Belozwetoff Die Erkenntnis als Mysterium

Embed Size (px)

Citation preview

  • 7/30/2019 Belozwetoff Die Erkenntnis als Mysterium

    1/13

    NIKOLAI BELOZWETOFFD I E E R K E N N T N I S A L S M Y S T E R I U M

    ---------------------------------------------------------------------------

    I. Die Erkenntnis als Schuld und Shne.

    -----------------------------------------------------

    Es gibt ein philosophisches Axiom, dem man die grte Aufmerksamkeit schenken mte, weil seineAnwendung auf dem Gebiete der Erkenntnistheorie uns einen tiefen Einblick in die Mysterien derWelt ermglicht.

    Dieses philosophische Axiom drckt das Verhltnis der Wahrheit zur Freiheit und Freiheit zurWahrheit aus und kann in folgender Weise formuliert werden:

    Nur in Wahrheit ist Freiheit zu erfassen. Nur in Freiheit ist Wahrheit zu ergrnden.

    Ein Wesen, dessen Erkenntnis uerlich bedingt ist, kann niemals sicher sein, da es die Wahrheiterfat.

    Ein Wesen, das seine Freiheit nicht in Wahrheit erkennt, kann niemals sicher sein, da seine Freiheitnicht auf Selbsttuschung beruht.

    Denn Wahrheit und Freiheit sind zwei Seiten eines selbstbegrndeten Seins, das seinem Inhalte nach

    wahr und seiner Handlungsweise nach frei ist. Will daher der Mensch die Wahrheit finden, so mu ersie in Freiheit suchen, und will er andererseits frei sein, so mu er seine Freiheit in Wahrheit finden.

    Es fragt sich: wie soll die menschliche Erkenntnis organisiert sein um dieser selbstverstndlichenForderung zu Entsprechen? Welche Struktur mu die Erkenntnis haben, damit der Mensch dieWahrheit in der Freiheit und die Freiheit in der Wahrheit besitzen kann?

    Fr ein Denken, das Kompromisse vermeidet, sind prinzipiell nur drei Arten der menschlichenErkenntnis mglich:

    Erstens ist eine solche Erkenttnisart denkbar, bei welcher die Wahrheit dem Erkennenden vonvornherein gegeben ist.

    Nun fragt es sich, ob bei einem solchen rsprunglichen Wissen der Wahrheit unsere menschlicheFreiheit mglich wre.

    Es wird nicht schwer sein einzusehen, da in diesem Falles keine Freiheit geben kann. Denn Freiheit istja erst dann mglich, wenn eine Erkenntnisinitiative vorhanden ist. Und diese kann sich nur dannentfalten, wenn man die Wahrheit noch nicht kennt. Bei einem Wesen, das die Wahrheit vonvornherein kennt, kann auch kein Bedrfnis entstehen diese Wahrheit zu suchen. Daraus ist

    ersichtlich, da bei einer [p2] solchen Erkenntnisart die Freiheit vllig ausgeschlossen ist.

  • 7/30/2019 Belozwetoff Die Erkenntnis als Mysterium

    2/13

    Die zweite Erkenntnisart wre eine solche, bei der die Wahrheit dem erkennenden berhaupt nichtgegeben ist. Kann man in diesem Falle von einer Freiheit reden?

    Wohl knnte ja jetzt der Mensch die grte Erkenntnisinitiative entwickeln, jedoch wre dieseErkenntnisinitiative eben eine Selbsttuschung, denn niemals knnte der Mensch in diesem Falle

    seine Freiheit in der Wahrheit erkennen, da ja die Wahrheit fr seine Erkenntnis transcendent bleibt.

    Die dritte Erkenntnisart, die uns wie eine wahre Freiheit so auch eine freie Wahrheit ermglicht, ist inder "Philosophie der Freiheit" Rudolf Steiners vor die Welt hingestellt.

    Nach der einzig richtigen Auffassung Rudolf Steiners ist die Wahrheit dem erkennenden Menschenzwar vom Anfange an immanent, jedoch ist diese immanente Wahrheit fr das menschlicheBewustsein ausgelscht. Die Ttigkeit der Erkenntnis besteht darin, da dieser ausgelschte Inhaltder Wahrheit wieder durch das menschliche Denken an das Tageslicht des Bewutseins herausgeholtwird. Es ist leicht einzusehen, da nur bei dieser dritten Auffassung die Wahrheit in der Freiheit unddie Freiheit in der Wahrheit erfat werden knnen. Denn dadurch, da im Anfange der Erkenntnis dieWahrheit ausgelscht ist, wird die Initiative der Erkenntnis gesichert, dadurch aber, da die Wahrheitdennoch dem Erkennenden immanent bleibt, wird ihm die Mglichkeit gewhrt, seineErkenntnisinitiative in der Wahrheit zu vollenden.

    Betrachtet man aufmerksam das moderne europische Weltanschauungsleben, so wird man dreierWeltanschauungen, dreier Denkarten gewahr werden, die den oben erwhnten Erkenntnisartenentsprechen, nmlich die osteuropischen, die westeropischen und die mitteleuropischenDenkrichtungen.

    Die osteuropischen und westeropischen denkrichtungen sind Gegenstze.

    Was die mitteleuropische Denkart anbetrifft, die aus dem deutschen Idealismus in der Form derAnthropsophie erblht ist, so tritt sie als reine Vermittlerin zwischen den beiden anderen auf.

    Beim Studium der osteuropischen bzw. russichen Denkrichtung erhlt man den Eindruck, da eskeinen echten russischen Denker gibt mit Ausnahme der unechten Denker, der Marxisten, die sichnicht mit den Endfragen des Daseins beschftigt htten. Man findet, da die echten russischePhilosophie immer recht apokalyptisch und eschatologisch gestimmt ist. [p3]

    Dafr aber hat diese echte russische Philosophie eigentlich keinen erkenntnistheoretischen

    Ausgangspunkt und also keinen Anfang. Sie behandelt die Wahrheit nach der ersten Erkenntnisart,alsob ihr diese Wahrheit von Anfang an gegeben wre. Man knnte gewi nicht sagen, da dierussische Philosophie eine jegliche westeuropische Methodik vllig ignoriert. Auch sie bedient sichder systematischen westeuropischen Denkart, aber nur mit der alleinigen Absicht, ihre eigeneirrationale Einstellung zu rechtfertigen.

    Wie verschieden die russischen philosophischen Systeme auch seien, alle besitzen sie einengemeinsamen Zug: allen ihnen fehlt das bewute individuelle Ichprinzip am Anfange ihresErkenntnisweges. Und nur dank diesem abgedmpften Ich-Bewutsein des Erkennenden knnen dierussischen Denker das lebendige Gefhl fr das gttlichen Universum behalten. Halbbewutempfinden diese Denker, da das individuelle Ichprinzip das gttliche Sein aus der menschlichen

    Weltanschauung auslschen mu. Und um das gttliche Sein in der menschlichen Weltanschauungwalten zu lassen, wollen diese russischen Denker das individuelle Ichprinzip aus ihrer Weltanschauungausschalten. Nicht der Mensch, sondern Gott allein soll ihrer Weltanschauung zu Grunde liegen. Und

  • 7/30/2019 Belozwetoff Die Erkenntnis als Mysterium

    3/13

    eben darin besteht die methodologische Unbeholfenheit der russischen Philosophie, da sie dasEndziel der Erkenntnis schon an deren Anfang zu besitzen glaubt. Daher kann die osteuropische bzw.russische Philosophie als eine Philosophie der anfangslosen Enden bezeichnet werden.

    Die entgegengesetzten Eigenschaften weist die westeuropische Philosophie auf. Diese

    westeuropische Philosophie verhlt sich so, alsob die zweite Erkenntnisart die richtige wre. Fr sieist die Wahrheit dem Erkennenden nicht gegeben, sie ist ihn transcendent. Eben daher nimmt diesewesteuropische Philosophie ihren Anfang von dem berhmten cartesianischen Satze: "Cogito, ergosum". Aus dem Zweifel geboren, vollbringt sie jeden nchsten Schritt vorsichtig und bedacht,systematisch und methodisch. Da ihr jedoch der Gegenstand der Erkenntnis unerreichbar zu seinscheint, so verurteilt sie sich selbst immer nur anzufangen ohne jegliche Hoffnung, das Endziel derErkenntnis, die Wahrheit, jemals zu erreichen. Und immer neue und neue Methoden werden von ihrerfunden, immer neue Systeme aufgebaut, aber bei der Benutzung dieser Methoden in diesenSystemen werden sie oft zum Selbstzweck, und die eigentliche Aufgabe der Philosophie, derErkenntnis der Wahrheit, wird dabei so gut wie ganz vergessen. Mit Recht kann man daher diesePhilosophie eine Philo-[p4]sophie der endlosen Anfnge nennen.

    Fragen wir uns nun, wie sich beiden Denkarten die mitteleuropische Philosophie verhlt. Es ist leichteinzusehen, da dieses Verhltnis ein zum Teil zustimmende, zum Teil ablehnendes sein mu. Undzwar stimmt die Anthroposophie allen beiden zu, sofern die westeuropische Denkart eine Anfang,und die osteuropische Philosophie ein Ende besitzt. Zugleich aber mu die Anthroposophie allebeiden verwerfen, sofern die westeuropische Denkart kein Ende und osteuropische Denkart keinenAnfang hat. Die Anthroposophie verhlt sich auf diese Weise zu den beiden Denkrichtungen, weil sieselbst auf wahrer Freiheit und freier Wahrheit beruht.

    Die wahre Freiheit und die freie Wahrheit sind aber nur dann mglich wenn der Mensch am Anfangeseiner Erkenntnis sich selbst als einen Zweifelnden behauptet, am Ende seiner Erkenntnis aber der alsVollendung und Endziel stellt.

    Um frei zu werden, mu der Mensch erst sich selbst einen Anfang geben. Und da Gott allen Wesenund also auch dem Menschen den Anfang in der Wahrheit gibt, so mu der Mensch, um sich einenAnfang zu geben, die gttliche Wahrheit in sich auslschen, sie vergessen. Da er im Wissen derWahrheit seine Selbstndigkeit nicht behaupten vermag, so mu er es im Unwissen, im Zweifeln tun.

    So sehen wir, da inbezug auf den Ausgangspunkt der Erkenntnis, die Anthroposophie derwesteuropischen Denkart verwandt ist. Jedoch fehlt der westeuropischen Denkart eineEmpfindung, die der osteuropischen im hohen Mae eigen ist, nmlich die Empfindung fr diemetaphysischen Schuld, fr die Schuld gegenber der ausgelschten Wahrheit. Die westeuropischeDenkart hat berhaupt kein Gefhl dafr da in unserem Zweifel ein von uns getteter Gott begrabenruht. Und eben aus diesem Grunde betrachtet die westeuropische Denkart die gttliche Wahrheit alsetwas durchaus Transcendentes und es entsteht in ihr daher kein Streben die begangene Schuld vorder Wahrheit zu shnen. Jedoch ist dieses Gefhl der metaphysischen Schuld vor der Wahrheit derbeste Beweis dafr, da in unserem denken ein von uns getteter Logos ruht. Und zugleich erzeugtuns dieses Gefhl der metaphysischen Schuld den Impuls diese Schuld vor der Wahrheit zu shnenund den Gott in unserer Weltanschauung durch einen opferwilligen Selbstverzicht aufzuerwecken.

    Diesem Impulse dienend, mssen wir am Ende unserer Weltanschauung dem Gott und nicht mehrden Menschen stellen wollen, denn nur im Falle wenn [p5] wir den Gott als ein Ideal und ein Endzieldes ganzen Erkenntnisweges stellen, nur dann kann unsere Freiheit in Wahrheit vollendet werden.Whrend also der Mensch und nicht der Gott am Anfange unserer Erkenntnis zu stehen hat, soll an

    deren Ende der Gott und nicht mehr der Mensch stehen.

  • 7/30/2019 Belozwetoff Die Erkenntnis als Mysterium

    4/13

    Und in diesem Streben zum Selbstverzicht ist die Anthroposophie wiederum mit der osteuropischenund nicht mehr mit der westeuropischen Philosophie verwandt. Der wesentliche Unterschiedzwischen den beiden besteht freilich darin, da die russische Denkart schon am Anfange derErkenntnis diesen Selbstverzicht ben will, whrend die Anthroposophie ihn erst als Endziel derErkenntnis hinstellt.

    Auf diese Weise erhlt in der Anthroposophie der ganze Erkenntnisvorgang einen religis-moralischenSinn und wird zu einem Mysterium der Schuld und Shne.

    So aufgefat, stellt sich die Anthroposophie in die Mitte zwischen den beiden Gegenstzen undermglicht ihre hhere Synthese in einer allmenschlichen Gesammtweltanschauung, indem sie derosteuropischen Philosophie einen Anfang und der westeuropischen Philosophie ein Ende gibt.Sofern der religis-moralische Sinn der anthroposophischen Erkenntnis dem Denken immanent bleibt,kann die Anthroposophie von der westeuropischen Denkart verstanden werden, sofern anderseitsdas Denken in der Anthroposophie einen religis-moralischen Sinn erhlt, kann die religiseingestellte osteuropische Denkart keinen Grund mehr haben, diese antroposophische Denken

    zurckzuweisen. Aber damit beschrnkt sich nicht die Bedeutung dieser religis-moralischenAuffassung des Erkenntnisvorganges. Eine weitere Vertiefung in die Geheimnisse diesesErkenntnisvorganges gewhrt uns eine Mgligkeit die ganze menschliche Erkenntnis zuchristianisieren.

    Wollen wir nmlich den so gedeuteten Erkenntnisvorgang uns nher betrachten, so tauchen in unsdrei Fragen auf, die sich alle auf das Wesen dieses Erkenntnisvorganges beziehen. Und eben diese dreiFragen werden uns die Schlssel zum tiefen christlichen Mysterium der Selbsterkenntnis gebenknnen. [p6]

  • 7/30/2019 Belozwetoff Die Erkenntnis als Mysterium

    5/13

    II. Das Mysterium der Selbserkenntnis.

    ----------------------------------------------------

    Die erste Frage , die in uns auftacht, wenn wir ber den Erkenntnisvorgang nachsinnen, hat einenkausalen Charakter und kann in folgender Weise formuliert werden:

    Welche Ursachen fhren zu einer Auflschung der gesammten Ideenwelt in unserer Weltanschauung?

    Die zweite Frage hat einen phnomenologischen Sinn, sie ist eine Selbstbestimmungsfrage und kannso formuliert werden:

    Unter welchen Umstnde werden wir uns des religis-moralischen Sinnes unserer Erkenntnis bewut?

    Die dritte Frage ist ebenso an eine Zukunft gerichtet, wie die erste an einen Vergangenheit und diezweite an eine Gegenwart. Sie hat einen theologischen Sinn und kann so formuliert werden:

    Welche Mittel mssen wir anwenden damit der von uns ausgelschte Ideengehalt in uns wieder

    auferstehe?

    Die erste von diesen drei Fragen ist dem Probleme unserer metaphysischen Schuld gewidmet. Indemwir diese Fragen stellen, wollen wir eigentlich nichts anderes, als die Ursachen der von unsbegangenen Schuld erkennen, diejenigen Ursachen, die uns dazu treiben das geistige Universum inuns zu vergessen. Denn das Unwissen ist bei dieser Auffassung der Erkenntnis rtselhafter als dasWissen. Und nicht danach mssen wir uns fragen, wie wir dazu kommem etwas zu wissen, sondern esmu uns erst die Frage beschftigen, wie wir dazu kommen, etwas nicht zu wissen. In einerSelbsterkenntnis knnen wir erfahren, da das ursprngliche Unwissen, welches wir in uns amAnfange der Erkenntnis vorfinden, von unsrerem Verbundensein mit der irdischen leiblichenOrganisation herfhrt. Der irdische Leib ist es, der das Universum in uns auslscht und uns von

    unserem wahren Wesen trennt. Diese wahre Wesen mu infolge eines Verbundenseins mit derirdischen Leibe sich selbst zunchst als ein Unwissendes, Zweifelndes erleben.

    Infolgedessen wird auch die ganze Welt von diesen wahren Wesen in uns als Problem, als ein Rtselerlebt, und sich selbst erlebt es als einen Impuls, der es treibt diese Rtsel der Welt zum lsen.

    Dieses Rtsel entsteht infolge unseres Verbundenseins mit dem irdischen Leibe und soll von seinembesonderen Standpunkte gelst werden. Und nur infolge dieses Verbundenseins mit dem Leibegelangt das wahre Wesen in uns zu einer freien Selbstbehauptung in Unwissen. [p7]

    Nun knnte man fragen, wodurch das Verbundensein mit dem irdischen Leibe zustande kommt.Wodurch fhlt sich unser wahres geistiges Wesen veranlat, sich mit der irdischen Leiblichkeit zuverbinden und von ihrem Standpunkte die Welt zu betrachten?

    Wollen wir uns mit dieser Frage beobachten, so werden wir in uns noch eines anderen, eines drittenWesens gewahr, das weder ein geistiges, noch leibliches Wesen ist, sondern ein Vermittler zwischenden Beiden. Und zwar ist es das seelische Prinzip in uns, das ein besonderes Interesse fr die vomLeibe gewrte Wahrnehmungswelt aufweist. Und dieses seelische Prinzip in uns, ist es auch, das dashhere Prinzip, den Geist bin uns, an die Wahrnehmungswelt fesselt, indem es die Geist dazu treibt, indieser Wahrnehmungswelt aufzuwachen, sich ihr bewut zu werden. Aber wir knnen auch weiterfragen, wir knnen auch danach fragen, warum dieses seelische Prinzip sich veranlat fhlt einInteresse fr die Wahrnehmungswelt zu entwickeln, warum es sich veranlat fhlt sich selbst und dasgeistige Prinzip in uns an die Wahrnehmungswelt zu fesseln. Um diese frage richtig zu beantworten,mssen wir von einer anderen Frage ausgehen. Wir mssen uns danach fragen, wie unser Weltbild

  • 7/30/2019 Belozwetoff Die Erkenntnis als Mysterium

    6/13

    aussehen wrde, falls wir nicht veranlat wren die Welt vom Standpunkte unserer Leiblichkeit zubetrachten.

    Ja, dann wren wir Wesenheiten, deren Erkenntnis nach der ersten Erkenntnisart organisiert wre.Die Wahrheit wrde dann ohne unser Zutun uns gegeben sein. Nun ist es aber in der Welt so, da

    eine derartige Organisation nicht einfach abgeschaffen werden kann, wenn andere Krfte inErscheinung treten. Nein, sie bleibt auch weiter bestehen, obwohl ihre ursprngliche Richtung durchdas Auftreten einer neuen Kraft gendert wird.

    So ist es auch mit dem ursprnglichen Wissen der Wahrheit. Durch das Auftreten derjenigen Kraft, dieuns mit unserer Leiblichkeit verbindet, wird das ursprngliche Wissen nicht abgeschafft, wohl aberverwandelt: aus einem bewuten Schauen der Wahrheit wird es zu einem unbewuten Wollenderselben Wahrheit. Die Wahrheit bleibt auch weiter demselben Menschengeist immanent, jedochnicht in der Form eines Schauens sondern in der Form eines Erkenntnisimpulses. Diese Umwandlungdes ursprnglichen Wissens in ein Erkenntnisstreben kann anschaulich vorgestellt werden, wenn mandie in der heutigen Erkenntnis wirkende Kraft in zwei andere Krfte verlegt, in eine horizontal

    wirkende Kraft des ursprnglichen Wissens und eine vertikal von oben nach unten wirkende Kraft, dieKraft der Selbstbehauptung, die sich durch den irdischen Leib befriedigen will. Wrde nun die [p8]horizontal wirkende Kraft allein wirksam sein, so wrde der Mensch zwar ein Wissender, aber dafrkein selbstndig strebendes Wesen sein. Wrde dagegen nur die vertikal von oben nach untengerichte Kraft wirken, so wrde der Mensch in den abgrund der vlligen Bewutlosigkewit strzenmssen. Da jedoch alle beide Krfte am Wirke sind, geht die Entwicklung in der Richtung ihrerResultate: der Abstieg in den Abgrund des Unwissens wird durch die horizontal wirkende Kraftaufgehalten und vollzieht sich allmhlich, stufenweise, wobei die Stufen den drei Wesenskrften desMenschen entsprechen. In dieser dreistufigen Selbstbehauptung gibt der Leib diejenige Sttte ab, woder Mensch erstens sein Wollen, zweitens sein Fhlen und drittens sein denken verselbstndigenkann.

    Und jede von diesen Stufen der Verselbstndigung entspricht der Auslschung eines bestimmtesTeiles des dem Menschen immanenten Universums.

    Indem der Mensch seinen Willen durch den Leib behauptet, ttet er in sich den Weltenwillen, indemer sein Gefhl behauptet, ttet er in sich das weltenleben, indem er sein Denken als sein Eigentumbehauptet, ttet er in sich den Weltengedanken.

    So wird der irdische Leib des Menschen zur Sttte, wo der gttliche Logos dreifach den Tod erleidenmu, so wird er zum Grabe Gottes. Da haben wir eine Ursachekette, die zur Auslschung desursprngliuchen Ideeninhaltes, des ursprnglichen universellen Wissen fhrt.

    Eine Selbstbehauptungskraft zwingt unsere Seele und den mit ihr verbundenen Geist in den Leibunterzutauchen, durch seine Krfte die gesammte Ideenwelt auszulschen und sich im Unwissen dieErkenntnisinitiative auszubilden.

    Will man nun in den gekennzeichneten erkenntnistheoretischen Verhltnisse leben, will man sie alslebendige Seelenkrfte sich vorstellen, so erblhen aus ihnen wie Blumen aus dem Stabe Aaronsgewaltige weltgeschichtliche Sinnbilder, in denen wir die Gestalten der Bibel erkennen.

    Wie bei einer Restaurierung der alten Heiligenbilder aus dem Staube der Jahrhunderte die

    ursprnglichen Zge sichtbar werden, so werden auch hinter den zunchst abstrakten Beziehungenunserer Erkenntnisttigkeit die gewaltigen biblische Gestalten sichtbar.

  • 7/30/2019 Belozwetoff Die Erkenntnis als Mysterium

    7/13

    So erkennen wir in unserem geistigen Wesen, das ein Trger der ursprnglichen Weisheit war, siejedoch in sich ausgelscht hatte, dadurch da es sich mit dem Leibe identifizierte, das biblischeAdamprinzip, sofern der biblische Adam es ist, der von Anfang an das geistige Universum in sich trgtund durch den Sndenfall ihn einben mu. [p9]

    Das zweite Prinzip in uns, das Prinzip der Seele, das mit dem Geiste, mit Adam innerlich verbunden istund dessen Schicksal es ist, kann von uns als das Evaprinzip erlebt werden, sofern unsere Seele es ist,die den schlafenden Adam weckt, damit auch er von Erkenntnisbaume koste.

    Das dritte Prinzip, nmlich die Selbstbehauptungskraft, die als die Vertikale wirksam ist, kann als dieKraft der Schlange, des Luzifers, von uns erlebt werden.

    Denn Luzifer ist es, der die ursprngliche Erkenntnisorganisation des Menschen verndert, indem erden Geist und die Seele verselbstndigt. So enthllt sich unsere Erkenntnis, wenn wir die Ursachenunseres Unwissens untersuchen, als eine Wiederholung des Sndenfalles.

    Jeden Augenblick unseres bewuten Lebens fordert der Versucher unsere Seele, Eva, auf, von derfrchten der Erkenntnis zu kosten.

    Jeden Augenblick weckt die verfhrte Seele, Eva, den schlafenden Geist, Adam, in uns auf und reichtihm die Frucht von Erkenntnisbaume, damit er von ihr koste. Und Adam, der Geist in uns, folgt derStimme seine Versucherin, der Seele, Eva, und beide werden aus dem Paradiese der ursprnglichenWeisheit verbannt und mssen sich in die Lederkleider der irdischen Leiblichkeit verhllen.

    Auf eine hnliche Weise kann man sich auch in die zweite Frage vertiefen, indem man versucht,

    derjenigen Umstnde sich bewut zu werden, unter welchen wir den religis-moralischen Sinn derErkenntnis entdecken durften.

    Dies wurde uns dadurch mglich, da wir whrend der Erkenntnisttigkeit unser Augenmerk auf unsselbst als Erkennenden richteten und uns gewissermaen in diejenige Stimmung vertieften, die durchden Erkenntnisvorgang in uns erzeugt wurde. In einer Selbstbesinnung muten wir unsere eigeneStimme, die Stimme der eigenen Sehnsucht nach der Wahrheit, die Stimme der Schuld und Shne inunseren Tiefen vernehmen.

    Dazu mute uns die Welt zu einer Wste werden, zu einer Wste der Einsamkeit. Und nur in dieserwte konnte uns unseres Erkenntnisimpulses, der ja gewhnlich unbewut wirkt, bewut werden.

    Dieses Sichbewutwerden des Erkenntnisimpulses ist zugleich ein schuldbewutsein gegenber derVergangenheitund ein Streben, den sinn zu kehren gegenber der Zukunft. In der Gegenwart jedocherlebt sich dieser Erkenntnisimpuls als die Stimme des Gewissens, die Stimme des Rufenden in derEinsamkeit, die vom Mysterium der Schuld und Shne zu uns spricht. Was ist demnach dererkenntnisimpuls? Es ist die sich selbst bewut gewordene Stimme des Rufenden in der einsamkeit,das prinzip Johannes des Tufers in unserer Erkenntnis ! [p10]

    Auch uns obliegt es, indem wir diese Stimme des innenren Johannes des Tufers in uns vernehmen,unsreren Sinn zu kehren, und das von einer Zukunft zu erwarten, was durch unsere Schuld in derVergangenheit verloren gegangen ist.

  • 7/30/2019 Belozwetoff Die Erkenntnis als Mysterium

    8/13

    So erleben wir in diesem Sichbewutwerden des gewhnlich unbewut wirkendenErkenntnissimpulses gleichsam eine innere Testamentwende auf dem Gebiete der Selbsterkenntnis.

    Und nun wollen wir auch unsere dritte Frage zu beantworten versuchen: welche Mittel mssenangewendet werden, um die von uns ersehnte Wahrheit aufzuerwecken?

    Oben beschftigten wir uns mit der Frage, welche Ursachen zur Auslschung der Wahrheit in unsfhren. Wenn wir uns nun die entgegengesezte Frage stellen wollen, welche Mittel angewendetwerden mssen, um die Wahrheit aufzuerwecken, dann werden wir ersehen, da diese Mittel denUrsachen genau entgegengesetzt sind. Wenn nmlich die Auslschung der Wahrheit in unseremWesen durch die Kraft unserer luziferischen Selbstbehauptung verursacht wird, so kann dieAuferweckung derselben Wahrheit erst dann erreicht werden, wenn diese Ursachen durch eineentgegengesetzte Kraft beseitigt werden. Statt einer Selbstbehauptung soll der Mensch einenSelbstverzicht ben, falls er die ausgelschte Wahrheit auferwecken will. Wie er am Anfange seinesSelbsterkenntnisweges sich sagen drfte: "Nicht Logos, sondern ich in mir", so soll er in die Zukunft,am Ende seines Selbsterkenntnisweges sich sagen: "Nicht ich, sondern Logos in mir". Und wie die

    Selbstbehuptung allmhlich und stufenweise sich vollzieht, so soll ebenso allmhlich und stufenweiseder Selbstverzicht sich vollziehen. Wie wir bereits erwhnt haben, weist die Verselbststndigung desMenschen drei Stufen auf: erstens, erobert der Mensch die Selbstndigung seines Willens, dieFhigkeit , eigenwillig zu handeln, zweitens erobert der Mensch die Fhigkeit selbstndig zu fhlen,was in der Fhigkeit der Sprache zum Ausdruck kommt, drittens, verselbstndigt der Mensch auchsein Gedankenleben und wird auf diese Weise zum Schpfer seiner Gedankenwelt. Dieselben dreiStufen mssen von uns in entgegengesetzten Reihenfolge auf dem Wege des Selbstverzichtesdurchschritten werden und zwar sind es: die Stufe des Verzichtes auf das Eigendenken, die Stufe desverzichtes auf das Eigenfhlen und die Stufe des Verzichtes auf den Eigenwillen.

    Das Wesen dieser drei Stufen kann in drei Sprchen zum Ausdruck gebracht werden: [p11]

    1.) Nicht mein Gedanke durchleuchte mich, sondern das Denken des Logos.

    2.) Nicht mein Gefhl erwrme mich, sondern das Leben des Logos.

    3.) Nicht mein Wille durchkrafte mich, sondern der Wille des Logos.

    Nur wenn alle drei Bitten erfllt sein werden, kann der Logos in uns auferstehen.

    Die erste Bitte bezieht sich auf unsere Seele Eva, die das selbstlose Denken des Logos zu ihremEigentum macht, dadurch da sie den Adam, den Geist in uns verzucht und ihn aus der oberenRegionen nach unten in die Leiblichkeit mit sich zieht. Nun mu aber die Seele, Eva, ihren Sinn kehren.

    Statt den Adam, den Geist, zu verfhren soll sie ihm seine Unschuld zurckgeben. Sie soll ihngleichsam von oben empfangen und gebren und ihn in Unschuld erziehen. Und darin besteht jagerade das Wesen der okkulten Schulung, da die Seele ihren Sinn ndert, selbstlos unduneigenntzig in der Erkenntnis wird und dazu heranreift, das hhere Prinzip in sich zu gebren. Unddieses neugeborene hhere Prinzip mu mit der irdischen Ichheit, mit den gefallenen Prinzip zurEinheit werden und sein Eigenleben durch die eigene Unschuld universalisieren, damit auch die zweiteBitte in Erfllung komme: "Nicht meine gefhle erwrmen mich, sondern das Leben des Logos."

    Dies sind die Mittel, durch welche eine Auferstehung der Wahrheit im Menschen erreicht werden soll.Und diese Mittel knnen ebenso in lebendigen Sinnbildern veranschaulicht werden, wie wir inbezugauf die Ursache unserer Schuld bereits getan haben. Doch mssen wir dieses Mal die Sinnbilder nicht

    dem Alten, sondern dem Neuen Testament entnehmen. Fragen wir uns zunchts, wie wir die zumSelbstverzicht geneigte Seele nennen mssen, eine Seele, die den Himmel zugekeht ist und nicht von

  • 7/30/2019 Belozwetoff Die Erkenntnis als Mysterium

    9/13

    unten, wie Eva, sondern von oben empfngt, eine Seele die geistig gebren und leiden will, so wie siefrher als Eva irdisch gebar und irdisch an den Schmerzen des Gebrens litt.

    Wahrlich ist eine solche Seele, die Geistig empfngt, schon keine Eva mehr, sondern die Trgerin dergttlichen Weisheit, Sophia.

    Und wer ist dieser unschuldige Geist, der von der jungfrulichen Seele, Sophia, geboren und inUnschuld erzogen werden soll? Es wird richtig sein wenn wir ihn als das Prinzip des neuen Adam, alsdas Prinzip des nathanischen Jesus bezeichnen. Und genau so wie der nathanischen Jesus sich zursalomonischen Jesus verhlt, so verhlt sich die neugeborene Geistigkeit des neuen Adam zumgeluterten Eigenwillen der irdischen Ichheit. Der von der Sophia geborene unschuldige Teil unseresGeistigen Wesens besteht [p13] ja darin, da das unschuldige nathanische Jesusprinzip demsalomonischen Jesusprinzip seine Universalitt verleiht und zugleich das Erdenschicksal diesessalomonischen Prinzipes auf sich nimmt.

    Falls sich nun in der Weltgeschichte dasjenige abspielt, was im Kleinen in der Selbsterkenntnis zufinden ist, so mssen wir annehmen, da auch der Vereinigung der beiden evangelischen Jesusknabendieselben Ursachen zugrundeliegen. Vertiefen wir uns in diese Frage, so stoen wir an ein Geheimnis,das sich auf den salomonischen Jesusknaben bezieht. Wir wissen ja, da der salomonische Jesus dazuberufen war, der irdische Trger der Christus Wesenheit zu werden. Dazu mute er aber als einVertreter des gesammten Menschhengeslechts auftreten. Dieses war jedoch unter der Bedingungmglich, da er das ganze Menschheitskarma auf sich nahm. Er mute sich fr diesesMenschheitskarma schuldig fhlen. Nun wissen wir aber, da der nathanische Jesus berhaupt keinErdenkarma besa. Daher konnte er als solcher fr das Karma des Menschengeslechtes keineVerantwortung tragen. Und eben aus diesem Grunde mute er sich mit dem ich des Zarathustrasverbinden, die Zarathustra-Individualitt in sich aufnehmen, denn dadurch, da er sich mit derZarathustra-Individualitt verband, lud er die ganze Schuld der Menschheit auf sich. Und hier enthlltsich uns das groe Zarathustra-Geheimnis. Niemals jedoch knnte die Aufnahme der Zarathustra-

    Individualitt vom nathanischen Jesus diesen letzteren fr das Menschheitskarma verantwortlichmachen, falls Zarathustra nicht der Stifter des Menschheitskarma wre. Wer ist aber der Stifter desMenschheitskarma? Adam ist es. Und keine andere ist die Individualitt des Zarathustra, als die desersten und grten Menschen des Menschheitsgeslechtes, des Stifters des Erdenkarma des Adam.

    Jetzt wird es auch verstndlich erscheinen, wie und warum die Vereinigung der beide Jesusknabenzustandekam. Niemals knnten sie eine Einheit bilden, wenn sie nicht von Anfang an zwei Hlfteneiner und derselben Wesenheit wren, nmlich der einheitlichen Adams Wesenheit.

    Aus diesem Beispiele sehen wir, wie wunderbar die Selbsterkenntnis uns die Weltgeschichtebeleuchtet. Alle geheimnisse sind unserer eigenen Erkenntnismglichkeiten eingeschrieben. Auch inuns ereignet sich jeden Augenblick das Mysterium des Sndenfalls; auch in uns kann sich jedenAugenblick das Mysterium des neuen Testaments vollziehen. [p14]

  • 7/30/2019 Belozwetoff Die Erkenntnis als Mysterium

    10/13

    III Christus in die Weltgeschichte.

    ----------------------------------------------

    Eine Verteifung in de religis-moralischen Sinn der Selbsterkenntnis fhrt und dazu, da wir uns sagenmssen: Wir sind fr die dreistufige Ttung der Wahrheit in unserer Weltanschauung schuldig undmssen diese Schuld durch einen ebenso dreistufigen Selbstverzicht wieder shnen. Und genau so,

    wie es in unserer Selbsterkenntnis geschieht, ist es auch in der Weltgeschichte, sofern sie eineWelterkenntnis des gesammten Menschengeschlechts ist. Wie in der Selbsterkenntnis des Menschendie Weltgeschichte eingenistet ist, so sind in der Geschichte der Menschheit alle Stufen derSelbsterkenntnis des Menschen erhalten.

    Auch in ihr finden wir eine dreistufige, durch die luziferische Versuchung bedingte Verselbstndigung,die allmhlich in den ahrimanischen Abgrund fhrt. Auch in ihr wacht in der Todesfinsternis einerahrimanischen Wste der Selbstbesinnugsimpulses des Tufers, der im Hinblick auf eineVergangenheit sich als ein Schuldbewutsein erlebt und im Hinblick auf die Zukunft sich als einAuferstehungswille, als ein dreistufiger Auferstehungsweg behaptet.

    Und genau so, wie wir das Ziel der Selbsterkenntnis nicht erreichen knnten, wenn wir in derFinsternis des Unwissens uns unsers eigenen Ideales nicht bewut wrden, so knnte auch die ganzeMenschheit ihre Mission nicht erfllen, wenn sie nicht inmitten des ahrimanischen Unwissens ihresgroen Ideales, des allmenschliches Christus bewut wrde. Denn das groe Ideal einerallmenschlichen Selbsterkenntnis ist niemand anderes als Christus, wie Er auch das hchste Ideal einerpersnlichen Selbsterkenntnis ist. Und wie wir bis jetzt danach fragten was Christus fr dieWeltgeschichte bedeutet, so knnen wir auch danach fragen, was die Weltgeschichte fr Christusbedeutet.

    Wenn man mit dieser frage die Geschichte des fnften Zeitraumes verfolgt, so wird man gewahrwerden, da diese Geschichte bis zum Zeitpunkt der irdischen Christusoffenbarung eine Geschichte

    des langsamen Sterbens des Christus ist. Und zwar zeigt dieses langsame Sterben des Christus in derWeltgeschichte, in der Weltanschauung der Menschheit auch drei Stufen, die den drei Stufen derallmenschlichen Verselbstndigung entsprechen.

    Um dieses Sterben des groen Menschheitsideales in der Selbsterkenntnis der Menschheit tiefer zuerfassen, mu man sich darber klar werden, was unser wollen, unser Fhlen und unser Denkeneigentlich sind. Dann werden [15] wir uns sagen mssen, da der gttliche Wille, der in derWeltanschauung der Menschheit gettet wird, seinem Wesen nach eine Sternenweisheit ist. DieWeisheit der Ersten Hierarchie, die sich durch die Sternen-Schrift offenbart, waltet in diesem Willen.Und wrden wir daher imstande sein dem von uns getteten Weltenwillen des Logos wahrzunehmen,so wrde uns die ganze Sternenweisheit zugnglich sein. Diese erhabene Sternenweisheit war es, diein der ersten nachatlantischen, in der urindischen kultur der sieben Rischis aufblhen sollte. Daherkann im Hinblick auf diese erhabene indische Kultur gesagt werden, da es Christus war, der damalsdurch die Fixsterne, diese Leuchter der ersten Hierarchie, sich offenbarte. Da aber der fnftenachatlantische Zeitraum eine Art weltanschaulicher Wiederholung der ganzenMenschheitsgeschichte ist, und da sich in der urindischen Kultur die luziferische Versuchungwiederholen mute, so wurde infolge dieser Versuchung die alten Inder unfhig den Christus in denSternen zu schauen. Infolge einer Verselbstndigung des Willenslebens mute sich der Weltenwillevor den Blicken der alten Inder verhllen. So mute Christus, bevor Er auf Erden starb, erst auf denSternen sterben. Das war Sein erster berirdische Tod. Und wie hinter dem menschlichen Willen, dieSternenweisheit der erster Hierarchie waltet, so waltet hinter dem menschlichen fhlen die Sonnen-Weisheit der zweiten Hierarchie.

  • 7/30/2019 Belozwetoff Die Erkenntnis als Mysterium

    11/13

    Diese Sonnen-Weisheit wurden von der urpersischen Kultur des Zarathustra offenbart. Damals konnteChristus auf der Sonne erlebt werden. Auf der Sonne, in den Scharen der zweite Hierarchie offenbarteAhura-Mazdao-Christus den urpersischen Eingeweihten.

    Jedoch wurde der lichtvolle Iran von dunklen Turan berwunden; Ahriman hat einen Sieg ber Ahura-

    Mazdao davongetragen. So mute Christus auch auf der Sonne sterben. Und dies war sein zweiterberirdischer Tod.

    Und wie hinter dem menschlichen Wollen die Sternenweisheit der ersten Hierarchie, und hinter demFhlen die Sonnenweisheit der zweiten Hierarchie sich verbirgt, so verbirgt sich hinter demmenschlichen Denken die Weisheit der Wandelsterne, der Planeten, durch die dritte Hierarchieoffenbart. Diese Planetenweisheit der dritten Hierarchie wurde von den fhrenden Vlkern derdritten nachatlantischen Kulturperiode erkannt, nmlich von den Babyloniern un den gyptern. Dievon diesen Vlkern geschaffene Astrologie war eine Offenbarung der geheimnisse der drittenHierarchie durch die damals Christus wirkte. Und man kann daher sagen, da damals Christus auf denPlaneten lebte. [16]

    In einer Szene des vierten Mysteriendramas Rudolf Steiners wird uns geschildert das Verstummendieser Planetenoffenbarung: der jung gypter, der in die Planetenweisheit eingeweiht werden soll,kann sich nicht zum Schauen des Logos in den Planeten aufschwingen; statt dessen schaut er inbersinnlichen Bildern seine eigenen irdischen Leib. So wurde auch die Planetenweisheit der drittenhierarchie fr die Menschheit unerreichbar. Christus mute auch auf den Planeten den Tod erleiden,wie er in Indien auf den Sternen und in Persien auf der Sonne erlitten hat. Und dies war sein dritterberirdischer Tod.

    Die vllig gottverlassene, tote Weltanschauung der Menschheit wurde jetzt zur einzigen Sttte, woGott noch geschaut und vernommen werden konnte und wo man noch gewahr werden konnte, was

    die Menschheit durch ihre Verselbstndigung dem Gotte angetan hat.

    So mubte denn Christus zum vierten Male den Tod erleiden und diesmal auf Erden, um derMenschheit ihre wahre Beziehung zur LogosWesenheit zu offenbaren.

    Durch seinen irdischen Tod vollendet Christus den Weg der allmenschlichen Schuld gegenber dergttlichen Wahrheit. Erschtternd ist es, zu erkennen, wie gerade durch diesen irdischen Tod Christusden Luzifer und den Ahriman widerlegt. Denn wie Luzifer, so auch Ahriman, hielten es frausgeschlossen, da die gttliche Wahrheit auf Erden sich offenbaren knnte. Diejenige Welt nmlich,in der die Menschheit nach dem dreimaligen Tode des Christus weilte, war schon keine wirkliche Weltmehr, sondern eine durch und durch illusorische Weltanschauung. Wie knnte nun Christus in dieserillusorischen Welterscheinung erscheinen, Er, der sich ja nur in der Wahrheit offenbaren kann?

    Wrde die Sonne in die Finsternis heruntersteigen, so mte entweder die Finsternis als solcheverschwinden oder die Sonne mte selbst erlschen, um in der Finsternis zu sein, - so konnten diebeiden Widersacher sagen.

    "Falls nun die Sonne erlschen wrde, so htte das zu bedeuten, da die Finsternis mchtiger ist alsdas Licht", so meinte Ahriman.

    "Wrde dagegen die Finsternis vom Lichte weichen, so htte das zu bedeuten, da das Licht dennochunfhig ist, in der Finsternis, wo die Menschheit weilt, zu sein", so meinte Luzifer. Und beidenWidersacher schlossen daraus, da Christus in der Menschheit nicht erscheinen kann.

  • 7/30/2019 Belozwetoff Die Erkenntnis als Mysterium

    12/13

    Und dennoch tritt Christus in die illusorische Weltanschauung der Mensch-[p17]heit ein, wo Er, nachder berzeugung seiner Gegner, nicht zu sein vermag, doch tritt Er in diese Weltanschauung in einersolchen Gestalt ein, die den gekennzeichneten Widerspruch aufhebt.

    Denn Er tritt in die irdische illusorische Weltanschauung in einer Gestalt ein, die ein wahrer Ausdruckfr seine Abwesenheit in dieser Welt ist. er ist nicht in dieser illusorischen Welt und dennoch ist Er inihr. Er schweigt und dennoch redet Er durch Sein Schweigen zu allen. Denn endgltig tritt Christus indiese tote Welt erst dann ein, als er auf dem Kreuze von Golgatha starb. Und eben durch diesen Todwurde das wahre Verhltnis der Wahrheit zu dieser toten Welt offenbar.

    Der Logos kann in dieser welt des Todes nur tot am Kreuze hngen. In einer Welt des Todes kann dieWahrheit nur in gestalt des Todes geschaut werden.

    Deshalb ist dieses Bild das in der Welt des Todes gekreuzigten Logos ein Bild, das am mchtigsten zu

    dem menschlichen Gewissen spricht. Doch diesem Bilde des gekreuzigten folgt ein anderes, ein nochgewaltigeres, das Bild des Auferstandenen. Und wie im Bilde des Gekreuzigten dasjenige zumAusdruck kommt, was die Menschheit dem Gotte auf ihrem Selbsterkenntniswege angetan hat, sokommt in zweiten bilde, im Bilde des Auferstandenen, dasjenige zum Ausdruck, was die Menschheit inder Zukunft tun soll.

    Christus soll im neuen Testament ebenso in der Menschheit auferstehen, wie Er im Alten Testament inihr gestorben ist.

    Wahrlich ist die Auferstehung des Christus in Palstina das tiefste und hchste Mysterium derWeltgeschichte. Dieses Mysterium ist von einer solchen Tiefe, da um es zu ergrnden die Menschheit

    einen langen, langen Weg der neutestamentlichen Selbstberwindung zurcklegen soll. DieMenschheit mu selbst auferstehen, um die Auferstehung des Christus zu erfassen, denn nur durcheine Auferstehung der Wahrheit in der Menschheit kann von der Menschheit die Wahrheit derAuferstehung erlebt werden. Ist doch die Erkenntnis der Wahrheit, von der Auferstehung, zugleicheine Auferstehung derselben Wahrheit, soda nur im Akte einer Auferweckung der Wahrheit derInhalt dieser Wahrheit - das Auferstehungsgeheimnis - ergrndet werden kann. Denn dieAuferstehung ist nichts anderes, als die vollendete Selbsterkenntnis des Menschengeschlechtes undals solches das Ergebnis einer werdenden Wirklichkeit. Sie ist etwas Nie-da-Gewesenes, [18] eineNeuschpfung, ein tatkrftiges Sichverbinden der Menschheit mit ihrem hohen Ideale, mit ihrem Ich,mit Christus.

    Und um diese Vereinigung mit dem grossen Menschheitsideale zu erreichen, mu die Menschheit dendreistufigen Weg des Selbstverzichtes zurcklegen. Denn auch die Auferstehung des Christus in derMenschheit mu drei Stufen haben, deren Reihenfolge den drei Stufen Seines berirdischen Sterbensentgegengesetzt sein soll.

    So soll Christus in der fnften nachatlantischen Kultur in der Weisheit der dritten Hierarchieauferstehen, was wir als seine therische Offenbarung schon heute erwarten drfen. Es naht sichschon die Zeit, wo Christus auf den Planeten auferstehen wird.

    In der sechsten Kulturepoche, wo die Sonnen-Weisheit der zweiten Hierarchie, die Weisheit desZarathustras, wiedererscheinen soll, wird Christus auf der Sonne auferstehen.

  • 7/30/2019 Belozwetoff Die Erkenntnis als Mysterium

    13/13

    Und endlich wird in die siebente Kulturepoche Seine Auferstehung auch der erfsten Hierarchie, aufden Fixsternen, erleben drfen.

    So wird alles, was in der vorchristlichen Zeit gestorben ist, in der nachchristlichen Zeit wiederauferweckt werden knnen, und nach dem kosmischen Sterben des Christus wird seine kosmische

    Auferstehung folgen.

    Und alles das ist nur ein Inhalt der allmenschlichen Selbsterkenntnis, deren Schlssel wir in unserereigenen Selbsterkenntnis finden knnen. Denn wahrlich ist die Selbsterkenntnis des Menschen undder ganzen Menschheit ein abgrundtiefes christliches Mysterium, dem das Axiom zugrunde leigt:

    "Nur in Wahrheit ist Freiheit zu erfassen, nur in Freiheit ist Wahrheit

    zu ergrnden".

    --------------------