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2V2 -.- IV. Bernerkungen iiber die Voolurntheorie und L. G m elin's Atornzahl~ntheoritl; oon Hermann Kopy. ( Aur einem Sctueiben an den IIeraurgeber.) Gierrcn, 29. Oct. 1841. - S i e sprachen sich schon fifiher tadelnd gegen den Ausdruck Atornvolum aus, und es sind mir seitdem von mchreren Seiten Einwiirfe gegen diese Benennung ge- inacht worden. - Ich hatte diesen Namen niclit gege- ben , sondern zuerst einen andern (specifisches Volum) gebraucht, nahm indefs sp%ter den ersteren an, dn die von mir gefundenen Resultate doch unter dicser Bezeich- nung verbreitet wurden, urn nicht durch verschiedene Benennung desselben Begriffs Verwirrung herbeizufiuh- ren. Auch S c h r b d e r , der friiher den Ausdruck Aequi- valentvolum brauchte, bediente sich zuletzt des gebrguch- licheren Namens Atomvolum. Diese letztere Benennung ist allerdings unpassend; ich glaubte indefs, dafs ein ein- inal gangbarer Ausdruck, wenn auch nicht den unterge- legten Sinn vollkommen ausdriickend, doch einem neuen, ungewohnteren vonuziehen sey, und dachtc nicht , dafs auf den blofsen Gebrauch eines Worts solche Mifsdeu- tungen abgeleitet werden wiirden, wie diefs geschehen ist. - W e n n von e h e r Verringerung des Atoinvolums bei einem Kiirper, von einer Aenderung des Atomrolulns iiberhaupt die Rede ist, so kann wohl nicht unter Atom- voluin das relative Volum eines einzelnen Atoms, son- dern nur das eines Aggregats yon htoincn, inclusivc dcr ZwischenrSume, gemeint seyn; denn da die Atonie kauin anders als an und fur sich unveranderlich zu denken sind, so kann der Ausdruck Aenderung des Atomvolums,

Bemerkungen über die Volumtheorie und L. Gmelin's Atomzahlentheorie

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IV. Bernerkungen iiber die Voolurntheorie und L. G m elin's Atornzahl~ntheoritl;

oon Hermann Kopy . ( Aur einem Sctueiben an den IIeraurgeber.)

G i e r r c n , 29. Oct. 1841.

- S i e sprachen sich schon fifiher tadelnd gegen den Ausdruck Atornvolum aus, und es sind mir seitdem von mchreren Seiten Einwiirfe gegen diese Benennung ge- inacht worden. - Ich hatte diesen Namen niclit gege- ben , sondern zuerst einen andern (specifisches Volum) gebraucht, nahm indefs sp%ter den ersteren an, dn die von mir gefundenen Resultate doch unter dicser Bezeich- nung verbreitet wurden, urn nicht durch verschiedene Benennung desselben Begriffs Verwirrung herbeizufiuh- ren. Auch S c h r b d e r , der friiher den Ausdruck Aequi- valentvolum brauchte, bediente sich zuletzt des gebrguch- licheren Namens Atomvolum. Diese letztere Benennung ist allerdings unpassend; ich glaubte indefs, dafs ein ein- inal gangbarer Ausdruck, wenn auch nicht den unterge- legten Sinn vollkommen ausdriickend, doch einem neuen, ungewohnteren vonuziehen sey, und dachtc nicht , dafs auf den blofsen Gebrauch eines Worts solche Mifsdeu- tungen abgeleitet werden wiirden, wie diefs geschehen ist. - W e n n von e h e r Verringerung des Atoinvolums bei einem Kiirper, von einer Aenderung des Atomrolulns iiberhaupt die Rede ist, so kann wohl nicht unter Atom- voluin das relative Volum eines einzelnen Atoms, son- dern nur das eines Aggregats yon htoincn, inclusivc dcr ZwischenrSume, gemeint seyn; denn da die Atonie kauin anders als an und fur sich unveranderlich zu denken sind, so kann der Ausdruck Aenderung des Atomvolums,

203 iiur auf eine Aenderung dcr Zwischenriiume gehen. - Nirgeiids aber habe ich ausgesprochcn, und es wire der al1t:iglichsten Erfahrung entgegen, dafs der Raum, den eiiie Materie einnimmt, vollstlndig, ohne alle Zwischen- riiiime mit Atomen ausgeflillt sey, und somit das Sage- nannte Atomvolum das relative Volum eines einzelnen Atoms gebe; wie mir diefs L. G m e l i n (in der neue- sten Ausgabe seines Handbuchs) zuschreibt. Ein ande- rer Name ist bei solchen Mifsdeutungen anzunehmen; der Aiisdruck Aequivalcntvolum eignet sich nicht, so lange die hlehrzahl der Cheiniker einen Unterschied zwischen Atomgewicht und Aequivalentgewicht macht. Es ware zu wiinschen, dafs eiue bedeutendere Autoritat als die meinige eine passende Bezeichnung einfuhre; bis diefs geschieht, werde ich ferner mich des Ausdrucks spec$- sches Volm fur den Quotienten aus dein specifischen Gewicht in das Atomgewicht bedienen, wie ich ihn schon vor drei Jahren vorgeschlagen habe.

L. G m e l i n verwirft am angefuhrten Ort die Vo- lumtheorie, una schllgt eine andere als naturgemlfser vor, die Tlieorie der Afornenzahlen. Seine Betrachtungsweise ist folgeude: Das specifische Gewicht eines Kdrpers, s, hangt ab von der Zahl 2 der Atomc, die in einem be- stiminten Raum enthalten sind, und von der Schwere diescr Atome, d. i. dem,Atomgewicht G ; es ist das Pro- duct aus der Alomzahl in das Atomgewicht, S=%G;

S und die Atomzahl ist mithin Z=,. Gmelin’s Atom- G zahl ist also das Umgekehrte des specifischen Volums (Atomvolums), sic ist der Quotient, wenn man das spe- cifische Volum in 1 dividirt.

Die Zahlen, die mau so als AtomzahIen findet, miis- sen bei den einfachen Stoffen dieselben Verhlltnisse, in einigen Fiillen nur umgekehrt, geben, wie die, welche die Betrachtung des specifischen Volums bietet. Chlor, Jod und Brom z. B. haben gleiches specifisches Volum

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und gleiche Atomzahl; das specifische Volum des Sil- berv ist das Doppelte von dem des Goldes, die Atom- zahl des Silbers ist die Halfte von der des Goldes. Hier llfst sich nicbt iiber die grbfsere Naturgemafsheit der ei- ned oder der andern Theorie entscheiden.

Anders bei Verbindungen, IVO man soglcich sieht, niclit ob die Gin elin’sche Atomzahltheorie naturgemafser scy, sondern dafs sic tiberhaupt nicht anwendbar ist. Eine anwendbare Theorie inufs sich daran bewlhren, dafs sie Gesetze auldeckt. S c h r 6 d e r’s schbne Entdeckung, dafs von dem specifischen Voluni vieler analoger Verbindun- gen, z. B. vieler Oxyde M O , MO,, MO,, das speci- tische Volum des entsprechenden BestaudtLeils abgezo- gen, gleiclier Rest fur 0, der doppelte fur 0,, der drei- faclie fur 0, bleibt, ist fur die Anhanger der Atomzahl- theorie nicht vorhanden. Das specifische Volum des Kupferoxyds ist 76, das des Kupfers 44; das dcs Blei- oxyds ist 146, das des Bleis 104; es ist 76--44=146 - 111. Die Atomzahlen der gedachteu Kiirper sind aber 0,0132, O,O$27, 0,00683, 0,00877. In diesen letzteren Zahlen ist keine Spur von Regelinafsigkeit und Zusam- ui enhan g.

Ein weniier gijltiges Kriteriuin ist das, w e l c h Theo- rie griifsere Einfachheit im Ausdruck babe, obgleich diefs, w a s die Fiirderung ihrer Ausbildung angeht , ebenfalls von Wiclitigkeit ist. Man k a m aus Folgendem urthci- len, auf welcher Seite der Vorzug sep. Der einfachstc Fall, wo bei Entstehung cincr Verbindung weclrr con- traction noch Dilatation eiiitritt, wird in dcr Volumthco- rie so ausgedrtickt: das specifische Volun~ der Verbin- dung ist die Suinine der specifischen Volume der Be- standtheile. Derselbe Gedanke wird in der Atoinzahl- tlieorie von Gin e I i n so gegeben: Uni die Atoiiizahl der Verbindung zu erhalten , inultiplicire inan die Atomzah- len der beiden Bestandtheile, und tlieile das Product, durch die Suniine der Atomzahl der beiden Beslaudtheile.

20.3 Es kommt endlich in Betracht, und ist entscheidend,

ob eine aufgestellte Theorie auch dns erklare, was sie erklaren soll. Ich iiberlasse es Ihrem Urtheil, wie vie1 in dieser Hinsicht die Volumtheorie (in der Entwicklung, wohin sie allmtilig gekomruen ist, .und wie ich sie in weinem Schrifkhcn ubcr das spcc. Gewicht der chemi- schen Verbindungen dargcstcllt habe) lciste. G m e l i n slellt als Gesetz fiir seine Atomzahltheorie auf: n i e Atomzahl einer Verbindung ist die Sumine der Atomzah- len der Eestaiidtheile, dividirt durch das Quadrat der Anzahl der Atoine der Bestandtheile. Uiescs Gesetz be- rulit auf keinem inneren Grund : men kiinnte vorliiufig davon absehen, wenn es durch die Erfahrung bestitigt wurde. Aber unter den 63 vorgelegtcn Beispielen, wo die Atomzahleii beider Bestandtheile bekannt sind (der andern nicht zu envahnen), stimmen niir 10 hilchst ent- fernt annahernd init dem Geseiz.

Hitte das Gesetz sich bier bewahrt, so wiirde es fur folgenden Umtand von der wichtigsteii Entscheidung s e p : so abcr mufs man sagen, dafs es an einem orga- nischen Feliler leidet, wovou es nicht zu heilen ist. W e r will cntsclieiden, ob has Quecksilberchloriir Hg C1 oder Hg,,l Cl, geschrieben werden miisse, oder ob seiue Consti- tution nicht nuch durch Hg,Cl, aurgedriiclit merden kiinne? Sey die Atoinzalil voii Quecksilber = h g , die von Chlor =cI , so ist die Atoinzahl des Quecksilberclilorurs nach Gin e li n'schen Gesetz, je nachdeln man die eine oder die andere der obigen Formeln zu Grund legt, nach:

hg+cI Ir- CI = (2)2 - ' -?( h B + c l )

Man sollte envarten, dafs slmmtliche Formeln die Ich halte gleiche Atomzahl fiir die Verbindung gaben.

206 diesen Umstand, dafs bei gleiche Zusainmensetzung aus- driickenden verschiedenen Formeln fur denselben Kor- per die Atomzahl sich Bndert, fur einen entschiedeneii Beweis gegen die Existenz des von G m e l i n aufgestell- ten Gesetzes und gegen die Richtigkeit der Theorie, wor- aus es abgcleitet wurde.

Wenn ein Gesetz nicht pafst, so lassen sich ge- d h n l i c h einige Umstlnde angeben, die nicht in Rech- nung gezogen werden klinnen, und die als Ursachen der Abweichung des Gesetzes von der Erfahrung vorgescho- ben werden. Als solcbe Ursachen betrachtet 'G m e 1 i n die verschiedene Cohasion der Verbindungen und ihrer Bestandtheile, so wie auch die verschiedene Anziehung derselben zur WBrme. Wenn die Natur solcher Ursa- chen noch nicht genug studirt ist, dafs man ihren Ein- flufs eliminiren kann, so sind diese auch noch zu unbe- kannt, um als Modificationen des Gesetzes bewirkend aufgestellt werden zu kannen; es ist eben so gut mag- lich, dafs solche Urnstlode die Ursnclien sind, warum ein falsches Gesetz in einigen Fiillen der Erfahriing zu entqrechen scheint. Es scheint mir gecigneter, Erklii- rungeq zu versuchen und ihre Anwendbarkeit nnclizii- wcisen (wie es bei der Volomtlieorie geschelien ist), oline die Wirksamkcit solcher Umstkinde vorauszuse~zen, deren Einflufs auf das in der versuchten Erkllrungsweise enthaltene Gesetz man nicht in der Erfahruiig selbst, durch Zahlen, belegen kann, sondern die inan nur er- miihnt , als das gegebene Gescti versclileiernd. Man limn jedes beliebige Gesetz als existircnd anfulircn, wenn inail zugleich bemerkt, dafs gemisse, norh nicht geuug uiitersuchte Umstande die Schuld tragen, dnfs es sich in dcn meisten Fallen nicht nachweisen Insse.

Die vorstehende Belerichtung dcr Gin e l i n'schen Tlieorie bednrf wohl keiucr besondereii Entschuldiguug; init aller Hochachtung gegcn diesen ausgezcicliueten Mann glaubte icli diese Bemerkungen uin so weniger unter-

20i driicken zu dilrfen, da eincr von ihm aufgestellten Theo- rie von vorn herein eine grofse Autoritiit zukommt.

Zum Schlufs will ich noch darauf hindeiiten, wie sich die Richtigkeit oder mindestens Anwendbarkeit der Volumtheorie jeden Tag lnehr bestltigt. Die Dichtigkeit aller organischen Verbindungen unterliegt einfachen Ge- setzen. So kann man aus der bekannten Dichtigkeit Ei- nes der drei folgenden KOrper; Siiurehydrat (Acid+HzO) Aethylverbindung (Acid+AeO), Methylverbindung (Acid +MeO) die Dichtigkeit der beiden andern mit Sicher- heit berechnen, nach folgenden Gesetzen : Das specifi- sche Volum jedes Slurehydrats ist um 534 kleiner als das der entsprecbenden Aethylverbindung , um 300 klei- ner als das der entspreclienden l’tlethylverbindung; jede Aethylverbindung (Ae+X) hat eiu um 231 grafseres spe- cifisches Volum ale die entsprechende Methylverbindung ( RiIetX). Die so berechneten specifischen Gewichte stiminen auf eine ausgezeichnete Weise mit den beob- achteten. - Aehnlicbe Gesetze gelten fiir alle analogen organischen Verbindungen, und iiberall, wo Substitutio- nen stattfinden.

Ich habe bei diesen Untersucbungen noch eine Wabr- iiehinung gemacht, die von lnteresse ist. Alle Aethylver- bindungen sieden um 1 8 O haher als die entsprechenden Methylverbindungen, die Siiurehydrnte urn 4 3 O beher als die entspreclienden .Methylverbindiingen. Die Richtig- keit dieser Gesetze unterliegt, nach allen inir bekannten Beobachtuugen, keinem Zweifel ; wenn auch bei K6r- pern, die erst in sehr hohen Temperaturen sieden, die Differeiizen manchmal elwas anders sind, als die bier aufgefiihrten, so liegen doch die Abweichungen immer innerhalb der Grsnzen der Unsicherheit, welche gewahn- lichen Siedpunktsangaben zukommen.