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Belastungsbeurteilung am Arbeitsplatz aus arbeitsmedizinischer Sicht
Dr. med. Irène Kunz FMH Innere Medizin FMH Arbeitsmedizin
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Themen
1. Ausgangssituation - Lastenhandhabung Rücken - Zwangshaltungen Rücken - 5. Europäische Erhebung
über die Arbeitsplatzbedingungen
2. Gesetzliche und Normative Grundlagen - VUV - ArG - Normen - "Grenzwerte am Arbeitsplatz 2015"
4 Richtwerte für physische Belastungen - EKAS Richtlinie 6508
3. Methoden zur Erhebung der Belastung
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Tabelle 3: Physische Belastungen in der Schweiz, EU-Durchschnitt, Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich, 2005 und 2010, Erwerbstätige in Prozent
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Abbildung 5: Tragen oder Bewegen schwerer Lasten und schmerzhafte oder ermüdende Körperhaltungen nach Berufshauptgruppen (ISCO 88) 2010 (Schweiz), Erwerbstätige in Prozent
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Tabelle 9: Physische Belastungen nach Beschäftigungsgrad, 2010 (Schweiz), Erwerbstätige in Prozent
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Tabelle 7: Physische Belastungen nach Alterskategorien, 2005 und 2010 (Schweiz), Erwerbstätige in Prozent
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Gesetzliche, normative Grundlagen CH
• Verordnung über die Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten, VUV Art 6, 3 1 bis und 41.
• Arbeitsgesetz Art 25, Verordnungen 3
• EKAS-Richtlinie 6508
• SN ISO 26800:2011 Ergonomie –genereller Ansatz • SN EN 1005-2 • SN EN 1005-3,ISO 11228 (max. Kraftausübung) • SN EN 1005-4 Kriterien Körperhaltung • ISO 11226 Kriterien (Rumpfvor-,-lateralneigung,-rotation) • SN EN 1005-5
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VUV Art. 6
Der Arbeitgeber sorgt dafür, dass alle in seinem Betrieb beschäftigten AN, einschliesslich der dort tätigen AN eines anderen Betriebes, über - die bei ihren Tätigkeiten auftretenden Gefährdungen informiert und -über die Massnahmen zu deren Verhütung angeleitet werden. Diese Information und Anleitung haben im Zeitpunkt des Stellenantritts und bei jeder wesentliche Änderung der Arbeitsbedingungen zu erfolgen und sind nötigenfalls zu wiederholen.
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VUV Art. 41 Transport u. Lagerung 1. Gegenstände und Materialen müssen so
transportiert und gelagert werden, dass sie nicht in gefahrbringender Weise umstürzen, herabstürzen oder abrutschen können.
2. Zum Heben, Tragen und Bewegen von schweren oder unhandlichen Lasten sind geeignete technische Einrichtungen u. Geräte zur Verfügung zu stellen und zu benutzen.
3. Beim Stapeln und Lagern von Stück- und Schüttgut sind die jeweils erforderlichen Massnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten
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VUV Art. 3 1bis
Liegen Hinweise vor, dass die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die von ihm ausgeübte Tätigkeit geschädigt wird, so ist eine arbeitsmedizinische Abklärung durchzuführen. Seit 1.10.2015 in Kraft
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Arbeitsgesetz, Artikel 6 ArG Verordnung 3 - Art. 10 Der Arbeitgeber ist verpflichtet, zum Schutze der Gesundheit der Arbeitnehmer alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind. Er hat im Weiteren die erforderlichen Massnahmen zum Schutze der persönlichen Integrität der Arbeitnehmer vorzusehen. Der AN seinerseits muss die Vorgaben des AG respektieren und bei der Umsetzung der Massnahmen mithelfen Ausserdem ist er verpflichtet, Missstände dem Sicherheitsverantwortlichen oder dem Chef zu melden.
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ArG Art. 25, Verordnung 3
1. Um zu vermeiden, dass Arbeitnehmende Lasten manuell handhaben müssen, sind die geeigneten organisatorischen Massnahmen zu treffen die geeigneten Mittel, insbesondere mechanische Ausrüstungen, zur Verfügung zu stellen.
2. Lässt sich die manuelle Handhabung von Lasten nicht vermeiden, so sind die geeigneten Arbeitsmittel zum Heben, Tragen und Bewegen schwerer od. unhandlicher Lasten zur Verfügung zu stellen, um die Gefährdung der Arbeitnehmer bei der manuellen Handhabung möglichst gering zu halten
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ArG Art. 25, Verordnung 3
3. Die Arbeitnehmer sind über die mit dem Handhaben von Lasten verbundenen Gesundheitsgefahren zu informieren und über das richtige Heben und Tragen von Lasten anzuleiten
4. Arbeitnehmer sind über Gewichte und
Gewichtsverteilung der Lasten zu informieren.
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EKAS Richtlinie 6508 Beizug von Arbeitsärzten und anderen Spezialisten der Arbeitssicherheit
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EKAS Richtlinie 6508 Beizug von Arbeitsärzten und anderen Spezialisten der Arbeitssicherheit
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Ansprechpartner im Betrieb -Sicherheitsbeauftragte/r -Sicherheitsingenieur/in -Zuständiger ASA-Arzt, -Hygieniker -Betriebskrankenschwester -Physiotherapeut -Direkter Vorgesetzte/r -Personlverantwortliche/r
EKAS Richtlinie 6508 Beizug von Arbeitsärzten und anderen Spezialisten der Arbeitssicherheit
EN ISO 26800:2011 Ergonomie – Genereller Ansatz Begriff Ergonomie: wissenschaftliche Disziplin, die sich mit dem Verständnis der Wechselwirkungen zwischen menschlichen und anderen Elementen eines Systems befasst, und der Berufszweig, der Theorie, Grundsätze, Daten und Verfahren auf die Gestaltung von Arbeitssystemen anwendet mit dem Ziel, das Wohlbefinden des Menschen und die Leistung des Gesamtsystems zu optimieren. ….
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3. Methoden zur Erhebung von Belastung und Beanspruchung 1. Orientierende Methoden auf der Basis v. ausgewählten Leitmerkmalen für Praxisanwender (Screeningverfahren) 2. Expertenmethoden mit physiologisch-biomechanisch differenzierter Ermittlung u. Berücksichtigung der zeitlichen Variabilität von Belastungen (Expertenscreening) 3. Spez. Wissenschaftlich Methoden für besondere Fragestellungen (Messtechnische Erfassung von Belastungen, Laborsimulationen).
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3. 1. Orientierende Methoden auf der Basis v. ausgewählten Leitmerkmalen für Praxisanwender (Screeningverfahren) Befragung der AN zur Belastung und Beanspruchung - BORG-Skala
- VAS-Skalen / NRS-Skalen
- Lokalisation und zeitbezogene Beschwerden
- Nordic Questionnaire
- Anamese Belastungswirkung
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3. 1. Methoden zur Erhebung von Belastung und Beanspruchung – Screeningverfahren Ermittlung von Massen am Arbeitsplatz
- Durch die Masse am Arbeitsplatz werden die Haltungserfordernisse und Bewegungsräume bestimmt. EN ISO 14738 - Körpermasse der AN DIN 33402-2 und -3 - Fotodokumentation mit Meter
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3.2.Expertenmethoden mit physiologisch-biomechanisch differenzierter Ermittlung u. Berücksichtigung der zeitlichen Variabilität von Belastungen (Expertenscreening)
Checklisten, mit denen durch logische Verknüpfung von Ergebnissen u. Erfahrungswerten vieler Studien Merkmale typischer Tätigkeiten beschrieben und nach Punkten bewertet werden. Cave Belastungs- und Erholungszeiten.
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3.2. Leitmerkmalmethode Ziel: Beurteilung der Arbeitsbedingungen bei der manuellen Handhabung von Lasten anhand der Merkmale -Lastgewicht, -Körperhaltung, -Ausführungsbedingungen und -Zeitdauer. Die Merkmale werden mit einer Punktwertung belegt aus der nach einem einfachen Algorithmus die Risikobewertung ermittelt wird.
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Leitmerkmalmethode Bestimmung der Ausführungsbedingungswichtung
Bewertung: Punktwert = (Lastwichtung + Haltungswichtung + Ausf.-wichtung) ⋅ Zeitwichtung
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3.2. Arbeitsplatz - Check körperliche Belastungen suva 1. Zwangshaltungen
2. Repetitive Tätigkeiten
3. Körperliche Anstrengungen
4. Umgebungsfaktoren
-Licht -Lärm -Klima -Staub -Andere: Werkzeuge, Hilfsmitte Arbeitstechniken, Zugänglichkeiten, PSA
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Expertenscreening RULA Mc Atamney and Corlett 1993
Beurteilung Hand-Arm-Schulter- Oberer Rücken Belastung Notwendigkeit weiterer Massnahmen
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OWAS-Methode OVAKO-Working-Posture-Analysing-System (Karhu 1977)
Arbeitshaltung wird durch einen vierstelligen Code beschrieben. Arbeitswissenschaftliches Verfahren zur Klassifizierung und Beurteilung von Arbeitshaltungen Bewährt in vielen Bereichen wie Baugewerbe, Autowerkstätten, Krankenhaus
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OWAS Methode Ziffer 1: 4 verschiedene Rückenhaltungen Ziffer 2: 3 verschiedene Armhaltungen Ziffer 3: 10 verschiedene Beinhaltungen Ziffer 4: 3 Lastgewichtsklassen (< 10 kg 10-10 kg > 20 kg) Statistische Auswertung und Einstufung nach Tabellenwerten.
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Revidierte NIOSH Gleichung (1993) Ziel: Abschätzung der Gefährdung bei der Lastenhandhabung durch die Berechnung von zu hebenden Maximallasten (Recommended Weight Limit – RWL) Recommended Weight Limit – RWL Das RWL ist definiert als das Gewicht einer Last, welche nahezu alle gesunden Arbeiter über eine bestimmte Zeit ohne erhöhte Gefahr von Rückenverletzungen bewältigen können
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EGG = GwK x VK x DK x HK X AK x GK x FK EGG empfohlene Gewichtsgrenze VK Vertikalkoeffizient DK Distanzkoeffizient HK Horizontalkoeffizient AK Asymmetriekoeffizient GK Greifkoeffizient FK Frequenzkoeffizient
Hebeindex (Lifting Index) = Lastgewicht / empfohlene Gewichtsgrenze
(LI= LG/EGG)
Interlaken 9.1.2015
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Asymmetrischer Multiplikator (AM)
0° 1.00
15° .95
30° .90
45° .86
60° .81
75° .76
90° .71
105° .66
120° .62
135° .57
>135° .00
Interlaken 9.1.2015
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NIOSH Guidelines for Job Design/Redesign
Action Limit (AL) erhöhte Verletzungsinzidenz und –schwere * Erträgliche Kompressionskräfte auf die L5/S1 Bandscheibe: 350 kg ** Metabolische Rate: <3.5 kcal/min Fähig dazu: > 75 % der Frauen und > 99% der Männer
Maximum Permissible Limit (MPL)
erhöhte Verletzungsinzidenz und –schwere * „Unerträgliche“ (intolerable) Kompressionskräfte auf die L5/S1 Bandscheibe: 650 kg ** Metabolische Rate: <5.0 kcal/min Fähig dazu: < 1% der Frauen und der 25% Männer
* increased musculoskeletal injury incidence and severity rates ** applies for most young, healthy workers
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Revidierte NIOSH Gleichung (1993) Lifting Index – LI Der Lifting Index liefert eine Größe für die relative Abschätzung des körperlichen Beanspruchungsgrades, verbunden mit einer bestimmten manuellen Hebetätigkeit. Quotient aus Gewicht (L) der gehobenen Last und dem RWL: LI = L / RWL Werte zwischen 0 und 1 gelten als unkritisch, ein LI-Wert größer als eins deutet auf kritische Arbeitsbedingungen hin; die Gefahr von Wirbelsäulen- schädigungen steigt!!
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SN EN 1005-2
Die Erkenntnisse der Revised NIOSH Equatation wurden in der EN 1005-2 übernommen Und sind auch für die Schweiz übernommen:
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Ergonomic Workplace Analysis Finnish Institute of Occupational Health 1989
1. Arbeitsplatz 2. Bewegung allgemein 3. Heben (Lifting) 4. Haltungen und Bewegungen 5. Unfallrisiko 6. Aufgabeninhalt 7. Aufgabenzwänge 8. Kommunikation 9. Entscheidungsanforderungen 10.Repetitivität 11.Aufmerksamkeit 12.Beleuchtung 13.Klima 14.Lärm
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3. Methoden zur Erhebung von Belastung und Beanspruchung 3. Spez. Wissenschaftlich Methoden für besondere Fragestellungen (Messtechnische Erfassung von Belastungen, Laborsimulationen). -CUELA Messverfahren -Mainz-Dortmunder-Dosismodell MDD -Oberflächen EMG -Arbeitsenergieumsatz -HR- Erfassung
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Personengebundenes Messsystem zur automatisierten Erfassung von Wirbelsäulenbelastungen bei beruflichen Tätigkeiten RP Ellegast (1998) BIA (Berufsgenossenschaftliches Institut für Arbeitssicherheit) CUELA-HTR®
Erhebungsverfahren: Befragungsbögen Tätigkeitsanalyse durch Beobachtungspersonen Video- und Filmanalysen Ganzschichtig einsetzbar
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Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) Zur Prüfung der "arbeitstechnischen Voraussetzungen" in einem Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren wurde unter Mitwirkung des IfADo (Institut für Arbeitswissenschaften Dortmund) ein entsprechendes Verfahren entwickelt. Mit diesem Dosis-Modell werden die beruflichen Wirbelsäulen-Belastungen, die im Verlauf des Berufslebens aufgetreten sein können, zu einer "Gesamt-Belastungsdosis" retrospektiv zusammengefasst. Biomechanischen Berechnungsmodells - die Hebe- und Tragetätigkeiten herausgefiltert, bei denen ein geschlechtsspez. Belastungsrichtwert erreicht/ überschritten. Tätigkeiten ermittelt, welche die Kriterien einer extremen Rumpfbeugehaltung erfüllen.
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MDD
Schwere Lasten: Tagesdosisrichtwert überschritten: Männer 5.5 kNh Frauen 3.5 kNh Als Zusatzkriterium erfüllt: Besonders hohes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen; Anhaltspunkte: Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen (Frauen ab 4 ½ kN; Männer ab 6 kN)
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Deutsche Wirbelsäulenstudie
Läuft seit 2002 Abschluss Ende 2006 Ziel: Dosis-Wirkungs-Beziehung besser ermitteln als mit dem bisherigen Verfahren (Mainz-Dortmunder Dosismodell) Reanalyse der Daten der DWS in der Richtwertstudie
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- Verschiedenste Methoden zur Belastungserfassung - Ganzkörper - Handarmsystem - Checklisten - Computerisierte Systeme
- Zugang zu Informationen über den Arbeitsplatz
- Sicherheitsbeauftragte, -ingenieure - Branchen-, ASA-Ärzte - Betriebskrankenschwester, Physiotherapeuten - Vorgesetzte, HR-Vertreter
- Kommunikation mit Arbeitgeber