Benjamin Graham - Intelligent Investieren.pdf

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  • Benjamin Graham

    I N T E L L I G E N T I N V E S T I E R E N

  • Benjamin Graham

    I N T E L L I G E N TI N V E S T I E R E N

    Mit einem Vorwort vonWarren E. Buffett

    FinanzBuch Verlag, Mnchen

  • Titel der Originalausgabe: The Intelligent InvestorPublished by Harper Business

    Alle Rechte vorbehalten4. Auflage, 1973, Harper Business, A Division of HarperCollins PublishersISBN der Originalausgabe 0-06-015547-7

    Copyright-Hinweis

    Die vollstndige oder teilweise Reproduktion des vorliegenden Buches undseines Inhalts durch Fotokopien, Faxbermittlung, Scanning und andere Ver-fahren stellt eine Verletzung des bundesstaatlichen Copyright-Gesetzes dar.Der Copyright Act (US-Copyright-Gesetz) sieht bei Versten gegen dasCopyright-Recht Strafen von bis zu $ 100.000 fr jede Zuwiderhandlung vor.Hinweise auf unzulssige Vervielfltigungen werden dankend entgegenge-nommen.

    Dieses Buch will keine spezifischen Anlage-Empfehlungen geben und enthltlediglich allgemeine Hinweise. Autoren, Herausgeber und die zitierten Quel-len haften nicht fr etwaige Verluste aufgrund der Umsetzung ihrer Gedan-ken und Ideen.

    1998 by FinanzBuch Verlag, MnchenSatz: Verlagsservice G. Pfeifer / EDV-Fotosatz Huber, GermeringDruck: Jos. C. Huber KG., DieenUmschlaggestaltung: Markus JrgensGesamtbearbeitung: Michael Volk, Mnchen

    FinanzBuch Verlag,Candidplatz 13, 81543 MnchenTel. 0 89/65 20 48, Fax 0 89/65 20 96Internet: http://www.finanzverlag.com

    Intelligent investierenFinanzBuch ClassicISBN 3-932114-07-8

  • Inhaltsverzeichnis

    Vorwort von Warren E. Buffet.............................................. 7Einfhrung .......................................................................... 10

    1. Anleger und Spekulant .................................................. 252. Der Anleger und die Inflation ...................................... 413 . 100 Jahre Brsengeschichte ............................................ 514. Allgemeine Portefeuille-Strategie:

    Der defensive Anleger .................................................... 595. Der konservative Anleger und Aktien ........................ 716. Die Depotstrategie fr den aggressiven

    Anleger: Worauf er achten und welche Erwerbsstrategien er vermeiden sollte ........................ 83

    7. Anlagepolitik des aggressiven Anlegers: Welche Engagements er eingehen kann ...................... 91

    8. Der Anleger und Kursschwankungen.......................... 1139. Der Erwerb von Investmentfonds ................................ 137

    10. Der Anleger und seine Berater ...................................... 15311 . Wertpapieranalyse fr den Laien.................................. 16512. Was man ber den Gewinn pro Aktie

    wissen sollte .................................................................... 18513. Ein Vergleich zwischen vier brsennotierten

    Gesellschaften.................................................................. 19514. Aktien fr den konservativen Anleger ........................ 20515. Aktien fr den aggressiven Anleger ............................ 223

  • 16. Wandelanleihen und Optionsscheine .......................... 24317. Vier extrem lehrreiche Fallstudien................................ 25718. Vergleich von acht verschiedenen

    Aktienpaaren .............................................................. 27319. Aktionre und Management:

    Die Dividendenpolitik.................................................... 29520. Sicherheitsmarge als zentrales

    Anlagekonzept ................................................................ 307

    6 Inhalt

  • Vorwort von Warren E. Buffett

    Ich las die erste Ausgabe dieses Buches im Jahre 1950, als ichgerade neunzehn Jahre alt war. Damals dachte ich, es sei mitAbstand das beste Buch, das jemals ber Investitionengeschrieben wurde. An meiner Auffassung hat sich bis heutenichts gendert.

    Um ein Leben lang erfolgreich investieren zu knnen,braucht man keinen stratosphrischen IQ oder unntzeGeschftseinblicke oder Insiderinformationen. Was manbraucht, ist ein solider intellektueller Rahmen, um Entschei-dungen treffen zu knnen, sowie die Fhigkeit, Emotionendavon abzuhalten, diesen Rahmen zu durchlchern. DiesesBuch steckt diesen Rahmen przise und deutlich ab. IhreAufgabe ist es, Ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten.

    Wenn Sie die Verhaltens- und Geschftsprinzipien befol-gen, die Graham empfiehlt und wenn Sie insbesondere dieunschtzbar wertvollen Ratschlge in den Kapiteln 8 und 20beherzigen , wird der Erfolg ihrer Investitionen nicht aus-bleiben. Darin liegt mehr Erfolg als Sie es sich vorstellenmgen. Ob Sie dann auergewhnliche Ergebnisse erzielenwerden, hngt von der geistigen Anstrengung ab, die Sie beiIhren Investitionen an den Tag legen, aber auch von denAusschlgen der Brsen, die whrend ihrer Investitionslauf-bahn eintreten. Je verrckter sich der Markt verhlt, destogrer ist die Chance fr einen professionellen Investor.Befolgen Sie Grahams Ratschlge, dann werden Sie von ver-

  • rckten Kursschwankungen eher profitieren als von ihnengetroffen zu sein.

    Fr mich war Ben Graham weitaus mehr als ein Autor oderein Lehrer. Mehr als jeder andere Mann, mit Ausnahme meinesVaters, hat er mein Leben beeinflut. Kurz nach seinem Tod imJahre 1976 schrieb ich den folgenden kurzen Nachruf im Finan-cial Analysts Journal. Bei der Lektre dieses Buches werdenSie, davon bin ich berzeugt, einige der positiven Eigenschaf-ten begreifen, die ich in diesem Beitrag erwhnt habe.

    BENJAMIN GRAHAM18941976

    Vor einigen Jahren sprach Ben Graham, damals bereitsknapp achtzig Jahre alt, gegenber einem Freund denGedanken aus, er hoffe jeden Tag etwas Trichtes, etwasKreatives und etwas Grozgiges zu tun.

    Die Einbeziehung des ersten, verrckt anmutenden Zielesspiegelt sein Talent wider, Gedanken in eine Form zu brin-gen, die ohne jeden moralisierenden oder dnkelhaftenUnterton auskam. Obwohl seine Gedanken krftig waren,wurden sie stets in sanftem Ton vorgetragen.

    Die Leser dieser Zeitschrift bedrfen keiner Aufzhlungseiner Leistungen, gemessen an seinem Kreativittsstan-dard. Es kommt selten vor, da der Begrnder einer Diszi-plin innerhalb kurzer Zeit vom Werk seiner Nachfolger inden Schatten gestellt wird. Vierzig Jahre nach der Verffent-lichung desjenigen Buches, welches in eine ungeordnete undverwirrte Ttigkeit Struktur und Logik brachte, sind mgli-che Kandidaten schwerlich vorstellbar, die im Bereich derWertpapieranalyse auch nur einen zweiten Rang einnehmenknnten. In einem Gebiet, in dem vieles von dem, was verf-fentlicht wurde, innerhalb von Wochen oder Monaten trichterscheint. Bens Grundstze blieben gltig, ihr Wert wurde

    8 Vorwort

  • oft noch erhht und besser verstanden in der Schwchefinanzieller Strme, welche nicht so solide intellektuelleGebude zunichte machten. Sein Rat der Soliditt brachteunfehlbare Verdienste fr seine Nachfolger sogar fr sol-che, deren natrliche Begabung unter der von gewiefterenPraktikern lag, die dadurch ins Stolpern kamen, da sie bril-lante oder modische Ratschlge befolgten.

    Ein bemerkenswerter Aspekt von Bens unerreichter Positi-on in seinem Berufsfeld war, da er diese ohne die Enge dergeistigen Arbeit erzielte, die alle Bemhungen an einem ein-zigen Ende zusammenfhrt. Sie war eher ein zuflligesNebenprodukt eines Intellekts, dessen Weite beinahe jedeBeschreibung sprengt. Mit Bestimmtheit kann ich sagen, niejemandem mit einem vergleichbar groen Geist begegnet zusein. Ein buchstblich vollstndiges Erinnerungsvermgen,eine unerschpfliche Begeisterung fr alles Neue und eineFhigkeit, es in einer Form zur Anwendung zu bringen, diemit den gestellten Problemen scheinbar nichts zu tun hatte,machte die Begegnung mit seinen Gedanken in jedemBereich zu einem Vergngen.

    Am allermeisten Erfolg hatte er jedoch hinsichtlich desdritten Imperativs Grozgigkeit. Ich habe Ben als meinenLehrer, meinen Arbeitgeber und meinen Freund kennenge-lernt. In allen Beziehungen und das gilt fr alle seine Stu-denten, Mitarbeiter und Freunde war eine absolut offene,grenzenlose Grozgigkeit der Gedanken, von Zeit undGeist. Falls Bedarf an klaren Gedanken bestand, gab es keinebessere Anlaufstelle. Und falls Ermunterung oder Rat gefor-dert waren, war Ben zur Stelle.

    Walter Lippmann sprach einmal von solchen Menschen,die Bume pflanzen, und solchen, die darunter sitzen wer-den. Ben Graham gehrte zur ersteren Gruppe.

    Nachdruck aus dem Financial Analysis Journal, November/Dezember 1976.

    Vorwort 9

  • erstellt von ciandoerstellt von ciando

    Einfhrung

    Was dieses Buch leisten mchte

    Der Zweck deses Buches ist es, in einer fr Laien verstndli-chen Form Hilfestellungen in der Auswahl und Anwendungeiner Investitionspolitik zu geben. Vergleichsweise wenigwird hier ber die Technik gesagt werden, wie man Wertpa-piere auswertet; das Hauptaugenmerk soll auf Investitions-prinzipien und dem Verhalten des Investierenden lasten. Wirwerden jedoch eine gewisse Anzahl von Vergleichen beson-derer Wertpapiere, die Seite an Seite auf dem Kurszettel derNew Yorker Brse erscheinen, vornehmen, um konkret diewichtigen Elemente vorzufhren, die mit der Auswahl vongewhnlichen Stammaktien verbunden sind.

    Breiteren Raum werden dagegen die historischen Grundla-gen der Finanzmrkte einnehmen, manchmal mehrere Jahr-zehnte zurckreichend. Um intelligent in Wertpapiere zuinvestieren, sollte man mit einem adquaten Wissen ausger-stet sein, wie sich die unterschiedlichen Arten von Bonds undAktien unter wandelnden Bedingungen verhielten vondenen man einigen vermutlich in seiner eigenen Erfahrungwieder begegnen wird. Keine Aussage ist fr die Wall Streetzutreffender und besser anwendbar als die berhmte War-nung von Santayana: Wer sich der Vergangenheit nicht erin-nert, ist dazu verdammt, sie abermals zu durchleben.

  • Unser Text wendet sich an Investoren im Unterschied zuSpekulanten , und unsere erste Aufgabe wird darin bestehen,diese vollkommen vergessene Unterscheidung zu przisierenund hervorzuheben. Wir sollten bereits am Anfang klarstel-len, da dieses kein Buch der Art Wie ich Millionr werdeist. Es gibt keine sicheren und leichten Pfade zu Reichtmernan der Wall Street oder irgendwo sonst. Es drfte angebrachtsein, das soeben Gesagte mit etwas Finanzgeschichte zuuntermalen zumal es mehr als eine Lektion gibt, die mandaraus ziehen kann. Im dramatischen Jahr 1929 pries John J.Raskob, der auf nationaler Ebene wie auch an der Wall Streeteine gewichtige Rolle spielte, die Segnungen des Kapitalis-mus in einem Artikel im Ladies Home Journal mit der ber-schrift Jeder sollte reich sein. Seine These war, da Erspar-nisse von nur $ 15 pro Monat, die in gute Aktien investiertwrden und unter Reinvestition der Dividenden , inner-halb von 20 Jahren ein Vermgen von $ 80 000 bei einer Einlage von nur $ 3 600 erbringen wrden. Wenn der Magnatvon General Motors recht hatte, war dies in der Tat ein einfa-cher Weg, um reich zu werden. Wie annhernd recht hatte er?Unsere grobe Berechnung, die auf angenommenen Investitio-nen in die 30 Industriewerte fut, welche den Dow JonesIndustrial Average (DJIA) ausmachen, kommt zu dem Ergeb-nis, da, htte man Raskobs Anleitung in den Jahren19291941 befolgt, der Bestand des Investors zu Jahresanfang1949 etwa $ 8 500 wert gewesen wre. Meilen liegen zwischendiesem Betrag und den Versprechungen des groen Mannesin Hhe von $ 80 000, und daran lt sich zeigen, wie unzu-verlssig solche optimistischen Vorhersagen und Versicherun-gen sind. Nebenbei sollten wir jedoch betonen, da derGewinn der zwanzigjhrigen Operation mehr als 8 % jhrlichbetragen wrde und das ungeachtet dessen, da der Inve-stor seine Einkufe bei einem DJIA von 300 Punkten angefan-gen und bei einer Bewertung von 177 Punkten beim Endstand

    Einfhrung 11

  • 1948 abgeschlossen htte. Dieses Ergebnis mag als berzeu-gendes Argument fr das Prinzip regelmiger Monatsein-kufe ungeachtet der ueren Bedingungen angesehen wer-den; fr ein Programm also, das als Dollar-Cost-Averagingbekannt ist.

    Da unser Buch sich nicht an Spekulanten wendet, ist esnicht fr diejenigen gedacht, die an der WertpapierbrseTrading betreiben. Die meisten dieser Leute werden vonRanglisten oder anderen berwiegend mechanischen Festle-gungskriterien bestimmt, welches der richtige Moment zumEinkaufen oder Verkaufen ist. Ein Prinzip, das fr beinahealle dieser sogenannten technischen Herangehensweisengilt, lautet, da man kaufen sollte, weil ein Aktienkurs nachoben gegangen ist, und verkaufen sollte, weil er gesunkenist. Das ist das genaue Gegenteil von solidem Geschftssinnberall sonst, und es ist uerst unwahrscheinlich, da es zudauerhaftem Erfolg an der Wall Street fhren kann. In unse-rer eigenen Wertpapiermarkt-Erfahrung und -Beobachtung,die sich ber 50 Jahre erstreckt, ist uns kein einziger Menschbekannt geworden, der lediglich durch das Befolgen desMarktes auf anhaltende Weise zu Geld gekommen wre.Wir gehen so weit, diese Taktik als ebenso trgerisch zubezeichnen, wie sie populr ist. Wir werden an spterer Stel-le das soeben Gesagte belegen aber natrlich sollte diesnicht als Beweis genommen werden , wenn es um einekurze Auseinandersetzung mit der berhmten Dow-Theoriedes Handelns an der Wertpapierbrse geht.

    Seit der ersten Verffentlichung des Intelligenten Investorsim Jahre 1949 sind im Abstand von annhernd fnf Jahrenaktualisierte Neuauflagen erschienen. Bei der berarbeitungder letzten Ausgabe von 1965 haben wir es mit einer Reiheneuer Entwicklungen zu tun. Zu diesen gehren:1. ein beispielloser Anstieg der Zinsstze bei Bonds von

    Emittenten erster Bonitt.

    12 Einfhrung

  • 2. ein Kursrckgang von etwa 35 Prozent bei fhrendenStammaktien bis Ende Mai 1970. Das war der hchste pro-zentuale Rckgang in den letzten 30 Jahren (zahlreicheAktien von schlechterer Qualitt waren noch strkerenRckschlgen unterworfen).

    3. eine andauernde Inflation von Grohandels- und Ver-braucherpreisen, die sogar angesichts eines allgemeinenGeschftsrckgangs 1970 anhielt.

    4. die rapide Entwicklung von Konglomeratbetrieben,Franchise-Operationen und anderen relativ neuenGeschfts- und Finanzpraktiken (diese beinhalten eineAnzahl subtiler Benennungen wie Letter Stock, diestarke Vermehrung von Wertpapieroptionsgaranten, irre-fhrende Namen, die Zusammenarbeit mit auslndischenBanken und mehr Aktienoptionsscheine).

    5. der Bankrott unserer grten Eisenbahngesellschaft,auergewhnliche kurz- und langfristige Schulden meh-rerer frher fest verwurzelter Betriebe und sogar einstrendes Solvenzproblem bei Husern, die an der WallStreet vertreten sind.

    6. das Aufkommen der Leistungswelle im Managementvon Investment Fonds, auch bei einigen bankengeleitetenTrust Fonds, mit beunruhigenden Ergebnissen.

    Diese Phnomene werden wir genau bercksichtigen, undeinige werden nderungen in den Schlufolgerungen undRatschlgen im Vergleich zur letzten Ausgabe erforderlichmachen. Die grundlegenden Prinzipien solider Investitionendrften sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt nicht verndern,aber die Anwendung dieser Prinzipien mu den deutlichenVernderungen in den finanziellen Mechanismen und imKlima angepat werden.

    Die letzte Aussage wurde whrend der Abfassung der vor-liegenden Ausgabe getestet, deren erster Entwurf im Januar

    Einfhrung 13

  • 1971 beendet wurde. Zu dieser Zeit war der DJIA in einerstarken Erholungsphase von seinem 1970-Tiefstand bei 632Punkten und nherte sich einem 1971-Hochstand von 951Punkten an, der von allgemeiner Zuversicht begleitet wurde.Als die letzte Fassung im November 1971 abgeschlossenwurde, ging der Markt einem neuen Tief entgegen, das denIndex auf 797 Punkte drckte und allgemeine Verunsiche-rung ber seine Zukunft auslste. Diese Fluktuationenhaben unsere allgemeine Haltung zur Investitionspolitiknicht erschttern knnen, deren groe Linien seit der erstenAusgabe dieses Buches 1949 unverndert geblieben sind.

    Die Schrumpfungsprozesse auf dem Markt in den Jahren1969-1970 sollten dazu dienen, eine Illusion aus der Welt zurumen, die sich whrend der letzten beiden Jahrzehnte ein-gebrgert hatte. Man hatte nmlich geglaubt, man solle diefhrenden Werte zu jeder Zeit und zu jedem Preis kaufen;damit wrde man letztendlich nicht nur Gewinn erzielen,sondern jeder Kursverlust wrde schnell durch einen neuenAufschwung des Marktes wettgemacht. Das war zu schn,um wahr zu sein. Zu guter Letzt ist der Wertpapiermarktzur Normalitt zurckgekehrt, und zwar in dem Sinne,da sich sowohl Spekulanten als auch Wertpapierinvestorenauf deutliche und langwierige Kursstrze und Wertsteige-rungen ihrer Bestnde einstellen mssen.

    Im Bereich vieler zweit- und drittrangiger Wertpapiere,vor allem krzlich gestrandeter Unternehmen, war der Ein-bruch durch den letzten Markteinbruch katastrophal. Daswar an sich nichts Neues und war in hnlichem Mae auch196162 passiert, aber das Neue lag darin, da manche derInvestment Fonds ein starkes Engagement in hochspekula-tive und offensichtlich berbewertete Aktien dieser Artgettigt hatten. Es sieht so aus, als mte nicht nur derAnfnger gewarnt werden, da Enthusiasmus, der fr dieVollbringung groer Leistungen in anderen Bereichen ntig

    14 Einfhrung

  • sein mag, an der Wall Street unvermeidlich zum Desasterfhrt.

    Die Hauptfrage, mit der wir uns zu befassen haben wer-den, erwchst aus dem riesigen Anstieg der Zinsen auf hoch-qualitative Werte. Seit Ende 1967 konnte der Investor zwei-mal so viel Einkommen aus solchen Werten erzielen, als er esvon den Dividenden aus reprsentativen Stammaktienkonnte. Anfang 1972 betrug das Einkommen aus erstklassi-gen Bonds 7,19 Prozent gegenber nur 2,76 Prozent ausIndustriewerten. (Die Vergleichsziffern fr das Jahr 1964 lau-ten 4,40 und 2,92 Prozent.) Es ist kaum vorstellbar, da beider Erstfassung dieses Buches 1949 die Dinge noch beinaheumgekehrt lagen: Die Bonds brachten nur 2,66 Prozent unddie Wertpapiere 6,82 Prozent. In vorausgegangenen Ausga-ben haben wir durchgngig fr den konservativen Investorgefordert, da mindestens 25 Prozent des Portfolios inStammaktien angelegt werden sollten, und wir habengewhnlich einer 50:50-Aufteilung zwischen beiden dasWort geredet. Jetzt mssen wir berlegen, ob der gegenwr-tige groe Vorteil von Bondertrgen gegenber Aktienertr-gen eine ganz bondgesttzte Investitionspolitik begnstigenknnte, ehe eine ausgewogenere Beziehung wieder zurck-kehrt, wovon wir ausgehen. Natrlich wird die Dauer derInflation von groer Wichtigkeit fr unsere Entscheidungsein. Ein Kapitel wird diese Frage aufgreifen und vertiefen.

    In der Vergangenheit haben wir eine grundstzlicheUnterscheidung zwischen zwei Typen von Investorengetroffen, an die sich das Buch wandte den defensivenund den zupackenden. Der defensive oder passive Inve-stor ist darauf bedacht, schwerwiegende Fehler oder Verlu-ste zu vermeiden. Sein zweites Ziel ist das Fernhalten vonAnstrengung, rger und der Notwendigkeit, Entscheidun-gen treffen zu mssen. Der bestimmende Zug des zupacken-den oder auch aktiven oder aggressiven Investors ist sein

    Einfhrung 15

  • Wille, Zeit und Sorgfalt auf die Auswahl der Wertpapiere zuverwenden, die stabil und attraktiver als der Durchschnittsind. Viele Jahrzehnte lang konnte ein zupackender Investordieser Art aufgrund seiner besonderen Fhigkeiten undMhen eines guten Gewinns sicher sein, der durchschnitt-lich ber dem des passiven Investors lag. Wir haben so unse-re Zweifel, ob unter den heutigen Bedingungen der aktiveInvestor von einem automatisch hheren Extragewinn aus-gehen kann. Aber das nchste Jahr oder die folgenden Jahremgen bereits wieder total unterschiedlich sein. Demnachsollten wir auch weiterhin den Mglichkeiten zupackendenInvestierens unsere Aufmerksamkeit widmen, wie sie infrheren Zeiten existierten und auch mglicherweise wie-derkehren werden.

    Lange Zeit war die Meinung vorherrschend, die Kunsterfolgreichen Investierens lge in der Auswahl derjenigenBranchen, welche die grten Wachstumsaussichten fr dieZukunft bieten, um dann innerhalb dieser Industriezweigedie vielversprechendsten Unternehmen herauszufinden. Sofanden kluge Investoren oder ihre klugen Berater vor lan-ger Zeit die groen Wachstumsmglichkeiten der Compu-terindustrie insgesamt und von International BusinessMachines (IBM) im besonderen heraus. Und hnlich verhieltes sich bei einer Anzahl von wachsenden Industrien undUnternehmen. Aber das ist nicht so leicht, wie es rckschau-end immer aussieht. Um diesen Punkt eingangs zu erlu-tern, fgen wir hier einen Absatz ein, den wir zum erstenMal in der Ausgabe von 1949 verwendeten:

    Ein solcher Investor kann zum Beispiel ein Kufer vonLufttransportaktien sein, weil er glaubt, da ihre Zukunftsogar noch glnzender ist, als der Markt dies bereits erken-nen lt. Fr diese Art von Investor wird der Wert unseresBuches mehr in seinen Warnungen vor den Fallen liegen, diemit dieser am meisten begnstigten Investitionstechnik ver-

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  • bunden sind, als in einer positiven Technik, die ihm auf sei-nem Weg helfen wird.

    Die Fallen haben sich in der von uns genannten Branche alsbesonders gefhrlich erwiesen. Natrlich war es leicht vor-herzusagen, da der Lufttransport ber die Jahre in spekta-kulrer Weise ansteigen wrde. Daher wurden solche Aktienzu einer beliebten Wahl der Investmentfonds. Aber trotz derAusdehnung des Gewinns die sogar schneller war als in derComputerindustrie zeichnete eine Verbindung von techno-logischen Schwierigkeiten und berexpansion fr Fluktua-tion und sogar verheerende Gewinnstatistiken verantwort-lich. Im Jahr 1970 bescherten die Fluggesellschaften ihrenAktionren einen Verlust von etwa $ 200 Millionen, trotzeines erneuten Hochs in den Flugstatistiken (Verluste hatte esauch 1945 und 1961 gegeben). Die Wertpapiere dieser Unter-nehmen zeigten 196970 wieder einmal einen strkerenRckgang als der allgemeine Markt. Der Bericht zeigt, dasogar die hochbezahlten Vollzeitexperten der Fonds vlligfalsch lagen, was die ziemlich kurzfristige Zukunft einerbedeutenden und sehr handfesten Industrie anbelangt.

    Whrend andererseits die Investmentfonds substanzielleInvestitionen und substanzielle Gewinne mit IBM hatten, hin-derte sie die Verbindung von offenkundig hohem Preis undder Ungewiheit hinsichtlich der Wachstumsrate daran, mehrals 3 Prozent ihrer Fonds in diesen Erfolgstrger zu investie-ren. Der Erfolg dieser exzellenten Auswahl war zudem frdas Gesamtergebnis keineswegs ausschlaggebend. Des weite-ren scheinen sich viele wenn nicht die meisten ihrer Inve-stitionen in andere Unternehmen der Computerbranche alsIBM als unprofitabel erwiesen zu haben. Aus diesen beidenbreiten Beispielen ziehen wir fr unsere Leser zwei Lehren:1. Offensichtliche Wachstumsaussichten in einem Geschfts-

    zweig betragen sich nicht automatisch in Gewinne frdie Investoren.

    Einfhrung 17

  • 2. Die Experten haben keine Patentrezepte fr die Aus-wahl und Konzentration auf die vielversprechendstenGesellschaften in den vielversprechendsten Industrie-zweigen.

    In seiner finanziellen Karriere als Fondsmanager hat der Ver-fasser diese Herangehensweise nicht befolgt, und er kanndenen, die sie ausprobieren mchten, weder besondere Rat-schlge noch viel Ermunterung zukommen lassen.

    Was wird dann die Absicht dieses Buches sein? UnserHauptziel wird es sein, den Leser auf die Gebiete mglichergrober Irrtmer zu stoen und Verhaltensregeln zu ent-wickeln, mit denen er gut leben kann. Wir werden etwas zurPsychologie des Investors sagen, da sein grtes Problem und sogar sein grter Feind er selbst sein kann. (Der Feh-ler, werter Leser, liegt nicht an uns und auch nicht in ihrenWertpapieren aber in uns selbst...) Wie wahr das ist, hatsich ber die letzten Jahrzehnte immer mehr gezeigt, da es frkonservative Investoren ntiger geworden ist, Stammaktienzu erwerben und sich damit nolens volens der Aufregungund den Verfhrungen des Werpapiermarktes auszusetzen.Anhand von Argumenten, Beispielen und Warnungen hoffenwir unseren Lesern zu helfen, eigene geistige und emotionaleVerhaltensformen gegenber ihren Investitionsentscheidun-gen zu entwickeln. Wir haben sehen knnen, da viel mehrGeld von gewhnlichen Menschen verdient und behaltenwurde, die das richtige Temperament fr den Investitionspro-ze besaen als von solchen, denen diese Qualitt fehlte,obwohl sie ein auergewhnliches Wissen ber Finanzen,Buchhaltung und die Regeln des Wertpapiermarktes besaen.

    Zustzlich hoffen wir, dem Leser eine Tendenz zum Mes-sen oder Quantifizieren zu vermitteln. Fr 99 von 100 Aktienknnten wir sagen, da sie zu einem gewissen Preis gnstiggenug sind, um einzukaufen, und sie zu einem anderen Preis

    18 Einfhrung

  • so teuer sind, da sie verkauft werden sollten. Die Gewohn-heit, das, was bezahlt wird, zu dem in Vergleich zu setzen,was geboten wird, ist ein unschtzbar wichtiger Zug imInvestitionsgeschft. In einem vor ein paar Jahren in einerFrauenzeitschrift erschienen Artikel haben wir die Leserin-nen dazu ermuntert, Wertpapiere so zu kaufen, wie sieLebensmittel einkaufen, nicht wie Parfm. Die wirklich ent-setzlichen Verluste der letzten Jahre (und vieler hnlicherEreignisse zuvor) kamen aus jenen Wertpapiergeschften,wo der Kufer verga zu fragen: Wieviel?

    Im Juni 1970 knnte die Frage Wieviel? mit der magi-schen Zahl 9,4 Prozent beantwortet werden, dem Ertrag, dermit neuen Angeboten von erstklassigen Anleihen erzieltwerden konnte. Diese Zahl ist jetzt auf 7,3 Prozent gefallen,aber auch dieser Gewinn verleitet uns zu der Frage: Warumsollte ich eine andere Antwort geben? Aber es gibt anderemgliche Antworten, und diese mssen sorgsam in Betrachtgezogen werden. Nebenbei gesagt mssen wir Autor wieLeser , wie oben bereits ausgefhrt, darauf gefat sein, damglicherweise 19731977 ganz andere Bedingungen herr-schen werden.

    Wir werden daher ein recht detailliertes Programm frWertpapierinvestitionen vorlegen, das zum Teil fr beideTypen von Investoren gedacht ist und zum Teil nur fr denzupackenden Typ. Erstaunlicherweise werden wir als eineunserer Hauptempfehlungen unseren Lesern den Rat geben,sich auf Aktien zu beschrnken, die nicht weit ber ihremBuchwert verkauft werden. Der Grund fr diesen scheinbarberholten Rat ist zum einen praktischer, zum anderen psy-chologischer Natur. Die Erfahrung hat uns gezeigt, da derKufer solcher Aktien wegen der zu hohen Zahl von wach-senden Unternehmen, die ein mehrfaches ihres Aktivverm-gens wert sind, zu sehr von den Launen und Fluktuationendes Wertpapiermarktes abhngig wird. Im Gegensatz dazu

    Einfhrung 19

  • kann ein Aktieninvestor, der zum Beispiel Anteile an Unter-nehmen der Versorgungsbetriebe erworben hat, sich stets alsTeilhaber eines soliden und expandierenden Geschftsfhlen unabhngig davon, was der WertpapiermarktGegenteiliges aussagen mag. Das Endergebnis einer solchenkonservativen Investitionspolitik ist erfolgversprechenderals aufregende Abenteuer in den glitzernden und gefhrli-chen Felder erhofften Wachstums.

    Die Kunst des Investierens hat eine Eigenschaft, die nichtallgemein geschtzt ist. Eine lobenswertes, aber unspekta-kulres Ergebnis kann von einem Laieninvestor mit einemMinimum an Aufwand und Fachkenntnis erzielt werden;um aber diesen leicht erreichbaren Standard zu verbessern,bedarf es viel praktischer Erfahrung und mehr als nur eineSpur von Weisheit. Wenn Sie wirklich versuchen, nur einwenig Extrawissen und Klugheit in ihrem Investitionspro-gramm zum Einsatz zu bringen, um etwas bessere als nor-male Ergebnisse zu erreichen, werden Sie mglicherweiseherausfinden, da Sie schon schlechtere Entscheidungengetroffen haben.

    Denn knnte jeder die Leistung des Marktdurchschnittserreichen, indem er lediglich eine reprsentative Liste ein-kauft und hlt, und so she es nach einer vergleichsweiseeinfachen Angelegenheit aus, den Durchschnitt zu schla-gen. Es ist aber nun einmal so, da der Anteil von klugenKpfen, die dieses versuchen und Schiffbruch erleiden,erstaunlich gro ist. Auch die meisten Investment Fonds mitallen ihren erfahrenen Mitarbeitern haben im Laufe der Jahrenicht so viel Erfolg gehabt wie der allgemeine Markt. Mitdem Vorstehenden verbunden ist der Bericht der verffent-lichten Wertpapiermarktvorhersagen der Broker-Huser,denn es gibt starke Anzeichen dafr, da ihre berechnetenVorhersagen sogar weniger verllich waren als das Werfeneiner Mnze.

    20 Einfhrung

  • Als wir dieses Buch verfaten, versuchten wir dieseHauptschwierigkeit des Investierens im Hinterkopf zubehalten. Die Vorzge einer einfachen Portfolio-Politik wur-den dargelegt der Erwerb von erstklassigen Bonds undeiner Vielzahl von fhrenden Aktien. Jeder Anleger kann siemit Hilfe von etwas fachlichem Rat zur Anwendung brin-gen. Das Abenteuer jenseits dieses sicheren und solidenGrunds wurde fr riskant und mit wechselnden Gefahrenverbunden erklrt, vor allem auf dem Gebiet des Tempera-ments. Ehe ein Anleger solches Terrain betritt, sollte er mitsich selbst und mit seinen Beratern ein Vertrauensverhltnisbesitzen vor allem hinsichtlich der Frage, ob sie eine klareVorstellung von den Unterschieden zwischen Investitionund Spekulation und zwischen Marktpreis und zugrunde-liegendem Wert haben.

    Eine konzentrierte Vorgehensweise beim Investieren, diesich stark auf das Prinzip der Sicherheitsmarge sttzt, kannansehnliche Ergebnisse erzielen. Die Entscheidung fr denVersuch, anstelle der sicheren Frchte defensiver Geldanlagemehr zu erreichen, sollte hingegen nicht ohne ein hohes Maan Selbstanalyse getroffen werden.

    Zum Abschlu ein Blick zurck. Als der jugendliche Ver-fasser im Juni 1914 die Wall Street betrat, hatte niemand eineVorstellung von dem, was das kommende halbe Jahrhundertmit sich bringen wrde. Der Wertpapiermarkt zeigte nichteinmal Anzeichen dafr, da zwei Monate spter ein Welt-krieg ausbrechen und die New Yorker Brse schlieenwrde. Heute, im Jahre 1972, sind die USA das reichste undmchtigste Land der Erde, belastet jedoch von allen mgli-chen schweren Problemen und eher furchtsam als zuver-sichtlich, was die Zukunft anbelangt. Wenn wir die ameri-kanische Investitionserfahrung betrachten, knnen wir ausden letzten 57 Jahren etwas ersehen, was uns Vertrauengeben kann. Durch alle unvorhersehbaren Wechselflle der

    Einfhrung 21

  • Geschichte, so erderschtternd und unvorhergesehen sieauch waren, hatte die Wahrheit Bestand, da solide Anlage-prinzipien im allgemeinen zu soliden Ergebnissen fhren.Wir mssen unser Tun von der berzeugung leiten lassen,da dies auch in Zukunft so sein wird.

    Notiz fr den Leser: Dieses Buch enthlt keine allgemeingl-tigen Regeln fr das Verhalten von Sparern und Investoren;es handelt lediglich von dem Teil ihres Vermgens, den sie inhandelbare (oder verkufliche) Wertpapiere, also in Bondsoder Aktien, anlegen mchten. Folglich werden wir auch sowichtige Themen wie Ersparnisse oder Termingelder, Spar-und Darlehenskonten, Lebensversicherungen, Jahresrentenund Hypotheken oder Equity-Besitz nicht in unsere Betrach-tungen mit einbeziehen. Der Leser sollte sich vergegenwrti-gen, da immer dann, wenn er das Wort jetzt oder Ent-sprechendes im Text liest, damit das Jahresende 1971 oderAnfang 1972 gemeint ist.

    22 Einfhrung

  • Intelligent investieren

  • Anleger und Spekulant

    Dieses Kapitel wird einen groben berblick ber dieKonzeption unseres Buches geben. Unser Anlagekonzeptrichtet sich insbesondere an den nicht-professionellen, indi-viduellen Anleger.

    Was versteht man nun unter Anleger? Im Buch wird die-ser Terminus technicus immer als Gegenpol zum Spekulan-ten aufgefat. Schon 1934 versuchten wir in unserem Lehr-buch: Security Analysis eine genaue Definition fr dieunterschiedlichen Anlagekonzeptionen dieser beiden Inve-storengruppen zu finden: Eine Anlage ist eine Investition,die aufgrund einer Analyse fr das Anlageobjekt Sicherheitverspricht sowie eine angemessene Rendite zusichert. Alleanderen Konzeptionen mssen als spekulatives Engagementangesehen werden.

    Obwohl wir diese Definition ber 40 Jahre beibehaltenhaben, ist es einmal interessant, darauf hinzuweisen, welchunterschiedlichen Inhalt der Begriff Anleger in dieser Zeitaufzuweisen hatte.

    Nach dem groen Brsenkrach von 19291932 wurden alleAktien als spekulativ betrachtet. Damals muten wir unsgegen die Ansicht verteidigen, unsere Definition dehne denBegriff Anleger zu weit aus. Heute mssen wir uns gegen-ber der anderen Ansicht verteidigen, die heute fast jedeInvestition an der Brse als Anlage charakterisiert.

    KAPITEL

    1

  • Der Unterschied zwischen der Anlage in Aktien und demSpekulieren mit Aktien war frher allgemein akzeptiert, unddie heutige undifferenzierte Betrachtungsweise gibt Anlazur Beunruhigung.

    Wir haben oft darauf hingewiesen, da Wall Street wesent-lich strker auf den Unterschied aufmerksam machen sollte,andernfalls werde die Brse eines Tages sicherlich selbst frdie schweren spekulativen Verluste verantwortlich gemacht.Ironischerweise sind gerade die groen Verluste einiger Bro-kerhuser in der letzten Zeit auf spekulative Engagementsauf eigene Rechnung zurckzufhren. Wir erwarten, dasich der Leser dieses Buches selbst ein wahrheitsgetreuesBild ber die Risiken machen kann, die in Aktien stecken,aber auch einen Eindruck ber die Chancen gewinnen wird,die in der Aktienanlage vorhanden sind. Beides, Risiko wieChance, mu vom Anleger in seine Kalkulationen einge-schlossen werden.

    Sicherlich wird jetzt auch klar, da nicht mehr lnger einesimple Anlageregel als gltig angesehen werden kann, dieeinfach besagt, da man einige reprsentative Aktien kaufenkann und dann nur zu warten braucht. Meist mu der Anle-ger heute ein spekulatives Fieber in seinen Engagementsmitbercksichtigen. Seine Aufgabe besteht nun darin, denAnteil dieses spekulativen Bereichs so gering wie mglich zuhalten und finanziell wie psychisch auf negative Anlage-ergebnisse vorbereitet zu sein, und zwar solche sowohl lang-fristiger wie kurzfristiger Natur.

    Zwei Bemerkungen noch zur Spekulation per se: Spekula-tion an sich ist weder illegal, unmoralisch noch besondersertragreich fr die meisten. Wichtiger: Spekulation ist untervolkswirtschaftlichen Gesichtspunkten absolut notwendig.Es gibt genauso eine intelligente Spekulation wie es einintelligentes Anlegen gibt. Aber es gibt auch eine ganzeAnzahl von sehr zweifelhaften Spekulationsarten. Dazu

    26 Intelligent investieren

  • zhlen unter anderem: (1) Spekulieren, wenn man der Mei-nung ist, man legt an; (2) Spekulieren, wenn die Fhigkeitund das Wissen dazu fehlen; (3) ein greres Risiko bei derSpekulation einzugehen, als man auf sich nehmen kann.Unserer Ansicht nach sollte jeder, der Aktien auf Kreditkauft, sich darber im klaren sein, da er spekuliert.

    Und jeder, der eine sogenannte Hot new Issue erwirbt,sollte sich darber im klaren sein, da er entweder speku-liert oder eine Wette eingeht. Spekulation ist immer faszinie-rend und macht eine Menge Spa, wenn man vorn liegt.Wenn sie Ihr Glck als Spekulant versuchen wollen, legensie etwas fr diesen Zweck, je weniger um so besser, auf dieSeite. Vergrern sie niemals die Spekulationssumme, nurweil sie im Moment Gewinne machen. Vermischen sie nie-mals Ihr Spekulationsgeld mit dem Geld, das sie fr Anlage-zwecke vorgesehen haben!

    Anlageergebnisse, mit denen der defensive Anleger rechnen sollte

    Wir haben den defensiven Anleger schon als denjenigendefiniert, der berwiegend an Sicherheit interessiert ist undkeinen rger haben mchte. Welche Strategie sollte er nunverfolgen und welche Rendite kann er unter normalenBedingungen erwarten?

    1. Was wir dazu vor sieben Jahren sagten

    Wir empfahlen damals, da der Anleger seine Engagementsaufteilen sollte auf erstklassige Anleihen und Aktien vonfhrenden Gesellschaften; da der Anteil, der in Anleihenangelegt ist, niemals weniger als 25 % und mehr als 75 %ausmachen sollte. Der Rest sollte in Aktien angelegt werden,

    Anleger und Spekulant 27

  • wobei der Normalfall 50 : 50 sein sollte. Anpassungen solltendann vorgenommen werden, wenn die Brse Vernderun-gen von mehr als 5 % verursacht hat, so da die Verteilungwieder 50 : 50 ausmacht.

    Als Alternative empfahlen wir auch, den Aktienanteil auf25 % abzubauen, wenn man den Eindruck hat, da derMarkt zu gefhrlich sei, und die umgekehrte Verhaltens-weise, wenn niedrige Kurse auf eine relativ hohe Attrakti-vitt des Marktes hindeuten.

    1965 konnte der Anleger etwa 4 1/2 % mit erstklassigenAnleihen verdienen und 3 1/4 % mit guten, steuerfreien Pa-pieren. Die Dividendenrendite von Aktien fhrenderGesellschaften betrug nur etwa 3,2 % (Dow Jones 892). DieseTatsache und noch einige andere Faktoren empfahlen Vor-sicht. Wir nahmen an, da bei normalem Kursniveau derAnleger eine Dividendenrendite von 3 1/2 bis 4 1/2 % auf seinAktienengagement erzielen sollte. Dazu sollte noch einregelmiger Kursgewinn in gleicher Hhe kommen, derihm eine durchschnittliche Verzinsung von 7 1/2 % pro Jahrgarantieren sollte. Die 50 %ige Aufteilung zwischen Aktienund Anleihen gab ihm eine Rendite vor Steuern von 6%. DerAktienanteil sollte dem Anleger auch einen gewissen Schutzvor der inflatorischen Entwicklung bieten.

    Wir wollen noch darauf hinweisen, da zwischen 1949und 1964 der Anstieg der Brsenkurse wesentlich strkerwar, und zwar wesentlich mehr als 10 % p. a. im Aktien-durchschnitt. Im allgemeinen war man der Ansicht, da hn-liche Resultate auch in Zukunft ohne Schwierigkeiten erziel-bar seien. Nur wenige Leute waren bereit, ernsthaft die Mg-lichkeit in Betracht zu ziehen, da die hohen Zuwachsratender Vergangenheit nicht weiter gute Resultate, sondern sehrviel schlechtere in der Zukunft bedeuteten.

    28 Intelligent investieren

  • 2. Was ist seit 1964 geschehen?

    Die strkste Vernderung seit 1964 dokumentiert sich darin,da heute die Rendite von erstklassigen Anleihen eineRekordhhe erreicht hat. Whrend 1964 die Rendite beiguten Industrieobligationen 4 1/2 % betrug, liegt sie heutebereits wesentlich ber 7 1/2 %. In der Zwischenzeit stiegzwar auch die Dividendenrendite deutlich an, aber zumjetzigen Zeitpunkt (Dow Jones 900) betrgt sie nur 3,5 %gegenber 3,2 % in 1964. Die Vernderung der Anleihenren-dite fhrte in der Spitze zu Kursverlusten bei mittelfristigenPapieren (20 Jahre Laufzeit) von 40 %.

    Im Jahre 1964 diskutierten wir ausfhrlich die Mglich-keit, da die Aktienkurse wohl zu hoch seien und es imEndeffekt zu einem strkeren Kursrckgang kommenwrde; aber wir hielten es nicht fr mglich, da hnlicheVerluste in erstklassigen Anleihen auftreten wrden. Wirwiesen zwar darauf hin, da die Kurse von Anleihen imZuge von Vernderungen des Zinssatzes Schwankungenaufweisen knnten, aber eine derartige Entwicklung, wie siebisher eingetreten ist, haben wir keinesfalls vorausgesehen.

    Tatsache ist, da, wenn der Anleger irgendeinen Betrag am Jahresende 1964 beim Dow Jones von 874 in Aktien ange-legt htte, er einen kleinen Gewinn im Jahre 1971 aufgewiesenhaben wrde. Selbst beim Tiefstkurs des Jahres 1970 von 631wre sein Verlust immer noch geringer gewesen, als wenn erder Aktienanlage einen Kauf von Renten vorgezogen htte.

    Wenn er auf der anderen Seite sein Geld einfach in Spar-briefen oder auf dem Sparkonto angelegt htte, wre seinGewinn wesentlich hher gewesen, trotz Inflation, undobwohl Aktien angeblich ein so guter Schutz gegen infla-tionre Entwicklungen sind.

    Auch dieses Beispiel hat noch einmal mit aller Deutlichkeitklargemacht, da die Entwicklung von Wertpapierkursen so

    Anleger und Spekulant 29

  • auerordentlich schwierig vorhersehbar ist. Fast immerschwankten in der Vergangenheit die Rentenkurse wenigerals die Aktienkurse, und im allgemeinen konnte der AnlegerAnleihen erwerben, ohne ein allzu groes Kursrisiko einzu-gehen.

    Es gab einige wenige Ausnahmen, und die Zeit nach 1964war wohl eine solche Ausnahme. Wir werden darauf noch ineinem spteren Kapitel zurckkommen.

    3. Erwartungen und Anlagepolitik gegen Ende 1971, Anfang 1972

    Gegen Ende 1971 war es mglich, etwa 8 % Zinsen auf gutemittelfristige Industrieanleihen zu erzielen (5,7% auf steuer-freie ffentliche Anleihen). Auf Bundesanleihen mit einerRestlaufzeit von 5 Jahren konnte der Anleger eine Renditevon 6 % realisieren. Im Jahre 1971 betrug die Dividendenren-dite auf die Dow-Jones-Aktien nur 3,5%.

    Nehmen wir an, da die grundlegende Entscheidung auchheute noch darin besteht, wie man die Anlagemittel auf Akti-en und auf Renten verteilt. Welche Politik sollte der Anlegernun verfolgen, wenn er weder einen deutlichen Aufwrts-trend noch eine Abwrtsbewegung erkennen kann?

    Nun, wenn es keine wesentliche Vernderung gibt, wirdder Anleger zumindest mit einer Dividendenrendite von 3,5% rechnen knnen. Auch ein jhrlicher durchschnittlicherKapitalzuwachs von 4% sollte erzielbar sein. Wie wir spternoch zeigen werden, basiert dieser Zuwachs im wesentli-chen darauf, da die Gesellschaften Investitionen aus unver-teilten Gewinnen vornehmen.

    Vor Steuern betrgt die Rendite dann 7,5 %, etwas wenigerals die Zinsen, die man bei einer Anlage in Anleihen erzielenknnte. Nach Steuern ergbe sich eine durchschnittlicheRendite von 5,3 %.

    30 Intelligent investieren

  • Diese Erwartungen sind wesentlich ungnstiger fr dieAktienanlage im Vergleich zur Anlage in Anleihen, als es imJahre 1964 der Fall war. (Diese Schlufolgerung ist unwei-gerlich ein Resultat der Tatsache, da die Renditen vonAnleihen sich wesentlich deutlicher aufwrts bewegt habenals Dividendenrenditen.) Niemals sollte auerdem die Tatsa-che vergessen werden, da Zinsen und Kapitalrckzahlungbei Anleihen gut gesichert und deshalb wesentlich zuverls-siger sind als Dividenden und Kursgewinne. Konsequenter-weise sind wir daher im Jahre 1971 zu der Aussagegezwungen, da eine Anlage in Anleihen derjenigen inAktien vorzuziehen ist.

    Aber natrlich knnen wir nicht 100prozentig sicher sein,da Anleihen tatschlich einen besseren Anlageerfolg aufwei-sen werden als Aktien. Sicherlich ist die Inflation eines derwichtigsten Gegenargumente. Aber wie wir im nchstenKapitel sehen werden, spricht unsere in mehr als einem Jahr-hundert gemachte Erfahrung in den USA mit der Inflationnicht dafr, da bei den heutigen Renditedifferenzen zwi-schen Aktien und Anleihen bereits Aktien vorzuziehen wren.

    Obwohl wir es fr weitgehend unwahrscheinlich halten,besteht die Mglichkeit, da es zu einer Beschleunigung derInflationsrate kommt und damit in der einen oder anderenForm Aktien im Vergleich zu Festverzinslichen eine deutli-che Prioritt genieen werden. Es gibt weiterhin die Mg-lichkeit, die auch relativ unwahrscheinlich ist, da die Renta-bilitt der Unternehmen in den nchsten Jahren (ohne wach-sende Inflationsraten) so stark ansteigt, da deutliche Kurs-anstiege gerechtfertigt wren.

    Mglich ist weiterhin, da wir einen erneuten spekula-tiven Kursanstieg an der Brse sehen, und zwar ohne Recht-fertigung durch fundamentale Faktoren. Alle diese Eventua-litten knnten dazu fhren, da der Anleger eine 100pro-zentige Anlage in Anleihen zu bereuen htte.

    Anleger und Spekulant 31

  • Nach dieser kurzen Diskussion verstrken wir noch ein-mal unsere Empfehlung, da der Anleger jederzeit einenbedeutenden Anteil seiner Engagements in Anleihen undgleichfalls einen bedeutenden Anteil in Aktien halten sollte.

    Da zum heutigen Zeitpunkt die Gesamtrendite bei Aktienund Obligationen gleich ist, drfte sich die Rendite auf seineEngagements kaum verndern, unabhngig davon, welcheAufteilung er nun vornimmt. Wie wir oben ausgerechnethaben, sollte der Ertrag 7,8 % vor Steuern und 5,5 % nachSteuern betragen. Die Rendite drfte im allgemeinen hherliegen als die, die der konservative Anleger meistens in derVergangenheit erzielt hat. Diese Rendite sieht sicherlichnicht interessant aus im Vergleich zu den 14 %, die Aktien inden letzten 20 Jahren seit 1949 geboten haben. Aber wir soll-ten uns daran erinnern, da zwischen 1949 und 1969 derKursdurchschnitt des Dow Jones sich mehr als verfnffachthat, whrend sich Gewinne und Dividenden nur verdoppelthaben. Damit wird klar, da der grte Teil der starkenKurssteigerungen auf Vernderungen in der Mentalitt derAnleger zurckzufhren ist und nicht auf fundamentaleVernderungen bei den Unternehmen.

    Bei der Diskussion ber die Zusammensetzung desAktiendepots des konservativen Anlegers haben wir berAktien gesprochen, die im Dow-Jones-Aktienindex enthal-ten sind. Das heit nun nicht, da diese Aktien jetzt fr eineAnlage in Betracht kmen. Es gibt im Moment eine ganzeReihe anderer Qualittspapiere, die durchaus mit den Dow-Jones-Werten konkurrieren knnen; unter anderem auch eingroer Teil der Energieversorgungswerte.

    Aber die wichtigste Aussage, die wir hiermit machen wol-len, ist die, da die Anlageresultate des defensiven Anlegerskaum vom Durchschnittsergebnis irgendeines Index abwei-chen werden; oder besser gesagt, weder der Anleger nochsein Berater knnen mit hinreichender Genauigkeit sagen,

    32 Intelligent investieren

  • wie seine Anlageergebnisse vom Durchschnitt abweichenwerden.

    Natrlich liegt die Kunst einer guten Anlagepolitik darin,gerade die Aktien fr die Anlage auszusuchen, die ein ber-durchschnittliches Ergebnis bringen. Aber wir halten es frziemlich unwahrscheinlich, da der defensive Anleger,genauso wie der Manager groer Investmentfonds, ein ber-durchschnittliches Ergebnis wird erzielen knnen. Wir wer-den auf die Begrndung fr diese Annahme noch in einemspteren Kapitel zurckkommen.

    Ein Beispiel, das wir jetzt anfhren, scheint auf den erstenBlick das Gegenteil zu beweisen: Zwischen Dezember 1960und Dezember 1970 stieg der DJIA von 616 auf 839 oder um36 %. Aber in der gleichen Periode verbesserte sich der str-ker und breiter gewichtete Standard & Poors-Index (500Aktien) von 58.11 auf 92.15 oder um 58 %. Augenscheinlicherzielte die zweite Gruppe ein besseres Ergebnis als die erste.Aber wer htte im Jahre 1960 diese Entwicklung so exaktvoraussagen knnen? All das scheint zu beweisen, da mannur uerst selten genaue Voraussagen ber Kursvernde-rungen machen kann, ob es sich nun um absolute Vernde-rungen oder um relative handelt.

    Wir wiederholen hier noch einmal: Der Anleger kann nichtdadurch berdurchschnittliche Anlageerfolge erzielen, daer Neuemissionen kauft und mit diesen einen kurzfristigenAnlageerfolg erzielt. Langfristig gesehen ist oftmals dasGegenteil der Fall. Der defensive Anleger mu sich aufAktien von Gesellschaften beschrnken, die ihre Ertragskraftseit Jahren bewiesen haben und eine gute Bilanzstruktur auf-weisen. Jeder gute Wertpapieranalytiker kann ihm einegengende Anzahl von Gesellschaften dieser Kategorienennen.

    Aggressive Anleger knnen zwar andere Aktienkategorienerwerben, aber die Aktien sollten eine attraktive Anlagebasis

    Anleger und Spekulant 33

  • aufweisen und aufgrund einer intelligenten Analyse gekauftwerden.

    Es gibt noch einige andere Anlagekonzepte fr den defen-siven Anleger, die wir hier kurz erwhnen wollen. Einmalkann er Anteile an etablierten Investmentfonds erwerben.Weiterhin kann er, wenn sein Depot die entsprechendeGre aufweist, die Dienste einer anerkannten Vermgens-verwaltungsgesellschaft in Anspruch nehmen. Beide Kon-zepte werden ihm eine professionelle Verwaltung seines Ver-mgens ermglichen. Das dritte Konzept nennt sich Dollar-Cost-Averaging. Im Rahmen dieses Konzepts legt der Anle-ger jeden Monat oder jedes Quartal die gleiche Summe inAktien an. Er erwirbt dann mehr Aktien, wenn die Kurseniedrig sind, und umgekehrt kauft er nur wenige Anteile,wenn das Kursniveau sich verbessert hat. Es kann sein, daer am Ende einen sehr gnstigen Durchschnittskurs fr seinAktienengagement erzielt hat. Man nennt diese Anlagestra-tegie auch Formula-Investing. Wir werden spter nocheinmal darauf zurckkommen.

    Ergebnisse, die der aggressive Anleger erwarten sollte

    Der aggressive Anleger wird sicherlich bessere Ergebnisseerzielen wollen als der mehr defensiv orientierte Wert-papiersparer. Aber zuallererst mu er darauf achten, daseine Ergebnisse nicht schlechter aussehen! Es gehrt nichtsehr viel dazu, einige Arbeit und Energie in die Analyse derWertpapiermrkte zu stecken und anstelle eines Gewinnesam Ende mit einem hohen Verlust dazustehen. Somit ist esunerllich, erst einmal ein genaues Konzept aufzustellen.

    Zuerst wollen wir uns einmal die Konzeptionen ansehen,mit denen Anleger und Spekulanten in der Vergangenheit

    34 Intelligent investieren

  • versucht haben, ein berdurchschnittliches Ergebnis zuerzielen:

    1. Trading

    Hierunter versteht man gewhnlich, Aktien in einen Auf-wrtstrend hinein zu kaufen und sie dann zu verkaufen,wenn der Abwrtstrend eingesetzt hat. Die Aktien, die frdiese Operationen ausgesucht werden, haben sich meistbereits schon besser als der Aktienindex entwickelt. Einekleine Anzahl von Anlegern engagiert sich auch in Termin-verkufen. Dabei verkaufen sie Aktien, die sie noch nichtbesitzen, aber bis zum Abschlu der Operation leihen kn-nen. Diese Anleger rechnen damit, da sie bei einem erwar-teten starken Kursverfall die Aktien billiger zurckkaufenknnen, als sie sie verkauft haben. Der Gewinn besteht inder Differenz.

    2. Auswahl unter kurzfristigen Aspekten

    Darunter versteht man, Aktien von Gesellschaften zu kau-fen, die zum Beispiel von der Nachricht ber eine Dividen-denerhhung oder sonstigen kurzfristigen Ergebnissen pro-fitieren knnten.

    3. Auswahl aufgrund langfristig wirksamer Faktoren

    Hierbei legt man im allgemeinen Wert auf einen kontinuier-lichen Gewinnaufwrtstrend in der Vergangenheit, den manin die Zukunft projiziert. Manchmal sucht der Anleger dabeiauch die Aktien von Gesellschaften aus, die in der Vergan-genheit noch keine auergewhnlich gute Entwicklung auf-gewiesen haben, von denen er sich aber in Zukunft eine

    Anleger und Spekulant 35

  • extrem gnstige Entwicklung verspricht. (Dazu gehren vorallem Gesellschaften, die in den technologischen Bereich fal-len, wie Computer-, Pharma-, Elektronikgesellschaften etc.)

    Wir haben schon mehrmals darauf hingewiesen, da wirim Zweifel darber sind, ob der normale Anleger ein ber-durchschnittliches Ergebnis erzielen kann. Die erste Strate-gie kann man sowohl theoretisch wie praktisch als nichtsinnvoll ausschlieen. Hin und her handeln in Aktien istkeine Strategie, die aufgrund gewissenhafter AnalyseSicherheit von Ertrag wie Kapital garantiert. Mehr darberin einem spteren Kapitel.

    In dem Bestreben, die vielversprechendsten Aktien sowohlkurzfristig wie langfristig auszuwhlen, erwachsen demAnleger sogleich zwei Schwierigkeiten. Die eine ist aufmenschliche Fehler zurckzufhren, die zweite auf die Tat-sache, da er im Wettbewerb mit anderen steht. Einmal kanner in der Einschtzung der Zukunft falsch liegen, zum ande-ren kann der augenblickliche Brsenkurs bereits das volleskomptieren, was er erwartet, auch wenn er diesmal richtigliegt. So kann man davon ausgehen, da die Ergebnisse deslaufenden Jahres bereits voll in den Kursen eskomptiertsind; die Ergebnisse des folgenden Jahres, soweit einiger-maen vorhersehbar, sind gleichfalls voll in den Kursenbercksichtigt. So wird der Anleger, der seine Anlageent-scheidungen auf dem erwarteten Ergebnis des laufendenoder des kommenden Jahres aufbaut, rasch erkennen, daauch andere bereits nach dieser Devise gehandelt haben.

    Auch bei der Vorausschtzung langfristiger Ergebnisse tre-ten die gleichen Schwierigkeiten wie bei der kurzfristigenEinschtzung auf. Die Wahrscheinlichkeit, da man sich inder Erwartung irrt, ist hier grer als bei kurzfristigen Scht-zungen. Da sich auch die Experten hier hufig irren, knnteman meinen, da die Chancen des Anlegers gut sind, wenner die richtigen Ergebnisse schtzt. Aber diese Chancen

    36 Intelligent investieren

  • bestehen nur auf dem Papier. Wie viele Anleger haben dieprophetische Gabe oder die Fhigkeit, Analytiker in ihrenGewinnvorausschtzungen zu schlagen, deren Aufgabe jagerade darin besteht, zuknftige Gewinne exakt zu scht-zen?

    Wir kommen daher zu der folgenden logischen Schlufol-gerung: Um dauerhaft eine berdurchschnittliche Chance zuhaben, mu der Anleger Prinzipien befolgen, die (1) serisund vielversprechend sind und (2) nicht schon an der WallStreet populr sind.

    Gibt es solche Anlagestrategien? Nun, theoretisch sicher-lich, und es gibt keinen vernnftigen Grund, warum dieseauch nicht in der Praxis auffindbar sein sollten.

    So wei jedermann, da spekulative Kursbewegungen oftsowohl nach oben wie nach unten weit bertrieben werden,und das gilt oft fr die gesamte Brse, immer aber fr einzel-ne Wertpapiere. Weiterhin kommt es oft vor, da eine spezi-elle Aktie aufgrund irgendwelcher Vorurteile oder weil siegerade unpopulr ist unterbewertet ist. Wir werden im fol-genden noch auf eine Unzahl von Diskrepanzen zwischeninnerem Wert bestimmter Aktien und dem gerade vorherr-schenden Brsenkurs hinweisen. Vordergrndig betrachteterscheint es gar nicht allzu schwierig fr jemanden miteinem guten Gedchtnis fr Zahlen, gerade unterbewerteteAktien von Gesellschaften an der Brse herauszufinden undan den bertreibungen und der Dummheit anderer Markt-teilnehmer zu verdienen. Allerdings hrt sich das einfacheran, als es in Wirklichkeit ist. So mu man, wenn man eineunterbewertete Aktie kauft, oft sehr viel Geduld aufwenden,und Terminverkufe in berbewerteten und populren Akti-en verlangen oft neben Mut und Ausdauer auch erheblichenFinanzierungsaufwand. Das geschilderte Anlageprinzip istgenerell sehr gut, aber sicherlich nicht so einfach zu beherr-schen wie es aussieht.

    Anleger und Spekulant 37

  • Dann gibt es die groe Gruppe der sogenannten Sonder-situationen. Dazu zhlt man Liquidationen, Arbitrage zwi-schen verschiedenen Aktienkategorien etc. Einer der typi-schen Flle sind bernahmeangebote, an denen man auf-grund der Tatsache profitieren kann, da der endgltigebernahmekurs oft hher ist als der Kurs der Aktie nach derVerffentlichung des Angebots. In der Vergangenheit konnteman wegen der Vielzahl der bernahmeangebote oft an sol-chen bernahmen sehr gut verdienen. Aber mit der Vielzahlder bernahmeangebote vermehrte sich auch die Zahl derbernahmehindernisse. Eine Menge Geld wurde verloren,weil einige bernahmeangebote verhindert wurden. Auchhat sich die Anzahl der Anleger, die von solchen ber-nahmeangeboten profitieren wollen, in den letzten Jahrenerheblich vergrert. Damit verschwanden auch die hohenGewinnmglichkeiten.

    Die Entwicklung scheint einer gewissen Gesetzmigkeitzu unterliegen. So konnten wir im Jahre 1949 eine Anla-gestrategie empfehlen, die darauf basierte, Aktien jeweilsdann zu kaufen, wenn sie im Verhltnis zum Gewinn undzur Kapitalmarktrendite niedrig stehen, und sie umgekehrtdann zu verkaufen, wenn sie im Verhltnis zu den genann-ten Indikatoren teuer erscheinen. Diese Anlagestrategiebasiert auf der Erfahrung der vorangegangenen 75 Jahre.Aber leider funktionierte dieses Modell nach 1949 nichtmehr. hnliches gilt fr die Anlagestrategie, die sich nachder zwischen 1897 und 1933 so erfolgreichen Dow-Theorierichtete. Die Erfolge nach 1934 sehen nicht mehr so groartigaus.

    Ein drittes Beispiel fr die gnstigen, aber heute nichtmehr realisierbaren Anlagestrategien: Ein Teil unserer eige-nen Anlageerfolge basierte auf dem Kauf sogenannter totalunterbewerteter Aktien. Darunter verstehen wir Aktien vonGesellschaften, die unter ihrem Working Capital (Netto-

    38 Intelligent investieren

  • umlaufvermgen) (Umlaufvermgen abzglich kurzfristi-ger Verbindlichkeiten) notieren. Da bei diesen Gesellschaftenpraktisch Betriebsanlagen und sonstige Aktiva mit Nullbewertet wurden, erschienen uns die Aktien solcher Gesell-schaften besonders preiswert. Kein Eigentmer wrde nor-malerweise sein Unternehmen so billig verkaufen. 1957 gabes etwa 200 brsennotierte Gesellschaften, die unter ihremWorking Capital notierten. Aber im folgenden Jahrzehnt ver-schwanden fast smtliche Gesellschaften mit einer solchniedrigen Bewertung aus dem Kurszettel. Auf dem niedri-gen Kursniveau des Jahres 1970 gab es allerdings wiedereine ganze Reihe von total unterbewerteten Gesellschaften,und selbst nach den starken Kursbefestigungen am Ende desJahres 1970 konnte man aus den briggebliebenen unterbe-werteten Titeln immer noch ein ganzes Portefeuille zusam-menstellen. Der aggressive Anleger hat selbst unter den heu-tigen Brsenbedingungen immer noch Mglichkeiten genug,berdurchschnittliche Anlageergebnisse zu erzielen. Diegroe Anzahl der brsennotierten Unternehmen enthltimmer einige Gesellschaften, die nach verschiedenen sinn-vollen und serisen Kriterien als unterbewertet bezeichnetwerden knnen. Eine Anlage in den Aktien dieser Gesell-schaften sollte im Durchschnitt immer eine hhere Renditebringen als der Dow Jones oder ein hnlicher Kursdurch-schnitt oder Aktienindex. Unserer Ansicht nach drfte sicheine Auswahl unter diesen Kriterien aber nur dann lohnen,wenn der Anleger auf den Aktienanteil seines Portefeuillesmindestens 5 % zustzlich pro Jahr erwirtschaften kann. Wirwerden spter einige Strategien fr einen derartigen Anlage-erfolg entwickeln.

    Anleger und Spekulant 39

  • Der Anleger und die Inflation

    In den letzten Jahren ist sehr viel ber die Inflation gespro-chen worden, und auch darber, wie man sie bekmpfenkann. Die abnehmende Kaufkraft des Dollar in der Vergan-genheit und die Furcht vor einem weiteren Wertverfall in derZukunft haben das Denken an der Wall Street stark beein-flut. Natrlich verlieren diejenigen, die ein gleichbleiben-des Einkommen beziehen, bei einem steigenden Lebenshal-tungskostenindex, und hnliches gilt fr die Eigentmer vonKapitalmarktpapieren mit einem festgesetzten Zinssatz. Aufder anderen Seite haben die Eigentmer von Aktien zumin-dest die Chance, da aufgrund steigender Dividendenertr-ge und steigender Aktienkurse der Kaufkraftverlust ausge-glichen wird.

    Aufgrund dieser Ansichten haben einige Autoren dieThese vertreten, da (1) Anleihen grundstzlich nicht alsAnlagemedium interessant sind, und (2) Aktien als Kapital-anlage wesentlich interessanter sind als Obligationen. Wirhaben davon gehrt, da man Stiftungen und Pensionskas-sen empfohlen hat, 100 % ihres Vermgens in Aktien anzule-gen. Das ist genau das Gegenteil im Vergleich zu der Zeit, alssolche Institutionen gesetzlich gezwungen waren, 100 % inAnleihen anzulegen.

    Unsere Leser werden sicherlich erkennen, da es niemalsrichtig sein kann, unter allen Umstnden immer nur Aktien

    KAPITEL

    2

  • zu haben, vllig unabhngig davon, wie hoch die Kurse sindund wie sich die Dividendenrendite im Verhltnis zur Rendi-te von Festverzinslichen darstellt. Eine Festlegung dieser Artdrfte genauso absurd sein wie ihr Gegenteil.

    Wir versuchen nun, den Faktor Inflation unter Anlage-gesichtspunkten einer genaueren Untersuchung zu unterzie-hen. In diesem Fall mssen wir die Entwicklung in vergange-nen Zeiten zu Rate ziehen und unsere Ansichten auf denErkenntnissen der Vergangenheit basieren. Ist Inflation, insbe-sondere in der extremen Form, wie wir sie seit 1965 erleben,etwas vllig Neues fr die USA? Wenn nein, welche Schlu-folgerungen knnen wir aus der Vergangenheit ziehen? Sehenwir uns einmal die Tabelle 2-1 an. Sie beginnt im Jahre 1915und umfat 55 Jahre, in jeweils fnf Jahre unterteilt. (Anstelle1945 haben wir 1946 aufgenommen, um die Verzerrungendurch den Preisstopp des Jahres 1945 auszuschlieen.)

    Das erste, was ins Auge fllt, ist die Tatsache, da wir auchin der Vergangenheit Zeitrume mit hohen Inflationsratenhatten. Die strkste Preissteigerung hatten wir zwischen1915 und 1920, als sich der Lebenshaltungskostenindex bei-nahe verdoppelte. Dagegen betrug die Zuwachsrate zwi-schen 1965 und 1970 nur 15 %. Dazwischen hatten wir dreiPerioden mit sinkenden Preisen und danach sechs mit stei-genden Preisen, allerdings war in einigen Perioden dieZuwachsrate nur sehr gering. Auf der Grundlage dieserTabelle ist als hchst wahrscheinlich anzunehmen, da wirauch vorlufig noch steigende Preise haben werden.

    Knnen wir aus der Tabelle ableiten, welche Inflationsra-ten wir in Zukunft haben werden? Das drfte sehr schwierigsein. In den letzten 20 Jahren hatten wir eine durchschnitt-liche Zuwachsrate von 2,5 %, von 1965 bis 1970 4,5 %,momentan ist die Zuwachsrate doppelt so hoch.

    Die Notenbank und die Regierung vertreten heute aller-dings einen schrferen Anti-Inflationskurs als in der Vergan-

    Der Anleger und die Inflation 43

  • genheit, und es gibt einige Grnde, die in Zukunft eine effi-zientere Kontrolle der Inflation erwarten lassen.

    Wir gehen daher von der Erwartung aus, da die Inflati-onsrate in Zukunft etwa 3 % pro Jahr betragen wird (vergli-chen mit 2,5 % jhrlich fr den gesamten Zeitraum von 1915bis 1970).

    Welche Auswirkungen wrde ein solcher Anstieg haben?Etwa die Hlfte der Rendite, die auf steuerfreien, erstklassi-gen Anleihen zu erzielen ist, wird von dieser Inflationsrateaufgezehrt. So katastrophal, wie das im ersten Augenblickaussieht, ist diese Situation nicht. Selbst wenn der Anlegerdie Hlfte seiner Rendite nach Steuern konsumieren wrde,wrde die Kaufkraft selbst bei einer Inflation von 3 % proJahr erhalten bleiben.

    Die nchste Frage lautet natrlich: Kann man nicht durcheine andere Streuung, vielleicht durch 50 % Aktien, 50 %Obligationen oder eventuell durch 100 % Aktienanteil einwesentlich besseres Ergebnis erzielen? Haben nicht Aktien inden vergangenen 55 Jahren ein wesentlich besseres Ergebnisals Anleihen erzielt?

    Sicherlich, das Ergebnis einer Aktienanlage in den Jahrenseit 1915 brachte wesentlich bessere Resultate. Der Anstiegdes Dow Jones von 77 in 1915 auf 753 in 1970 bedeutet einenjhrlichen Anstieg von 4 %. Wenn wir dazu die durchschnitt-liche jhrliche Dividendenrendite von 4 % addieren, erhaltenwir ein durchschnittliches jhrliches Ergebnis von 8 %.

    Dann kommen wir zu der nchsten logischen Frage: Gibtes einen berzeugenden Grund fr die Annahme, da Akti-en in den nchsten Jahren ein besseres Ergebnis als in derVergangenheit bringen werden? Unsere Antwort kann dar-auf nur Nein lauten. Wir halten zwar in der Zukunft einesolche Entwicklung nicht fr vllig ausgeschlossen, wahr-scheinlich ist eine solche Entwicklung in diesem Fall aller-dings kaum. Wir mssen noch einmal kategorisch darauf

    44 Intelligent investieren

  • hinweisen: Es gibt keine enge und eindeutige Korrelationzwischen Inflation und der Entwicklung von Aktienkursen.Ein dafr eindeutiges Beispiel ist die Entwicklung zwischen1966 und 1970. Der Anstieg des Lebenshaltungskostenindexin diesem Zeitraum betrug 22 %, strker als jemals zwischen1946 und 1950. Aber sowohl Kurse wie Gewinne sind seithergefallen. Es gibt hnliche Widersprche in vorhergehendenFnfjahresperioden.

    Inflation und Gewinne der Unternehmen

    Wichtig fr unsere Betrachtung ist auch ein Blick auf die Ent-wicklung der Unternehmensgewinne in den vergangenenJahren. Das gilt insbesondere fr die Kapitalrentabilitt. Auchhier knnen wir keine eindeutige Korrelation mit der Infla-tionsrate bzw. mit dem Grohandelspreisindex feststellen. In den letzten 20 Jahren hat sich die Rendite sogar trotz konti-nuierlicher Inflation erheblich verschlechtert (siehe auch Tab.2-2). Unsere Untersuchungen haben ergeben, da der Anleger

    Der Anleger und die Inflation 45

  • auch fr die nchsten Jahre kaum mit einer Rendite auf dasEigenkapital der Unternehmen rechnen kann, die wesentlichber den jetzt erzielten 10 % liegt. Da der Brsenwert derAktien weit ber Buchwert notiert, z. B. 900 gegen 560 Buch-wert Mitte 1971, erhalten wir auf Basis der augenblicklichenBrsenkurse nur eine Rendite von 6 1/4 %. (Umgerechnet ent-spricht das einem Kurs-Gewinn-Verhltnis von 18.)

    Diese Zahlen entsprechen fast genau unserer vorherigenBerechnung, bei der wir davon ausgingen, da der Anlegervon einer durchschnittlichen Dividendenrendite in dennchsten Jahren von etwa 3,6 % ausgehen kann, zuzglicheiner aus der Reinvestition von einbehaltenen Gewinnenstammenden Kurssteigerung von 4 % pro Jahr.

    Der Leser wird darauf einwenden, da unsere Kalkulatio-nen nicht die erwartete Inflationsrate von 3 % pro Jahr einbe-ziehen. Wir knnen darauf nur antworten, da in der Ver-gangenheit die Inflation keinen direkten Einflu auf denGewinn pro Aktie gehabt hat.

    Die Daten in der Vergangenheit beweisen eindeutig, dader starke Gewinnanstieg aus dem Wachstum der reinve-stierten Gewinne stammte. Wenn die Inflation als separaterFaktor gewirkt htte, htte sie eine Renditeverbesserung aufdas alte investierte Kapital bewirken mssen. Aber die Kapi-talrentabilitt ist in der Vergangenheit sogar rcklufiggewesen und hat sich keinesfalls verbessert, obwohl in demhier betrachteten Zeitraum von 20 Jahren die Grohandels-preise sogar um 40 % angestiegen sind. Noch einmal: Es gibtnur eine einzige Mglichkeit, ber die auf inflationremWege die Unternehmenswerte bzw. Brsenkurse ansteigenknnen, und zwar ber eine Verbesserung der Rendite aufdas investierte Kapital. Gerade das ist in der Vergangenheitnicht geschehen.

    In den Konjunkturzyklen der Vergangenheit waren gnsti-ge Geschftslagen in der Industrie im allgemeinen mit einem

    46 Intelligent investieren

  • leicht steigenden Preisniveau verbunden. Die Periode 1950bis 1970 ist ein gutes Beispiel fr diese Ansicht. (Man gingdavon aus, da ein leicht steigendes Preisniveau fr dieGeschftslage nur gnstig sein kann.) Aber die Zahlen wei-sen eindeutig darauf hin, da der Einflu auf die Ertrags-kraft der Unternehmen begrenzt war. Ja, noch nicht einmaldie frhere Rendite auf das investierte Kapital konnte auf-rechterhalten werden. Sicherlich, es gab auch eine ganzeReihe negativer Faktoren: Einmal berstiegen die Lhne indiesem Zeitraum den Produktivittszuwachs nicht unerheb-lich, zum anderen gab es den erheblich gestiegenen Bedarfnach neuem Kapital, der den Kapitalumschlag (VerhltnisUmsatz zu investiertes Kapital) niedrig hielt.

    Die Tabelle 2-2 zeigt noch einmal sehr deutlich, da dieUnternehmen in den letzten 20 Jahren trotz der angeblich sopositiven Wirkung durch die Inflation einen permanentenRenditeverlust erlitten haben. Die interessanteste Ziffer istzweifellos diejenige, die den starken Anstieg der Unterneh-mensverschuldung aufzeigt. Whrend sich die Gewinne vorSteuern nur in etwa verdoppelt haben, verfnffachte sich dieVerschuldung. Da in den vergangenen Jahren die Zinsenerheblich angestiegen sind, drfte jetzt sehr klar sein, dader hohe Verschuldungsgrad der amerikanischen Unterneh-men ein erheblicher negativer volkswirtschaftlicher Expan-sionsfaktor geworden ist und fr eine ganze Reihe vonUnternehmen ein ernstzunehmendes Problem darstellt.

    Zusammengefat: Es sieht so aus, als ob die 11 % Renditeauf das Eigenkapital, die amerikanische Unternehmen imJahre 1969 erzielten, nur durch die starke Aufnahme vonFremdkapital, die 4 % nach Steuern kostet, erzielt werdenkonnte. Wenn die Unternehmen heute nur den geringenVerschuldungsgrad aufweisen wrden, den sie 1950 ver-zeichneten, wre die Rendite auf das Eigenkapital nochwesentlich niedriger, und zwar trotz Inflation! Die Brsen

    Der Anleger und die Inflation 47

  • haben in der Vergangenheit erkannt, da die Energieversor-gungsunternehmen die Hauptleidtragenden der infla-tionren Entwicklung der Vergangenheit waren. Ihre Kredit-kosten erhhten sich erheblich, whrend sie Schwierigkeitenhatten, ihre Absatzpreise zu erhhen. Auf der anderen Seitemssen wir allerdings darauf hinweisen, da diese Gesell-schaften fr die Zukunft eine gute Ausgangsbasis aufwei-sen. Per Gesetz haben sie das Recht, eine angemessene Ren-dite auf das investierte Kapital zu erwirtschaften, und dieseTatsache wird ihre Eigentmer in der Zukunft genausoschtzen, wie sie vor der Inflation in der Vergangenheitabgesichert waren. Die hier aufgefhrten Faktoren weiseneindeutig darauf hin, da der Anleger in Zukunft kaummehr als 8 % Rendite pro Jahr aus seinem Aktienportefeuilleerwarten kann. Aber selbst wenn er tatschlich bessereErgebnisse zu erwarten htte, gbe es fr uns trotzdem kei-nen Grund, eine 100prozentige Anlage in Aktien zu empfeh-len. Denn Aktien und Gewinne von Aktiengesellschaftenwerden auf keinen Fall mit einer kontinuierlichen Zuwachs-rate von 4 % pro Jahr steigen. Sie werden sich sicherlich inzyklischen Kursverlufen aufwrts bewegen, aber keines-falls einheitlich pro Jahr um 4 % steigen. Das heit, einAnleger, der heute Aktien kauft, wird das Risiko eingehen,ber eine Anzahl von Jahren einmal berhaupt keinenGewinnzuwachs zu erzielen. Der Kurs von General Motorsund auch der Dow Jones selbst brauchten 25 Jahre, um dieVerluste der Weltwirtschaftskrise aufzuholen. Auerdemwird ein Anleger, der berwiegend in Aktien investiert, sehrleicht von zu starken Kursgewinnen bzw. Kursverlustenirregeleitet. Das gilt insbesondere dann, wenn er seine Anla-geentscheidungen zu stark an inflationre Erwartungenkoppelt. so wird er zum Beispiel dann, wenn sich eine erneu-te Hausse entwickelt, seine Erwartungen bezglich derInflationswirkung besttigt sehen und auf dem erhhten

    48 Intelligent investieren

  • Niveau noch mehr Aktien kaufen, ohne sich um Dividen-denrendite oder Kapitalrentabilitt zu kmmern. Eine solcheAnlagepolitik kann nur zum Fehlschlag fhren.

    Gibt es andere Anlagemedien, die vor der Inflation schtzen?

    Die meisten Personen, die ihrer eigenen Whrung mitrau-en, haben in der Vergangenheit Gold erworben. Trotz derstarken Wertsteigerung in der allerjngsten Zeit wird aller-dings allzu leicht vergessen, da die meisten Goldanlegerber eine ganze Generation hinweg berhaupt keine Wert-verbesserung erzielt haben, obwohl sie teilweise nicht uner-hebliche Kosten fr die Aufbewahrung aufwenden muten.Und in dieser gesamten Zeitspanne bekam der Anleger kei-nerlei Verzinsung. Trotz des hohen Kaufkraftverlustes htteer mit einer Anlage auf dem Sparkonto besser abgeschnitten.

    Wir bezweifeln, ob der Anleger sich auf Dauer gegen dieInflation schtzen kann, indem er sein Vermgen in Sach-werten anlegt. Das gilt fr Diamanten, Bilder, Briefmarken,Mnzen etc. Auch Immobilien erscheinen uns als Inflations-schutz keine besonders sinnvollen Anlageobjekte zu sein.Leider unterliegen sie wie Aktien erheblichen Schwan-kungen. Und auch hier kann man erhebliche Fehler in derAnlagepolitik machen.

    Nun, wir sind auf all diesen Gebieten keine Experten. Waswir Ihnen dazu sagen knnen: Bevor sie sich mit diesenObjekten nicht ganz genau auskennen, sollten sie nichts zuAnlagezwecken kaufen.

    Der Anleger und die Inflation 49

  • Zusammenfassung

    Damit kommen wir wieder auf unsere oben geschilderteAnlagepolitik zurck. Gerade wegen der Unsicherheit derzuknftigen Entwicklung kann es sich der Anleger nichtleisten, alle Eier in einen Korb zu legen: Also weder nurAnleihen kaufen, obwohl die Rendite jetzt erheblich ist, nochalles in Aktien anlegen, trotz der wohl weiterhin hohen Infla-tionsrate!

    Je strker der Anleger auf das Einkommen aus seinemWertpapierportefeuille angewiesen ist, um so wirksamermu er sich gegen unerwartete Ereignisse absichern. Einkonservativer Anleger sollte daher sein Risiko auf jeden Fallminimieren. Wir sind uns sicher, da das Risiko, heute dieAnleihe einer Telefongesellschaft zu kaufen, die eine Renditevon 7 1/2 % oder mehr bringt, geringer ist als, sagen wir, aufBasis des Dow Jones von 900 einen reprsentativen Quer-schnitt von Aktien zu kaufen. Aber die Mglichkeit, da eszu einer starken Beschleunigung der Inflationsrate kommt,besteht weiterhin, und der Anleger sollte sich auch dagegenschtzen. Und Aktien sind in einem solchen Falle wohl einebessere Anlage als Obligationen.

    50 Intelligent investieren

  • 100 Jahre Brsengeschichte

    Das Portefeuille des Anlegers umfat nur einen ganz kleinenTeil der Brsenwerte. Er sollte, schon um allzu groe Fehl-entscheidungen zu vermeiden, die Brsenkursentwicklun-gen in der Vergangenheit und insbesondere die Korrelatio-nen zwischen der Entwicklung von Dividendenrenditen,Gewinnen und Brsenkursen kennen. Wenn der Anlegerdiese Daten kennt, wird er sich ein Bild ber die Risikeneiner Anlage in Aktien machen knnen; und natrlich auchber die Chancen zu einem bestimmten Zeitpunkt. Zuflli-gerweise verfgen wir ber Statistiken von Kursen, Dividen-den und Gewinnen, die mehr als 100 Jahre zurckreichen,und zwar genau bis 1871. Auf den folgenden Tabellen (3-1, 3-2) sehen sie eine zusammengefate bersicht der Entwick-lung seit 1871.

    In der ersten Tabelle sind die Hchst- und Tiefstkurse von19 Haussen und Baissen aufgezeichnet. Wir haben dazuzwei Indizes verwandt. Der erste ist ein Aktiendurchschnitt,der von der Cowles Commission zusammengestellt wurdeund bis 1870 zurckgeht. Damit verknpft haben wir denStandard & Poors Index (500). Der zweite ist der berhmteDow Jones Industrial, der bis 1897 zurckgeht. Er enthlt dieAktien von 30 Gesellschaften.

    Die Chart I zeigt den S&P-Index von 1900 bis 1970. DerLeser wird drei verschiedene Kursentwicklungen erkennen,

    KAPITEL

    3

  • 52 Intelligent investieren

  • die jeweils ein Drittel der gesamten 70 Jahre umfassen. Dieerste Periode dauert von 1900 bis 1924 und zeigt Kurs-schwankungen von 3 bis 5 Jahren. Die Kursschwankungeninnerhalb dieses Zeitraumes verlaufen fast identisch. Derdurchschnittliche Anstieg in dieser Periode betrug pro Jahr 3 %. Von 1924 bis 1929 entwickelt sich eine extreme Hausse,

    100 Jahre Brsengeschichte 53

  • 54 Intelligent investieren

  • anschlieend ein weit berdurchschnittlicher Zusammen-bruch, gefolgt von unregelmigen Schwankungen bis 1949.Von 1924 bis 1949, also in der zweiten Periode, stieg der Indexim Durchschnitt nur um 1/2 % pro Jahr. Am Ende dieser Pe-riode war das Publikum an Aktien vllig uninteressiert.

    Damit war die Zeit reif fr den strksten Kursanstieg in deramerikanischen Brsengeschichte. Der Hhepunkt wurdevermutlich 1968 mit einem Indexstand von 118 fr den Stan-dard & Poors Index erreicht. (Der Index der 500 Werte standbei 108.) Zwischen 1949 und 1968 gab es zwar sehr starkeKurseinbrche, aber diese waren jeweils so kurzfristig, dasie nicht als eigenstndige Zyklen bezeichnet werden kn-nen, sondern als Einbrche in einer generellen Haussebewe-gung. Zwischen dem niedrigen Niveau des Dow Jones von162 in 1949 und der Spitze von 995 in 1966 gab es einen Kurs-anstieg von 500 Prozent innerhalb von 17 Jahren. DieZuwachsrate betrug damit 11 % pro Jahr, nicht mitgerechnetdie Dividendenrendite von durchschnittlich 3,5 % pro Jahr.

    In einer vielbeachteten Studie aus dem Jahre 1964 wurdedieser durchschnittliche jhrliche Anstieg von 14 % undmehr stark publiziert. Diese Untersuchung schuf an der WallStreet die berzeugung, da hnliche Ergebnisse auch inZukunft erreichbar seien. Nur wenige dachten daran, dadas Ausma dieser Kurssteigerung darauf hindeutete, dabereits erhebliche bertreibungen stattgefunden hatten undein Ende in Sicht war. Der darauf folgende Kurszusammen-bruch im S&P-Index von 1968 bis 1970 betrug 36 %. Es han-delte sich um den strksten Zusammenbruch seit 1939/42,der 44 % Kursverlust ausmachte. Das niedrige Kursniveau in1970 wurde von einer erneuten Spekulationswelle abgelst,die zur Jahreswende 1972/73 zu einem neuen Hoch fhrte.Der Anstieg zwischen 1949 und 1970 betrug 9 % im Durch-schnitt auf Basis des S&P-Index. Dieser Anstieg war sicher-lich strker als in irgendeiner Periode vorher.

    100 Jahre Brsengeschichte 55

  • 56 Intelligent investieren

  • Zur besseren Illustration der Kursbewegungen ist dieTabelle ber die Entwicklung von Gewinnen und Dividen-den in den letzten 100 Jahren beigefgt (Tab. 3-2). Wir wis-sen, da wir zuviel vom Leser erwarten, wenn wir damitrechnen, da er alle diese Daten sorgfltig studiert. Fr eini-ge, die sich etwas genauer mit diesen Daten beschftigen,wird das Ergebnis aber sicher sehr instruktiv sein.

    Nur zwei der zehn aufgefhrten Dekaden zeigen einenGewinnrckgang und einen Rckgang im Kursniveau (undzwar 1891 bis 1900 und 1931 bis 1940). In keinem Jahrzehntseit 1900 ist ein Dividendenrckgang zu verzeichnen. Wenndamit auch eine generelle Zuwachsrate aufzuweisen ist, sosind die Wachstumsraten in den einzelnen Perioden dochrecht unterschiedlich. Seit dem Zweiten Weltkrieg war dasWachstum im allgemeinen besser als in den vorherigen Peri-oden, aber das Wachstum in den sechziger Jahren war lngstnicht so ausgeprgt wie in den fnfziger Jahren. Man knnteaufgrund dieser hervorragenden Daten der vergangenenJahre recht optimistisch in die Zukunft schauen. Eine ganzeReihe von Anlegern scheint ihre Zuversicht von diesen auf-gefhrten Daten abzuleiten.

    Dabei wird allerdings etwas vergessen. Im Jahre 1970zeichnete sich ein Zusammenbruch in der Ertragslage beiden Unternehmen ab, wie er lange zuvor nicht mehr aufge-treten war. Die Rendite auf das investierte Kapital fiel aufden niedrigsten Wert seit Ende des Zweiten Weltkrieges.Typisch fr die Situation in diesem Jahr war es, da einebetrchtliche Anzahl von Gesellschaften Verluste aufwies,und zum erstenmal seit Kriegsende gab es wieder einebedeutende Anzahl von groen Konkursen. Das Ende desNachkriegsbooms an der Brse scheint damit eingeleitetworden zu sein.

    Besonders interessant an der Tabelle 3-2 ist die Vernde-rung bei den Kurs-Gewinn-Verhltnissen in den letzten

    100 Jahre Brsengeschichte 57

  • Jahren. Im Juni 1949 betrug das Kurs-Gewinn-Verhltnis imS&P-Index nur 6,3 auf Basis der Gewinne der vergangenen12 Monate; im Mrz 1961 verzeichneten wir eine Kennziffervon 22,9. In gleicher Weise fiel die Dividendenrendite von 7 % in 1949 auf nur 3 % in 1961, whrend erstklassige Obliga-tionen mittlerweile einen Renditeanstieg von 2,6 % auf 4,5 %aufwiesen. Diese Entwicklung zeigt eine der strksten Ver-nderungen in der Anlegermentalitt auf, die wir jemalsgehabt haben.

    Anleger mit sehr langer Erfahrung weisen darauf hin, daso starke Vernderungen der Anlegermentalitt oft auf einegrere Krise hindeuten. Diese Leute knnen die Situation,die 1929 herrschte, und die tragischen Ereignisse, die darauffolgten, nicht so leicht vergessen. Aber bisher haben sich dieBefrchtungen lngst nicht in dem Ausma wie 1929/32bewahrheitet. Sicherlich, am Ende des Jahres 1970 stand derDow Jones auf dem Niveau, das er auch schon 6 1/2 Jahrevorher aufgewiesen hatte. Und auch vor kurzem hat es wie-der einen dramatischen Kurseinbruch gegeben. Aber bisherhaben weder Brse noch Unternehmen eine hnliche Situa-tion wie 1929/32 zu verzeichnen gehabt.

    58 Intelligent investieren

  • Allgemeine Portefeuille-Strategie

    Der defensive Anleger

    Die grundstzlichen Zge einer Portefeuille-Mischung wer-den im allgemeinen von den individuellen Bedrfnissen desAnlegers bestimmt. Wenn man sich einmal die Extremeansieht, so haben wir auf der einen Seite die institutionellenAnleger, wie die Sparkassen, Lebensversicherungen undPensionskassen. Vor einer Generation war die Anlagepolitikdieser Institutionen in einigen Staaten der USA auf aus-schlielich erstklassige Anleihen gesetzlich beschrnkt.

    Auf der anderen Seite haben wir den erfolgreichenGeschftsmann, der jede Art von Aktien oder Anleihenkaufen wird, sofern er sie fr attraktiv hlt. Allgemein gehtman davon aus, da derjenige, der nicht bereit ist, grereRisiken einzugehen, sich mit einer relativ niedrigen Verzin-sung zufriedengeben sollte. Daraus hat sich die Ansichtentwickelt, da die Rendite, die ein Anleger anstreben sollte,mehr oder weniger eine Funktion seiner Risikobereitschaftist.

    Wir gehen von einer etwas differenzierteren Betrachtungs-weise aus: Die anzustrebende Rendite sollte unserer Ansichtnach eher davon abhngig sein, wieviel Aufwand der Anle-ger bereit ist, auf die berwachung seines Depots zu ver-wenden. Die geringste Rendite sollte der inaktive Anleger

    KAPITEL

    4

  • anstreben, der sowohl Sicherheit wie Ruhe vor Anlagepro-blemen haben mchte. Die hchste Rendite sollte der aggres-sive Anleger anstreben, der bereit ist, sich kontinuierlich umsein Portefeuille zu kmmern. 1965 schrieben wir dazu: Invielen Fllen mag eine total unterbewertete Aktie wenigerRisiko beinhalten als eine Anleihe, die 4 1/2 % Renditebringt. Wir sollten nur allzu recht behalten. In den folgen-den Jahren fielen selbst die besten langfristigen Anleihenerheblich, da die Zinsentwicklung so extrem aufwrts ten-dierte.

    Das grundstzliche Problem der Mischung zwischen Aktien und Anleihen

    Wir haben bereits in kurzen Zgen die Portfoliostrategie desdefensiven Anlegers charakterisiert. Er sollte seine Anlage-mittel ausschlielich auf erstklassige Anleihen und die Akti-en erstklassiger Unternehmen verteilen. Wir wiesen daraufhin, da der Anleger niemals weniger als 25 % und niemalsmehr als 75 % seiner Anlagemittel in Aktien gebunden habensollte. Es wird weitgehend dazu die Auffassung vertreten,die Standard-Aufteilung solle 50 : 50 betragen und in Baisse-zeiten jeweils der Aktienanteil, und in Haussezeiten derAnleihenanteil vergrert werden.

    Diese Maximen auszusprechen war immer sehr leicht. Siedurchzufhren immer besonders schwer, da diese Strategiepsychologische Faktoren vllig auer acht lt. Es ist ja ge-rade der durchschnittliche Anleger, der die Hausseber-treibungen und die Baisse produziert, und von diesem Anle-ger eine entgegengesetzte Verhaltensweise zu erwarten,erscheint nicht gerade realistisch. Wir knnen dem Anlegerheute keine absoluten und sicheren Regeln dafr geben,wann er die Relation Aktien/Anleihen zu verndern hat.

    60 Intelligent investieren

  • Wir knnen nur generell empfehlen, da der Anleger solange nicht mehr als 50 % seines Wertpapierdepots in Aktienhaben sollte, wie er nicht absolut sicher ist, da sein Aktien-portefeuille grundstzlich gut strukturiert ist und er einenKurszusammenbruch wie in den Jahren 1969/70 mit Gleich-mut ansehen kann.

    Im Jahre 1972 konnten wir eine solch stabile Situation kei-nesfalls erkennen. Wir empfahlen damals keine Erhhungdes Aktienanteils. Auf der anderen Seite sollte der Anlegerauch nur dann seinen Aktienanteil auf 25 % abbauen, wenner selbst ber die augenblickliche Brsensituation beunru-higt ist und auch jeden weiteren Kursanstieg mit Gleichmutansehen kann.

    Wir mssen daher grundstzlich dem konservativen Anle-ger eine Anlagestrategie von 50 % : 50 % empfehlen. Dasheit, wenn die Aktienkurse so stark gestiegen sind, da derAktienanteil 55 % betrgt, mu er 5 % veruern und denAnleihenanteil genau um diesen Prozentsatz verstrken. Imumgekehrten Fall, wenn also ein Kursrckgang den Akti-enanteil auf 45 % herabgedrckt hat, mte er Anleihen ver-kaufen und den Aktienanteil wieder auf 50 % aufstocken.

    Die Yale-Universitt verfolgte in den Jahren nach 1937 einehnliche Anlagepolitik, wobei allerdings der NormaleAktienanteil auf 35 % festgesetzt war. Zu Beginn der fnfzi-ger Jahre verlie Yale jedoch die bewhrte Anlagepolitik.1969 betrug der Aktienanteil somit bereits 61 %. Zu dieserZeit betrug der Aktienanteil am gesamten Stiftungsverm-gen bei hnlich wie Yale strukturierten Institutionen imDurchschnitt 60,3 %.

    Trotzdem halten wir weiterhin an unserer 50 % : 50 %-Regel fr konservative Anleger fest. Diese Regel ist uersteinfach, sie zielt unweigerlich in die richtige Richtung undverhindert, da der Anleger sich bei steigenden Aktienkur-sen immer strker an der Brse engagiert.

    Allgemeine Portefeuille-Strategie 61

  • Auerdem: Ein wirklich konservativer Anleger wird sichmit den Gewinnen zufriedengeben, die er bei steigendenKursen mit der Hlfte seines Aktiendepots erzielen kann,whrend er bei starken Kursrckgngen sicherlich wesent-lich besser abschneidet als die Mehrzahl der Investoren.Obwohl unsere 50 % : 50 %-Aufteilung sicherlich eine relativgute Strategie fr den defensiven Anleger bedeutet und auchrelativ einfach anzuwenden ist, wird sie wohl nicht diebesten Ergebnisse bringen. Die relativ hhere Rendite, dieheute erstklassige Anleihen im Verhltnis zu Aktien bieten,sollte eigentlich ein gutes Argument fr eine Verstrkungdes Anleihenanteils sein. Der Anleger sollte die Aufteilungaber nach eigenem Temperament und Gutdnken vorneh-men. Einem khlen Rechner wrden wir vorschlagen, denAktienanteil auf 25 % zu reduzieren, bis die Dividendenren-dite wieder 2/3 der Rendite von Anleihen betrgt. Wenn wireinmal vom Frhjahr 1972 ausgehen, als der Dow Jones umdie 900 schwankte, so htte das in diesem Fall folgende Stra-tegie erfordert: Man htte entweder warten mssen, bis dieRendite erstklassiger Industrieobligationen von 7,5 % auf 5,5 % bei gleichbleibender Dividendenrendite gefallen wreoder einen Rckgang des Dow Jones auf 660 ohne Vernde-rung des Dividendensatzes bei gleichbleibender Anleihen-rendite abwarten mssen.

    Dieses Programm durchzufhren kann nicht als besondersschwierig bezeichnet werden. Man mu es nur konsequentdurchhalten.

    62 Intelligent investieren

  • Der Anteil der Anleihen

    Innerhalb des Betrages, der fr Anleihen reserviert ist, hatman die Auswahl zwischen kurz- und langfristigen Anlei-hen, steuerfreien oder besteuerten Obligationen. Die Steuer-frage sollte im Grunde nur ein rein mathematisches Problemsein, wobei man die Anleiherenditen ins Verhltnis zumSteuersatz des Anlegers setzt. Im Januar 1972 brachtenAnleihen mit 20jhriger Laufzeit eine Rendite von 7 1/2 % beibesteuerten Industrieobligationen (Aa) und 5,3 % bei steuer-freien ffentlichen Anleihen.

    Der Renditeunterschied betrug 30 %. Fr den Anleger miteinem Steuersatz ber 30 % htte sich ein Tausch in steuer-freie ffentliche Anleihen gelohnt, fr den Anleger miteinem niedrigerern Steuersatz ein Tausch in besteuerte.

    Bei der Wahl zwischen kurzfristigen und langfristigenObligationen steht der Anleger vor folgender Fragestellung:Mchte ich mich gegen einen eventuellen Kursverlust beiAnleihen absichern auf Kosten (1) einer Renditeverschlech-terung und (2) dadurch, da ich mir die Chance steigenderObligationenkurse entgehen lasse? Wir werden dieses Pro-blem noch nher in Kapitel 8 erlutern.

    Lange Zeit waren die einzig sinnvollen Anlagemedien frden individuellen Anleger auf der Obligationenseite dieSparbriefe bzw. Sparschuldverschreibungen. Ihre Sicherheitwar und ist unzweifelhaft, und ihre Rendite war frherimmer hher als diejenige von Obligationen mit gleicherSicherheit. Auch heute bieten diese Sparbriefe noch eineganze Reihe von Vorzgen. Das gilt insbesondere fr denAnleger mit begrenzten Mitteln. Aber fr den etwas wohlha-benderen Investor gibt es heute eine ganze Reihe vorteilhaf-ter Obligationen. Im folgenden finden sie eine Vielzahl vonAnlagemedien mit ihren speziellen Charakteristiken.

    Allgemeine Portefeuille-Strategie 63

  • 1. US-Sparschuldverschreibungen, Serie E und Serie H

    Auf die Sparbriefe der Serie H werden Zinsen halbjhrlichgezahlt, wie bei anderen Anleihen auch. Im ersten Jahr 4,29 %, und dann 5,1 % fr die nchsten neun Jahre bis zurFlligkeit. Die Sparbriefe der Serie E unterscheiden sichdadurch, da keine Zinsen gezahlt werden, sondern diesedem Kapital zugeschlagen werden. Diese Sparbriefe werdenzu 75 % ausgegeben und nach fnf Jahren und 10 Monaten zu100 zurckgezahlt. Wenn man sie bis zur Flligkeit behlt,erhlt man eine Rendite von 5 %, wenn man sie frherzurckgibt, verbessert sich die Rendite von 4,01 % im erstenJahr auf durchschnittlich 5,2 % fr die nchsten 4 5/6 Jahre.

    Diese Sparbriefe sind von den Steuern der Einzelstaatenbefreit, Bundessteuern mssen allerdings wie blich gezahltwerden.

    Sparbriefe knnen jederzeit nach der Ausgabe wiederzurckgegeben werden. Gestohlene oder verlorengegange-ne Papiere werden kostenlos wieder ersetzt.

    Es gibt kein anderes Papier, das absolute Sicherheit, volleLiquidierbarkeit und eine Mindestrendite von 5 % ber 10Jahre so gut kombiniert wie der Sparbrief.

    2. Bundesanleihen

    Es existiert eine erhebliche Auswahl in diesen Titeln. Alleknnen als vollkommen sichere Anlage charakterisiert wer-den. Sie sind frei von den Steuern der Einzelstaaten, unterlie-gen allerdings der Bundessteuer. Ende 1971 brachtenLanglufer eine Rendite von 6,09 %, mittelfristige Anlei-hen (3 bis 5 Jahre) eine Rendite von 6,35 % und Kurzluferrentierten mit 6,03%.

    Interessanterweise bringen direkte Anleihen der Vereinig-ten Staaten eine niedrigere Rendite als Anleihen von Schuld-

    64 Intelligent investieren

  • nern, deren Kapital- und Zinszahlungen voll von den Verei-nigten Staaten garantiert werden. Im Moment werden gera-de Certificates Fully Guaranteed by the Secretary of Trans-portation of the Department of Transportation of the UnitedStates herausgegeben, deren Rendite genau einen Prozent-punkt ber den Bundesanleihen gleicher Flligkeit liegt.

    Der Leser wird sich wundern, warum man solche Papiereemittiert, die den Steuerzahler eine Menge kosten, undwarum man nicht auch in diesem Fall Bundesanleihen aus-gibt. Die Ursache liegt darin, da der Kongre eine Schul-denbegrenzung festgelegt hat und die Regierung dieseBegrenzung auf dem oben geschilderten Wege umgeht.

    3. Anleihen der Lnder und Kommunalobligationen

    Diese Papiere unterliegen nicht der Bundessteuer. Sie unter-liegen auch nicht der Steuer des Einzelstaates, in dem sieemittiert wurden.

    Nicht alle diese Papiere, die auch von Krperschaftenffentlichen Rechts der Gemeinden oder Einzelstaaten aus-gegeben werden, sind so sicher, da in jedem Fall eine Anla-ge fr den defensiven Anleger gerechtfertigt erscheint. DerInvestor sollte sich nach den Bewertungskriterien richten,die von Moodys oder Standard & Poors aufgestellt wur-den. Nur Werte, die in die drei hchsten Bewertungskenn-zahlen beider Dienste