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Der Radiologe 8•2000 M 135 Mitteilungen Berufsverband der Deutschen Radiologen „Seit 1995 geht es nur noch bergab“ Statement von Dr. Eva-Maria Föse, Radiologin in Dresden, anläßlich des GFB-Tref- fens der sächsischen Berufsverbände im Juli 2000: „Auch eine grüne Bundesgesundheitsministerin kann nicht plötzlich auf die Idee kommen,hochverschuldete Fachärzte zurück ins Krankenhaus zu schicken,ohne sich näher damit zu befassen, wie das funktionieren soll. Wir haben Kollegen, die jetzt schon zah- lungsunfähig sind. Für unsere Großgeräte ha- ben wir Kredite in Höhe von 2 bis 2,5 Mil- lionen DM aufgenom- men bei Laufzeiten von 12 Jahren und mehr. Die wurden alle über Lebensversiche- rungen finanziert. Wir sind jetzt maximal zehn Jahre niedergelassen. Insolvente Kollegen haften mit Haus, Hof und Hund und sitzen unter der Brücke. Die Mitarbeiter, die sie entlassen, gehen „bloß“ in die Arbeitslosigkeit. Der Kollege, der seine Kredite nicht mehr be- dienen kann, hängt vielleicht bald am Baum. Wir müssen uns einmal an die Ausgangssituation erinnern: Die Polikliniken der DDR sollten keinen Bestand haben. Alle Hochrechnungen waren darauf ausgerich- tet, daß wir spätestens in zehn Jahren soviel verdienen wie die Kollegen im Westen. Im Vertrauen darauf haben wir uns niedergelassen und hoch verschuldet. Doch seit 1995 geht es nur noch bergab, wir werden im Regen stehen gelassen. Ich gehe nach 18 Uhr aus der Praxis, gönne mir nicht mehr als eine Woche Urlaub im Jahr und bringe für eine Familie mit zwei Kindern 2800 DM netto im Monat nach Hause. Das geht nicht mehr. Im Alter von 47 bis 50 Jahren nimmt uns keiner mehr im Krankenhaus. Fragt sich mal jemand, wie wir aus den langfristigen Mietverträgen herauskommen können ? Ich habe das modernste CT-Gerät angeschafft. Doch die Herstellerfirma sagt nicht: Wenn Sie nicht mehr bezahlen können, erlassen wir den Restbetrag.Alle anderen Be- rufe haben ein Streikrecht. Dem Arzt wird es untersagt, und es wird an seine ärztli- che Ethik appelliert. Das führt dazu, daß wir körperlich und seelisch ausbluten, wir bewegen uns am Rand der Dekompensation. Dazu kommt die Verantwortung für die Mitarbeiter.Von ursprünglich zwölf be- schäftige ich noch sieben. Die Betriebskosten sind in den letzten zehn Jahren um 30 bis 40 Prozent gestiegen.Als ich 1991 angefangen habe, lag der Punktwert bei 6,1 Pfg., zwischenzeitlich stieg er auf 8,3 Pfg. und seit 1995 sinkt er kontinuierlich bis auf jetzt 4,27 Pfg.. Jedes Kind kann sich ausrechnen, daß wir damit nicht mehr fertig werden können.“ den Punktwert zu halten müßten die Fachärzte ihre Leistungen um 25 % re- duzieren. Der Vorschlag von Dr. Klaus Hamm, BDR-Landesvorsitzender in Sachsen, eine Urabstimmung über eine Aktionswoche im September durchzuführen, wurde ein- stimmig angenommen. In einer Blitz- umfrage unter Radiologen hatte Hamm vorab bereits eine überwältigende Zu- stimmung zu diesem letzten Druckmit- tel abgefragt. Dr. Hamm: „Derzeit läuft die Urabstimmung und wir bekommen von allen Seiten Unterstützung. Ich baue darauf, daß wir einen Schulterschluß der Ärzte erreichen.“ Die Urabstimmung läuft noch bis zum 4. September 2000, der Streik ist für die Woche vom 25. bis 30. September geplant. bz BDR wendet sich an Bundeskanzler Schröder Die Lage der Ärzteschaft in Ostdeutschland muß endlich zur politischen Chefsache erklärt werden ! Wir haben uns deshalb in einem ausführlichen Schreiben an Bundeskanzler Schröder gewandt und um seine persönliche Intervention gebeten. Es kann nicht angehen, daß die fachärztliche Be- treuung unserer Patienten auf dem Altar der„spre- chenden Medizin“ geopfert wird. Hier Auszüge aus dem Brief: „Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, mit großer Sorge beobachten wir die kata- strophale honorarpolitische Entwicklung in den neuen Bundesländern. Unter Anderem hat die gesetzlich gewollte Honorartrennung zwi- schen Hausärzten und Fachärzten in Sachsen dazu geführt, dass die Abrechnung des I. Quar- tals 2000 den Radiologen einen Punktwert- verfall von durchschnittlich 27 % im Vergleich zum Vorjahr bescherte. Dies ist gleichbedeu- tend mit dem Aus etwa der Hälfte aller radio- logischen Praxen in Sachsen, wenn jetzt den Radiologen und anderen Facharztgruppen nicht rasche konstruktive Hilfe seitens der Po- litik gewährt wird. Sie selbst, sehr verehrter Herr Bundeskanz- ler, haben jüngst zu erkennen gegeben, dass Sie sich persönlich in die Gesundheitspolitik einbringen wollen. Wir haben der Bundesge- sundheitsministerin Frau Andrea Fischer am 10.11.1999 die Honorarsituation der Radiolo- gen in den neuen Bundesländern geschildert. Leider haben wir bis heute keine Antwort auf unser Schreiben erhalten. Wir hoffen auf Ihr tatkräftiges Eingreifen !“ „Insolvente Kollegen haften mit Haus und Hof !“ Dr.Eva-Maria Föse, Radiologin in Dresden, schildert in schonungs- loser Offenheit die Situation der niedergelassenen Radiologen in Sachsen

BDR wendet sich an Bundeskanzler Schröder

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Der Radiologe 8•2000 M 135

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„Seit 1995 geht es nur noch bergab“

Statement von Dr. Eva-Maria Föse, Radiologin in Dresden, anläßlich des GFB-Tref-fens der sächsischen Berufsverbände im Juli 2000:

„Auch eine grüne Bundesgesundheitsministerin kann nicht plötzlich auf die Ideekommen,hochverschuldete Fachärzte zurück ins Krankenhaus zu schicken,ohne sichnäher damit zu befassen, wie das funktionieren soll.

Wir haben Kollegen,die jetzt schon zah-lungsunfähig sind. Fürunsere Großgeräte ha-ben wir Kredite inHöhe von 2 bis 2,5 Mil-lionen DM aufgenom-men bei Laufzeitenvon 12 Jahren undmehr. Die wurden alleüber Lebensversiche-rungen finanziert.

Wir sind jetzt maximal zehn Jahre niedergelassen. Insolvente Kollegen haften mitHaus, Hof und Hund und sitzen unter der Brücke. Die Mitarbeiter, die sie entlassen,gehen „bloß“ in die Arbeitslosigkeit. Der Kollege, der seine Kredite nicht mehr be-dienen kann, hängt vielleicht bald am Baum.

Wir müssen uns einmal an die Ausgangssituation erinnern: Die Polikliniken derDDR sollten keinen Bestand haben. Alle Hochrechnungen waren darauf ausgerich-tet, daß wir spätestens in zehn Jahren soviel verdienen wie die Kollegen im Westen.Im Vertrauen darauf haben wir uns niedergelassen und hoch verschuldet. Doch seit1995 geht es nur noch bergab, wir werden im Regen stehen gelassen. Ich gehe nach 18Uhr aus der Praxis, gönne mir nicht mehr als eine Woche Urlaub im Jahr und bringefür eine Familie mit zwei Kindern 2800 DM netto im Monat nach Hause. Das gehtnicht mehr.

Im Alter von 47 bis 50 Jahren nimmt uns keiner mehr im Krankenhaus. Fragt sichmal jemand, wie wir aus den langfristigen Mietverträgen herauskommen können ? Ich habe das modernste CT-Gerät angeschafft. Doch die Herstellerfirma sagt nicht:Wenn Sie nicht mehr bezahlen können, erlassen wir den Restbetrag.Alle anderen Be-rufe haben ein Streikrecht. Dem Arzt wird es untersagt, und es wird an seine ärztli-che Ethik appelliert. Das führt dazu, daß wir körperlich und seelisch ausbluten, wirbewegen uns am Rand der Dekompensation.Dazu kommt die Verantwortung für die Mitarbeiter. Von ursprünglich zwölf be-schäftige ich noch sieben. Die Betriebskosten sind in den letzten zehn Jahren um 30bis 40 Prozent gestiegen.Als ich 1991 angefangen habe, lag der Punktwert bei 6,1 Pfg.,zwischenzeitlich stieg er auf 8,3 Pfg. und seit 1995 sinkt er kontinuierlich bis auf jetzt4,27 Pfg.. Jedes Kind kann sich ausrechnen, daß wir damit nicht mehr fertig werdenkönnen.“

den Punktwert zu halten müßten dieFachärzte ihre Leistungen um 25 % re-duzieren.Der Vorschlag von Dr. Klaus Hamm,BDR-Landesvorsitzender in Sachsen,eineUrabstimmung über eine Aktionswocheim September durchzuführen,wurde ein-

stimmig angenommen. In einer Blitz-umfrage unter Radiologen hatte Hammvorab bereits eine überwältigende Zu-stimmung zu diesem letzten Druckmit-tel abgefragt. Dr. Hamm: „Derzeit läuftdie Urabstimmung und wir bekommenvon allen Seiten Unterstützung. Ich baue

darauf,daß wir einen Schulterschluß derÄrzte erreichen.“ Die Urabstimmungläuft noch bis zum 4. September 2000,der Streik ist für die Woche vom 25. bis30. September geplant. bz

BDR wendet sich an Bundeskanzler Schröder

Die Lage der Ärzteschaft in Ostdeutschland muß

endlich zur politischen Chefsache erklärt werden !

Wir haben uns deshalb in einem ausführlichen

Schreiben an Bundeskanzler Schröder gewandt

und um seine persönliche Intervention gebeten.

Es kann nicht angehen, daß die fachärztliche Be-

treuung unserer Patienten auf dem Altar der „spre-

chenden Medizin“ geopfert wird. Hier Auszüge aus

dem Brief:

„Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

mit großer Sorge beobachten wir die kata-strophale honorarpolitische Entwicklung inden neuen Bundesländern.Unter Anderem hatdie gesetzlich gewollte Honorartrennung zwi-schen Hausärzten und Fachärzten in Sachsendazu geführt,dass die Abrechnung des I.Quar-tals 2000 den Radiologen einen Punktwert-verfall von durchschnittlich 27 % im Vergleichzum Vorjahr bescherte. Dies ist gleichbedeu-tend mit dem Aus etwa der Hälfte aller radio-logischen Praxen in Sachsen, wenn jetzt denRadiologen und anderen Facharztgruppennicht rasche konstruktive Hilfe seitens der Po-litik gewährt wird.

Sie selbst, sehr verehrter Herr Bundeskanz-ler, haben jüngst zu erkennen gegeben, dassSie sich persönlich in die Gesundheitspolitikeinbringen wollen. Wir haben der Bundesge-sundheitsministerin Frau Andrea Fischer am10.11.1999 die Honorarsituation der Radiolo-gen in den neuen Bundesländern geschildert.Leider haben wir bis heute keine Antwort aufunser Schreiben erhalten.

Wir hoffen auf Ihr tatkräftiges Eingreifen !“

„Insolvente Kollegen haftenmit Haus und Hof !“Dr. Eva-Maria Föse, Radiologin

in Dresden, schildert in schonungs-

loser Offenheit die Situation der

niedergelassenen Radiologen in

Sachsen