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XVI. Bericht fiber die Verhandlungen der otologischen Section auf der 66. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Wien veto 23.--29. September 1894. Von Dr. Reinhard in Duisburg. Einfi~hrender: Prof. Dr. A. Politz er. I. Schriftffihrer: Dr. Bi ng. lI. Schriftft~hrer: Dr. Go mp e r z. Wegen des in Rein abgehaltenen XI. internationalen reed. Congresses lag die Befiirehtung einer sehw~cheren Betheiligung in Wien nahe) da niehts so sehr l~hmend auf wissensehaftliche Ver- einigungen einwirkt, als ein ,,Zu viel"; besonders trat diese Be- ftirchtung filr die Specialabtheilungen der Versammlung auf, welche zumeist neben dem grossen internationalen Congress und neben der Naturforscherversammlung noch allj~hrlich wiederkehrende Specialzusammenkilnfte haben, auf denen sic abseits yon dem mehr oder weniger lauten Gewoge derartiger grosser Vereinigungen nut im gegenseitigen Austauseh ihrer Speeialinteressen sich zu- sammenfinden. So war die 3. Versammlung der Deutsehen oto= logisehen Gesellschaft vet wenigen Monaten in Bonn unter ziem- lieh zahlreieher Betheiligung abgehalten. Aber trotz tier kurzen Spanne Zeit, welehe zwisehen Rein (Ostern 1894) and Bonn (Pfingsten 1894) und der deutsehen Naturforseherversammlung in Wien (September 1894) lag, sah man aus der grossen Zahl yon gleiehstrebenden M~innern, welehe naeh der Donaustadt ge- kommen waren, dass gerade unsere unaufhaltsam vorw~h'ts eilende Wissenschaft stets neue Punkte findet) welehe eine Zusammen- kunft ftir alle Theilnehmer interessant und lohnend maehen. Referent sah nieht nur solehe Theilnehmer, welehe Wien Rein vorgezogen hatten, sondern konnte anch vielen befreundeten and bekannten Collegen die Hand drtieken, mit denen or zu 0stern in Rein in klassisehen Erinnernngen gesohwelgt hatte. Referent kann nieht umhin, an dieser Stelle des Entgegenkom-

Bericht über die Verhandlungen der otologischen Section auf der 66. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Wien vom 23.–29. September 1894

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XVI.

Bericht fiber die Verhandlungen der otologischen Section auf der 66. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte

in Wien veto 23.--29. September 1894. Von

Dr. Reinhard in Duisburg.

Einfi~hrender: Prof. Dr. A. Politz er. I. Schriftffihrer: Dr. B i ng. lI. Schriftft~hrer: Dr. G o m p e r z.

Wegen des in Rein abgehaltenen XI. internationalen reed. Congresses lag die Befiirehtung einer sehw~cheren Betheiligung in Wien nahe) da niehts so sehr l~hmend auf wissensehaftliche Ver- einigungen einwirkt, als ein ,,Zu viel"; besonders trat diese Be- ftirchtung filr die Specialabtheilungen der Versammlung auf, welche zumeist neben dem grossen internationalen Congress und neben der Naturforscherversammlung noch allj~hrlich wiederkehrende Specialzusammenkilnfte haben, auf denen sic abseits yon dem mehr oder weniger lauten Gewoge derartiger grosser Vereinigungen nut im gegenseitigen Austauseh ihrer Speeialinteressen sich zu- sammenfinden. So war die 3. Versammlung der Deutsehen oto= logisehen Gesellschaft vet wenigen Monaten in Bonn unter ziem- lieh zahlreieher Betheiligung abgehalten. Aber trotz tier kurzen Spanne Zeit, welehe zwisehen Rein (Ostern 1894) and Bonn (Pfingsten 1894) und der deutsehen Naturforseherversammlung in Wien (September 1894) lag, sah man aus der grossen Zahl yon gleiehstrebenden M~innern, welehe naeh der Donaustadt ge- kommen waren, dass gerade unsere unaufhaltsam vorw~h'ts eilende Wissenschaft stets neue Punkte findet) welehe eine Zusammen- kunft ftir alle Theilnehmer interessant und lohnend maehen.

Referent sah nieht nur solehe Theilnehmer, welehe Wien Rein vorgezogen hatten, sondern konnte anch vielen befreundeten and bekannten Collegen die Hand drtieken, mit denen or zu 0stern in Rein in klassisehen Erinnernngen gesohwelgt hatte. Referent kann nieht umhin, an dieser Stelle des Entgegenkom-

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mens und der bereitwilligen Liebenswtirdigkeit des Wiener vor- bereitenden Comit6s Erwi~hnung zu thun, welches den Fremden - - we es nut konnte - - in der Uebersieht der Veranstaltungen Erleichterung des Auffindens und des Verkehrs gesehaffen hatte und so - - ganz im Gegensatz zum Empfange in R o m - schon bei Beginn der Versammlung ein abgesehlossenes fertiges Gauze den yon aussen hinzugeeilten Naturforschern darbieten konnte. lqimmt man dazu noch die dem Wiener angeborene und mit Reeht nachgeriihmte Gemtithliehkeit, ferner Wiens Vorziige ats Stadt und Residenz, so ist es leicht erklarlich, dass ein jeder Besucher mit der Wahl des Ortes zufrieden und geradezu entztickt war yon dem Wiener Aufenthalt.

Die Zahl der Theilnehmer an der Section fUr Ohrenheil- kunde betrug 42; davon kamen auf

Deutschland . . . . . . 1 $ Oesterreich- Ungarn 17 Russland . . . . . . . 3 Schweiz . . . . . . . 1 Italien . . . . . . . . 1 Belgien . . 1 D~nemark . . . . . . 1

Sa. 42 Von diesen 42 Theilnehmern wurden 29 Vortr~ige und Demonstra- tionen gehatten. Im Ganzen fanden 8 Sitzungen start, yon denen eine der Eriifihung und Begrtissung Seitens des Einfiihrenden, 5 fUr Vortriige und flir Demonstrationen yon anatomischen Priiparaten und eine zur Besichtigung der ftir die Ohrenkliniken bestimmten Riiume im ,,Allgemeinen Krankenhause" und der anatomisehen Sammlungen daselbst bestimmt waren; ausser diesen Sitzungen wurde eine gemeinschaftliehe Sitzung mit folgenden Seotionen: Interne Medicin, Chirargie, Psyehiatrie and bTeurologie, Laffn- gologie und Rhinologie, Kinderheilkunde in dem Vereinshause der Wiener Aerzte abgehalten.

I . S i l z u n g . ( U n i v e r s i t [ i t j

Die otologische Section wnrde am Montag, den 24. September Naehmittags durch den Einftihrenden, Profi Dr. A. P o l i t z e r , dureh folgende Rede eriiffnet:

,,Hoehverehrte Versammlung! Es ist mir die ehrenvolle Aufgabe zugefallen, Sie in die

otiatrisehe Section der diesjiihrigen Naturforscherversammlung

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einzuftihren. Ieh begrtisse Sie hiermit freundlichst und heisse die auswartigen Faehgenossen aufs Herzliehste willkommen. M. H. ! Nahezu vier Deeennien sind verflossen, seit Wien zum zweiten ~Iale die Mitglieder der Versammlung deutseher Naturforseher und Aerzte in seinen Mauern beherbergte. 38 Jahre! Eine kurze Spanne Zeit in der Flueht der Jahrhunderte, ein langer Zeitraum im raseh vergtingliehen Menschenalter; denn nut Wenige yon denen, die Mitglieder der damaligen Naturforsehcrversammlung waren, wandeln unter uns. Ieh preise es als eine gltiekliehe Ftigung des Sehicksals, dass ich zu jener kleinen Sehaar gehlire, die als Studenten unserer ltoehsehule die damalige Versammlung miterlebt haben und denen es heute wieder verg~nnt ist, sieh des geistigen Genusses zu erfreuen, den die Vereinigung gelehr- ter Mtinner uns stets gewtihrt.

Ein Rtiekbliek auf jene far Viele ltingst entsehwundene Zeit ftihrt zu manehen anregenden Betraehtungen.

Die damalige Naturforscherversammlung ftillt mit der klas- sischen BlUthezeit der Wiener medicinischen Sehule zusammen. R o k i t a n s k y , Skoda~ O p p o l z e r , BrUeke , H e b r a , Ar l t , S i e g m u n d , K o l l e t s c h k a , S c h u h u. A., die den Ruhm un- serer Sehule gegrtindet, die wit mit Stolz unsere Lehrer nennen und die tier damaligen Naturforscherversammlung Glanz ver- liehen, sie Alle deekt das Grab. Aueh der Letzte yon ihnen, Meister Hy r t 1, der wie ein Wahrzeichen einer ruhmvollen Epoch¢ in unsere Zeit hineinragte, ist uns vor einigen Woehen entrissen worden. Ihm m~igen bier einige Worte dankbarer Erinnerung ge- widmet sein. Stand er uns doeh insofern nahe, als die Anatomic des Ohres ein Lieblingsstudium seiner anatomisehen Forsehungen bildete. Ihm verdanken wir jene ausgezeichneten Forschungen tiber die vergleiehende Anatomie des inneren Ohres der Wirbel- thiere, die far alle Zeiten die Grundlage ftir weitere Forschungen auf diesem Gebiete bilden werden. Er war der Erste, der die Corrosionsanatomie des Gehiirorgans, die vor ibm nur auf das Labyrinth besehrlinkt wurde, aueh auf das tiussere und das Mit- tetohr anwendete und dadureh das bessere Versttindniss der Lage- und Raumverhtiltnisse dieser Absehnitte angebahnt hat. Noch vor einem Jahre konnte ieh die herrliehen GehSrprliparate H y r t l ' s im Museum des College of physicians in Philadelphia bewundern, und wenn reich dabei ein GefUhl yon Wehmuth beschlieh, so war es der Gedanke, dass diese Sehtitze unserem Welttheile far immer entrtiekt sind. So ist denn die ttoffnung, dem letzten Reprtisen-

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tanten der grossen Wiener Schule bei Getegenheit der diesj~ih- rigen Naturforseherversammlung unsere Huldigung und Ehrung seiner Verdienste um die anatomisehe Wissensehaft darzubringen, gesehwunden; das Andenken des Mannes abet, der wie selten Jemand die herrliehe Babe der Rede besass und gleieh gross war als anatomiseher Ktinstler wie als Wohlth~tter, wird stets in dankbarer Erinnerung in uns fortleben.

Wenn wir, m. H., den Inhalt des Programmes tier damaligen und der jetzigen Naturforseherversammlung vergleiehen, so muss Jedem yon uns die grosse Wandlung ins Auge i~llen, welehe die Mediein seit jener Zeit ertahren und zu weleher Bltithe insbe- sondere einzelne Speeialzweige derselben gelangt sind. Der Reich- tbum an Detailarbeit, welehe in den Naturibrsehervel,sammlungen yon Jahr zu Jahr anwaehst, ist die Folge tier Arbeitstheilung, welehe unsere Zeit eharakterisirt. Mit Reeht wird die zweite Halite unseres Jahrhunderts als die Epoehe der Spedalisirung tier Mediein in der Gesehiebte unserer Wissensehaft verzeiehnet werden.

Diese Str~mung hat in ihrer anfanglieben Entwieklung manehen Widersprueh hervorgerufen, undes entsprieht dem kri- tisehen Charakter unserer Zeit, dass sieh noeb gegenwartig Beg- net der Speeialisirung zum Worte melden. Man hat tier speeia- listisehen Riehtung eine Zersplitterung der medicinisehen For- sehung in minnti~se Detailarbeit zum Vorwurfe gemaeht, dutch welehe das I~teresse far die allgemeinen Prineipien der Mediein abgesehw~ieht wird und der Ueberbliek tiber das ganze Erkennt. nissgebiet verloren geht.

Diese Einwtirfe haben dureh die Thatsaehen ihre Wider- legung gefunden; denn wie fruehtbringend diese Theilung der Arbeit auf dem Besammtgebiete der Mediein sieh erwiesen, da- fur giebt die Ohrenheilkunde das glanzendste Zeugniss. Gerade sie zeigt uns, class wir bei gleiebzeitigem Streben, die Detail- kenntnisse unserer Speeialitat zu erweitern, stets in innigem Con- tact mit der internen Mediein und der Chirurgie bleiben mtissen, wenn die Otiatrie als klinisehe Diseiplin ihre Aufgabe erftillen soil.

Ieh brauehe nur an die L~isionen des Geh~rorgans infolge yon Ini~etions- und Allgemeinerkrankungen, an den Zusammen- hang yon Ohraffeetionen mit gewissen Organkrankheiten und an die eerebralen H~rst~rnngen zu erinnern, um darzuthun, wie un- haltbar die Behauptung Jener ist, welehe tiberhaupt die Abtren- nung einer Speeiatwissensehaft yon dem Mutterboden der Mediein ftir m~glieh halten.

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Zu den Speeialflichern, welehe vor drei Deeennien auf der blaturforscherversammlung noch nicht dutch eine eigene Section vertreten waren, ziihtt auch die Ohrenheilkunde. Wohl waren zu jener Zeit bereits die Keime gelegt, aus welchen spiiter die wis- senschaftliche Otiatrie emporwuehs. J o s e f T o y n b e e , der Be- grtlnder der pathologischen Anatomic des Ohres, and W i l l i a m Wi 1 d e, der ausgezeichnete klinische Beobachter~ hatten bereits den Weg gezeigt, welcher eingesehlagen werden musste, wenn die neue Wissenschaft einer gedeihlichen Entwicklung zugefUhrt werden sollte.

Allein in England sowohl wie am Continente wurde zu jener Zeit den Arbeiten T o y n b e e ' s und W i l d e ' s nur ein ge- ringes Interesse entgegengebracht. Erst dem verdienstvollen v. T r t i l t s e h war es vorbehalten, mehrere Jahre sp~iter Deutsch- land und den Continent mit den Ergebnissen der englischen For- seher bekannt zu machen.

Auch seiner Initiative verdanken wit es, dass schon I868 auf der 2~aturforseherversammlung in Dresden die erste otolo- gisehe Section auf dem Programme stand. 1)

Seit damals nimmt sic in den jahrlichen Versammlungen der dcutschen Naturforseher and Aerzte einen den anderen Speeia- littiten ebenbtirtigen Rang ein.

Es wtirde zu weit fUhren~ wollte ieh hier auf die geschieht- liehe Entwicklnng der Ohrenheilkunde seit jener ~eit n~ther ein- gehen. Es genUge hier, darauf hinzuweisen~ dass es kaum einen Zweig der Medicin giebt, der in einem so kurzen Zeitranm so grosse Erfolge in seinem wissenschaftliehen Aufbau aufzuweisen hat, wie die Ohrenheilkande. Wit verdanken dies dem anermUd- lichen Eifer~ mit dem sich eine grosse Anzahl yon Fachgenossen der F~rderung unserer Specialwissensehaft gewidmet hat. Die einzelnen Zweige, aus denen die Otiatrie sich zusammensetzt~ sie

Es liegt bier ein Irrthum vor sowohl bezliglich der Zeit und des Ortes der Begriindung der ersten otologischen Section auf den deutschen h-atur- forscherversammlungen, als beztiglich der v. Tr ( i t t sch zugeschriebenen hn- regung zur Bildung eiaer solchen. Die 1868 in Dresden stattgehabte Ver- sammlung, welche Redner im Sinne hat, und fiber welche in diesem Archly Bd. IV. S. 145 berichtet ist, tagte zwar zur Zeit der dortigen Naturforscher- versammlung~ aber nicht als Section derselben, sondern unabh~ngig yon ihr .ais erster otologischer Congress". Eine Section ffir Ohrenheilkunde der deutschen Naturforscherversammlung wurde zuerst 1872 in Leipzig zugelassen und ist ihre offieielle Anerkennung den Bemfihungen des lekler so frfih ver- storbenen Prof. H. W e n d t in Leipzig zu danken. Schwar tze .

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haben alle wUrdige und ernste Bearbeiter gefunden. Mit Stolz tiberblieken wir die reichen Sch~itze, welehe auf otologisehem Gebiete in der Anatomic, tlistologie, pathologisehen Anatomic, Physiologic, in der Diagnostik und Therapie und in der Oto- Chirurgie zu Tage geRirdert warden. Wir ktinnen es ohne Ueber- hebung aassprechen~ dass an der Neige unseres Jahrhanderts das Fundament der Ohrenheilkundc lest gefUgt dasteht, and dass die bisherigen Forsehungsergebnisse ftir immer grandlcgend fill" die ktinftige Entwicklung der Otiatrie seiu werden.

Wir dtirfen uns aber andercrseits nieht der Erkenntniss ver- schliessen, dass wir noch zahlreichen Problemen gegentiberstehen, deren Liisung kiinftigen Generationen vorbehalten ist. Ihre Auf- gabc wird es sein, dutch weitere Detailforsehnngen den Bau fort- zusetzen~ am die Ohrenheilkunde auf der ttiihe der andcrcn Spe- cialwissenschaften der Mediein zu erhalten. Trotz der noch zn erhoffenden Errangenschaften auf unserem Gebiete dUrfen wi res uns abet nach den bisherigen Erfahrungen nieht verhehlen, dass unser therapeutisches Ki~nnen mit den Fortschritten in der Er- forschung der anatomisehen Grundlagen der Hitrstiirangen nicmats gleichen Schritt halten wird. Diese Erkenntniss yon den Grenzen unscres K~innens daft jedoch nicht l~hmcnd auf uns wirken, sic muss vielmehr ein Sporn ftir uns sein, zam Wohle der Menseh- heir alas Miigliehste zu crreiehen.

Daza bedarf es nicht nar des inneren Dranges, die Wissen. schaft zu f~irdern, sondern auch der gegenseitigen Anregung gleich- gesinnter Arbeitsgenossen.

Was vermag aber diese Anregung mehr zu fSrdern, als die periodisch wiederkehrenden wissensehaftlichen Assoeiationen, in welehen durch den pers(inlichen Verkehr den wissenschaftlich Strebenden so reichliehe Anregung geboten wiM.

Es muss als rtihmlich far die Versammlung der deutschen Naturforscher and Aerzte hervorgehoben werden, dass sic dutch die Creirung einer otologisehen Section zuerst den Anstoss zur Bildung otologischer Gesellsehaften anderer Lander gegeben hat, denn nut mehrere Jahre naehher sehen wit jenseits des Oceans die Grtindung der American otological Society dutch uusere ftir die 0tologie begeisterten amerikanischen Collegen. Hieran reiht sieh die Griindung des internationalen otologischen Congresses, welchen ins Leben gerufen zu haben ebenfalls als das Verdienst der amerikanischen Ohrenlirzte angesehen werden muss, undes sprieht far die stets zunehmende Bedeutung unserer

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Specialit~it, dass sehon seit einer Reihe yon Jahrcn in Deutseh- tand~ Frankreich, England, Italien and Ungarn otologisehe Ge- sellschaften bestehen, und dass aueh in neuerer Zeit eine otolo- gische Association in Belgien wirkt, die unserem verehrten Col- legen Herrn Dr. D e l s t a n e h e , den wir die Ehre haben, heute als Mitglied unserer Section zu begrtissen, ihre Griindung verdankt.

Es bedarf nur des Hinweises auf die Befiehte und Verhand- lungen dieser otologischen Congresse und Gesellsehaften, um zu zeigen~ welch' reiche Frtiehte der Otiatrie aus diesen Associa- tionen erwaehsen sind.

So wird~ dessen bid ieh gewiss, aueh die otologisehe Section der diesj•hrigen Naturforseherversammlung dazu beitragen, nicht nur unsere wissensehaftliehen Kenntnisse zu bereiehern 7 sondern aueh durch den persiinliehen Verkehr gleichstrebender Faehgc- nossen uns reichliche Anreguug zu ferneren Forschungen zu ge- w~hren.

Indem ich Sic, m. H. Collegen, nochmals herztich bcgrtisse, erkl~ire ich die otologisehe Section der 66. Versammtung deut- seher Natarforseher und Aerzte fiir eriiffnet!"

Der erste Schriftftihrer theilt die neuangemeldeten Vortr~i~e and Demonstrationen mit, giebt bckannt, dass der Vortrag des Dr. S c h w a r t z (Gleiwitz) fiber: Die A b s e h a t z u n g d e s E r w e r b s f a h i g k e i t s v e r l u s t e s , w e l e h e r d u r c h V e r l e t z - u n g d e r G e h ~ i r o r g a n e h e r b e i g e f t i h r t ist~ im S i n n e d e s U n f a 11 ge s e t z e s in der Section far Unfallversicherung gehalten wird, and giebt dem Bedauern Ausdruck tiber das Fernbleiben der Herren L u c a e , Moo% B a r t h , S i e b e n m a n n , H e s s l e r , Wol f , S t a e k e , H a u g , Z i em, K o s e f f a r t e n , welche die Ver- hinderung ihres Kommens angezeigt hiitten.

Zum Vorsitzenden der II. Sitzung wird per acclamationem Prof. D el s t a n che gew~ihlt.

lI. Sitzang. Dienstag, 25. September, Vormittags 9 Uhr in der Uni~ersit~t.

Vorsitzender: Herr D e 1 s t a n c h e- Brflssel.

1. Herr R o h r e r - Ztirieh: Ueber Bildungsanomalien der Ohr- muschel. (Mit Demonstrationen.)

Es werden die congenitalen Abnormitaten der Coneha, die den oberen Theil der Anthelix betreffen, besproehen. Das Fehlen einzelner Theile der Anthelix, sowie das Auftreten tiberziihliger Crura anthelicis in der Richtung gegen das Tuberculum Darwini

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und gegen das Crus helicis erkli~rt R o h re r aus den morphologiseh versehiedenen embryonalen Anlagen der einzelnen Theile des Ant- helix, wie sie yon S e h w a l b e festgestellt worden sind.

Als ein Unieum wird eine Verschmelzung der Crura anthelieis mit dem Crus helieis zu einem einzig verlaufenden, horizontalen Schenkel beschrieben. Zahlreiehe Abbildungen, Photographien, Aquarellzeiehnungen illustriren das Gesagte.

D i s c u s s i o n . Herr G r a d e n i g e (Turin) hat als viertes Crus anthelicis supranumerarium bereits den yon R o h r e r abge- bildeten Streifen beschrieben; er deutet denselben als homologe Bildung des sog. Tubereulum centrale des Rindes and Sehafes.

Herr G r u b e r (Wien) versprieht, beim Besueh seiner Klinik drei einsehlagige Pr;iparate zu demonstriren.

2. Herr Rohj 'er -ZUrich: Ueber hysterische Taubheit und Torpor n. acust.

R o h r e r spricht tiber die eigenthtimlichen Formen theils rein centraler, theils aus eentralen und peripheren Faetoren combinirter H6rstiirungen und bereichert die Casuistik dutch mehrere be- senders pr~ignante F;ille; fel,aer fiber das Verh~ltniss der hysterischen Taubheit zu hypnotisch beeinflussbaren Personen und fiber die Coincidenz und Synergie hyperiisthetisch afficirter und gereizter Partien des GehiJrorgans; aueh hierftir dienen mehrere Fatle zur Illustration.

D i s c u s s i o n. P o 1 i t z e r hat anatomisehe Untersuchungen in einer Anzahl yon Fallen von sog. Sklerose des Mittelohres ausgefUhrt, bei denen eine Herabsetzung des HSrverm(igens mit z e i t w e i s e n S e h w a n k u n g e n vorkommt, und dabei keine Erkrankung der Mittelohrschleimhaut, sondern eine prim~ire Er- krankung der Labyrinthkapsel gefunden, welehe mit palpablen Veriinderungen im Labyrinthe verbunden ist.

Herr U r b a n t s e h i t s c h bemerkt, dass die yon P o l i t z e r er- wiihnte Ossification an dem Labyrinthfenster mit dem yon Rob r e r bezeichneten Falle yon Torpor acustici nicht verwechselt werden k~inne, da bei dem letzteren die sehwankenden Charaktere der Taub- heit bestehen. U r b a n t s c h i t s c h beobaehtet gegenwartig einen solehen Fall, we nur zu einer bestimmten Stunde des Tages hoehgradige Sehwerh(irigkeit auftritt.

Dass Mittelohraffeetionen einen Einfluss auf den Acustieus zu nehmen verm~igen, beweise die von U r b a n t s c h i t s c h beobachtete Beeinflussung des N. acust, auf dem entgegcngesetzten Ohre bei

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Behandlung des anderen Ohres und die MSglichkeit, dutch Tuben- massage auch bei isolirtem Stapes auf dig Sehwerhtirigkeit ein- zuwirken.

Herr G r a d e n i g o nimmt keine besondere Form i~r den yon R o hr e r besehriobenen Torpor n. aeust, an, sondern will den Begriff des Torpor mit dem der hysterisehen Hyp- odor Anaesthesia acustica decken.

Herr O. B r i e g e r und Herr Z a u f a l empfehlen ebenfalls, die AufsteUung der Torpidit~it des Hiirnerven als eigene Krankheits- ibrm fallen za lassen.

Herr G r u b er bemerkt, dass man hysterische Taubheit nur diagnosticiren soll, wenn aueh noeh anderweitige Erscheinnngen auf Hysteric deuten; eine Solche hysterisehe Taubheit sei nach seiner Ansieht sehr solten.

Herr R o h r e r betont im Schlusswort, dass in seinem Falle des Torpor n. acust, keine hysterischen odor neurasthenisehen Symptome vorhanden waren; bei grosset Reduction der Kopf- knoehenleitung und hoehgradiger Spraeh-Taubheit waren die hohen Tiine vollkommen vorhanden. Bei reinen Affectionen des mittleren Ohres ist umgekehrt die Kopfknochenleitung erhalten odor verti~ngert.

3. Herr Szencs-Budapest : Ueber Taubstummheit.

S z en es beriehtet fiber die Resultate seiner Untersuehungen yon 124 Schtilern des Taubstnmmeninstitutes zu Waitzen. blur in 8 F~illen konnte er patbologisehe Veriinderungen des mittleren Ohres mit dem 0hrspiegel nachweisen. Bcztiglich der vorhandenen Gehtirreste fund S z e n e s Folgendes: Die Uhr wurde in 6 Fallen, P o 1 i t z e r 's Aenmeter in 5S Fallen, versehiedene Stimmgabeltiine in 41 Fallen, die Galtonpfeifc 22 real, die Sprache in 30 F~ilten und das Handeklatschen in 43 Fallen gehtirt t resp. bestimmt em- pfunden.

Bei jedem Fall, in welehem noch ein Gehiirrest vorhanden ist, fragt sich S z e n e s, ob das Kind aueh wirklieh in eine Taub- stammenanstalt odor in eine Volksschule gehSrt, und bejaht diese Frage stets zu Gunsten der ersteren.

D i s c u s s i o n . Herr R o h r e r bemerkt~ dass neben naeh- weisbarer Taubstummheit auch cine psychische Stummheit bei Kindern vorkommen kann; es sind das serene Falle yon an- scheinender Taubstummheit, bei denen dureh p~tdagogisehe und

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di~itetische Einwirkungen in relativ kurzer Zeit Spraehfiihigkeit sich gut entwickeln kann.

4. Herr S z e n e s: Weitere Beitri~ge zur heilungsbef6rde~- den Complication der acuten eitrigen PaukenhOhlenent~mdung,

Die yore Redncr schon in der ersten Versammlung der Deutschen otologisehen Gesellschaft in Frankfurt (1S92) vorge- brachte Beobachtung, dass Otitis media aeuta durch Hinzutreten einer Otitis externa cinch auffallend raschen Heilungsverlauf nimmt, wird durch 20 neuere Beobachtungen bekr~iftigt.

Discuss ion . Herr O. B r i e g e r hat auch raschen Ablaaf des Mittelohrprocesses gesehen nach Eiutritt der Otitis externa~ welche dureh den Bae. pyoeyaneus veranlasst war oder nach Excision der Geh~rknSchelchen entstand. Er warnt vor der yon anderer Seite vorgeschtagenen eurativen Einlcitung yon Geh~r- gangsentzUndungen.

Herr K a u f m a n n (Wien) hat die Complication der Otitis media dutch Otitis externa selten gesehen und fragt Herrn S z e n e s nach der Ursaehe des so h~tufigen Vorkommens in seinen Fitllen.

Herr G o m p e r z (Wien) betont, dass beim Auf~reten dieser Complication die Affection des tiusseren Ohres im Vordergrunde des Intcresses stehe; wcnn wRhrend der Behandlung dieser das Mittelohrleiden heilt, so kOnne man noch nieht yon einem Einfluss dutch die Otitis externa sprechen.

Herr Szenes erwidert im Sehlusswort, dass yon C o t l a d o n auf dem XL internat, med. Congress der Vorschlag der ktinstlichen Hervorrufung einer Otitis externa gemacht ist; bei seinen Fallen sei dieselbe aber spontan ohne naehweisbare Ursache entstanden und die Otitis media gleichwie frtiher welter behandelt.

5. Herr S z e n e s: Ueber den therapeutischen Werth van Car- bolglycerin und Menthol bei Ohrenkrankheiten.

Szenes empfiehlt das 10--12--20 proc. Carbolglycerin fur das Anfangsstadium der acuten Paukenh(ihlenentziindung~ jedoch nur bci imperfofirten Trommelfellen, wodurch hitufig cine Zurlick- bildung des ganzen Processes bewirkt wtirde.

Bei Otitis extcrna, besonders bei der Furunculose des ~iusseren GehSrganges~ hat S z e n e s durch Einlegen yon Tampons mit 10--15 proe. Menthol~l gate Resultate gesehen.

D i s c u s s i o n . Herr G o m p c r z empfiehlt das Menthol~l aueh bei einfaehen Mittelohrentztindungen and zwar 1--2 proc. Lt}sung in weissem Vaselin~l im Anfangsstadium (Schmerzen sollen be-

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einflusst werden) und 5--10 proc. L~sung als mildes Antisepticum innerhalb der Pauke bei chroniseher Mittelohreiterung.

6. Herr G r a d e n i g o - T u r i n : SMerose des Mittelohres als paras!/philitiscfie A~ection bei der Lues hered, tarda.

Das klinische Bild der Sklerose als parasyphilitische Affection deckt sich viillig mit demjenigen dcr c hronischen katarrhalisehen Mittelohrentztindung mit Ausdehnung auf das innere Ohr, wie man es hiiufig bei hereditiir tubereulSscn Iudividuen antrifft; nut unter- seheidet sic sich yon dieser durch cine gr~issere Malignitlit, da sic jeder localen Behandlung trotzt; specifische Curen wcrden leider fast stets zu spat eingeleitet. Die Sklerose kann als leiehte Abart dcrjenigen typyischen Ohrerkrankung bei splitercr hereditiirer Syphilis angesehen werden, wie sic yon I-I u t c h i n s o n und t t i n t o n beschrieben wurde; w~ihrend diesejedoch meistens in der Pubcr- tiitszeit aufzutreten pfiegt, tritt die Sklerose zwischen dem 20. und 30. Lebensjahre auf. Die Individuen sind oft schwach gebau~, yon serophul(isem Habitus and leiden meistens aueh an Affeetionen der hTase und des Rachens; sic kSnnen jedoch aueh rtistig aussehen und in der Zeit, wo sic zm" Untersuchung kommen, fi'ei yon diescn b~asen-Rachenaffeetionen sein.

Die verhfiltnissmiissig rasehe Abnahme des Geh~rs bei jungen lndividuen aus Familien, in denen keine heredit!ire Tubereulose oder Taubheit vorhanden ist, muss stets als der hereditaren Syphilis verdiichtig augesehen werden. Bei frUhzeitiger Wtirdigung dieses ~itiologisehen Momentes sowohl yon Seiten des Ohrenarztes als des Syphiloloffen werden naeh der Ueberzeugung des Redners die Resultate der Behandlung bedeutend gtinstiger ausfallen.

Die yon G r a d e n i g o beschriebene Krankheitsform ist in dem Sinne als parasyphilitisehe aufzufassen, wie cs jtingst yon F o u r n i e r geschehen: sic ist specifisch beztlglieh ihrer Aetiologie, aber nicht ihrer Natur nach.

D i s c u s s i o n . Herr Grube r -Wien hat friiher schon in vielen Fallen yon Sklerose des Mittelohres Syphilis als Ursache gefunde~, und dementspreehend auch die Therapie eingeriehtet~ yon weleher er oft wesentliehe Besserung erzielte.

7. Herr G r a d e n i g o : Hs~+,ld und HOrsch~rfe. Autor schliigt vor, nieht das Quadraf~ sondern die Quadrat-

wurzel der Procentzahl der Perceptionsdauer ftir Stimmgabeln graphisch im H~irfelde darzustellen und auch den unteren und oberen Grenzen des Geh~irs Rechnung zu tra~en.

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Berlcht tiber die Verhandlungen der otologlsehen Section u. s°w. 311

IIL Sitzung gemeinsam mit den Secfionen f~r Interne Medicin, Chirurgie, Psyehiatrie und

Neurologie, Laryngologie und Rhinologie, Gynhkologie, Kinderheilkunde. Dienstag, 25. September 1894, Naehmittags 3t/2 Uhr.

Vorsitzender: Herr yon Bergmann-Berlin.

Gegenstand der Tagesordnung sind die in den einzelnen Seetionen angektindigten Vortr~tge tiber folgende, alle Seetionen interessirende Kapitel: 1) Struma; 2) Diphtherie; 3) Hirnabscess und 4) Syphilis des Centralnervensystems. Dem Rahmen dieses Archivs entspreehend fotgt nut alas Referat tiber den in das Ge- bier der Ohrenheilkunde faltenden Vortrag des Herrn S c h u b e r t.

8. Herr Sehnber t -Nt i rnberg beriehtet tiber einen Fall yon otitischem Hirnabseess, der im Anschlnss an eine mit Heilung abgesehlossene acute Otitis media entstand, mit Abducensl~thmung begann, dann zu gekreuzter Monoplegie und Hyp~tsthesie, endlich zu Sopor mi't Pulsverlangsamung und Cheyne-Stokes-Athmung ftihrte. Die Temperatur war zwischen 37,6 und 37,9, also nut etwas tiber dem l%rmalen. Die Operation, an typiseher Stelle ausgeftihrt, fund einen Temporallappen-Abscess und brachte 1~'aeh- lassen der Symptome; 5 Wochen darauf Exitus ]etalis an Lepto- meningitis. Bei der Section zeigte sich ein zweiter, bei der Operation nieht gefundener Hirnabscess, dicht neben dem er- ~iffneten und bereits vernarbten Abscess. S c h u b e r t zeigt das zugehi~rige Prliparat vor.

IV. Sitzung. 26. September 1894; 57achmittags 31/4 Uhr.

Vorsitzender: Herr Z a ufal. Prag.

9. Herr G o m p e r z- Wien: Ueber die Erkennung der Vor- wOlbung des Bulb. venae jugularis in die PaukenhShte beim Le- benden.

G o m p e r z referirt tiber die bisher publicirten 5 Falte yon Blutung nach Paraeentese des Trommelfelles dutch Ansteehen des in die Pauke vorspringenden Bulb. v. jug. ; vier sind dureh Tamponade des iiusseren Geh~rganges gerettet, einer ist t[idtlich vertaufen.

G o m p e r z empfiehlt zu erwitgen, im Hinblick auf die Gefahr des Ansteehens des Bulbus, zumal derselbe bei entziindetem Trommel- fell nicht siehtbar sei, die Paracentese nie h t im vorderen, unteren Quadranten, yon hinten oben naeh vorn unten gerichtet vorzu- nehmen; er stellt einen Knaben vor, bei dem die Hervorragung des Bulb. v. jug. am Trommelfellbild deutlich sichtbar ist.

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312 XVI. REINHARD

An der D i s c u s s i o n betheiligen sieh die Herren B r i e g e r , H a b e r m a n n , G r u b e r , Z a u f a l und P o l i t z e r , yon denen die zwei ersteren ~ihnliehe Trommelfellbilder sahen, wie der Vor- tragende. P o l i t z e r beriehtet fiber eine Blutung infolge Ver- letzung der den N, J a e o b s o n i i begleitenden Vene dureh die Paracentesennadel.

10. Herr G r a d e n i g o - T u r i n : Ueber partielte, erworbelte Taubheit.

G r a d e n i g o theilt drei klinische Beobachtungen mit; bei zweien war die Perception flir die htiheren Trine, beim dritten ftir C I ganz auf~ehoben.

Bei den ersten zwei Fallen waren die zur Messung der Htir- seh~irfe gewShnlich angewendeten Schallquellen (Fltistersprache, Uhr) nieht pereipirt~ w~ihrend der ganze untere Theil der Scala flit Stimmgabeln sehr gut erhalten war.

I I. Herr D e I s t an e h e (Brtissel) demonstrirt Instrumente: 1. Apparat zur Aussptilung des oberen Trommelhtihlenraumes,

der den Vortheil hat, mit einer Hand dirigirt werden zu ktinnen. 2. Ringmesserflirmiges Instrument zur Herausnahme des

Hammers und gleiehzeitigen Durchsehneidung der Tensorsehne. 3. Instrument zur Herausnahme des Ambosses. 4. Instrument zur Herausnahme yon Polypea im ~iusseren

Gehtirgang.

12. Herr H a r t m a n n (Berlin) demonstrirt:

1. einen neuen Priessnitz'sehen Ohrverband, der naeh dem Prineip des Priessnitz'sehen Umsehlages und in Form der Hart- mann'sehen Ohrenklappe angefertigt ist; vgl. die Besehreibung der letzteren Archiv f. Ohrenheilk. Bd. XXXV. S. 148. Referat der II. Sitzg. d. deutschea Otolog. Gesellseh. in Frankfurt a. M.

2. Wandtafeln mit photographisehen Abbildungen des Gehtir- organs und der Nase naeh Pr~iparaten seiner Sammlung.

3. Frontale Serienschnitte dutch die Nase des Fuehses, der Maus, Ratte, des Menschen.

4. Instrumente.

13. Herr O. Brieger-Breslau: Ueber otitische ttirnabscesse. (Dieser Vortrag konnte wegen Zeitmangels in der gemeinsamen Si/zung mit den anderen Abtheilungen nieht gehalte~ werden und wird deshalb der Section ftir Ohrenheilkunde allein vorge- tragen.)

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Bericht t~ber die Verhandlungen der otologischen Section u. s.w. 313

B r i e g e r spricht auf Grund eigener Beobaehtungen fiber die Abweiehungen des otitisehen Hirnabseesses yon dem gewShn- lichen klinischcn Bilde; er beobaehtete bei einem zur tteilung ge- kommenen Fallc die auffallend langsame Zuriickbildung der oph- thalmoskopischen Veriinderungen. Ferner legt er Werth auf die Untersuehungen des Urins auf Pepton, zur Erkennung endoera- nieller Eiterungcn und frtihzeitiger Punetion des Cerebrospinal- saekes far die Diffcrentialdiagnose gegen Meningitis; er beriehtet sodann tiber zwei Fiillc yon Hirnabscess mit spontancm Dureh- bruch, yon dcncn ciner an Sinusthrombosc gestorben, der andcre dauernd gchcilt ist.

D i s c u s s i o n . Herr S c h u b e r t (Ntirnberg) sprieht tiber die Veriinderungen der Papille 1. bei Hirnabseessen and 2. bei Ilirn- tumoren.

Bei 1. beobachtet man - - wenn iiberhaupt eine Ver~inderung vorliegt - - meistens einfache Neuritis mit capillarer Hyperiimie der Papille and leiehter Verschleierung der Grenze derselben; oft werden gar kcinc Ver~nderungen der Papille bei otitischen Abscessen gefunden.

Bei 2. ist die Stauungspapille mit starker Promincnz infolge des gesteigerten intracraniellen Druckes sehr oft zu sehen; S c h u b e r t sah sic in 2/3 aller Falle yon Hirntumor; bei Hirn- abscess ist die eigentliehe Stauungspapille schr selten, weil die Druekcrhiihung weder so lunge zu dauern, noeh so stetig zu sein pflegt, als bei Tumor.

Herr P o l i t z e r (Wien) betont den (iftcrs beobaehteten f i e - b e r l o s e n VerIauf und den f i x e n K o p f s c h m c r z bei Hirnab- scessen; letzterer besteht oft li~nffere Zeit an ciner bestimmten~ dem Sitz des Abscesses entsprechenden Stelle des Kopfes bei Ab- wesenheit andercr Hirn- oder Allgemeinsymptome. P o l i t z e r legt gerade auf diesen bestimmt localisirten Kopfschmerz gros- ses Gcwicht ftir die lcider oft so schwer zu stellende Diagnose des intraeraniellen otitischen Abscesses.

Stauungspapillen sah P oli t ze r aueh bei Mittelohreiterung o h n e Cerebralaffection.

Herr B r i e g e r (Breslau) hebt hervor, dass er die Spontan- heilung eines Hirnabseesses ftir eine sehr seltene Ausnahme halte; er crw~hnt einen Fall, in welchem die Abfluss(iffnung sich wieder verlegte und der Abscess sich wieder fiilltc; es sei auf breite Frei- legung des Communicationswegcs zu acbten, so class filr d a u e r n - d e n freicn Abfluss des Eitcrs gesorgt sei.

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314 XVI. REINHAI~D

Herr R ei n h a r d (Duisburg) berichtet eingehender tiber den yon B r i e g e r erwiihnten Fall yon Spontanheilung eines Hirnab- seesses, den er wiihrend 6 Monate in tier Hallenser Klinik habe beobaehten k(innen; es betrifft den 12jiihrigen Knaben H e r z o g mit linksseitiger chronischer Otorrhoe und cerebralen Erseheinungen, bei welchem der Verdaeht auf Hirnabscess begrtindet war; abet sowohl die Probepunetion des Schllifenlappens als aueh des Klein- hirns ergab ein negatives Resultat. Der Knabe ging an allge- meiner Kachexie und chroniseher Meningitis zu Grunde. Die Autopsie ergab ausser letzterer in der linken Kleinhirnhemisphare eine etwa pflaumengrosse langliche HShle obne Inhalt mit derben, yon Leisten durehzogenen, schmutzig-blassgelben Wandungen.

Um Missverstlindnissen vorzubeugen, bemerkt R e i n h a r d, dass die Spontanheilung sieh hier nur auf den loealen Herd des Hirn- abscesses bezieht - - eine Beobachtung, die gewiss einzig in der Literatur verzeichnet ist - - , dass der Patient aber sehliesslich doeh an den Folgen seiner chronischen Otorrhoe zu Grunde ging; die ausftihrliche Krankengesehichte findet sich in diesem Archly Bd. XXIX, S. 165--169.

Herr R o 11 e r (Trier) sah einen Fall yon Spontanheilung eines Hirnabscesses ebenfalls bei der Section: Fistcl am Hals7 zwei Kn0ehensequester am Schlafenbein, Obliteration des Gehirnes und bindegewebige, theilweise Ausheilung einer AbseesshShle im Gehirn.

Herr U r b a u t s e h i t s c h (Wien) berichtet tiber einen Fall yon chroniseher Eiterung mit Caries des Attieus und Processus mastoideus bei dem die ErCiffnung des Antrums und Attieus die rot- her bestandenen Schmerzen und das Fieber auf einige Woehen bes- serte. Spliter traten Zeiehen einer intraeraniellen Complication ein, bestehend in: Agraphie, Aphasic, vortibergehend oscitlirenden spastischen Erseheinungen in den rechtsseitigen Extremititten. Die Section ergab ausgebreitete Meningitis ohne Spur eines Hirnab- scesses. U r b a n t s c h i t s e h erkli~rt die Erseheinungen dureh vor- tibergehendes Oedem des Gehirnes.

Herr G rub er (Wien) beobaehtete einen otitisehen Hirnab- scess mit Taubheit und Blindheit, der sich auf dem Wege des ausseren Geh(irganges entteerte und sich dureh einen furchtbaren, dem Hirnabseess eigenthtimliehen Gestank auszeichnete; femer im Ansehluss an eine ansgeheilte Mittelohreiterung einen ohne merk- liehe Erseheinungen sieh entwiekelnden und naeh einigen Mo- narch unter stiirmisehen Erseheinungen zu Ende gehenden Hirn- abscess.

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Bericht tiber die Verhandlungen der otologischen Section u. s.w. 315

Herr Bar n i k (Graz) erwahnt einen Fall yon otitischem Hirn- abscess, bei dessert Operation in der Hallenser Ohrenklinik sich ein halber Liter Eiter entleerte. Patient wurde geheilt.

V. Sitzung. 27. September 1594, Vormittags 91/~. Uhr in der Ohrenklinik des k. k. allgem.

Krankenhauses. Vorsitzender: Herr S c h u b e r t- Niirnberg.

Die Mitglieder versammeln sich zun~ichst in dem Kranken- saal, welcher de~" stationliren und ambulatorischen Klinik des Herrn Prof. G r u b e r dient.

14. Herr G r n b e r zeigt eine Reihe yon interessanten Prii- paraten aus seiner Sammlung:

1. Congenitale Mikrotie beider Ohren mit Mangel des Geh~r- ganges. Naeh der Bildung der Ohrmuschel zu urtheilen, ist die Umschlingung der Nabetschnur um den Kopf als veranlassendes Moment anzusehen.

2, 3. und 4. Fi~lle yon Polyotie, und zwar a) Appendix aurieulae in Gestalt einer rudiment~ren zweiten

Ohrmuschel an der rechten Concha. b) Eine rechtsseitige Concha mit um das Fiinffache vergri~s-

sertem Antitragus; die linke Ohrmusehel zeigt dieselbe Missbildnng', abet schwlicher.

c) Die Photographic eines 5j~hrigen Knaben mit einer tiber- z~ihligen Ohrmusehet in der linken Hatsgegend; diese wurde mit Erfolg excidirt.

5. Angeborene Liicke im Trommelfelt bei totaler Verwaeh- sung des Ostium pharyngeum tubae; durch diese Lticke kam die Ventilation der Pauke zu Stande und wurde das Gchiir and die Lage des Trommelfelles und der Gehtirkniichelehen erhalten.

6. Abbildungen yon 0brmuscheldifformitiiten, sogenanntes Katzenohr mit Fehlen des kn~ichernen Geh~trganges; ausserdem bestand noch hatbseitige Gesichtsatrophie und bei einem der zwei Falle vtillige Taubheit auf der kranken Seite; bei dem anderen Falle war der We b er 'sche Versuch positiv~ wahrend die Taschen- uhr und die vor das Ohr gehaltene Stimmgabel nicht gehih't wurdcn. Beim ersten Kranken ward auf Wunsch die missgebit- dete Concha entfernt; der Versuch, einen klinstlichen ~iusseren GehSrgang anzulegen, misslang. G r u b e r erw~ihnt hierbei den yon Moos und S t e i n b r t i g g e beschriebcnen Fall yon votlkom-

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316 XVL REINHARD

menem Mangcl des ~iusseren und mittleren Ohres bei einem 11 monatlichen Kinde; der Canal. Fallopiae war in seinem hori- zontalen und absteigenden Theil total kniiehern obliterirt. Gru- her zeigt ein ahnliehes Pr~iparat, welches yon einem einseitig Tauben herriihrt, dessert iiussere Ohrgebilde auf der kranken Seite v(illig difform waren: hier fehlen der aussere Geh~irgang, das Trommelfell, die TrommelhShle, die Gehih'knilchelehen mit ihren Muskeln, ebenso die knSeherne Tube vollstiindig. Der Canalis Fallopiae stellt einen bogenf~irmigen, die Langsaxe der Pyramide kreuzenden, an der unteren Fliiche der Pyramide nach hinten yore For. ovale endigenden Kanal dar; nirgends eine knief~irmige Biegung; vom Labyrinthe ist der obere halbkreisfih'mige Kanal ganz vorhanden, der untere und hintere Gang sind nut in Form ganz kurzer G~inge zu sehen.

Die Mitglieder der Section begeben sich darauf in den an- stossenden Saal, die Klinik des Prof. Po l i t z e r .

15. Herr R e i n h a r d fiihrt auf Wunsch yon Herrn P o l i t z e r das yon P a n s e zuerst angegebene (vgl. Archiv f. Ohrenheilkunde. Bd. XXXIV. S. 256ff.) und yon Ki i rner auf der III. Versamm- lung der deutsehen o%logischen Gesetlschaft in Bonn (Pfingsten 1894) beschriebene und modificirte Verfahren tier Lappenbildung aus dem hautigen Gehiirgang im Anschluss an die breite ErSff- nung der Mittelohrr~tume an einem Leiehenkopfe aus.

Bei gewissen Fallen yon chroniseher Mittelohreiterung mit circumseripter Caries des Attieus oder Antrum, bei welchen die breite ErSffnung der Mittelohrr~iume nothwendig wird, hi,hen P a n s e und K S r n e r die Wunde hinter dem Ohr sogleieh nach der Operation zu; vorher bilden sie jedoeh dutch zwei horizontale Parallelschnitte in der hinteren hautigen Oehiirgangswand einen Lappen, dessert Basis in der Concha liegt; um nun die Naehbe- handlung, welehe allein yore Meat. aud. extern, aus ausgeftihrt wird, zu erleichtern, verlangert Ki i rner die zwei Horizontal- sehnitte so welt nach aussen bis in den Knorpel hinein, dass da- dutch und dutch das Anlegen des Lappens an der hinteren Wand tier neugebildeten H0hle des Proe. mastoid, der iiussere Geh~r- eingang erweitert wird, ohne eine Entstellung bei der spliteren Narbenbildung zu hinterlassen. Das Niihere siehe dieses Arehiv Bd. XXXIV. S. 256, u. Bd. XXXVII. S. 130.

R e i n h a r d hat dies yon K( i rner empfohlene und vorher in ~hnlicher Weise auch sehon yon P a n s e in der Hallenser

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Bericht fiber die Verhandtungen der otologischen Section u.s.w. 317

Ohrenklinik geubte Verfahren seit Pfingsten 189t in 2 Fallen mit sehr gutem Erfolge erprobt; R e i n h a r d betont noehmals, dass die Ftille fUr diese Idealoperation ausgesucht werden mttssen; nieht alle Fitlle lassen sich so behandeln; er wendet sic nut an bei loealisirter Caries; Fitlle yon Tuberculose und Cholesteatom sind ausgeschlossen; bei diesen ist ein Often- halten der retroaurieulRren Oeffnung geboten; da vor und with- rend der Operation es oft unmSglich ist, alle eariiisen Stellen selbst in dem eriiffneten Knochen zu erkennen, kann es bei An- wendung dieser Methode vorkommen~ dass sich spiiter bei der Naehbehandlung noeh an solchen Stellen der Pauke, des Attieus und des Antrum Caries zeigt, bei welehem R e i n h a r d lieber yon der Oeffnung hinter dem Ohr her naehbehandelt~ z. B. an der medialen Paukenwand~ an der Uebergangsstelle der medialen zur hinteren Pankenwand in der Nitbe des Canal. Fallopiae~ am Tegm. tympani; liegt hier nur eine superficiale Caries vor, so gelingt es aueh bei der Nachbchandlung yore tiusseren Gehiir- gang aus, znmal bei dem erweiterten Eingang dcsselben, die Hei- lung in Bitlde hcrbeizuftlhren; bei ausgedehnterer und tiefergehen- der Caries aber hiilt R e i n h a r d die Naehbehandlung yon dot retroauriculitren Oeffnung ftir besser.

Die Vortheile dieses Verfahrens sind: 1. Die Kranken brauchen nut karze Zeit (ca. 10 Tage) cinen

Verband zu tragen. 2. Die Ueberhiiutung der neugebildeten Hiihle kann von

4 Epidermisr~indern ans erfolgen und geht raseher yon Statten.

16. Herr P o l i t z e r (Wien) begriisst darauf die Mitglieder der Section auf seiner Klinik und zeigt eine grosse Anzahl ana- tomiseher, pathologisch-anatomischer and mikroskopischer Pr~t- parate:

1. betr. otitisehe Hirnabscesse und pathologisehe Warzen- forts~ttze.

2. Exostosen des ausseren Gehiirganges. 3. Kalkablagerungen in der Schleimhaut der Panke. 4. Lnpenpr~tparate fiber die prima, re Erkrankung des Laby-

rinthes. 5. Normale Gehtirpritparate. 6. Probeabdrticke eines unter der Presse befindlichen chromo-

lithographischen Atlas mit pathologischen Trommelfellbildern. 7. Instrumente.

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318 XVI. I~ELNHARD

YL Sitzuug. Donnerstag, 27. September Nachmittags in der UnNerslt~t.

Vorsitzender: Herr R o h r e r.

17. Herr U r b a n t s e h i t s e h (Wien) spricht mlt Vorstellunff eines Patienten tiber acute Kesselschmiedtaubhcit; U r b a n - t s c h i t s c h hat dureh Einwirkung auf den M. tensor tympani darch Luftverdtinnung im i~usseren GehSrgaug, resp. dutch Luft- verdichtung in der Pauke, w0dureh der Muskel nach aussen ge- zogen wurde, den Fall gtinstig beeinflusst; er glaubt, dass neben der Labyrinthersehtitterung bci dieser Affection aucb ein Aceomo- dationskrampf der Binnenmuskeln des Ohres mitspielt.

Infolge der synergisehen Bewegung beider Tensores tympani wirkt die Zugwirkung auf den einen Muse. tensor tympaui aueh auf das audere Ohr einen gtinstigen Einfluss aus, den U r b a n - t s e h i t s c h dureh die vor uud naeh der Behandlung vorgenom- mene H~irprUfung naehweisen konnte.

D i scus s ion . Herr P o l i t z e r (Wien) macht darauf aufmerk- sam~ dass D e ls t a n e h e eine analoge Beobaehtung gemaeht habe, indem er eine Taubheit, die Folge einer Explosion war~ dureh fortgesetzte Luftvcrdtinnung im iiusseren Ohr geheilt habe. P o- l i t z e r erkliirt die Beeinflussung dureh diese Therapie dadurch, dass dureh den Shok bei der pl~tzlichen Erschtltterung der Band- apparat gezerrt und ersehlafft wird, und dass durch die Luftver- diinuuugen im ~usseren Geh~rgang die Theile wieder in die nor- male Lage gebraeht werden.

18. Herr U r b a n t s e h i t s e h - W i e n : Ueber den EinjTuss me- thodischer ItOr~tbungen auf den HOrsinn. 1)

Aehnlich den Versuehen yon I t a r d, T o y n b e e, L i n e k e, B r o w n and K e o w n stellte U r b a n t s e h i t s e h in den letzten Jahren an einer griisseren Anzahl yon Taubstummen, worunter auch anscheinend vollstandig gehiirlose Individuen sich befanden, m e t h o d i s c h e Hi i r t ibunf fen an; seit 1/2 Jahr hat er diese Uebungen aueh an solehen Kranken versueht, die im spi~teren Alter yon nerviiser Taubheit oder hochgmdiger SehwerhiJrigkeit befallen waren.

Die HiJriibungen werden in folgender Weise anffestellt: U r- b a n t s e h i t s c h raft der tauben Person zuuiichst einen Vocal, z. B. a, den er ihr vorher bezeiehnet hat, mit lauter Stimmc ins

1) Der ¥ortrag ist in extenso in der Wiener reed. Presse, Nr. 43, I894 abgedruckt.

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Bericht tiber die Verhandlungen der otologischen Section u. s.w. 319

Ohr, dann einen anderen Vocal, z. B. i; wahrend sieh anfangs h~lufig keine Geh~rsempfindung bemerkbar maeht, lernt der Kranke naeh und naeh die beiden Voeale unterseheiden, wobei er aber anf~tnglieh a keineswegs als a und i nieht als i hSrt; der rieh- tige Ht~reindruek pflegt bei fortgesetztcn Uebungen immer deut- lieher hervorzutreten. Auf diese Weise werden die HSrtibungen mit den fiinf Vocalen vorgenommen, wobei h~tufig einzelne Voeale besondere HSrsehwierigkeit bereiten. Den Vocalen lblgen Worte, deren einzelne 8ilben riehtig naehgesproehen werden milssen. Zuletzt folgen Uebungen mit seharfer Fltisterspraehe. U r b a n - t s e hi t s e h maeht darauf attfmerksam, dass leieht eine Ermiidang des N. aeusticus eintritt, die sieh in einem vollst~tndigen Ver- sehwinden des bereits erweckten GehSres kundgiebt, eine Er- seheinung ~thnlieh der nervOsen Asthenopie; die Uebungen mtissea dann friihzeitig unterbrochen und den einzelnen Individuen an- gepasst werden; gewt~hnlieh nimmt er sic jedesmal 5 Minuten ~fter des Tages vor.

Die Starke des Sehallcs riehtet sieh naeh dem Perceptions- verm~gen des Individuums, -- bei zunehmender tt~rf~higkeit ist die Sehallst~trke herabzusetzen.

Vom Flt~rrohr maeht U r b an t s c hi t s e h nut selten Gebraueh; er empfiehlt diese Prothese nut zum Selbststadium und zur Vcr- besserung der Ausspraehe tier Taubstummen.

Die Vermuthung, dass bei solehen HfirUbangen die Kranken den Ht~reindruck mehr dureh sine tactile Empfindung, d. h. dutch alas Anblasen der Ohrgcgend beim lauten Ausspreehen der Bueh- staben in der unmittelbaren N~the des Ohres bekommen, weist U r b a n t s e h i t s e h zurtiek; selbst weniger intelligente Taub- stumme geben beinahe regelm~ssig an, ob sie den Luftstrom allein spliren oder dabei gleiehzeitig einen H~reindruek erhalten.

Die Art des Einflusses and der Zweck, den die akustischen Uebungen haben, ist 1. d ie E r r e g u n g and w e i t e r e Aus- b i l d u n g d e r H ~ r e m p f i n d u n g e n , und 2. d i s p s y e h i s e h e E r z i e h u n g des H S r s i n n e s , d ie S o n d e r u n g der e rha l - t e n e n G e h ~ r s e i n d r t l e k e , das a l lm~thl ieh z u n e h m e n d e Vers t~tndniss fa r d i e s e und i h r e r i e h t i g e D e u t u n g . Besonders dem letzteren ist bei Taubstummen eine viel gr~ssere Aufmerksamkeit zuzuwenden, da eine vollst~ndige Taubheit aueh bei Taubstummen verh~iltnissm~issig selten ist, z. B. in der Wien- Dt~blinger Taubstummensehule nut 3 unter 100 F~tllen; mehr oder weniger betr~ehtliehe Reste des Gch~res finden sieh h~ufig vor;

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3 2 0 X ¥ I . R E I b I H A R D

solche Taubstumme erweisen sich anscheinend als sprachtaub, w~hrend sic nur kcin Verstandniss dem Gehtireindracke entgegen- bringen und in dem unterschiedliehen H~ren ungeilbt sind; sic sind also nieht physisch, sondern nur sensoriell taub.

Auf Grund der Erfahrungsthatsache, dass sick eine dutch aussehliessliche Sprechiibungen zu Stande kommende GehiSrsent- wieklung schliesslich auch auf musikalische TiSne erstreekt, stellte U r b a n t s c h i t s c h Versuche an, inwiefern in umgekehrter Weise musikalische Tiine das Spraehffehiir gtinstiff zu beeinflussen vermiigen. Als sehr praktisch erwies sich eine Handharmonika, auf deren Nutzanwendung R o l l e r (Trier) sehon frtiher aufmerksam gemacht hatte, und auf deren Windkasten die Tiine in einer Scala "con 5 t/~ Octaven aufgesteckt werden kiSnnen; und aneh bei me- thodischen H~rtibungen mit diesen Tiinen ergab sich thatsiich- lich in mehreren Filllen eine auffiillige Ht/rverbesserung fur die mensehliche Stimme. Die H~irtibungen sollen so lange angewendet werden, bis die gew0hnliehen, iiusseren Schalleinwirkungen zur Erregung yon Geh~irsempfindungen gentigen, bis die betreffende Person ihre eigene Stimme ohne Hilife des H(irrohres vernimmt, sonst erfolgt leieht wieder eine GehSrsabnahme.

Bel den Taubstummen wnrde U r b a n t s c h i t s c h wesentlich unterstUtzt durch den Director L e h fe I d in DSbling, sowie die tibrigen Lehrcr der dortigen Taubstummensehule. (Referent konnte sich yon der Art und praktischen Methode der tt0rilbungen sowie yon dem warmen Interesse, welches Lehrer und Schiller den- selben entgegenbraehten, und von dem Eriblge bei einem Besuehe der Anstalt pers(~nlich Uberzeugen.) Die Resultate der an 60 ZiJg- lingen angestellten methodisehen HSrtibungen sind fotgende:

Vor B e g i n n d e r I~iach H f i r t l b u n g e n : 6 M o n a t e n :

S a t z g e h 6 r . . . b e i k e i n e m Zfigling, be i 12 Z6g l ingen , W o r t g e h f r . ~ 6 ZSg l ingen , ~ t 6 V o c a l g e h f r ~ 22 ~ = 21 = H 6 r s p u r e n ~ 32 ~ ~ 11

60 60

Hierzu ist zu bemerken: Von dem Voealgehtir rUckten s~mmt- liche 22 Falle in das Wortgehiir vor und yon da weitere 6 Falte in das Satzgeh(ir, wohin aach die ursprtinglichen 6 Fiille vor- rilckten: daher weisen in Summa 12 Falle ein Satzgehiir auf; es verbleiben somit 16 FKlle mit Wortgehiir~ niimlich yon 6 ur- sprilnglich ein Wortgeh(ir zeigenden Fi~lle und 22 dazu gekom- menen (Sa. 28) rtiekten 12 in das SatzgehUr vor (28 - - 12 ~ 16);

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Berieht tiber die Verhandlungen der otologischen Section u, s.w. 321

H~rspuren wiesen anf~nglich 32 Fallen naeh; davon wurden 1I nleht wesentlieh gebessert; die tibrigen 21 gewannen dagegen ein Vocalgeh~r; da mittlererweile die ursprUnglichen 22 Falle mit Voealgeht~r in die h~heren Stufen vorgertiekt waren, resultlren nur diese 21 Falle, die aus den H~rspuren stammen, als Endresultat.

Die bet sp~tter taub Gewordenen angestellten methodischen Ht~rUbungen hatten sowohl betreffs der Schnelligkeit der Geh~rs- entwieklung als auch der bisher erreiehten Htirstufe einen be- deutenderen Erfolg~ als diejenigen bei Taubstummen; die Versuehe erstrecken sich auf ftinf F~ille yon acquirirter nerv~ser Taubhoit, darunter drei infolge yon Lues hereditarla.

Am Sehlusse des mit grossem Beifall aufgenommenen Vortra- ges stellt U r b a n t s e h i t s c h eine grosse Reihe yon Personen vet, die durch methodische Uebungen behandelt und gebessert warden.

D i s c u s s i o n : Herr R o h r e r (ZUrich) spricht als Vorsitzen- der der Section dem Redner den Dank aus fur die hoehwiehtigen Mittheilungen und ftir die erfolgreiehen Bemtihungen, die U r b a n- t s e h i t s e h sieh im Verein mit den Taubstummentehrern um die Entwleklung der Taubstummeninstitute gemacht habe.

Die Herren Har tmann , D e l s t a n e h e und S e h e i b e drUeken ihren lebhaften Beifall ass fiber die selten g u t e A u s s p r a e h e der vorgeftihrten Patienten.

Herr S z ene s fragt naeh den Beobaehtungen des Redners be- treffs der pathologisehen Anatomie der mit methodisehen HSr- Ubungen behandelten Ftille.

Herr Po l i tzer (Wien) wUnseht eine genauere Praeision des pathologisch-anatomisehen Standpunktes. Die grosse Zahl yon Taubstammen, bei denen tiefgreifende VerRnderangen im H(ir- apparate (ca. 70 Prec.) vorkommen, sind aaszusehliessen. Von den angeborenen Fallen ist die gewiss iffter vorkommende psy- ehisehe Taubheit H e 11 e r ' s ebenfalls auszuseheiden, Es bleiben somit hauptsRehlieh die angeborenen Falle, bei welehen auch spontane Besserang eintritt.

P o l i t z e r glaubt, dass den HiirUbangen nurder sGhon seit Langem bekannte Werth beizumessen ist, dass aber an diese H(ir- tibungen nicht zu tibertriebene Erwartungen gekniipft werden dtirfen. Aueh geht bei einem grossen Proeentsatz der durch Hiir- Ubungen gebesserten Ftille das gewonnene Resultat wieder ver- loren. Beziiglieh der Hiirtibungen bei Erwachsenen hebt P o 1 i tz e r hervor, dass dartiber sehon seit mehreren Jahren yon Dr. Ma-

Archly L Ohrenheilkunde, XXXYIIL B4. 2 l

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322 XVI. REINHARD

l oney in Washington Publicationen tiber j,Otacoastie treatment" vorliegen.

Herr K a y s e r (Breslau) hebt hervor, dass es sich wesent- lleh um elne Hervorbringung des Verst~indnisses bei den F~llen yon Miuimalh~rf~higkeit handelt. Normaler Welse ist das Ohr ein so feiner Apparat, dass die gew~hnlichen Schallreize ausreichen, um unterschieden, d. h. verstanden zu werden. Bei den Geh~r- losen, rcsp. Niuimalh~renden ist der GehSrapparat schr grob empfindlich, ~hnlieh eiuem Thermometer~ das nut gauze Grade anzeigt, gegen ein solehes, welches schon lho Grad empfindet. Die Sehallreize des gewUhnlichen Lebens werden yon den Mini- malht~renden gar nieht empfunden, die sehr stark vernehmbaren Reize kommen nur sehr selten vor. L~sst man aber diese sehr starken Reize methodiseh einwirken, dann lernt der Minimal- ht~rende sie unterscheiden, er lernt verstehen, er h~rt. Es stelgt dann viellcicht auch die H~rempfindtiehkeit ein wenig; jedenfalls ist das methodische Vcrfahren, welches yon U r b a n t s c h i t s e h empfohlen ist, praktisch yon Werth, well es den sonst ganz un- th~itigcn~ wenn auch nut noch grob empfindlichen Hhrapparat wiedcr brauchbar macht.

Herr B r i eg e r (Breslau) stimmt, auf eigene Untersuchungen gesttitzt, den Beobaehtungen U r h a n t s c h i t s c h ' s bei und hebt hervor, dass, wie auch bei andersartigen, organiseh bestimmten St~rungen systematische Ucbungen mit gutem Erfolg angestellt wtirden, letzterer aueh bei den methodisehen H~rUbungen zu er- warten sei, wenn noch functionstiJchtige Organe im H~rapparat vorhanden w~ren.

Herr U r b a n t s e h i t s c h erwidcrt im Sehlusswort, dass die Beurtheilung des pathologisehen Zustandes in dem jeweiligen Falle unsicher sci, da in selbst unheilbar erseheinenden F~llcn zuweilen noch ein Erfolg der akustisehen Uebungen m~glich ist, vielleieht durch Uebung des noeh vorhandenen Theiles des N. aeustieus. Die Verdienste frtiherer Forscher babe er in seinem Vortragc crw~hnt, ebenso die Unterscheidung zwischen Entwiek. lung des Geh~rs und Anbahnung des Geh~rsverst~ndnisses; prin- eipiell seien gar keine F~lle yon den Uebungen auszusehliessen, wie dies P o 1 i t z e r meint, setbst Totaltaube k~nnen Erfolge zeigen. Der Eindruck, welchen der Patient zum ersten Male yon der neuen Sinnesempfindung bekommt~ ist gew~hnlich ein m~chtiger und ergreift ihn ebenso wie den Arzt; selbst die geringste Bes- serung ist ftir Taubstumme praktiseh yon grossem Werthe, da

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Bericht ~ber die Yerhandlungen der o~ologischen Section u. s.w. 323

sich besonders - - wie die vorgestellten Fiille bewiesen - - die Ausspraehe bessert. Unter letzteren ist ein Herrn P o l i t z e r be- kannter, so dass dieser sieb yon dem Erfolge der akustisehen Uebung hier besonders tiberzeugen konnte.

Herr P o l i t z e r erwidert, dass dieser yon U r b a n t s e h i t s c h besonders hervorgehobene Fall ftir den Werth der H~rtibungen absolut nicbt beweisend sei, weil naeh seinen (P o 1 i t z e r 's) pro- tokollarisehen Aufzeiehnungen aueh sehon vor mehreren Jahren in diesem Falle rapide Versehlimmerungen und bald darauf auf- fallendeH~rverbesserungen spontan beobaehtet wurden, was ja bei gewissen Formen yon nerv~ser Taubheit nieht selten vorkommt.

19. Herr T o m k a (Wien): Ein Fall yon ~berz~hligem GehOr- knoehen in der Trommelh~hle des Menschen.

T o m k a demonstrirt ein mensehliehes Felsenbein, in dessen Pauke sieh zwisehen Amboss und medialer Paukenwand ein Knoehenkl/rper befindet. Die Oberfiiiehe desselben ist glatt~ yon Sehleimhaut tiberzogen and fast yon derselben Farbe wie die der Gehiirknilehelchen; nirgends finder sieh eine feste, fibriise Verwaehsung i obgleieh sieh am Trommelfell Residuen (Perfora- tion~ gerkalkung, Trtibung) abgelaufener Entztindungsproeesse finden, glaubt T o m k a infolge obiger Umstande die Annahme aussehliessen zu miissen, dass es sieh am ein Entztindungspro- duet handelt. Aueh sehreibt er den aeeessorisehen Knoehen, der frei bewegUeh war, nieht der Verknlieherung des M e e k e l - sehen Knorpels zu, da er nieht in der Glaserspalte liegt und das Ossieulum lentieulare and Hammergriff gut ausgebildet sind. In der Literatur land T o m k a keinen analogen Fall.

20. Herr S e h ei b e (Mtinehen): Demonstration yon Bildungs- anomalien ira hSutigen Labyrinth, welche sieh in der gleichen Weise in den vier Feisenbeinen zweier Taubstummen flnden.

An grossen Wandtafeln demonstrirt S eh e ib e die Anoma- lien~ welehe tibereinsfimmend die Corti'sehe Membran und die Stria vaseularis betreffen. Einer der Falle ist in der Zeitsehrift ftir Ohrenheilkunde 1891 abgebildet. Der Befund 1Ksst die Niig- liehkeit der Entwieklung des Corti'sehen Organs aus der Stria vaseularis zu.

21. Herr K i r e h n e r (Wtirzburg): Ueber das Vorkommen yon Thrombose des Sinus cavernosus bei neuter eltriger PaukenhOhlen- entzi~ndung.

K i r e h n e r beriehtet tiber eine Anzahl F~lle yon Otitis reed. 2I*

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acuta im Anschluss an Grippe oder Influenza, die durch pliitz- liehe Sinusthrombose eomplieirt waren, ohne dass Eiterretentions- erscheinungen vorausgegangen wiiren. Er empfiehlt m~gliehst frtihzeitige und ausgiebige Paraeentese, am dadurch die Ueber- tragung der Infectionsstoffe dutch Lymph- und Blutbahnen naeh innen zu verhtiten.

D i s c u s s i o n . Herr H a b e r m a n n (Graz) erw~ihnt das hiiu- fige Vorkommen yon Erkrankungen des inneren Ohres bei In- fluenza; die Prognose sei meistens gut; er babe nur ein Kind yon 2 Jahren gesehen, welches taub blieb und spi~ter taubstumm wurde.

Herr R o h r er (Ztirich) fund bei einer Infiuenzaotitis den Streptococcus pyogenes.

YH. Sitzung. Freitag, 28. September, Vormittags 11J/4 Uhr in der Universit~t.

22. Herr P o l i t z e r - W i e n demonstrirt eine grosse Anzahl Spirituspriiparate des Gehi~rorganes and Abbilduugen pathologi- scher Tremmelfelle.

¥III. Sitzung. Freitag~ 28. I%vember, Nachmittags 3'/2 Uhr im HSrsaale der Universit~t.

Vorsitzender: Herr Kirchner.

23. Herr B i n g- Wlen: Experimentelles zur Durchsp~lung der PaukenhOhle.

B i n g berichtet tiber Versuehe an Leichenpraparaten, bei denen er Fliissigkeiten mit starker F•rbefiihigkeit durch die Tuba Eustaehii in die Pauke spritzte; das Trommelfcll war rot- her in seiner unteren Halfte 1. rein perforirt (Steeknadelstich), 2. breit perforirt (Paraeentesenschnitt) and 3. dutch Ausschneiden eines Stlickchens der Membran weit durehl(iehert.

Der Befund war bei 1. derart, dass die FarbeflUssigkeit im Antrum und in den Cell. mastoid, nachgewiesen werden konnte; bei 2. und 3. war dies nieht der Fall, sondern die injieirte Fliissigkeit war aus der Trommelfell(iffnung leicht abgeflossen.

B i ng folgert daraus 1. dass flus therapeutisehe Darehspiilen per tabam nut bei geniigend gutem Abfiuss, d. h. bei welter Trommelfellperforation anzuwenden sei; 2. dass dann abet der eigentliehe Zweek der Durchsptilung nieht ganz erreicht werde.

D i s c u s s i o n . Herr G o m p e r z empfiehlt naeh seinen Er- fahrungen~ trotz Anerkennung oft sehr brillanter Erfolge, yon den

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Bericht iiber die Verhandlungea der otologischen Section u. s.w. 325

therapeutisehen Durehsptllungen ganz abzusehen, da der Ein- griff unbereehenbar sei, zumal man nicht wissen kSnne, ob De- hiseenzen in den Paukenwanden vorhanden seien, u n d e r bei aeuten Fallen oft Fortleitung des Paukenproeesses auf den Warzen- fortsatz gesehen babe. Bei einer ehronischen Eiterung mit Hirn- abscess sail er sogar einmal pl~tzliehen Cotlaps und Tod nach der Durehsptilung; bei der Section fund sieh das Gehirn sehr t~demat~s, die Meningen frei, der Sehtafenlappen stellenweise tier Dura adh~trent, sehr missfarbig; im Sehlafenlappen fund sich sin htihnereigrosser, alter Abscess, der gegen die Sehadelht~hle durch- gebroehen war; die Dura war in eine missfarbige eiterndo Schwarte in Handbreite verwandelt; an der oberen Pyramiden- wand war ein gr(isserer cari(iser Defect mit zaekigen Randern yon 7 - - 8 Mm. Durchmesser. G o m p e r z zweifelt nieht~ dass bei der Durchsptilung Wasser in die Schadelh~ihle gelangte ~ and dutch Steigerung des Hirndruckes das Ende bcschleunigte.

Herr R e i n h a r d (Duisburg) sprieht sich gegen die Anwen- dung der Durchsptilung per tubam bei aeuter Eiterung aus; er wendet dieselbe mit sehiinem Erfolge n ur bei ehronischen Fallen an und zwar sowohl zur Entfernung des eitrigen Secretes als auch des oft sehr lest haftenden, schleimig-gallertartigen Exsudates aus der Pauke, welches auf andere Weise zu entfernen oft unmtiglieh ist. Als Bedingung verlangt e r - wie dies schon yon S c h w a r t z e in seinem Lehrbuche der chirurgischen Krank- heiten des Ohres (S. 194) ausgesprochen ist - - absolut freiea Abfluss aus dem ausseren Gehiirgange. S e h w a r t z e schreibt dariiber: , , N i e m a l s d a r f e ine D u r e h s p i i l n n g y o n d e r T u b a aus v e r s u c h t w e r d e n , wo n i e h t de r f r e i e Ab- f luss n a e h de m Geh(~rgang s i c h e r g e s t e l l t ist. I s t d ie T u b a s t e n o s i r t , so m u s s d i e s e z u v o r d u r c h Bou- g ies l e i e h t w e g s a m g e m a c h t w e r d e n . I s t d ie Oeff- n u n g im T r o m m e l f e l l eng und fiir den A b f l u s s un- gtinstiff~ so muss s ie d i l a t i r t o d e r e i n e zwe i t e , ftir den A b f l u s s des E i t e r s und S p r i t z w a s s e r s g t i n s t i g e r g e l e g e n e O e f f n u n g g e s c h a f f e n w e r d e n . "

Den Todesfall, den G o m p e r z beriehtete, will R e i n h a r d nicht unmittelbar mit der Durchsptilung in Beziehung bringen, sondern glaubt~ dass -- wenn tiberhaupt der Durehbrueh des Ilirnabseesses zur selben Zeit erfolgt w a r e - das Einblasen yon Luft, das Bewegen des Kopfes genUgte, um denselben herbeizu- ftlhren; er halt es nicht ftlr recht, den Tod eines so protrahirten,

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veralteten Hirnabsoessfalles einer Behandlung zuzusehreiben, die wie ja aueh die Experimente des Herrn Bing bewiesen

hatten - - bei ganligend weiter Oeffnung im Trommelfell der injicirten Fltissigkeit bequemen Abfluss b{ite and auf welehe Re in har d in vielen Fiillen ehroniseher Nittelohreitertmg, beson- ders in denen mit Caries am Boden and an der medialen Wand unter den angeftihrten Cautelen nieht verziehten m~chte.

Herr P o l i t z e r hNt die anatomischen Versuche nieht ftir maassgebend fur pathologische F~tlle; die Injeetionen ganz aufzu- gabon, sei ein Verlust fiir die Therapie; ar glaubt mit Herrn R e i n h a r d den yon G o m p e r z angeftihrten Exitus bei dem Falle yon Hirnabseess n ight auf die Darchspiilung znrtickftihren zu mtissan, sondern denselben einfaeher dureh den infolge des Ka- theterismus and dorInjection eintretenden Shok erklaren zukgnnen.

Herr S e h e i b e (Mtinehen) sprieht in a l l e n Fallen gegen die Durehsptilungen par tubam, da sic in acuten gefahrlich~ in

-chronisehen Fallen theils nieht wirkend, theils nnn~thig seien. In Betreff des Todesfalles stellt er sich auf G o m p e r z' Seite.

Herr B rie g e r (Breslau) wendet das Verfahren nut in solchan Fallen an~ bei denen alle aeut cntztindlichen Erseheinungen be- seitigt sind. Die Resultate seiner Experimente tiber den Weg, den das Wasser bei der Darchspiilung nimmt, waren nicht con- stant genug, am ein sicheres Urtheil zu gestatten.

Herr G 1' u b e r (Wien) wendet die Durchspiilnngen per tubam bei aeuten Fallen fast n i e an, will sic aber bei chronischen exsudativen Processen nicht aufgegeben wissen; es gabe Falla, bei denen das Exsudat aus der Panke in keiner anderen Weise -herausbef~rdert werden kiinne; aueh dienten sic oft zur Besei- tigung hochgradiger Sohmerzen.

Herr S zenes (Budapest)sprieht sieh in gleichem Sinne aus. Herr P i n s (Wien) hat schiine Erfolge bei chroniseher and

subaeuter Eiterung yon der Durehspiilung gesehen; bei einem Falle mit eerebraler Complication entstand nach der zweiten Durch- sptilung Sehwindel, und am niichsten Tage trat Exitus ein; Pins ist ebenfalls yon dem Nutzen der Durchsptilung tiberzengt, ver- langt aber stats eine hinreichend grosse Perforafionsiiffnung im Trommelfell~ nm der FlUssigkeit freien Abflnss zu gestatten.

Herr K i r ¢ h n e r (Wtirzburg) betont, dass bei Perforationen, welche nahezu veto oberon bis zum unteren Rande des Trommelfelles reiehen~ der Druek in der Pauke infolge der DurchspUlungen niemals ein so starker wiird% dass dadurch elne Gefahr fiir das

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Bericht fiber die Verhandlungen der otologischen Section u.s.w. 32'/

Sebaddinnere zu beffirchten ware; die DurchspUlungen dtirften nur nieht mit allzu starkem Drueke vorgenommen werden.

Herr G o m p e r z bleibt bei seiner Erkl~rung iiber die Todes- ursache in dem yon ihm beobaehteten Falle yon Hirnabseess.

24. Herr B i n g - W i e n : Zur Behandlung eitriger Mittelohr- ent~iindungen mit kleiner, an der Spitze :fft~enfSrmiger Vorbau- ehung am Trommelfelte befindlicher Perforation.

Bin g hat wiederholt in diesen Fallen, welehe oft einen sehr protrahirten Verlauf nehmen, einen Tropfen Ferr. sesquieblor. (per deliq.) mittelst Sondenknopfes an die Perforationsstelle hin-, resp. eingetragen und dadureh einen rasehen nnd giinstigen tteil- erfolg erzielt. B i ng empfiehlt dieses Vorgehen zur Nachahmnng, zumal das Mittel gut vertragen werde, keine Reaetionsersehei- nnngen macho und kraftig adstringirend wirke; die Eiterung sistire in wenigen Tagen ~ die Ltieke vernarbe rasch nnter anti- phlogistiseher nnd Resorption bef6rdernder Behandlung.

25. Herr G o m p e r z - W i e n : Ueber die Erfolge der conser- vativen Behandluugsmethode bei den chronischen Eiterungen des oberen Trommelfellraumes.

G o m p e r z hat tiber dieses Thema des Liingeren bereits in einer ausgedehnten Arbeit in der Monatssehrift f. Ohrenheilkunde 1892193 beriehtet. Besproehen ist diese Arbeit im Arehiv f. Ohrenheilk. Bd. XXXVII. 3. u. 4. Heft. S. 297 ft. yon Dr. G rn n e r t - Halle. G o m p e r z tritt in seiner Statistik, die sieb fiber 49 Falle erstreekt~ denen er jetzt noch weitere 20 zuffigen kann, ffir die conservative Therapie der Atticuseiternngen ein und vornehmlieh deshalb~ weil die fnnetionellen Erfolge bei dieser Methode bessere scion. Er bekennt sich nieht als Gegner der Hammer-Amboss- excision, will sic abet nut dort ausgeffihrt sehen~ wo weniger eingreifende Behandlungsarten nieht zum Ziele ftihren; er de- monstrirt neue Cantilen aus hartem oder halbweichem Celluloid (angefertigt yon J. N. S c h n e i d e r - W i e n VII, Stiftgasse 19), mit denen er schiine Erfolge yon Heilung gesehen habe nnd yon denen die halbweichen anch bei den empfindliehsten Kranken angewandt werden kSnnten, t)

D i s c u s s i o n . Herr R e i n h a r d (Duisburg) spricht fUr eine strengere Indicationsstellung ftir die Attieuseiternngen, naeh wel-

t} Referent hat obige Canfilen yon halbweiehem Celluloid aus Wien kommen tasson, h~It sie abet, well zu voluminiis~ ft'tr unpraktisch.

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eher die operativen F~lle yon den eonservativen gesehieden wer- den sollen. Auch R e i n h a r d hat in Halle Attieuseiterungen beobaehten k~nnen~ welehe auf eonservativem Wege zur Heilung gebraeht w~iren; das sind aber die selteneren; weitaus h~tufiger Mind die F~ille, bei denen nur ein operativer Eingriff yon dauern- dem Nutzen ist. Reine Atticuseiterungen sind ihm tiberaas selten zu Gesieht gekommen; R e i n h a r d konnte sieh hiervon nament- lieh liberzeugen seit einigen Jahren~ seit welchen er die breit¢ ErSffnunff der Mittelohrr~,tume mit Fortnahme der hinteren Ge- ht~rgangswand und der Pars ossea ausftihrte; er land dabei viel h~iufiger, als er vorher vermuthet% neben der diagnosticirten Attieuseiterunff aueh eine Miterkrankung des Antrum; die Gr~ss¢ der Perforation ist daftir nicht immer maassgebend; selbst bei kleinster Oeffnung in der M. Shrapnelli, weleh¢ auf den Knochen- rand noeh fiat nieht tibergegangen war, wurde ein Weiterfort- schreiten des eitrigen Processes auf das Antrum beobaehtet. Diese F~tlle mit enger hochgelegener Perforation sind gerade die geF~hrlichsten. R e i n h a r d erinnert sich eines Falles yon ehro- nischer Eiterung, die Jahre lang latent gewesen war, mit gut erhaltenem Trommelfell und nur feiner Perforation hinter dem Proe. brevis und cerebraten Erseheinungen (Kopfsehmerz, Schwin- del). Die sofort vorgenommene Aufmeisselung, bei weleher das Antrum krank gefunden wurde (Cholesteatomherd)~ konnte das Leben des Patienten nieht retten; derselbe starb am 4. Tage post operationem an einem in den Ventrikel durchgebroehenen, alten, htihnereigrossen Hirnabseess des Sehl~tfenlappens. Solehe Chole- steatombefunde im Antrum hat R e i n h a r d niemals nach Aus- fiihrung der isolirten Hammer-Ambossexeision - - wie dies yon _Pol i t ze r auf dem internat, reed. Congress in Rom berichtet wurde - - auftreten sehen, wohl aber Sogleich bei breiter Er~ff- hung der Mittelohrr~tume beobaehtet, wie dies auch schon yon S t a e k e u. A. mitgetheilt ist. blur in dam Falle, dass das zu operirende Ohr allein den Rest des Ht}rverm~gens tr~gt, w~thrend das andere Ohr bereits taub ist, sueht R e i n h a r d auf eonser- vativem Wege zunichst zum Ziele zu kommen unter strenger Beobaehtung des Patienten, hat abet in einem Falte aueh traurige Erfahrungen gemaeht.

Herr S e h e i b e (Mtinehen) sah in 50 Proe. der F~lle yon Attieuseiterung durch blosse conservative Behandlung Heilung und wagt nieht die Operation vorzusehlagen, wo eine all¢ 3- bis 4 wSehentliche Aussptilung gentigt, das Ohr rein zu halten.

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Bericht fiber die Verhandlungen der otologischen Section u. s.w. 329

Herr R e i n h a r d (Duisburg) erwidert~ dass das keine Heilung sei, bei weleher die Patienten noch alle 3--4 Woehen zur Rei- nigung des Ohres kommen mtissten. Gerade dutch dieses Ab- warten, his gefiihrliehere Symptome eintreten, entspringe den Patienten eine grosse Gefahr, die gr(isser sei als die Gefahr der Narkose.

Herr B e h r e n d (Danzig) sah bei einem Patienten, bei wel- chem die Hammer-Ambossexeision yon anderer Seite ausgeftihrt war, naeh einiger Zeit ein grosses Cholesteatom recidiviren. Die Eiterung des anderen Ohres, bei welcher ebenfatls die Opemtlon geplant gewesen sein soll, heilte er auf eonservativem Wege.

Herr B r i e g e r (Breslau) sieht die Hammer-Ambossexcision nach S e h w a r t z e oft nur als vorbereitende Operation an~ welche durch Freilegung des oberen Paukenraumes dcr Behandlung hier gelegener Krankheitsherde erst den Weg bahnen soll. B r ie g e r hat ca. 60 F~ille yon Atticuseiterungen mit zufriedenstellendem Erfolge und guten funetionellen Resultaten so behandelt. Die Misserfolge der Operation werden hauptsiichlieh dadureh vcr- schuldet, dass es oft nicht m(iglieh ist~ :Miterkrankungen des Antrum bei Atticuseiterungen vorher zu erkennen.

Herr G o m p e r z (Wien) freut sieh, zu hiiren~ dass aueh in Halle gewisse Fi~lle yon Attlcuseiterung conservativ behandelt werden; er ist absolut kein Gegner der Operation~ wtinscht nur, class kein uneomplieirter Fall yon vornherein operirt werde, ohne dass vorher die conservative Behandlung versucht worden wiire. Go m p e rz kann nieht glauben, dass beim Staeke'sehen Verfahren die Recidive ausbleiben.

26. Herr G o m p e r z - W i e n : Ueber die Wirkung k~nstlicher Tr omme/ f elle.

Aus dem Trommelfellbefund kann man yon vornherein keincn Schluss ziehen fiber die Wirkunff des ktinstliehen Trommelfelles. G o m p e r z behauptet, dass bei kleineren LUeken als 1/4 des Trommelfelles ein eclatanter Erfolg sich meistens nieht erzielen ltisst, weil bei diesen Fallen die Kette der Geh~frkn(iehelchen racist intact ist.

Er land die Prothese wirksam dann~ wenn das T r o m m e l - fe l l b i s a u f c i n c h s e h m a l e n S a u m an d e r P e r i p h e r i e z e r s t i i r t , d e r H a m m e r g r i f f a b e r n o e h z u m T h e i l o d e r g a n z e r h a l t e n w a r ; fernerdort, wo d ie L i i cke d e n h i n t e r e n o b e r e n Q u a d r a n t e n o d e r d i e g a n z e h i n t e r e T r o m m ¢ l -

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330 XVl. REINHARD

fe l lh~i l f te e i n n a h m . Immer war die Fenestra ovalis fl'ei zug'~inglich; die Mucosa war meist epidermisirt~ und fast immer fehlte der lange Ambosssehenkel.

Am besten wirkten plattenfSrmige Prothesen ans Watte oder aus Bors~iurepulver gebildet; besonders die letzteren~ sehon yon K o s e g a r t e n empfohlenen Pulver-Trommelfelle wendet Gom- perz mit Vorliebe an; dieselben k~innen, gut eingeblasen, nach dem Versiegen der Eiterung oder Cholesteatombildung Woehen und Monate lang liegen bleiben, keine Beschwerden machen und an Wirkung alle iibrigen Arten der ktinstlichen Trommelfelie iibertreffen.

D i scus s ion . Herr G r u b e r (Wien) hat sehon vet Jahren die kiinstliehen Trommelfelle empfbhlen bei Kranken, wetche Substanzverluste am hinteren Trommelfellsegmente haben~ und namentlich dann, wenn eine Discontinuit~it zwisehen Amboss und SteigbUgel vorhanden wiire; am aUermeisten hiitte sich ibm das Trommelfell aus Leinwand bewahrt~ und zwar deshalb, weU es im feuchten Zustande viel leiehter als das Trommelfetl aus Guttapercha sich an die Gehiirkniichelchen anlegte.

In seltenen Fallen werden die Kranken dutch Anwendung des ktinstliehen Trommelfelles auch yon dem sie beliistigenden Schwindel befreit.

Herr D e 1 s t a n c h e (Briissel) bestatigt die Erfahrungen G r u b e r's und konnte ebenfaUs in einem Falle dureh Applicirung des kUnstUchen Trommelfelles den Sehwindel beseitigen.

Herr S z e n e s (Budapest) bemerkt, dass das feuehte ktinst- liche Trommelfell (Wattektigelehen, Kautsehukplatte) wohl mo- mentan eine Besserung des Geh~lrs ftir-Uhr und Spraehe bewirke, aber trotz der Befeuchtung mit antiseptischen LSsungen (2--3 Prec. Carbol~il) in der Mehrzahl der Falle eine erncute Suppuration hervorrufe~ was bei der Anwendung troekener Prothesen seltener der Fall wlire.

27. Herr R e i n h a r d - Duisburg; Ein Fall yon prlm~rem Car- einom der OberkieferhOhle.

R e inh ar d demonstrirt ein Pr~parat, welches vor ca. 8 Wochen dureh Totalresection des linken Oberkiefers einem 65jiihrigen Krankcn entnommen wurde (Operateur Dr. S c h u ltz e- Duisburg).

Die Krankengeschichte ist folgende: Seit ftlnf Jahren einseitige Nasenverstopfung, seit einem Jahre

einseitige, iibelrieehende Iqaseneiterung~ seit circa sechs Wochen

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Bericht tiber die Verhandlangen de~ otologischea Section u. s.w. 331

Lockerwerden des Backzahnes des linken Oberkiefers und fort. dauernde Schlafloslgkoiti anhaltende, zunehmende Kopfschmerzen 1 die his in den Naeken, Oh5 Sehulter ausstrahlen und sich auch nieht nach Extraction des Zahnes und DurehspUlungen durch das Antrum Highmori bessern.

Schleimhaut des Gaumens und Proe. alveolaris des Oberkiefers unver'andert; im mittleren linken Nasengang Eiterstrasse; furcht- barer fiitider Gestank aus Nase und Mund; an der linken mitt- leren Nasenmuschel polypoide Sehwellungeni die drei linken oberen Backzahne fehlen; in ihren Alveolen ein breiter l~tug- lieher Spalt~ dutch den man mit der Sonde bequem in das Antrum Highmori gelangt.

Hier ftihlt die Sonde ab,r keinen freien Rauml kein Lumen, sondern stiisst tiberall auf weiche~ solide Massen~ die bet der leisesten BerUhrtmg bluten; missfarbenes Blur; Probeexeision yore Rande des Spaltes und Entfernung der polypoiden Schwellung der mitfleren Musehel; histologisehe Untersuchung ergab Epithelial- carcinom. Therapie: Totalreseetion des linken Oberkiefers~ da- dutch Versehwinden der Kopfschmerzen und des Geruehes; Hebung des Appetits. Patient schlaft wieder ohne Schlafmittel. Heilung der Hautwunde per prim. ftinf Wochen post operationem. Ent- lassung des Kranken in seine Heimath.

Das Careinom flillte das gauze Antrum Highmori au8 und ist dutch das Os sphenoideum his zur Sehi~delbasis gewachsen. Re- ctally deshalb unzweifelhaft, aber jedenfalls Besserung des Zu- standes dutch die Operation. Von allen atiologisehen Momenten fUr Empyem des Antrum Highmori ist das maligne Neoplasma das selteuste; h~iufiger sind eari~se Zi~hne, Nasenaffeetionen, Trauma. Nicht zu un te r l a s sen ist d ie S o n d e n u n t e r s u c h u n g bet 0 b e r k i e f e r h ~ h l e n e i t e r ungen.

28. Herr Pins (Wien) demonstrirt eine Nasendouche, die spontanen Versehluss der Tuba Eustachii bewirkt. Der Patient blast hierbei selbst mit vollen Wangen die SpUlfltissigkeit aus ether gesehlossenen Flasehe dutch einen in eine Nasen~ffnuug eingeftihrten Sehlauch dureh die Nase und den Nasenraehenraum; die Fltissigkeit fiiesst aus dem anderen Nasenloch wieder ab. Dutch das Blasen wird das Gaumensegel stark gehoben und dadureh die beiden Tubeneing~inge verlegt. Pins hat noah niemals Ein- tritt yon Fliissigkeit in die Tuben b~obaehtet bet 4jlihrigem Ge- braueh an 20o Patienten.

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332 XVI. REINHARD

29. Hen" Dels tanche-Brt isse l : Ueber die Verwendung des weissen Vaselineiiles bei acuten und chronischen Mittelohrprocessem

D e l s t a n e h e empfiehlt das weisse Vaselinei~l zu Injectionen in die Pauke per tubam; die Paukenschleimhaut vcrtr'ttgt das reine Pr~tparat~ welches wasserhell and geruchlos sein muss, ohne die geringste Reizung; aueh wird das Oel in kurzer Zeit resorbirt.

D i scus s ion . Herr G o m p e r z (Wien) verwendet mit sehr zufriedenstdlendem Erfolge das dureh D e 1 s t a n e h e empfohlene Vaselinetil bei Sklerose; dasselbe iibt einen gtinstigen Einfiuss auf die Tubenschleimhaut aus. Zur Reinigung des Odes koeht Gore p erz dasselbe aus, wodurch aueh der letzte Rest des Petro- leumgeruches versehwindet.

Ausser diesen Vortriigen and Demonstrationen waren noeh zwei Manuscripte ciDgesandt~ die aber bei der Ktirzc der Zeit leider nicht verlesen werden konnten:

a. Herr Ziem-Danzig: Ueber das Eindringen van Flftssigkeit aus der Nase in das Mittelohr und iiber elne neue Druckpumpe~ und

b. Herr Haug-MUnchen: Ueber einen Fall yon Fibrosarkom des Ostium pharyngeum der Tuba.

Der V o r s i t z e n d e der S i t z u n g dankt dcm vorbereiten- den Cemit6 und besonders dem Einftihrenden der Section ftir die gastfreundliehe Aufnahme und wohlgelungene, sichere Ftihrung bei der Tagung dieser Versammlung.

Herr P o I i t z e r-Wien schliesst darauf die otologische Section mit folgender Anspraehe:

,,Die wissensehaftliehen Sitzungen unserer Section haben so- eben ihren Abschluss gefunden.

Gestatten Sic mir, m. H., Ihnen, die Sic bis zum Sehlusse waeker ausgeharrt haben, den herzlichsten Dank ftir Ihre rege Theilnahme an unseren Verhandlungen auszusprechen. Der Dank gebtlhrt in erster Reihe unseren auswartigen Herren Faehgenossen. Sic kamen nicht mit leeren Hi~nden zu uns. Sic haben sieh bier eingefunden, um uns Ihre Erfahrnngen, die Resultate ehrenvoller Arbeit mitzutheilen und im gemeinsamen Ideenaustauseh sehwi¢- rige Fragen zu diseutiren und zu beleuehten. In dem Gesammt- materiale, das hier zum Vortrage kam, wurde kein Gebiet unseres Wissenszweiges unbertihrt gelassen. Die Anatomic and Histologie des Ohres~ die pathologische Anatomie~ die Diagnostik und Therapie

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Bericht t~ber die ¥erhandlungen der ototogischen Section u. s.w. 833

der Ohrenkrankheiten, sic haben dareh ihre Vortri~ge reiche Flir- dernng erfahren. Auch die yon Ihnen veranstalteten Demonstra- tionen yon Priiparaten~ Abbildungen und Instrumenten haben sieh, wie in den Sectionen der friiheren i~aturforseherversammlungen~ aneh diesmal als fruchtbringend erwiesen.

Unsere Sitzungen haben aber auch durch die eingehenden Discussionen unser kritisches Urtheil gefestigt und vertieft, und dort, wo zeitweilig auseinandergehende bieinungen zu Tage traten, haben dieselben nur zur Kliirung unserer hnsichten beige- tragen.

Mit voller Befriedigung ki/nnen wir daher auf die Resultate dcr diesji~hrigen otiatrisehen Section zurtickblicken. Sic schliesst sieh wtirdig ihren Vorgangern an und bildet eine weitere Etappe in nnserer Wissenschaft.

Dem wissenschaffliehen Zwecke~ der Sic hierhergefUhrt, ver- danken wir aber anch die grosse Frende, hier alten Freunden und Arbeitsgenossen wieder zu begegnen and neue jtingere Freunde zu gewinnen, deren Begeisterung ftlr unsere Speeialititt nur Er- spriessliches ftir die Zukunft der Otiatrie erwarten liisst. Der pers(lnliche Verkehr in diesen Tagen gab uns Allen reiche An- regung, und mit frischem Mnthe und erh~hter Schaffensfreude kehren wit an unsere Arbeitsstiitten zurtick.

Was wir Ihnen bieten konnten, war sehr bescheiden. Zu unserem Bedauern haben wir den befremdliehen Eindruek wahr. genommen, den unserc otiatrisehen Kliniken, verglichen mit den palastartigen Ohrenkliniken im Deutsehen Reiehe, auf Sic iiben mussten. Ieh erachte es als eine Pflicht, unsere ausw~trtigen Freunde darUber aufzuklliren, dass nieht Mangel an Eifer oder gutem Willen an dem Fortbestehen der unzuliingliehen Verhitlt- nisse an unseren Kliniken sehuld triifft, sondern dass lediglich locale Ursachen in dem vor mehr als 100 Jahren erbauten Kranken- hause die Erriehtung neuer Ktiniken verhindert haben.

Nun ist endlich dureh das Maehtwort unseres erhabenen Monarchen eine ansehnliche Erweiterung des Krankenhauses und der Ban ncuer Kliniken in baldige Aussieht gestellt. So hoffen wir denn, Sic, racine hochverehrten Herren Collegen, in nieht zu ferner Zeit in einer der Otiatrie wtirdigen, mit allen modernen Behelfen ausgestatteten Klinik empfangen zu ktinnen.

M.H.! Nach Erfiillung der Aufgaben, die Sic sich zur FSr- derung unserer Wissensehaft in dieser Section gestellt haben, kehren Sic binnen Kurzem an den heimathlichen Herd znrtiek,

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33~ XVI. REINHARD, Yerhandlungen der otologischen Section u. s. w.

um ihre Arbeiten im Interesse der Wissensehaft und der leiden-~ den Mensehheit wieder aufzunehmen. Nehmen Sie die Versiehe- rung mit sieh, dass das Andenken an unsere Vereinigung, an die seht~nen Tage, die wir in wissensehaftllehem und freundsehaft- lichem Verkehr verbraehten, in unseren Herzen stets fortleben wird.

M~ge es uns verg~nnt seln, in nieht zu ferner Zeit unter denselben Yerh~iltnissen~ ausgestattet mlt neuen Erruugensehaften ' auf unserem Gebiete, uns wiederzufinden. Indem ieh Ihnen noeh- reals ein herzliehes Lebewohl und auf baldiges Wiedersehen zu- rufe~ erkl~re ieh die otiatrisehe Section der 66. Versammlung deutscher Naturforseher und Aerzte fiir gesehlossen."