4
Eisbrecherin Die ersten Wochen sind vergangen als Cora, die Signalhündin, für ihr neues Leben in die ferne Stadt gezogen ist. Tausend neue Gerüche, tausend neue Situationen, tausend neue Erfahrungen, aber ein neues Zuhause. Die Genesis einer wunderbaren Freundschaft… Es ist Sonntag der 3. Juli kurz vor 9 Uhr. Das Wetter könnte kaum schöner sein. Wir biegen mit unserem Auto in den letzten Kreisverkehr ein, der uns vom Ausbildungszentrum in Weitwörth nur noch wenige Meter trennt. Blinker nach rechts, Lenkrad folgt. Nun ist es zu sehen, das große gelbe Haus, flankiert von nicht weniger beeindruckenden Fahnen der Hauptsponsoren. Das Bild ist stimmig. Man spürt, hier wird auf Präzision, Professionalität und Miteinander wertgelegt. Beim großen schweren Eingangstor betätigen wir den Klingelknopf, welcher auch sogleich als musikalische Untermalung Gebell von den hier lebenden Hunden auslöst. Man öffnet uns die Türe, wir werden freundlich begrüßt... Jetzt gibt es kein Zurück mehr... In wenigen Momenten sollten wir Cora das erste mal von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen... Der große Schulungs- und Seminarraum ist eines der Zentren der Ausbildungsstätte. Eingebettet in einem eigenen Haus inmitten des Hofes, ist gleichsam zentraler Versammlungsort auch für andere hier lebende Tiere. Ob Schafe, Ziegen, Ponys, Katzen, Hasen, Meerschweinchen, Hennen oder Enten, hier ist Diversität zu Hause. Das „Klassenzimmer“ ist praktisch und doch liebevoll eingerichtet. Wir sitzen an den für uns mit Schulungsunterlagen vorbereiteten „Sitzbänken“. Elisabeth, die Hausherrin, hält die Spannung beharrlich, trägt uns genüsslich die ersten „wirklich, wirklich dringend notwendigen“ theoretischen Grundkenntnisse vor, noch bevor wir Cora überhaupt das erste Mal zu Gesicht bekommen. Sie weiß, das hebt die Spannung und den Puls. Wir ertragen tapfer diese Tortur, doch Minuten empfinden wir wie Stunden. Wir sammeln unsere letzten Energien, um noch konzentriert zu zuhören, aber wir schwächeln. Der Leidensdruck wird immer größer. Dann endlich, endlich hat Elisabeth erbarmen... Elisabeth schreitet zur Glastüre, die in den Innenhof führt, öffnet die Türe vorsichtig und sagt leise „na kommt schon rein“. Zwei bildhübsche schwarze kleine, ähm moment - jössers - sehr große Hunde schwanzwedeln sich vor Freude beinahe hyperventilierend in den Seite 1 von 4

Bericht Signalhund Cora - August 2011

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Bericht über die Erlebnisse und Erfahrungen des Signalhündin Cora und seinen Herrlis Manfred und Dominik

Citation preview

Page 1: Bericht Signalhund Cora - August 2011

EisbrecherinDie ersten Wochen sind vergangen als Cora, die Signalhündin, für ihr neues Leben in die ferne Stadt gezogen ist. Tausend neue Gerüche, tausend neue Situationen, tausend neue Erfahrungen, aber ein neues Zuhause. Die Genesis einer wunderbaren Freundschaft…

Es ist Sonntag der 3. Juli kurz vor 9 Uhr. Das Wetter könnte kaum schöner sein. Wir biegen mit unserem Auto in den letzten Kreisverkehr ein, der uns vom Ausbildungszentrum in Weitwörth nur noch wenige Meter trennt. Blinker nach rechts, Lenkrad folgt. Nun ist es zu sehen, das große gelbe Haus, flankiert von nicht weniger beeindruckenden Fahnen der Hauptsponsoren. Das Bild ist stimmig. Man spürt, hier wird auf Präzision, Professionalität und Miteinander wertgelegt. Beim großen schweren Eingangstor betätigen wir den Klingelknopf, welcher auch sogleich als musikalische Untermalung Gebell von den hier lebenden Hunden auslöst. Man öffnet uns die Türe, wir werden freundlich begrüßt... Jetzt gibt es kein Zurück mehr... In wenigen Momenten sollten wir Cora das erste mal von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen...

Der große Schulungs- und Seminarraum ist eines der Zentren der Ausbildungsstätte. Eingebettet in einem eigenen Haus inmitten des Hofes, ist gleichsam zentraler Versammlungsort auch für andere hier lebende Tiere. Ob

Schafe, Ziegen, Ponys, Katzen, Hasen, Meerschweinchen, Hennen oder Enten, hier ist Diversität zu Hause. Das „Klassenzimmer“ ist praktisch und doch liebevoll eingerichtet. Wir sitzen an den für uns mit Schulungsunterlagen vorbereiteten „Sitzbänken“. Elisabeth, die Hausherrin, hält die Spannung beharrlich, trägt uns genüsslich die ersten „wirklich, wirklich dringend notwendigen“ theoretischen Grundkenntnisse vor, noch bevor wir Cora überhaupt das erste Mal zu Gesicht bekommen. Sie weiß, das hebt die Spannung und den Puls. Wir ertragen tapfer diese Tortur, doch Minuten empfinden wir wie Stunden. Wir sammeln unsere letzten Energien, um noch konzentriert zu zuhören, aber wir schwächeln. Der Leidensdruck wird immer größer. Dann endlich, endlich hat Elisabeth erbarmen...

Elisabeth schreitet zur Glastüre, die in den Innenhof führt, öffnet die Türe vorsichtig und sagt leise „na kommt

schon rein“. Zwei bildhübsche schwarze kleine, ähm moment - jössers - sehr große Hunde schwanzwedeln sich vor Freude beinahe hyperventilierend in den

Seite 1 von 4

Page 2: Bericht Signalhund Cora - August 2011

Raum. Die Freude gilt allerdings vorerst nicht wirklich uns, wir sind ja nur unbekannte und maximal geduldete Besucher. Doch bald ist das Eis gebrochen. Wir begrüßen Cora, Cora begrüßt uns. Die Unsicherheit auf beiden Seiten ist nicht zu übersehen. Doch von Minute zu Minute wächst das Vertrauen. Wir streicheln sie, sie sieht uns an, hebt die Pfote und legt sie auf Manfreds Arm. Dies sollte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden...

Hartes TrainingDie nächsten zwei Wochen sind geprägt von intensiven Trainingseinheiten. Zwischen Theorie und Praxis wechselnd, sollten wir aufeinander abgestimmt

werden. Für Cora gilt es ihr neues Herrli kennenzulernen. Wie bewegt er sich, wie ist seine Stimme, sind seine Handzeichen dieselben? Cora muss nun all das, was sie gelernt hat auch bei Manfred verstehen und anwenden können. Manfred wiederum muss, all das was Cora schon kann, nun konsequent erlernen. Nur so können die beiden perfekt aufeinander abgestimmt werden. Das intensive Ausbildungstraining sollte am 13. Juli mit einem Prüfungsspaziergang zu Ende gehen. Cora und Manfred meistern diesen mit Bravour. Selbst die für so ausgesprochene Wasserratten wie Cora, so verlockende Salzach, die dem Manfred Angstschweiß aus der Stirne drückt, sollte den Erfolg nicht schmälern.

Ein Dream-Team die beiden. Im Anschluss an die Prüfung geht es zum gemeinsamen Abschlussessen. Mit dabei auch eine Vielzahl an Hundefreunden. Doch jetzt heißt es vorläufig Abschied nehmen, denn die neue Heimat ruft...

Vom Landei-Baby zur Großstadt-DameDie Fahrt nach Wien scheint kaum Eindrücke zu hinterlassen. Cora ist gelangweilt von dem, was sich jenseits der Fensterscheiben auf den Autobahnen tut. Vielmehr ist interessant, das Erlebte zu verarbeiten - sie träumt und schnarcht dahin. Nach einer kurzen Schlafunterbrechnung - eine Pause muss ja sein - geht’s direkt nach Wien. Durch die Gassen, durch die Straßen, über Kreuzungen und über Schienen, das sich hier dargebotene Bild weckt nun doch etwas Interesse. Zuhause angekommen wird die neue Umgebung mit Schnauze und Augen ausführlichst begutachtet. Cora inspiziert sämtliche Räume und all das, was sich darin befindet sehr detailliert. Sie scheint sich sehr wohl zu fühlen. Ui, was ist denn da? Ihr neues Bettchen, welchem sie besondere Aufmerksamkeit schenkt. Sie versenkt sich darin. Wir betrachten dies als Einladung, selbst auch ein kurzes Nickerchen zu machen. Gesagt, getan.

Wer gut schläft ist im Anschluss fit. So wagen wir unseren ersten großen Spaziergang. Und weil wir mutig sind, entscheiden wir uns auch gleich für den

Seite 2 von 4

Page 3: Bericht Signalhund Cora - August 2011

Heldenplatz. Um (öffentlich) dorthin zu gelangen, muss die Ubahn genommen werden. Die U-Bahn fährt ein und wir steigen vorsichtig in den Waggon. Cora muss ja alles erst kennenlernen. Sehr neugierig beobachtet Cora die vielen Menschen - mit einem Gesichtsausdruck ein wenig wie ein Honigkuchenpferd. Doch keine Spur von Angst oder Verunsicherung ist zu merken. Sie

akzeptiert einfach dessen was ist. Das U-Bahnfahren gehört ab sofort zum Alltag. In der Hundezone angelangt wird auch sogleich das Geschäft verrichtet. Dass Cora dort auch gleich neue Hundefreunde kennenlernt, versteht sich von selbst ;)

HineingewachsenSeither sind einige Wochen vergangen. Zeit in der unzählige neue Erfahrungen gesammelt wurden. Sei es, wie sich Hundepopo auf einem Ameisenhaufen auf einem anfühlt - oja, Manfred hat diesen im Wald übersehen und lies Cora mit der Präzision einer Schweizer Uhr “sedi” machen - sei es, wie liebevoll und aufregend ein Tierarztbesuch sein kann, wie schön es sich bei einer Hochzeit in einem katholischen Gebetshaus zwischen trällernden Kircheorgeln und vom Weihraum beinahe zugedröhnten Hochzeitspaar schlafen lässt, oder einfach nur, wie genial es ist, in Schwiergermamas riesigen Pool zu plantschen. Wir haben viel von einander gelernt. Cora ist ausgesprochen folgsam,

ein ruhiges Gemüt, mit diesem sie selbst normalerweise hysterisch kläffende Hundefreunde ansteckt. Sie ist wissbegierig, neugierig und lernwillig. Gemeinsam haben wir beispielsweise neue Signale gelernt: der Eierkocher, die Küchenuhr, das Läuten

von Manfreds Mobiltelefon, wenn Dominik über Videotelefonie anruft. Und das wichtigste ist, es macht ihr Spaß und bereitet ihr große Freude. Am liebsten werden Gegenstände aufgehoben. Dabei spielt es keine Rolle, welcher Gegenstand zu Boden fällt. Cora hebt ihn

auf. Dominik hat dies auch gleich zu nutzen verstanden. Gemeinsam sortieren die beiden die Wäsche. Die dunklen Socken zur dunklen Wäsche, die hellen Sachen zum weißen Stapel. Cora hilft sehr freudig im Haushalt mit. Nur das Staubsaugen wird teilnahmslos toleriert. Beim Fischefüttern wird zugeguckt, beim Kochen kontrolliert - es

Seite 3 von 4

Page 4: Bericht Signalhund Cora - August 2011

könnte ja sein, dass was zu Boden fällt -, beim Wäschewaschen die Trommel befüllt und beim Frühstückmachen auf die Eier geachtet.

Selbstverständlich wird ein Klopfen oder Läuten an der Türe gemeldet oder morgens pünktlichst - nicht immer zur Freude ihrer Herrlis - geweckt. Cora will das Frühstückskeksi ja schließlich auch am Wochenende pünktlich bekommen. All das funktioniert wunderbar, selbst unter vermeintlich schwierigen Umständen. Sogar als der ORF zu Dreharbeiten gekommen war funktionierte zur Begeisterung aller alles auf Anhieb und tadellos.

Die EisbrecherinDie wohl spektakulärste Veränderung, die Manfred Cora zu verdanken hat: sie ist Brückenbauerin oder besser noch, eine Eisbrecherin. Haben Menschen früher aus Berührungsangst einen

großen Bogen um Manfred gemacht, suchen sie nun die Nähe zu ihm. Selbst bei Verwandten, die ihm über Jahre hinweg sogar das Grüßen entsagt haben, wurde sie zur erfolgreichen Vermittlerin. Cora löst bei anderen Menschen Begeisterungsstürme aus, lässt Neugierde über Gehörlosigkeit und der damit oftmals verbundenen Isolation entstehen.

Sie ist wohl zu Manfreds bestem Freund geworden. Dafür sind wir ihr zu Dank verpflichtet. Wir geben unser Bestes, um ihr unsere Dankbarkeit in Form von alledem, was sie braucht, um gesund und glücklich zu sein, Tag für Tag würdevoll erlebbar zu machen.

Danke süße Maus!

Wien, August 2011

Seite 4 von 4