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6G Bemerkungen zur Konvektion im Sterninnern Von F. SCHMEIDLER, Miinchen (Eingegangen 1956 April 3) Die von den Herren BIERMANN und TEMESVARY in der vorstehenden Arbeit vorgebrachten Argu- mente bieten eine wertvolle Moglichkeit, die von mir vertretene Auffassung, daB die Sterne vollst*kdig konvektiv aufgebaut sind, unter zusatzlichen Gesichtspunkten zu priifen. Ich mochte auf folgende vier Punkte hinweisen : I. Der in meiner Arbeit ausschlieBlich betrachtete ProzeB der Ausbreitung der Konvektion ist prinzipiell verschieden von der nur in kompressiblen Medien eintretenden akustischen Ubertragung kine- tischer Energie und ist wesentlich leistungsfahiger als diese. Daher reicht der EinfluB einer Konvektions- zone weiter als nur eine homogene Schichtdicke. AuBerdem erreicht die homogene Schichtdicke in den tieferen Schichten der Sonne die GroBenordnung des Sonnenradius selbst [s. Formel (28) meiner Arbeit]. 2. DaB die Aufrechterhaltung einer erzwungenen Konvektion im an sich stabilen Bereich laufende Energiezufuhr erfordert, ist auch von mir hervorgehoben worden. DaB nach den Resultaten von Herrn BIERMANN und TEMESV~RY die notwendige Energiestromung vergleichbar mit dem gesamten EnergiefluB im Sterninnern ist, bcwcist durchaus nicht, daB dieser ProzeB physikalisch unmoglich sei. Es folgt daraus nur, daB im Innern eines konvektiv aufgebauten Stems starkere Energiequellen wirksam sein miissen als bei nichtkonvektivem Aufbau. 3. DaB ein vollstandig konvektiver Stern nach einer Polytrope n = 1.5 aufgebaut sei, ist beim heutigen Stand der Theorie nicht mehr vertretbar. Der Polytropenindex einer adiabatisch geschichteten Gasmasse hangt vom Ionisationsgrad ab und ist deswegen im Sterninnern auch bei vollig adiabatischcr Schichtung iirtlich variabel. Ails dieseni Grund sind alle aus der EMDENschen Theorie der polytropen Gas- kugeln abgeleiteten Argumente gegen die Moglichkcit eines vollstandig konvektiven Aufbaus der Sterne fur das hier vorliegende Problem nicht beweiskraftig. 4. Zweifellos stellen die beobachteten Haufigkeiten der Elemente Lithium und Beryllium eine ernst- hafte Schwierigkeit fur die Vorstellung eines vollstandig konvektiven inneren Aufbaus der Sterne dar. Die Losung dieses Dilemmas ist ein Problem der Kernphysik. Eine kiirzlich erschienene Arbeit von CA- MERON') weist einen ProzeB nach, der das Vorhandensein von Lithium und Beryllium trotz permanenten Massenaustauschs zwischen Kern und Randpartien eines Sterns verstandlich macht. Bus diesen Grunden kann ich der Ansicht von Herrn BIERMANN und TEMESV~~RY nicht folgen, daB die Vorstellung einer durchgehenden Konvektion im Innern der Sterne unhaltbar sei. Ich hoffe aufrichtig, daB die nunmehr erfolgte Gegenuberstellung von Meinung und Gegenmeinung der Klarung des Problems dienen moge. 1) A. G. W. CAMERON, Origin of anomalous abundances of the elements in giant stars. Astrophys. J. 121.144 (1954).

Bemerkungen zur Konvektion im Sterninnern

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6G

Bemerkungen zur Konvektion im Sterninnern Von F. SCHMEIDLER, Miinchen

(Eingegangen 1956 April 3)

Die von den Herren BIERMANN und TEMESVARY in der vorstehenden Arbeit vorgebrachten Argu- mente bieten eine wertvolle Moglichkeit, die von mir vertretene Auffassung, daB die Sterne vollst*kdig konvektiv aufgebaut sind, unter zusatzlichen Gesichtspunkten zu priifen. Ich mochte auf folgende vier Punkte hinweisen :

I. Der in meiner Arbeit ausschlieBlich betrachtete ProzeB der Ausbreitung der Konvektion ist prinzipiell verschieden von der nur in kompressiblen Medien eintretenden akustischen Ubertragung kine- tischer Energie und ist wesentlich leistungsfahiger als diese. Daher reicht der EinfluB einer Konvektions- zone weiter als nur eine homogene Schichtdicke. AuBerdem erreicht die homogene Schichtdicke in den tieferen Schichten der Sonne die GroBenordnung des Sonnenradius selbst [s. Formel (28) meiner Arbeit].

2. DaB die Aufrechterhaltung einer erzwungenen Konvektion im an sich stabilen Bereich laufende Energiezufuhr erfordert, ist auch von mir hervorgehoben worden. DaB nach den Resultaten von Herrn BIERMANN und TEMESV~RY die notwendige Energiestromung vergleichbar mit dem gesamten EnergiefluB im Sterninnern ist, bcwcist durchaus nicht, daB dieser ProzeB physikalisch unmoglich sei. Es folgt daraus nur, daB im Innern eines konvektiv aufgebauten Stems starkere Energiequellen wirksam sein miissen als bei nichtkonvektivem Aufbau.

3. DaB ein vollstandig konvektiver Stern nach einer Polytrope n = 1.5 aufgebaut sei, ist beim heutigen Stand der Theorie nicht mehr vertretbar. Der Polytropenindex einer adiabatisch geschichteten Gasmasse hangt vom Ionisationsgrad ab und ist deswegen im Sterninnern auch bei vollig adiabatischcr Schichtung iirtlich variabel. Ails dieseni Grund sind alle aus der EMDENschen Theorie der polytropen Gas- kugeln abgeleiteten Argumente gegen die Moglichkcit eines vollstandig konvektiven Aufbaus der Sterne fur das hier vorliegende Problem nicht beweiskraftig.

4. Zweifellos stellen die beobachteten Haufigkeiten der Elemente Lithium und Beryllium eine ernst- hafte Schwierigkeit fur die Vorstellung eines vollstandig konvektiven inneren Aufbaus der Sterne dar. Die Losung dieses Dilemmas ist ein Problem der Kernphysik. Eine kiirzlich erschienene Arbeit von CA- MERON') weist einen ProzeB nach, der das Vorhandensein von Lithium und Beryllium trotz permanenten Massenaustauschs zwischen Kern und Randpartien eines Sterns verstandlich macht.

Bus diesen Grunden kann ich der Ansicht von Herrn BIERMANN und TEMESV~~RY nicht folgen, daB die Vorstellung einer durchgehenden Konvektion im Innern der Sterne unhaltbar sei. Ich hoffe aufrichtig, daB die nunmehr erfolgte Gegenuberstellung von Meinung und Gegenmeinung der Klarung des Problems dienen moge.

1) A. G. W. CAMERON, Origin of anomalous abundances of the elements in giant stars. Astrophys. J. 121.144 (1954).