Bergpredigt - Ansätze zur Auslegung

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  • 8/2/2019 Bergpredigt - Anstze zur Auslegung

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    Anstze zur Auslegung der Bergpredigt

    Die Frage nach der Realisierbarkeit und damit nach der Ver-

    bindlichkeit der Bergpredigt hat in der Vergangenheit zu unter-

    schiedlichen Ansichten gefhrt:

    Die Gebote der Bergpredigt werden als erfllbar verstanden: Es gibt keinen Grund, anzu-

    nehmen, Jesus habe seine eigenen ethischen Forderungen nicht befolgt und auch gar

    nicht erwartet, dass sie befolgt werden. Jesus strebte eine Radikalisierung der jdischen

    Ethik an und wollte, dass seine Jnger in seine kompromisslose Nachfolge eintreten.

    Von vornherein sind die Forderungen Jesu in der Bergpredigt als unerfllbar gedacht. Die

    radikalen Gebote Jesu wollen gar keine ethische Anweisung sein, sondern vielmehr deut-

    lich machen, dass der Mensch den Willen Gottes von sich aus eben gerade nicht erfllen

    kann. Erst wenn dies dem Menschen klar wird, hat er seine Situation richtig erkannt: Der

    Mensch ist Snder und auf Gottes Gnade, Barmherzigkeit und Vergebung angewiesen.

    Die Forderungen Jesu sind Forderungen fr die Vollkommenen, fr diejenigen, die sich zu

    besonderer Frmmigkeit und besonderem Gehorsam verpflichtet haben (Priester, Mn-

    che, Nonnen). Die radikalen Gebote Jesu sind Ratschlge fr diejenigen, die sich um ihres

    Glaubens willen aus der Welt zurckziehen, damit sie ein vollkommenes Leben fhren

    knnen, und dabei die Gelbde von Armut, Gehorsam und Ehelosigkeit (= evangelische

    Rte) auf sich nehmen. Fr die einfachen ChristInnen (Laien) sind allein die 10 Gebote

    verbindlich.

    Die Forderungen der Bergpredigt stellen eine Ethik des Reiches Gottes dar, die nur fr die

    Jnger Jesu und nurinnerhalb der christlichen Gemeinden und im privaten Bereich gilt.

    Fr die ffentlichen Bereiche knnen die radikalen Forderungen Jesu nicht gelten.

    Die Forderungen der Bergpredigt sind in der Gewissheit formuliert, dass das Ende dieser

    Welt bevorsteht und die Gottesherrschaft naht. Nur fr diese Zwischenzeit bis zur voll-

    kommenen Verwirklichung des Reiches Gottes, fr diesen Ausnahmezustand, der zu einer

    auerordentlichen Anstrengung befhigt, waren Jesu Weisungen gedacht. Die Bergpredigtbeinhaltet demnach eine Interimsethik.

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    Die Forderungen der Bergpredigt machen deutlich, dass es Jesus nicht um neue Gesetze

    und konkrete Anweisungen geht, sondern um die Gesinnung, um die rechte Herzensein-

    stellung. Jesus geht es allein um die innere Haltung (Gesinnungsethik).

    Die Forderungen der Bergpredigt sind bewusst weiter gesteckt als das, was tatschlich er-

    reicht werden kann. Es handelt sich hierbei um berspitzte Aussagen, die das Wollen, die

    innere Haltung und Gesinnung ausrichten sollen. Das ist notwendig, weil das Ziel immer

    weiter gesteckt sein muss als das, was man dann wirklich erreichen kann (Zielgebote).

    Die Forderungen der Bergpredigt sind auf eine neue, vollkommene Gesellschaft ausgerich-tet, die nur durch eine sozialrevolutionre Vernderung zu verwirklichen ist. Die Bergpre-

    digt stellt also das Programm einer zu realisierenden neuen Gesellschaftsordnung dar.