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Forschungsnachricht aus der Abteilung 6 Ionisierende Strahlung PTB (http://www.ptb.de) Seite 1 von 3 Benchmarkexperiment am Stellerator Wendelstein 7-X (W7-X) Die PTB entwickelt im Rahmen eines Kooperationsvertrages ein Monitorsystem für Neutro- nenstrahlung am Fusionsexperiment Wendelstein 7-X am IPP Greifswald. Mit einer Radio- nuklid-Neutronenquelle bekannter Quellstärke und einem gut charakterisierten Messgerät der PTB wurden Messungen am W7-X durchgeführt. Diese dienen der Vorbereitung der spä- teren Vor-Ort-Kalibrierung der Neutronenmonitore und als Benchmarkexperiment für Teil- chentransport-Rechnungen, die bei der Auslegung von Messgeräten am W7-X eine wichtige Rolle spielen. Der Stellarator Wendelstein 7-X, der gegenwärtig im Max-Planck-Institut für Plasma- physik in Greifswald entsteht, soll die Eignung von Fusionsanlagen des Typs "Stella- rator" zur Energieerzeugung demonstrieren [1]. Die PTB entwickelt im Rahmen eines Kooperationsvertrages ein Monitorsystem zur Messung der gesamten Neutronen- strahlung, die beim Betrieb der Maschine entsteht. Dem für Mai 2014 geplanten Start der Anlage geht eine Vor-Ort-Kalibrierung dieser Monitore voraus, in die insbesondere Monte-Carlo-Rechnungen mit dem Programm MCNP5 [2] der kompletten Anlage eingehen. Zur Überprüfung des MCNP Modells wurde im August 2011 ein Benchmarkexperiment mit einer 241 AmBe Radionuklid- neutronenquelle bekannter Quellstärke und einem PTB-eigenen, gut charakterisier- ten Neutronenmonitor vom Typ "Precision Long Counter" (PLC) am W7-X durchge- führt. Vor der Inbetriebnahme des W7-X muss entsprechend der Betriebsgenehmigung eine Vor-Ort-Kalibrierung der Neutronenmonitore durchgeführt werden. Diese soll mit einer Radionuklidquelle erfolgen, die mit Hilfe eines im Inneren des Plasmagefäßes installierten Schienensystems auf einem Pfad bewegt wird, der dem Verlauf des mitt- leren Plasmaschwerpunkts entspricht. In einem ersten Schritt werden die Messwerte in den Neutronenmonitoren berechnet, die sich aus der Simulation des Transports der Neutronen von dieser "Linienquelle" ergeben. Passen Messwerte und Simulation gut zusammen, kann man davon ausgehen, dass das Modell des W7-X die Realität mit ausreichender Genauigkeit wiedergibt. In einem zweiten Schritt kann dann ein ausgedehntes Fusionsplasma simuliert werden und der Unterschied zwischen aus- gedehnter Quelle und Linienquelle berechnet werden. Da der W7-X eine überaus komplexe Maschine ist, können die Einzelheiten nicht in einem MCNP Modell dargestellt werden sondern es müssen deutliche Vereinfachun- gen vorgenommen werden. Die Überprüfung dieses MCNP Modells durch ein Benchmarkexperiment stellt daher einen wichtigen Meilenstein zur späteren Kalibrie- rung dar. Zum Zeitpunkt des Experimentes im August 2011 waren vier der insgesamt fünf Mo- dule des W7-X auf dem Maschinenfundament aufgestellt. In dieser Konstellation wa- ren noch zahlreiche Komponenten nicht eingebaus, z. B. keine Diagnosesysteme, kein Kühlwasser. D. h. auch das MCNP Modell konnte entsprechend einfacher sein. In dieser Phase sollten die simulierten Messwerte mit Messungen verglichen werden. Dazu wurde eine 241 AmBe Radionuklidquelle mit bekannter Neutronenquellstärke innerhalb eines Moduls auf einem Schienensystem verfahren.

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Benchmarkexperiment am Stellerator Wendelstein 7-X (W7-X) Die PTB entwickelt im Rahmen eines Kooperationsvertrages ein Monitorsystem für Neutro-nenstrahlung am Fusionsexperiment Wendelstein 7-X am IPP Greifswald. Mit einer Radio-nuklid-Neutronenquelle bekannter Quellstärke und einem gut charakterisierten Messgerät der PTB wurden Messungen am W7-X durchgeführt. Diese dienen der Vorbereitung der spä-teren Vor-Ort-Kalibrierung der Neutronenmonitore und als Benchmarkexperiment für Teil-chentransport-Rechnungen, die bei der Auslegung von Messgeräten am W7-X eine wichtige Rolle spielen.

Der Stellarator Wendelstein 7-X, der gegenwärtig im Max-Planck-Institut für Plasma-physik in Greifswald entsteht, soll die Eignung von Fusionsanlagen des Typs "Stella-rator" zur Energieerzeugung demonstrieren [1]. Die PTB entwickelt im Rahmen eines Kooperationsvertrages ein Monitorsystem zur Messung der gesamten Neutronen-strahlung, die beim Betrieb der Maschine entsteht. Dem für Mai 2014 geplanten Start der Anlage geht eine Vor-Ort-Kalibrierung dieser Monitore voraus, in die insbesondere Monte-Carlo-Rechnungen – mit dem Programm MCNP5 [2] – der kompletten Anlage eingehen. Zur Überprüfung des MCNP Modells wurde im August 2011 ein Benchmarkexperiment mit einer 241AmBe Radionuklid-neutronenquelle bekannter Quellstärke und einem PTB-eigenen, gut charakterisier-ten Neutronenmonitor vom Typ "Precision Long Counter" (PLC) am W7-X durchge-führt. Vor der Inbetriebnahme des W7-X muss entsprechend der Betriebsgenehmigung eine Vor-Ort-Kalibrierung der Neutronenmonitore durchgeführt werden. Diese soll mit einer Radionuklidquelle erfolgen, die mit Hilfe eines im Inneren des Plasmagefäßes installierten Schienensystems auf einem Pfad bewegt wird, der dem Verlauf des mitt-leren Plasmaschwerpunkts entspricht. In einem ersten Schritt werden die Messwerte in den Neutronenmonitoren berechnet, die sich aus der Simulation des Transports der Neutronen von dieser "Linienquelle" ergeben. Passen Messwerte und Simulation gut zusammen, kann man davon ausgehen, dass das Modell des W7-X die Realität mit ausreichender Genauigkeit wiedergibt. In einem zweiten Schritt kann dann ein ausgedehntes Fusionsplasma simuliert werden und der Unterschied zwischen aus-gedehnter Quelle und Linienquelle berechnet werden. Da der W7-X eine überaus komplexe Maschine ist, können die Einzelheiten nicht in einem MCNP Modell dargestellt werden sondern es müssen deutliche Vereinfachun-gen vorgenommen werden. Die Überprüfung dieses MCNP Modells durch ein Benchmarkexperiment stellt daher einen wichtigen Meilenstein zur späteren Kalibrie-rung dar. Zum Zeitpunkt des Experimentes im August 2011 waren vier der insgesamt fünf Mo-dule des W7-X auf dem Maschinenfundament aufgestellt. In dieser Konstellation wa-ren noch zahlreiche Komponenten nicht eingebaus, z. B. keine Diagnosesysteme, kein Kühlwasser. D. h. auch das MCNP Modell konnte entsprechend einfacher sein. In dieser Phase sollten die simulierten Messwerte mit Messungen verglichen werden. Dazu wurde eine 241AmBe Radionuklidquelle mit bekannter Neutronenquellstärke innerhalb eines Moduls auf einem Schienensystem verfahren.

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Abbildung 1 zeigt einen Teil des W7-X mit dem um 32° gegen die Senkrechte ge-neigten PLC.

Abb. 1: Bild links: Blick auf das Modul Nr. 5 in der Maschinenhalle des W7-X. Zu sehen ist das äußere

Kryostatgefäß mit den Stutzen für die verschiedenen Diagnosesystem und ein Baugerüst. Im rechten oberen Quadranten ist der PTB Long Counter zu erkennen, der im rechten Bild ver-größert dargestellt ist. Die Neigung ist so gewählt, dass die Verlängerung der Zylinderachse die Bahn der Neutronenquelle schneidet. Die gekrümmte Bahn der bewegten Neutronenquelle ist durch die gelbe Kurve angedeutet, die in der 2-dimensionalen Darstellung nicht richtig ein-gezeichnet ist.

Auf diese Weise schneidet die Zylinderachse des PLC auf der Höhe der Äquatorialebene des W7-X die Bahn der Neutronenquelle. Die 241AmBe Quelle wur-de auf dem Schienensystem mehrfach hin- und hergefahren und die Zählraten im PLC als Funktion des Fahrweges gemessen. Die technischen Details des Experi-mentes sind in Referenz [3] veröffentlicht. In Abbildung 2 ist die Neutronenzählrate im LC dargestellt als Funktion der Position der Radionuklidquelle auf dem Schienensystem.

Abb. 2: Zählrate des Precision Long Counters (PLC) positioniert auf dem äußeren Kryostatgefäß des W7-X als Funktion der Position der Neutronenquelle. Blaue Kurve: gemessene Zählrate; rote Kurve: mit MCNP5 berechnet.

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Die Messungen mit dem PLC sind als blaues Histogramm dargestellt und die mit MCNP5 berechneten Zählraten als rotes Histogramm. In der MCNP Simulation wur-de eine 241AmBe Linienquelle mit der Energieverteilung nach ISO 8529-1 [4] und ei-

ner Quellstärke von 1,11 ± 0,03 106 s-1 verwendet. Die gemessenen Zählraten sind nicht skaliert. Die integralen Zählraten über den gesamten Fahrweg von Experiment und Rechnung stimmen sehr gut überein. Die experimentelle Überhöhung der ge-messenen Zählrate im Bereich von -500 cm bis +250 cm deutet jedoch darauf hin, dass die unmittelbare Umgebung des LC noch nicht ausreichend gut im MCNP Mo-dell beschrieben ist. Weiterführende Überlegungen und Tests haben gezeigt, dass die Geometrie der Diagnoseports noch mit berücksichtigt werden müssen. Die An-passung des MCNP Modells ist eine wichtige und notwendige Voraussetzung für ei-ne erfolgreiche Kalibrierung im Frühjahr 2014. Literatur: [1] http://www.ipp.mpg.de/ippcms/de/for/projekte/w7x/index.html

[2] X-5 Monte Carlo Team, MCNP – A general N-Particle Transport Code, Version 5,

Los Alamos National Laboratory, USA, LA-UR-03-1987 (April 2003).

[3] W. Schneider, B. Wiegel, F. Grünauer, R. Burhenn, S. Koch, H. Schuhmacher

and A. Zimbal, Neutron diagnostics at the Wendelstein 7-X stellarator, Proc. of

the 2nd International Workshop on Fast Neutron Detectors and Applications, Nov.

6-11 2011, Ein Gedi, Israel, doi:10.1088/1748-0221/7/03/C03025.

[4] ISO Reference neutron radiations - Part 1: Characteristics and methods of pro-

duction. ISO 8529-1:2001 (Geneva, Switzerland: International Standards Organi-

zation) (2001).

Ansprechpartner B. Wiegel, Fachbereich 6.5, Arbeitsgruppe 6.53, E-Mail: [email protected]