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Bemerkungen zur deutschen Hyperinflation Review by: Fritz Neumark FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 41, H. 1 (1983), pp. 116-126 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40911838 . Accessed: 17/06/2014 10:12 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.78.108.147 on Tue, 17 Jun 2014 10:12:48 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Bemerkungen zur deutschen Hyperinflation

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Bemerkungen zur deutschen HyperinflationReview by: Fritz NeumarkFinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 41, H. 1 (1983), pp. 116-126Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40911838 .

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Bemerkungen zur deutschen Hyperinflation* von

Fritz Neumark

I.

Die vorliegende Veröffentlichung stellt ein Sammelwerk dar, das den ersten Band einer von der Historischen Kommission zu Berlin betreuten Schriften- reihe bildet. Näheres über die etwas komplizierte Konstruktion der genannten Kommission, der Projektgruppe „Inflation und Wiederaufbau in Deutschland und Europa 1914 bis 1924" (bescheidene Frage des Rezensenten: Gehörte Deutschland damals nicht zu Europa?), der Schriftenreihe usw. findet sich in dem Geleitwort des Leiters der Sektion für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Berliner Kommission, Prof. Dr. Otto Busch (S. V-XI). Als „Einführung" ist eine leicht überarbeitete und gekürzte Fassung des Antrags an die Stiftung Volkswagenwerk, dem umfassenden Projekt finanzielle Hilfe zu gewähren, wiedergegeben worden, die eine Skizze der Überlegungen zum Forschungs- gegenstand und zum Erkenntnisinteresse enthält. Die Verfasser der Einzelbei- träge zu dem Band sind teils Deutsche, teils Amerikaner, und demgemäß sind die Beiträge teilweise in deutscher, teilweise in englischer Sprache geschrieben (meist mit einem englischen bzw. deutschen Resümee), was ich als einen Vorteil ansehe, obgleich auch gewisse Bedenken dagegen geltend gemacht werden kön- nen.

Selbstverständlich ist unter „der deutschen Inflation" hier stets nur die „Hyperinflation" der Jahre 1914-1924 verstanden, die, zumindest für ein ent- wickeltes westliches Industrieland, einen einmaligen Charakter besaß. Sie ist zwar, während sie herrschte und auch später noch, Gegenstand unzähliger Arbeiten gewesen, hat auch in den immer wieder zitierten umfassenden Unter- suchungen von Bresciani-Turroni und Laursen/Pedersen eine eingehende Analyse gefunden, doch ist erst in den letzten Jahren das Interesse deutscher Wirtschaftshistoriker, von denen ich hier nur - den auch als Mitarbeiter des vorliegenden Werks hervorzuhebenden - Holtfrerich anführen möchte, für dieses beispiellose Phänomen adäquat geweckt worden.

Die Einzeluntersuchungen der Sammelpublikation mögen sich teilweise in bezug auf ihr wissenschaftliches Niveau etwas von einander unterscheiden;

* Zu Gerald D. Feldman, C.-L. Holtfrerich, G.A. Ritter und P.-C. Witt (Hrsg.): Die deutsche Inflation. Eine Zwischenbilanz. Verlag W. de Gruyter. Berlin - New York 1982. 431 Seiten.

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man wird aber allen bescheinigen können, daß sie sehr gründlich sind und das deutsche Inflationsproblem der erwähnten Zeitspanne anhand der ein- schlägigen Literatur sowie großenteils wenig oder gar nicht bekannter Akten in vieler Hinsicht in einem neuen Licht erscheinen lassen. Das dürfte sich in erster Linie dadurch erklären, daß die Verfasser zu einer Gruppe jüngerer Wirtschafts- und Sozialgeschichtler gehören, die im Gegensatz zu der Mehr- zahl jener, die sich in Vergangenheit mit dem gleichen Problemkomplex be- schäftigt haben, sowohl wirtschaftstheoretisch als auch historisch gebildet und interessiert sind.

Jeder, der es unternimmt, das vorliegende Buch zu rezensieren, sieht sich einer nahezu unüberwindlichen Schwierigkeit gegenüber - der nämlich, daß man sich im Grunde entweder darauf beschränken muß, eine Art „Wasch- zettel" zu schreiben, oder aber wenn schon nicht ein relativ umfangreiches Buch, so doch zumindest eine kritische Abhandlung von einer Länge, die den verfügbaren Raum einer Zeitschrift - schon gar einer nicht rein histo- rischen - bei weitem überschreiten würde. Die folgenden Darlegungen sind ein zugegebenermaßen unzulänglicher Versuch, trotz dieses Dilemmas wenig- stens eine Andeutung von dem reichen Inhalt des Bandes zu geben.

II.

Ein erster Teil trägt die Überschrift „Zur ökonomischen und statistischen Analyse"; er enthält Abhandlungen von G. Merkin mit dem Titel "Towards an Economic and Statistical Analysis" (S. 23-48), D. Lindenlaub über „Ma- schinenunternehmen in der Inflation 1919-1923" (S. 49-106), HJ. Jaksch, der „Ein einfaches ökonometrisches Modell für die deutsche Hyperinflation von 1923" darstellt (S. 107-131), und eine Übersicht von Th. Trumpp über „Statistikmaterial zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der deutschen Infla- tion in Archiven der Bundesrepublik Deutschland" (S. 132-148).

Merkin gibt einen bei aller Knappheit gut informierenden Überblick über den Stand der älteren Inflationstheorie, speziell der deutschen bzw. der diese beeinflussenden ausländischen Theorie (von letzterer wird mit Recht der Bei- trag Wicksells besonders nachdrücklich hervorgehoben) anfangs der 20 er Jahre. Er schließt sich in vieler Hinsicht Bortkiewicz' Ansichten an und ver- tritt die bekannte „Spiralentheorie" hinsichtlich der Quantitätstheorie. Dar- über hinaus werden die Schriften so bedeutender Betriebswirtschaftler wie etwa Mahlbergs und insbesondere Schmalenbachs herangezogen, die sich mit Problemen der Scheingewinne, der sog. Goldmarkrechnung u.a. in einer vielfach von den Stellungnahmen ihrer heutigen Kollegen nur wenig unter- scheidenden Weise beschäftigt haben.

D. Lindenlaub stellt in seinem Artikel „Unternehmenshistorische Über- legungen zu einigen Inflationstheorien" zur Diskussion. Er gibt interessante - empirisch untermauerte - Hinweise auf das Verhalten von Maschinenbau-

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unternehmen gegenüber den inflatorischen Preis-, Kostenrechnungspraxis- und Finanzierungsbedingungen, wobei begreiflicherweise die Kostenpraxis und die Probleme einer halbwegs rationalen Investitionsfinanzierung unter Inflationsbedingungen eine besonders große Rolle spielen.

H.J.Jakschs „Modell" vermittelt wertvolle Einsichten in gewisse, für die Inflationsentwicklung 1920 ff. essentielle Zusammenhänge. Ich halte die mei- sten seiner z.T. etwas kühn erscheinenden Annahmen für überzeugend (man- che Zweifel, die der Verfasser selbst andeutet, dürften sich aus der Unzuläng- lichkeit des empirischen Materials erklären). Nach meinen eigenen Erfahrun- gen (bzw. meinen Erinnerungen daran) dürfte insbesondere die Hypothese, daß der reale Wert der Staatshaushaltsdefizite die (sc. Haupt-) Quelle des stän- digen Anwachsens der umlaufenden Geldmenge gewesen sei, durchaus reali- stisch sein.

m.

Der zweite Teil des Buchs trägt die Überschrift „Zur deutschen Wirtschafts- politik und zu den internationalen Wirtschaftsbeziehungen".

Hier schildert zunächst P.-C. Witt in außerordentlich interessanter Weise „Entwicklung und Zerstörung einer modernen wirtschaftspolitischen Strate- gie" (S. 151-179). Witts Beitrag ist m.E. einer der originellsten des Buchs. Der Verfasser macht den Versuch, sich mit den verschiedenen - damaligen und heutigen - Auffassungen kritisch auseinanderzusetzen, die sich um die Frage bewegen, ob zu Beginn der 20 er Jahre überhaupt so etwas wie eine wirtschaftsordnungspolitische Konzeption bestanden habe, und er weist die Meinungen zurück, die jene Frage vollkommen verneinen. Vielleicht ist nun aber wiederum Witts Stellungnahme etwas zu optimistisch. Ich neige - mit gewissen Vorbehalten - der Ansicht Schumpeters zu (vgl. dazu S. 153), von der ich im Gegensatz zu Witt nicht glaube, daß sie den beiden anderen von ihm skizzierten Lehrmeinungen gleichzuordnen ist. Zutreffend ist dagegen (s. S. 161 ff. und 168 ff.), daß um 1920 erstmalig Ansätze - freilich noch recht unvollkommene - zu einer Integration von Wirtschafts-, Sozial- und Finanz- politik zu beobachten waren. Dabei ist die Finanzpolitik, wie Witt betont, am wenigsten unter diesem Aspekt untersucht worden. Das war sicherlich kein Zufall, da sie erstens damals faktisch im wesentlichen überwiegend unter juristisch-fiskalischen Gesichtspunkten betrieben wurde und dies zweitens gro- ßenteils damit zusammenhing, daß die wenigen Ökonomen, die sei es in den zuständigen Reichsministerien, sei es in der Reichsbank anzutreffen waren - das „Juristenmonopol" stand ungeachtet der Revolution von 1918 noch in voller Blüte! -, keinen politischen Einfluß besaßen. Als man die wirklichen Ursachen und das „Funktionieren" der Inflation (annähernd) erkannte, war es zu spät, um eine Lösung durchzusetzen, die mit geringeren sozialen Kosten i.w.S. verbunden gewesen wäre als die vom November 1923. Daß „großindu-

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strielle Interessen" ein wesentlicher Faktor für die „Zerstörung einer wirt- schaftspolitischen Strategie" waren (S. 174ff.), ist im Prinzip unbestreitbar, doch kann dieser Punkt nicht ohne eingehende Berücksichtigung der damali- gen innen- und außenpolitischen Verhältnisse adäquat untersucht werden. So wie die „Dolchstoßlegende" mit Erfolg von der Reaktion (der zivilen und natürlich noch mehr der militärischen) propagiert wurde, um den unglück- lichen Kriegsausgang ausschließlich dem „Verrat" gewisser Schichten bzw. Persönlichkeiten zuschreiben zu können, so diente etwas später die - faktisch überwiegend ökonomisch wie politisch irrationale - Reparationspolitik der Alliierten dazu, die Alleinschuld an dem wirtschaftlichen Zusammenbruch Deutschlands den ehemaligen Feinden in die Schuhe zu schieben. Davon und ferner von dem zeitlich als erstem wirksamen Faktor der inflationären Ent- wicklung, nämlich der illusionären Kriegsfinanzpolitik des Staatssekretärs des Reichsschatzamts, K. Helfferich, des wütendsten Gegners Erzbergers, ist, wenn ich nichts übersehen habe, in den verschiedenen Beiträgen kaum die Rede. Ebenso wenig ist der m.E. außerordentlich wichtige Punkt ausreichend diskutiert worden, daß die unheilvolle (inflationäre) Wirkung des Ruhrkampfs nicht sowohl auf den französischen Eingriffen beruhte (die ich damit nicht verteidigen will), sondern entscheidend auf der Tatsache, daß die Reichsregie- rung, bis Stresemann dem ein Ende machte, den von ihr unterstützten „passi- ven Widerstand" der nicht mehr zur Arbeit für den „Erbfeind" bereiten Arbei- terschaft durch Fortzahlung der Löhne nicht durch Steuererhöhungen zu finanzieren wagte.

G.D. Feldman untersucht (S. 180-206) "The Political Economy of Ger- many's Relative Stabilization During the 1920/21 World Depression", d.h. das Geschehen in einem - freilich ziemlich kurzen - Zeitabschnitt, in dem in der Tat eine „relative Währungsstabilität" herrschte, die vielfach, und weit- gehend auch von Feldman, in (positiven) Gegensatz zu der damals in anderen Staaten, wie etwa Frankreich und den USA, herrschenden Deflationssituation gesetzt wird. Hätte das Reich, in Übereinstimmung mit der Reichsbankleitung, 1920/21 eine scharf restriktive Geldpolitik betrieben (bzw. politisch betreiben können), so wäre wohl nicht nur nach dem bekannten Urteil Bresciani-Tur- ronis und anderer ausländischer Experten zumindest der Inflationsò&scÃfew- nigung Einhalt geboten worden. Das hätte allerdings eine Ablehnung der „Ar- beitsbeschaffungsprogramme" bedingt, wie sie (auch) damals en vogue waren (vgl. S. 199 ff.). Daß Feldman das negative Interesse der Exportindustrie an einer langfristigen Stabilisierungspolitik (und im Zusammenhang damit an einer Restriktion des Zuflusses von Auslandskrediten) hervorhebt, ist dankens- wert (wenn auch nicht eben ganz neu). Im ganzen ist seiner These, daß selbst während der relativen Ruhe am Devisenmarkt 1920/21 ein fester Wille zur Stabilisierung (noch) nicht vorhanden war (siehe dazu die Feststellungen im Resümee S. 206), voll zuzustimmen.

Holtfrerichs Beitrag beschäftigt sich mit einer m.W. bislang nur wenig untersuchten Frage, nämlich den „konjunkturanregenden Wirkungen der

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deutschen Inflation auf die US-Wirtschaft in der Weltwirtschaftskrise 1920/21" (S. 207-234). Der Verfasser beginnt mit ein paar terminologischen Bemerkungen. Er hebt vollkommen zutreffend die Tatsache hervor, daß in der Wissenschaft (und Praxis) heute überwiegend die Geschehnisse von 1929-33 als „Weltwirtschafts&râe" bezeichnet werden, während vor 1929 die- ser Terminus auf „die Deflation von 1920/21" angewendet wurde. Ich möchte hinzufügen, daß im Zuge der üblich gewordenen psychologischen „Verbalthe- rapie", wie ich sie nennen möchte, auch von der seit etwa 1979 herrschenden Entwicklung nicht als einer weltweiten „Wirtschaftskrise" gesprochen wird, sondern (seltener) als einer auf dieses oder jenes Land beschränkten Krise oder aber (häufiger) von einer „Rezession", obgleich in der Zwischenzeit m.E. richtiger von einer solchen nur dann die Rede war, wenn die Zuwachsraten des Sozialprodukts deutlich - im Grenzfall auf Null - sanken und die Arbeits- losenquote nur kurzfristig - etwa ein bis zwei Jahre - auf ein mit Vollbeschäfti- gung im strengen Sinne nicht mehr zu vereinbarendes Niveau stieg. Allerdings ist statt der früher bei wirklichen Krisen üblichen Deflation heute allenfalls nur eine, mit erheblichen zeitlichen und örtlichen Unterschieden einhergehende Inflationsabschwächung zu beobachten, die nirgendwo die Nullgrenze der Geldentwertung erreicht, geschweige denn unterschreitet. Wie dem auch sei - gleich dem Verfasser erscheint es mir unbestreitbar, daß die deutsche Hyper- inflation der 20er Jahre per saldo einen positiven, krisenmildernden Einfluß auf viele Drittländer, besonders die USA-Wirtschaft, gehabt hat. Gewiß, schon in der berühmten Kontroverse zwischen Keynes und Ohlin ist, wie Holtfre- rich bemerkt (S. 211-12), der Unterschied zwischen Einkommens- und Preis- effekten und deren Bewertung von Bedeutung gewesen; man hat aber nach Ansicht des Verfassers den von der gesteigerten amerikanischen Ausfuhr nach Deutschland ausgehenden förderlichen Einkommenseffekt gegenüber dem in- soweit negativen Effekt auf die "terms of trade" unterschätzt. Anhand empi- risch abgestützter eingehender Analysen zeigt der Verfasser, daß die inflatio- näre Politik Deutschlands in nicht unerheblichem Maße zur Überwindung der amerikanischen Krise von 1920/21 beigetragen hat.

H.-J. Schroeder äußert sich „Zur politischen Bedeutung der deutschen Handelspolitik nach dem Ersten Weltkrieg" (S. 235-251). Seine Ausführungen sind nicht zuletzt deshalb so interessant, weil sie in klarer Weise die engen Beziehungen zwischen Außen- und Außenwirtschaftspolitik aufzeigen. Bemer- kenswert ist der blinde Optimismus breiter wirtschaftlicher Kreise und vieler Politiker in Deutschland, die sich offensichtlich auch nach dem Verlust des Krieges nicht von den früheren Hoffnungen und „Kriegszielen" (für die m.E. immer noch die Untersuchungen F. Fischers von entscheidender Bedeutung sind) zu trennen vermochten (siehe etwa S. 236 ff.). Hervorhebung in beson- derem Maße jedoch bedürfen die Ausführungen Schroeders, die sich auf die revisionspolitische Bedeutung der deutschen Handelspolitik beziehen (S. 242ff.) Die von ihm zitierten Äußerungen etwa von Reichskanzler H. Mül- ler und W. Rathenau beweisen, daß es eine realistische (und daher später

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als richtig erwiesene) Haltung deutscher Regierungsstellen mindestens in den ersten Jahren nach Kriegsende durchaus gab, wobei der Frage einer Wieder- gewinnung der Meistbegünstigung eine besonders große Rolle zukam. Dabei kam es nicht so sehr auf die rein ökonomischen Vorteile der Rückkehr zu halbwegs normalen Außenhandelsbeziehungen als vielmehr darauf an, poli- tisch langsam, aber unaufhaltsam auf dem Wege über den Abschluß von Han- delsverträgen mit den ehemaligen Feindmächten eine Gleichberechtigung wiederzugewinnen, die ja dann faktisch nach ihrem weitgehenden Verlust durch den Versailler Vertrag allmählich auch auf spezifisch politischem Gebiet zurückerobert wurde. Dies anhand von Literatur und Quellen - auf knappem Raum - dargetan zu haben, ist in meinen Augen ein großes Verdienst des ScHROEDERschen Aufsatzes.

IV.

Der dritte und letzte Teil des Buchs enthält Beiträge „Zu gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen" der deutschen Hyperinflation.

Der erste Artikel dieses Teils, stammt von R.G. Moeller, der sich mit einigen im Grund auch heute noch umstrittenen und viel diskutierten Proble- men in einer Studie befaßt, die "Winners as Loosers in the German Inflation: Peasant Protest over the Controlled Economy" betitelt ist (S. 255-288) und in vieler Hinsicht ihre Ergänzung findet in der folgenden Studie von J. Osmond über „German Peasant Farmers in War and Inflation, 1914-1924: Stability or Stagnation?" (S. 289-307). Moeller übt in mehrfacher Beziehung Kritik an der "conventional wisdom", derzufolge die Landwirte zumindest im Ver- gleich zu anderen sozialen Gruppen Inflationsgewinner gewesen seien. Ich ver- mag seiner Kritik großenteils nicht zuzustimmen, wenn auch nicht in Abrede zu stellen ist, daß in den bisherigen Behandlungen des Problems eine gewisse Einseitigkeit vorgeherrscht hat. Gewiß hat die Zwangswirtschaft, die während des Krieges und auch in den ersten Nachkriegsjahren bestand, der Landwirt- schaft manche Schäden zugefügt, die es in einer vollkommen „freien" Markt- wirtschaft nicht gegeben hätte. Aber dem stand die Entlastung gegenüber, die den Landwirten durch die Wirkungen der Inflation auf ihren Schulden- dienst zuteil wurde, und diese war nur ein (gewiß nicht zu unterschätzender) Teil der Vorteile, die Bauern und Großgrundbesitzer aus der inflationären Entwicklung zogen. Gerade für Eigentümer von Klein- und Mittelbetrieben ergaben sich enorme reale Gewinne aus den weitverbreiteten Schwarzmarktge- schäften, die dazu führten, daß ein umfangreicher „Transfer" von wertvollen Möbeln, Teppichen, Klavieren usw. aus dem Besitz insbesondere von Mittel- ständlern, aber auch von „Reichen" in Bauernhäuser stattfand1. Auf der anderen Seite wurden die mit dem Zwangswirtschaftssystem - insbesondere für Getreide - unvermeidlicherweise verbundenen Kontrollen von den Land- wirten als schwere Sonderbelastung empfunden, und obgleich damals (wie

1 Ein Hinweis darauf findet sich bei Osmond (S. 296).

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schon vorher und wie heute wieder) der durchschnittliche Landwirt steuerlich sich in einer privilegierten Position befand, stöhnte er bzw. der Interessen- verband, dem er angehörte, über die angeblich ungerechtfertigt hohe Abgaben- belastung. Angesichts dieser und manch anderer Verhältnisse war die von Moeller (S. 285) zutreffend hervorgehobene "unity of business and labor in their distrust of the agricultural sector" nicht eben verwunderlich. Gegen Schluß seiner Arbeit gelangt denn auch der Verfasser zu einem abgewogeneren Urteil, als man nach seinen vorhergehenden Äußerungen erwartet hätte. Dem jeweils letzten Satz des Textes und der Zusammenfassung (S. 288) kann man daher voll zustimmen. Ich zitiere den Schlußsatz wörtlich: "Like any group which has long enjoyed a privileged status, it (sc. die Landwirtschaft) respond- ed with bitterness and resentment to policies which it perceived as neglecting its welfare and suddenly elevating the interests of other social groups above its own".

Die (relativ kurze) Abhandlung von Osmond bildet, wie bereits erwähnt, in mancher Beziehung eine Ergänzung der MoEiXERschen. Sie beschäftigt sich überwiegend mit Fragen, die Moeller nicht behandelt hat, nämlich agrarwirt- schaftlichen und -politischen Problemen, speziell denen in Bayern und der Pfalz, Gebiete, in denen der Autor eigene Studien betrieben hat. Auch hier wird deutlich, aus welchen Gründen die Bauernschaft sich gegen die Zwangser- nährungswirtschaft wandte, ohne daß es ihr und ihren Verbandsführern offen- bar ganz klar war, was ohne eine solche Regulierung für eine politisch-soziale Lage entstanden wäre. Jedenfalls ist auch aus Osmonds Artikel zu ersehen, wie die Bauern es verstanden, ihre unbestreitbaren Schwierigkeiten durch - wie man heute sagen würde - „schattenwirtschaftliche" Handlungen und Pro- fite auszugleichen oder überzukompensieren. Unabhängig davon haben ge- wisse Strukturwandlungen stattgefunden, die sich per saldo als produktiv er- wiesen. Zutreffend wird aber vom Verfasser (S. 303) darauf hingewiesen, daß unter den Auswirkungen von Zwangswirtschaft und Inflation die Finanzlage der einzelnen landwirtschaftlichen Betriebe sich sehr unterschiedlich gestaltete, so daß etwa im Allgäu die mittleren und wohlhabenderen Bauern profitierten, die kleinen hingegen in wirkliche Not gerieten. Ähnliches gilt für die nach der Währungsstabilisierung einsetzende Agrarkrise.

Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sozial- und innenpolitisch außer- ordentlich interessant ist die Untersuchung von R. Tschirbs „Der Ruhrberg- mann zwischen Privilegierung und Statusverlust: Lohnpolitik von der Inflation bis zur Rationalisierung (1919 bis 1927)" (S. 308-346). Daß T. gerade den Ruhrbergmann auswählte, erklärt sich unschwer aus der Tatsache, daß diesem „traditionell die Lohnführerschaft der deutschen Steinkohlenreviere (und in mancher Hinsicht darüber hinaus, F.N.) zukam" (S. 309). Aus der Tschirbs- schen Darstellung ergibt sich klar die überragende Bedeutung, die die deutsche Kohle, nicht zuletzt als „Getreidebeschaffungsmittel", besaß. Der Verfasser zeigt anhand einer Reihe von Beispielen, wie schwer es war (und ist), hieb- und stichfeste Vergleichszahlen für eine Inflationsperiode zu erhalten bzw.

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zu errechnen. Doch scheint sich einigermaßen verläßlich behaupten zu lassen, daß der Reallohn der Ruhrkohlenarbeiter in den verschiedenen Epochen der Untersuchungsperiode stark schwankte, aber kaum je den Vorkriegsstand wieder erreichte und daß auch die für unterschiedliche Arbeitsleistungen ge- zahlten Löhne (Hauer und Schlepper einer-, Tagesarbeiter andererseits) je nach dem betrachteten Zeitraum größere oder geringere Unterschiede aufwiesen. Generell zeigt die Arbeit von Tschirbs wieder einmal, welche Ungerechtigkei- ten eine Inflation, insbesondere eine „galoppierende", nicht nur von Wirt- schaftszweig zu Wirtschaftszweig, von Gruppe zu Gruppe, sondern auch inner- halb relativ homogener wirtschaftlich-sozialer Gruppen mit sich bringt.

Dieser Aspekt wird in einem weiteren Zusammenhang behandelt in der folgenden Untersuchung „Verteilungskampf oder Interessenkonsensus? Ein- kommensentwicklung und Sozialverhalten von Arbeitnehmergruppen in der Inflationszeit 1914 bis 1924" von A. Kunz (S. 347-384). Der Verfasser wendet sich einleitend gegen die oft vertretene Behauptung, es fehle an zuverlässigem statistischen Material über die Realeinkommensentwicklung von Beamten und Angestellten; trotz mancher Mängel ließe sich durch gründliche Analyse der vorhandenen Zahlen einiges über die absolute und insbesondere die relative - d.h. im Vergleich zu den Arbeitslöhnen erfolgte - Entwicklung der Einkom- mensverhältnisse der genannten zwei Gruppen sagen, und es stelle sich dann heraus, daß die gängige These, letztere seien im Zuge der Inflation verelendet oder gar völlig vernichtet worden, wenn nicht falsch, so doch stark übertrieben sei (S. 350). Richtig sei allerdings, daß ein Trend zum Zurückbleiben der Be- amtengehälter hinter dem Wirtschaftswachstum und der Entwicklung sowohl von Löhnen als auch der Lebensmittelpreise schon in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zu beobachten war. Man könne jedoch nicht sagen, daß dieser Trend sich während der ganzen Inflationsperiode mehr oder weniger gleichmäßig fortgesetzt habe, vielmehr zeigten sich (wie übrigens auch bei anderen Einkom- mensarten; F.N.) zahlreiche Schwankungen, also „keine generell fallende Ten- denz" (S. 360). Daraus aber schnell zu folgern, „die These von der Proletarisie- rung des neuen Mittelstandes durch die Inflation (hielte) . . . einer Überprüfung am Beispiel der Realgehaltsentwicklung der (zu dieser sozialen Schicht zählen- den) Beamtenschaft nicht stand" (ib.), ist m.E. unzulässig, nicht zuletzt des- wegen, weil man nicht, wie das Kunz offenbar getan hat, das gerade auch für die mittleren und insbesondere die höheren Beamten vor der Inflationszeit als zusätzlicher Einkunftsbringer bedeutsame Vermögen vernachlässigen, also nur die laufenden Gehälter berücksichtigen darf, die progressiv durch die Infla- tion aufgezehrt wurden. Man hätte m.a.W. das eigentliche (sprich: Gesamt-) Einkommen in Betracht ziehen müssen, was freilich aus Mangel an stati- stischen Daten kaum möglich gewesen sein dürfte. Besondere Beachtung ver- dienen dagegen Kunz' Darlegungen über die inflationsbedingte Nivellierung der Beamtenbezüge. Wie sich aus der im Anhang (Tab. 1, S. 373) wiedergegebe- nen Übersicht ergibt, lagen bei Kriegsende die realen Monatsbezüge eines höheren Beamten bei rd. 40%, die eines mittleren bei rd. 55% und die eines

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damals sogenannten unteren Beamten bei immerhin fast 90% derjenigen im Jahre 1913. In der Inflationsperiode sanken jene Prozentsätze auf 30-40%, 40-60% und 60-90%, je nach den betreffenden Zeitpunkten. Kurz nach der Währungsstabilisierung (Ende 1924) überschritten die Realbezüge der unteren Beamten immerhin leicht die 100%-Grenze (immer bezogen auf das Vorkriegs- einkommen), bei den mittleren waren es 80-90% und bei den höheren etwa 80%. Mit manchen Vorbehalten in bezug auf andere Äußerungen des Verfas- sers über die metaökonomischen Auswirkungen der angedeuteten Nivellie- rungstendenzen wird man ihm in seiner Schlußfolgerung zustimmen, daß der „Statusverlust des höheren Beamten in den Inflationsjahren die zunehmende politische und moralische Distanz zur parlamentarischen Demokratie dieser für den Erfolg beziehungsweise Mißerfolg der Weimarer Republik entscheiden- den Elite miterklären" könne (S. 363). Im übrigen wird darauf hingewiesen, daß die „Spannen" (Kunz spricht - S. 364 - von „Spannungen"!) zwischen den Besoldungsgruppen in der zweiten Hälfte der 20 er Jahre wieder etwas vergrößert wurden.

Abschließend wendet sich der Verfasser in kurzen Ausführungen der Frage zu, ob bzw. inwieweit zwischen Beamten und Arbeitern wegen der teil- bzw. zeitweise unterschiedlichen Realeinkünfteentwicklung sich ein Konflikt ergab oder aber trotz jener Divergenzen ein Konsensus bestand (S. 365 ff.). Die Ant- wort wird zutreffend differenziert gegeben, u.a. entsprechend den verschiede- nen Inflationsperioden. Überwiegend dürfte aber wohl kein Konsensus bestan- den haben, obwohl der „Verteilungsvorsprung", den die (sc. private) Arbei- terschaft sich zu erringen vermochte, vor allem in der Zeit, als die Inflation sich ihrem Höhepunkt und Ende näherte, durch den komparativen "time lag"- Nachteil, den die Lohnzahlungen an Arbeiter im Vergleich zu den vierteljähr- lichen Gehaltsvorauszahlungen an Beamte implizierte, nicht unerheblich kom- pensiert wurde. Aus eigener Erfahrung kann ich allerdings hinzufügen, daß in den letzten Monaten vor der Währungsreform auch für die im öffentlichen Dienst Tätigen der angedeutete zeitliche Vorsprung kaum mehr bestand, da alle Bezüge nunmehr zwei- bis dreimal wöchentlich ausgezahlt werden mußten; das geschah kurz vor 12 Uhr mittags, da dann der neue Dollarkurs bekannt wurde und angesichts der immer weiter um sich greifenden Preisberechnung in „Goldmark" oder „Dollar" die Käufer gezwungen waren, ihr wenige Stun- den zuvor empfangenes Geld so schnell wie möglich für was auch immer auszugeben. (Für mich als Junggesellen führte die Inflationsperiode zu einem ungewöhnlich hohen Vorrat an trockenen Erbsen, die zwischen September und November 1923 oft das einzige Gut waren, das man noch „rechtzeitig", vor der allgemeinen allmittäglichen Preiserhöhung, nach Deckung des allernot- wendigsten Bedarfs erwerben konnte.)

Das Buch endet mit Abhandlungen von M.L. Hughes über "Economic Interest, Social Attitudes and Creditor Ideology: Popular Responses to Infla- tion" (S. 385-408) und Th. Childers Studie über "Inflation, Stabilization, and Political Realignment in Germany 1924 to 1928" (S. 409-431).

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Bemerkungen zur deutschen Hyperinflation 125

Hughes weist einleitend darauf hin, daß bis Anfang 1923 nicht wenige Mark-Gläubiger noch an einen Wiederanstieg des Wertes der deutschen Wäh- rung glaubten. Sie lernten als letzte, was die Inflation allgemein und speziell für sie bedeutete. Am schlimmsten waren zweifellos, wie der Verfasser zutref- fend darlegt, die mittelständlerischen Gläubiger daran. Lange Zeit akzeptierten sie noch den vom Reichsgericht bis zum bitteren Ende verteidigten Grundsatz „Mark = Mark", und überdies war die Mehrheit überzeugt von der Wahrheit des von der Regierung behaupteten Zusammenhangs, demzufolge die Inflation im wesentlichen durch äußere Faktoren, wie vor allem den verlorenen Krieg und die Reparationsforderungen der Sieger, verursacht war, nicht - wie in Wahrheit - durch die nur teilweise dadurch bedingten Haushaltsdefizite. Erst allmählich kam, im wesentlichen im Anschluß an die Stabilisierung, die Wiederaufwertungsdebatte in Bewegung, und es ist nützlich, daß Hughes an die auch politisch so wichtigen Debatten darüber erinnert sowie (S. 394 ff.) die "economic and social bases of creditor ideology" schildert. In der Tat wurde von den Interessenparteien demagogisch mit der These vorgegangen, daß wer nicht aufwertungs- und mittelstandsfreundlich sei, auch nicht vater- ländisch gesinnt sein könne, und die Nazis machten sich derartige Gefühle bald für ihre „Bewegung" zunutze, indem sie eine 100%ige Aufwertung ver- sprachen, die natürlich weder von ihnen bewirkt wurde noch faktisch realisier- bar gewesen wäre. Aber mehr als geschah, hätte sicherlich getan werden kön- nen (und sozial getan werden müssen). Es ist mir angesichts des Sachverstands des Autors nicht ganz verständlich, warum er - wie fast alle Verfasser von mit diesen Problemen befaßten neueren wirtschaftshistorischen Arbeiten - mit keinem Worte auf die möglichen oder sogar wahrscheinlichen Zusammen- hänge eingeht, die zwischen den vorwiegend juristischen Argumenten der Regierung, der Reichsbank sowie der Schuldnerinteressenvertreter und den Auffassungen bestand, die von dem - in vieler Hinsicht auch von mir sehr bewunderten - Schöpfer der „Staatlichen Theorie des Geldes" (Erstauflage 1905): G.F. Knapp, vertreten wurden. Auch die Tatsache, daß die scharfsinni- gen und gut dokumentierten Untersuchungen von O. Pfleiderer nicht er- wähnt werden, ist auffallig und bedauerlich. Beides gilt nicht nur für Hughes', sondern auch für Childers' oben zitierte (relativ kurze) Abhandlung, in der ebenfalls die Aufwertungsprobleme und -debatten eine großen Rolle spielen. Voll zuzustimmen ist der Behauptung dieses Verfassers, daß die „destabiliza- tion of traditional partisan loyalties" nicht erst mit der Weltwirtschaftskrise von 1929 begann, sondern "in the aftermath of the inflation and stabilization crises of the mid-twenties" (S. 430).

V.

Mit diesem Überblick über die wichtisten Fragen, die in dem vorliegenden Sammelwerk behandelt worden sind, muß es hier sein Bewenden haben. Ich

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126 Fritz Neumark

hoffe, gezeigt zu haben, wie außerordentlich bedeutsam und interessant die Untersuchungen der Mitarbeiter sind, und daß sie auch dort, wo sie selbst noch nicht die endgültigen Antworten gefunden zu haben glauben, unsere Kenntnisse mehr oder minder erheblich vermehrt und vertieft haben. Manches, was damals geschah und noch mehr: was hätte geschehen können und müssen, aber nicht geschah, ist durch das Werk aufgehellt worden. Daß namentlich die Zerstörung des Mittelstandes gerade in einem Lande wie Deutschland sozial und politisch weittragende Konsequenzen haben mußte, dürfte durch viele Beiträge noch einmal deutlich gemacht worden sein. Aber selbst wenn man das Einmalig-Gigantische „der" deutschen Inflation erkennt und in den Vordergrund der Betrachtungen rückt, ist m.E. damit noch nicht bewiesen, daß es in erster Linie die Inflationsfolgen waren, die Hitler und seinen Ge- folgsleuten zur Macht verhalfen. Wer sowohl diese Inflation als auch die Krise zu Beginn der 30er Jahre mit eigenen Augen gesehen und am eigenen Leibe miterlebt hat, wird eher geneigt sein, neben verlorenem Krieg und demzufolge verletztem Nationalstolz und vielen anderen politischen Faktoren als ökono- mischen Hauptfaktor der unheilvollen Entwicklung 1933-1945 die Tatsache anzusehen, daß es innerhalb einer Zeitspanne von nicht viel mehr als einem Jahrzehnt erst eine „Hyperinflation" und dann eine Wirtschaftskrise mit „Hyperdeflation" gab. Beide Phänomene politisch und moralisch zu verkraf- ten, war offenbar die unzulänglich gestaltete und geführte junge deutsche Re- publik nicht in der Lage; warum im einzelnen nicht - darüber gibt das hier angezeigte Werk viele wertvolle Aufschlüsse, wenn auch gewiß nicht eine end- gültige Antwort. In seiner Besprechung des Buches von Norman Cohn "The Pursuit of the Millenium" von 1957 (deutsch: „Das Ringen um das tausendjäh- rige Reich") schrieb Alfred Andersch2: „Daß der eschatologische Gedanke sich auf den Nährböden sozialer Unrast besonders gut dazu eignet, von Schwindlern und egoistischen Machtmenschen mißbraucht zu werden, liegt auf der Hand." Er fügt aber zutreffend hinzu, daß nur in seltenen Fällen zumindest der eschatologisch gestimmte mittelalterliche Mensch sich „von messianisch auftretenden Verführern in einen gewalttätigen Fanatismus trei- ben ließ". Es ist anzuerkennen, daß die Mitarbeiter des hier angezeigten Werks bei aller Betonung der Bedeutung der Hyperinflationsfolgen für das Aufkom- men des Hitlerismus sich von der Gefahr ferngehalten haben, ihre politische Bedeutung einseitig zu werten und zu überschätzen.

2 Vgl. Alfred Andersch: Ein neuer Scheiterhaufen für alte Ketzer. Kritiken und Rezensionen, Zürich 1979, S.93.

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