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Emanzipation Literatur Emanzipation Klaus Bergmann 269 268 Handbuch der Geschichtsdidaktik Baumgartner, H. nunft, Frankfurt 1972. Bergmann, K.: daktischen Denkens, in: daktischen Denkens, in: Schorken, R. 1981. Bergmann, K/Pandel, H.-J.: tes Geschichtsbewußtsein, Frankfurt 1975. Lucas, F. J.: dung, in: dung, in: Süssmuth, H. 1972, 212-234. Mommsen, W. J.: gen, in: Jäckel, gen, in: Jäckel, E./Weymar, E. 1975, 208 — 224. Pandel, H.-J.: wartsproblemen und fachspezifischen Erkenntnisweisen, in: wartsproblemen und fachspezifischen Erkenntnisweisen, in: Schörken, R. menarbeit von Geschichts- und Politikunterricht (AuA, Bd. 20), Stuttgart 1978, 346 — 379. Rohlfes, J.: richts, in: richts, in: Schö rken, R. Rüsen, Studien zur neuzeitlichen Utopie, Bd. 1, Stuttgart 1982. Rüsen, Schulz-Ha eleit P.: g, .: „g artsbezüge" als Problem und Aufgabe des Geschichtsunterrichts, in: Gd 1 (1976), H. 1, 59 — 72; H. 2, 38-51. Schulz-Hagelett, P.: Gegcnwartsbezug der Geschichte, Stuttgart 1981. Emanzipation meint die individuelle und kollekt B f o e tive e reiung von gesellschaftlichen und Herrschaftsverhältnissen, von esells g schaftlich festgeschriebenen Rollen und von ge- sellschaftlich bedingten Bewußtseinssperren die M h ' h' erren, ie enschen in historisch überflüssiger ängigkeit und unter einem denkmöglichen und real mö lichen die politisch-rechtliche Gleichstellun von Gru ung von ruppen, Schichten, Ständen, Klassen, Völ- ern oder Rassen (politische Emanzi ation zum B ' desd Jd u ipa ion zum eispiel der Bauern, des Dritten Stan- es, er Juden, uer Frauen, des Proletariats der F di Bf s, er Farbigen, von Minderheiten aller Art)i ie e reiung von folgenreichen, esellschaftli , g e sc a t reh ubhchen Rollenzuschretbungen und manzipation der Frauen); is riminierungen (zum Beispiel Eman ' d F die Befreiung von einer durch ka italistische E 1 cl nt rem ungssituation, in der alle Menschen nur apita istische Warenproduktion verursachten ensc en nur „den Schein einer menschlichen xistenz aben (Marx: menschliche E ic e manzipation); die am oder vom Individuum zu leistende Befreiung von lebensgeschichtlich einge- bildeten Einstellungen und Vorurteilen, die es dazu bestimmen, unterhalb seiner Le- bensmöglichkeiten zu bleiben. Emanzipation ist ein Emanzipation ist ein stets Prozeß. Dies ist auch der Grund dafür, daß der Begriff Emanzipation nicht nur deskrip- tiv, zur Beschreibung historischer Prozesse, sondern auch präskriptiv-fordernd und da mit zukunftsgerichtet verwendet wird. Die Unabgeschlossenheit von Emanzipation und der erkennbare Widerspruch zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit menschlich-gesellschaftlicher Existenz begründen das a haltende Interesse an Emanzipation. Dem Interesse an Emanzipation liegt ein historisch erarbeiteter und gültiger gedanklicher Vorgriff auf eine mögliche gesellschaftlich lichkeit zugrunde, die in der Idee der allgemeinen Humanität seine höchste und hintergehbare Ausformung erfahren hat (Hofmann 1961). Wissenschaften, die ihr er- kenntnisleitendes Interesse als ein Interesse an Emanzipation bestimmen, begründen dieses Interesse mit der offenbaren Kluft zwischen theoretischer Erkenntnis gesell- schaftlicher Möglichkeiten und einer gesellschaftlichen Wirklichkeit, die unterha historisch objektiv Möglichen verbleibt. Erziehung und Emanzipation sind seit der Aufklärungszeit theoretisch aufeinan zogen: „Kinder sollen nicht nur dem gegenwärtigen, sondern dem zukünftig m besseren Zustande des menschlichen Geschlechts, das ist der Idee der Menschheit ... an- gemessen erzogen werden" (Kant 1777). In den Bezugsdisziplinen der Geschichtsdidak- tik hat das erkenntnisleitende Interesse an Emanzipation in den letzten Jahren zuneh- mend an Geltung gewonnen (Historische Sozialwissenschaft, Kritische Erziehungswis- senschaft): Bestimmte Richtungen und Fragehaltungen der deutschen Geschichtswis- senschaft — Historische Sozialwissenschaft (u. a. Kocka, Wehler), Alltagsgeschichte (vg Tenfelde 1984), Tenfelde 1984), Oral History gesprochen, ein Interesse an der Erweiterung von Freiheitsräumen in der ge chen Praxis aus und zielen daher in ihrer Forschung vorzugsweise auf die herrschaftsbe- stimmte Vergangenheit der unteren Bevölkerungsschichten und -klassen (W 1'984); Erziehung kann wissenschaftlich in einer von Anspruch und Selbstv her demokratischen Gesellschaft nicht anders gedacht werden denn als Vorgang, in dem entsprechend den gültigen Grundsätzen der Aufklärung noch Unerwachsen digkeit, das ist zu freiem und selbständigem Verstandesgebrauch befähigt we Kritische und polemische Einwände gegen eine am Leitbegriff der Emanzip orientierte Geschichtswissenschaft (Nipperdey 1980) übersehen, daß Emanzipatio „fragende Sinnvermutung" gedacht, zu einem „fruchtbaren leitenden Ge historischen Interpretation" wird (Rüsen 1981), der keine Antworten vor sondern der befragten Vergangenheit unterschiedliche und bedenkenswerte historis Erfahrungen zu entnehmen hilft. Aus erziehungswissenschaftlicher Sicht lassen sich Einwände gegen Emanzipation nur formulieren, wenn die Eingebundenh ziehungswissenschaft und Erziehungsvorgängen in das politische und gese Leben der Zeit geleugnet oder übersehen und wenn Emanzipation als ah vorgefunden oder aber verzerrend unterstellt wird. Die Diskussionen über die Schulfächer waren — in dieser Form und Intensität in de deutschen Schul- und Erziehungsgeschichte einmalig — vor allem in den si bestimmt durch Kontroversen über die Legitimität eines obersten Lernziels, das „Emanzipation" benannt oder mit „Selbst- und Mitbestimmung" umsc

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Emanzipation

Literatur

Emanzipation

Klaus Bergmann

269268

Handbuch der Geschichtsdidaktik

Baumgartner, H. nunft, Frankfurt 1972.

Bergmann, K.: daktischen Denkens, in: daktischen Denkens, in: Schorken, R. 1981.

Bergmann, K/Pandel, H.-J.: tes Geschichtsbewußtsein, Frankfurt 1975.

Lucas, F. J.: dung, in: dung, in: Süssmuth, H. 1972, 212-234.

Mommsen, W. J.: gen, in: Jäckel, gen, in: Jäckel, E./Weymar, E. 1975, 208 — 224.

Pandel, H.-J.: wartsproblemen und fachspezifischen Erkenntnisweisen, in: wartsproblemen und fachspezifischen Erkenntnisweisen, in: Schörken, R. menarbeit von Geschichts- und Politikunterricht (AuA, Bd. 20), Stuttgart 1978, 346 — 379.

Rohlfes, J.: richts, in: richts, in: Schö rken, R.

Rüsen, Studien zur neuzeitlichen Utopie, Bd. 1, Stuttgart 1982.

Rüsen, Schulz-Ha eleit P.: g, .: „g artsbezüge" als Problem und Aufgabe des Geschichtsunterrichts, in:

Gd 1 (1976), H. 1, 59 — 72; H. 2, 38-51.

Schulz-Hagelett, P.: Gegcnwartsbezug der Geschichte, Stuttgart 1981.

Emanzipation meint die individuelle und kollekt B f o e tive e reiung von gesellschaftlichen und Herrschaftsverhältnissen, von esells g schaftlich festgeschriebenen Rollen und von ge-sellschaftlich bedingten Bewußtseinssperren die M h ' h' erren, ie enschen in historisch überflüssiger

ängigkeit und unter einem denkmöglichen und real mö lichen

die politisch-rechtliche Gleichstellun von Gru ung von ruppen, Schichten, Ständen, Klassen, Völ-ern oder Rassen (politische Emanzi ation zum B '

desd Jd u ipa ion zum eispiel der Bauern, des Dritten Stan-es, er Juden, uer Frauen, des Proletariats der F

di Bf s, er Farbigen, von Minderheiten aller Art)i ie e reiung von folgenreichen, esellschaftli , g e sc a t reh ubhchen Rollenzuschretbungen und manzipation der Frauen); is riminierungen (zum Beispiel Eman ' d F

die Befreiung von einer durch ka italistische E 1 cl nt rem ungssituation, in der alle Menschen nur

apita istische Warenproduktion verursachten ensc en nur „den Schein einer menschlichen

xistenz aben (Marx: menschliche E ic e manzipation);

die am oder vom Individuum zu leistende Befreiung von lebensgeschichtlich einge-bildeten Einstellungen und Vorurteilen, die es dazu bestimmen, unterhalb seiner Le-bensmöglichkeiten zu bleiben.

Emanzipation ist ein Emanzipation ist ein stets Prozeß. Dies ist auch der Grund dafür, daß der Begriff Emanzipation nicht nur deskrip-

tiv, zur Beschreibung historischer Prozesse, sondern auch präskriptiv-fordernd und da-mit zukunftsgerichtet verwendet wird. Die Unabgeschlossenheit von Emanzipation und der erkennbare Widerspruch zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit menschlich-gesellschaftlicher Existenz begründen das an-haltende Interesse an Emanzipation. Dem Interesse an Emanzipation liegt ein historisch erarbeiteter und gültiger gedanklicher Vorgriff auf eine mögliche gesellschaftliche Sitt-lichkeit zugrunde, die in der Idee der allgemeinen Humanität seine höchste und nicht hintergehbare Ausformung erfahren hat (Hofmann 1961). Wissenschaften, die ihr er-kenntnisleitendes Interesse als ein Interesse an Emanzipation bestimmen, begründen dieses Interesse mit der offenbaren Kluft zwischen theoretischer Erkenntnis gesell-schaftlicher Möglichkeiten und einer gesellschaftlichen Wirklichkeit, die unterhalb des historisch objektiv Möglichen verbleibt. Erziehung und Emanzipation sind seit der Aufklärungszeit theoretisch aufeinanderbe-zogen: „Kinder sollen nicht nur dem gegenwärtigen, sondern dem zukünftig möglichen besseren Zustande des menschlichen Geschlechts, das ist der Idee der Menschheit ... an-

gemessen erzogen werden" (Kant 1777). In den Bezugsdisziplinen der Geschichtsdidak-tik hat das erkenntnisleitende Interesse an Emanzipation in den letzten Jahren zuneh-mend an Geltung gewonnen (Historische Sozialwissenschaft, Kritische Erziehungswis-senschaft): Bestimmte Richtungen und Fragehaltungen der deutschen Geschichtswis-senschaft — Historische Sozialwissenschaft (u. a. Kocka, Wehler), Alltagsgeschichte (vgl. Tenfelde 1984), Tenfelde 1984), Oral History gesprochen, ein Interesse an der Erweiterung von Freiheitsräumen in der gesellschaftli-chen Praxis aus und zielen daher in ihrer Forschung vorzugsweise auf die herrschaftsbe-stimmte Vergangenheit der unteren Bevölkerungsschichten und -klassen (Weymar 1'984); Erziehung kann wissenschaftlich in einer von Anspruch und Selbstverständnis her demokratischen Gesellschaft nicht anders gedacht werden denn als Vorgang, in dem entsprechend den gültigen Grundsätzen der Aufklärung noch Unerwachsene zu Mün-digkeit, das ist zu freiem und selbständigem Verstandesgebrauch befähigt werden. Kritische und polemische Einwände gegen eine am Leitbegriff der Emanzipation orientierte Geschichtswissenschaft (Nipperdey 1980) übersehen, daß Emanzipation, als „fragende Sinnvermutung" gedacht, zu einem „fruchtbaren leitenden Gesichtspunkt der historischen Interpretation" wird (Rüsen 1981), der keine Antworten vorab festlegt, sondern der befragten Vergangenheit unterschiedliche und bedenkenswerte historische Erfahrungen zu entnehmen hilft. Aus erziehungswissenschaftlicher Sicht lassen sich Einwände gegen Emanzipation nur formulieren, wenn die Eingebundenheit von Er-ziehungswissenschaft und Erziehungsvorgängen in das politische und gesellschaftliche Leben der Zeit geleugnet oder übersehen und wenn Emanzipation als ahistorische Idee vorgefunden oder aber verzerrend unterstellt wird. Die Diskussionen über die Schulfächer waren — in dieser Form und Intensität in der deutschen Schul- und Erziehungsgeschichte einmalig — vor allem in den siebziger Jahren bestimmt durch Kontroversen über die Legitimität eines obersten Lernziels, das mit „Emanzipation" benannt oder mit „Selbst- und Mitbestimmung" umschrieben wird. In

Elasss Bergmann Emanzipation

Literatur

270271

Handbuch der Geschichtsdidaktik

der G eschichtsdidaktik ist das Interesse an Emanzipation erst jüngsten Datums. Ge-schichte diente traditionell — vor allem seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts—

eher der Herstellung nationaler Identität oder der Legitimation bestehender gesell-schaftlicher Verhältnisse als den Emanzipationsbewegungen (Wehler 1979) und bis in '!

die Gegenwart hinein ist etwa die Geschichte des Geschichtsunterrichts eine fortdau-ernde Kette von Versuchen gewesen, Schüler ungeachtet ihrer historisch legitimen An-sprüche und Rechte auf die a! !s elementar entwicklungslos unterstellten gegebenen Herrschaftsverhältnisse festzulegen. Erst die Hessischen Rahmenrichtlinien für Gesell-schaftslehre (1972) und A. Kuhn (1974), danach Bergmann/Pandel (1975) Bergmann (l980) und — aus marxistischer Sicht — Jung/v. Staehr (1983) haben Konzepte einer Ge-schichtsdidaktik vor ele t die d g g, ' der Idee der Emanzipation verpflichtet sind. Sie haben die geschichtsdidaktische Diskussion der letzten Jahre zum Teil erheblich beeinflußt

un ereichert. Mitte der neunziger Jahre kann als gesichert gelten, daß viele der in den siebziger Jahren entwickelten Vorstellungen üb d B ' d G h' h n ü er en eitrag es eschichtsunterrichts zu Emanzipation (oder: Selbst- und Mitbestimmung, Mündigkeit) geschichtsdidakti-

r p a ativ ausge reitet werden. sc es Gemeingut sind, auch wenn sie nicht mehr l k ' b ' d Sofern Emanzipation durch materielle Verhältnisse und Interessen behindert wird, kann

i e ar urc u ärung zur Emanzipation issenschaft ebenso wie Unterricht nur mittelbar d h A fkl" beitragen. Wissenschaft und Unterricht bauen k ' B 'k d d ' d eine arri a en und sind unmittelbar

unfähig, „alle Verhältnisse umzuwerfen in d e r en, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein ge-nec tetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist" (Marx 1843/1944). Sofern da e-

gen Emanzipation durch individuell und koll k ' 4 . o ern age-

B ß un o ektiv auffindbares, gesellschaftlich falsches

ewu.tsein aufgehalten wird, können Wissen "nnen issenschaft und Unterricht zur Emanzipation eitragen, indem sie sagen, was mö lieh eword ög ic geworden ist, und indem sie das Vermögen aus-i en, „sie seines Verstandes ohne Leitun ein i ung eines anderen zu bedienen" (Kant 1784). ie ög ic»keiten, durch Geschichtsunterricht Emanzi t' erric t manzipation zu befördern, sind be-

' a er ' "b d' g i erhöht die Chancen. Sie beschränken sich

Im Geschichtsunterricht werden d h d oder gesch ' M" l' hk

n ge ac te un elebte a eiterte ög ic eiten menschlich-

g, antizipierte und gelungene ic -gesellschaftlicher Existenz verhandelt,

ie nnä erungen an die Idee der allgemeinen Humani " einen umanität darstellen und im histo«-

'ontext un im Bezugsrahmen gegenwärti er ob' k ' "r iger o jektiver Möglichkeiten be-r en. m esc ichtsunterrichtwerdendadurch

sigte Inhalte erschlos d S h" a urc neue, bislang vernachläs-

sc ossen; en Schülern werden an der V an der Vergangenheit Perspektiven

Der Gesch' h

lkti h S o Ab'h dS h ng von sie t und Sachbedm un . Er m g ~ ~ g g'n "' r o g un ür istorisches Scheitern für

historisches Leiden kate ür historisches Handeln und für

es ei en ategorial erkennbar und lernbar. Er ist dar h ß l'' h A h' dOh

Vo! i b b ddi M- 1' e pat ie un O nmachtsbewußtsein wie

d E '1 d E '1 }1 auen un ie Möglichkeiten ein reifenden

Der G eschichtsunterricht vermittelt 1 h' geschichtlich erarbeitetes Ver " d

e t gerege tes istorisches D enken als ein gattungs-' e es ermögen der Wirklichkeitser

i er attung ist und einer vernunftbe Praxis unabdingbar zu h"

vernun tbestimmten gesellschaftlichen ar zuge ört. Voraussetzun für da u g ür das Lernen des histo e räsentationsformen v men von Geschichte, die nach Maßgabe des

Möglichen vermeiden, den Lernenden Geschichte als fertiges Produkt vorzuführen, vielmehr so angelegt sind, daß die Lernenden zu eigenständigen und durchaus kon-troversen Rekonstruktionen der sie betreffenden Vergangenheit kommen können.

In dieser Bestimmung der begrenzten Möglichkeiten des Geschichtsunterrichts, Eman-zipation zu fördern, sind die emanzipatorischen Fähigkeiten beschlossen, die Annette Kuhn als mögliche Ergebnisse eines emanzipatorischen Geschichtsunterrichts skizziert hat und die auch dem Konzept der Hessischen Rahmenrichtlinien für Gesellschaftslehre zugrunde lagen:

„1. Fähigkeit zur Kommunikation; 2. Fähigkeit zum ideologiekritischen Denken; 3. Fähigkeit zur gesellschaftlichen Analyse; 4. Fahigkeit zur Parteinahme; 5. Fähigkeit zur Identitätserweiterung" (Kuhn 1974, 71).

Historisch-politische Erfahrungen lassen es darüber hinaus als sinnvoll erscheinen, eine emanzipatorische Fähigkeit anzunehmen und auszubilden, die darauf gerichtet ist, den erreichten Stand der Emanzipation vor Regression zu bewahren. Entgegen wissenschaftlichen Befürchtungen (Rohlfes 1980) und politischen Unterstel-lungen schließen das Interesse an Emanzipation und Indoktrination einander aus. Die Idee der Emanzipation verwirft den Gedanken, „daß eine Gruppe von Menschen einer anderen die Geschichte vordenkt und vorschreibt"; eine an der Idee der Emanzipation orientierte Geschichtsdarstellung will vielmehr die Lernenden befähigen, „sich ihre Ge-schichte selber zu schreiben, indem sie ihren Verstand frei gebrauchen, und das bedeutet immer auch, indem sie ihnen vorgegebene historische Deutungen kritisch auf ihre Be-rechtigung hin überprüfen" (Rüsen 1981, 206). Emanzipation ist im Geschichtsunterricht immer konkret mögliche und zu realisierende Emanzipation von Individuen mit durchaus angestrebten gesellschaftlichen Folgewir-kungen. Das Interesse an Emanzipation konkretisiert sich im Geschichtsunterricht auch in der Interaktion und im Diskurs, wenn die an ihm beteiligten Lehrer und Schüler sich wechselseitig und untereinander als Individuen anerkennen, respektieren und garantie-ren. Ebenso werden auch inhaltliche Vorstellungen über Emanzipation erst in der Aus-einandersetzung mit historischen Sachverhalten — Prozessen, Wertvorstellungen — kon-kretisiert und angereichert.

Behrmann, eines kooperativen Unterrichts, Paderborn 1978.

Bergmann, didaktische Positionen, Paderborn 1980, 17-48.

Bergmann, K/Pandel. H.-J.: tes Geschichtsbewußtsein, Frankfurt 1975.

Fischer, Didaktik des Politischen Unterrichts, Göttingen 1972.

Grass, zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, hg. von O. Brunner, W. Conze, R. Kosel!eck, Bd. 2, Stuttgart 1975.

Austvahl

Auswahl

Klaus Bergmann

273Handbuch der Geschichtsdidaktik

Greiffenhagen, Grob, D.: Habermas, J.: Hofmann, W.: Jung, Jung, H. W./Staehr, Kocka, J.:

gen zu ihrer Didaktik, in: gen zu ihrer Didaktik, in: Bergmann, K/Rüsen, Praxis, Düsseldorf 1978, 14-30.

Kahn, Kuhn,

fung, in: fung, in: Susimuth, H. Mollenhauer, K.: Niethammer, L.

story, Frankfurt 1980.

Xtpperdey, Xtpperdey, Th.: gen unserer Freiheit, Zürich 1980.

Oral Hntory — Kommunikative Geschichte — „Geschichte von unten", Rohlfes, J.: schichtsdidaktische Positionen, Paderborn 1980, 337 — 381.

Rasen,.l.: als Aufklärung. Oder: Das Dilemma des historischen Denkens zwischen Herrschaft und Emanzipation, in: Herrschaft und Emanzipation, in: Geschichte Historisches Lernen, Köln/Weimar/Wien 1994.

Tenfelde, Ka f, .: Wehler, Wehler, H. tswissenschaft heute, in: tswissenschaft heute, in: Habermas, Situation der Zeit", Bd. 2, Frankfurt 1979. Weymar, E.: " als Orientierungsproblem in Geschichtswissenschaft und Geschichtsdi-

daktik, in: daktik, in: Jeismann K.-E. : J, .— . (Hrsg.): Geschichte als Legitimation?, Braunschweig 1984.

Die Auswahl historischer Unterrichtsin r nterrichtsinhalte gehört zu den wesentlich~~ sc ic ts idaktischer Reflexion. Es ist sc ic t ' ' xion. s ist die Frage, nach welchen Kriterien L«n von — ' en gesc ie en werden kann, das die empirische Gesc"i sc ung a s uistorisches Wissen in unendli h gänzt. ie empirische Geschichtsforsc sc un a s uis ' ' in unendlicher Fülle bereitstellt, ständig «n'u'r ä . ' ' ' esc ic ts orschung selber liefert keine Maßstab~ da ei e es von ihr hergestellten historische is orischen Wissens im historischen Unterric

von in ern und Jugendlichen durch es ro en urc gesprochen und verhandelt werden en von riterien für die Auswahl ist eine e ist eine genuin geschichtsdid

c ic ts i a ti k ' ings auf die (geschichtsdidaktische) c ic ts i a ti kann dabei allerdin s n von istori ern zurück reifen die grei en die unter der Frage Wozu noch

ose ec ü er ie Bedeutung von Gesc g n eschichte in unserer Zeit nachdenken. /

272

Die Auswahlproblematik kann in drei Hinsichten betrachtet werden: (1) Auf der Ebene der Curriculum- und Lehrplankonstruktion stellt sich die Frage, was aus der Fülle des Lern- und Wißbaren im Blick auf die Orientierungsbedürfnisse von Kindern und Jugendlichen in ihrer Zeit ausgewählt werden soll. Die vorliegenden Lehrpläne weisen in ihren theoretisch-geschichtsdidaktischen Teilen Kriterien aus, nach denen die vorge-schlagenen oder vorgeschriebenen Unterrichtsinhalte — auf die Schulformen und -stufen

verteilt — ausgewählt worden sind. Darüber hinaus hat etwa die „Lübecker Arbeits~ru~e" von Geschichtsdidaktikern 1974 Vorschläge für die Auswahl von Unterrichtsinhalten un-terbreitet, die bei der Erarbeitung von Richtlinien und Lehrplänen (und — gegebenenfalls— auch bei der Planung von Unterricht durch die Lehrenden) berücksichtigt werden könn-ten. Sie hat dazu acht Gesichtspunkte benannt, die geeignet sein sollen didaktisch begrün-dete InXaTte zu erschließen:gSäkulare Grundlagen des gegenwärtigen Zeitalters~isto-rische Erfahrungen rische Erfahrungen Aktuelle politische Probleme, Q4.)Identifikationsmuster und Feindbilder+5 Lebensbedürfnisse und Erkenntnisinteressen der Lernenden,(6. Universalgeschichte und Erklärungsmodelle,~Historisch-politische

Kategorien und,%~Historisch-politische Sachbereiche (Rohlfes/Jeismann 1974). (2) Ähnlich stellt sich das Problem in der Idealsituation, in der Lehrerinnen und Lehrer, an staatliche Richtlinienvorgaben nicht gebunden, nur ihrer geschichtsdidaktischen Verantwortung für die Entwicklung des Geschichtsbewußtseins der Lernenden unter-worfen und damit nicht gehalten sind, die sonst vorgeschriebene „staubige Straße der Chronologie entlangzutrotten" (Koselleck). Auch hier geht es um Gesichtspunkte oder Kriterien für die Auswahl nicht vorgegebener oder vorgeschriebener Inhaltsbereiche. (3) Auf der Ebene staatlicher Richtlinienvorgaben und eines vorgeschriebenen „chrono-

logischen Durchgangs" stellt sich das Problem der Auswahl als Problem der geschichts-„Eidaktischen Analyse" (Klafki), bei der vorgegebene Unterrichtsinhalte auf ihre mögli-che Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung befragt und Gesichtspunkte ermittelt werden, p, unter denen ein vorgegebener Bildungs-Inhalt seinen Bildungs-Gehalt gewinnt. Auf dieser Ebene des „Kerns der Unterrichtsvorbereitung" (Klafki) bleiben den Lehrenden ca /

viele wissenschaftlich begründbare Möglichkeiten, bloße „Stoffe" zu geschichtsdidakti- -„„' schen Themen" zu machen

Gegenüber allen von außerhalb ihrer selbst vorgeschriebenen, vorgeschlagenen oder

suggerierten Auswahlgesichtspunkten besteht die Geschichtsdidaktik auf dem An-spruch, unbeeinflußt von staatlichen oder Gruppeninteressen eigenständig über Kriteri-en für die Auswahl von Unterrichtsinhalten nachzudenken. Sie geht dabei aus von den

(1) Bildungs- und Orientierungsbedürfnissen der Lernenden („Schülerinteresse"), (2) dem Vorrang einer im weiten Sinn politisch verstandenen Geschichte, (3) der ge-schichtstheoretisch unbestrittenen Gegenwarts- und Zukunftsbezogenheit historischen Denkens, (4) von weiteren aus geschichtstheoretischen Erkenntnissen gewonnenen ge-schichtsdidaktischen Kategorien und (5) von einer öffentlich präsenten und präsentier-ten Geschichte, die das Geschichtsbewußtsein vermutlich nachhaltiger beeinflußt als der schulische Geschichtsunterricht. Daß sie dabei ihre Kriterien in wissenschaftlich gere-

gelten Denkvorgängen bestimmt, versteht sich.

Zu 1t Keine geschichtsdidaktische Überlegung zum Auswahlproblem kann davon abse-hen, daß die Frage von Schülerinnen und Schülern „... und was hat das mit mir zu tun?" (Thurn 1993) grundlegend ist und einen legitimen Anspruch anmeldet, der nicht übergangen werden darf. Der Gesichtspunkt des „Schülerinteresses" ist für die Geschichtsdidaktik, die die Ergebnisse der Geschichtsforschung und die Erkenntnisse