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Handbuch des Gesamten Pflanzenbaues einschließlich der Pflanzenzüchtung von J. Becker-Dillingen, Saatzuchtdirektor. Dritter Band: Hülsenfruchterbau und Futterbau. BERLIN VERLAGSBUCHHANDLUNG PAUL PAREY Tsrlag fUr Landwirtschaft, Gartenbau and Fontwesen SW 11, Hedemannstraße 28 u. 29 1929. Handbuch des Hülsenfruchterbaues und Futterbaues Auf praktisch-wissenschaftlicher Grundlage unter besonderer Berücksichtigung der Pflanzenzüchtung von J. Becker-Dillingen, Saatzuchtdirektor. Mit 233 Textabbildungen und einer Tafel. BERLIN VERLAGSBUCHHANDLUNG PAUL PAREY Verla« für Landwirtschaft, Gartenbau und Forstwesen SW 11, Hedemannstraße 28u.29 1929.

Becker-Dillingen 1929 Lathyrus Agronomy History Botany

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Handbuchdes

Gesamten Pflanzenbaueseinschließlich

der Pflanzenzüchtung

von

J. Becker-Dillingen,Saatzuchtdirektor.

Dritter Band:

Hülsenfruchterbau und Futterbau.

BERLINVERLAGSBUCHHANDLUNG PAUL PAREY

Tsrlag fUr Landwirtschaft, Gartenbau and Fontwesen

SW 11, Hedemannstraße 28 u. 291929.

Handbuchdes

Hülsenfruchterbauesund Futterbaues

Auf praktisch-wissenschaftlicher Grundlageunter besonderer Berücksichtigung der Pflanzenzüchtung

von

J. Becker-Dillingen,Saatzuchtdirektor.

Mit 233 Textabbildungen und einer Tafel.

BERLINVERLAGSBUCHHANDLUNG PAUL PAREY

Verla« für Landwirtschaft, Gartenbau und Forstwesen

SW 11, Hedemannstraße 28u.29

1929.

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68 A. Der Anbau der Hülsenfruchter.

nicht bezahlt macht. Späte Saaten leiden besonders stark. Bei von mir vor-genommenen Anbauversuchen, die sich über mehrere Jahre erstreckten, befiel dieBraunschweiger Folgererbse fast stets am ersten und stärksten.

Das Fusarium vasinfektum AJK var. Pisi VAN HALL verursacht die St. Johannis -krankheit . Die Pflanze^vergilbt und stirbt ab. Die Wurzel zeigt sich, von rotenund braunen Pilzfäden durchzogen. Dies triit meistens im letzten Drittel des Juniein. Bei stärkerem Befall gibt es kein anderes Mittel als den Erbsenbau zu unter-brechen, es sei denn, daß eine widerstandsfähige Sorte gefunden würde.

Weniger schädlich ist Septoria Pisi WESTD. und auch verschiedene Sphaerella- Arten.Ferner ist in seltenen Fällen Thilavia basicola ZOPF, jener Pilz, der die Wurze l -bräune der Lupine verursacht, auf der Erbse.gefunden worden.

C. Tierische Schädlinge.Die Hauptplage des Erbsenbauers ist der Erbsenkäfer, Bruchus Pisi L., in Österreich

„Wippl" genannt. Er legt sein« Eier an die jungen Fruchtknoten. Die auskommendenLarven fressen sich in die heranwachsenden Erbsen ein und verpuppen sich in ihnen.An der Reiferbse erkennt man die Anwesenheit des Käfers an einem kleinen kreis-runden Fleck. Ist der Käfer gegen das Frühjahr zu ausgeschlüpft, dann klafft in derErbse ein kleines kreisrundes Loch. (Abb. 12, Nr. 10.) Das Ausschlüpfen beginntgegen Ausgang des Winters. Käfriges Saatgut und käfrige Kocherbsen leiden be-deutend in ihrem Werte. " '

Zur Bekämpfung des Übels werden die verschiedensten Mittel empfohlen. In ersterLinie hilft die Verwendung zweijährigen Saatgutes, da in solchem die Käfer bereitsausgeflogen sind. Außerdem hilft ein mehrstündiges Anwärmen des Saatgutes oder einVerbringen in warme Räume (zu Ausgang des Winters) mit nachfolgendem sehrkräftigen Sieben. Man muß dabei aber darauf achten, daß die sehr lebhaft werdendenKäfer nicht auffliegen und so die Arbeit umsonst machen. Auch ein Erhitzen desSaalgutes gleich nach der Ernte auf 50—60° C wird empfohlen. Es kann dies ineinem Backofen geschehen. Etwas gefährlicher ist das Arbeiten mit Schwefelkohlen-stoff. Er ist giftig und feuergefährlich. Man setzt in eine Tonne ein Gefäß mit demSchwefelkohlenstoff, stellt darüber einen Siebboden, füllt die Erbsen ein und verschließtluftdicht. Man rechnet 50 ccm Schwefelkohlenstoff auf 1 hl Erbsen bei einer Ein-wirkung von 10 Minuten. Nach der Arbeit müssen die Erbsen gelüftet werden. (NB. !Nicht rauchen.) Nach einem anderen Verfahren besprengt man 1000 GewichtsteileSamen mit einem Gewichtsteil Schwefelkohlenstoff und läßt sie in luftdicht geschlossenenGefäßen bei 20—30° C mehrere Tage stehen. Ein Verlust an Keimkraft ist dabeinicht zu befürchten. Ein weiteres Hilfsmittel gegen den Erbsenkäfer wäre späterAnbau der Erbse, ein Anbau etwa im Juni. Allerdings kommt dann die Mehltaugefahrstärker und außerdem paßt sich ein solcher Anbau schlechter der Fruchtfolge ein,wenigstens der landwirtschaftlichen. Später wie im Juni gebaute Erbsen werden nichtmehr reif. Auf den Gedanken des Spätanbaues kam man durch die Beobachtung, daßfrüh- und spätreife Sorten unter dem Käfer am wenigsten litten, während er diemittelfrühen Erbsen stets besonders stark befällt. Die Anwendung von Spritzmittelnund ein Zwischenbau von Ackerbohnen ist nach den Angaben FEUWIRTHS unwirksam.Ein sehr gutes Mittel wäre das Aussetzen des Erbsenbaues in der ganzen Gegend aufein Jahr. Ist die Plage in der ganzen Gemarkung, so ist das Vorgehen eines einzelnenzwecklos. Soll ein Erfolg erreicht werden, dann müssen ganze Gemeinden zusammen-gehen. Vorsicht ist auch geboten beim Bezüge von Saatgut von auswärts.

Sind die Samen in der Hülse äußerlich sichtbar zernagt und die Hülse gleichzeitig durch"Insektenkot verunreinigt, dann haben wir es mit den Raupen verschiedener Klein-schmetterlinge zu tun, mit denen von Orapholitha nebritana TR., Or. dor sana FB.,Or. nigricana und Etiella xinkeneUa TE. Bevor die Hülse ganz reift, lassen sichdie Räupchen zur Erde hinab, in der sie sich verpuppen. Das beste Mittel dagegen

. Die Hülsenfruchter. 2. Die Saat-Platterbse. 69

ist die tiefe Ackerung im Herbst, die die Schmetterlinge im Frühjahre am Aus-kriechen hindert.

Die Blätter werden namentlich im Jugendstadium der Pflanze vom Erbsenbla t t rand-käfer, Sitones lineatus L., S. tibialis GERM, und suldfrons THUNB. oft stark ge-schädigt. Niedrige und olivgrüne Erbsensorten leiden nach meiner Erfahrung introckenen Jahren, in denen auch eine sonst ja wirksame Salpeterkopfdüngung versagt,ganz erheblich. Hohe und schnellwüchsige Sorten entkommen dem Schädling bald,der nicht allzu hoch über die Erde aufzusteigen mag.

In trockenen Jahren verursachen auch die massenhaft auftretenden Blat t läuse, Siphono-phora UïmariaeBcBRX., Aphis Rumiéis L., Aphis Vteiae KALTB., Aphis Papaveris FB.Mißernten. Ist der Befall sehr stark, dann wird man am besten die Erbsen als Grünfuttereinmähen. Im Gartenbau kann man mit Petroleumseifenbrühe oder Venetan spritzen.

Unter den Schmetterlingen schadet die Erbseneule Mamestra Pisi HB. mit ihrer leb-haft rotbraun gefärbten Raupe von Juli bis September. Die Puppe hegt über Winterin der Erde. Der Schmetterung fliegt von Mai bis Juni. Als Abhilfe dient Ab-suchen der Raupen und tiefes Unterpflügen der Puppen im Herbst.

Gleichermaßen schadet die Raupe der Flohkrauteule , Mamestra Persicariae L., unddie grünliche Raupe der Gemüse- oder Salateule , Mamestra olerácea L.

Bedeutend schädlicher wie die genannten Raupen sind diejenigen der YpsiloneulePlusia gamma L. Sie sind grüngelb und fressen in einem Jahre in 2 bis 3 Gene-rationen. Als Abhilfe kann Absuchen, Walzen mit schweren Ackergeräten, Haltenvon Hühnern und Hegen des Stars genannt werden. Unter Umständen Fanggräben.

Die Blätter werden von der Erbsenminiermade, Phytomyxa Pisi KALT, miniert.Ein frühzeitiges Welken der Blüten wird durch den, die Säfte der Pflanze aussaugenden

Blasenfuß (Thrips-Arten) verursacht. Gegenmittel sind nicht bekannt.Die Erbsenmüdigkei t soll durch eine Nematode verursacht werden. Dagegen hilft

nur ein Wechsel in der Fruchtfolge und eine Wiederkehr der Erbse auf demselbenFeldschlag nicht vor 5—6 Jahren. Es handelt sich nach LIEBSCHER um HeteroderaQöttingiana. Auch saure Bodenreaktion kann hier in Betracht kommen.

Von geringer Bedeutung ist die Larve von Tichius quinque-punctatus L., die an denHülsen frißt, die von Apion vorax HBST., die 1—2 mm breite und tiefe Löcherin die Samen bohrt und die kleine, weiße Made der Erbsengal lmücke, GontariniaPisi WINN., welche Hülsen und Samen durch ihr Saugen schädigt. Die Larve vonBalanius Pisi GLAS, verletzt die Körner, die ganze Pflanze benagt die Raupe vonAgrotis segetum und einige Erdfloharten.

Von größeren Tieren sind namentlich die Tauben auf die reifen Erbsen versessen undkönnen manchesmal auf Saatfeldern erheblichen Schaden stiften. Das gleiche gilt fürDohlen. Die Sperlinge zerpflücken gerne die jungen Pflanzen. Die Erdzieselheben grüne Erbsen und ernten oft mehr davon als dem Anbauer lieb ist.

2. Die Saat-Platterbse.

Lathyrus sativus L.

1. Bezeichnungen in verschiedenen Sprachen.Saat-Platterbse, Weiße Platterbse, Rütierbs (Entlebuch in der Schweiz), Zahn- oder

Eckererbse (nach der Samenform), Oraserbse (nach der Form der Laubblätter), Böhmische,Walachische, Rumänische Linse, Russische Speisewicke, Spanische Erbse, Indische Futter-erbse (im Gegensatz zu unseren Erbsen bezw. Linsen); Deutsche Richer, Küchern, Keker,Kickerling, Kichert). (Die letzteren Bezeichnungen kommen vom althochd. chichera, daseigentlich das lateinische Cicer und damit Cicer arietinum benannte).

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70 A. Der Anbau der Hülsenfruchter.

Holland.: peul erwt, wikken lathy rus, platte ertöten; flämisch: platte erwt; engl. :chickling vetch, the lathy rus, the vetchling, the tare {mother pea1), mattar pea1), maddar1)(Indien), Spanish lentil; franz.: gesse cultivée, gesse blanche, lentille d'Espagne, lentillesuisse, lentillin, dent-de-brebis, pois breton, p. carré, p. de brebis, p. gesse, p. gras, p. ceresLangued: guiffes; spanisch: guijas, lenteja de España blanca o cultivada; Katalonien:cay retas, en la Mancha: guijas; Almorta: tito; amerik.-spanisch: muelas; portug.: chícharo,chichero, xixaro; ital. : cicerchia bvanca, cicercola, cece ñero, ingrassamanxo ( = Fleisch-mäster), cesarella látiro; pom.: wyka siewna; Syrien-Ägypten: gilbän, gulbän, gulabbün;neugriechisch: lathouri; Indien (Norden): kheasi, khesari, latri; (Zentralprovinzen) lakh,teora; (Bombay) lang.

Die Samen werden aus Indien eingeführt unter den Bezeichnungen: Englisch: motherpeas, mattar peas, indian peas; franz.: pois indiens.

2. Geschichtliches.Die Saatplatterbse ist eine uralte Kulturpflanze. Die Wildform ist nicht bekannt.

Manche Forscher neigen der Ansicht zu, daß die Saatplatterbse eine Kulturrasse vonL. Cicera sei. Samen unserer Pflanze sind in mehreren prähistorischen Siedlungen inÄgypten (Dra Abu Negga, Gabelin), Kleinasien (Troja) und Bosnien (neolithische Stationvon Lengyel) nachgewiesen worden. Auch bei den Ausgrabungen in Gezer (zwischen Jaffaund Jerusalem gelegen) kamen fast in allen Schichten des jüdischen Altertums Samen zu-tage, die als zu Lathyrus sativus L. gehörig betrachtet werden. SOHWEINFURTH meinte, diealten Ägypter hätten die Pflanze aus dem armenisch-pontisch-kaspischen Gebiete bekommen.VAVILOV glaubt die Urheimat im Mittelmeergebiet einschließlich Ägypten, aber ohne Marokko,Tunis und Algier, suchen zu müssen. Die alten Griechen nannten die Saatplatterbse lathyros.so THEOPHRAST (hist, plant. 1,8, c. 2,10). Die Römer kannten bereits verschiedene Sortenund bezeichneten sie mit cicércula, z B. COLUMKLLA (2, 10, 19) und PLINTOS (18, 12, 23:„esí et cicércula minuti ciceris, inaequalis, angulosi, veluti pisuma). IBN AL AWWAM führteine Pflanze gullaban an, die sich zur Mästung von Rindern wohl eigne. MAYER2) über-setzt hier mit Pisi salivi semina, mit Unrecht, denn gilbän ist im Ägyptischen Lath,sativus. Für Mitteleuropa liegen sichere Angaben erst aus dem 16. Jahrhundert vor.Alle älteren (Capitul. de villis; HILDEGARD; K. V. MEGENBERG; ALBERTUS MAGNUS; Glossareusw.) beziehen sich wohl auf die Echte Kichererbse. L. FUCHS3) spricht von „ Weiß Erven."-H. BOCK bildet in seinem Kräuterbuch (1551) Lathyrus sativus deutlich ab und sagt: „DieKeehem werden aber nicht überall in Oermanien angebaut, toiewohl sie ein edel legumen( = Gemüse) ist xum Kochen, gibt eine wohlschmeckende gelbe Brühe, besser als Erbsen,ist ein fast gemein koechset im Wormser Oau zwischen Worms und Speyer, also daßetliche sagen, wir haben stets Keehem und Lemtner teschen"-.*) A. LONICERUS 5) beschreibtLathyrus sativus unter dem Namen Cicércula (s. oben bei COLUMELLA), Kichern. Heutekommt die eßbare Platterbse im deutschen Sprachgebiet selten vor. Sie findet sich imOber- und Mittelrheingebiet, besonders von Schlettstedt im Elsaß bis gegen Basel, zwischen"Worms und Speyer, abundzu auch in Bayern und Sachsen (Lausitz). Das Verbreitungs-gebiet hat sich also seit dem. 16. Jahrhundert nicht verschoben. In Österreich, Nieder-und Oberösterreich, dann auch in Südmähren und Böhmen, ebenso in der Schweiz gehtder frühere Anbau stark zurück. An vielen Stellen (bei Berlin, bei Hamburg, Luzem,Zürich, in Vorarlberg, im Salzkammergut) ist die Pflanze adventiv, meistens unter Getreide,

*) Mißverstandener Ausdruck, denn maddar = indisch „Erbse" und pea = englisch„Erbse". Diese Bezeichnungen gelten teilweise auch für Ijathyrus cicer.

2) Geschichte der Botanik 3, 66.8) New Kreuterbuch 1543.4) Vgl. auch S. 40 bei Geschichte der Erbse unter H. BOCK.6) Naturalis Historia 1551.

II. Die Hülsenfruchter. 2. Die Saat-Platterbse. 71

anzutreffen. Das Hauptverbreitungsgebiet in Europa sind die Mittelmeerländer, namentlichSpanien und Frankreich.

Rote P la t te rbse Saat -Pla t te rbseJarosse d'Auvergne GessesOne-flowered tare Chickling vetches

Italien (1926) Erzeugung zur menschlichenErnährung — 45000 dz

Spanien (1922) zu Futterzwecken grün . . 195 201 ha —Algier (1925/26) zur Ernährung . . . . — 3 502 haÄgypten (1926) für Futterzwecke . . . — 8547 „ (gilban)

3. Die Anbaubedingungen.Lathyrus sativus benötigt bis zur Blüte eine "Wärmesumme von 882° C bei Früh-

jahrs- und von 797° C bei Stoppelanbau. Die erstere Zahl entspricht 82 die letztere41 Tagen unter niederösterreichischen Verhältnissen. Bis zur Reife verlangt die Pflanzenach FRUWIRTH 1761° C in 128 Tagen, nach HABERLANDT 2000—2450° C. Alle Zahlengelten für die Gegend um "Wien. Die Nordgrenze der Verbreitung liegt beim 63° n. Br.Die Keimung beginnt bei 2—3° C. Bei Temperaturen von —6° C leidet die Pflanze er-heblich, bei — 8 ° C geht sie zugrunde. Sie verlangt etwas mehr "Wärme als Lath, cicera,aber weniger als die echte Kicnererbse, kann aber nördlich der Alpen mit der Saaterbsenicht in "Wettbewerb treten. Die Eßbare Platterbse gedeiht am besten auf kalkreichen,bindigen Böden von mittlerer Feuchtigkeit, in Indien aber auch auf den äußerst bindigen,kompakten Böden, auf denen sonst nichts mehr gedeihen würde. Leichte Böden werdennoch ertragen, sind aber bei Trockenheit gefährlich. Als die geeignetsten Böden kann mandie sandigen Lehm-, Kalk- und Mergelböden bezeichnen. Die Ansprüche an die Feuchtig-keit sind jedenfalls dann, wenn grüne Masse erzeugt werden soll, nicht geringer als dieder Saaterbse.

4. Die Eßbare Platterbse als Nahrangs- und Futtermittel.Die weißen Platterbsen werden ähnlich den Gartenerbsen zur menschlichen Ernährung

zubereitet. Man ißt sie unreif nach Art der grünen Erbsen oder reif als Brei. In reifemZustande müssen sie längere Zeit gekocht werden. Auch die besonders unverdaulichenSamenschalen sind zu entfernen. ALEFELD empfiehlt ähnlich wie BOCK die Verwendung zuSuppen, denn der Geschmack ist kräftiger als der von gewöhnlichen Erbsen. In denBalkanländern setzt man Platterbsenmehl auch dem Brote zu. Brot, das mehr als zurHälfte aus Platterbsenmehl besteht, soll eme Lähmung der Füße verursachen. "Wahrschein-lich handelt es sich bei diesen Angaben um Verwechslungen mit dem noch zu besprechendenLathyrus cicer. "Was die Giftigkeit der Platterbsen anbelangt, so. vergleiche man dazu die Aus-führungen bei der Roten Platterbse im folgenden. Die weißen Samen der Eßbaren Platt-erbse scheinen unbedenklich genossen werden zu können. Auf die dunklen dagegen istdasselbe anwendbar wie auf die Samen der Roten Platterbse. Man sieht hier noch nichtklar. Die meisten Forscher gaben als primäre Ursache der Vergiftung den länger an-dauernden Genuß von Lathyrus-Samen an und man schloß daher auf das Vorhandenseineines Alkaloides in diesen Samen (STOCKENATJ, DILLING). Auch vermutete man das Gift inForm wasserlöslicher Amide. Andere Forscher (MARUE und GUILLAUME) fanden aber über-haupt keine Giftstoffe und wieder andere wollen die Schuld verschiedenen Unkrautsämereien,die sich stets den Lothyrus-Samen beigemischt finden, zuschieben (GABRIELLE, HOWARD,ABDUR RAHMAN KHAN). Auch als Kaffeersatzmittel können die Platterbsen dienen.

Bei der Viehfütterung dienen die Platterbsen als Reiffrucht meistens der Mast, na-mentlich der von Schweinen. Als Grünfutter gibt man die "Weiße Platterbse am bestenan Schafe, in geringerer Menge auch an Pferde. Heu und Stroh sind als gute Futter-mittel zu bezeichnen.

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72 A. Der Anbau der Hülsenfruchter. If. Die Hülsenfruchter. 2. Die Saat-Platterbse. 73

Was die chemische Zusammensetzung anbetrifft, so enthalten die Körner der EßbarenPlatterbse etwa 25°/0 Stickstoffsubstanz (darunter auch Betain, Cholin, und einen, seinemAufbaue nach unbekannten Giftstoff „Lathyrin", der durch Kochen zerstört wird), etwa2,2% Fett, 51,1 % stickstofffreie Extraktstoffe (davon ungefähr 3 1 % Stärke "und 2,8%Zucker) usw.

Abb. 13. Platterbser Latkyrus sativus L. (FBUWIRTH.)

5. Die botanischen Eigenschaften.(Vgl. dio allgemeine Übersicht S. 10.)

Als Varietäten der Art Lathyrus sativus L. (L. Gicera L. var. sativus FIORI et PAOL,= L. angulatus ALL. nicht L., = Cícera sativa ALEF.. = Pisum Lathyrus KRAUSE, = Cicér-cula alata MOENCH) sind u. a. bekannt:

var. anguslatus SKR. (=var . stenophyUus Bois.) Blättchen nur ll/3— 3 mm breit;Blüten nur 1,2 cm lang, kurzgestielt.

var. pseudocicera SCHUSTER. Sehr ähnlich dem L. cícera. Stengel aber^breiter undHülsen deutlich geflügelt.

f. albus (ALEF.) ASCHERS, et GKAEBN. Weiße Blüten, gelblichweiße Samen.f. coloratus SEH. Krone weiß, blau geädert. Samen licht gefleckt./ . caeruleus (ALEF.) ASCHERS, et GRAEBN. Krone himmelblau bis lila, 20—24 mm

lang. Samen klein, dunkel marmoriert. Viel in Indien und Nordafrika angebautf. róseus. Weniger häufiger wie die vorige.var. amphicarpus (L.) Coss. Im südlichen und östlichen Mittelmeergebiet. Bildet

im Boden bleibende und fruchtende Blüten mit verkümmerter Krone.Die Eßbare Platterbse ist einjährig. Vegetationsdauer 16—20 Wochen. Wurzel kräftig.

Sprosse gänzlich kahl. Die Stengel sind niederliegend oder kletternd, meist sehr ästig, 30 bis100 cm lang, scharf vierkantig, mit den beiden Flügeln 4—6 mm breit. (Abb. 13 u. 14.) Laub-blätter mit breit-geflügeltem, ziemlich langem Stiel, langer, mehrästiger Bänke und einemPaar, sowohl die Blattstiele wie auch die Stengelinternodien an Länge übertreffenden, Blättchen.Die Blättchen selbst sind lineallanzettlich, 5—15 cm lang und 0,3—0,7 (—0,9) cm breit,spitz, mit meist 5 oder 7 kräftigen und mehreren dünnen, parallelen Längsnerven. Leichtbläulichgrün. Die Nebenblättersind so lang oder kürzer als dieBlattstiele, von halbpfeilförmigerForm und nicht selten mit ein-zelnen Zähnen versehen. DieBlüten sind 1,2—'2 cm lang.Sie sitzen auf kurzen bis zu 6 cmlangen Stielen in der Achsel einesschuppenförmigen Tragblattesmeistens einzelnsten zu zweien.Der Kelch geht in fünf ab-stehende, breitlanzettliche Zipfelaus, von denen die beiden oberenvon den drei unteren weiter ab-stehen. Alle Kelchzipfel sinddoppelt so lang als die Röhre.Krone stark asymmetrisch,wechselnd von Größe und Farbe,meistens weiß und mehr oderweniger stark bläulich geädert,oder auch die Fahne und dieFlügel rosa überlaufen bis ganzrosa oder bläulich. Die Fahne

ist 25 mnvbreit und 17 mm hoch, ausgerandet, das Schiffchen stark nach links gedreht.Staubbeutel meist orange. Der Griffel ist oberwärts verbreitert, bärtig, stark gedreht.Hülsen eiförmig - rhombisch bis trapezförmig, flach, 3—4 cm lang und ungefähr halbso breit, mit stark konvexer, zweiflügeliger, oft fein gezähnter Rückennaht, netznervig,strohfarben, 1- bis 4- bis 5 sämig. Samen (Abb. 15) beilförmig, kantig, 7—10—15 mm lang,5—9 mm breit und 4—6 mm hoch, ziemlich glatt, weißlich, rötlich, gelblich, bräunlich odergrünlichgrau, oft braun gefleckt, mit elliptischem, 1 */,—2 mm langem Nabel. Tausendkorn-gewicht je nach der Sorte 135—560 g. Hektolitergewicht 75—80 kg. Die Keimfähigkeiterhält sich fünf Jahre.

Selbstbefruchtung ist möglich, doch ist sicherlich die Fremdbefruchtung häufig. Letzterewird bewirkt, wenn sich die Bienen mitten auf das Schiffchen setzen. Da die Antherenplatzen, bevor sich die Knospen öffnen, so scheint die Selbstbestäubung der gewöhnlicheVorgang zu sein.

6. Der Anbau.In der Fruchtfolge stehen Platterbsen zumeist nach Getreide, also ähnlich

wie die gewöhnlichen Erbsen. Es besteht aber ein Unterschied insofern,

Abb. 14. Platterbse, Laihyrvs sativus.(FBirWLBTH.)

AchsoQstück mit Blüte.

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74 A. Der Anbau der Hülsenfruchter.

als die Platterbsen mit sich selbst verträglich sind. Die Düngung wird wiebei der Erbse gehandhabt. Jedoch meidet man Stallmistdüngung und gibtnur Handelsdünger. Baut man die Platterbsen zur Körnergewinnung, dannbestellt man den Acker gleich dem Erbsenacker, baut man zur Grünfutter-erzeugung, dann kann man mit einer Pflugfurche auskommen. Die Saat erfolgtauch zur Körnergewinnung meistens breitwürfig. Doch dürfte sich zu Reif-frucht die Drillsaat mehr empfehlen. Gesät wird in den Monaten März,April, Mai mit einer Drillweite von 25—35 cm beim Körnerbau und von20—25 cm beim Grünfutterbau. An Saatmenge sind ersteren Falles 90 bis110 kg/ha, letzteren Falles 160—180 kg/ha notwendig. Bei Breitsaat wärendiese Zahlen 100—140 kg/ha bezw. 180—200 kg/ha. Als beste Saattiefeist eine solche von 4—6 cm zu nennen. Ein Hacken der Saaten unter-bleibt in den meisten Fällen. Die Ernte wird ähnlich wie bei der Erbsevollzogen. Der Kornausfall ist geringer. Aus diesem Grunde kann manetwas mehr ausreifen lassen und bekommt dadurch ein besseres und leichterweichkochendes Korn. Man wartet mit dem Schnitt bis die Mehrzahl derHülsen gelb geworden ist Beim Futterbau kann man warten bis die erstenHülsen angesetzt werden. Die Pflanzen bleiben ziemlich lange zart. Es ist

also nicht notwendig, vor der Vollblüte zu schneiden.Der Körnerertrag kommt unter unseren Verhält-nissen nicht leicht an den einer guten Erbsensorteheran, am ehesten noch auf leichteren, trockenerenBöden. Auch im Futterertrag ist die Platterbse denmeisten bei uns angebauten Leguminosen nicht eben-bürtig. Es besteht also kein Grund die Platterbsenbesonders zu empfehlen. Als Futterpflanzen bautman die Platterbsen rein oder in Gemenge mit

# c ^ ^ Sommerroggen und Hafer. Als Ertrag rechnet manw dabei G0—200 dz/ha (selten bis 380 dz/ha) grüne

Masse oder 20—40(—70) dz/ha Heu. Beim Korn-anbau erntet man 10—20 dz/ha Körner und 9 bis25 dz/ha Stroh. Gut geeignet ist die Platterbse alsStoppel-Gründüngungspflanze.

Abb. 15. Samen vona) Latkyrus sativvs, Große Form.

b) L. sativas, Kleine Form.c) L. Cicera, Futterplartorbse.

(FRTJWIBTH.)

7. Krankheiten und Schädlinge.Uromyces Pisi DE BY. S. S. 67.Sifones lineatus L. s. S. 69; leíranychus telarius L., ein Milbenspinner bringt die

Blätter zum Gilben; Siphonophora Ulmariae SCHRK. S. S. 69; Apion columbinum GEHM.,die Larve eines Rüsselkäfers auf den Blättern.

Keine einzige dieser Schädigungen tritt in größerem Umfange auf.

3. Die rote Platterbse.

Lathyrus Oicera L.

1. Bezeichnungen.Rote Platterbse, Futterplatterbse, Kleine Kicker, Rote Kieker, Winterplatterbse;

engl.: chickling vetch, dwarf chickling vetch, fiat podded vetching; franz.: gesse jarosse,

IL Die Hülsenfruchter. 3. Die Rote Platterbse. 75

arosse, garousse, gesse chiche, gessette* jaraU jarosse, jarot, petit gesse, petit pois chiche,pois cornu; span.: lenteja de España forrajera; ital.: mochi macaroni; Kabylen: diilben;arabisch: s'esa1.

2. Geschichtliches.Lathyrus Oicera L. ist heimisch auf Trockenwiesen und in Gebüschen des Mittel-

meergebietes bis an den Südfuß der Alpen. Bei uns, in Österreich und in der Schweizfindet sich die Pflanze abundzu eingeschleppt. Das heutige Verbreitungsgebiet erstrecktsich um das ganze Mittelmeer, auf die Kanaren, über Syrien, Persien und Babyloniensowie Transkaukasien. Der älteste Fund sind Samen, die in der neol i th ischen StationBosôjuk in Phrygien ans Licht kamen und von WITTMACK: dieser Art zugewiesen wurden.Manche Autoren halten L. Oicera für die Cicera des COLUMEIXA und für die Ervilia desVARRO, doch sind dies Streitfragen. Mit Sicherheit ist die Pflanze erst bei J. BAÍJHIN ZUerkennen, der sie Lathyrus flore rubro nannte.

3. Anbaubedingungen.Die Rote Platterbse erträgt leichteren und bindigeren Boden, mehr Feuchtigkeit und

kühleres Klima wie L. sativus. Die "Widerstandsfähigkeit gegen Kälte ist entschiedenhöher. Die Pflanzen leiden selbst bei —9°C nicht nennenswert und bei —12°C werdensie noch nicht so geschädigt, daß ein Erfrieren eintritt. Die Keimung beginnt bei 2 bis3°C. Die Vegetationszeit beträgt je nach der Gegend 100 (Meran) bis 130 Tage (Wien).Als Wärmesumme sind bis zur Blüte im Frühlinge 1000° C (bei Wien 90 Tage), bis zurReife 1800° C (rund 130 Tage) notwendig.

4. Die Rote Platterbse als Nahrungs- und Futtermittel.Die Rote Platterbse dient in erster Linie als Futterpflanze. Die Samen werden unter

der Bezeichnung Mattarpeas, mother peas maddarpeas, mocherpeas (vgl. S. 70) aus Indienund dem Orient eingeführt. Auch die Samen von L. sativus gehen unter diesem Namen.Die chemische Zusammensetzung ist bereits S. 7 angegeben worden. Die Wertigkeit istsehr hoch, der Stärkewert reicht an den von Ackerbohnen heran. Besonders hervorzuhebenist aber der Gehalt der Samen an dem Giftstoff La thyr in , der besonders in den stärkerpigmentierten Formen enthalten ist. Der Genuß von nicht genügend gekochten Platt-erbsen hat schon bei Mensch und Tier schwere Gesundheitsstörungen, Lähmung der Beineund des Kehlkopfes, Atembeschwerden, Erstickungsanfälle, die selbst den Tod von Pferdenherbeiführen können, verursacht („Lathyrismus", Rückenmarkslähmung, spastische Spinal-analyse). Brot, das aus mehr als der Hälfte Platterbsenmehl besteht, soll die Lahmungder Füße herbeiführen können. Im Jahre 1840 stand in Frankreich (Niort, Deux-Sèvres)ein Landwirt vor Gericht, dessen vier Dienstboten nach Genuß von Weizenbrot erkranktwaren, dem Mehl der roten Platterbse (farine de jarosse) zugesetzt war. Aus diesenGründen ist es notwendig, diese Körner gut durchzukochen und das Kochwasser weg-zuschütten. Gekochte oder gedämpfte Samen haben nie Gesundheitsschädigungen im Ge-folge, können also unbedenklich als Mastfutter empfohlen werden.

Das Stroh ist nahrhaft und wird von den Tieren ebenso gerne wie Wickstroh ge-nommen. Auch als Grünfutter ist die Rote Platterbse gut zu nennen, namentlich fürHammel und, weniger und in nicht zu großen Mengen, auch für Pferde. An trächtigeKühe soll man sie nicht geben. Man hat aber stets darauf zu achten, daß die Pflanzenzur Grünfütterung oder zur Heuwèrdung nicht zu alt werden. Die Körnerbildung darfnoch nicht zuweit fortgeschritten sein, da sonst durch das Korn Vergiftungserscheinungenbedingt werden. Das Gleiche gilt für ungenügend ausgedroschenes Stroh.

\k 5. Botanik•w (Vgl. S. 10 Systematik.)

Lathyrus Cicero L. ( = L. purpureus PRESL nicht DESF., = L. Cicer GAÜDIN,— L. dubius TEN., = L. pilosus STEUD. U. HÖCHST., = L. sativus L. var. ß LAM., = L. Ci-

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76 A. Der Anbau der Hülsenfruchter.

cera L. var. typicus FIORI et PAOL., = Cicerula anceps MOENCH, = C. cícera ALEF.= Pisum rubrum KEAUSB) ist ziemlich veränderlich. Zu nennen sind:

f. vulgaris ALEF. (=/". genuimts EOUY) mit kurzlanzettlichen 10—12 mal so langenwie breiten Blättchen. So die am meisten gebaute Form.

f. angustifolius ROUY mit langen, schmalen Blättchen.f. latifolius ROUY ( = var. erythrinus [PRESL] ASCHERS, et GRAEBN.). Üppiger, Blüten

bis 2 cm lang.Die Rote Platterbse ist einjährig. Die Stengel sind niederliegend, aufsteigend oder

aufrecht, einfach oder am Grunde ästig, 15—50 cm lang, meist dünn, sehr schmal geflügeltund wie die ganze Pflanze meist kahl. Die Achsen, sind in allen ihren Teilen kleiner undmehr darniederliegend als bei der sativus. Laubblätter mit schmal geflügeltem, meistensnur 1—2 cm langem Stiel und ein (sehr selten zwei) Paar bedeutend längerer Blättchen,die unteren mit Granne, die oberen mit einfacher oder ästiger Ranke. Blättchen lanzett-lich bis lineal, die unteren stumpf, die oberen spitz, vollkommen parallelnervig, von sehrwechselnder Länge (bis ungefähr 9 cm) und Breite (bis ungefähr 0,5 cm), frischgrün, kahloder zerstreut gewimpert. Nebenblätter so lang oder etwas länger als die Blattstiele,etwa so breit wie die Blättchen, halbspießförmig, ganzwandig oder etwas gezähnt, oft ge-wimpert. Die ziegelroten Blüten stehen einzeln in den Winkeln der Blattstiele. Sie sind5—14 mm lang. Staubbeutel purpurviolett, Griffel gedreht. Hülsen schmal-elliptisch,2—31/» cm lang und 5—9 mm breit, mit fast gerader, kaum geflügelter oberer Naht.Samen (Abb. 15 c) meist zu 3—6 in der Hülse, beilförmig, etwas kleiner wie bei L. sativus,sonst aber ihnen sehr ähnlich, meistens rotbraun bis graubraun, einfarbig oder marmoriert.Länge 5,2—6,3 mm. Breite 5,2—6,1 mm, Höhe 4,3—5,2 mm. 1000 Korngewicht 80—120 g,Hektolitergewicht 75—84 kg.

6. Der Anbau.Die Stellung in der Fruchtfolge ist wie bei der Eßbaren Platterbse, ebenso

die Düngung und Boden Vorbereitung. Sehr gerne sät man im Gemengemit Sommerroggen und Hafer. Als Saatmenge benötigt man zur Körner-gewinnung bei Breitsaat 100—130 kg/ha, bei Drillsaat 80—100 kg/ha. ZurGrünfuttererzeugung rechnet man 170 — 200 bezw. 160—180 kg/ha. AlsGemenge nimmt man je nach Saatzeit und Boden 150—250 kg/ha Platt-erbsen und 30—40 kg/ha Roggen oder Hafer. Die Drillweite ist beiKörnergewinnung mit 20—25, bei Grünfuttererzeugung mit 15—18 cm zunehmen. Die Saattiefe soll zwischen 3 und 5 cm liegen. Gesät wird in denMonaten März und April sowie als Stoppelsaat. Letztere eignet sich auchzur Gründüngung. Die Samenernte ist wie bei der Eßbaren Platterbse. ZuGrünfutter und Heu muß der Schnitt vor dem Hülsenansatz erfolgen. Imallgemeinen ist zu sagen, daß die Bote Platterbse als Futterpflanze fürunsere Verhältnisse von untergeordneter Bedeutung und als solche nichtempfehlenswert ist. Als Gründüngungspflanze kann sie in Betracht kommen.

7. Schädlinge und Krankheiten.Vgl. S. 74 bei Eßbarer Platterbse.

4. Die Wilde Kicher, Waldplatterbse.Lathyrus silvesier L. (einschließlich L. latifolius L. u. L. heterophyllus L.).

1. Bezeichnungen.Wilde Kicher, Oroße Platterbse, Waldplatterbse, Bergplatterbse, Buchlerkraut

(Schlesien), Bulen-Froen (Schlesien); engl. : wood-pea, everlasting-pea, flat pea, narrow-

II. Die Hülsenfruchter. 4. Die Waldplatterbse. 77

leaved everlasting pea; franz.: gesse vivace des bois, grande gesse, gesse sylvestre, gesssauvage, pénoyer, pois an lièvre, xéxé (Waadt) ; ital. : ceserone, vcccione, mocajone, rubi-glione, ruglione, climenio o climeno salvatico; cece selvático (Tessin).

2. Geschichtliches.Die ziemlich reichhaltige Art ist in Süd- und Mitteleuropa von der Iberischen Halb-

insel bis zum Schwarzen Meere verbreitet. Im Norden wird Südengland und Südskandinavien,m Osten der Kaukasus und Transkaukasien erreicht. Die Benützung der Pflanze zur

Körnergewinnung bezw. Futtererzeugungläßt sich erst für die jüngere Zeit nach-weisen. An einschlägiger Literatur ist indieser Beziehung aufzuführen : W. WAG-NER, Deutsche Landw. Presse 1888, Nr. 13;A. SCHWARZ, Zeitschr. f. Landw. in Bayern,1890; M. SCHÖNFELD, Lathyrus silvestris,Dissertation Halle 1895 ; L. MEYER, Illustr.landw. Zeit. 1903, Nr. 21 ; ANDRAE, Landw.Jahrb. 1912. FDCHS nannte die PflanzeBot- oder Wild-Erven, DODOENS WildeLathyrus, THAL Lathyrus silvestris maiorseu purpureus, C. BAUHIN L. majorsylvestris, J. BAUHIN machte schon dieUnterscheidung L. latifolius als L. majorlatifolia flore major purpureo speciosor.RivTNius nannte letzteren L. Narbonensis.Die Einführung des L. Sylvester und desL. latifolius als Zierpflanzen ist sicher-lich vor das Jahr 1600 zu legen. In dielandwirtschaftliche Kultur brachte diePflanze W. WAGNER in Kirchheim unterTeck (Württemberg). Dem genanntenManne verdanken wir auch das Ritzender Samen im Großbetriebe. Die Samensind eßbar und wurden deshalb wahr-scheinlich schon in älteren Zeiten inNotjahren gesammelt. Auch zu einerKultur in Bauerngärten ist es früherhäufiger gekommen, so z. B. in Westfalen(Sauerland), Franken, Posen und in derWestschweiz.

Abb. 16. Waldplat terbse, Lathyrus sil oes tris L.a) Kelch, b) Hülse, c) Same.

3. Die Ánbaubedingungcn.Die Wilde Kicher gedeiht vorzugsweise auf Kalkboden. Als Wildform, und dies ist

für uns in diesem Falle maßgebend, findet sie sich in lichten Wäldern und Gebüschen, auftrockenen Geröllhalden, vom Tiefland bis in die subalpine Stufe der Alpen. In den SchweizerAlpen steigt sie bis 1400 m, die var. platyphyllos sogar bis auf 1860 m. Infolge der tief-gehenden Bewurzelung ist die Pflanze gegen Trockenheit sehr widerstandsfähig,viel widerstandsfähiger als gegen Nässe. Grundwasser wird nicht ertragen. Am meistenempfiehlt sich die Kultur auf steinigen Schuttböden und auf Sand bei einem Grundwasser-stand in 4—8 m Tiefe. Auf allen Böden, auf denen Kleearten gut gedeihen, wird mandiese vorzuziehen haben. L. latifolius kommt ebenfalls auf trockenen Standorten vor undsteigt in den Balkanländern bis auf 1700 m. Dieser Art ist es eigentümlich, daß sie auchauf sehr feuchten Stellen gut gedeiht, so z. B. im Geröhre am Genfersee. Wir finden hier

Page 7: Becker-Dillingen 1929 Lathyrus Agronomy History Botany

78 A. Der Anbau der Hülsenfruchter.

also zwei Extreme bei ein- und derselben Pflanze vereint. L. heterophyllus liebt Kalk undTrockenheit. Im AUgäu trifft man sie bis zu einer Meereshöhe VOJ 1450 m, im Engadinbis 1700, im Wallis bis 1840 und in den Französischen Alpen bis 1900 m.

4. Botanik.(Die systematische Übersicht s. S. 9.)Die Gattung Lathyrus hat 7 Chromosomen (haploid).

Lathyrus Silvester L. Waldplat terbse (Abb. 16). Andere Namen s. unter 1.Wuchshöhe 1—2 m. Flügel des Stengels doppelt so breit als die Blattstiele.

Blätter einpaarig. Blättchen lanzettlich zugespitzt, Nebenblätter halbpfeilfönnig,linealisch-pfriemlig. Blüten in 4- und mehrblütigen Trauben. Fahne auf dem Rückenrötlich-grün, inwendig am Grunde purpurrot und von da allmählich fleischfarbig.Hülsen-5—7 mm lang und 8—13 mm breit, auf den Kielen und Netznerven vonfeinen Knötchen rauh. Samen 4—5'/, mm groß, oft durch gegenseitigen Drucketwas eckig, schwach höckerig, bräunlich bis rötlichgrau, mit hellem, mindestens denhalben Umfang umziehendem Nabel. 1000-Korngewicht 40 g, Hektolitergewicht83 kg. Keimfähigkeit 85%, Eeinheit 98%, Gebrauchswert 83%.

Als Kulturrasse gehört hierher f. Wagneri A. SCHWAKZ (franz. gesse vivace desbois amélioré) mit besonders dicken Grandachsen und sehr zahlreichen Stengeln,

var. platyphyllos ASCHEKS. U. a.Lathyrus latifolius L., Bukett-Wicke, Breitbläürige Platterbse, Eselsohren (Schlesien,1

Württemberg), Wolfsschoten (Schlesien), Winterwicke; engl.: everlasting pea ; franz.;pois à bouquets, pois vivace, gesse perpétuelle; ital. : veccione di macchia, rubiglione.

Wuchshöhe 1—3 m. Flügel der Blattstiele so breit wie die Stengel; Blätter sämtlich1 paarig oder sehr selten die oberen 2 paarig. Blütentraube reichblütig. Krone groß,schön rosenrot. Hülsen 7—8—(11) cm lang und 6—9—(12) mm breit, netznerviguncl 8—14 sämig. Samen kugelig oder gegeneinander abgeplattet, stark warzig-rauh,graubraun und schwarz punktiert-, mit ovalem, */«— V» d e s Umfangs einnehmendemNabel.

Lathyrus heterophyllus L., Verschiedenblä t t r ige P la t t e rbse ; ital. cicerchionesvariato.

Wuchshöhe 1—3 m. Blätter meergiün, untere Blätter 1 paarig, obere 2—3 paarig.Krone purpurrot. Blüten in 4- und mehrblütigen Trauben. Hülsen 6 7 , - 7 7 , cmlang und 9—11 mm breit, ziemlich glatt. Samen 5—7 mm groß, stark warzig-rauh,hellbraun bis schwarz, mit '/*—•/« des Umfangs einnehmendem Nabel. L. hetero-phyllus ist mehr kalk- und wärmebedürftig wie L. Silvester. Diese Art ist blatt-reicher als L. Silvester, soll auch weniger Bitterstoffe enthalten. Es wäre also derAnbau des Versuches wert.

5. Der Anbau.Die Wilde Platterbse ist gegen Trockenheit und schlechte

Bodenverhältnisse ganz besonders widerstandsfähig. Leider hatman mit dem eigentlichen L. Silvester schlechte Erfahrungen gemachtDas Vieh nimmt die Pflanze als Grünfutter nicht gerne, am ehesten nochals Braunheu. Außerdem hat der Mehltau in den Keinkulturen große Ver-wüstungen angerichtet

Die Samen sollen mehrfach giftige Eigenschaften gezeigt haben.Ihr Nährstoffgehalt wäre gut, denn sie enthalten nach SCHÖNFELD 34,85%Eiweißstoffe und gegen 50% stickstofffreie Extraktstoffe. Sie wurdenstellenweise als Ersatzstoff für Kaffee benützt. Die Keimung der ungeritztenSamen (s. S. 22) geht sehr langsam vor sich. HARZ gibt für 10 Proben

II. Die Hülsenfruchter. 5. Die Erdeichel. 79

eine mittlere Keimdauer von 351 (! !) Tagen an. Gesät wird im Frühlinge.Nur in Gegenden mit heißen, trockenen Sommern und milden Wintern isteine Herbstsaat am Platze. Man wählt Reihensaat und legt 3 Reihen auf1 m, Abstand also 33 cm von Reihe zu Reihe. Innerhalb der Reihen wirdalle 10 cm ein gutes Korn gelegt Dabei benötigt man 12—15 kg/ha Saat-gut Freiherr von WANGENHEDI in Weißenborn bei Freiberg in Sa. nennteine Aussaatmenge von 50 kg/ha. Die Pflanzen wachsen sehr langsam undsind selbst im 3. Jahre noch sehr dürftig. Die Vollernte setzt erst bei5—7 jährigen Beständen ein, hält aber dann mindestens 23 Jahre an. AlsErtrag bei Körnerbau kann man 15—20 dz/ha Korn und 80 dz/ha Strohrechnen. Zur Unterstützung der Jugendentwicklung und zur Niederhaltungdes Unkrautes ist es notwendig, den Bestand sehr fleißig zu hacken. Eineentsprechende Vorratsdüngung mit Thomasmehl, Kali, Kalk und eine zeit-weise Nachhilfe mit Stickstoff ist zu empfehlen. Wie schon oben angeführtwurde, eignen sich vielleicht gewisse Unterarten besser zur Kultur wie dieeigentliche Wilde Kicher, die ja die in sie gesetzten Erwartungen zunächstnicht erfüllt hat.

Die chemische Zusammensetzung der Waldplatterbse.1)

Art des Futtermittel-gehaltes in 100 Teilen

nach KELLNER-FINGERLING

Rohnährstoffe Verdauliche Nähr-stoffe

11"C .9CD

Vor der Blüte, grün . .Ende der Blüte, grün .PreßfutterHeu, in der Blüte gemähtStroh

16,828,535,082,885,2

5,16,5

10,320,713,1| 1,7

5,511,410,127,529,0

4,88,28,9

25,037,0

3,84,07,6

14,98,7

3,66,86,7

17,915,0

2,44,14,5

12,711,0

8378806737

2,72,95,39,17,0

7,411,114,828,7

6. Krankheiten.Mehltau, Peronospora viciae, oft ganz verheerend und den Weiteranbau unter-

bindend. Vgl. bei Wicke {Vicia).Uromyces pisi, Leptosphaeria-Arten usw. '">

5. Die Erdeichel.

Lathyrus tuberosas L. (Pisum tuberosum L.)

1. Bezeichnungen.Ackereicheln (Schi.), Ackernüsse (Schi.), Erdeicheln (Schi.), Trockene Mäuse (Rhld.),

Erdmäuschen (Mark, Eheinland), Qrundeicheln (Schi.), KnoUenwurx (Schi.), Sandbrod(Schi.), Sau-Schweinsbrod (Schi.), Schweinern äste, Schweinenüsse (Mark b. Küstrin), Knoll-

l) Vgl. hierzu die Tabelle S. 6.

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80 A. Der Anbau der Hülsenfruchter.

linge (Frankfurt a. d. Oder), Kicherling, Kickerling (N.-Lausitz), Hammel- und Kälber-kraut (Eifel b. Kerpen), Erdnüsse, Erdwicke, Erdmandel, Erkel (Erdeichel in Württem-berg), Erschawisch (ein sehr obszöner Ausdruck, der mit Erdwicke nicht zu übersetzenist) usw. Die Namen sind sehr zahlreich.

Flämisch: Aardnoot; Holland.: muixen med staarten (Mäuse mit Schwanz), aard-eikelen, aardakker, aardaker, aardnooten, erdappel; Engl. : tuberous rooted pea, earth-chestnut, peas earthnut, dutch-mice (holländische Mäuse), creeping ehiekling; Franz.:gesse tubéreuse, anette, anotte de Bourgogne, châtaigne de terre, chourles, favouette.magion, macusson, mitrouillet; in der Waadt: tarnotté, xéxé; Ital. : ghianda di terra,catapuxza minore (c. maggiore = Euphorbia Lathyris); Polnisch: rxepnik galucha.

2. Geschichtliches.Die Erdeichel ist wohl kaum in Mitteleuropa einheimisch. Wahrscheinlich ist sie

als Archaeophyt zu betrachten. Als Heimat darf Westasien, vielleicht auch die Gegendan der unteren Donau, angesehen werden. Yon dort scheint sich die Erdeichel mit demGetreidebau, wahrscheinlich schon in prähistorischer Zeit, nach Westen gewendet zu haben.Heute ist die Pflanze über den größten Teil von Europa und Westasien verbreitet undist auch nach Nordamerika gebracht worden. Bei uns ist das Auftreten in Süd- undMitteldeutschland ziemlich häufig, besonders auf dem Jura und im Rheintal. In den Kräuter-büchern des 16. Jahrhunderts wird die Erdeichel allgemein erwähnt, so: L. FUCHS: ApiosErdnuß; CAMERARIUS: Apius Fuchsii; BOCK: Erdnuß; DODOENS: Muy sen met steerten oftEerd noten; THAL: Astragalus arvensis scu Chamaebalanus; TABEHNAEMONTANUS: Chamae-balanos. C. BAUHIN war der erste, der die Erdeichel als Lathyrus arvensis tuberosus.als Platterbse, erkannte. CAMERARIUS destillierte aus den Blüten ein „Rosen wasser".

3. Vorkommen, Botanik, Nutzung.Latli. tuberosus findet sich in Getreidefeldern, namentlich auf bindigen Kalk- und

Lehmböden (nicht aber auf leichten Kies- und Sandböden) und von dort aus auf Rainen,an Wegen, auf Dämmen, an Hecken usw. Mit dem Wintergetreide werden vereinzeltHöhen von 1000 m über dem Meer und größere erreicht.

Die Pflanze ist kahl; Wurzelstock fadenförmig, an den Gelenken mit haselnußgroßenKnollen. Stengel 30—100 cm lang, ungeflügelt, kantig. Blätter einpaarig. BlattstieleBlättchen tragend, in eine Wickelranke auslaufend ; Nebenblätter halbpfeilförmig, linealisch.Blütentrauben reichblütig. Krone purpurrot, wohlriechend. Hülsen linealisch-länglich,kahl. Samen länglich-rund, oft kantig, glatt oder schwach rauh, glänzend rotbraun oderschwarzbraun, mit linealem Nabel. Blütezeit Juni—Juli.

Die Erdeichel ist keine Kulturpflanze im strengen Sinne, wenn sie auch als Zier-pflanze im Gartenbau Verwendung findet, sondern eine Sammelfrucht. Gegessen werdendie dunkelbraunen, spindelförmigen bis rundlichen Wurzelknollen, die „Erdeicheln". Rohhaben sie einen zu herben Geschmack. Meistens kocht man in Salzwasser, dochkommt auch ein Rösten, .ähnlich wie bei Kastanien, am Feuer vor. In Holland und imRheinland kommen die „Erdmäuse " auf den Markt, in anderen Gegenden erinnert mansich ihrer nur in Notzeiten. Bei starkem Vorkommen dienen sie auch als Schweinefutter.In großen Mengen genossen sollen die Knollen blähend und stopfend wirken. Die Volks-medizin wendet sie deshalb auch gegen Durchfall und Ruhr an. Der Nährstoffgehalt istgut. Neben ungefähr 17 % Stärke, findet sich Zucker, Eiweiß, Fett usw. Auch zur Be-reitung von Speiseöl und von Kaffee-Ersatz kann man die Knollen nehmen.

Da die Erdeichel am meisten auf Getreidefeldern vorkommt und dort bei massen-haftem Auftreten durch Umranken der Hahne sehr schädigen kann, so zählt sie zum Un-kraut. Es kommen sowohl Sommer- wie Wintersaaten in Frage. Durch den Pflug werdendie Ausläufer zerstückelt und damit der Weiterverbreitung großer Vorschub geleistet.Die Pflanze wird damit zu einem sehr lästigen und schwer zu bekämpfenden Unkraut.

II. Die Hülsenfruchter. 6. Die Wiesen-Platterbse. 81

6. Wiesen-Platterbse.Lathyrus pratensis L.

1. Bezeichnungen.Wiesenplatterbse, Wiesenkicker; Gelbe Vogeltoicke (Egerland, Riesengebirge, Schweiz) ;

Gelbe Platterbse; Honigwicken (Schi.): Gelber Klee (Bern); geele Quintches i Ostfriesland):Strumpf und Schüala (St. Gallen bei Sargans); Wie (Schi.); Herrgottsschühle (Wrttbg.).

Engl. : yellow oder meadow veiehling, meadow-pea, lady1 s fingers; HoU. : geele wikke,geele linse; Franz.: gesse des prés, gesse sauvage; Ital.: pisello de prati, erba galettagialla, rubiglio.

2. Geschichtliches.Die Wiesenplatterbse ist fast in ganz Europa verbreitet und erreicht in" Nord-

skandinavien den 70° n. Br. In der eigentlichen Mittelmeerregion wird sie seltener. InAsien geht ihr Gebiet nordöstlich bis Sibirien, bis zum Polarkreis und Transbaikalien, süd-östlich bis zum Himalaja, in Afrika bis in die Steppenregion, bis Abessynien. Die ältestedeutsche Lokalflora von THAL 1577 stellt die Pflanze bereits botanisch richtig und benenntsie mit „Lathyrus sylvestris floribus luteis1-'. H. BOCK nannte sie „Das Wild geschlecktder Keckem mit geilen blumeníí, LOBELIUS „Aracus out Cicera".

3. Botanik, Nutzung und Kultur.Die Wiesenplatterbse steigt vom Tiefland bis in die subalpine Stufe

and erreicht im Tessin die Meereshöhe von 1800 m, in Tirol 1850 m, imOberengadin 2120 und im Wallis 2130 m. Sie ist eine ausgesprocheneWiesenpflanze, kommt aber auch im Röhricht (Donauauen bei Dillingenu. a. 0.) und selbst in ffichtenwäldern vor. Unter den Wiesen werden sehrtrockene, dann alpine und auch, stärker saure gemieden. Am häufigstenfindet sich diese Platterbse auf schwach- bis mäßig-gedüngten, kalkreicherenBöden in Gesellschaft von Bromus erectus, Agrostis tenuis, Arrhenatherumund von Trisetum flavescens. Jedoch werden auch die feuchten Holcuslanatus-, Agrostis alba- und Molina-Wiesen nicht verschmäht. Unter denBodenarten liebt die Wiesenplatterbse den schweren Boden, Lehm und Ton,gedeiht aber vom leichtesten Sand bis zum Torf überall. Infolge der tief-gehenden Wurzeln wird Dürre ertragen, doch sind zu bestem Gedeihenerhebliche Wassermengen nötig.

Lathyrus pratensis L. hat eine Wuchshöhe von 30—100 cm und ist Aus-läufer treibend. Die ganze Pflanze ist weichhaarig. Die Blätter sind 1 paarig.Die Blattstiele tragen Blättchen, in eine Wickelranke auslaufend. Nebenblättermeist pfeilförmig, breitlanzettüch. Stengel ungeflügelt kantig. Blüten traubig,reichblühend. Krone gelb. Die Blüten haben wie bei allen Lathyrus-Artenso auch hier eine Bürsteneinrichtung (s S. 18). Die Antheren öffnen sichbeim Aufblühen und beladen die lange, dichte Griffelbürste mit Pollen. Un-sicher ist es, ob dabei auch spontane Selbstbefruchtung eintreten kann. AlsBlütenbesucher finden sich sehr häufig Hummeln und Bienen, auch einigeWespen und Schmetterlinge. Die Hülsen sind lineallanzettlich 25—33 mmlang und 6 mm breit mit langem Griffelrest, schwach netznervig, reif meistenskahl, schwärzlich, 6—12 sämig. Die Samen sind rundlich, oval, dick, ellip-

Becker, Hülsenfruchterbau. 6

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82 A.. Der Anbau der Hülsenfrüchte!".

tisch oder fast kugelig, bis 3,5 mm lang, 3 mm breit, 2,5 mm dick, aufgelblichem oder blaß-bräunlichem Grunde purpurn gefleckt oder marmoriert.An den frischen Samen tritt diese Färbung nicht immer so deutlich hervor.Alte Samen sind braun und stets glänzend. Der Nabel ist breit länglich,von 76 Größe des Sanienumfanges. Vor ihm liegt die deutliche punkt-förmige Samenschwiele. 1000-Korngewicht 12—26 g. Hektolitergewicht70 kg. 1 kg enthält rund 18000 Korn, Keimfähigkeit 70%, Reinheit 98%,Gebrauchswert 8 3 % .

Es gibt sehr viele Varietäten und Formen, wie es ja bei dem großenVerbreitungsgebiet nicht anders sein kann.

Das Kraut der Pflanze ist nährstoffreich, aber auch reich an Bitter-stoffen, die seinen Futterwert beeinträchtigen. Es kommt daher in derHauptsache nur als Futtermittel für Schafe, namentlich Hammel, Ochsen undPferde in Frage. Als Heu ist die Wiesenplatterbse besser einzuschätzen,wenn auch der Heuertrag infolge des hohen Wassergehaltes der grünenPflanzen nicht hoch ist Die Samen werden von Hühnern und Taubengerne gefressen. In Notjahren soll man sie zum Brotbacken herangezogenhaben. In Futterwiesen wird die starke Ausläuferbildung abundzu lästig.Es ist daher nicht anzuraten, Samen der Wiesenplatterbse den Grassamen-mischungen beizugeben. In England ist die Zugabe zu Weidemischungenallerdings sehr beliebt Der Same reift ungleich und fällt leicht aus. Erist deshalb im Handel nicht oder nur sehr schwer zu haben. Die Keimungerfolgt langsam und muß durch Ritzen der Samen gefördert werden. Ge-züchtet neuerdings in Hohenheim.

An Krankhei ten kommen vor: Uromyces pisi PERS., Thecaphoralatkyri KIRCHN., Th. hyálina FINGERH., Peronóspora viciae BERK., Erfsibepolfgoni DC. u. a.

7. Verschiedene Platterbsen- (Lathyrus-) Arten«

Die Ranken-Kicher, Lathyrus Aphaca L.Nackte Platterbse, Gelbe wilde Erbse, Bankenplatterbse; engl.: bindweed, yellow

vetchling; franz.: gesse sans feuilles, pois de serpent, poigreau, reluiseau, amarou, lisettc;ital. : a faga, maiereUa, midlaghera, pitine, veceia bastarda, veccia lustra o sterile, florgállelo; arab.: hamäm el burg, gilbün. gulban, sawürib el- busein.

Die Samen sind oft in ungarischen Trieurwicken enthalten, seltener in mediterran-atlantischen Kleesaaten, in italienischer Luzerne, in ungarischem Klee usw. Selten alsFutterpflanze verwendet, und da die Samen giftig sind, als solche nicht zu empfehlen.

Die Berg-Erbse, Lathyrus montantes (L.) BERNH.Knollige Berg- und Heideerbse; engl.: earth-nut-pea, woodpea; franz.: gesse aux tiges

renflées, orobe; ital.: tartufo da prato; Tessin: ueceliIn Schottland werden die süßlich schmeckenden Ehizomknollen zerquetscht, mit Hefe

versetzt und zu einem alkoholischen Getränk verarbeitet. Getrocknet sollen die Rhizomeeinen wohlschmeckenden und beliebten Eeiseproviant bilden.

S t r a n d e r b s e , Lathyrus maritimus (L.) BIGELOW.

( = Pisum marttimum L.), Wilde Seeschote (Ostpr.); holl.: stranderwt, xeeerut;engl.; beachpea, seapea, seaside; franz.: pois maritime, pois à bouquets.

II. Die Hülsenfruchter. 8. Die Linse. 83

Die Samen sind bitter und hartschalig, dienten aber als Hungemahrung. Auf denOstfriesischen Inseln war die Pflanze schon im 1. Jahrh. n. Chr. den Römern bekannt,die deshalb diese Inseln Fabariae nannten.

Behaartfrüchtige Platterbse, Lathyrus hirsutus L.Behaartfrüchtige Richer; engl.: hairy bitter-vetch; franz.: gesse velue, pois gras ou

velu; ital.: eicerchia pelosa o veechia; arab.: sa' eydeh, guilbän.Die Pflanze kam mit südöstlichen Getreid'esaaten als Unkraut zu uns und breitet

sich mehr und mehr aus. Unter, ungarischer Trieurwicke sind ihre Samen häufig an-zutreffen. Sie hebt Kalkböden. Diese Platterbse ist als frühzeit iges Grünfut ternicht schlecht zu nennen, wenn sie auch an Produktionskraft und Wert die "Wicken unddie Wintererbsen nicht erreicht. Die Samen geben ein gutes Futter für Tauben. DiePflanze ist einjährig und einjährig überwinternd. Wuchshöhe 30—100cm In Tirolbis 800, im Wallis bis 1100 m.

Erbsenartige Platterbse. Lathyrus pisiformis L.Erbsenkicher. Eine seltene, östliche Art. Ausdauernd. Va—1 m hoch. Scheint

eine gute Fut te rpf lanze abgeben zu können, besonders für Herbstsaat oder fürDauerflächen. Allenfalls für frühes Futter.

Die Sumpfwicke, Lathyrus paluster L.Rohrwicke, Sumpjkieher, Wasserktcher, Böen; engl.: blue marshvetchling, wild pea;

franz. : gesse des marais, gesse des marécages ; ital. : eicerchia di palude.Das Futter ist giftig, sobald es so spät geschnitten wird, daß sich in den Hülsen

Samen befinden. Das gleiche gilt für die'

Nach

Purpurne Platterbse, Lathyrus Clymenmm L.,franz.: gesse pourpre; ital.: eicerchia porporina; arab.": bü-feriua. Einjährig.ALEFELD allenfalls auch für uns als Futterpflanze in Betracht kommend.

Die Afrikanische Wicke, Lathyrus tingitanus L.,franz.: gesse de Tanger; span.: ehicharraca, wird in Spanien, Marokko. Algier und aufden Kanaren als Winterfutter gebaut. Auch als Zierpflanze benutzt.

Lathyrus ochrus (L.) DC.Scheidige Platterbse; in.: ocre, cieerole. moret d1 Espagne; ital.: traeonero, eicer-

chia piseüina; arab.: karfala, girfUa.In Südeuropa stellenweise als Futterpflanze. Die Samen werden wie Erbsen ge-

sind aber bitter und schwer verdaulich.

8. Die Linse.Lens culinaris MEDIKUS.

1. Bezeichnaugen.Linse, Linsenerve, Leinse (Augsburg), Loasen (Siebenbürger), chefa (Appenzell),

Tjinsenkicher.Holland: linxe, lins; Flämisch: linxe; Dänemark: Linse, Lindse; Schweden: Lins;

England : lentil, gram ; Frankreich : lentille, nantille, lent ilion, ers aux lentilles, esse, arouse,6*