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Brütsch / Rüegger AG Stahlrohre Althardstrasse 83 CH-8105 Regensdorf Tel. 01/871 34 34 Fax 01/871 34 99 www.b-r.ch ISO 9002-Zertifikat Beeinflussung des Gefüges durch Wärmebehandlungen 05 Technische Schriftenreihe Verzeichnis Schriftenreihe

Beeinflussung des Gefüges durch Wärmebehandlungen Schriftenreihen/05_d.pdf · Stirnabschreckversuch nach Jominy (DIN 50191). Dabei erwärmt man einen Rundstab von 25 mm ø und 100

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Brütsch/Rüegger AGStahlrohreAlthardstrasse 83CH-8105 RegensdorfTel. 01/871 34 34Fax 01/871 34 99www.b-r.chISO 9002-Zertifikat

Beeinflussung des Gefüges

durch Wärmebehandlungen

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Beeinflussung des Gefüges

durch Wärmebehandlungen

Inhaltsverzeichnis

Glühbehandlungen 5

Das Härten 6

Das Oberflächenhärten 9(Randschichthärten)

Das Vergüten 11

ZTU-Schaubilder 12

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Beeinflussung des Gefügesdurch Wärmebehandlungen (DIN 17014)

Bei keinem anderen Werkstoff kann manso vielfältige Verfahren der Wärmebe-handlung durchführen wie beim Stahl.Das hat insbesondere seinen Grund inden Gitterumwandlungen bei erhöhterTemperatur. Die Zielsetzung bei deneinzelnen Verfahren ist recht unter-schiedlich.- Erhöhung der Festigkeit: Härten,

Vergüten- Verringerung der Festigkeit:

Weichglühen, Rekristallisation- Bessere Vorbereitung auf eine spätere

Weiterverarbeitung: Weichglühen,Normalisieren

- Beseitigung von Fehlern: Diffusions-glühen, Spannungsarmglühen,Normalisieren.

Alle Wärmebehandlungen bestehen ausden folgenden Schritten: Das fertigbearbeitete Werkstück oder auch dasVormaterial wird im festen Zustand aufeine bestimmte Temperatur erwärmt,die dann so lange gehalten wird, bis diegewünschten Vorgänge abgelaufensind. Danach wird mit einer bestimmtenGeschwindigkeit abgekühlt.

Die verwendeten Öfen sollen zur exak-ten Einstellung der Temperatur regelbarsein und zur Vermeidung von Verzunde-rung oder Aufkohlung möglichst Schutz-gas oder Vakuum enthalten. Die ver-schiedenen Bauarten unterteilt mannach kontinuierlichem Beschicken(Durchlauf-, Drehherd-, Rollenherd- undHubbalkenöfen) sowie absatzweisemBeschicken (Hauben-, Herdwagen-und Topfglühöfen).

Die verschiedenen Verfahren derWärmebehandlung kann man zu denfolgenden Gruppen zusammenfassen:Glühen, Härten und Vergüten.

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Glühbehandlungen

Das Diffusionsglühen soll Konzentrati-onsunterschiede der Begleitelemente,also Seigerungen, beseitigen, und zwarbesonders von Schwefel, Phosphor,Kohlenstoff und Mangan. Grundsätzlichsind alle Atome bestrebt, sich in derGrundsubstanz Eisen gleichmässig zuverteilen, wenn die Temperatur und Zeitzur Diffusion ausreichen. Deshalb wer-den beide so hoch wie möglich einge-stellt: die Temperatur bis knapp unterder Soliduslinie (1100 bis 1300°C, jenach dem Kohlenstoffgehalt des Stah-les) und mehrere Stunden Haltezeit(bis 40, je nach der Wandstärke desMaterials). Trotzdem gelingt es nur, dieKristallseigerung, kaum aber die Block-seigerung zu beseitigen, weil dafür dieDiffusionswege der Elemente zu langsind. Anwendung findet das Verfahrensehr vielseitig, insbesondere jedochbei Automatenstählen und Stahlguss.Wegen der sehr hohen Werte für Tem-peratur und Zeit diffundiert auch dieSubstanz auf den Korngrenzen. Es trittalso eine Kornvergröberung ein.Deshalb muss sich im allgemeinen einNormalglühen anschliessen.

Das Spannungsarmglühen soll im Stahlenthaltene Spannungen vermindern.Diese entstehen insbesondere durchungleichmässiges Abkühlen, wie essich z.B. nach dem Schweissen in derWärmeeinflusszone, nach dem Giessen,Warmverformen oder einer Wärmebe-handlung oftmals nicht vermeiden lässt,oder auch durch ungleichmässigesBiegen und anderes Kaltverformen.Die Folge von im Stahl verbleibendenSpannungen wären Formänderungen(Verzug) oder sogar Rissbildung, dieeventuell erst stark verzögert auftretenkönnen. Die Glühtemperatur liegt bei600°C, so dass sich Gefügeänderungennicht einstellen. Anschliessend muss imOfen so langsam abgekühlt werden,dass z.B. in Schweisskonstruktionenkeine neuen Spannungen entstehenkönnen.

Das Normalisieren (Normalglühen) sollein feinkörniges und gleichmässigesGefüge einstellen, das die bestenFestigkeits- und Zähigkeitseigenschaf-ten in sich vereint («Normalgefüge»).Das ursprüngliche «unnormale» Gefüge

kann insbesondere enstanden sein beigrossen Schmiedeteilen und Schweiss-verbindungen (stark ungleichmässigesGefüge), bei Stabstahl, Grob- und Mit-telblechen (die relativ langsam abkühlenund deshalb grobkörnig sind) oder beiStahlgussteilen. Untereutektoide Stählebis zu 0,8% C werden auf eine Tempera-tur knapp oberhalb der Linie G-O-S(=A3) im Eisen-Kohlenstoff-Diagrammerwärmt, also auf 750 bis 950°C je nachC-Gehalt, nicht länger als nötig gehaltenund danach an der Luft abgekühlt. Umdie Bildung von Grobkorn zu vermeiden,darf man den Stahl weder überhitzennoch überzeiten. Das Ergebnis deszweimaligen Überschreitens der Um-wandlungslinien ist ein feinkörnigesFerrit-Perlit-Gefüge. ÜbereutektoideStähle mit mehr als 0,8% C werden nichtetwa auch im Austenitgebiet geglüht,sondern tiefer: knapp oberhalb der LinieS-K (= A1), also bei ca. 750°C. Dadurchformt sich auch der grobe Zementitauf den Korngrenzen um. ModerneWalzenstrassen bieten in zunehmendemMasse die Möglichkeit, die Walzend-temperaturen und die Abkühlung genaueinzustellen, so dass das Normalglühendurch dieses «Walzen mit geregelterTemperaturführung» ersetzt werdenkann.

Das Weichglühen soll den Stahl optimalauf eine nachfolgende zerspanendeBearbeitung vorbereiten. Dazu mussdie Härte verringert werden. Man er-reicht das durch Umformen des streifi-gen in körnigen Zementit. Die Glühtem-peratur liegt knapp unter der Linie P-S-K(= 721°C = A1), oder sie pendelt umdiesen Wert. Bei übereutektoidenStählen kann sie ihn auch etwas über-schreiten, um auch den groben Korn-grenzenzementit einzuformen. DieHaltezeit muss mehrere Stunden be-tragen und die Abkühlung langsamerfolgen. Eine Anwendung diesesGlühens auf Stähle unter 0,4% C wärenicht sinnvoll. Sie würden dadurch zuweich, so dass sie bei der zerspanen-den Bearbeitung zum «Schmieren»neigen würden. Bei diesen Stählenzieht man das Grobkornglühen vor.

Das Grobkorn- oder Hochglühen er-leichtert die spanende Bearbeitung vonweichen Stählen. Durch Einstellen vonhohen Glühtemperaturen weit über A3

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(950 bis 1150°C) und langsame Ab-kühlung erzielt man eine starke Korn-vergröberung. Damit unterbleibt das«Schmieren» beim Zerspanen. DieOberfläche bleibt glatt, und der Spanreisst kürzer ab.

Ziel des Rekristallisationsglühen ist es,die Auswirkungen einer vorausgegan-genen Kaltverformung, also die Verfes-tigung und Kornstreckung, wieder zubeseitigen. Die Glühtemperatur hängtwesentlich vom Verformungsgrad ab,sie liegt im allgemeinen zwischen 500und 700°C und damit unterhalb der un-teren Umwandlung. Bei Beachtung derZusammenhänge zwischen Temperatur,Verformungsgrad und Glühdauer lässtsich ein sehr gleichmässiges feinesKorn einstellen. Insbesondere ist dasRekristallisieren bei den hochlegiertenaustenitischen und ferritischen Stählen,die keine Umwandlung zeigen, die ein-zige Möglichkeit, die Korngrösse zuverringern.

Das Härten

Genau genommen handelt es sich beidiesem Verfahren der Wärmebehand-lung um die Umwandlungshärtung,denn es gibt daneben eine Vielzahl vonweiteren Möglichkeiten, die Festigkeitvon Stahl zu steigern:- Kaltverfestigung durch Verformen- Mischkristallhärtung durch Zusatz-

elemente, besonders Kohlenstoff,Mangan und Chrom

- Korngrenzenhärtung, alsoFeinkörnigkeit

- Ausscheidungs- oder Teilchenhärtung.

Die atomare Erklärung der höherenHärte ist im Grunde in allen Fällen diegleiche: Es werden Versetzungenblockiert und damit am Wandern behin-dert. Praktisch am wichtigsten ist dieUmwandlungshärtung. Wie der Namesagt, kann man sie nur bei umwand-lungsfähigen Stählen durchführen; dassind die meisten, jedoch nicht die hoch-legierten ferritischen und austenitischen.

Das Verfahren besteht bei untereutektoi-den Stählen bis 0,8% C darin, das Stahl-teil bis ins Austenitgebiet zu erwärmen,also oberhalb der Linie G-O-S = A3 imEisen-Kohlenstoff-Diagramm (750 bis900°C je nach C-Gehalt) und dann miterhöhter Geschwindigkeit abzukühlen(abzuschrecken).

Wie ist die Steigerung der Härtewährend dieses Vorganges zu erklären?In dem kubisch flächenzentriertenGamma-Eisen sind alle C-Atome gleich-mässig gelöst. Beim langsamen Ab-kühlen finden zwei Vorgäng statt: DasGitter klappt in den kubisch raumzen-trierten Ferrit um, und die C-Atomehaben Zeit genug, aus diesen Berei-chen zu diffundieren und Perlit-Lamellenzu bilden. Beim schnellen Abkühlendagegen werden die Diffusionswegedes Kohlenstoffs immer kürzer, weil diedazu notwendige Energie in Form vonWärme entzogen wird, während dieGitterumwandlung auf jeden Fall abläuft.Demnach unterscheidet man mitsteigender Abkühlungsgeschwindigkeitaus dem Austenitgebiet die folgendendrei Umwandlungsstufen:

1) Perlitstufe: Die Bildung der Ferrit-körner unterbleibt schon bei etwas

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erhöhter Geschwindigkeit. Es ent-steht ausschliesslich Perlit, der nochdazu immer feinstreifiger wird. Früherbezeichnete man dieses Gefüge alsSorbit (fein) und Toostit (noch fein-streifiger), da man sie mit den älterenMikroskopen noch nicht als Perliterkennen konnte.

2) Zwischenstufe: Sie tritt fast nur beilegierten Stählen auf, insbesonderedann, wenn man das Abschrecken ineinem Warmbad abfängt und hier beikonstanter Temperatur (= isotherm)auslaufen lässt. Zuerst klappt dabeidas Gitter um, danach diffundiertKohlenstoff noch geringfügig, bildetjedoch keine Zementitlamellen son-dern extrem kleine Körnchen. DiesesZwischenstufengefüge wird auchBainit genannt.

3) Martensitstufe: Von einer kritischenAbkühlgeschwindigkeit ab unterbleibtdie Kohlenstoffdiffusion vollständig.In dem kubisch raumzentriertenGitter haben die C-Atome eigentlichgar keinen Platz; sie bleiben jedochauf Zwischengitterplätzen sitzen,verspannen das Gitter und verur-sachen dadurch die hohe Härte.Das Härtegefüge Martensit bestehtim Schliffbild aus feinen Nadeln.

Angestrebt wird im allgemeinen dieseletzte Stufe. Da für die Gitterverspan-nung Kohlenstoff erforderlich ist, lassensich nur Stähle mit mindestens 0,2% Chärten. Die anzuwendende kritischeAbkühlgeschwindigkeit liegt um sohöher, je niedriger der C-Gehalt ist(s. Bild 1). Danach müssen C-armeStähle in Wasser abgeschreckt werden.Ab etwa 0,4% C reicht Öl als Ab-schreckmittel aus. Viele Legierungsele-mente verringern die kritische Abkühl-geschwindigkeit, insbesondere Mangan,

Chrom und Nickel, so dass je nach demC- und Legierungs-Gehalt schon eineAbkühlung an der Luft zu Martensitführen kann. Man spricht z.B. vonWasser- oder Ölhärtung, oder von luft-härtenden Stählen (Lufthärtern).

Auch die Höhe der erreichbaren Härteist vom C-Gehalt des Stahles abhängig,wie Bild 2 zeigt. Man erkennt, dass eu-tektoider Stahl mit 0,8% C die maximaleHärte erreicht. Höhere Kohlenstoffgehal-te sind ohne Wirkung. Das wird beson-ders durch den steigenden Anteil anRestaustenit im Stahl verursacht.Bei höheren C-Gehalten wandelt sichwährend des Abschreckens ein zuneh-mender Anteil an Austenit nicht mehrum, so dass diese Stähle neben Marten-sit bis zu 30% von diesem weichen und-zähen Gefügebestandteil enthalten. Umdiese Werte nicht noch weiter ansteigenzu lassen, dürfen übereutektoide Stählenicht auch aus dem Austenitgebiet ab-geschreckt werden. Bei ihnen liegt dieHärtetemperatur knapp oberhalb derLinie S-K (= A1) im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm, also bei ca. 750°C.

Es ergibt sich weiter die Frage nachEinhärtetiefe, d.h. wie weit die Marten-sithärte in ein Stahlteil eindringt (= Härt-barkeit). Nur am Rand steht das Stahlteilmit dem Abschreckmittel in Berührung,deshalb liegt nur hier die maximaleAbkühlgeschwindigkeit vor, so dass ineiner bestimmten Entfernung zum Kernhin die kritische Abkühlgeschwindigkeitunterschritten wird. Bei unlegiertenStählen beträgt die Einhärtetiefe ca.5 mm. Bauteile von etwa 10 mm Wand-dicke härten demnach vollständigdurch. Diese Werte werden von solchenLegierungselementen erhöht, die diekritische Abkühlgeschwindigkeit sen-

Bild 1: Kritische Abkühlungsgeschwindigkeit bei verchiedenenKohlenstoffgehalten im Stahl.

Bild 2: Höhe der erreichbaren Härte bei verschiedenen Kohlen-stoffgehalten im Stahl.

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Manche Stähle neigen zur Überhit-zungsempfindlichkeit: Sobald die Härte-temperatur etwas überschritten wird,entstehen eine Kornvergröberung undals Folge Härteriss. Das ist besondersbei manganlegierten und Schnellar-beitsstählen der Fall.

Der Fehler Weichfleckigkeit ist die Folgeeiner zu niedrigen Härtetemperatur odereiner zu geringen Bewegung des Stahl-teiles im Abschreckmittel. In beidenFällen besteht die Oberfläche nicht ein-heitlich aus dem Härtegefüge sondernaus weichen Bereichen, im ersten Fallverursacht durch nicht in Austenit umge-wandelte Ferritkörner, im zweiten Falldurch örtliche Dampfblasenbildung unddadurch zu geringe Abkühlgeschwin-digkeit.

ken. Bei vielen Baustählen ist das insbe-sondere Mangan. WasserhärtendeStähle werden deshalb auch als Scha-lenhärter bezeichnet, Öl- bzw. Lufthärterbewirken auch bei dickwandigen Bau-teilen eine vollständige Durchhärtung.

Gemessen wird die Härtbarkeit imStirnabschreckversuch nach Jominy(DIN 50191). Dabei erwärmt man einenRundstab von 25 mm ø und 100 mmLänge auf Härtetemperatur, hängt ihnin eine Abschreckvorrichtung und be-sprüht die Stirnfläche mit einemWasserstrahl. Anschliessend wird dieHärte entlang der Längsseite gemessen(s. Bild 3 und 4).

Nach jedem Härten entstehen im StahlSpannungen, verursacht durch die überden Querschnitt ungleichmässig er-folgende Abkühlung. Folgen dieserHärtespannungen sind Verziehen desBauteiles oder sogar Rissbildung. Zuderen Vermeidung muss das Werkstückunmittelbar nach dem Härten auf etwa150° C angelassen werden (jedesErwärmen nach dem Härten wird An-lassen genannt).

Bild 3: Stirnabschreckversuch nach Jominy.

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Das Oberflächenhärten(Randschichthärten)Für viele Bauteile ist nicht die durch-gehende Härte erwünscht, weil siegleichzeitig erhöhte Sprödigkeit undBruchempfindlichkeit bedeutet («Glas-härte»), sondern angestrebt werdenhoher Widerstand gegen Druckbela-stung, Reibung und Verschleiss nur inder Randschicht, während der Kern zähbleiben soll. Typische Beispiele: Zahn-räder oder Wellen. Die gehärtete Rand-schicht hat im allgemeinen eine Dickevon nur 0,1 bis 2 mm, so dass dieHärtespannungen verringert auftreten.Es ist auch eine örtliche Härtung mög-lich, z.B. nur an der Lagerstelle einerWelle.

Das Oberflächenhärten wird nach ver-schiedenen Verfahren durchgeführt.

Beim Flammhärten erwärmen Gasbren-ner das Werkstück nur kurz und damitwenig eindringend; sofort danach wirdmit einer Wasserbrause abgeschreckt.Beim Induktionshärten erfolgt das Auf-heizen mit Hochfrequenzspulen. BeideVerfahren werden im allgemeinen beiSerienfertigung auf Härtemaschinendurchgeführt, indem die Aufheizvorrich-tungen und Brausen der Form der jewei-ligen Stahlteile angepasst sind. BeimTauchhärten dagegen taucht man dieWerkstücke kurz in heisse Metallschmel-

zen, z.B. Bronze, so dass auch unter-schiedliche und kompliziert geformteTeile in dem selben Bad gehärtet wer-den können.

Alle drei Verfahren ähneln sich also in-sofern, als nur die Randschicht so kurzerwärmt wird, dass die tieferen Schich-ten nicht mitgehärtet werden. Ausser-dem ist in diesen Stählen ein Mindest-kohlenstoffgehalt von 0,2% erforderlich.

Beim Einsatzhärten, dem in der Praxiswichtigsten Verfahren des Oberflächen-härtens, werden eine extrem hoheRandhärte und extrem hohe Kernzähig-keit angestrebt. Deshalb geht man voneinem Stahl mit maximal 0,25% C aus(Einsatzstahl), der also eigentlich garnicht härtbar ist. In einem ersten Schrittwird nun die Randschicht aufgekohlt(=eingesetzt) und nur diese danachgehärtet.

Das Einsetzen erfolgt in festen (Holz-kohle + Zusatz), flüssigen (geschmolze-ne Zyansalze) oder überwiegend ingasförmiger Aufkohlungsmitteln (Erdgas+ Zusätze; Propan). Die erforderlicheTemperatur lieg im Austenitgebiet, alsooberhalb A3 (etwa 900°C), die Zeit be-trägt mehrere Stunden. Angestrebt wirdein C-Gehalt in der Randschicht von 0,6bis 0,8%, denn damit erreicht man diemaximale Härte (vgl. Bild 2). DasHärten der Randschicht nach dem Ein-

Bild 4: Einhärtetiefe verschiedener Stähle.

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setzen erfolgt am einfachsten «direktaus dem Einsatz», d.h. durch Ab-schrecken von der Einsatztemperaturaus. Man erhält jedoch einen grobkörni-gen Kern, der wegen des langen Einset-zens überzeitet ist, und grobkörnigenMartensit am Rand, da von einer zu ho-hen Temperatur abgeschreckt wurde.Diese qualitativen Nachteile kann manauf zwei Arten vermeiden: Entwederman verwendet legierte und damit fein-körnige Einsatzstähle für eine Direkt-härtung, oder es wird anders gehärtet.Bei der Einfachhärtung kühlt man dasStahlteil nach dem Aufkohlen an der Luftab, heizt auf die dem aufgekohltenRand entsprechende Härtetemperaturauf (etwa 750°C) und schreckt ab. Umden Kern noch zusätzlich feinkörnigereinzustellen, kann man diesen vor demRandhärten noch normalisieren: Kurz-zeitiges Erwärmen auf ca. 900°C undlangsames Abkühlen (Kernrückfeinen).Das noch aufwendigere Verfahren derDoppelhärtung wird kaum noch ange-wendet. In jedem Fall muss zur Vermei-dung von Härtespannungen auf etwa150°C angelassen werden.

Das Nitrierhärten beruht nicht auf derdurch Kohlenstoff hervorgerufenen Mar-tensithärte. Bei einer Temperatur von ca.550°C lässt man Stickstoff in den Stahleindiffundieren, und zwar entweder ausdem Gas Ammoniak (Gasnitrieren;Dauer etwa 50 Stunden) oder aus Zyan-bädern (Badnitrieren; Dauer etwa2 Stunden). Dabei dringt der Stickstoffin atomarer Form ein, wie er im reinenN2-Gas nicht vorliegt. Die verwendetenStähle müssen speziell legiert sein,denn die Bildung von Eisennitridenmuss wegen erhöhter Sprödigkeit ver-mieden werden. Nur Aluminium- undChrom-Nitride führen in ihrer feinkörni-gen Form zur Härtesteigerung (Aus-scheidungshärtung). Ein nachträglichesAbschrecken wie beim Martensithärtenist nicht erforderlich, weil die Nitrier-schicht selbst schon hart ist. Deshalbtreten auch keine Härtespannungen auf.Daraus ergibt sich ein wichtiger Vorteildes Nitrierens: Das Verfahren kann amfertig bearbeiteten Werkstück durchge-führt werden. Im Vergleich zum Einsatz-härten ist die Randschicht dünner undwesentlich härter (s. Bild 5). Ausserdem

Bild 5: Härteverlauf beim Einsatz- und Nitrierhärten.

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bleibt die Härte der Nitrierschicht bis zuBetriebstemperaturen von etwa 550°Ckonstant, während die Einsatzschicht ab300°C weich wird.

Beim Karbonitrieren dringen Kohlen-stoff und Stickstoff gemeinsam in dieOberfläche des Stahlteiles ein, undzwar aus einem Salzbad (Zyan, z.B.Kaliumzyan KCN) oder Gasgemischbei 650 bis 800°C. Je höher die Tempe-ratur liegt, um so mehr Kohlenstoffdiffundiert ein. Der Stahl braucht nicht-legiert zu sein, aber es muss nach demKarbonitrieren abgeschreckt werden.Der Vorteil gegenüber dem Einsatz-härten besteht darin, dass die niedri-gere Härtetemperatur und das mildereAbschreckmittel zu geringeren Härte-spannungen führen.

Beim Borieren dringt das Element Boraus pulverigen Borverbindungen (be-sonders Borkarbid) bei 800 bis 1000°Cin den Stahl ein. Die Eisenboride inder Randschicht haben noch höhereHärte und Temperaturbeständigkeit alsdie Nitrierschicht zur Folge (1600 bis2500 HV, Schichtdicke je nach Glühzeit0,1 bis 0,8 mm).

Alle Verfahren des Oberflächenhärtensverbessern die Dauerfestigkeit derStahlteile erheblich, da die harte Rand-schicht die Entstehung von Ermüdungs-anrissen vermindert.

Das Vergüten

Wie bereits beim Randschichthärtenbesprochen, ist in vielen Stahlteilen die«Glashärte» des Martensits wegenerhöhter Sprödigkeit und damit Bruch-empfindlichkeit nicht erwünscht. Opti-mal wäre eine Kombination aus hoherHärte und gleichzeitig hoher Zähigkeit,die jedoch in keinem Werkstoff realisier-bar ist. Beim Stahl lassen sich guteKompromisse schliessen: neben demRandschichthärten durch das Vergütenund durch Legieren (besonders Chrom-Nickel-Baustähle).

Das Vergüten besteht aus den beidenStufen Härten und anschliessendes Er-wärmen (Anlassen) auf eine Temperaturunterhalb der Umwandlungen, im allge-meinen 400 bis 650°C. Wegen desHärtens ist in den Vergütungsstählen einMindestkohlenstoffgehalt von 0,2% er-forderlich. Durch das Anlassen werdendie im Martensit zwangsweise festge-haltenen C-Atome zunehmend in dieLage versetzt, sich als Zementit auszu-scheiden. Deshalb sinken zwar die Zug-festigkeit Rm und Streckgrenze Re desStahles gegenüber dem gehärtetenZustand ab, besonders die Kerbschlag-arbeit Av sowie die Bruchdehnung Aund Brucheinschnürung Z nehmen je-doch erheblich stärker zu. Diese Eigen-schaftsänderungen beim Anlassenwerden für die einzelnen Stahlsorten in

Bild 6: Vergütungsschaubild (schematisch).

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Vergütungsschaubildern dargestellt(s. Bild 6, schematisch). Der Stahlver-braucher kann sich demnach die für ihngeeigneten Festigkeitseigenschaften ineinem sehr breiten Bereich aussuchen.Vergleicht man diese Werte mit demnormalgeglühten Ausgangszustand, sobleibt die Zugfestigkeit konstant, und esverbessert sich die Streckgrenze, Kerb-schlagarbeit und Bruchdehnung. Dasist auf das feinkörnige, gleichmässigeVergütungsgefüge zurückzuführen.

Je nach dem Abschreckmittel beim Här-ten spricht man vom Wasser-, Öl- oderLuftvergüten. Durch Durchvergütungeines Stahlteiles kann man auch ohneDurchhärtung erreichen, wenn sich imKern Sorbit oder Troostit gebildet haben.

ZTU-Schaubilder

Aus den vorigen Abschnitten ist derausserordentlich wichtige Einfluss derAbkühlgeschwindigkeit auf die erreich-baren Gefüge hervorgegangen. DieseZusammenhänge lassen sich aus demEisen-Kohlenstoff-Diagramm nicht ent-nehmen, denn dieses gilt nur für sehrlangsame Abkühlung. Für den prakti-schen Ablauf vieler Wärmebehand-lungsverfahren sind die Zeit-Temperatur-Umwandlungs-Schaubilder bedeu-tungsvoller.

Man unterscheidet zwei Arten von ZTU-Diagrammen, kontinuierliche und iso-therme, je nachdem ob die Abkühlungvon der Austenittemperatur (knapp

Bild 7: Kontinuierliches ZTU-Schaubild eines C 45.

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oberhalb A3) mit gleichmässiger Ge-schwindigkeit erfolgt, oder ob man dasStahlteil zunächst so schnell bis aufeine bestimmte Temperatur abschreckt,dass noch keine Umwandlung eintrittund dann hier bis zu der Umwandlungisotherm (bei konstanter Temperatur)hält. Bild 7 und 8 zeigen je ein Beispielfür einen Stahl mit etwa 0,4% C. Inbeiden Fällen wird die Zeit, im logarith-mischen Massstab, gegen die Tempera-tur aufgetragen.

Im kontinuierlichen ZTU-Diagrammdürfen die Vorgänge während desAbkühlens nur entlang den von derAustenittemperatur (ca. 820°C) ausge-henden geschwungenen Abkühlkurvenabgelesen werden. Dabei bedeutetKurve 1 sehr langsames, Kurve 3schnelles Abkühlen. Verfolgt man dieKurve 1, die z.B. für Luftabkühlung gilt,so sieht man, dass nach etwa 1000 sekbei ca. 750°C der Austenit beginnt, sichin Ferrit umzuwandeln. Es entstehen60% Ferrit, die restlichen 40% Austenitwandeln sich danach bei etwas tiefererTemperatur in Perlit um. Die Härte desGefüges nach dieser Wärmebehand-lung, die dem Normalisieren entspricht,beträgt 180 HV.

Die Kurve 2 entspricht einer Ölabküh-lung. Nach etwa 5 sek. beginnt bei650°C die Umwandlung des Austenit inFerrit, aber nur 5%, danach wechseltder grösste Teil in Perlit um (65%).

Zwischen 550° und 300°C entsteht zu20% Zwischenstufengefüge und ab300°C noch 10% Martensit. Die Härtebeträgt jetzt 330 HV. Erst bei der schnel-len Wasserabkühlung nach Kurve 3bildet sich ausschliesslich Martensit mit600 HV.

Die Umwandlung im isothermen ZTU-Schaubild müssen dagegen auf denWaagerechten abgelesen werden. Sobilden sich bei 650°C Haltetemperatur5% Ferrit und 95% Perlit mit einer Härtevon 200HV, bie 400°C ausschliesslichZwischenstufengefüge mit 350 HV undbei 200°C nur Martensit mit 600 HV.

Im Vergleich beider Schaubilder erkenntman, dass eine vollständige Umwand-lung in Perlit oder Zwischenstufe nur beider isothermen Abkühlung möglich ist.Bei legierten Stählen ändert sich dasZTU-Diagramm hauptsächlich insofern,als die Gebiete der Perlit- und Zwi-schenstufe sich scharf voneinandertrennen und beide Gebiete zu längerenZeiten hin verschoben werden. Dadurchlassen sich diese Gefüge jetzt auch beikontinuierlicher Abkühlung einstellen.Überhaupt gilt ein ZTU-Diagramm nurfür eine bestimmte Stahlsorte, währenddas Eisen-Kohlenstoff-Schaubild für alleunlegierten Stähle gültig ist.

Einige weitere technisch wichtige Wär-mebehandlungsverfahren lassen sicham besten am ZTU-Diagramm erklären.

Bild 8: Isothermes ZTU-Schaubild eines C 45.

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Das Patentieren (Kurve 1 in Bild 9) wirddurchgeführt, um Stahldraht beim nach-folgenden Ziehen auf hohe Zugfestigkeitzu bringen. Dazu schreckt man ihn vonder Austenittemperatur in einem Blei-oder Salzbad mit etwa 500°C ab undhält ihn bis zur vollständigen Umwand-lung in den feinstreifigen Perlit (Sorbit;Badpatentieren). Bei Luftpatentierengeht man von einer Temperatur hochüber A3 aus, kühlt kontinuierlich an derLuft ab und erhält das gleiche Gefüge.

Beim Warmbadhärten (Kurve 2, Bild 9)wird der Stahl in einem Salz- oderMetallbad abgeschreckt, dessen Tempe-ratur kurz oberhalb der Martensittempe-ratur liegt (ca. 200 bis 250°C). Währendder Haltezeit gleichen sich die Härte-spannungen weitgehend aus, so dassdie Verzug- und Rissgefahr verringertsind. Bevor es zur Umwandlung in dasZwischenstufengefüge kommt, wird inÖl oder Luft weiter abgekühlt, wobei sicherst jetzt Martensit bildet.

Beim Zwischenstufenvergüten (Kurve 3,Bild 9) wird ebenfalls in einem Salz-oder Metallbad abgeschreckt, dessenTemperatur jedoch im Bereich der Zwi-schenstufe liegt. Auch dabei verringertsich die Härterissgefahr wesentlich,so dass ein nachträgliches Anlassenunterbleiben kann. Das Gefüge Bainitbesitzt neben hoher Härte eine ausge-zeichnete Zähigkeit.

Bild 9: Einige Wärmebehandlungsverfahren im ZTU-Schaubild.