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Wasserrechtliches Bewilligungsverfahren für die Förderung und Anreicherung von Grundwasser am Wasserwerk Tegel Betr.: Wasserrechtliches Bewilligungsverfahren für die Förderung und Anreicherung von Grundwasser am Wasserwerk Tegel sowie für die Entnahme von Oberflächenwasser aus dem Tegeler See hier: Stellungnahme der BLN, des BUND (LV Berlin), des NABU (LV Berlin), der Baumschutzgemeinschaft Berlin, der GRÜNEN LIGA Berlin, der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (LV Berlin), des Natur- schutzzentrums Ökowerk Berlin, der NaturFreunde (LV Berlin) und der übrigen BLN-Mitgliedsverbände Bezug: Amtsblatt Nr 46 vom 13.11.2016 Sehr geehrte Frau Kehlenbeck, nach Einsichtnahme in die Unterlagen nehmen wir wie folgt Stellung: Grundsätzlich ist auch für die Naturschutzverbände die Gewinnung von Trinkwasser aus dem Stadtgebiet unter Vermeidung von zusätzlichen (chemischen) Aufbereitungsmethoden ein erstrebenswertes Ziel. Dies darf jedoch nicht mit massiven Schäden an der Berliner Natur erkauft werden. An der nachhaltigen und naturschonenden Bewirtschaftung der Ressource Wasser sind wir somit in höchstem Maße interessiert. Anlässlich des Bewilligungsbescheides für das Wasserwerk Kaulsdorf (WW) und der jetzt vorgelegten Unterlagen für einen Bewilligungsbescheid für das WW Tegel haben wir jedoch inzwischen erhebliche Zweifel, ob das von den Berliner Wasserbetrieben ebenso gesehen wird. In der Berliner Strategie zur biologischen Vielfalt (Beschluss des Senats vom 13.3.2012 wird jedenfalls unter Ziel 9) Grundwasser aufgeführt: •„Berlin sichert eine nachhaltige Bewirtschaftung des Grundwassers, um insbesondere auch grundwasserabhän- gige Lebensräume zu erhalten und in ihrem Zustand zu verbessern.Dazu wird weiter erläutert (Zitat): Der nach WRRL (Europäische Wasserrahmenrichtlinie) geforderte gute Zustand des Grundwassers beinhaltet auch den Schutz grundwasserabhängiger Lebensräume. Hierzu muss gemäß Anhang V der WRRL der Grund- wasserspiegel so beschaffen sein, dass diese Ökosysteme in ihrem Wasser- und Stoffhaushalt nicht signifikant geschädigt werden. Eine solche signifikante Schädigung liegt dann vor, wenn die Gefahr besteht, dass aufgrund Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz e.V. Potsdamer Str. 68, 10785 Berlin, Tel. (030) 2655 0864, Fax (030) 2655 1263, e-mail: [email protected] Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz e.V. Potsdamer Str. 68 10785 Berlin Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt VIII D 102 Frau Kehlenbeck Brückenstraße 6 10179 Berlin Bearbeiter: A.v. Lührte (BUND) M. Krauß (BUND) M. Schubert (BLN) S. Schwarze (BLN) Unser Zeichen: 12/0903.4/WG/9 Berlin, 13.1.2016

Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz e.V....Beelitzhof und Spandau mehr entnommen werden muss, was von den Naturschutzverbänden keinesfalls akzep-tiert werden kann. Erst

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  • Wasserrechtliches Bewilligungsverfahren für die Förderung und Anreicherung von Grundwasser am Wasserwerk Tegel

    Betr.: Wasserrechtliches Bewilligungsverfahren für die Förderung und Anreicherung von

    Grundwasser am Wasserwerk Tegel sowie für die Entnahme von Oberflächenwasser

    aus dem Tegeler See

    hier: Stellungnahme der BLN, des BUND (LV Berlin), des NABU (LV Berlin), der Baumschutzgemeinschaft

    Berlin, der GRÜNEN LIGA Berlin, der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (LV Berlin), des Natur-

    schutzzentrums Ökowerk Berlin, der NaturFreunde (LV Berlin) und der übrigen BLN-Mitgliedsverbände

    Bezug: Amtsblatt Nr 46 vom 13.11.2016

    Sehr geehrte Frau Kehlenbeck,

    nach Einsichtnahme in die Unterlagen nehmen wir wie folgt Stellung:

    Grundsätzlich ist auch für die Naturschutzverbände die Gewinnung von Trinkwasser aus dem Stadtgebiet unter

    Vermeidung von zusätzlichen (chemischen) Aufbereitungsmethoden ein erstrebenswertes Ziel. Dies darf jedoch

    nicht mit massiven Schäden an der Berliner Natur erkauft werden. An der nachhaltigen und naturschonenden

    Bewirtschaftung der Ressource Wasser sind wir somit in höchstem Maße interessiert.

    Anlässlich des Bewilligungsbescheides für das Wasserwerk Kaulsdorf (WW) und der jetzt vorgelegten Unterlagen

    für einen Bewilligungsbescheid für das WW Tegel haben wir jedoch inzwischen erhebliche Zweifel, ob das von

    den Berliner Wasserbetrieben ebenso gesehen wird.

    In der Berliner Strategie zur biologischen Vielfalt (Beschluss des Senats vom 13.3.2012 wird jedenfalls unter Ziel

    9) Grundwasser aufgeführt:

    •„Berlin sichert eine nachhaltige Bewirtschaftung des Grundwassers, um insbesondere auch grundwasserabhän-

    gige Lebensräume zu erhalten und in ihrem Zustand zu verbessern.“

    Dazu wird weiter erläutert (Zitat):

    „Der nach WRRL (Europäische Wasserrahmenrichtlinie) geforderte gute Zustand des Grundwassers beinhaltet

    auch den Schutz grundwasserabhängiger Lebensräume. Hierzu muss gemäß Anhang V der WRRL der Grund-

    wasserspiegel so beschaffen sein, dass diese Ökosysteme in ihrem Wasser- und Stoffhaushalt nicht signifikant

    geschädigt werden. Eine solche signifikante Schädigung liegt dann vor, wenn die Gefahr besteht, dass aufgrund

    Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz e.V. Potsdamer Str. 68, 10785 Berlin, Tel. (030) 2655 0864, Fax (030) 2655 1263, e-mail: [email protected]

    Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz e.V. Potsdamer Str. 68 10785 Berlin

    Senatsverwaltung für Stadtentwicklung

    und Umwelt VIII D 102

    Frau Kehlenbeck

    Brückenstraße 6

    10179 Berlin

    Bearbeiter:

    A.v. Lührte (BUND)

    M. Krauß (BUND)

    M. Schubert (BLN)

    S. Schwarze (BLN)

    Unser Zeichen: 12/0903.4/WG/9 Berlin, 13.1.2016

  • BLN-Schreiben vom 13.1.16 – Bewilligungsverfahren Wasserwerk Tegel Seite 2

    einer anthropogenen Änderung des Grundwasserzustands der betroffene Biotoptyp als solcher nicht erhalten

    bleibt.“

    Die „Berliner Strategie …“ zielt daher grundsätzlich auf die langfristige Sicherung des Berliner Grundwassers in

    einem mengenmäßig und ökologisch guten Zustand.

    Auch die Berliner Wasserbetrieb haben die Countdown 2010-Erklärung zum Schutz der Biodiversität un-

    terschrieben.

    http://www.bwb.de/content/language1/downloads/BWB_Erklaerung_Countdown_2010_09052008.pdf

    Wir haben nach wie vor erhebliche prinzipielle Bedenken zur Verfahrensweise, die wir bereits im Verfahren

    Kaulsdorf geäußert haben und die wir nachfolgend für Tegel nochmals darstellen, da sie bislang keine Berück-

    sichtigung fanden.

    Beachtung der Eingriffsminimierung

    Die BWB beeinflussen und schädigen durch die Trinkwasserförderung in erheblichem Maß Natur und Landschaft

    in Berlin, insbesondere Gewässer und Feuchtgebiete im Einflussbereich der Grundwasserabsenkung. Daher hal-

    ten wir die grundsätzliche Anerkennung der Verantwortung der BWB für die aquatischen Naturräume in der Stadt

    für dringend notwendig. Der Grundwasserspiegel darf in den ökologisch sensiblen Bereichen nicht weiter sinken,

    stattdessen müssen die Auswirkungen schrittweise minimiert und verbessert werden. Dies wurde in der Vergan-

    genheit weitgehend nicht beachtet und hat zu erheblichen Schäden an Natur und Landschaft in Berlin geführt.

    Dieser Zustand verstößt gegen geltendes Recht.

    So gelten für neue und erweiterte Grundwasserentnahmen in Natura 2000-Gebieten die üblichen Anforderungen

    der FFH-Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6, Abs. 3 und 4 der FFH-Richtlinie. Dies gilt auch für Grundwasserent-

    nahmen im Einzugsbereich von FFH-Gebieten, sofern diese mit erheblichen Beeinträchtigungen der Schutzziele

    der jeweiligen Gebiete verbunden sein können.

    Wesentlich im Sinne der Einhaltung von FFH-Recht, WRRL und Naturschutzrecht ist die konsequente Vermei-

    dung von Schäden und die maximal mögliche Minimierung des Eingriffes durch die Trinkwassergewinnung. Nur

    wenn Schäden absolut nicht vermeidbar sind, darf es zu einer Ausnahmegenehmigung verbunden mit Aus-

    gleichs- und Ersatzmaßnahmen kommen. Diese Grundsätze sind in den bisherigen Bewilligungen WW Kaulsdorf

    und Wuhlheide nicht beachtet worden und finden auch in den Antragsunterlagen zu Tegel keine Berücksichti-

    gung.

    So fehlen u.a. eine FFH-VP (Vorprüfung) für das Wasserversorgungskonzept (WVK), die Prüfung alternativer Be-

    triebsvarianten, alternativer Wasserwerks- und Galeriestandorte und weiterer Eingriffsvermeidungsstrategien, wie

    z.B. Maßnahmen zur Senkung des Verbrauchs und der Wasserverluste. Möglich ist auch eine bessere Verknüp-

    fung der einzelnen städtischen Versorgungsgebiete durch neue Leitungen.

    Das Eingriffs-Minimierungsgebot muss in FFH-Gebieten auch in "Worst-Case-Szenarien" Vorrang haben und nö-

    tigenfalls auch zur Senkung der Gesamtförderung eines Wasserwerks führen. Das Verbot der Zustandsver-

    schlechterung von FFH-Gebieten und vom Grundwasserkörper ist bislang nicht umgesetzt worden. Die Bewilli-

    gungsverfahren laufen ohne Abschluss seit zwei Jahrzehnten, ohne dass ausreichende Maßnahmen zur Verbes-

    serung der Situation der Berliner Schutzgebiete ergriffen wurden. Die FFH-Richtlinie ist seit 1992 geltendes

    Recht, die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) seit 2000. Hier liegt nach unserer Einschätzung ein anhaltender Ver-

    stoß gegen das EU-Recht vor. Es wurden und werden bislang auch keine Vorkehrungen getroffen, um die weiter

    anhaltenden Schädigungen zu vermeiden. So gibt es keine an ökologischen Kriterien orientierte Beschränkung

    oder Steuerung der Fördermengen.

    Zu fordern ist somit unabhängig vom Stand der Genehmigungsverfahren der sofortige Beginn von vorgezogenen

    Kompensationsmaßnahmen. Die anhaltende Schädigung von Natur und Landschaft darf nicht erst nach dem vo-

    raussichtlich erst in mehreren Jahren erfolgten Abschluss der Verfahren kompensiert werden. Für uns ist es er-

    staunlich, dass dies von der zuständigen Verwaltung nicht längst angeordnet wurde. Die jahrzehntelange Schädi-

    gungsgeschichte durch die Trinkwasserförderung ist in den bisherigen Untersuchungen ausgeblendet worden,

    http://www.bwb.de/content/language1/downloads/BWB_Erklaerung_Countdown_2010_09052008.pdf

  • BLN-Schreiben vom 13.1.16 – Bewilligungsverfahren Wasserwerk Tegel Seite 3

    dies ist vor dem Hintergrund der oben ausgeführten Verantwortung für die Natura 2000-Gebiete jedoch nicht

    statthaft. Das Verbesserungsgebot für Natura 2000-Lebensräume und den Grundwasserkörper gemäß WRRL

    wurde bislang, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht berücksichtigt. Auch Ökosysteme im schlechten Zu-

    stand dürfen nicht weiter geschädigt werden, sondern müssen schrittweise verbessert werden.

    Aktueller Rechtsstatus der Berliner Wasserwerke

    Diese oben genannten Eingriffe wiegen umso schwerer, als die Förderung des Trinkwassers nach wie vor bislang

    in Berlin rechtlich nicht abgesichert ist. Nur für die WW Wuhlheide und Kaulsdorf liegen Bewilligungen vor. Die

    Förderleistung dieser Werke reicht jedoch bei weitem nicht aus, um die Stadt zu versorgen. Zumindest die Was-

    serwerke im Westteil der Stadt wurden und werden ohne Rechtsgrundlage oder nur mit einer Duldung und damit

    formell rechtswidrig betrieben. Möglicherweise umfasst diese jetzt laufende Legalisierung auch den Betrieb in der

    Vergangenheit vor Antragstellung, dann müssten im Rahmen des Ausgleichs- und Ersatzkonzepts auch die seit

    Inbetriebnahme der Wasserwerke verursachten Beeinträchtigungen mit ausgeglichen werden. Dafür müssten die

    Ausgleichsmaßnahmen erheblich ausgeweitet werden.

    Selbst nach der Rechtsauffassung der Genehmigungsbehörde gibt es lediglich eine Nutzungsgenehmigung aus

    dem Jahre 1977 für die WWe im ehemaligen Ostteil der Stadt (Altrecht der DDR). Es stell sich die Frage nach

    dem zeitlichen Umfang des zu betrachtenden Eingriffs gemäß UVPG.

    Für das WW Tegel enthalten die uns zur Verfügung gestellten Unterlagen lediglich einen lapidaren Hinweis, dass

    das Wasserwerk nur mit einer Duldung betrieben wurde, ohne dies näher auszuführen oder zu belegen.

    Wir fordern deshalb bereits an dieser Stelle eine konkrete Erläuterung folgender Punkte:

    • Auf welcher Rechtsgrundlage wird das Wasserwerk Tegel seit dem Jahr 1877 (Inbetriebnahme) betrieben?

    • Wurden Zulassungsentscheidungen für das Wasserwerk Tegel erteilt? Wenn ja, durch wen, wann, welche und mit welcher Geltungsdauer?

    • Liegen bei weiteren Behörden Unterlagen zum Wasserwerk Tegel vor? Wenn ja, welche weiteren Behörden sind das?

    Status des Wasserversorgungskonzepts (WVK)

    Das Wasserversorgungskonzept von 2008 (Burgschweiger & Möller 2008) ist die Grundlage der Genehmigungs-

    verfahren. Darin wurde der erwartete Bedarf sowie die dazu notwendigen Fördermengen der einzelnen Wasser-

    werke festgelegt. Schon jetzt ist dieses Konzept überarbeitungsbedürftig, da aufgrund von Änderungen im Be-

    triebskonzept der BWB die dauerhafte Stilllegung des WW Johannisthal vermutlich vorgesehen ist. Wie nunmehr

    die für Johannisthal vorgesehenen Fördermengen auf die anderen Werke umgelegt werden sollen, ist bislang un-

    klar.

    Hinzu kommt die abrupt steigende Sulfatproblematik in der Spree, die nach Aussage des Vorstandschefs der

    BWB, Herrn Simon, möglicherweise mittelfristig die teilweise oder völlige Stilllegung des WW Friedrichshagen

    notwendig macht (zit. nach Tagespiegel vom 21.3.15). Wie sollen diese Fördermengen dann auf die anderen

    Wasserwerke umgelegt werden, deren Fördermengen aus hydrologischen und ökologischen Gründen nicht be-

    liebig steigerbar sind?

    Hinzu kommt aus unserer Sicht, dass im aktuellen Wasserversorgungskonzept ökologische und Naturschutzbe-

    lange nur unzureichend berücksichtigt werden. Dies betrifft z.B. die Förderung im FFH-Gebiet Spandauer Forst.

    Hier werden im WVK Fördermengen angesetzt, die mit dem Erhalt des FFH-Gebiets absolut nicht in Überein-

    stimmung zu bringen sind. Ähnlich gelagert ist die Situation im Grunewald durch das WW Beelitzhof und in Fried-

    richshagen. Somit ist das Wasserversorgungskonzept 2008 bereits jetzt dringend zu überarbeiten.

    Da im Genehmigungsverfahren des WW Kaulsdorf von der im WVK angegebenen und beantragten Fördermenge

    nach unten abgewichen wurde, bleibt für uns unklar, ob das Wasserversorgungskonzept 2008 eigentlich verbind-

    lich ist oder nur eine grobe Orientierung darstellt.

  • BLN-Schreiben vom 13.1.16 – Bewilligungsverfahren Wasserwerk Tegel Seite 4

    Wir gehen deshalb nach wie vor davon aus, dass ein erweitertes und erneuertes WVK die Grundlage jedes Bewil-

    ligungsverfahrens und Bestandteil des Genehmigungsbescheids sein muss!

    Unbefriedigende Bearbeitung der Verfahrensgrundlagen

    Verwaltung und BWB weigern sich bislang beharrlich, unserem Vorschlag zu folgen und zuerst die ökologischen

    Risiken und die dadurch verbundenen möglichen Einschränkungen für jedes einzelne Wasserwerk in einem

    stadtweiten Prozess zu klären, die zum Erhalt der FFH-Gebiete notwendigen Restriktionen oder Maßnahmen zu

    erarbeiten und stadtweite Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie ein Gesamtsteuerungskonzept zu erarbei-

    ten. Erst dann können Fördermengen für die einzelnen Werke festgelegt und die einzelnen Genehmigungsverfah-

    ren abgearbeitet werden.

    Stattdessen orientiert man sich an einem bereits jetzt überarbeitungsbedürftigen WVK und arbeitet die Genehmi-

    gungsverfahren einzeln ab. Bereits beim zweiten Verfahren zeigen sich die Schwächen dieses Vorgehens, auf

    die wir immer aufmerksam gemacht haben:

    Wird z.B. von der im WVK festgelegten Fördermenge abgewichen, wie im vorliegenden Fall des WW Kaulsdorf

    geschehen, hat dies Auswirkungen auf die Verteilung der Fördermengen der anderen Wasserwerke. Wird bei den

    weiteren Verfahren ebenfalls die beantragten Fördermengen nicht bewilligt bzw. reduziert, bleibt beim letzten Ver-

    fahren ein absehbares Minus an der benötigten Gesamtfördermenge übrig – würde dann doch ein neues Was-

    serwerk gebaut werden?

    Hinzu kommen die Unwägbarkeiten durch die Sulfatproblematik, Altlasten und zunehmende Menge an Spuren-

    stoffen im Oberflächenwasser, was insbesondere das WW Tegel betrifft.

    Zu befürchten ist, dass dann bei den aus Naturschutzgründen sensibleren Wasserwerken wie Friedrichshagen,

    Beelitzhof und Spandau mehr entnommen werden muss, was von den Naturschutzverbänden keinesfalls akzep-

    tiert werden kann.

    Erst bei gründlicher Analyse der ökologischen Risiken jedes einzelnen Wasserwerks und der berlinweiten Aus-

    wirkungen können die Genehmigungsverfahren sinnvoll durchgeführt werden. Nur so kann ein echter, räumlich

    übergreifender Abgleich stattfinden.

    Es stellt sich weiterhin die Frage ob die Bescheide bereits genehmigter Wasserwerke beim Vorliegen einer Defi-

    zitsumme bei den letzten Verfahren geändert werden? Wie soll dies geschehen?

    Erarbeitung eines berlinweiten Ausgleichsplans

    Für den schlechtesten Fall, dass Schäden nicht vermieden oder drastisch gemindert werden können, ist der in

    Ansätzen vorhandene berlinweite Kompensationsplan dringend weiter zu entwickeln und eine bezirksübergrei-

    fende Verwendung der Ausgleichsmittel sicherzustellen. Nach unserem Verständnis müssen besser größere

    „Leuchtturmprojekte“ zur Stabilisierung der Grundwasserstände auf ein für die Vegetation verträgliches Maß und

    zum Schutz von Feuchtgebieten und Gewässern verwirklicht werden, statt kleine und kleinste Reparaturmaß-

    nahmen an fast völlig zerstörten "Restlebensräumen" durchzuführen, weil in dem entsprechenden Bezirk nun mal

    keine sinnvolleren Maßnahmen zu realisieren sind.

    Ausgleichsmaßnahmen müssen einen gleichwertigen Ersatz für die geschädigten Lebensräume schaffen! Zu den

    unterstützenswerten Maßnahmen gehören alle, die großflächig positive Auswirkungen auf den Landschaftswas-

    serhaushalt haben, das „Wasser länger in der Landschaft halten“, grundwasserabhängige Naturräume wieder-

    herstellen bzw. der Grundwasseranreicherung in Berlin dienen.

    So wäre im Falle des Wasserwerk Kaulsdorf eine adäquate Ausgleichmaßnahme für die Schäden der Trinkwas-

    serförderung nach unserer Einschätzung der Aufkauf und die Unterschutzstellung des kompletten grundwasser-

    abhängigen Elsensees gewesen, nicht aber die Durchführung kleiner und kleinster Reparatur- und Pflegearbei-

    ten.

  • BLN-Schreiben vom 13.1.16 – Bewilligungsverfahren Wasserwerk Tegel Seite 5

    Im Falle des Wasserwerks Tegel bietet sich als adäquater Ausgleich die Renaturierung des Spree-Altarms auf

    dem Gelände des ehemaligen WW Jungfernheide an. Die Berliner Naturschutzverbände sind weiterhin bereit, bei

    der Entwicklung geeigneter Maßnahmen maßgeblich mitzuwirken.

    Gerichtsfestes Verfahren zur Bewertung der Eingriffe und der Ausgleichsmaßnahmen

    Es fehlt noch immer eine rechtssichere methodische Grundlage für die qualitative und quantitative Einschätzung

    der durch die Grundwasserförderung verursachten Eingriffe sowie für die Festlegung des Kompensationsumfan-

    ges. Für die Bewertung derartiger Eingriffe bei terrestrischen Biotopen wird in Berlin das sogenannte „Berliner-

    Verfahren“ verwendet. Dies ist jedoch aus methodischen Gründen bei Grundwasserabsenkungen nicht anwend-

    bar. Wir erwarten deshalb für die weiteren Verfahren die Anwendung eines methodisch einwandfreien und ge-

    richtsfesten Bewertungsverfahrens für die Eingriffe und Ausgleichsmaßnahmen. Gegebenenfalls muss ein sol-

    ches Verfahren neu konzipiert werden. Auch bei den vorliegenden Unterlagen zum WW Tegel ist das Eingriffs-

    bewertungsverfahren zweifelhaft und nicht nachvollziehbar.

    Der Kompensationsumfang (z.B. beim Röhricht) wurde mehr oder weniger geschätzt und ist ebenfalls nicht nach-

    vollziehbar. Erkennbar ist die Tendenz der Gutachter den Eingriff möglichst klein zu reden und damit auch die

    Kompensationskosten.

    „Worst case“- Verfahren

    Das bei der Bewertung des Eingriffs verwendete „worst case“-Verfahren ist ebenfalls nicht akzeptabel. Dabei will

    man die im WVK festgelegten Fördermengen voll ausschöpfen und sich keinerlei Förderbeschränkungen, die hin-

    sichtlich des Schutzes der FFH-Gebiete, Moore, Feuchtgebiete und Wälder notwendig wären, auferlegen lassen.

    Mögliche Schäden sollen nach dieser Logik im Rahmen von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ausgeglichen

    werden. Dabei sollen jedoch nur Schäden berücksichtigt werden, die über die Vorschädigung, die bereits vor

    2010 erfolgte, hinaus gehen. Dies verstößt jedoch, wie eingangs bereits erwähnt, gegen geltendes Recht.

    Mit diesem Vorgehen wollen sich die BWB alle betrieblichen Optionen offenhalten, und auf keinen Fall auf Um-

    weltbelange Rücksicht nehmen.

    Bereits die Festlegung von maximalen Fördermengen pro Galerie auf ein Jahr bezogen ist nicht zu akzeptieren.

    So ist es ein gewaltiger Unterschied, ob eine bestimmte Menge Grundwasser in drei Sommermonaten oder ver-

    teilt über das ganze Jahr gefördert wird. Im ersten Fall führt das zu einem für die Vegetation schädlichen Absen-

    kungstrichter, im zweiten Fall ist der Grundwasserstand zwar unter dem ursprünglichen Level, der bleibt jedoch

    weitgehend konstant.

    Wie notwendig derartige Festlegungen sind, zeigt das Beispiel der sogenannten Horizontalfilterbrunnen. Diese

    Brunnen sind so angelegt, dass sie vor allem im Sommer innerhalb kurzer Zeit auftretende Spitzenverbräuche

    abdecken können. Dadurch rauschen dann aber auch die Grundwasserstände in der Umgebung ebenso extrem

    in den Keller, was besonders im Sommer für die Vegetation eine erhebliche Wirkung hat.

    Es dürfen also nicht die maximal möglichen Fördermengen ausgenutzt werden, sondern es müssen dauerhaft an

    die Bedürfnisse der jeweiligen Biotope angepasste und im Verfahren festgelegte Mindestgrundwasserstände ein-

    gehalten werden.

    Diese dürfen keinesfalls, auch nicht kurzfristig und vor allem nicht im Sommer bei hohem Wasserverbrauch, un-

    terschritten werden. Derartige Mindestwerte sind verbindlich festzulegen und müssen Bestandteil des Genehmi-

    gungsverfahrens sein. Dazu gehört ein öffentlich einsehbares, automatisiertes Monitoring der Grundwasserstän-

    de.

    Andererseits führen bereits die zulässigen Fördermengen, z.B. im Bereich des Forst Jungfernheide zu max. Ab-

    senkungen bis zu 2 m. Das ist nicht akzeptabel.

    Die Festlegungen von Mindestwasserständen ist nicht nur für empfindliche Biotope wie Moore etc. notwendig,

    sondern auch für die bebaute Stadt von Bedeutung. So sind hohe Grundwasserstände nach den Ergebnissen des

    StEP Klima für das Stadtklima als positiv zu bewerten. Langfristig sind im Zuge des Klimawandels Schäden an

  • BLN-Schreiben vom 13.1.16 – Bewilligungsverfahren Wasserwerk Tegel Seite 6

    der Vegetation durch sommerlichen Wassermangel prognostiziert. Eine vitale Vegetation und Durchgrünung der

    Stadt ist aber für den bioklimatischen Ausgleich und damit die Gesundheit der Bevölkerung essentiell. Im bebau-

    ten Bereich werden somit ebenfalls hohe Grundwasserstände benötigt, damit das städtische Grün in sommerli-

    chen Hitzeperioden überleben und transpirieren kann.

    Dass eine sensible galerieweise und an die Vegetation angepasste Steuerung der Wasserförderung möglich ist,

    belegen Beispiele im hessischen Vogelsberg durch die OVAG und im Donauried bei Ulm durch den Zweckver-

    band Landeswasserversorgung.

    So wurden in Hessen bei der Wassergewinnung für die Stadt Frankfurt aus dem Vogelsberg sogenannte Grenz-

    wasserstände in 13 überörtlichen Gewinnungsgebieten in den Genehmigungsbescheiden verankert. Diese dürfen

    durch die Wasserförderung nicht unterschritten werden. Werden sie bei fallenden Pegeln erreicht, muss der Was-

    serversorger seine Brunnen drosseln oder ausschalten, bis der Wasserspiegel wieder ansteigt. Seit mehr als 10

    Jahren machen so gut wie alle Beteiligten mit diesem System, das die Vereinbarkeit von Naturschutz und Was-

    serversorgung herstellt, im hessischen Vogelsberg positive Erfahrungen.

    Die wichtigsten Ergebnisse dieses Verfahrens sind:

    • Reduzierung des ökologischen Risikos

    • Abhängigkeit der genehmigten Fördermenge von der Wasserverfügbarkeit in den Biotopen

    • Schutz der Biotope durch Grenzgrundwasserstände

    • Regeneration geschädigter Biotope

    • Sparsame Verwendung von Vogelsbergwasser

    • Öffentliche Kontrolle von Fördermengen und Auswirkungen

    Für Berlin bleibt festzuhalten, dass die BWB bislang offensichtlich eine lediglich an sogenannten betrieblichen Er-

    fordernissen orientierte Ausschöpfung der aus hydrologischer Sicht maximal möglichen Fördermengen anstreben

    und die Festlegung von einzuhaltenden Mindestwasserständen ablehnen. Damit lässt sich jedoch keine Verbes-

    serung der ökologischen Situation erreichen und dies verstößt massiv gegen die FFH- und WRRL-Vorgaben.

    Definition der betrieblichen Erfordernisse

    In den Unterlagen taucht immer wieder der Begriff der „betrieblichen Erfordernisse“ auf. Er wird jedoch nirgends

    präzisiert und immer dann verwendet, wenn sozusagen eine Maßnahme oder ein Eingriff als alternativlos bzw.

    unumgänglich dargestellt werden soll. Darüber ist dann keine Diskussion möglich. Der Antragsteller hat aber bei

    einem derartig umfangreichen Eingriff die Pflicht, seine Betriebsabläufe und betrieblichen Erfordernisse auch im

    Hinblick auf die Minimierung des Eingriffs zu optimieren, z.B. weitere Galerien oder Wasserwerke z.B. zur Abde-

    ckung der Spitzenlast bereitzuhalten, was sicher mit Mehrkosten verbunden ist, aber die Umwelt schont. So wur-

    de z.B. das WW Buch nach unserer Kenntnis einzig aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus geschlossen. Es

    wäre gut geeignet gewesen, einen Beitrag zur Abpufferung des sommerlichen Spitzenverbrauchs zu leisten.

    Präzisierung der Grundwassermodelle zur Darstellung des Eingriffs

    Die vorgestellten rechnerischen Grundwassermodelle weisen erhebliche Unschärfen auf. Die Modelle beziehen

    sich nur auf Jahresmittel und berücksichtigen nicht die Spitzenförderung vor allem im Sommer. Diese Vorge-

    hensweise ist fachlich nicht haltbar, da die besonders schädlichen Aspekte der starken Sommerabsenkungen des

    Grundwasserpegels damit nicht berücksichtigt werden.

    Aus unserer Sicht wird außerdem die Festlegung der maximal förderbaren Grundwassermenge (Grundwas-

    serdargebot) im Einzugsgebiet des WW Tegel angezweifelt.

    Auch die Angabe sogenannter hydrologischer Wasserscheiden zwischen dem Einzugsgebiet des WW Spandau

    und dem WW Tegel wird angezweifelt. So ist z.B. bekannt dass die Absenkungstrichter des WW Beelitzhof mit

    denen des WW Kladow unter der Havel hindurch korrespondieren. Wird z.B. in Kladow mehr gefördert, sinkt die

    Förderleistung in Beelitzhof. Dies ist auch für den Bereich Tegel – Spandau anzunehmen, ebenso dürfte das für

    das WW Stolpe gelten.

  • BLN-Schreiben vom 13.1.16 – Bewilligungsverfahren Wasserwerk Tegel Seite 7

    Wasserverluste

    Die Bewilligungsmengen beziehen sich auf das geförderte Rohwasser. Hierbei ergibt sich die Frage nach der ak-

    tuellen Differenz zwischen Fördermenge und verkaufter Trinkwassermenge. Nach Angaben der BWB im WVK

    (Burgschweiger & Möller 2008) beträgt die Differenz zwischen Rohwasser und verkauftem Reinwasser im Zeit-

    raum von 1992 bis 2006 pro Jahr ca. 10 – 20 Mio. m³.

    Das ist mehr als die Jahresfördermengen von Kaulsdorf und Wuhlheide zusammen betragen. Was sind die Ursa-

    chen für diese immensen Verluste? Ein Beispiel für bekannte Leitungsverluste ist die Rohrleitung mit Düker zwi-

    schen der F-Galerie und dem Wasserwerk Friedrichshagen. Dort wird mit Grundwasser der Müggelsee bewäs-

    sert.

    Wir fordern die Offenlegung der Leitungsverluste im Bereich des WW Tegel.

    So muss in das Leitungssystem stärker investiert werden, um Leitungsverluste zu vermeiden. Eine Reduzierung

    der Leitungsverluste würde einen Spielraum schaffen, mit dem es möglich wäre, bei den einzelnen Wasserwer-

    ken stärker auf ökologische Belange einzugehen.

    Allgemeine Natur- und Umweltschutzbelange im Zusammenhang mit den Bewilligungsverfahren

    Die nachhaltige langfristige Nutzung von Uferfiltrat wird nur dann möglich sein, wenn die grundsätzlichen Proble-

    me, die den langfristigen Betrieb des Berliner Wassernutzungsmodells als Kreislauf in Frage stellen, gelöst wer-

    den, so z.B.

    • der Wassermangel in den Fließgewässern, verursacht durch Rückgang der Niederschläge und die Einspeisung

    von Spreewasser zur Auffüllung der Tagebaulöcher,

    • die bedrohliche Sulfatproblematik der Spree durch den Braunkohletagebau (hier müssen BWB und Politik stär-

    ker aktiv werden),

    • die Rückstandsproblematik (Östrogene, Medikamente etc., insbesondere im Bereich des Klärwerksableiters von

    Schönerlinde).

    Die anthropogenen Spurenstoffe im Wasserkreislauf sind ein grundsätzliches Problem, nicht nur in Berlin. Dies ist

    nach unserer Ansicht nur, wenn überhaupt, über eine 4. Reinigungsstufe zu lösen. Die Einführung einer 4. Reini-

    gungsstufe ist auch dringend notwendig, um den geforderten guten ökologischen Zustand für alle Gewässer

    (WRRL) zu erreichen. Sollte das Problem des Eintrags von Spurenstoffen über das Klärwerk Schönerlinde nicht

    alsbald gelöst werden, ist mittelfristig das Ende der Uferfiltratförderung in Tegel abzusehen. Dies betrifft zugleich

    auch die in Tegel für die Aufrechterhaltung der Grundwasserförderung notwendige Grundwasseranreicherung mit

    Havelwasser.

    Kritisch ist zusätzlich insbesondere die in trockenen Jahren durch die Betriebsführung des Wasserwerks (Uferfil-

    tat, Wasserentnahme für Grundwasseranreicherung und Überleitung von Havelwasser zur OWA) verringerte und

    veränderte Fließgeschwindigkeit der Havel und deren Auswirkungen auf die Wasserqualität zu sehen.

    Weiterhin fehlt grundsätzlich die Zweckbindung des Grundwasserentnahmeentgelts für Maßnahmen des nachhal-

    tigen Schutzes von Grundwasser und Oberflächengewässern sowie für den Ausgleich der Schäden an Natur und

    Landschaft durch die Trinkwassergewinnung. Gemäß Verursacherprinzip aus WRRL und Grundwasserrichtlinie

    ist diese Zweckbindung rechtsverbindlich einzufordern!

    Schließlich halten wir angesichts der Berliner Grund- und Oberflächenwasserproblematik weiteres Wassersparen

    für sinnvoll und notwendig. Hier sind neue innovative Geschäftsmodelle denkbar, die Wassersparen beim Ver-

    braucher belohnen. Hier können wir bislang keinerlei Bemühungen der BWB erkennen.

    Zur Kappung der Spitzenwasserberbräuche in niederschlagsarmen Sommern ist auch eine Einschränkung des

    Verbrauchs, z.B. das zeitweilige Verbot von Rasensprengen denkbar.

  • BLN-Schreiben vom 13.1.16 – Bewilligungsverfahren Wasserwerk Tegel Seite 8

    Referenzjahr 2010

    In der Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgt die Bewertung der Umweltauswirkungen anhand des Referenzjahres

    2010. Dies ergibt sich u.a. aus der nachfolgenden Passage aus S. 6 der allgemein verständlichen Zusammenfas-

    sung der UVP:

    Der Auszug zeigt, dass die Umweltveränderungen der beantragten Förder- und Entnahmemengen allein auf Ba-

    sis des Umweltzustandes 2010 bewertet werden. Eine Bewertung der Umweltauswirkungen, welche in den Jahr-

    zehnten vor 2010 durch die Grundwasserförderung eingetreten sind, fehlt. Die Definition des Referenzjahres und

    des davon abgeleiteten 20-jährigen Referenzzeitraums trifft auf das abiotische Schutzgut Wasser zu, da die För-

    dermenge des Jahres 2010 der durchschnittlichen Fördermenge 1995 - 2014 entspricht. Für die biotischen

    Schutzgüter Biotope/Tiere/Pflanzen muss jedoch das Jahr 2010 bzw. der Zeitraum 1995 - 2014 als Zeitraum für

    die Erfassung und aktuelle Beschreibung der Auswirkungen vieler Jahrzehnte der Wasserförderung betrachtet

    werden und nicht als Referenzzeitraum. Es handelt sich bei den Auswirkungen auf die biotischen Schutzgüter um

    schleichende Veränderungen, die z.B. mit dem sich über viele Jahre erstreckenden Austrocknungsprozess eines

    Feuchtgebiets oder mit dem Verlust des Grundwasseranschlusses eines Waldbestands (Vitalitätsverlust, geän-

    derte Konkurrenzverhältnisse) verbunden sind.

    Gemäß UVS S. 11, Abs. 1: „…wird das Referenzjahr 2010 als ausreichend repräsentativ und aktuell angesehen

    zur Abbildung des derzeitigen Zustands der Schutzgüter im Untersuchungsgebiet.“ Die Darstellung der jährlichen

    Fördermengen (Abb. 4) umfasst die Jahre 1995 - 2014 (Referenzzeitraum = 20 Jahre).

    Wir halten diese Bewertung für unvereinbar mit dem UVP-Recht. Zwar geht aus der Zusammenfassung der UVP

    hervor, dass die Umweltauswirkungen des Betriebs des Wasserwerks Tegel in den letzten Jahrzehnten zumin-

    dest indirekt beurteilt wurden. Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 9 der Kurzfassung der UVP:

    Eine nähere Begründung hierfür findet sich in der Zusammenfassung der UVP allerdings nicht.

    Diese Vorgehensweise ist deshalb nicht mit dem UVP-Recht vereinbar, da hierdurch der Vorbelastung bzw. „Vor-

    schädigung“ durch den jahrzehntelangen Betrieb des Wasserwerks faktisch Bestandsschutz eingeräumt wird. Bei

  • BLN-Schreiben vom 13.1.16 – Bewilligungsverfahren Wasserwerk Tegel Seite 9

    der Bewertung der Umweltauswirkungen eines Vorhabens sind jedoch sämtliche Umweltauswirkungen zu be-

    trachten. Im Rahmen der gegenständlichen UVP wird jedoch lediglich ein Teil der Umweltauswirkungen berück-

    sichtigt. Die UVP bewertet die Umweltauswirkungen aus einem Vergleich zwischen dem Antragszustand und ei-

    nem nicht näher fachlich hergeleiteten und begründeten Referenzjahr 2010. Die vor 2010 eingetretenen Umwelt-

    auswirkungen müssen jedoch in die Bewertung eingestellt werden.

    Die Abb. 7 (S. 27) gibt die Fördermengen im Zeitraum 1935 bis 2014 wieder. Auffällig ist der Zeitraum von ca.

    1975 bis 1995 in dem durchschnittlich bereits die Antragsmenge von ca. 60,4 Mio m³/a gefördert wurde. Dem-

    nach sind die zu untersuchenden Schutzgüter bereits während eines Zeitraums von 20 Jahren der beantragten

    Fördermenge ausgesetzt gewesen. Berücksichtigt man die Bedeutung der Galerie Tegel Ort Nord und Süd für die

    biotischen Schutzgüter, so reichen die der Förderung im Antragszustand entsprechenden Grundwasserabsen-

    kungen bis 1935 und möglicherweise noch weiter zurück (Daten vor 1935 liegen nicht vor). Es ist also davon aus-

    zugehen, dass die in der UVS dargestellten Auswirkungen der Antragsmenge nicht erst nach der Bewilligung ein-

    treten können, sondern dass sie aktuell bereits eingetreten sind. Dies gilt besonders für die überwiegend bzw.

    großflächig betroffenen Schutzgüter wie „grundwasserabhängige Biotope“ und „Wald“, denn auch für schleichen-

    de Veränderungen eines Erhaltungszustands sollten nach Ablauf von zwei Dritteln des festgelegten Bewilligungs-

    zeitraums von 30 Jahren die in einer UVS dargestellten Auswirkungen bereits eingetreten sein!

    Handelt es sich um ein Vorhaben im UVP-rechtlichen Sinne (§ 3b Abs. 1 UVPG) liegt es auf der Hand, dass die

    gesamten Umweltauswirkungen dieses Vorhabens berücksichtigt werden müssen. Aber selbst wenn man das

    gegenständliche Verfahren als eine Erweiterung im UVP-rechtlichen Sinne bewerten würde, müsste der „Grund-

    betrieb“ als Vorbelastung in der Bewertung der Umweltauswirkungen berücksichtigt werden.

    Die Vorgehensweise, die „Vorschädigung“ bzw. Vorbelastung durch den jahrzehntelangen Betrieb ledig-

    lich indirekt in Form von veränderten Belastungsschwellen in die Bewertung einzustellen, entspricht

    nicht der gebotenen gesonderten Berücksichtigung der Vorbelastung bzw. des Gesamtvorhabens im

    UVP-rechtlichen Sinne. Denn angepasste Belastungsschwellen können insbesondere bei qualitativen

    Änderungen des jeweiligen Schutzgutes infolge der „Vorschäden“ dazu führen, dass die nunmehr bean-

    tragte Zusatzbelastung (Erhöhung der Fördermengen im „worst-case-Szenario“) als irrelevant bewertet

    wird.

    Teil B Spezielle Kritik an den Tegel Unterlagen

    Veraltete Unterlagen

    Bei der Darstellung des Eingriffs wird teilweise auf veraltete Unterlagen zurückgegriffen. Faunistische Daten wur-

    den überhaupt nicht neu erhoben, vorhandene sind teilweise über 20 Jahre alt. Dies wird von den Gutachtern

    selbst bemängelt.

    Allerdings wäre es in der Laufzeit des Verfahrens möglich gewesen, ausführliche neue Daten zu erheben. Am

    Zeitdruck kann es nicht gelegen haben. Notwendig wären mindestens flächendeckende Erhebungen zu den

    streng geschützten Arten/FFH-Arten.

    Grundwasseranreicherung

    Als besonders kritischer Punkt ist beim Betrieb des WW der hohe Anteil der für die angestrebten Fördermengen

    notwendigen Grundwasseranreicherung zu sehen. Sobald diese durch betriebliche Probleme eingeschränkt wird,

    kommt es im Bereich der Brunnen zu stark absinkenden Grundwasserständen wie zum Beispiel 2013/2014. Die-

    ser Havarie-Fall einer teilweisen Stilllegung der Grundwasseranreicherung hätte im Antragsverfahren als eine Va-

    riante betrachtet werden müssen, vor allem aufgrund der hohen Abhängigkeit des WW von der Oberflächenwas-

    serqualität und den innerhalb des Einzugsgebietes liegenden Altlasten.

  • BLN-Schreiben vom 13.1.16 – Bewilligungsverfahren Wasserwerk Tegel Seite 10

    Röhricht

    Die Röhrichte des Tegeler Sees besitzen heute nur noch einen Bruchteil ihrer ehemaligen Ausdehnung. 1953 be-

    trug der Bestand noch 18,4 ha. Er schrumpfte bis 1990 auf 3,5 ha, um dann bis 2010 wieder auf 5,9 ha anzustei-

    gen. Die neuerliche Ausdehnung ist vor allem auf Anpflanzungen und Pflegemaßnahmen von privater Seite und

    durch SenStadt, aber auch auf die deutlich verbesserte Wasserqualität zurückzuführen. Trotzdem sind aktuell

    noch vorhandene wasserseitige Schilfbestände z. B. zwischen Baumwerder und Scharfenberg auch weiterhin im

    Rückgang begriffen.

    Für den Rückgang sind zahlreiche Ursachen verantwortlich, ein wesentlicher Faktor war die Eutrophierung des

    Sees und ist immer noch die Uferfiltratförderung. Dies belegt die Untersuchung von Wöbbecke (1993). Daneben

    spielen andere Faktoren wie Bisamfraß nur eine Nebenrolle.

    Durch den Einstrom von Seewasser durch den Wurzelraum kommt es dort zu chemischen Abbauprozessen, die

    die Rhizome der Röhrichte schädigen. Vor allem die noch vor wenigen Jahren im Seewasser reichlich vorhande-

    nen Blaualgen enthalten Toxine, die dies bewirken (vgl. Armstrong et al 1996 u. 1999, Wöbbecke 1993, Wöbbe-

    cke u. Ripl 1990). Durch den Einstrom von Seewasser in den Wurzelraum werden diese Toxine ebenfalls dorthin

    transportiert.

    Hinzu kommt es durch die relative Nähe zu den Brunnengalerien entlang der Seeufer zu einem massiven Absen-

    kungstrichter in der unmittelbaren Uferzone um teilweise mehrere Meter. Dadurch wird die Wasserwechselzone,

    also der gesamte Uferbereich oberhalb des Wasserspiegels für Röhrichte kaum noch besiedelbar. Besonders im

    Sommer bei hohem Wasserbedarf und absinkendem Seewasserspiegel trocknet der Oberboden aus, Uferstau-

    den und Gehölze vertrocknen. Langfristig halten auch ältere Bäume diesen Wechsel zwischen Trockenstress und

    Feuchtigkeit nicht aus und sterben ab. Die Flächen oberhalb der Mittelwasserlinie werden von ruderalen Pflan-

    zenarten wie Glaskraut oder Brennnesseln besiedelt.

    Der Zeitraum mit dem stärksten Röhrichtrückgang von 1953 bis 1990 fällt nun zusammen mit den Zeiträumen der

    intensivsten Grundwasserförderung, wo in manchen Jahren die jetzt beantragte Höchstmenge überschritten wur-

    de. Mit dem Rückgang der Fördermengen nach 1990 nahm auch das Röhricht wieder zu.

    Diese Veränderungen beeinträchtigen im übrigen auch das Landschaftsbild des Gewässers.

    Die Gutachter behaupten nun in den Unterlagen pauschal aufgrund des Vorhandenseins weiterer Schädigungs-

    faktoren lediglich ein Sechstel der Uferröhrichte wäre von der Uferfiltratentnahme betroffen. Dieses Vorgehen hal-

    ten wir für unseriös und nicht akzeptabel. Aus unserer Sicht sind zumindest die Uferabschnitte mit Ufergalerien

    von diesem Schadfaktor betroffen und ausgleichspflichtig. Das Thema ist auch den BWB seit langen bekannt, der

    Antragsteller hätte 20 Jahre Zeit gehabt Untersuchungen zu beauftragen, mit denen möglicherweise der Einfluß

    der Uferfiltratförderung zu relativieren gewesen wäre.

    Auch hätte man erwarten können, dass die BWB wenigstens an der in ihrem Eigentum befindlichen Insel Baum-

    werder Renaturierungsmaßnahmen durchgeführt hätten.

    Einfluss auf Schutzgebiete

    Einfluss auf das FFH-Gebiet Tegeler Fließ

    Wie im Antrag dargestellt, kann sich bei den Betriebsvarianten 3 und 4 die Grenze des Wassereinzugsgebietes

    für die Galerien Ost und Tegel Nord um mehrere 100 m in das Einzugsgebiet des Tegeler Fließes verlegen. Ob-

    wohl es sich hier im FFH-Gebiet im wesentlich um grundwasserabhängige Wiesen und Feuchtwälder handelt,

    wird diese Auswirkung ohne detaillierte Betrachtung als geringfügig bewertet, weil die verringerte Grundwasser-

    neubildung nur ein geringen Teil der mittleren Abflussmengen des Fließes betragen würde. Dem kann so nicht

    gefolgt werden, da für das FFH-Gebiet jegliche negative Beeinflussung zu vermeiden ist und ansonsten einen

    Eingriff darstellt.

  • BLN-Schreiben vom 13.1.16 – Bewilligungsverfahren Wasserwerk Tegel Seite 11

    Einfluss auf Landschaftsschutzgebiete

    Einflüsse der Grundwasserabsenkungen auf die Schutzgebiete werden im Antrag im wesentlichen als gering be-

    urteilt, da der aktuelle Zustand in vielen Bereichen bereits stark verändert und die Empfindlichkeit der Vegetation

    auf Grund gesunkener GW-Stände bereits vermindert wäre. Dies ist aber durch die langjährige Förderung des

    WW verursacht, so dass es jetzt zu der Situation kommt, dass für die am stärksten durch die Wasserförderung

    geschädigten Biotope die geringste Kompensation für weitere Grundwasserabsenkungen zu leisten wäre. Dies

    kann so nicht akzeptiert werden, da stattdessen alle Maßnahmen ergriffen werden müssten, um weitere Schäden

    an der Vegetation zu vermeiden. Es ist auch fraglich, inwieweit die modellierten Grundwasserstände und die für

    die Bewertung angenommenen Grundwasserflurabstände für die großen Waldgebiete Tegel und Jungfernheide

    zutreffen. Gerade auch in der Jungfernheide wurden bei der Biotopkartierung zahlreiche Waldbiotope mit Arten

    wie Molinia caerula erfasst, was zumindest auf einen Grundwassereinfluss hinweist.

    Auch haben Wasserhaushaltsuntersuchungen an Kiefern im Spandauer Forst durchaus noch GW-Einfluss bis 3,2

    m Flurabstand gezeigt (Wessolek & al. 1995). Gerade in Trockenjahren hatte hier selbst ein hoher Grundwasser-

    flurabstand noch Bedeutung für die Wasserversorgung der Bäume und pufferte den Trockenstress ab. Dies ist

    auch für Teile der großen Waldbestände in Tegel und der Jungfernheide vorstellbar, wird aber durch die ange-

    wendete Bewertungsmethode nicht dargestellt. So könnten z.B. gerade die in Tab. 35 dargestellten „nicht (zu-

    sätzlich) beeinträchtigten Biotope“ wie Kieferforste oder Eichenforste deren Grenzflurabstand aktuell um 3 m liegt

    und durch beantragte Förderung etwa nur 20 cm abgesenkt werden genau dadurch bereits in Trockenjahren ge-

    schädigt werden. Verlieren die bislang noch beeinflussten Waldbäume durch eine stärkere Absenkung > 50 cm

    den Anschluss an das Grundwasser, kann dies insbesondere in Trockenzeiten zu stärkeren Vitalitätseinbußen

    führen.

    Auch stimmt die Aussage im Antrag nicht, dass die waldbewohnenden Tierarten nicht empfindlich für kleinräumig

    verursachte Schäden an Waldbeständen seien, da sie ausweichen können. Dies gilt aber nur für die sehr mobilen

    Tierarten wie z.B. Vögel und nicht für weniger mobile Arten.

    Dass sich laut Antrag kleinräumige Schäden auch positiv auswirken können, da dadurch mehr Totholz für die

    Fauna entsteht, kann nur als zynisch beurteilt werden.

    Einfluss auf Naturdenkmale

    Für die als Naturdenkmal geschützten alten Bäume sollten keine modellierten GW-Flurabstände verwendet wer-

    den und auch keine Beurteilung der Auswirkungen auf Grund solcher, eine Detailgenauigkeit vortäuschenden

    Werte, da auch die Wurzeltiefen bei solchen Altbäumen nicht bekannt sind. Hier muss generell bei aktuellen GW-

    Ständen bis zu 4 m unter Flur von einer möglichen Schädigung ausgegangen werden.

    Einfluss auf Gartendenkmale

    Die Auswirkungen der starken Grundwasserabsenkungen um bis zu 1,2 m auf die Baumbestände auf Reiherwer-

    der sind als massiv zu bezeichnen und würden auch Auswirkungen auf die naturschutzfachliche Qualität der Flä-

    chen haben. Dem kann nicht allein durch Nachpflanzungen und verkehrssicherheitsrelevante Maßnahmen (?)

    begegnet werden. Es muss im Gegensatz zur Einschätzung im Antrag davon ausgegangen werden, dass sowohl

    das Erscheinungsbild des Gartendenkmals stark verändert, als auch das Lebensraumpotential des Teils des LSG

    stark vermindert wird.

    Bewertung und Ausgleichsmaßnahmen

    Die dargestellten Ausgleichsmaßnahmen sind aus unserer Sicht nicht geeignet, den Eingriff vor allem in die

    Feuchtbiotope auszugleichen. Es gibt weder eine quantitative noch qualitativ nachvollziehbare Bewertung, wie sie

    etwa das Berliner-Verfahren darstellt.

    Auch kann es nicht sein, dass die durch den jahrzehntelangen Betrieb des Wasserwerks mit seinen Grundwas-

    serabsenkungen stark geschädigte Biotope nun in der Bewertung als vorgeschädigte Biotope für eine Kompensa-

    tion keine Rolle mehr spielen. Das gilt z.B. für die durch den Horizontalfilter auf Scharfenberg stark geschädigten

    Moorflächen.

  • BLN-Schreiben vom 13.1.16 – Bewilligungsverfahren Wasserwerk Tegel Seite 12

    Die BLN sieht als Voraussetzung für die Planung sinnvoller Kompensationsmaßnahmen im Rahmen der Bewilli-

    gungsverfahren der WWe folgende Bedingungen und Prioritäten.

    Priorität 1: stadtweite Kompensation durch Bündelung des Kompensationsumfangs mehrerer WWe

    Priorität 2: Schutzgutbezogene Kompensation im Sinne von Förderung / Schutz / Entwicklung grundwasserab-

    hängiger Biotope /Biotoptypen mit dem entsprechenden für Feuchtbiotope typischen Arteninventar.

    Priorität 3: Kompensation im engen räumlichen Zusammenhang mit dem Eingriff (innerhalb Untersuchungsraum

    für den Eingriff).

    Waldumbaumaßnahmen

    Der Waldumbau von Nadelholzforsten zu Mischwaldbeständen ist seit vielen Jahren eine Aufgabe der Berliner

    Forsten. Er dient der Förderung naturnaher Waldbestände und ist unabhängig von der Nähe der umgebauten Be-

    stände zum Grundwasser. Mit Waldumbau kann der Verlust grundwasserabhängiger Biotoptypen nicht kompen-

    siert werden. Da die Berliner Waldflächen in großem Umfang und bereits seit vielen Jahrzehnten kontinuierlichen

    Grundwasserabsenkungen ausgesetzt sind, entwickeln sich auf Waldumbauflächen vorwiegend grundwasserun-

    abhängige Biotoptypen.

    Der schleichende Eingriff in die Landschaftsbildeinheit „Wald“ des Tegeler Forsts über den Bewilligungszeitraum

    von 30 Jahren wird als erheblich bewertet

    Renaturierungsprojekt als Ausgleichsmaßnahme

    Da die vorgeschlagenen Ausgleichsmaßnahmen aus unserer Sicht unzulänglich sind, schlagen wir vor, ein Rena-

    turierungsprojekt auf dem Gelände des stillgelegten ehemaligen Wasserwerks Jungfernheide durchzuführen. Das

    Gelände befindet sich im Besitz der Berliner Wasserwerke und ist zum großen Teil LSG. Dort befindet sich ein

    langgestreckter Altarm der Spree. Dieser wurde nach dem 2. Weltkrieg zum Zweck der Grundwasseranreiche-

    rung mit Spreewasser umgebaut und mehrere Versickerungsbecken sowie einer Vorreinigungsanlage inkl. tech-

    nischer Infrastruktur (vgl. Baumwerder u. Saatwinkel) angelegt. Das Gewässer wurde dadurch stark technisch

    verändert, der Spreearm ist aber noch auf ganzer Länge vorhanden und könnte wieder in seinen ehemaligen Zu-

    stand zurückversetzt werden. Dazu müssten technische Bauwerke abgerissen und der natürliche Gewässerver-

    lauf wieder hergestellt werden, so dass das Nebengerinne der Spree von Ost nach West wieder durchströmt wer-

    den kann. Zusätzlich könnte das von Siemens zur Grundwasserhaltung abgepumpte Grundwasser in den Altarm

    eingeleitet werden und für eine weitere Durchströmung sorgen. Dieses wird bereits jetzt in die Spree eingeleitet.

    Die vorhanden Gewässer und die umgebende Landschaft an der Spree sind schon jetzt sehr artenreich und wür-

    den durch eine Renaturierung noch mehr gewinnen.

    Dies wäre ein ernst zu nehmender Beitrag zur Schaffung von durch die Grundwasserförderung verloren gegan-

    gen aquatischen und teilaquatischen Lebensräume in der Stadt und ein Beitrag zum Schutz der Biodiversität in

    Berlin.

    Zusammenfassnd müssen wir leider feststellen, dass keiner unserer Vorschläge und Forderungen, die wir bereits

    zum Verfahren WW Kaulsdorf vorgetragen hatten, übernommen wurde. Insgesamt ist für uns der Antrag zum

    WW Tegel in keiner Weise zufriedenstellend. Wir werden in den kommenden Genehmigungsverfahren genau

    prüfen, ob unsere Anregungen übernommen und den gesetzlichen Anforderungen Rechnung getragen wurde.

    Dies ist unser gesetzlicher Auftrag!

    Mit freundlichem Gruß

    Manfred Schubert Geschäftsführer

  • BLN-Schreiben vom 13.1.16 – Bewilligungsverfahren Wasserwerk Tegel Seite 13

    für unsere nach § 63 BNatSchG anerkannten Mitgliedsverbände:

    gez. R. Altenkamp (Naturschutzbund Deutschland, LV Berlin)

    gez. L. Miller (GRÜNE LIGA, Berlin)

    gez. C. Kühnel (Bund für Umwelt und Naturschutz, LV Berlin)

    gez. C. Schwanitz (Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, LV Berlin)

    gez. A. Solmsdorf (Baumschutzgemeinschaft Berlin)

    gez. G. Strüven (NaturFreunde, LV Berlin)

    gez. Dr. P. Warnecke (Naturschutzzentrum Ökowerk Berlin)

    Zitierte Literatur:

    ARMSTRONG, J., W. ARMSTRONG, Z. WU & F. Afreen-Zobayed 1996: A role for Phytotoxins in the Phragmites

    die-back syndrome? Folia Geobot. Phytotax. 31:127-142.

    ARMSTRONG, J., AFREEN-ZOBAYED, F. BLYTH, S. & W. ARMSTRONG 1999: Phragmites australis: effects of

    shoot submergence on seedling growth and survival and radial oxygen loss from roots. Aquatic Botany

    64: 275-289.

    Wessolek, G., Riek, W., von Lührte, A. & M. Facklam 1995: Wasserhaushalt und Dickenwachstum in Abhängig-

    keit des Grundwasserflurabstandes. Z. Pflanzenernähr. Bodenk. 158, 15-22.

    WÖBBECKE, K. 1993: Der Einfluß der Trinkwassergewinnung durch Uferfiltration auf den Röhrichtbestand der

    Berliner Havel. Dissertation TU Berlin. 83. S. + Tab.

    WÖBBECKE, K. & W. RIPL 1990: Untersuchungen zum Röhrichtrückgang an der Berliner Havel. In SUKOPP,H.

    & M. KRAUSS (Hrsg.): Ökologie, Gefährdung und Schutz von Röhrichtpflanzen. Ergebnisse des Work-

    shops in Berlin (West) vom 13.-15. 10. 1988. Landschaftsentw. u. Umweltforsch. 71: 94-102.