeschlagenenMuseumsvertretung zu formulieren. Die Obernburger Ver-

sammlung konstituierte sich länderübergreifend als „Aus-schuss der Museen mit römischen Sammlungsbeständenam Limes“. Dieses Gremium wird künftig unabhängig vonder Deutschen Limeskommission die Interessen der Mu-seen am Limes bündeln und an den (die) Vertreter in derDeutschen Limeskommission weiterleiten. Der Kreis istoffen für weitere Museen am Limes.

Aus der Obernburger Versammlung wurde Dr. BerndSteidl, Archäologische Staatssammlung München, alskommissarischer Vertreter gewählt, mit dem Auftrag, beider konstituierenden Sitzung der Deutschen Limeskom-mission gemäß einer in der Verwaltungsvereinbarungfestgelegten Öffnungsklausel eine Aufstockung der Mu-seumsvertreter auf vier Personen (je ein Vertreter aus vierBundesländern) zu beantragen.

Wege der Zusammenarbeit

Bei der konstituierenden Sitzung der Deutschen Limes-kommission am 18. Juni 2003 in Esslingen, bei welcherder Präsident des Landesdenkmalamtes Baden-Württem-berg, Prof. Dr. D. Planck, zum Vorsitzenden gewählt wur-de, wurde der Wunsch nach Aufstockung der Zahl derMuseumsvertreter abgelehnt. Ausdrücklich begrüßt wurdeaber von der Deutschen Limeskommission die Gründungder „Arbeitsgemeinschaft römischer Museen am Limes“als von der Deutschen Limeskommission unabhängigeKommunikationsebene der Museen untereinander.

Am Rande des Bayerischen Museumstages fand am2. Juli 2003 in Weißenburg/Bayern ein weiteres Treffendes Obernburger Kreises statt. Dabei einigten sich dieTeilnehmer auf den Namen „Arbeitsgemeinschaft römi-scher Museen am Limes“. Eine Arbeitsgruppe soll einenSatzungsentwurf als Diskussionsgrundlage für die nächsteSitzung erarbeiten. Dr. Bernd Steidl wurde zunächst alskommissarischer Vertreter der AG bestätigt.

Räumlich bezieht sich die AG römischer Museen amLimes zunächst nur auf den vorderen obergermanisch-raetischen Limes im Sinne des UNESCO-Antrages. ImZuge einer geplanten Erweiterung des Weltkulturerbeskönnen dann weitere Limeslinien einbezogen werden.Notwendig ist zunächst die Dokumentation des musealenStatus Quo, insbesondere hinsichtlich der Ausstellungs-schwerpunkte, um thematische Abgrenzungen und einenÜberblick über neue Museumsprojekte, geplante Umge-staltungen und die Abstimmung von Aktionsprogrammenzu gewinnen. Dafür wird von den Museen der StadtAschaffenburg ein Fragebogen entworfen, der am nächs-ten Treffen zur Diskussion gestellt werden soll.

AKTUELLES – BERICHTE54

Page 57: BAYERISCHES DENKMALPFLEGE FAKTEN TENDENZEN HILFEN

Für die Zusammenarbeit der Museen untereinander wur-den regionale Ansprechpartner für die einzelnen Limes-abschnitte benannt:– Bayerischer Mainlimes und Koordination der Zusam-

menarbeit mit dem angrenzenden hessischen Gebiet:Dr. Gerhard Ermischer, Museen der Stadt Aschaffen-burg;

– Hessen: Dr. Sabine Hengster, Museum Steinheim;– Raetische Mauer im bayerischen Abschnitt: Dr. Mat-

thias Pausch, Entwicklungsgesellschaft Hesselbergund Römerkastell Ruffenhofen;

– Raetische Mauer im baden-württembergischen Ab-schnitt: Dr. Martin Kemkes, Archäologisches Landes-museum Baden-Württemberg, Fundarchiv Rastatt.

Für einzelne Limesabschnitte (z. B. Rheinland-Pfalz), diein Weißenburg nicht vertreten waren, konnte noch keinregionaler Ansprechpartner gefunden werden.

Die AG sieht ihren Arbeitsschwerpunkt in dem von derDeutschen Limeskommission nur am Rande berücksich-tigten Tätigkeitsfeld der Vermittlung im Museum. Die Er-gebnisse der AG römische Museen am Limes sollen inder Zeitschrift museum heute vorgestellt werden.

Zur Diskussion stand in Weißenburg auch, wie sich einezukünftige Zusammenarbeit der AG römischer Museenam Limes mit der Deutschen Limeskommission gestaltenkönnte. Als Wunsch an die Deutsche Limeskommissionherangetragen wurde beispielsweise der Wunsch nachoffenen Dateien mit Grafiken des Limesverlaufes, die vomjeweiligen Museumsträger selbst durch Eintragung regio-naler Fundpunkte auf die jeweiligen lokalen Bedürfnisseam Museumsstandort zugeschnitten werden können. Daes sich dabei um einen grafischen Grundbaustein jedesrömischen Museums am Limes handelt, wäre hier imBereich der Vorlagen, zu denen auch die unterschied-lichen Limesphasen mit Rekonstruktionszeichnungen derHolz- und Steintürme gehören, ein Ansatzpunkt zur Ko-operation der AG mit der Deutschen Limeskommissionerkennbar.

Falls die Deutsche Limeskommission hinsichtlich der Ge-staltung der römischen Museen am Limes Empfehlungenausspricht, können diese berücksichtigt werden, sofernes konzeptionell und finanziell für den jeweiligen (meistnichtstaatlichen) Museumsträger realisierbar sein sollte.Ein wesentliches Kriterium dürfte aber sein, dass dieDeutsche Limeskommission, im Gegensatz zu den Mu-seumsämtern der Limes-Bundesländer, aber selbst keineFördermittel vergeben kann.

Das nächste Treffen der AG römische Museen am Limesfindet voraussichtlich am 29. Oktober 2003 im Römer-museum Osterburken statt.

Christof Flügel

Ansprechpartner:Dr. Christof Flügel, Landesstelle für die nichtstaatlichenMuseen in Bayern, Referat Archäologische Museen, AlterHof 2, 80331 München, Tel. 089/210140-26, Fax -40; E-Mail [email protected]

Dr. Bernd Steidl, Archäologische Staatssammlung,Lerchenfeldstr. 2, 80538 München, Tel. 089/21124-441,Fax -401; E-Mail [email protected]

AKTUELLES – BERICHTE 55

Museum für Vor- und Frühgeschichte Gunzenhausen: Inszenie-rung Mithrasheiligtum bei Wachstein und Mercurstatuette ausdem Limeswachturm 14/12

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MENSCHEN? ZEITEN? RÄUME!Zur Archäologieausstellung in Berlin und Bonn

Vom 6.12.2002 bis zum 31.3.2002 fand im Martin-Gropi-us-Bau Berlin die von den deutschen Landesdenkmaläm-tern organisierte Ausstellung „Menschen – Zeiten – Räu-me. Archäologie in Deutschland“ statt, die anschließendin der Kunst- und Ausstellungshalle der BundesrepublikDeutschland in Bonn zu sehen ist (9.5.-24.8.2003). Fürdie Gestaltung dieser von den Veranstaltern als Bilanz-schau der deutschen Landesarchäologie angekündigtenAusstellung zeichnete das Atelier Brückner (Stuttgart)verantwortlich. Ziel der Präsentation war es, „die spekta-kulärsten und für den Fortschritt der Forschung wesent-lichsten Funde, Fundkomplexe und Themen der letzten25 Jahre“ zu vereinen (Rainer-Maria Weiss/Matthias Will).

Im Resultat zeigt sich diese den archäologischen Epo-chen folgende Archäologieausstellung als eine akademi-sche Ansammlung archäologischer Highlights aus allenBundesländern, die in dieser Form nicht wiederholbarsein wird. In der Masse der ausgestellten hochkarätigenExponate wird das Unikat aber unscheinbar: Eine spätan-tike Glasschliffschale aus Augsburg steht beispielsweiseim Themenbereich „Auf dem Land“ zusammenhanglosneben dem spätantiken Grabfund aus Wachenheim(Rheinland-Pfalz).

Grundlegend ist zu bemängeln, dass der nicht archäolo-gisch vorgebildete Besucher in dieser enzyklopädischenZusammenstellung mit etwa 5.000 Exponaten weitge-hend allein gelassen wird und die Objekte kaum in ihrenantiken Funktionszusammenhängen erläutert werden. Er-klärende Grafiken, beispielsweise zur Trachtrekonstruk-tion der im frühmittelalterlichen Gräberfeld von Lauch-heim (Baden-Württemberg) Bestatteten, fehlen. Der imAusstellungstitel zitierte „Mensch“ hinter dem archäologi-schen Objekt erschließt sich nur in den seltensten Fällendurch das Objekt selbst, beispielsweise im letzten The-menbereich „Archäologie des 20. Jahrhunderts“, wo ne-beneinander im Vergleich Geschirr und Besteck aus demFahrerbunker in Berlin, das Essgeschirr eines russischenSoldaten und eines KZ-Häftlings sowie Gläser und Be-steck aus dem im Zweiten Weltkrieg zerbombten BerlinerTraditionslokal Lutter und Wegner präsentiert werden.

Grundlegende Prinzipien der Informationsvermittlung imMuseum wurden der Ausstellungsgestaltung geopfert:Einführende Bereichstexte sind wie beim hallstattzeit-lichen Fürstengrab von Hochdorf soweit aufgelöst, dassSie auf ein umlaufendes einzeiliges Textband reduziertwerden, weshalb sich der Besucher die Basisinformationerlaufen muss. Leider ist gerade im Hochdorf-Raum durchdie Anordnung zweier parallel stehender Großvitrinen eineSackgasse in der Besucherführung vorprogrammiert.Ebenso erfordert die Objektbeschriftung, die auf schlecht

haftender, spiegelnder Plastikfolie direkt auf die Vitrinenaufgebracht wurde, teilweise detektivische Fähigkeiten,wie am Beispiel der merowingerzeitlichen Fünffachbestat-tung von der ICE-Trasse in Greding (Bayern) deutlich wird:Die etwa 3 x 5 m messende Grabfläche ist mit einer hüft-hohen Barriere aus Plexiglas abgegrenzt, auf der die er-klärende Objektbeschriftung aufgeklebt ist. Besuchernohne archäologische Vorbildung wird das Verständnis derAusstellungsobjekte zusätzlich durch die Art der Präsen-tation erschwert, wenn beispielsweise beim Thema „Kon-tinuität und Kulturwandel“ ein Grabkomplex des 1. Jahr-hunderts n. Chr. aus Wederath im Hunsrück auf gleicherEbene und räumlich kaum abgesetzt von einer Zwiebel-knopffibel des 4. Jahrhunderts n. Chr. präsentiert wird.

Die Gestalter versuchen, archäologische Themen raum-atmosphärisch umzusetzen. Die historischen Räume desGropiusbaus wurden dazu mit schräg gespannten, vonhinten beleuchteten transluzenten Folien, auf denen dieerklärenden Texte und Grafiken aufgedruckt sind, abge-spannt, die Vitrinen wurden bei der Bespannung ausge-spart. Bedingt durch das Gestaltungsprinzip wurde ver-sucht, auch die Bodenflächen passend zum jeweiligenRaumthema zu gestalten. Gelungen ist dies im Raum mitden paläontologischen Funden aus der Grube Messel(Hessen), der mit den dortigen Schieferplatten gestaltetist. Unfallträchtig ist die Bodengestaltung mit hölzernenLaufgittern in einem der nachfolgende Räume: Durch dieparallelen Holzstreben balancieren die Besucher unsicherüber den Boden, um nicht umzuknicken.

Archäologische Information wird bei der Bodengestaltunghäufig zum ornamentalen Design reduziert, wenn bei-spielsweise der Plan von Pfostenstellungen einer bronze-zeitlichen Pfahlbausiedlung am Bodensee oder der Plandes frühmittelalterlichen Gräberfeldes von Lauchheim(Baden-Württemberg) kommentarlos als Bodenmotiveverwendet werden. In die gleiche Richtung weist auch dieAneinanderreihung römischer Töpferstempel auf TerraSigillata als abschließende Dekorleiste im ersten Römer-raum. Bisweilen ist die Bodengestaltung auch nur durcheine begleitende Audioführung, die dem Besucher aufWunsch angeboten wird, verständlich, wie z. B. im Be-reich „In der Stadt“, wo die Fußbodengestaltung mitQuadraten die regelmäßige Einteilung römischer Städtezitieren soll. Leider ist gerade hier eine ziemliche Diskre-panz zwischen der archäologischen Realität und demgestalterischen Wunschdenken festzustellen, da in denNordwestprovinzen nur die wenigsten römischen Sied-lungen und Städte (z. B. Köln und Xanten) der in Italienverbreiteten Einteilung in Wohnviertel (insulae) folgen undmeistens als linear ausgerichtete Straßensiedlungen mitden charakteristischen langgestreckten Streifenhäusern

AKTUELLES – BERICHTE56

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„Scherbenkisten-Mosaik“ im Eingangsbereich der Berliner Ausstellung

ausgebildet sind. Diese Streifenhäuser werden zwar imWandtext erwähnt, eine sicher hilfreiche Idealrekonstruk-tion zur Visualisierung erfolgte aber nicht. Die klaustro-phobisch anmutende Zusammenstellung überfüllter quad-ratischer Vitrinen im Bereich „In der römischen Stadt“ sollmöglicherweise beim Besucher das Bild der Stadt asso-ziieren. Nachvollziehbar scheint hingegen die auf ins-gesamt acht Vitrinen verteilte Präsentation von TerraSigillata aus Rheinzabern in der Pfalz, die eindrucksvolldas Bild römischer Massenproduktion vermittelt. UmLuxus- oder Prunkgeschirr, wie im Objekttext zu lesen,handelt es sich dabei aber sicher nicht. Warum beim Be-reich „Römer“ überwiegend zivile Aspekte, aber nicht dasMilitär als prägender Faktor der auf deutschem Boden lie-genden Provinzen sowie das zukünftige WeltkulturerbeLimes nicht thematisiert wurden, ist nicht verständlich.

Die Bodengestaltung wird in einigen Bereichen ergänztdurch eine Rauminstallation, welche vom Motiv her teil-weise die Bodengestaltung aufnimmt und durch ständigeAkustik- und Lichteffekte verstärkt wird, was die Konzen-tration der Besucher auf die Objekte stark strapaziert. ImRaum über die Varusschlacht werden an Boden undWänden mittels Videobeamern flackernde Grablichter aufeinen dunklen Untergrund projiziert, welche die etwa20.000 gefallenen Römer symbolisieren. Nicht unbedingtzu toten Römern passend ist die akustische Untermalungdurch Herzklopfen, das den Besucher aber befällt, wenner im dunklen Raum nach Exponaten und den zugehöri-gen Objektbeschriftungen sucht.

Trotz dieser Kritik bietet die Ausstellung teilweise überra-schende Gestaltungslösungen, wenn das nur noch durch

AKTUELLES – BERICHTE 57

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Wikingerschiff, nachgebildet durch in Tütchen aufgehängte Schiffsnägel

Eisennägel nachweisbare Wikingerschiff von Groß-Strömkendorf in der Wismarer Bucht (Mecklenburg-Vor-pommern) durch abgehängte Plastiktüten mit jeweilseinem Eisennagel (aus konservatorischen Gründen inKopie), die den Umriss des Schiffes nachzeichnen, dar-gestellt wird. Viele Gestaltungsideen erklären sich denBesuchern aber nicht von alleine: Warum z. B. im Germa-nenraum das Fürstengrab von Gommern (Sachsen-An-halt) mit seinen zahlreichen Edelmetallbeigaben in einemSpiegelkabinett unter einem weißen Iglu, das vielleichteinen Grabhügel zitieren soll, präsentiert wird, bleibt dasGeheimnis der Ausstellungsgestalter. Andererseits setzenviele Gestaltungsideen bereits spezielle archäologischeGrundkenntnisse voraus, wenn beispielsweise der zumKeltenfürsten von Glauberg führende schmale Gang einebei der Grabung festgestellte „Prozessionsstraße“ zum

Grabhügel zitiert. Teilweise kommen gestalterische Ideenaber auch aufgrund räumlicher Zwänge nicht zur Wir-kung: Das Scherbenkisten-Mosaik in der Eingangshalle,welches den Umriss der Bundesrepublik nachzeichnet,würde sich dem Besucher nur von der leider nicht stän-dig zugänglichen Galerie aus erschließen. So bleibt derEindruck eines Scherbenmeeres, durch das der Besucherauf einem Holzsteg, flankiert von hochkarätigen Leitfun-den aus den einzelnen Bundesländern, gelotst wird. Diezugehörigen Erklärungen zu diesen „Leitfossilien“ findensich teilweise direkt am Boden selbst.

Die Tendenz der Berliner Ausstellung, nicht die Objekte,sondern die gestalterischen Ideen in den Vordergrund zustellen, zeigt sich besonders deutlich im Raum „Bronze-zeit“. Die Objekte sind hier in hölzernen Transportkisten

AKTUELLES – BERICHTE58

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mit Plexiglasabdeckung ausgestellt, die eine Assoziationzum Thema „Handel in der Bronzezeit“ hervorrufen sol-len, aber gerade durch ihre Banalität die ausgestelltenherausragenden Depotfunde bedeutungslos erscheinenlassen und so dem Besucher, der sich nicht die Mühemacht, den einführenden Raumtext zu suchen, ein falschesarchäologisches Bild vermitteln. Gerade leseunlustigeBesucher werden unwiderstehlich vom bronzezeitlichenGoldfund aus Bernstorf (Bayern) angezogen, der als „KeyVisualizer“ am Ende einer Gasse hölzerner Transport-kisten in einer klassischen Vitrinenpräsentation gezeigtwird, was auf eine Vorgabe des Leihgebers zurückgeht.Insgesamt ist es teilweise erstaunlich, dass manche Leih-geber einer Präsentation ihrer Objekte in der vorliegendenForm konservatorisch und sicherheitstechnisch zuge-stimmt haben: Die im Eingangsbereich als Leitfund fürSchleswig-Holstein ausgestellte Gesichtsmaske aus demThorsberger Moorfund ist unter einem einfachen Glas-sturz ausgestellt. Ein germanischer Holzschemel des5. Jahrhunderts n. Chr. von der Fallward bei Wremen (Nie-dersachsen) ist in Berlin ohne Staubabdeckung und Re-gelung der Luftfeuchtigkeit präsentiert. Demgegenüberstehen aufwendige Sonderkonstruktionen zum Schutzder archäologischen Objekte, wie dies bei einem fragilenHolzspeer der Altsteinzeit aus Schöningen (Niedersach-sen) der Fall ist, der in einem schwach beleuchteten Was-serbad mit UV-Filter ausgestellt wird.

Trotz dem überall erkenntlichen Diktat des Designs ist dieAusstellung „Menschen – Zeiten – Räume“ nicht nur fürArchäologie-Studenten kurz vor dem Rigorosum und fürFachwissenschaftler, sondern wegen der Fülle ästhetischansprechender Funde auch für den Normalbesucher, fürden das Objekt im Mittelpunkt steht, unbedingt empfeh-

lenswert. Vertiefende Information zur kulturhistorischenEinordnung dieser Funde erhält der interessierte Laieaber ausschließlich durch das Studium des 400 Seitenumfassenden Kataloges, nicht in der Ausstellung selbst.Durch die Fülle der bedeutenden Exponate und ihre mu-seologisch oft unzureichende Präsentation verliert aberder Besucher die herausragenden Leistungen der Lan-desarchäologie und ihrer aktuellen Probleme mit drasti-schen Personal- und Mittelkürzungen bei zunehmendenNotgrabungen aus dem Blick. Leider wurde die Chancevertan, die geschichtliche und gesellschaftliche Bedeu-tung der archäologischen Denkmalpflege in Deutschlandaufzuzeigen. Es findet keine Annäherung an die Lebens-welten der Menschen in vor- und frühgeschichtlicher Zeitstatt. Die Fülle bedeutender Objekte, davon viele ausEdelmetall, vermittelt unkritischen Besuchern leicht dasfalsche Bild von „Archäologie als Schatzsuche“. StattInformationen über Menschen und Zeiten bleiben die ins-zenierten Ausstellungsräume im Gedächtnis haften. Dieim letzten Raum rhetorisch gestellte Frage „Wer machtArchäologie?“ bleibt wohl für die meisten Besucher un-beantwortet.

Christof Flügel

Literatur:

Menschen – Zeiten – Räume. Archäologie in Deutschland, Aus-stellungskatalog, Stuttgart 2002Uta von Freeden/Siegmar von Schnurbein: Spuren der Jahrtau-sende. Archäologie und Geschichte in Deutschland, Stuttgart2002Marion Meier: Perfekte Planung, plötzliche Pannen. Die Entste-hung der Ausstellung „Menschen – Zeiten – Räume“, P. M. Per-spektive 70/4, 2002, S. 25-29C. Sebastian Sommer: Total föderal. Ausstellung „Menschen –Zeiten – Räüme, Archäologie in Deutschland“ in Berlin eröffnet,Denkmalpflege Informationen B 124/ März 2003, S. 70 f.Rainer-Maria Weiss/Matthias Will: Archäologie in Deutschland.Menschen, Zeiten, Räume. Museums Journal 16/4, 2002, S. 17-20www.archaeologie-in-deutschland.de

AKTUELLES – BERICHTE 59

Großvitrinen mit Funden aus dem Fürstengrab von Hochdorf

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AUF DEN SPUREN VON FASANENWÄRTERN,POLIZISTEN UND BAUFORSCHERNEine neue Dauerausstellung im WestfälischenFreilichtmuseum Detmold

„Betreten der Baustelle ERWÜNSCHT“ ist das Motto ei-ner neuen Dauerausstellung, die seit dem 8. September2002 in der früheren Fasanerie im Westfälischen Freilicht-museum Detmold – Landesmuseum für Volkskunde – zusehen ist. Diesem Gebäude kommt unter den über 100historischen Bauobjekten des vom LandschaftsverbandWestfalen-Lippe getragenen Museums eine besondereBedeutung zu: Neben dem „Krummen Haus“, um 1690als gräflich-lippische Orangerie erbaut und heute von derMuseumsverwaltung genutzt, ist die ehemalige Fasaneriedas einzige Bauwerk im Gelände des Freilichtmuseums,das nicht transloziert worden ist, sondern sich bis heute„in situ“, also an seinem Originalstandort, befindet. Daherbot es sich an, hier eine Dauerausstellung zu installieren,die an diesem konkreten Beispiel über Befunde, Quellenund Methoden der historischen Bau- und Hausforschunginformiert – und zugleich die ungewöhnliche Geschichteder ehemaligen fürstlichen Fasanerie erzählt.

Von der Fasanerie zur Polizeiwache: Zur Geschichte desGebäudes

Das Westfälische Freilichtmuseum Detmold befindet sichauf historischem Boden: Seit dem 17. Jahrhundert wurdedas heutige Museumsgelände vor den Toren der ehema-ligen Residenzstadt Detmold von den Grafen (seit 1789Fürsten) zur Lippe genutzt. Neben einer barocken Lust-gartenanlage unterhalb des „Krummen Hauses“, derenReste noch heute sichtbar sind, entstand schon 1708eine erste Fasanerie, die aber bald wieder aufgegebenwurde.1 1819 ließ Fürst Leopold II. zur Lippe einen „Tier-garten“ zur Aufzucht von jagdbarem Damwild anlegenund mit einer ca. 2,90 m hohen Bruchsteinmauer einfrie-den, deren Reste noch heute im Museumsgelände erhal-ten sind. 1836 planten Leopold und sein Hofjägermeistervon Donop die Errichtung einer Fasanerie im Tiergarten;den Entwurf lieferte der lippische Landbaumeister Ferdi-nand Brune (1803-1857). Es entstand ein schlichter, ein-geschossiger Bruchsteinbau mit Satteldach, der in seinemMittelteil die Wohnung für den „Fasanenjäger“ aufnahmund in den beiden niedrigeren Seitenflügeln Brutkammernund Aufzuchtställe für die Fasanen enthielt. Die erhalte-nen Bauzeichnungen zeigen außerdem Zwinger, die bei-derseits eines Hofes vor dem Gebäude angelegt waren.2

1837 bezog der „Fasanenjäger“ Ludwig Römer mit seinerFamilie die soeben fertiggestellte Fasanerie und begannmit der äußerst schwierigen Aufzucht der Fasanen: DieEier mussten von Hühnern oder Puten ausgebrütet wer-den. Zeitweilig waren drei „Ameisensammler“ angestellt,die in den lippischen Wäldern nach Ameiseneiern bzw.Puppen suchen mussten, mit denen die Fasanenkükengefüttert wurden. Dennoch war das Unternehmen wenig

erfolgreich: 1846 wurden nur 56 alte und 110 junge Fasa-nen gezählt – zu wenig für eine fürstliche Gesellschafts-jagd. Die Räume der Fasanerie waren für die Kükenauf-zucht zu kalt und zu feucht. Auch war man der Ansicht,der Fasanenwärter Römer sei „seiner Aufgabe nicht vollund ganz gewachsen“. Im Januar 1849 wurde die Fasa-nenaufzucht schließlich eingestellt.3

Im selben Jahr wurde eine Außenstelle des fürstlich lippi-schen Sennergestüts Lopshorn in den Detmolder Tiergar-ten verlegt. Nun wurden hier die berühmten Sennerpfer-de gezüchtet, an deren Erhaltung sich das Freilichtmuse-um heute aktiv beteiligt. Nach der Abdankung des lippi-schen Fürsten 1918 übernahm der „Verband lippischerPferdezüchter“ den Betrieb des Gestüts in Lopshorn undrichtete dort 1920 eine Reit- und Fahrschule ein, die 1928mit dem gesamten Gestüt in den Tiergarten nach Det-mold verlegt wurde. In der früheren Fasanerie wohnte derSattelmeister Sobczak; in den Seitenflügeln waren Pfer-deställe untergebracht. Zahlreiche Reitschüler wurdenhier im Reiten und Kutschfahren ausgebildet; vielestammten von Bauernhöfen der Umgebung.4

1934 übernahm die SA das Gelände im Tiergarten underrichtete eine „SA-Reitschule“; schon ein Jahr späterwurden neue Pferdeställe und Mannschaftsunterkünftegebaut. Zugleich wurde die Pferdezucht eingestellt. 1936zog schließlich eine „motorisierte Gendarmerie-Bereit-schaft“ in die neuen Gebäude ein – im Tiergarten ent-stand eine Polizeikaserne. Die Aufgabe dieser neuen Po-lizei war die Überwachung des wachsenden Kraftfahr-zeugverkehrs auf den Fernstraßen und Reichsautobah-nen. Die Fasanerie wurde nun als Wachgebäude genutzt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg dienten die Gebäude imTiergarten vorübergehend Flüchtlingen und Studenten

AKTUELLES – BERICHTE60

Westfälisches Freilichtmuseum Detmold, ehemalige Fasanerievon 1836/37, Zustand 1999; links der Eingang zur Ausstellungmit Rampe

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der 1947 gegründeten Detmolder Musikhochschule alsUnterkunft. 1949/50 kehrte die Polizei in den Tiergartenzurück; ab 1950 befand sich hier die „Verkehrsüberwa-chungsbereitschaft im Landespolizeibezirk Nord“ desLandes Nordrhein-Westfalen. 1960 wurde der frühereTiergarten Teil des neu gegründeten Westfälischen Frei-lichtmuseums, das 1971 eröffnet wurde. Doch sollte esnoch bis 1975 dauern, bis die Polizei aus dem Tiergartenauszog. Nun übernahm das Museum die ehemalige Poli-zeistation und nutzte die Gebäude zunächst als vorläufigeMagazine und Restaurierungswerkstätten.5

Bauforschung und Baugeschichte am konkreten Beispiel: Eine „begehbare Baustelle“

„Wo sind denn nun die Fasanen?“ wurde der Wirt der be-nachbarten Museumsgaststätte „Tiergarten-Krug“ in denletzten Jahren häufiger von Besuchern gefragt, die Hin-weisschildern im Gelände mit der Aufschrift „Fasanerie“gefolgt waren. Eine Wiederbelebung der Fasanerie durchdas Museum war freilich nicht beabsichtigt – sie wäre indem vielfach veränderten Gebäude ohnehin nicht mög-lich gewesen. Ein begonnener Umbau zu Büro- undWerkstatträumen des Museums wurde Mitte der 80erJahre gestoppt, als bei der Entfernung jüngerer Fußbö-den und Wandverkleidungen unerwartet reiche Baube-funde aus der Bauzeit der Fasanerie sowie vielfältigeSpuren späterer Veränderungen zum Vorschein kamen.Daraufhin wurden alle Planungen zu einer Neunutzungzurückgestellt und zunächst einmal gründliche bauhisto-rische und restauratorische Untersuchungen durchge-führt. Die umfangreichen Archivbestände zur fürstlichenFasanerie und ihren Folgenutzungen wurden ausgewertetund Gespräche mit Zeitzeugen geführt, die sich noch andie Nutzung als Reit- und Fahrschule sowie als Polizei-station erinnern und historisches Bildmaterial beisteuernkonnten.6

War zunächst geplant, die Fasanerie in einem frühen Zu-stand der Zeit um 1840 zu rekonstruieren, so entschlossman sich bald, auch die jüngeren Veränderungen beizu-behalten und ein differenziertes Konzept zu entwickeln.Während der linke Seitenflügel 1995 zu einem modernenSonderausstellungsraum ausgebaut wurde, sollte im Mit-telteil und im rechten Flügel eine Dauerausstellung zu denThemen Bauforschung und Baugeschichte entstehen.7

Museumsleitung und beteiligte Wissenschaftler begriffendie fast vollständig erhaltene historische Bausubstanz derFasanerie mit ihren vielfältigen Befunden und historischenBezügen als einmalige Chance, hier den Besuchern dieMethoden der historischen Bauforschung, wie sie bei der

Dokumentation der Museumsbauten angewandt werden,exemplarisch zu vermitteln – und zugleich die spannendeBau- und Nutzungsgeschichte dieses Gebäudes zu er-zählen. Weitere Überlegungen führten zu dem Ent-schluss, die Fasanerie nicht „zu Ende“ zu restaurieren,sondern in dem vorgefundenen „Baustellenzustand“ zubelassen und die sichtbaren Befunde und Freilegungenlediglich zu konservieren. Dazu wurde eine Temperieran-lage eingebaut; „besucherberührte“ Teile der empfind-lichen historischen Wandoberflächen wurden mit Plexi-glastafeln geschützt. Die bereits entfernten jüngeren Est-riche und Fußböden wurden nicht wieder eingebaut;stattdessen verlegte man breite Laufgänge aus moder-nen Gerüstbauteilen und Spanplatten, auf denen sich dieBesucher wie bei einer begehbaren Ausgrabung durchdie „Baustelle“ bewegen können. Um die Ausstellung fürRollstuhlfahrer zugänglich zu machen und gleichzeitig

AKTUELLES – BERICHTE 61

Eingangsinszenierung: Mörtelmischmaschine mit präpariertenFasanen

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einen ungestörten Rundgang zu ermöglichen, wurde alsZugang nicht der historische Mitteleingang gewählt, son-dern der bestehende Sonderausstellungsraum im linkenSeitenflügel, der bereits über eine Rampe behindertenge-recht erschlossen war.

Bei der konkreten Planung der Ausstellung wurde einezurückhaltende, aber klare graphische Gestaltung in Ver-bindung mit einem wirkungsvollen Beleuchtungskonzeptentwickelt – in bewusstem Kontrast zu dem rohen „Bau-stellencharakter“ der historischen Räume:8 Knappe „Leit-texte“ auf Hängebannern erklären ursprüngliche und ge-wandelte Raumfunktionen (Küche, Stube, Schlafkammer,Stall usw.); zusätzliche Informationen sowie Reproduktio-nen von Archivquellen und historischen Fotos werden aufText-/Bildtafeln angeboten. Ausgewählte Objekte und an-gedeutete Inszenierungen veranschaulichen die gewan-

delten Nutzungen des Hauses (Fasanerie – Reitschule –Polizeiwache). Hauptexponat ist aber – wie in einem Frei-lichtmuseum nicht anders zu erwarten – das historischeGebäude selbst mit seinen zahlreichen sichtbaren Bau-befunden, die auf vielfältige Weise „zum Sprechen ge-bracht“ werden.

„Betreten erwünscht“: Ein Rundgang durch die Ausstel-lung

Ein ausgestopftes Fasanenpärchen auf einer Mörtel-mischmaschine begrüßt die Besucher im ersten Raumder Ausstellung. Diese ungewöhnliche Inszenierung willneugierig machen auf die „begehbare Baustelle“ und zueiner Entdeckungsreise durch die wechselvolle Ge-schichte der ehemaligen Fasanerie einladen.

Der folgende Ausstellungsraum gibt einen Überblick überdie Bau- und Nutzungsgeschichte des Gebäudes. Zu-gleich werden die wichtigsten Quellengruppen vorge-stellt, die der historischen Bauforschung neben dem Ge-bäude selbst zur Verfügung stehen: Archivquellen, histo-rische Karten, Pläne und Bilddokumente sowie die Befra-gung von Zeitzeugen („oral history“). Ein nachgestellterArbeitsplatz aus der Polizeiwache der Zeit um 1970 stehtfür die jüngste Nutzungsphase des Gebäudes. Im Ver-gleich mit einem Großfoto der originalen Wachstube inder früheren Fasanerie können die Besucher typischeObjekte des damaligen Polizeialltags wiedererkennen:Telefon, Funkgerät, Wachbuch und Schreibmaschine undnicht zuletzt die von vielen Autofahrern gefürchtete „Poli-zeikelle“, im Behördendeutsch „Anhaltestab“ genannt.9

Von historischen Fotos und Interview-Zitaten zur Arbeitder Detmolder „Verkehrsüberwachungsbereitschaft“ gehtder Blick zurück auf Bilder und Dokumente aus denfrüheren Nutzungsphasen des Gebäudes.

Mit dem anschließenden Hausflur betreten die Besucherden ursprünglichen Eingangsraum der Fasanerie, dessenoriginaler Steinplattenboden noch erhalten ist. Hier bot essich an, anhand reproduzierter Originalbaupläne undRechnungsauszüge aus dem Staatsarchiv Detmold Pla-nung und Bau der Fasanerie im Jahre 1836 zu dokumen-tieren. Die hohe Aussagekraft dieser Quellen bis ins Detaildemonstriert beispielhaft eine Tischlerrechnung von 1836,die neben der Küchentür zu sehen ist: Hier wird u. a. „einStück Postholz“, also ein Holzpfosten „von 6 1⁄2 Zoll breit,2 1⁄2 Zoll dick und 7 Fuß lang“, erwähnt, der „in dasKüchentürloch, welches zu breit war“, eingesetzt werdenmusste und 12 Groschen kostete.10 Dieser zusätzlicheHolzpfosten ist noch heute in der Türöffnung zur Küchehinter einem abgenommenen Bekleidungsbrett zu sehen.

AKTUELLES – BERICHTE62

Begehbare Baustelle: Blick in die Küche der ehemaligen Fasa-nerie

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Eine besonders hohe Befunddichte zeichnet die Kücheaus: Vielfältige Bauspuren, darunter mehrere „Farbtrep-pen“ mit bis zu 33 vom Restaurator freigelegten Anstrich-schichten verweisen auf die hohe Nutzungsintensität die-ses Raumes. Unter einer Panzerglasplatte im Laufgang istals archäologischer Befund das beleuchtete Fundamentder früheren Herdstelle sichtbar, die um 1935 abgebro-chen worden ist. Die ursprüngliche Form des offenenHerdes mit Rauchfang und Schornstein wird durch diebekannte Zeichung der Küche der Witwe Bolte aus derBildergeschichte „Max und Moritz“ von Wilhelm Buschveranschaulicht. Gleichzeitig illustriert diese Zeichnungden engen Funktionszusammenhang zwischen Kücheund Keller, wie er auch in der Fasanerie besteht. Bauspu-ren an der Wand zeigen, dass die vorhandenen Treppenin den Keller und auf den Dachboden mindestens einmalverlegt worden sind. Die Dokumentation dieser Befundedurch ein verformungsgetreues Aufmaß wird mit Hilfe ei-nes ausgestellten Planes verdeutlicht. Ein Gossenstein,wie er in der Baurechnung von 1836 erwähnt wird, unddas gusseiserne Abflussrohr eines Wasserklosetts ausden 30er Jahren stehen für den Wandel der Wasserver-und -entsorgung.

In der früheren Schlafkammer können an einer HörstationAuszüge aus einem historischen Schriftwechsel des Jah-res 1842 abgerufen werden; zum Nachlesen steht einBuch mit den entsprechenden Quellentexten zur Verfü-gung:11 Der Fasanenjäger Römer beklagt sich bei derfürstlichen Verwaltung über feuchte und schimmeligeWände seiner Schlafkammer, die bei ihm und seinerFamilie eine schwere „Nervenfieber-Krankheit“ verursachthätten, und fügt ein ärztliches Attest bei. Der Architekt,Baurat Brune, rechtfertigt sich für die offensichtlichenBaumängel u.a. mit Vorwürfen gegen den Fasanenjäger:„Inzwischen würde die Feuchtigkeit der Wände und diedadurch veranlaßte Ungesundheit weniger fühlbar gewor-den seyn, wenn der p. Römer neben der Fortzucht derFasanen nicht auch die eigene Fortzucht so sehr gepflegt– es sind bereits 6 lebende Kinder da...“ Da Fürst Leopolddas Wohlergehen seines Fasanenjägers sehr am Herzenliegt, kommt es schließlich zwei Jahre später zum Ausbaueiner neuen Schlafkammer in der Fasanerie. Diese ein-dringlichen Schriftzeugnisse, die hier am historischen Ort„zum Sprechen gebracht“ werden, zeigen beispielhaft diehohe Aussagekraft von archivalischen Quellen zu vergan-genen Wohnverhältnissen.

Die Trennwand zur anschließenden Wohnstube wurde um1935 abgebrochen – doch ermöglichen sichtbare Funda-mentreste unter dem Fußboden und freigelegte Zapfen-löcher eine zuverlässige Rekonstruktion der früherenFachwerkwand. Eine Rekonstruktionszeichnung wurde

im Maßstab 1:1 auf durchscheinende Stoffbahnen ge-druckt und exakt an der Stelle der ehemaligen Wandmontiert – damit wird die Methode der Gefügeforschung,wie sie z. B. beim Wiederaufbau von Fachwerkbauten imFreilichtmuseum vielfach praktiziert wird, für die Besu-cher auf überraschende Weise „transparent“ und nach-vollziehbar.

Mit den Rauch- und Feuerungslöchern des früheren Hin-terladerofens, partiell freigelegten und auf schmalenReferenzflächen rekonstruierten Wandfassungen aus derBauzeit bzw. um 1840 sowie originalen Türen und Fens-tern werden in der früheren Stube wesentliche Teile derwandfesten Ausstattung präsentiert, wie sie noch häufigin historischen Wohnbauten anzutreffen sind.

Der folgende Raum gehört zum ehemaligen „Winterhaus“im rechten Seitenflügel der Fasanerie, das ursprünglichzur Überwinterung der Fasanen diente. Er wurde schon1844 als neue Schlafkammer des Fasanenwärters einge-richtet – und verdeutlicht damit einen Nutzungswandel„vom Stall zum Wohnraum“. Auch Spuren jüngerer Um-bauten des frühen 20. Jahrhunderts sind hier sichtbargeblieben: Neben reizvollen Schablonenmalereien im Ju-gendstil ist eine Fußbodenisolierung aus Kesselschlackezu sehen, die um 1935 eingebracht wurde.

Ein Fasanenbrutkasten, der nach einer Originalzeichnungvon 1836 rekonstruiert wurde, „belebt“ durch ein weiterespräpariertes Fasanenpärchen, und ein nachgebauter Sat-telbock mit einem historischen Reitsattel, Zaumzeug,Gerte und Kutschpeitsche dokumentieren den Funktions-wandel der Seitenflügel von der ursprünglichen Fasane-rienutzung zu Pferdeställen des Gestüts mit angeschlos-sener Reit- und Fahrschule.

AKTUELLES – BERICHTE 63

Stall: Rekonstruktion eines Fasanen-Brutkastens nach einerHandzeichnung von 1836

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Im letzten Raum des Stallflügels sind mit wirkungsvollbeleuchteten Teilen der bauzeitlichen Bodenpflasterung,einer Abortnische und starken Rußspuren (die in diesemFall durch einen Schornsteinbrand in den 30er Jahren ver-ursacht sind) einige charakteristische Baubefunde zu se-hen, die nicht zuletzt vielfältige Bezüge zu anderen Bautendes Freilichtmuseums herstellen. Vorbei an einem Besu-cherbuch, das besonders von jüngeren Museumsbesu-chern eifrig für Eintragungen genutzt wird, können die Be-sucher die „Baustelle“ durch den Hinterausgang über einevorgelegte Rampe aus Gerüstbauteilen wieder verlassen.

Reaktionen der Besucher

Die Ausstellung „Betreten der Baustelle ERWÜNSCHT“will den Museumsbesuchern die historische Bau- undHausforschung als eine der „Kernkompetenzen“ desWestfälischen Freilichtmuseums näher bringen. Vor allemaber will sie Interesse und Neugier wecken, die bauge-schichtliche „Spurensuche“ an anderen Museumsgebäu-den oder auch zu Hause fortzusetzen. Persönliche Ge-spräche, aber auch Eintragungen im Besucherbuch zei-gen, dass diese Botschaft bei den Besuchern ankommt.Viele Museumsführerinnen und -führer, die die Auswahlder Gebäude für ihre Rundgänge selbst zusammenstel-len, nutzen inzwischen die Ausstellung in der Fasanerie,um den Besuchern einen Einblick in die Arbeit des Frei-lichtmuseums zu vermitteln. Mehrere öffentliche Führun-gen in der Fasanerie und ein „Zeitzeugengespräch“, dasunter Beteiligung von ehemaligen Polizeibeamten derWache im Tiergarten durchgeführt wurde, stießen auf einreges Interesse bei geschichtsinteressierten Detmoldern,aber auch bei auswärtigen Museumsbesuchern. Auch dieEintragungen im Besucherbuch der Ausstellung signali-sieren überwiegend Zustimmung – besonders bei jünge-ren Besuchern, wie die folgenden Zitate zeigen:

– „Echt cool gebaut! Voll Klasse mit den Fasanen und so!Auch mit den Bildern, ich bin be[e]indruckt!“ (Stefanie,10 Jahre)

– „Einfach klasse, vor allem diese Wände und Decken.Bei uns sah es so ähnlich aus, als wir renoviert haben.Danke“

– „Das sieht sehr geil aus hier, das ist interessant“– „SAUWETTER, aber eine gute Ausstellung, wie bei uns

früher“

Nur sehr selten wurden eindeutig negative Kommentarehinterlassen.

Solche spontanen Äußerungen sind als Ermutigung auf-zufassen – ergab doch die letzte Besucherstudie im Auf-

trag des Freilichtmuseums, dass besonders die Gruppeder Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 14und 30 Jahren unter den Museumsbesuchern stark rück-läufig ist.12

Neben innovativen Projekten wie der künstlerischen In-stallation „InnenLeben – Haus der Gefühle“ im Tagelöh-nerhaus aus Vinsebeck13 oder dem vor allem bei jungenBesuchern beliebten „Haus zum Anfassen“ auf dem Osna-brücker Hof ist die Ausstellung „Betreten der BaustelleERWÜNSCHT“ in der ehemaligen Fasanerie ein weitererVersuch, im Westfälischen Freilichtmuseum neben derbewährten „traditionellen“ Inszenierung mit Möbeln undHausgerät neue Wege der musealen Vermittlung in histo-rischen Gebäuden zu beschreiten. Die zahlreichen positi-ven Reaktionen der Besucherinnen und Besucher sind füruns Bestätigung und Ermutigung, weiter nach solchen„neuen Wegen“ zu suchen.

Heinrich Stiewe

Anmerkungen

1 Zur Geschichte des Museumsgeländes vgl. Stefan Baumeier(Hg.): Westfälisches Freilichtmuseum Detmold. Museums-führer, Detmold 2001, S. 115ff. und Martin Salesch: Der Fried-richstaler Barockgarten. Archäologische Ausgrabungen imWestfälischen Freilichtmuseum Detmold 1996 und 1997, in:Stefan Baumeier und Jan Carstensen (Hg.): Beiträge zurHaus- und Bauforschung 8/1999, S. 87-104, sowie unpubli-zierte Forschungen von Udo Schlicht (1991) im Auftrag desWestfälischen Freilichtmuseums (im Folgenden: WFM)

2 Vgl. Joachim Kleinmanns: „Fasanerie im hiesigen Thiergar-ten“. Zur Baugeschichte der fürstlich-lippischen Fasanerieauf dem Gelände des Freilichtmuseums. In: Stefan Baumeierund Jan Carstensen (Hg.): Beiträge zur Volkskunde undHausforschung 8, 1999, S. 105-122

3 Quellen im NW Staatsarchiv Detmold (im Folgenden: StADT): L 92 R Nr. 840 und 841, L 93 B I Tit. 6 Nr. 28, Pläne: D 73Tit. 4 Nr. 13412 und 13413

4 Vgl. Cordula Marx und Agnes Sternschulte (Hg.): „...so frei,so stark...“ Westfalens wilde Pferde (Schriften des WFM,Bd. 21). Essen 2002.

5 Quellen zur Nutzung im 20. Jahrhundert: StA DT, D 110 B VIINr. 32 mit Nebenakten 3, 17, 18; D 4 B N Nr. 552, 547 und548; vgl. Schlicht (wie Anm. 1)

6 Zeitzeugengespräche führten Agnes Sternschulte, WFM (mitehem. Reitschülern), und der Verfasser (mit einem ehem.Polizeibeamten).

7 Ein erstes Ausstellungskonzept unter dem Titel „Bauge-schichte(n) – Alte Häuser sind ‚lebendig’!“ wurde 1994 vonJoachim Kleinmanns erarbeitet; die aktuelle Konzeption wur-de ab 2001 durch den Verfasser entwickelt.

8 Graphik-Design: Christina Gläntzer, Bielefeld; Beleuchtungs-konzept: Heinz-Werner Hellweg, Fa. Zumtobel-Staff, Lemgo

AKTUELLES – BERICHTE64

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DIE KULTURKURATORINNEN – EIN NETZWERK BEWÄHRT SICH

Netzwerkarbeit im kulturellen und beruflichen Bereich wirdimmer wichtiger, wie eine Serie der Süddeutschen Zeitungzu diesem Thema im Frühjahr 2003 und das Motto desdiesjährigen bayerischen Museumstages zeigte. Acht Kul-turkuratorinnen schlossen sich nun nach dem Abschlussihrer Ausbildung zu einem bayernweit agierenden Infor-mations- und Arbeitsnetzwerk zusammen.

Die Mitglieder des Netzwerkes kommen aus den ver-schiedensten Bereichen, sind aber alle seit Jahren imbreiten Feld zwischen Erwachsenenbildung und Mu-seumsarbeit tätig. Ziel des Netzwerkes ist es, eine ge-meinsame Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, Synergie-effekte für alle Mitglieder zu schaffen und know-how zubündeln.

Dies bringt nicht nur für die Netzwerkmitglieder, sondernvor allem auch für deren Auftraggeber zahlreiche Vorteile.Je nach Projekt kann auf die jeweils geeignetsten Exper-ten zurückgegriffen werden, die für eine zeitlich begrenz-te und projektbezogene Mitarbeit zur Verfügung stehen.Da es sich bei den Netzwerkerinnen um ein bewährtesTeam handelt, steht den Projektgebern jeweils eine ein-zige Ansprechpartnerin zur Verfügung, die die Koopera-tionspartner koordiniert. Somit ist eine reibungslose undeffiziente Arbeit gewährleistet und eine Menge Fachwis-sen unter einem Dach vereint.

Die Mitglieder im Einzelnen: – Doris Hefner M. A. ist Archäologin. Sie konzipiert und

organisiert museumspädagogische Programme undRahmenprogramme für Museen, Schulen, Vereine undUnternehmen und bietet Schulungen für das museums-pädagogische Personal an.

– Anke Schupp ist Diplom-Kulturpädagogin und Ge-schichtenerzählerin. Geschichten sind ihre Welt. Siebringt Leben und Sprache zu den Objekten in Museen,den Menschen in Cafes und erzählt auf Festivals und inSchulen. Außerdem gibt sie Fortbildungen für werden-de ErzählerInnen.

– Edith Schoeneck M. A. ist Kunsthistorikerin. Ihr Haupt-arbeitsgebiet beinhaltet die höfische Kultur des18. Jahrhunderts. Sie erstellt und koordiniert Projektevon der wissenschaftlichen Recherche bis hin zur Aus-führung. Neben ihrer Tätigkeit als Kulturmanagerin ini-tiierte und realisierte sie die museumspädagogischeWerkstatt im Schloss Obernzenn.

– Ina Paulus M. A. ist Kunsthistorikerin, die Museen zuattraktiven Erlebnisorten werden läßt. Sie entwickelteKonzepte zum Thema „Deutsch lernen im Museum“und führt Fortbildungen für DozentInnen von Erwachse-nenbildungseinrichtungen durch. Ein weiterer Schwer-punkt ist die Fortbildung von Museums-, Stadt- undGästeführerInnen und die Erstellung von Themenkatalo-gen für museumspädagogische Führungen durch dieMuseen der Stadt Aschaffenburg.

– Catherine Glasser, Romanistin, verbindet Museum-spädagogik mit Fremdsprachen. Sie entwickelte dasProjekt „Französisch lernen im Museum“, für SchülerJugendliche und Erwachsene. Außerdem erarbeitet sieKinderführungen und erstellte unter anderem einen For-scherbogen für das Deutsche Museum.

– Ina Kaspar, Kunstpädagogin und Künstlerin, ist seitJahren in interkulturellen Projekten tätig, unter anderemin der Sprach- und Kulturvermittlung in Museen für aus-ländische Mitbürger.

– Dr. Michaela Breil ist Historikerin und Germanistin. Siekonzipiert Museen und Ausstellungen. Sie verbindetaußerdem Marketing mit der Museumsarbeit zu neuenKommunikationskonzepten für die Museen oderMuseumsverbände.

AKTUELLES – BERICHTE 65

Fortsetzung von Seite 64

9 Dauerleihgaben: Deutsches Polizeimuseum, Salzkotten

10 StA Detmold, L 92 R Nr. 841; vgl. Kleinmanns (wie Anm. 2),S. 110ff.

11 Quellen: StA Detmold, L 92 R Nr. 840. Sprecher: MarkusHottgenroth, 2002

12 Institut für Freizeitwissenschaft und Kulturarbeit e. V. (IFKA):Besucherstudie – Westfälisches Freilichtmuseum Detmold.Daten und Fakten, Masch. Bielefeld 1999; vgl. Besucherstu-die 1998, in: Stefan Baumeier und Jan Carstensen (Hg.):Beiträge zur Volkskunde und Hausforschung und Hausfor-schung 8, 1999, S. 217f.

13 Stephan Pahs: Warum der Holzschuh geröntgt werdenmusste – oder: Musealisierung eines Tagelöhnerhauses mitden Mitteln moderner Kunst. Das Projekt „InnenLeben –Haus der Gefühle“ im Westfälischen Freilichtmuseum Det-mold, in: museum heute 23, 2002, S. 53-57

Die Mitglieder des Netzwerks Kulturkuratorinnen

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Projekte des NetzwerksDie Projekte, die auf der Basis dieses Netzwerkes in denletzten zwei Jahren entstanden, sind vielfältig. In Zusam-menarbeit mit verschiedenen Bildungsträgern und Kul-turinstitutionen konnten die Kulturkuratorinnen einigeMaßnahmen neu entwickeln und realisieren. Hier einigeBeispiele:

„Schluss mit müden Monologen – Fortbildungen fürGäste-, Stadt- und MuseumsführerInnen“:Die Aschaffenburgerin Ina Paulus entwickelte gemeinsammit ihrer Netzwerk-Partnerin Doris Hefner das Konzepteiner Schulung für Gäste-, Stadt- und MuseumsführerIn-nen. Dabei ging es um den guten Aufbau einer Führung,den „roten Faden“, gutes Präsentieren, das richtige Be-gleitmaterial, Variationsmöglichkeiten und die kreativeUmsetzung des Führungsthemas in museumspädagogi-schen Workshops.

„Fremdsprachen lernen in der MuseumspädagogischenWerkstatt in Obernzenn“:Um die Idee „Fremdsprachen lernen im Museum“ umzu-setzen, griff Edith Schoeneck auf zwei ihrer Netzwerk-Partnerinnen zurück. Zusammen mit Ina Paulus, die ihreErfahrung in der Konzeption und Durchführung des Pro-jektes „Deutsch lernen im Museum“ einbrachte, undCatherine Glasser, die mit großem Erfolg „Französischlernen im außerschulischen Lernort“ in MünchenerMuseen umsetzt, entwickelte sie ein Konzept für das Pro-jekt „Fremdsprache lernen im Blauen und Roten Schlossin Obernzenn“. So ist es jetzt möglich, in der Museums-pädagogischen Werkstatt Obernzenn auch auf die Spra-che bezogene museumspädagogische Angebote in Eng-lisch, Französisch und Italienisch für Austauschschülerund bilinguale Klassen zu nutzen. Das Angebot eignetsich auch für Schüler, die die genannten Fremdsprachenan deutschen Schulen erlernen.

„Kinder machen Radio“:Auch bei Kinderradio-Workshops zahlte sich die Netz-werkidee aus. Sowohl in Buttenheim bei der Eröffnungdes Levi Strauss-Museums als auch bei der Landesaus-stellung „Das Rätsel Grünewald“ im AschaffenburgerSchloss konnte die Aktion „Kinder machen Radio“ vonDoris Hefner durchgeführt werden (vgl. ihren Bericht inMuseum heute 20, S. 49ff.). Sie bildete die Schnittstelleals Koordinatorin des Gesamtprojektes. Kindern sollte dieMöglichkeit gegeben werden, angeregt durch die Aus-stellung Beiträge für eine Sendung des Kinderfunks imBayern2Radio zu gestalten. Es ergab sich durch die guteZusammenarbeit der Netzwerk-Partnerinnen Ina Paulus,Michaela Breil und Anke Schupp eine kurze und effizien-te Planungs- bzw. Durchführungsphase, was sowohl von

den Museen als auch dem Bayerischen Rundfunk sehrgeschätzt wurde.

Werbekonzept für der Verband der WestmittelfränkischenMuseen:Michaela Breil erarbeitete zusammen mit Edith Schoeneckund dem Arbeitskreis der westmittelfränkischen Museene. V. ein neues Kommunikations- und Marketingkonzeptfür den Verband Westmittelfränkischer Museen. Hierdurchist es möglich, für die 60 Museen, die in dem Arbeitskreisorganisiert sind, eine neue Außenwirkung zu erzielen.

Geschichtenerzählen bei den Bruckmühler Kulturtagen:Netzwerk war auch gefragt, als sich Irene Holzapfel, einehemaliges Mitglied des Netzwerks der Kulturkuratorin-nen, zuständig für die Konzeption und Realisierung derBruckmühler Kulturtage 2002, auf die Suche nach Part-nerInnen machte. Anke Schupp bot sich an, Ihr Pro-gramm „Er-keltete“ Geschichten – keltische Geschichtenwarm erzählt“ durchzuführen.

Die Kinder hören dabei nicht nur die frei erzähltenGeschichten, sondern sie begleiten sie auch mit selbsterfundenen Melodien auf Orffschen Instrumenten. ImAnschluss an das Erzählen haben sie die Möglichkeit dieGeschichten malerisch zu gestalten. Dieses Jahr traf inBruckmühl ein „norwegisches Böcklein das afrikanischeGnu“, ein weiteres Programm der Geschichtenerzählerin.

Interkulturelle Arbeit zwischen den Netzwerk-Partnerinnen:Ausgangspunkt für die interkulturelle Arbeit zwischen denNetzwerk-Partnerinnen Anke Schupp und Ina Kaspar wardie Projektarbeit „Interkulturelles Deutschlernen mit Chine-sen“, die in Zusammenarbeit mit den Carl-Duisberg-Cent-ren durchgeführt wurde. Um Sprache wirklich verstehen zukönnen, ist es neben der fremden Grammatik auch sehrwichtig, die Kultur eines Landes kennen zu lernen,. Dieswurde von Anke Schupp in ihrem Projektunterricht unterEinbindung von Museen und Stadtrundgängen realisiert.

Zurzeit organisiert sie zusammen mit Ina Kaspar ein größe-res interkulturelles Projekt. Dabei werden die Kompetenzenbeider Netzwerkerinnen kombiniert, da Ina Kaspar seit Jah-ren in interkulturellen Projekten tätig ist. Über das Forumdes Kulturkuratorinnen – Internetportals soll dieses Projekteinem breiten Publikum zugänglich gemacht werden.

Doris Hefner/ Edith Schoeneck/ Michaela Breil

Weitere Informationen: www.kulturkuratorinnen.de. Als Ansprechpartnerin des Netzwerks steht Dr. Michaela Breil, Kaiserstraße 56, 80801 München, Tel. 0171/6318324 zur Verfügung.

AKTUELLES – BERICHTE66

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NEUE BÜCHER

BADER UND BARBIER – EIN BUCH ZUR SCHÖNHEITS-UND KÖRPERPFLEGE

Ein Blick in das Schlagwortregister des aktuellen Hand-buches „Museen in Bayern“ unter „Bader“, „Barbiere“und „Friseure“ fördert zusammen etwa ein Dutzend Nen-nungen zu Tage. Lediglich ein Museum führt den Begriff„Friseur“ im Titel, nämlich eine Privatsammlung imschwäbischen Leipheim an der Donau. An „verspreng-ten“ Einzelobjekten jedoch, vom Brenneisen über dasRasiermesser und die Barttasse für den gutbürgerlichenHerrn bis zum Steckkamm und das Haarbild aus der Zeitum 1900, von Aderlassgeräten und Flakons, dürfte in un-seren Museen ein Vielfaches anzutreffen sein.

Da greifbare Literatur zum weitläufigen Gebiet um Körper-und Schönheitspflege selten ist, sei hier ein kleines Buchangezeigt, welches parallel zu einer Ausstellung der StadtBad Kissingen entstanden ist.

Gerhard Wulz, Studiendirektor und Fachlehrer für die Fri-seurklassen, hat über Jahrzehnte eine berufsspezifischeSammlung als Anschauungsmittel für den Unterrichtzusammengetragen und zugleich seine Kenntnisse immermehr vertieft. Seine Privatsammlung kam vor wenigenJahren in das Eigentum der staatlichen Berufsschule undbildete den Grundstock sowohl für Ausstellung als auchBuch, welches der Sammler selber verfasst hat. In dreithematischen Blöcken geht es in dem 80 Seiten umfas-senden, fest gebundenen Buch in annähernder DIN A 4-Größe rund um das Haar, die Schönheits- und Körper-pflege und die Bader, Barbiere und Friseure.

Während der teilweise im Erzählstil gehaltene Text einekleine Kulturgeschichte zum Thema mit gelegentlichenBezügen zu Bad Kissingen und der Region versucht, feh-len Provenienzangaben zu den einzelnen Exponaten, dasheißt Abbildungen. Dies bedauern Museumsleute, esmag aber darin begründet sein, dass der Sammler seineStücke wohl im In- und Ausland, im Handel und aufFlohmärkten erstanden hat. Immerhin aber werden diezahlreichen, sehr gut wiedergegebenen Farbabbildungenmit ihren Objektbezeichnungen und Kurztexten (Gegen-standsbeschreibung, Funktion, Technik, kulturgeschicht-liche Hinweise und ähnliches) den Umgang mit eigenenMuseumsobjekten erleichtern und sie richtig zuordnenlassen. Dies ist der hauptsächliche Gewinn dieses Bu-ches.

Die Schlussseiten sind dem „Kissinger Bade(r)leben“ ge-widmet. Dabei ist auch zu erfahren, dass der Beruf desBaders, der mit dem Aufkommen der Badehäuser in denwesteuropäischen Städten seit der zweiten Hälfte des

12. Jahrhunderts entstanden war, in Bayern regelrechtausgestorben ist, da Ausbildung und Baderprüfungenaus Mangel an Prüflingen (!) im Jahr 1939 abgeschafftwurden. Friseur und Arzt hatten sich auch auf dem Landund bei ärmeren Bevölkerungsschichten durchgesetzt.

Albrecht A. Gribl

Gerhard Wulz: Der Schönheit verbunden. Geschichte undGeschichten rund um das Haar, rund um die Schönheits-und Körperpflege, rund um die Bader, Barbiere undFriseure, (=Sonderpublikationen des Stadtarchivs BadKissingen 4, hg. von Peter Weidisch), Petersberg 2003,80 S., zahlr. Farbabb. u. SW-Reproduktionen

TRILOGIE ZUR HINTERGLASKUNST AUS MURNAU

Wohl die meisten bayerischen Heimatmuseen haben eini-ge davon: Hinterglasbilder – jene farbenprächtigen, klein-formatigen Glastafeln in ihren meist einfach profilierten,schwarzen oder braunen Holzrahmen. Meist sind popu-läre Heilige dargestellt, und solcherart dienten die Bilderals religiöser Wandschmuck, zumal im „Herrgottswinkel“katholischer Wohnstuben. Diesen typischen Erzeugnis-sen der sogenannten Volkskunst widmeten sich ganzeSammlungen, zahlreiche Bücher und wissenschaftlicheBeiträge, und nicht zuletzt deshalb stellen sie innerhalbder volkskundlichen Arbeitsfelder eine eigene For-schungsdisziplin dar.1 Dass es auch eine ganz andereRichtung der süddeutschen Hinterglasmalerei gibt, istseit den grundlegenden Forschungen von Heinrich Buch-ner und Herbert Wolfgang Keiser aus den 30er Jahren,fortgeführt von jenen von Gislind Ritz in den 60er Jahrendes 20. Jahrhunderts, bekannt.2

Den gegenwärtigen Forschungsstand für beide Richtun-gen indessen markieren drei neuere und neueste Publika-tionen des Schlossmuseums Murnau: Bereits zwei Jahrenach der Museumseröffnung von 1993 legte Museums-leiterin Brigitte Salmen zusammen mit dem BernerSammler und Kenner der Materie, Frieder Ryser, einenprofunden Ausstellungskatalog vor, der insbesonderefrühe Stücke der Sammlung Ryser enthält und den an-spruchsvollen Untertitel „Hinterglaskunst von der Antikebis zur Neuzeit“ trägt.

Das reichbebilderte Katalogbuch in DIN A 4-Format ent-hält im ersten Drittel Beiträge zum Bildträger Glas und zurKunst des Amelierens (altdt.: gamal = farbig, verziert; ga-malen = zeichnen, malen), während im Hauptteil nachAlter und Herkunft der Werke gefragt wird. Neun Her-kunftsregionen sind vertreten: Antike und Vorderer Orient

AKTUELLES – BERICHTE 67

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(8 Objekte), Mittel- und Norditalien (4), Burgund/Flandern/Niederrhein (8), Lombardei (13), Südtirol (22), Süd-deutschland (24), deutschsprachige Schweiz (34), Neapelund Spanien (16) und schließlich die Malschule von Pragund Wien (3). Jeweils einem kurzen Vorspann schließensich dabei ausführliche Katalogartikel an.

Alle drei Texteinheiten zusammen ergeben insbesondereauf Grund technischer Analysen und der Auswertungzeitgenössischer Schilderungen neue Erkenntnisse fürdie Hinterglaskunst bis ins mittlere 17. Jahrhundert, wo-bei sich die Autoren vieler Wissenslücken und offenerFragen bewusst sind.

Die zeitliche und thematische Fortsetzung des Gesamt-projektes erfolgte zwei Jahre später. Das zweite Katalog-buch bildet mit dem ersten nicht nur in Aufmachung undInhalt eine Einheit, sondern sogar in der Verschränkungeinzelner Regionen in zeitlicher Hinsicht, so dass etwa dieKatalognummern für Neapel/Spanien und Prag/Wien mitWerken nach 1650 weitergeführt werden. Unter demMotto „Glas, Glanz, Farbe“ wird europäische Hinterglas-kunst des 17. und 18. Jahrhunderts in Technik, Typologieund Funktion untersucht und werden Beispiele etwa auchaus Sachsen und Preußen sowie Belgien und Holland ge-zeigt.

Auch in diesem Band werden ausgeprägte Tradition, Ent-wicklungen und Zusammenhänge der europäischen Hin-terglaskunst sichtbar gemacht und Künstler vorgestellt.Gerade die hervorragenden Farbabbildungen mit teilwei-se völlig unbekannten Motiven verdeutlichen, wie sehrdiese Kunstgattung bisher vernachlässigt und unter-schätzt wurde. Die beiden Bände beweisen zugleich, aufwelch breiter Grundlage die volkstümliche Hinterglasma-lerei des späten 18. und des 19. Jahrhunderts etwa imBayerischen Wald, in Oberbayern und im Elsass fußenkonnten.

Damit sind wir beim dritten, 2003 erschienenen Band zur„Hinterglasmalerei in Südbayern im 18. und 19. Jahrhun-dert“, dem als Schlagwort eine Äußerung des bayeri-schen Nationalökonomen Ignaz von Rudhart (1790-1838)vorangestellt ist, wonach die gemalten Glaswaren insbe-sondere von Murnau und Ammergau „zuweilen Kunst-werth haben“. Wieder begleitete das Buch eine Ausstel-lung gleichen Namens, die im Schlossmuseum von Märzbis Juni 2003 gezeigt wurde und ca. 160 Bilder umfasste,ergänzt um zahlreiche grafische Vorlageblätter.

Dem Katalogteil gehen im gleichen Umfang Beiträge vonBrigitte Salmen und Professor Berno Heymer, einemKenner der Augsburger Hinterglasmalerei, voraus. Den

Schlussteil bilden mehrere Kurzbeiträge aus restauratori-scher und naturwissenschaftlicher Sicht. Dabei kommenauch Fachvertreter etwa der Bundesanstalt für Material-forschung und -prüfung in Berlin oder vom Doerner-Insti-tut der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in Mün-chen bezüglich Materialanalysen von Farb- und Binde-mitteln sowie Glas zu Wort.

Ziel des dritten Teiles des Gesamtprojektes ist nach Dar-stellung der Projektleiterin, Frau Salmen, die neuere Mal-kunst auf Glas speziell im südbayerischen Raum um Staf-felsee und Oberammergau zu veranschaulichen, wobeideutliche Einflüsse aus den benachbarten, traditionsrei-chen Hinterglasgebieten in Tirol einerseits und Augsburgandererseits zu erkennen sind.

Insgesamt bietet die Trilogie der Glaskunst-Bücher eineungeahnte Fülle neuen Materials und neuer Erkenntnisseaus kunsthistorischer wie auch naturwissenschaftlicherSicht. Die fächerübergreifende Zusammenarbeit zwi-schen beiden Disziplinen und verschiedenen Institutenermöglicht die neuen Ergebnisse. Die drei Murnauer Ka-taloge sind zugleich Ergebnis einer mutigen, offensivenMuseumsarbeit, welche den eigenen Sammlungsbestandzum Anlas und Ausgangspunkt nimmt, tiefer zu grabenund insbesondere nach „Nachbarn“, Fachkollegen undSammlern weit über die regionale Zuständigkeit des Mu-seums hinaus Ausschau zu halten.

Der außergewöhnliche Einsatz der Museumsleiterin hatsich gelohnt. In erster Linie ihr Verdienst ist es, wenn dieMurnauer Beiträge für die deutschsprachige und in An-sätzen europäische Hinterglaskunstforschung obligato-risch werden. Und ein schöneres Geschenk könnte dieMarktgemeinde Murnau zum 10-jährigen Bestehen ihresSchlossmuseums im Jahre 2003 nicht erhalten.

Albrecht A. Gribl

Frieder Ryser u. Brigitte Salmen: „Amalierte Stuck uffGlas/ Hinder Glas gemalte Historien und Gemäld“. Hinter-glaskunst von der Antike bis zur Neuzeit, Hg. Schlossmu-seum Murnau, Murnau 1995, 175 S.

Glas-Glanz-Farbe. Vielfalt barocker Hinterglaskunst imEuropa des 17. und 18. Jahrhunderts, Hg. Brigitte Salmen,mit Beiträgen von Frieder Ryser u. a., Murnau 1997, 208 S.

„...welche zuweilen Kunstwerth haben.“ Hinterglasmalereiin Südbayern im 18. und 19. Jahrhundert, Hg. Schloss-museum Murnau, Bearb. Brigitte Salmen, Murnau 2003,119 S.

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Anmerkungen

1 Den älteren Forschungsstand fasst prägnant zusammen Wolf-gang Brückner: Hinterglasbildforschung, in: Wege der Volks-kunde in Bayern. Ein Handbuch, Hg. Edgar Harvolk (= Veröf-fentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte 25), Mün-chen/Würzburg 1987, S. 191-208

2 Heinrich Buchner: Hinterglasmalerei in der Böhmerwaldland-schaft und in Südbayern. Beiträge zur Geschichte einer altenHauskunst, München 1936; Herbert Wolfgang Keiser: Diedeutsche Hinterglasmalerei, München 1937; Gislind M. Ritz:Die bürgerliche und handwerkliche Hinterglasmalerei des18. Jahrhunderts in Augsburg, in: Bayer. Jahrbuch f. Volkskun-de 1964/65, S. 47-75; dies.: Hinterglasmalerei. Geschichte, Er-scheinung, Technik, München 1975

TRACHT IST MODE, ODER: DIE BEWEGLICHKEIT DES STATISCHEN

Im Jahr 2000 eröffnete der Bezirk Oberbayern in einemhistorischen Wirtschaftsgebäude des Klosters Benedikt-beuern auf einer Fläche von rund 500 m2 sein Trachten-Informations-Zentrum (TIZ). Mit seinem Fundus – beste-hend aus rund 3.000 originalen Kleidungsstücken, rund20.000 Fotos und sonstigen Abbildungen von Tracht undihrem Gebrauch sowie einer umfangreichen Bibliothek –stellt es nicht nur eine Anlauf- und Beratungsstelle fürTrachtenfreunde und -vereine dar, sondern es ist auch einkompetenter Partner für die vertiefte, wissenschaftlicheBeschäftigung mit dieser vielgestaltigen Materie. DasEngagement des Bezirks auf dem Gebiet der Kultur- undHeimatpflege, so als Träger der Freilichtmuseen an derGlentleiten und in Amerang, als Mit-Träger einiger wei-terer Museen und Betreiber des Volksmusikarchivs inBruckmühl, erfuhr damit eine wesentliche Erweiterung.

Das TIZ versteht sich nicht als Museum im herkömmli-chen Sinn, sondern als Archiv, dessen Sammlung Grund-lage der Forschung und Beratung darstellt. Insofern ver-zichtet es auf Ausstellungen im Hause, sondern zeigt nurauf Nachfrage die ansonsten fachgerecht in Kartons ver-packten Bestände.

Dass es gerade für Museen ein wertvoller Partner seinkann, zeigte sich bei der 2003 im Heimatmuseum BadTölz präsentierten Ausstellung „Immer wieder Schalk undMieder“, die neben der erstaunlich reichen Sammlungdes Museums von Kleidung aus dem Tölzer Land ausdem Zeitraum von 1770 bis 1920 auch auf eindrucksvol-le Bestände des Trachten-Informations-Zentrums unddessen fachliche Beratung zurückgreifen konnte.

2002 trat das TIZ mit einer vielbeachteten Trachtenschau(„Tracht ist Mode“) im Münchner Zirkus Krone an die Öf-fentlichkeit. Auf sie bezieht sich – nicht nur im Titel – dasvon Alexander Wandinger, dem Leiter der BenediktbeurerInfostelle, verfasste opus magnum, das der Bezirk im fol-genden Jahr herausgab. Der Autor zeigt darin, tatkräftigunterstützt von Trachtenschneiderinnen, schlüssig auf,dass Tracht kein starres, unwandelbares Etwas ist, son-dern ganz selbstverständlich Moden und Einflüssen „vonaußen“ unterliegt, die ihr Erscheinungsbild mit bestim-men. In einzelnen Kapiteln werden Schalk, Spenzer,Dirndl usw. beschrieben und ihre besondere, regional-typische Entwicklung skizziert. Um zu zeigen, welche Li-nienführung der Nähte beispielsweise früher angewendetwurde, sind von ausgewählten Gewändern die Schnitteabgenommen und im verkleinerten Maßstab abgedruckt.Eine Bildfolge mit alten Zeichnungen, Grafiken und Foto-grafien illustriert, mit welchen Gewandteilen die einzelnenKleidungsstücke kombiniert wurden. Insgesamt über 800Abbildungen illustrieren so die Wandlung der ländlichenTrachtenmode in den letzten 250 Jahren und welchenEinfluss die jeweils vorherrschenden Modeströmungenauf sie hatten bzw. derzeit haben. Für Museumsbibliothe-ken wird dieses auch sonst beachtliche Werk nicht zuletztdurch diese Abbildungsfülle und die dadurch gegebeneMöglichkeit interessant, vergleichend eigene Bestände zubestimmen und ihre Entstehungszeit zuzuordnen.

Wolfgang Stäbler

Alexander Wandinger: Tracht ist Mode, Hg. Bezirk Ober-bayern, München 2002, 372 S., ISBN: 3-9808527-0-9.Adresse des Trachteninformationszentrums des BezirksOberbayern: Am Zeilerweg 2, 83671 Benediktbeuern,Tel. 08857/888-33, Fax -39, www.trachten-informations-zentrum.de

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MUSEUMSERÖFFNUNGEN IN BAYERN

Berchtesgaden/Obb.

Anlässlich des 100. Geburtstags des Volkskundlers,Sammlers und Forschers Rudolf Kriss bereitete das Hei-matmuseum Schloss Adelsheim in enger Zusammen-arbeit mit dem Bayerischen Nationalmuseum zwei Ge-dächtnisräume zu Leben und Werk des gebürtigenBerchtesgadeners vor. Im Beisein von Familienmitglie-dern, Freunden und Fachvertretern konnte der Hausherrdes Museums, Landrat Georg Grabner, die informativund anschaulich gestalteten Räume am 8. März 2003eröffnen.

Das Bayerische Nationalmuseum stellte die Exponate alsLeihgabe zur Verfügung und zeichnet für Konzept undAusstellungstexte verantwortlich (Dr. Nina Gockerell).

Anschrift:Heimatmuseum Schloss Adelsheim, Schroffenbergallee 6, 83471 Berchtesgaden, Tel. 08652/4410, Fax 948660

Öffnungszeiten:1. Dezember bis 31. Oktober Dienstag bis Sonntag 10-16 Uhr, Führung 15 Uhr

Gersthofen/Schw.

Gersthofen ist mit seinen 20.000 Einwohnern und dem100-jährigen Industriepark nicht nur eine prosperierendeKleinstadt nördlich von Augsburg, sondern auch das süd-deutsche „Mekka“ des Ballonsports. Der bewegten Ge-schichte der Ballonfahrt nachzugehen hat sich die StadtGersthofen schon in den 1980er Jahren zum Ziel gesetztund hierfür das Wahrzeichen der Stadt, den ehemaligenWasserturm in Stadtmitte, renoviert und eingerichtet.Keine bayerisch-süddeutsche Stadt war hierfür berufe-ner, hatte doch Baron von Lütgendorf bereits drei Jahrenach den ersten Fahrten der Montgolfieren des Jahres1783 in Augsburg und dann in Gersthofen versucht, dererste Deutsche am Himmel zu sein.

Jetzt hat Gersthofen das erste moderne Ballonfahrtmu-seum weltweit. Am 9. Mai 2003 eröffnete die Stadt imRahmen der Fertigstellung des neuen Ortszentrums, zudem u. a. das Rathaus, die Stadthalle, ein Einkaufszent-rum und ein Hotel gehören, unmittelbar neben dem his-torischen Wasserturm einen modernen Quader aus hel-lem Beton, Glas und Stahl, der je zur Hälfte der Stadt-bibliothek und dem erweiterten Ballonmuseum eine neueBleibe bietet.

Der Rundgang beginnt wie beim New Yorker Guggen-heim-Museum ganz oben und führt in Spiralen mit einge-lagerten Geschoßebenen nach unten bis zum offenen, fürunterschiedlichste Veranstaltungen geeigneten Kellerge-schoß, über welches der neue Zugang zum historischenWasserturm mit seiner 1985 fertiggestellten Grafiksamm-lung zur Ballonfahrtgeschichte verlegt wurde. Die „Mu-seumsspirale“ folgt dem Schaustück der Sammlung,einem originalgetreuen Nachbau des Lütgendorf’schenHeißluftballons einschließlich der einem Kahn ähnlichenGondel. An Hand von Modellen, Originalteilen, Grafikenund Inszenierungen und mit Hilfe moderner Medien wer-den Technik und Herstellung, Verwendungen, Rekorde,Unfälle und dergleichen mehr auf über 1.000 m2 Ausstel-lungsfläche erfahrbar gemacht.

Die bisherige Ausstellung im Wasserturm mit Exponatendes bekannten schwäbischen Ballonfahrers Alfred Eckertwird in nächster Zeit umgestaltet.

Anschrift:Ballonmuseum Gersthofen, Bahnhofstr. 12, 86368 Gersthofen, Tel. 0821/2491-506, Fax –509, E-Mail [email protected], www.stadt-gersthofen.de

Öffnungszeiten:Mittwoch und Freitag 13-17, Donnerstag 10-19, Samstag und Sonntag 10-17 Uhr

Gessertshausen-Oberschönenfeld/Schw.

20 Jahre nach dem Beschluss des Bezirkstags vonSchwaben für ein überregionales Museum in den Ökono-miegebäuden des Klosters Oberschönenfeld wurde am7. Februar 2003 das letzte sanierte Bauwerk des ba-rocken Ensembles seiner Bestimmung übergeben. Derehemalige Kornstadel dient künftig nach umfassenderRenovierung schwerpunktmäßig der Kunst. AusgewählteWerke schwäbischer Künstler des 20. Jahrhunderts wer-den im Erdgeschoss im Rahmen einer Galerie unter the-matischen Aspekten gezeigt. Auf weiteren zwei Ebenenkann sich das zeitgenössische Kunstschaffen in Wechsel-ausstellungen präsentieren. Ein attraktiver Raum für Ver-anstaltungen, Tagungen und Konzerte breitet sich imObergeschoss über zwei Stockwerke bis zum First dessteil geneigten Satteldachs aus und führt die qualitätvolleZimmermannsarbeit des historischen Dachstuhls an-schaulich vor Augen. Das über 250 Jahre alte Gebäudebietet damit ideale Möglichkeiten, ein breites Publikummit der Kunstlandschaft Schwabens bekannt zu machenund ein vielseitiges Kulturprogramm anzubieten.

AKTUELLES – BERICHTE70

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Anschrift:Schwäbisches Volkskundemuseum, Oberschönenfeld,86459 Gessertshausen, Tel. 08238/300-10, Fax -110

Öffnungszeiten:Dienstag bis Sonntag 10-17 Uhr

Marktbreit/Ufr.

Nach mehreren Jahren der Sammeltätigkeit und Vorberei-tung konnte das Museum im unterfränkischen Marktbreitam 28.3.2003 seine Dauerausstellung zum Thema„Frauen-Zimmer – Lebensstationen in einer fränkischenKleinstadt“ eröffnen. Hierfür war das idyllisch am Breit-bach erbaute Malerwinkelhaus mit seiner Vielzahl vonkleinen und kleinsten Räumen saniert und eingerichtetworden. Ein kleines Team engagierter Bürgerinnen hattedas Projekt mittels zahlreicher Sonderausstellungen undVeranstaltungen schrittweise vorbereitet und mit Hilfeeiner wissenschaftlichen Fachkraft realisiert.

Lebensstationen, Tageslauf, Traditions- und Religionsge-bundenheit bis hin zum Dienstbotendasein werden ver-anschaulicht. Kleinräumigkeit und Themenwahl vermit-teln ein stimmungsvolles Bild von Frauen- und Familien-leben in einer fränkischen Kleinstadt vor und nach 1900.

Anschrift:Museum Malerwinkelhaus, Bachgasse 2, 97340 Markt-breit, Tel. 09332/405-46, Fax -44

Öffnungszeiten:Ende März bis Mitte Juli und Mitte September bis MitteJanuar Dienstag bis Freitag 10-12, Freitag bis Sonntagund Feiertage 14-17 Uhr

München/Obb.

Gleich dreifachen Grund zum Feier hat das Deutsche Mu-seum im Jahr 2003: zum einen gilt es, den 100. Geburts-tag des Museums zu feiern, dann das zehnjährige Beste-hen der Außenstelle „Flugwerft Oberschleißheim“, undschließlich die Teileröffnung des neuen Verkehrszentrumsim ehemaligen Münchner Messegelände.

Am 11. Mai 2003 konnte die Ausstellung „Mobilität undTechnik“ in die erste von drei dafür vorgesehenen denk-malgeschützten früheren Messehallen einziehen. Siezeigt berühmte und zukunftsweisende Forscher und Er-findungen, Spannendes zur Geschichte des Rennsportsund thematisiert die „Lust an der Bewegung“. Die zweite

Ausbaustufe soll bis 2005 verwirklicht sein. Im Endaus-bau wird hier die einzigartige Fahrzeugsammlung desDeutschen Museums, vom ersten Automobil bis zumICE-Experimentalzug, in einem Verkehrszentrum zu se-hen sein, das sich als fester Ort des Dialogs über dieZukunft der Mobilität sieht.

Anschrift:Deutsches Museum, Verkehrszentrum, Theresienhöhe14a, 80339 München, Tel. 089/2179-529, www.deutsches-museum.de

Öffnungszeiten:Täglich 9-17, Donnerstag bis 20 Uhr

Nürnberg/Mfr.

Im Mittelpunkt des diesjährigen Sommerfestes des Nürn-berger Garnisonmuseums stand die Eröffnung einer mili-tärhistorischen Bibliothek, die mit rund 5.500 Bänden alsdie größte Fachbibliothek ihrer Art in ganz Nordbayerngilt. Neben Biographien und übergreifenden Nachschla-gewerken finden sich Werke zur Uniform- und Forma-tionsgeschichte, Militär- und Waffentechnik, Festungswe-sen, Heer, Luftwaffe, Marine, Ordenskunde, Heeres- undKriegsgeschichte, Militärhandbücher, Vorschriften undvieles mehr. Darüber hinaus sind einschlägige Zeitschrif-ten und Periodika archiviert. Der Aufbau der Bibliothekwurde zum Großteil durch Spenden von Institutionen undPrivatpersonen finanziert.

Adresse:Garnisonmuseum Nürnberg im Hochbunker Hohe Marter, Zweibrückener Straße 54, 90441 Nürnberg, Tel. 0911/64911-59, Fax -64, E-Mail [email protected]

Öffnungszeiten:Einlass mit Führung 2. Samstag im Monat 10 und 13.30 Uhr und nach Vereinbarung

Rehau/Ofr.

In eines der schönsten erhaltenen Jugendstil-Gebäudeder Stadt Rehau zog ein Puppen- und Spielzeugmuseumein. In zwei Etagen werden ca. 340 Puppen aus überwie-gend klassischen Herkunftsgebieten aus den Jahren1870-1970 gezeigt. Liebhaber von Blechspielzeug findenhier Eisenbahnen, Karussells und Autos. Baukästen, Holz-spielzeug und Dampfmaschinen runden die Sammlung

AKTUELLES – BERICHTE 71

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ab. Besonders untersucht wird in der Ausstellung, welchegeschlechtsspezifischen und gesellschaftlichen Unter-scheidungen es im Wandel der Zeit beim Spielzeug gab.

Anschrift: Puppen- und Spielzeugsammlung – Walter Stiftung Rehau, Maxplatz 5-9, 95111 Rehau, Tel. 09283/20-27,E-Mail [email protected], www.stadt-rehau.de

Öffnungszeiten:Sonntag bis Mittwoch 14-17 Uhr und nach Vereinbarung

Schweinfurt/Ufr.

Das Museum Georg Schäfer bewahrt einen regelrechtenSchatz im Verborgenen: Rund 4.000 Arbeiten auf Papiervon vorwiegend deutschen Künstlern des 19. Jahrhun-derts gehören zur Graphischen Sammlung des Hauses,die alle Varianten der Zeichnung sowohl hinsichtlichTechnik als auch Ausführungsgrad umfasst. Sämtlichpassepartouriert und in adäquaten Graphikmappen imeigenen Depot gelagert sind hier Aquarelle, Pastelle undGouachen wie auch Bleistift-, Kohle-, Rötel-, Kreide- undTuschezeichnungen. Die „prima inventio“ eines Künstlers,also die erste, häufig grob angelegte Skizze, findet sichebenso wie bildmäßig ausgeführte, autonome Arbeiten.Neben ganzen Werkkomplexen herausragender Maler-persönlichkeiten wie Adolf Menzel, Wilhelm von Kobelloder Johann Georg von Dillis sind auch einzelne Blätterbekannter wie weniger bekannter Künstler in der Graphi-schen Sammlung vertreten.

Da Arbeiten auf Papier extrem lichtempfindlich sind, be-dürfen sie einer besonderen konservatorischen Behand-lung. Sie können nicht permanent gezeigt, sondern demBetrachter nur über eine zeitlich begrenzte Ausstellungund dann in abgedunkelten Räumen nähergebracht wer-den. Seit dem 23.3.2003 wird mit der Eröffnung des Stu-diensaals der Graphischen Sammlung dieses „Schatten-dasein“ ein wenig erhellt.

Unter dem Titel N A C K T E gab die zuständige Mitarbei-terin des Museums Georg Schäfer, Dr. Claudia Valter, an-hand einer Präsentation ausgewählter Beispiele eineEinführung in das Thema Aktzeichnung. Hierbei kam ins-besondere die erwähnte Vielfalt der Graphischen Samm-lung zum Ausdruck. Gezeigt wurden ca. 30 Blätter, dievon zum Teil sehr unterschiedlichen Künstlern stammen,wie etwa Julius Schnorr von Carolsfeld und Max Klinger.Mit dieser Eröffnung wurde der Studiensaal, in dem sichinteressierte Besucher einzelne Arbeiten auf Papier vorle-gen lassen können, für die Benutzung freigegeben.

Anschrift:Museum Georg Schäfer, Brückenstr. 20, 97421 Schweinfurt, Tel. 09721/51919, Fax 51371, E-Mail [email protected], www.museumgeorgschaefer.de

Öffnungszeiten des Studiensaals: jeden 1. Mittwoch des Monats 14-17 Uhr und nach Vereinbarung (Tel. 09721/51922)

Streitberg/Ofr.

Seit April 2001 zeigt das Ammoniten-Museum in Streit-berg, Lkr. Forchheim, in zwei Räumen Fossilien ausder Fränkischen Schweiz, einem der bedeutendstendeutschen Fundgebiete. Neben den Ammoniten selbstsind ähnliche Fundgruppen nebst ihren noch heutelebenden Verwandten zu sehen. Abgerundet wird dasThema durch die Dokumentation „Ammoniten in derVolkskunde“.

Anschrift:Ammoniten-Museum, Dorfplatz 2, 91356 Wiesenttal-Streitberg, Tel. 09196/998595 oder09131/9410693, Fax 09131/7134953

Öffnungszeiten:April bis Dezember Dienstag bis Freitag 13-17, während der Schulferien 12-17 Uhr

Volkach/Ufr.

Das bekannte Weinstädtchen Volkach am Main beher-bergt zahlreiche historische Bauten innerhalb seinerStadtmauer, darunter als imposantesten Barockbau das„Schelfenhaus“ von 1719/20 mit reicher Innenausstat-tung und kleiner musealer Sammlung. Ein eigentlichesStadtmuseum fehlte jedoch bislang.

Am 16. Mai 2003 konnte nun diese Lücke geschlossenund das neue Stadtmuseum in einer ebenfalls barock-zeitlichen Zehentscheune in der Altstadt eingeweihtwerden. Der Bau wurde Ende der 1990er Jahre behutsamsaniert und anschließend nach einer wissenschaftlichenKonzeption eingerichtet. Schwerpunkte sind zum einendie Stadt Volkach und ihre über 750-jährige Geschichte,zum anderen die Region Mainschleife, jenes bedeutendeWeinbaugebiet des „Volkacher Ratsherren“, im Mit-telpunkt mit einer geschlossenen Sammlung von 140 his-torischen Bocksbeutelflaschen.

AKTUELLES – BERICHTE72

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Anschrift:Museum Barockscheune, Weinstr. 7, 97332 Volkach,Tel. 09381/717590

Öffnungszeiten:Freitag bis Sonntag 14-17 Uhr und nach Vereinbarung

Würzburg/Ufr.

Als vorläufig letztes Glied in der Reihe der Museen derDiözese Würzburg und zugleich als ihren Höhepunkteröffneten Bischof Paul Werner Scheele und Kunstrefe-rent Dr. Jürgen Lenssen am 6. März 2003 in feierlicher Ze-remonie das „Museum am Dom“. Nach dem MuseumDomkrypta (eröffnet 1990), dem Karthäusermuseum inTückelhausen bei Ochsenfurt (1997), dem MuseumKartause Astheim bei Volkach (1999), dem Domschatz-museum Würzburg (2000) und der Barocksammlung imSchloß Oberschwappach bei Haßfurt (2001) erwartete dieinteressierte Öffentlichkeit mit Spannung das im Vorfeldheftig umstrittene Museum im Herzen Würzburgs.

Das ehemalige Kilianshaus, unmittelbar neben dem Kili-ansdom gelegen, war trotz großer Widerstände umge-baut und völlig entkernt worden, um eine 1.200 m2 großeund 5,40 m hohe Halle entstehen zu lassen, welcher eineArt tieferliegende, offene Krypta angegliedert ist.

Zielvorstellung von Konzipient und Projektleiter Dr. Lens-sen war, nicht nur ca. 600 Exponate vom 11. Jahrhundertbis zur Gegenwart in „alt“ und „neu“ gegenüberzustellen,sondern auch eine Stätte der meditativen Begegnung zuschaffen. Nicht weniger als 60 solcher Grundfragen sindals Schlagworte über den entsprechenden Exponatgrup-pen formuliert. Diese Schlagworte sind mit Erläuterungenin einer handtellergroßen Broschüre zusammengefasstund werden jedem Besucher mit der Eintrittskarte aus-gehändigt.

Begleitet wird die dauerhafte Installation von regelmäßi-gen Vermittlungsaktionen, Künstlerbegegnungen undsonstigen Veranstaltungen.

Anschrift:Museen der Diözese Würzburg, Kiliansplatz, 97070 Würzburg, Tel. 0931/38665-600, Fax -609, E-Mail [email protected], www.museum-am-dom.de

Öffnungszeiten:Dienstag bis Sonntag, 1. April bis 31. Oktober 10-19, 1. November bis 31. März 10-17 Uhr

PERSONALIA

Eichstätt. Neue Leiterin des Jura-Museum auf der Willi-baldsburg in Nachfolge des in den Ruhestand getretenenlangjährigen Leiters Dr. Günther Viohl wurde Dr. MartinaKölbl-Ebert. Die aus Baden-Württemberg stammendeWissenschaftlerin arbeitete zuletzt als Konservatorin derBayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geo-logie in München.

Fürth. Bernhard Purin, der seit 1995 das Jüdische Muse-um Franken in Fürth und Schnaittach geleitet hatte,wurde als Gründungsdirektor des Jüdischen Museums inMünchen berufen. Es soll in einem Gebäudekomplex aufdem St.-Jakobs-Platz gegenüber dem Münchner Stadt-museum zusammen mit einer Synagoge und sozialenjüdischen Einrichtungen errichtet werden. Neue wissen-schaftliche Leiterin des Jüdischen Museums Franken istnun seit April 2003 Daniela Eisenstein.

Gersthofen. Im Blick auf Fertigstellung und fachlichen Be-trieb des großzügig erweiterten Ballonmuseums Gerst-hofen hat die Stadt eine Vollzeitstelle geschaffen und siezum 1.3.2003 mit der Kunsthistorikerin Karin Mayr M. A.besetzt. Frau Mayr hatte in Augsburg neben Kunstge-schichte klassische Archäologie und Volkskunde studiertund den Studiengang im September 2002 in Regensburgabgeschlossen. Anschließend war sie beim Museum imPflegschloss in Schrobenhausen beschäftigt. Als stellver-tretende Sachgebietsleiterin für die Bereiche StädtischeBibliothek und Ballonmuseum wird sie schwerpunkt-mäßig das Ballonmuseum betreuen.

Marktoberdorf. Erfreuliche Nachrichten aus dem Künst-lerhaus Marktoberdorf: Die Kunst- und Kulturstiftung Dr.-Geiger-Haus verpflichtete zu Jahresbeginn 2003 dieKunsthistorikerin Birgit Höppl M. A. auf einer Ganztags-stelle für die nächsten fünf Jahre als Leiterin dieserSammlung zeitgenössischer schwäbischer Kunst.

München. Generalkonservator Dr. Egon Johannes Greiplwurde zum 16.6.2003 zum Honorarprofessor der Otto-Friedrich Universität Bamberg berufen. Der Historikerlehrt im Bereich des Aufbaustudiengangs Denkmalpflege.

München. Wechsel an der Spitze des BayerischenLandesvereins für Heimatpflege: Geschäftsführer HansRoth ging zum 31.7.2003 in den Ruhestand. Damit gehteine Ära zu Ende, in der ein kontinuierlicher, erfolgreicherAusbau der bayerischen Heimatpflege erreicht werdenkonnte.

Roth arbeitete bereits seit 1970 beim Landesverein fürHeimatpflege, dessen Geschäftsführer er 1980 wurde. Alskleiner Teilbereich seiner umfangreichen Tätigkeit für die

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SONDERAUSSTELLUNGEN BAYERISCHER MUSEEN

Abenberg, Haus fränkischer Geschichte auf Burg Aben-berg: Frauengeschichte in Mittelfranken, 9.3.-28.9.2003

Aigen a. Inn, Leonhardi-Museum: Bernhard Gerner, 2.5.-1.6.2003; Walther Gebauer, Ein Leben für die Malerei,21.9.-9.11.2003

Amberg, Stadtmuseum Amberg: Der Winterkönig, Derletzte Kurfürst aus der Oberen Pfalz, 9.5.-2.11.2003

Amerang, Bauernhausmuseum des Bezirks Oberbayern:Kaffee – Von der Bohne zum Genuss, 18.7.-9.11.2003

Augsburg, Architekturmuseum Schwaben: Baumschlagerund Eberle, Bauten – Projekte 1996-2002, 10.7.-17.8.2003; Industriekultur mit Zukunft?, 11.9.-16.11.2003

Augsburg, Jüdisches Kulturmuseum: Ein Visum fürs Le-ben, Diplomaten die Juden retteten, 29.5.-20.7.2003

Augsburg, Maximilianmuseum: Fritz Koelle zum 50. Todes-tag, 5.9.-9.11.2003

Augsburg, Deutsche Barockgalerie und GraphischeSammlung: Das Haus und seine Bewohner, 18.5.-30.6.2003

Babenhausen, Fugger-Museum: In stürmischer Zeit,Fugger von Babenhausen 1802-2003, 1.6.-3.8.2003

Bad Kissingen, Bismarck-Museum: Imre Varga zum80. Geburtstag, 17.5.-31.7.2003

Bad Tölz, Heimatmuseum: Immer wieder Schalk undMieder, Trachten aus dem Tölzer Land von 1770 bis 1920,25.7.-9.11.2003

Bad Windsheim, Fränkisches Freilandmuseum mit Archäo-logie-Museum: Freundesgaben, 18.5.2003-5.10.2003;Fränkisches Dorfleben in Fotografien aus den 60er Jah-ren, 27.6.-5.10.2003

Bamberg, Historisches Museum in der Alten Hofhaltung:Bamberg wird bayerisch, Die Säkularisation des Hoch-stifts Bamberg 1802/1803, 11.9.-9.11.2003

Bayreuth, Kunstmuseum: Jochen Proehl, Begegnung mitder Abstraktion in den Sammlungen des KunstmuseumsBayreuth, 13.7.-12.10.2003; Piero Dorazio, Energie, Hoff-nung, Freude, 13.7.-12.10.2003

Bernried, Buchheim Museum der Phantasie: Lothar-Günther Buchheim. Der Maler, 15.8.-2.11.2003

bayerische Heimat- und Kulturpflege seien hier nur einigewenige Schnittpunkte zur „Museumslandschaft“ hervor-gehoben: Als Schriftleiter der Zeitschrift „Schönere Hei-mat“ bot er darin regelmäßig Museumsthemen ein vielbe-achtetes Forum, so etwa durch die Vorstellung neuerMuseen oder auch Berichte über aktuelle Sonderausstel-lungen. Unter seiner Ägide übernahm der Landesvereindie Herausgabe der achtbändigen Reihe „DokumentationBauernhäuser in Bayern“, wobei Roth u. a. auch einenGroßteil der Korrekturarbeiten trug. Den bayerischenMuseen eng verbunden wirkte er als Jurymitglied bei derVergabe des Bayerischen wie des SchwäbischenMuseumspreises mit. Sowohl für die Museen wie dieLandesstelle war er stets ein höchst kompetenter wieauch kooperativer Ansprechpartner.

Nachfolger von Hans Roth als Geschäftsführer desLandesvereins ist sein bisheriger Stellvertreter MartinWölzmüller.

Oberammergau. Seit dem 1.1.2003 besitzt das Heimat-museum Oberammergau eine neue Museumsleitung:Berufen auf die Halbtagsstelle wurde die HistorikerinConstanze Werner, die in den nächsten Jahren die Neu-gestaltung des Museums leiten wird.

AKTUELLES – BERICHTE74

Hans Roth

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Burghausen, Haus der Fotografie Dr. Robert-Gerlich-Museum: Die Deutschen, René Burri, 29.5.-6.7.2003; MitZwanzig, 9.7.-17.8.2003; Stefan Moses, Das Tier undsein Mensch, 25.8.-28.9.2003

Burghausen, Historisches Stadtmuseum Burghausen:Aug in Aug, Porträts von della Croce und Kallmann, 6.6.-10.8.2003

Burglengenfeld, Oberpfälzer Volkskundemuseum: „medu-satext“, Kunstausstellung von Brigit Kübler, Regensburg,11.5.-15.6.2003; Alte Radios, Eine geniale Erfindung fürUnterhaltung, Musik und Information, 20.7.-31.8.2003;„Infiltrazione“. Francesca Cataldi, Rom, 15.8.-7.9.2003;Billig und doch wertvoll: Papier, 14.9.-2.11.2003; Reise,Rast und Augenblick, 20.9.-2.11.2003

Cham, Städt. Galerie im Cordonhaus: Reich an maleri-schen Partien, Cham und Umgebung in alten Ansichten,29.6.-3.8.2003

Coburg, Naturkunde-Museum: Mensch und Natur im Mit-telalter, 22.6.-5.10.2003

Deggendorf, Handwerksmuseum: Große OstbayerischeKunstausstellung, 2.5.-1.6.2003; Indianische KulturenLateinamerikas, Silberschmuck der Mapuche, 5.6.-19.10.2003

Deggendorf, Stadtmuseum: Große Ostbayerische Kunst-ausstellung, 2.5.-1.6.2003; Indianische Kulturen Latein-amerikas, Welt der Kuna – Masken der Xinguao, 5.6.-19.10.2003; Berg und Wald, 12.6.-13.7.2003; Das Lebender Xingu Indianer gemalt von Walde-Mar de Andrade eSilva, 19.7.-19.10.2003

Dinkelscherben, Heimatmuseum Reischenau: JosephScherer und seine Stuttgarter Kirchen, 3.5.-6.7.2003

Ellingen, Kulturzentrum Ostpreußen: Ostseebilder – Mo-tive der Kurischen Nehrung, Georg Gelbke – RichardBirnstengel, 26.7.-10.10.2003

Erlangen, Stadtmuseum: Nazi-Terror 1933-1945/Nürn-berger Prozess 1945-1946, 17.9.-23.11.2003

Falkenstein, Museum auf Burg Falkenstein – Jagd undWild: Im Wald da sind die Räuber, 8.5.-28.9.2003

Feldwies, Künstlerhaus Exter: Huang Bin, Bilder aus Chi-na und dem Chiemgau, 17.8.2003-14.9.2003

Frauenaurach, Museum im Amtshausschüpfla: „Ein Tagim Leben der Familie M, 1920“, 1.5.-10.11.2003

Freilassing, Stadtmuseum: Es ist die See, die uns verbin-det, Marineausstellung, 9.10.-19.10.2003

Freising, Diözesanmuseum: Verlust und Gewinn, Die Sä-kularisation im Bistum Freising, 26.6.-28.9.2003

Freising, Museum des Historischen Vereins (Heimatmuse-um): Freising um 1800 (II), 2.5.-19.10.2003

Fronberg, Oberpfälzer Künstlerhaus: Ludwig Bäuml undFranz Pröbster-Kunzel, Installation – Skulptur – Malerei,1.6.-27.7.2003; Annette Bohn-Meinecke, Bilder und Ob-jekte, 21.9.-26.10.2003

Fürstenfeldbruck, Stadtmuseum: Säkularisation, Schick-sale zwischen Kloster und Welt, 17.7.-12.10.2003

Fürth, Jüdisches Museum Franken: Suzanna Lauterbach,Promised Land, 14.5.2003-7.9.2003

Fürth, Rundfunkmuseum: 100 Jahre Telefunken, 24.5.-20.7.2003

Grünwald, Burgmuseum Grünwald: Skulpturen und gra-phische Werke der Bildhauerfamilie Schwanthaler, VomBarock zur Romantik, 4.4.-30.11.2003; Zwischen Klassi-zismus und Romantik, Ludwig von Schwanthaler – Ent-würfe und Skulpturen, 4.4.-30.11.2003

Hersbruck, Deutsches Hirtenmuseum: Froh erfülle DeinePflicht, Gestickte Textilien zur Ermahnung und Ermunte-rung der Frau, 16.7.-2.11.2003

Hilpoltstein, Stadtmuseum: Der Wahrheit auf der Spur,Zum 300. Todestag von Johann Christoph Sturm, 18.7.-15.11.2003

Höchstädt a. d. Donau, Schloß Höchstädt: „In Bayern an-gekommen...“, Die Integration der Flüchtlinge und Vertrie-benen in Bayern nach 1945, 25.7.-19.10.2003

Hof, Museum Bayerisches Vogtland: Die 60er bei uns,18.7.-12.9.2003; Volk auf dem Weg, Geschichte und Ge-genwart der Deutschen aus Russland, 21.9.-31.10.2003

Hohenberg a. d. Eger, Deutsches Porzellanmuseum:„Wachgeküsst“, Verborgene Schätze der FrauenreutherPorzellanfabrik, 23.5.-16.11.2003

AKTUELLES – BERICHTE 75

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Hollfeld, Kunst & Museum: Peter Hutter, Architektur alsSymbol und Fantasie, 17.7.-4.10.2003

Hundszell, Bauerngerätemuseum des StadtmuseumsIngolstadt: Mägde, Knechte, Landarbeiter, 30.3.-31.10.2003; Der Schmied, Vom Wandel eines Handwerks,29.6.-31.10.2003

Illerbeuren, Schwäbisches Bauernhofmuseum: Fotografi-sche Welten, Bilder vom ländlichen Leben in der erstenHälfte des 20. Jahrhunderts, 20.6.-12.10.2003

Illertissen, Karl-August-Forster- Bienenmuseum: Mensch& Biene, Zeichnungen und Aquarelle von RoswithaAsche, 16.7.-2.11.2003

Ingolstadt, Fleißerhaus: Kette und Schluß: Schreiben undLesen, Papierarbeiten von Marianne Hofmann, München,9.5.-3.8.2003

Ingolstadt, Stadtmuseum: Konrad Kyeser, Ein bayerischerLeonardo da Vinici, 5.9.-23.11.2003

Jexhof, Bauernhofmuseum des Landkreises Fürstenfeld-bruck: ... und hat durch die Fürbitt des Hl. Rasso Hülfe er-halten, Votivtafelg’schichten, 16.5.-31.10.2003; Seegras-Spinner, 4.7.-31.10.2003

Kaufbeuren, kunsthaus kaufbeuren: Keith Haring, ShortMessages, Posters, 4.9.-9.11.2003; Rückblende: Hoch-sommer, Gemälde, Fotografien, Experimente, 6.6.-17.8.2003

Kelheim, Archäologisches Museum: Fossile Schätze,Paläontologische Kostbarkeiten des Kelheimer Raumes,16.7.-2.11.2003

Klingenberg a. Main, Weinbau- und Heimatmuseum: Un-sere Freunde, die Puppen, 17.5.-18.5.2003

Künzing, Museum Quintana – Archäologie in Künzing:Waltraud Danzig: Lithographien, 22.6.-26.7.2003; DieAsche unserer Vorväter, Das große Urnengräberfeld vonKünzing, 1.10.-30.11.2003

Maihingen, Rieser Bauernmuseum: Die schwarze Zeit,Kleidung im Ries um 1900, 22.3.-26.10.2003

Marktbreit, Museum Malerwinkelhaus: Der Drache ist los,Mythos, Symbol- und Kultfigur, 18.5.-20.7.2003

Marktoberdorf, Künstlerhaus: Stadt. Markt. Dorf. Ver-wandlungen, Ergebnisse des künstlerischen Wettbewer-

bes aus Anlass der 50-Jahr-Feier der Stadt Marktober-dorf, 5.7.-31.8.2003

Marktoberdorf, Stadtmuseum im Martinsheim: Zinnfigu-ren erzählen Geschichte, Aus der Sammlung des Stadt-geschichtlichen Museums Leipzig, 6.4.-19.10.2003

Memmingen, Stadtmuseum im Hermansbau: AbteilungJüdisches Leben in Memmingen, 7.9.- 7.9.2003

Mindelheim, Südschwäbisches Vorgeschichtsmuseum imJesuitenkolleg: Glocken aus vielen Jahrhunderten, 19.6.-7.9.2003

Mindelheim, Textilmuseum im Jesuitenkolleg: Ein Blick(Einblicke) in Omas Wäschetruhe, 1.8.-30.11.2003

München, Alpines Museum des Deutschen Alpenvereins:Heidi, Mythos – Marke – Medienstar, 4.4.-28.9.2003

München, Botanischer Garten: Rosenschau, Keine Roseohne Dornen, 27.6.2003-1.7.2003; Korn – Brot, Getreide,Gräser, 19.7.-16.9.2003; Baykott, Kunst im BotanischenGarten, 6.8.-14.9.2003; Münchner Erntedank, 5.9.-28.9.2003; Pilzausstellung, Haus 11 der Schaugewächs-häuser, 2.10.-5.10.2003; Epiphyten – Pflanzen, die aufPflanzen wohnen, 17.10.-16.11.2003

München, Geologisches Museum: Kupfer, Glorreiche Ver-gangenheit – Glänzende Zukunft?, 18.5.-30.11.2003

München, Jüdisches Museum: Die Rosenthals, Der Auf-stieg einer jüdischen Antiquarsfamilie zu Weltruhm,23.10.2002-22.10.2003

München, Münchner Stadtmuseum – Fotomuseum: DasAuge und der Apparat, Eine Geschichte der Fotografie ausden Sammlungen der Albertina, 25.6.-31.8.2003; PhilippKester, Photojournalismus 1900-1930, 24.9.-23.11.2003

München, Münchner Stadtmuseum – Musikinstrumenten-museum: 150 Jahre Steinway & Sons, 19.9.-2.11.2003

München, Museum Villa Stuck: Alphonse Mucha, 17.7.-5.10.2003

München, Pinakothek der Moderne: Terry Winters, 28.5.-31.8.2003; Gottfried Semper (1803-1879), 4.6.-31.8.2003;Luc Tuymans, The Arena, 6.6.-17.8.2003; Olaf Metzel –Reise nach Jerusalem, Modelle und Zeichnungen, 25.6.-17.8.2003; Baselitz, Die Afrika-Sammlung, 25.9.-16.11.2003; Cy Twombly – 50 Jahre Arbeiten auf Papier,8.10.-30.11.2003

AKTUELLES – BERICHTE76

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München, Sammlung Goetz: Yayoi Kusama; Walking Piece,1966, 17.5.-9.8.2003; Andrea Zittel, 17.5.-8.11.2003; GaryHill, Remarks on Color, 1994, 11.8.- 8.11.2003

München, SiemensForum: Move on! Der bewegteMensch, 11.6.-2.11.2003

München, Staatliches Museum für Völkerkunde: Äthio-pien, Christentum zwischen Orient und Afrika,11.10.2002-12.10.2003

München, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunst-bau: Johann Georg von Dillis, 6.9.-30.11.2003

München, Sudetendeutsches Archiv: Badebecher ausdem Böhmischen Bäderdreieck, 19.5.-28.5.2003; Prag inalten Ansichten. Die Sammlung Rudolf Kulich, Druckgra-fiken aus 5 Jahrhunderten, 22.9.-31.10.2003

Murnau a. Staffelsee, Schlossmuseum: MURNAU (Fried-rich Wilhelm) IN MURNAU (Oberbayern), Der Stummfilm-regisseur der 1920er Jahre, 2.7.-2.11.2003

Nabburg, Museum im Schmidt Haus: Dialog, St. Peters-burg – Nabburg, 18.7.2003-24.8.2003; KRAFT der Farbe,5.9.-5.10.2003

Naichen, Hammerschmiede Naichen: Zum Schulanfang,11.5.-16.11.2003

Neu-Ulm, Edwin Scharff Museum: Georg Kolbe und derTanz, Der schreitende, springende, wirbelnde Mensch,9.5.-20.7.2003; Ewald Mataré und das Bild des Men-schen, 19.9.2003-23.11.2003

Neunkirchen a. Brand, Felix-Müller-Museum im Zehnt-speicher: Felix Müller und die Musik, 3.6.-31.8.2003; FelixMüller in Selbstbildnissen, 12.9.-30.11.2003

Neusath-Perschen, Oberpfälzer Freilandmuseum: Wiefrüher gewirtschaftet wurde, 14.2.-2.11.2003; Spielzeugaus dem Erzgebirge, 12.4.-12.10.2003; Michael Fuchs –ein Maler aus Starzenbach, 26.6.-18.9.2003

Nittenau, Stadtmuseum: Als Mama Boogie Woogie tanzte,4.5.-5.10.2003

Nördlingen, Stadtmuseum: „Sie werden lachen – dieBibel“ (Bert Brecht), 12.7.-31.10.2003

Nürnberg, Albrecht-Dürer-Haus: Das Albrecht-Dürer-Haus im Jahr 1830, 9.5.-27.7.2003; Meerestagebuch,2.8.-5.10.2003

Nürnberg, DB Museum Nürnberg: The Journey from:Technic to: Techno, Eine multimediale Sonderausstellungmit Bildern aus indischen Personenzügen im DB Muse-um, 7.5.-15.6.2003; Eisenbahn – Poesie in Bildern, JiriBouda (Grafiken 1966-2003), 27.6.-24.8.2003;

Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum: Gold und Kultder Bronzezeit, 22.5.-7.9.2003; 1 Gruppe – 8 Künstler, DieMitglieder des Forums für angewandte Kunst stellen aus,17.7.-28.9.2003

Nürnberg, Museum für Kommunikation: WunderbareWerbeWelten, Marken Macher Mechanismen, 27.3.-5.10.2003

Nürnberg, Museum Industriekultur: Nürnberg von unten,75 Jahre Hauptzuführungskanal zum Klärwerk 1, 6.6.-29.6.2003; Werbefotografien der 50er, 6.6.-20.7.2003;Fotoberge – Berge Fotos, 11.7.-31.8.2003; Sportfoto desJahres 2002, 29.7.-24.8.2003; Das Auto, 11.9.-2.11.2003;Die Zeitung, 15.10.-25.10.2003; Widerstand in der DDR,4.11.-25.11.2003

Nürnberg, Museum Tucherschloss: grenzenlos – Nürn-berg trifft Atlanta, 1. Internationales Fest der Partner-städte, 12.9.-14.9.2003; Thomas May – Das Grashalm-projekt, Ausstellung der Gemälde- und Skulpturensamm-lung der museen der stadt nürnberg im Park des Mu-seums Tucherschloss, 1.11.-23.11.2003

Nürnberg, Naturhistorisches Museum: Frühbronzezeit inSüdjordanien, 9.2.-1.11.2003

Nürnberg, Neues Museum – Staatliches Museum fürKunst und Design in Nürnberg: Designmuseen der Weltzu Gast, 17.9.-23.11.2003

Nürnberg, Spielzeugmuseum Museum Lydia Bayer: Römer,Ritter, Indianer, 5.6.-19.10.2003

Nürnberg, Stadtmuseum Fembohaus: Francisco Goya:Zeichen und Vision, Caprichos – Disastres de la Guerra –Tauromaquia, 4.7.2003 – 14.9.2003; Antiken-Ausstellung,Antikensammlung Berlin präsentiert ihre Schätze, 26.9.-30.11.2003

Oberfahlheim, Museum für bildende Kunst im LandkreisNeu-Ulm: Michael Krähmer, Magische Landschaften – Öl-bilder, 17.9.-30.11.2003

Oberschönenfeld, Schwäbisches Volkskundemuseum:Durchs Feuer ins Jenseits, Römische Gräber, 30.4.-2.11.2003; Seelenbilder, 9.5.-29.6.2003; Mit Schwung

AKTUELLES – BERICHTE 77

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voran – Fahrrad und Radfahren in Schwaben, 17.5.-26.10.2003; Aus dem ländlichen Leben, 4.7.-12.10.2003;Good vibrations, Arbeiten von Erika Berkhemer und KlausKonze, 26.7.-26.10.2003

Oettingen i. Bay., Heimatmuseum: Mauer-Werk, Maurer,Ziegler und Stuckateure, 4.5.2003-2.11.2003

Ortenburg, Schlossmuseum: Altes Spielzeug, 1.4.-1.10.2003

Passau, Museum Moderner Kunst – Stiftung Wörlen: Er-nesto Tatafiore/ Wainer Vaccari, Kunst der Gegenwart ausItalien – Sammlung Großhaus, 22.6.-17.8.2003; JánosFajó, Skulpturen, 22.6.-17.8.2003; Angela Grasser, HelgaHofer, Sandra Huber, 23.8.2003-14.9.2003; Franz Ringel,Retrospektive, 23.8.-28.9.2003; Hermann Bigelmayr,WaldGrasGrün, 23.8.2003-28.9.2003; Manfred Heben-streit, CORPUS CALLOSUM. Malerei auf Glas, Holz undLeinwand, 23.8.-28.9.2003; Uwe Bremer, ZunehmendeUnordnung, 20.9.-16.11.2003; Barbara Klemm – Blicknach Osten, 27.9.-23.11.2003; Erich Lessing, „Ostblock“– Photographien der ‘50er Jahre, 27.9.-23.11.2003

Penzberg, Stadtmuseum: 1. Wessobrunner Architektur-preis, 19.9.-19.10.2003

Prien a. Chiemsee, Galerie im Alten Rathaus: Stefulas Pa-radiese, 10.5.-29.6.2003; Die Säkularisation der Chiem-seeklöster, 5.6.-26.10.2003; Kunst im Chiemgau 2003,Jahresausstellung Chiemgauer Künstler, 12.7.-24.8.2003;Andy Warhol, 11.9.-23.11.2003

Rain a. L., Heimatmuseum: Rainer Ansichten, Bilder undSkizzen von Karl Wintermayr, Rain, 19.10.-11.5.2003

Regen, Niederbayerisches Landwirtschaftsmuseum: Mil-lionenbauern, 28.5.-5.10.2003

Regensburg, Diözesanmuseum St. Ulrich: „In den Klös-tern gediehen die größesten Männer“, 1803 – die gelehr-ten Mönche und der Niedergang einer 1000jährigenTradition, 22.5.-24.8.2003

Regensburg, Historisches Museum: Wende in EuropasMitte, 29.5.-24.8.2003

Regensburg, Museum Ostdeutsche Galerie: Begleichungder Schuld, In Prag tätige deutschsprachige Architekten1900-1938, 25.5.-31.8.2003; Sammlung im Verborgenen,Bildnismalerei zwischen Gründerzeit und Neuer Sach-lichkeit, 3.6.-21.9.2003; Katarzyna Kozyra, Tanzübungen(Installation), 22.6.-7.9.2003; Malerei aus der Ukraine,

Olexander Gnilitsky – Aleksander Roitburd – Andrij Sahaj-dakovskyj, 21.9.-9.11.2003; Jiri Harcuba, Portraits, 5.10.-23.11.2003; Kunstwerk des Monats, Max Pechstein,28.10.-30.11.2003

Regensburg, Städtische Galerie im Leeren Beutel:Johanna Obermüller – Beziehungskisten, Davor – Da-nach – Dahinter, 4.7.-28.9.2003; Paul Flora – Zeichnun-gen aus vier Jahrzehnten, Die Sammlung Pirchl, 19.9.-9.11.2003

Riedenburg, Kristallmuseum: Edelsteine des Himmels,Türkis & Lapis lazuli, 1.3.-31.10.2003

Rosenheim, Holztechnisches Museum: Kommt Holzkommt Rad, 13.5.-26.10.2003

Rosenheim, Städtische Galerie: Jahresausstellung,Kunstverein Rosenheim, 25.5.-29.6.2003; ExpressiverRealismus, Künstler der verschollenen Generation, 11.7.-7.9.2003; Walter Raum, Weg zu mir selbst, 19.9.-26.10.2003

Roßtal, Museumshof: Schönes Glas, 4.5.-31.10.2003

Schernfeld, Museum Bergér: Der Ammonit, Ein Symbol invielen Facetten, 24.5.-31.10.2003

Schwandorf, Stadtmuseum: Vom Grammophon zumRadioton, 6.7.-28.9.2003

Schweinfurt, Galerie Alte Reichsvogtei: Margarita Calvary,Druck-Grafik, 16.5.-7.9.2003; Die Nürnberger Künstler-gruppe DER KREIS e. V., 8 Positionen im Kreis – Bessel,Kampehl, Michl, Paule, Schneider, Weinberg, Weiss,Wrede, 18.7.-14.9.2003; Made in Schweinfurt II., Rekla-me für Kugellager & Co., 11.9.-19.10.2003; Carl Barth(1787-1853): „...weil ich nun einmal ein Kupferstecherbin“, 26.9.-16.11.2003

Schweinfurt, Museum Altes Gymnasium: Medaillon aufKaiser Heinrich II., 10.7.-28.9.2003

Schweinfurt, Museum Georg Schäfer: Die Entdeckungder Wirklichkeit. Deutsche Malerei und Zeichnung, 1765-1815, 15.6.-2.11.2003

Seebruck, Römermuseum Bedaium: Medicina Carnuntia,Römische Hygiene und Medizin im westpannonischenRaum, 16.5.-31.8.2003

Seefeld, Schloß Seefeld: Im Schatten der Pyramiden,13.4.-16.11.2003

AKTUELLES – BERICHTE78

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Selb-Plößberg, Europäisches Industriemuseum für Por-zellan Europäisches Museum für Technische Keramik:Jederzeit Kaffeezeit, Porzellan, Mühlen und Maschinen,11.5.-19.10.2003

Solnhofen, Bürgermeister-Müller-Museum: Der TraumSolnhofen, Neue Funde aus Painten, 12.7.-2.11.2003

Speikern, Fränkische Hopfenscheune mit heimatkund-licher Sammlung: Unter Strom – elektrische Geräte imWandel der Zeit, 1.5.-31.10.2003

Straubing, Gäubodenmuseum: „fürste in der ferne“, 650Jahre Herzogtum Straubing-Holland, 28.5.-17.8.2003

Sulzbach-Rosenberg, Literaturarchiv: Bilderbriefe vonDichtern und Malern, 3.5.-25.6.2003; Eugen Oker,5.7.2003-19.10.2003

Tegernsee, Museum Tegernseer Tal: Von Reitkunst bisChoralgesang, Bücher aus der Tegernseer Klosterdrucke-rei 1573-1803, 29.5.-5.10.2003

Theuern, Bergbau- und Industriemuseum Ostbayern: EI-SENBLÜTE, Hämmer und Hütten der Oberen Pfalz vomMittelalter bis zur Zeit des Winterkönigs, 4.4.-2.11.2003;„hier + heute“, Glas aus Deutschland, 16.5.-2.11.2003

Tüchersfeld, Fränkische Schweiz-Museum: Das liebeGeld im Wandel. Von den Silberpfennigen bis zum Euro,7.12.2002-2.11.2003; Wegstationen – Urformen aus derNatur, Skulpturen und Bilder von Wolfgang Pietschmann,24.5.-29.6.2003

Ursberg, Klostermuseum Ursberg: Zinngefäße: Tafelge-schirr und andere Gebrauchsgegenstände – 17.-20. Jahr-hundert, 2.6.-31.7.2003; Grafiken verschiedener Künstlerab 1934, 1.8.-30.9.2003; Wachsabdrücke mit dazu-gehörenden Modeln, 1.10.- 29.11.2003

Vilsbiburg, Heimatmuseum: „Geld regiert die Welt“, 200Jahre bayerische Geldgeschichte – vom Gulden zu Euro,18.5.-26.10.2003

Walderbach, Kreismuseum Walderbach: Filigran undkostbar, Barocke Klosterarbeiten, 15.5. -26.10.2003; Zeit-reise, 1.7.-26.10.2003

Weißenburg i. Bay., Römermuseum: Löwe, Maus & Co.,Tiere in der Antike, 7.5.-31.8.2003

Weißenhorn, Weißenhorner Heimatmuseum: „+ – alleselektrisch“, Zur Geschichte der Elektrizität in Weißenhorn

und der Einzug von Elektrogeräten im Haushalt, 10.5.-14.9.2003; Kunst- und Kulturgeschichte der Region,27.9.-16.11.2003

Wörth-Hofdorf, Nostalgie-Museum: Vom Taufbrief biszum Sterbebild, Der Glaube auf unserem Lebensweg,14.6.-3.10.2003

Wunsiedel i. Fichtelgebirge, Fichtelgebirgsmuseum:Fundort: Baustelle, Hausgeschichte und Sanierung einesWunsiedler Bürgerhauses, 14.9.-16.11.2003

Würzburg, Mainfränkisches Museum: ...meine ange-nehmste Unterhaltung, Musikinstrumente und Musikalienaus fränkischen Sammlungen, 14.5.-24.8.2003

Würzburg, Museum im Kulturspeicher Würzburg: DieterJung, Anders als man denkt – Photon, Pigment, Pixel,Objekte, 23.8.-19.10.2003

Würzburg, Museum im Kulturspeicher Würzburg: Magiedes Augenblicks – Herbert List, Fotografien 1925-1965,7.6.-10.8.2003

Zirndorf, Städtisches Museum: gestochen scharf, schöneSchreibgeräte vergangener Tage, 24.5.-7.9.2003; MarkusKronberger, Farbe und Raum (Kunstausstellung), 27.9.-2.11.2003

Zwiesel, Waldmuseum Wald – Heimat – Glas: GlashütteEleonorenhain, Von der langjährigen Tradition böhmi-schen Glases, 15.12.2002-31.10.2003

AKTUELLES – BERICHTE 79

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VARIA

ALTER HOF 2: DIE NEUE ADRESSE DER LANDESSTELLE

Akten werden gepackt, Kisten gestapelt und Möbel aus-einandergebaut – im Oktober 2003 steht der Landesstellefür die nichtstaatlichen Museen wieder einmal ein Umzugins Haus: Sie wird in frisch sanierten Räumlichkeiten imAlten Hof in München einziehen. Im Zuge des neuen Nut-zungsplanes und der Sanierung des historischen Teils derfrüheren Herzogs- und Kaiserresidenz im Herzen derStadt, die in den letzten Jahrzehnten ein wenig beachte-tes Dasein als Finanzamt gefristet hatte, wurden für dieLandesstelle Büroräume im ersten und zweiten Stock-werk des Burgstocks hergerichtet. Ab Spätherbst werdendie Mitarbeiter der Landesstelle also unter der neuenAdresse in unmittelbarer Nähe zum Landesamt für Denk-malpflege erreichbar sein:

Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in BayernAlter Hof 280331 München

ERFOLGREICHE SCHIMMELPILZBEKÄMPFUNG

Am Freilichtmuseum des Bezirks Oberbayern an derGlentleiten wurden jüngst erstmals die Ergebnisse der vorgut einem Jahr vorgenommenen Behandlung der vonSchimmelpilz befallenen Möbel (siehe Bericht museumheute 24) kontrolliert. Auf den damals unmittelbar nachder Maßnahme genommenen Proben waren fast keineKeime mehr nachzuweisen gewesen.

Die Nachbeprobung und deren Auswertung führte dieDiplomrestauratorin Julia Schultz, die im Rahmen ihresStudiums an den Voruntersuchungen beteiligt und dahermit der Materie vertraut war, durch. Es wurden sowohlmehrere Proben von den lediglich trocken gereinigtenund von den zusätzlich mit 2,5-prozentigem Benzalkoni-umchlorid behandelten Objekten als auch vom Depotbo-den und den Wänden genommen. Durch den Vergleichmit den Keimzahlen des Vorjahres sollte ein eventuellesneuerliches Wachstum des Schimmelpilzes festgestelltwerden können. Darüber hinaus wurde eine Luftkeim-messung durchgeführt, um auch für den gegenwärtigenZeitpunkt die gesundheitliche Gefährdung der Mitarbeiterbeim Aufenthalt im Depot besser einschätzen zu können.

Erfreulicherweise ergaben wiederum fast alle Auszählun-gen Werte gegen Null. Lediglich der Depotboden wieseine leicht erhöhte, aber unbedenkliche Keimzahl auf.Diesem Umstand wird mit der jährlich mindestens einmaldurchgeführten Bodendesinfektion Rechnung getragen.

Zum jetzigen Zeitpunkt kann man davon ausgehen, dassdie in Zusammenarbeit mit dem Institut für Restaurierungan der Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttin-gen erarbeitete Methode zur Schimmelpilzbekämpfungerfolgreich angewendet wurde und sich der ebenso enor-me personelle wie auch finanzielle Aufwand gelohnt hat.Davon abgesehen ist es aber auch weiterhin notwendig,den Zustand der Objekte genau zu beobachten, aufSauberkeit im Depot zu achten, das Depotklima unterKontrolle zu halten und zunächst jährlich weitere Bepro-bungen durchzuführen.

Christine Tafelmaier M. A.

GESUCHT

Das Stadtmuseum Fürstenfeldbruck erhält neue Räumefür die Museumspädagogik.

Für die Ausstattung fehlen noch alte Schulbänke. Diesekönnen ruhig unterschiedlich aussehen und aus verschie-denen Zeiten stammen. Das Stadtmuseum Fürstenfeld-bruck erbittet Informationen über Möglichkeiten, solchealte Schulmöbel zu erwerben.

Stadtmuseum Fürstenfeldbruck, Tel. 08141/61130, E-Mail [email protected]

150 JAHRE MUSEEN DER STADT ASCHAFFENBURG

Die Museen der Stadt Aschaffenburg werden 2004 hun-dertfünfzig Jahre alt. Die Museumsleitung sucht deshalbweitere Museen in und außerhalb Bayerns, die ebenfallsnächstes Jahr ihr hundertfünzigjähriges Jubiläum feiern,um gemeinsame Aktionen abzustimmen.

Kontakt: Dr. Markus Marquart, Museen der Stadt Aschaf-fenburg, Schlossplatz 4, 63739 Aschaffenburg, [email protected]

AKTUELLES – BERICHTE80

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DIE AUTOREN DIESES HEFTS

Günther Bauernfeind M. A., Kultur- und Museumsreferatdes Landkreises Cham

Dr. Michaela Breil, Historikerin und Kulturpädagogin,München

Monika Dreykorn, Landesstelle für die nichtstaatlichenMuseen in Bayern

Dipl. Ing. (FH) Eva-Maria Fleckenstein, Landesstelle fürdie nichtstaatlichen Museen in Bayern

Dr. Christof Flügel, Landesstelle für die nichtstaatlichenMuseen in Bayern

Dr. Albrecht A. Gribl, Landesstelle für die nichtstaatlichenMuseen in Bayern

Doris Hefner, M. A. Archäologin und Kulturkuratorinn,Gilching

Dr. Hannelore Kunz-Ott, Landesstelle für die nichtstaat-lichen Museen in Bayern

Franziska Lobenhofer-Hirschbold, Freilichtmuseum desBezirks Oberbayern an der Glentleiten

Claudia Freitag-Mair M. A., Museum im Pflegschloss,Schrobenhausen

Edith Schoeneck M. A., Kulturkuratorinn, Museumspäda-gogische Werkstatt Oberzenn

Wilhelm Siemen M. A., Europäisches Industriemuseumfür Porzellan, Selb-Plößberg

Dr. Wolfgang Stäbler, Landesstelle für die nichtstaatlichenMuseen in Bayern

Dr. Heinrich Stiewe, Westfälisches Freilichtmuseum Det-mold

Christine Tafelmaier M. A., Freilichtmuseum des BezirksOberbayern an der Glentleiten

Albrecht Wald M. A., Fränkisches Freilandmuseum Fla-dungen

Umschlagentwurf:Erich Hackel, München

Abbildungen:Atelier Brückner, Stuttgart S. 57-59Bayerischer Landesverein für Heimatpflege (Martin Wölz-

müller) S. 74Deutsches Museum München S. 48Europäisches Industriemuseum für Porzellan, Selb-Plöß-

berg S. 10-14, 41Fränkisches Freilandmuseum Fladungen S. 21-29Freilichtmuseum des Bezirks Oberbayern an der Glentlei-

ten S. 33-35Michael Hofler, München, S. 49Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen (Hans-

Joachim Becker) Titel, S. 3-9, 15-20 (Markus Hunde-mer) S. 39, 45-47, 52, 55, (Wolfgang Stäbler) S. 43 f.

Netzwerk Kulturkuratorinnen S. 65Stadt Penzberg S. 44Westfälisches Freilichtmuseum Detmold (Claudia Deisen-

roth) S. 61-63, (Joachim Kleinmanns) S. 60

Die Karte auf S. 53 ist entnommen aus:Dietwulf Baatz: Der römische Limes. Archäologische Aus-

flüge zwischen Rhein und Donau, Berlin 42000, S. 75

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LANDESSTELLEFÜR DIENICHTSTAATLICHENMUSEEN

ALTER HOF 280331 MÜNCHENTELEFON 0 89/21 01 40-0TELEFAX 0 89/21 01 40-40

ISSN 0944-8497