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Berufskrankheiten Heft 46 Arbeitsmedizinisches Kolloquium Bad Reichenhall 2011 Präsentation der Überarbeitung der Reichenhaller Empfehlung für die Begutachtung obstruktiver Atemwegserkrankungen (Berufskrankheiten nach Nrn. 4301, 4302, 1315 der BKV)

Berufskrankheiten - BG Klinik Bad Reichenhall · Ärzlicher Direktor der Klinik für Dr. Bessel, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich, dass ich sie heute in unserer

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Berufskrankheiten

Heft 46

Arbeitsmedizinisches Kolloquium Bad Reichenhall 2011

Präsentation der Überarbeitung der

Reichenhaller Empfehlungfür die Begutachtung obstruktiver

Atemwegserkrankungen(Berufskrankheiten nach Nrn. 4301, 4302, 1315

der BKV)

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Präsentation der Überarbeitung der Reichenhaller Empfehlung für die Be-gutachtung obstruktiver AtemwegserkrankungenArbeitsmedizinisches KolloquiumBad Reichenhall, 2011

Heft 46der Schriftenreihe „Berufskrankheiten“

Herausgeber: VBG - Ihre gesetzliche Unfallversicherung, Deelbögenkamp 4, 22297 Hamburg Herstellung und Projektleitung: Konradin Relations GmbH, Insa Meyer, Leinfelden-Echterdingen

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Berufskrankheiten

Heft 46

Arbeitsmedizinisches Kolloquium Bad Reichenhall 2011

Präsentation der Überarbeitung der

Reichenhaller Empfehlungfür die Begutachtung obstruktiver

Atemwegserkrankungen(Berufskrankheiten nach Nrn. 4301, 4302, 1315 der BKV)

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Inhalt

Begrüßung und Einleitung Dr. iur. Fritz Bessellalt. Vorsitzender des Vorstandes der VBG

Dr. med. Wolfgang RaabÄrzlicher Direktor der Klinik für Berufskrankheiten Bad Reichenhall

Moderation und Diskussionsleitung Thomas KöhlerSprecher der Geschäftsführung, Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie Heidelberg

EinführungDr. iur. Andreas Kranig, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) Berlin

Stefanie Palfner Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) Berlin

Die Reichenhaller Empfehlung - Was ist neu? Allgemeiner Überblick PD Dr. med. Astrid Heutelbeck Universitätsmedizin, Abteilung Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin Göttingen

Die Reichenhaller Empfehlung - Was ist neu? MdE-TabelleDr. med. Alexandra PreisserZentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin Hamburg

StellungnahmenProf. Dr. iur. Hermann PlagemannAnwaltschaft, Frankfurt/ Main

Michael WeberinkArbeitgeber, Gesamtverband Steinkohle e.V. Herne

Volpert BeyerArbeitnehmer, DBG-Rechtsschutz Schwäbisch-Hall

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Hans-Peter JungSozialgerichtsbarkeit, Vors. Richter am LSG Nordrhein-Westfalen Essen

Prof. Dr. med. Heinrich WorthSelbsthilfe, Deutsche Atemwegslige e.V. Fürth

Diskussion

Teilnehmer

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Begrüßung und Einleitung

Dr. iur. Fritz Besellalt. Vorsitzender des Vorstandes der VBG

Meine Damen und Herren,

ich begrüße Sie sehr herzlich im Namen des Vorstandes VBG, ich glaube ich spreche in Ihrer aller Namen, wenn ich zunächst mal Herrn Dr. Raab sehr herzlich danke für das nette, gemütliche Beisammensein gestern Abend.

Unser Forum heute, ist die Klinik für Berufskrankheit hier in Bad Reichenhall. Seit Jahren erfolgreich betrieben von der BG Glas-Keramik und nun gemeinsam mit der VBG in der VBG. Der weitere Ausbau, das ist nicht nur im klaren Sinne des Wortes gemeint, dass wir neue Gebäude errichten wollen und die alten renovieren wollen, entwickeln wir die Klinik auch weiter. Die Klinik für Hautkrankheiten besteht schon und als jüngstes Kind die Klinik für Psychotraumata. Aber heute wollen wir bei unserer traditionellen Materie bleiben, nämlich bei dem Thema der Atemwe-gserkrankungen. Wir treffen uns heute mittlerweile zu unserem 20. Arbeitsmedi-zinischen Kolloquium. Wir präsentieren heute gemeinsam mit der DGUV, der wir dafür sehr dankbar sind, Herrn Dr. Kranig, die überarbeitete Version der „Bad Reichenhaller Empfehlungen für die Begutachtung obstruktiver Atemwegserkran-kungen“. Diese wurden von einem interdisziplinären Arbeitskreis, insbesondere Mitgliedern medizinischer Fachgesellschaften, auf Einladung der DGUV erstellt. Schon immer war es unser Ziel, in den Reichenhaller Kolloquien Vertreter aus Wissenschaft und Verwaltung, Selbstverwaltung der Ärzteschaft zu ausgewählten

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Themen zusammen zu bringen und dabei auch, wie wir es gestern schon prakti-ziert haben, ein persönliches Kennenlernen zu ermöglichen. Zusätzlich werden wir heute auch Stellungnahmen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter, Vertre-ter der Anwaltschaft, der Sozialgerichtsbarkeit und der medizinischen Selbsthilfe hören. Ich danke schon jetzt allen Beteiligten für ihre wertvolle Mitarbeit, besonders Herrn Köhler, dem Sprecher der Geschäftsführung BGRCIH, der als kompetenter und erfahrener Moderator und Diskussionsleiter durch das Kolloquium führen wird. Ich wünsche uns allen ein erfolgreiches Kolloquium.

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Dr. med. Wolfgang RaabÄrzlicher Direktor der Klinik fürBerufskrankheiten, Bad Reichenhall

Dr. Bessel, meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich freue mich, dass ich sie heute in unserer Klinik begrüßen kann, ich darf mich für Ihr Kommen recht herzlich bedanken. Wie Herr Dr. Bessel schon gesagt hat, wird heute endlich die neue, überarbeitete Version, der Reichhaller Empfehlungen präsentiert. Sehr geehrte Frau Prof. Borsch-Galetke, es ist jetzt gerade sechs Jahre her, auf dem Medizinischen Kolloquium 2005, da haben Sie hier, bei uns, das Reichenhaller Merkblatt erstmals der Öffentlichkeit im Oktober 2005 vorge-stellt. Im April 2006 ist es dann vom Hauptverband veröffentlicht und publiziert worden, 2000 Exemplare waren im Nu vergriffen. Initiiert wurde die Reichenhal-ler Empfehlung nach dem Reichenhaller Merkblatt, von meinem Vorgänger Herrn Dr. Mohrmann und dem Hauptverband Herrn Blohme, die können heute leider nicht da sein, 2006 publiziert. Bereits 2008 hat es Änderungswünsche, Verbes-serungsvorschläge einer Arbeitsgruppe der DGAUM, Deutsche Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie gegeben, und das war dann der Anlass, dass bereits 2009 die DGUV mit der Überarbeitung begonnen hat. Also, das möchte ich schon sagen dürfen, ganz so schlecht war das erste Merkblatt auch nicht, dass man es gleich zwei Jahre danach in den Reißwolf hätte werfen müssen. Aber organisatorische Fragen mus-sten geklärt werden. Insbesondere legt die DGUV fest, dass die medizinischen Experten unabhängig von der jeweilig medizinischen Fachgesellschaft bestimmt

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werden. Die DGUV wählt keine Experten aus, sondern die jeweils medizinischen Fachgesellschaften, die schicken dann ihre Experten ins Rennen, so dass jegli-che, mögliche Kritik, interessengeleitete Beeinflussung im Vorfeld ausgeschlossen werden kann. Auch zum Stil des jetzigen Spitzenverbandes, Herr Dr. Bessel, hat er bereits gesagt, das Organisationen betroffener Leute nehmen heute Stellung. Bei der Diskussion werden auch die Referenten, die Diskussionsteilnehmer von den jeweiligen Fachgesellschaften geschickt und nicht von der Klinik oder Un-fallversicherung ausgewählt. Ich bin froh, dass wir fertig geworden sind mit der überarbeiteten Version. Ich möchte mich an dieser Stelle bei dem Publikum, ganz besonders aber bei den Referenten, bei Herrn Köhler, Sprecher der Geschäfts-führung der BGRCI, für die Moderation bedanken. Ich habe noch eine kleine Bitte, der Herr Dr. Orthen, der leider auch nicht da sein kann, hat uns gebeten, auf die Veranstaltung „40 Jahre nachgehende Untersuchung“ am 26. und 27.04.2012 hinzuweisen. Der Flyer liegt im Eingang aus, ich bitte um Beachtung.

Ansonsten sage ich noch einmal allen, ganz herzlichen Dank fürs Kommen, ganz herzlichen Dank für die Mühe der DGUV. Der DGUV hat sich bemüht, diesen Wust der Informationen, die alle die Teilnehmer auf ihn losgelassen haben, zu koordinie-ren und zu bündeln, das Entwurfsexemplar der Empfehlung müsste Ihnen allen vorliegen. Darüber sprechen wir heute, ich sage, danke fürs Kommen und bitte Herrn Köhler die Moderation zu übernehmen. Herr Köhler führt durchs Programm.

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Moderation und

Diskussionsleitung

Thomas KöhlerSprecher der Geschäftsführung, Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie, Heidelberg

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

auch von meiner Seite aus, ein ganz herzliches Willkommen an Sie alle in diesem wunderbaren Krankenhaus und vor allem diesem wunderbaren Bad Reichenhall, dass uns mit einem fantastischen Wetter hier verwöhnt. Schon allein daher hat sich die Anreise gelohnt.

Ich gestehe es ganz offen, ich bin Wiederholungstäter. Ich hatte vor vier Jahren schon mal die Freude an dieser Stelle zu sitzen und eine Moderation wahrzuneh-men. Und schon vor vielen Monaten hat Herr Dr. Raab mich auf diesen Termin aufmerksam gemacht und Sie kennen ihn alle, seinem Charme und seiner Begei-sterungsfähigkeit kann man sich nicht entziehen. So habe ich damals zugesagt, ohne zu wissen um welches Thema es geht, auch so kann es passieren im Leben.

Ich bin dennoch gerne gekommen und freue mich sehr über die Einladung, und danke Herrn Dr. Bessell, Herrn. Dr. Raab sehr für das Vertrauen und möchte mit Ihnen gemeinsam - meine Damen und Herren, es geht nur gemeinsam, so ver-stehe ich meine Funktion - diesen Tag mit einem straffen Programm zu einem erfolgreichen Ende führen. In dem Sinne, dass wir ein gemeinsam gefundenes Ergebnis festhalten. Nun wissen wir alle, der Teufel steckt bekanntlich immer im Detail und dennoch bin ich sehr zuversichtlich, dass dieser Tag uns deutlich voran

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bringen wird. Es wird, wenn ich so in diese hochkompetente Runde schaue, keine Frage offen bleiben. Wir sind sehr gut bestückt, Expertinnen, Experten sind zahl-reich da und wir werden zu allen Fragen befriedigende und befriedende Antworten geben. Das Thema ist bekannt: Es geht um die fachöffentliche „Vorstellung und Diskussion auch der Begutachtungsempfehlung, der drei Berufskrankheiten mit den Ziffern 4301, 4302 und 1315“.

Allein vom Umfang dieses Inhaltes war es erforderlich, dass wir abweichend von den früheren Veranstaltungen, den zeitlichen Rahmen etwas ausdehnen mussten. D. h, es wird heute bis 15:00 Uhr gehen, Sie haben es im Programm gesehen. Das verlangt natürlich auch, dass wir, inklusive mir, auf das Zeitmanagement ach-ten und ich bitte schon jetzt alle Referentinnen und Referenten ganz herzlich, das auch entsprechend zu tun. Dies ist, wie gesagt, auch ein Gebot der Fairness ge-genüber den nachfolgenden Referentinnen und Referenten. Wir wollen schauen, dass wir im Zeittakt bleiben. Damit möchte ich auch gleich zur ersten Vortragsrei-he übergehen und darf Ihnen kurz noch einmal den Charakter und die drei Blöcke, mit denen wir uns heute hier befassen wollen, in Erinnerung rufen.

Der erste Themenblock ist so gemünzt, uns die Vorlage für den gesamten heu-tigen Tag zu geben, d. h. wir werden dort, die wesentlichen Inhalte der Reichen-haller Empfehlungen vorgestellt bekommen. Im Wesentlichen auch von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe, mit gewissen thematischen Schwerpunkten. An dieser Stelle ist noch keine Diskussion vorgesehen. Wenn die Referentinnen und Referenten sehr, sehr zeitnah zu Ende sind, dann kann es sein, dass wir noch ein, zwei Verständnisfragen anhängen, ansonsten gilt, dass wir alle Fragen, dies sage ich schon mal vorab, in unserem Herzen bewegen, und sie dann spätestens heute Nachmittag in die Diskussionsrunde mit einbeziehen. Das ist der erste The-menblock.

Nach der Kaffeepause werden wir dann die Stellungnahmen der dazu berufenen Organisationen anhören. Das ist bereits angeklungen. Und schließlich werden wir als krönendes Highlight, und bitte bleiben Sie noch da, selbst wenn der Samstag sehr verlockend ist, uns der Diskussion widmen. Für die Abschlussdiskussion haben wir uns 90 Minuten Zeit genommen, damit haben wir ein schönes, dichtes Programm. Und ich denke, wir können jetzt beginnen.

Ich rufe die beiden ersten Referenten auf und stelle sie einfach mal kurz vor: Bei den beiden kann man es nun wirklich kurz machen, denn sie sind beide in Stadt und Land bekannt. Ich beginne mit Frau Stefanie Palfner, sie ist die Leiterin des

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Referats Berufskrankheiten bei der DGUV und sie hat ihren Chef mitgebracht, Herrn Dr. Andreas Kranig, auch ein hochgradig bekannter Kenner der Materie, geschätzt in den Verwaltungen, geschätzt aber auch, das gilt für beide, in der Ärzteschaft als kompetente Ansprechpartner. Ich denke sie sind beide wunderbar geeignet, in dieses Thema einzuführen und einen Überblick zu geben. Sie haben das Wort, bitteschön.

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Dr. iur. Andreas KranigDeutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Berlin

Ich danke für die freundlichen Einführungsworte. Sehr verehrter Herr Dr. Bessell, Herr Dr. Raab, meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich möchte zunächst einmal beginnen mit einem ganz herzlichen Dank, an die, wie bereits von Herrn Dr. Raab erwähnten, sogenannten Grundsteinleger. Ich freue mich sehr, dass Frau Borsch-Galetke, Herr Dr. Muhrmann, jedenfalls aus dieser Generation, ich glaube Herr Dr. Drexel gehörte auch dazu, hier sind. Einige konn-ten leider nicht kommen. Es war ja ganz wichtig, nach Haut- und Lärmschwerhö-rigkeit, den dritten Bereich zu initiieren. Ganz wichtig ist zu erwähnen, dass sich anhand der Haut- und der Atemwegserkrankungen unsere Selbstverwaltung sehr intensiv mit der Problematik der Begutachtungsempfehlung beschäftigt hat. Vor über zehn Jahren wurde das Kolloquium zu MdE-Fragen bei Berufskrankheiten initiiert und von uns durchgeführt. Dies war einer der ersten größeren Schritte, die ich im Berufskrankheitenbereich mit verantworten durfte.

Zum anderen gilt mein ganz großer Dank der aktuellen Arbeitsgruppe, die den Staffelstab von den Grundsteinlegern übernommen hat. Ich hatte eigentlich ge-dacht, wenn so viele gute Vorarbeiten aus den Fachgesellschaften, Herr Dr. Raab hat es erwähnt, vorgelegen haben, dass man dann in zwei, drei Sitzungen das Thema bestens erledigen kann. Und dann nach einem halben oder dreiviertel Jahr mit der Überarbeitung an die Fachöffentlichkeit treten kann. Ich glaube, wir

Einführung - Abschnitt 1

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hatten irgendwann mal so im Auge, vor zwei Jahren in Reichenhall damit aufzu-treten. Zum Glück haben wir das nicht angekündigt, aber diesmal hat die feste Ankündigung von Reichenhall dazu geführt, dass die Arbeitsgruppe den allerletz-ten Schliff, vor knapp drei Wochen, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, ange-bracht hat und den Ehrgeiz hatte, ein fertiges, abgerundetes Papier vorzulegen. Ich will nicht der Diskussion vorgreifen, aber ich glaube, dass ist Ihnen allen, die daran mitgewirkt haben, hervorragend gelungen. Ich war bei dieser Gutachtungs-empfehlung nicht persönlich involviert und habe das Ganze dann mit der Distanz in den letzten Tagen gelesen, so konnte ich das Gesamtwerk auf mich wirken las-sen. Ich muss sagen, ich bin wirklich sehr begeistert und angetan, weil es einfach einen einheitlichen Duktus hat.

Ich will hier übergehen, wie wir unseren Beitrag aufgeteilt haben: Ich mache die einleitende Anmerkungen; den fachlichen Teil erläutert dann die Kennerin der Materie, Frau Palfner. Ich wollte zu den Begutachtungsempfehlungen im Bereich der Atemwege etwas sagen: ich habe gerade davon gesprochen, dass ich den Eindruck habe, dass diese Reichenhaller Empfehlungen ein abgerundetes Papier sind. Ich will das Wort abgerundet auch für das Gesamtprogramm verwenden, auch wenn wir lange nicht fertig sind und wir das Versprechen einlösen, und dies auch in Zukunft einlösen wollen, alle fünf Jahre zu überprüfen und wenn nötig zu überarbeiten.

Mit der Bochumer Empfehlung, der Falkensteiner Empfehlung und mit der Rei-chenhaller Empfehlung haben wir sozusagen in Jahresschritten ein fundamen-tales Werk für die Atemwegserkrankungen, die als Berufskrankheiten in Frage kommen, abgeschlossen. Ich denke, wer alle drei Prozesse/ Empfehlungen mit-erlebt hat, der sieht auch darin ein abgerundetes Bild. Wir haben inzwischen, und Herr Dr. Raab hat mir das in einem Telefonat vor ein paar Monaten einmal gesagt, das hat mich sehr gefreut, den Eindruck, dass wir bis dato einen wirklich guten Stand erreicht haben. Wir haben einen Duktus und eine Marke etablier; mit der Empfehlung, und dies gilt auch für andere Berufskrankheiten, z. B. bei dem letzten Kolloquium in der UKB in Berlin zur der Königsteiner Empfehlung zu der Lernberufskrankheit.

Was bezwecken Begutachtungsempfehlungen? Ich denke, das ist allen klar, ich möchte es nur noch einmal ganz kurz zusammenfassen: Wir wollen die aktuellen und gesicherten Grundlagen zusammenstellen, um eine zutreffende und gleich-mäßige Begutachtung zu gewährleisten. Wir wollen das, was im wissenschaft-lichen Konsens gesagt werden kann, herausarbeiten, gegebenenfalls offene Fra-

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gen für die weitere Forschung in der Wissenschaft herausarbeiten.

Zudem richten sich die Empfehlungen primär an die Gutachter, aber auch an die Unfallversicherungsträger, mit den dort Beschäftigten in der Sachbearbeitung. Im Weiteren richten sich die Empfehlungen aber natürlich an die Versicherten und die Gerichtsbarkeit. Für die Versicherten dient eine solche Empfehlung als Orientie-rung. Vielleicht kann man da noch etwas tun, wenn es Versicherte lesen sollen. Vielleicht sollte man das eine oder andere „Fachchinesisch“ herausnehmen und das eine oder andere Wort durch deutsche Begriffe ersetzen. Und für die Ge-richtsbarkeit bei der Überprüfung zur Verfügung stehenden Verfahren ebenfalls. Wir orientieren uns, Sie werden es gesehen haben, in den einleitenden Seiten der Empfehlung, an den Eckpunkten, welches uns das BSG mitgibt. Hier spiegelt sich das, was ich bereits erwähnte, nämlich einen Konsens heraus zu arbeiten, im Sinne dessen, was das BSG im Jahre 2006 gesagt hat. Relevant ist das, was von der Mehrheit der Fachgesellschaft anerkannt wird, einzelne Gegenstimmen wird es immer geben, aber die sind für eine Konsensfindung letzten Endes nicht so relevant.

Ich denke, auch das kann ich ganz kurz machen, Herr Dr. Raab hat dies in viel eindrücklicheren Worten gerade gesagt, wir haben unsere Grundsätze der DGUV niedergelegt und jeder kann sie nachlesen. Daran halten wir uns. Dementspre-chend war auch der Ehrgeiz, entsprechend dem Konsensprinzip, der in unseren Empfehlungen verankert ist, wirklich Konsens zu erzielen. Ich glaube, es gibt zu-nächst keine offene Frage in den Entwurfsempfehlungen.

Wir können der verantwortlichen Arbeitsgruppe Hinweise aus der Veranstaltung geben, die gegebenenfalls dann noch einmal in einer letzten Sitzung abgearbeitet werden, und dann geht es an die Präsidien der Fachgesellschaften und an unsere Ausschüsse. Wobei ich sagen kann, unser Vorstandsausschuss hat, wenn sich jetzt in dieser Veranstaltung nichts Wesentliches ändert, vergangene Woche sei-ne Zustimmung zur Veröffentlichung gegeben. Unser Vorstandsausschuss nimmt nicht inhaltlich Stellung bzw. beschließt nicht inhaltlich, sondern sagt, dies ist Sa-che der Fachleute, und wir können nur überprüfen:

Ist das Verfahren eingehalten worden? Gibt es Hinweise, die aus der Sachkunde unserer Selbstverwaltung, also Versicherten- und Arbeitgeberseite, berücksichtigt werden können? In diesem Fall gab es das nicht. Auch das zeigt, dass hier gute Arbeit geleistet wurde und wenige Fragen offen geblieben sind. Bei anderen Emp-fehlungen sind da durchaus auch schon Hinweise gegeben worden. Wenn das Verfahren abgeschlossen ist, werden wir die Empfehlungen publizieren und nach

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den fünf Jahren sehen, bzw. im Laufe der fünf Jahre sehen, ob es Änderungs-hinweise/ Verbesserungshinweise gibt. Mit den jetzigen Empfehlungen haben wir eine Struktur erreicht, die vom Grundsatz her stehen dürfte. Und damit darf ich an Frau Palfner weitergeben.

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Stefanie PalfnerDeutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Berlin

Vielen Dank meine Damen und Herren, dass Sie so zahlreich erschienen sind, ich bin doch sehr beeindruckt. Wenn man vorne sitzt, in der ersten Reihe, hat man nur Herr Köhler vor sich. Aber die geballte Kompetenz und vor allem das große In-teresse, das ist ein guter Lohn für die Arbeit, die wir hier in den vergangenen Jah-ren reingesteckt haben. Ich mag die Zahl nicht sagen, wie häufig wir uns getroffen haben, das lag aber im zweistelligen Bereich, auch ich habe zweimal gepatzt, einmal war ich krank, das andere Mal hatte ich eine Veranstaltung. Ich glaube, es gibt keinen, der es geschafft hat, immer dabei zu sein. Herr Heger war schon nahe dran, aber einmal hat es halt nicht geklappt.

Ein Blick heute Morgen noch einmal in die gesammelten Emails zeigten, es waren jenseits der 500, die gewechselt haben und daran sehen Sie, wie intensiv hier diskutiert wurde und wie stark wirklich versucht worden ist, das Ganze zu einem runden Papier zu machen und auch um den Konsens gearbeitet worden ist. Ich weiß, Herr Köhler wird hinterher noch zu vielen Leuten etwas sagen, da brauche ich die Vertreter der DGAUM und EP, die hier mitgewirkt haben, nicht noch einmal alle zu nennen. Was ich aber unbedingt tun möchte, ist die anderen zu nennen, die mitgewirkt haben. Sie werden sie im Laufe des Tages dann hoffentlich auch noch einmal hören.

Einführung - Abschnitt 2

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Für den Bund der Pneumologen hat Herr Dr. Deimling mitgewirkt, für die Deutsche Gesellschaft für Deutsche Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirur-gie, hat Herr Prof. Enzmann mitgewirkt. Und Herr Dr. Heger wirkte für den Verband Vereinigung Deutscher Staatlicher Gewerbeärzte mit. Medizinische Kompetenz von den UV-Trägern waren Herr Merk und die beiden Chefärzte der Kliniken, Frau Kotschy-Lang und Herr Dr. Raab. Was auch immer wichtig ist, die Praxisseite zu erwähnen. Die Verwaltung der Hauptbetroffenen, wie Herr Eger, die BGN aus dem Bereich Holz und Metall, die BGW und die BGRCI haben mitgewirkt und gibt es immer noch die, die leicht vergessen werden und die ganz viele Fälle haben, das sind die Landwirte mit dem landwirtschaftlichen Spitzenverband. Auch die haben mitgewirkt und sich beteiligt.

Wir sind jetzt bei vielen Wiederholungen, deshalb möchte ich es an dieser Stelle kurz machen. Lesen können sie ja selber, deshalb erzähle ich Ihnen etwas An-deres. Wesentlicher Punkt, der hier auch genannt ist, ist die Umstrukturierung. Wir haben eine neue Gliederung, die das Wiederfinden der relevanten Informationen erleichtert. Wenn jetzt die Väter der vorherigen Fassung Sorge haben, dass wir alles umgeschmissen haben und gesagt haben: „Obstruktive Atemwegserkran-kungen gehen ganz anders“, das haben wir nicht gemacht. Was wir gemacht haben, ist eine andere Fassung zu generieren. Wir haben beim Selber lesen fest-gestellt, wenn man etwas sucht, dass man sich fragt: Wo war denn das noch? Wo waren die rechtlichen Punkte, wo war das Medizinische, was mich interessiert hat? Und es gibt eine neue Gliederung. Die äußere Form derer ist das Augenfäl-ligste.

Wir haben für die Begutachtung rechtliche Formen gebündelt und voran gestellt; wir haben einen medizinischen Teil mit Krankheitsbild und Diagnostik, wir haben ein Herzstück: Bewertung. Um diese wurde sehr gerungen. Was ganz wichtig ist, wir reden an dieser Stelle über zwei Berufskrankheiten mit Aufgabenzwang. Das bedeutet natürlich auch, dass man sich bei den Hinweisen zu Paragraph 3 nicht lapidar, „wäre ganz nett, wenn die Arbeitsplätze besser würden“, seine Ausfüh-rungen beenden kann, sondern an der Stelle etwas mehr in Detail gehen muss. Wichtig ist, wir habe keine Bewertung der Präventionsprogramme vorgenommen, wir reden über eine Begutachtungsempfehlung. Das Wesentliche ist, dass wir bestimmen: Was gilt für die Krankheit. Wir machen keine Messung, welches Prä-ventionsprogramm wie gut ist und für welchen Einzelfall sie passt.

Die fachlichen Details werden dann gleich die beiden anderen Damen ausführen. Ich möchte dies noch einmal kurz betonen, drei Damen in einer Reihe, nachei-nander weg, dass sie das auch aushalten. Dies zeigt, dass die Unfallversicherung,

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zumindest was das Genderproblem angeht, auf einem guten Weg ist.

Der nächste Punkt betrifft die Fachdiskussion, darum sind wir heute hier. Es ist doch noch einmal ganz wichtig zu sagen, wir machen heute den Abschluss. Herr Dr. Kranig hat es bereits erwähnt, wir werden aufgreifen, was Sie hier heute sa-gen und uns danach in der Arbeitsgruppe noch einmal abstimmen. Und dann, wenn wir alles haben, machen wir die Gutachteraufträge. Dies hat vielleicht der Eine oder Andere in dem Papier vermisst. Ein Mustergutachtenauftrag, den kann man erst konzipieren, wenn man sich am Ende ganz sicher ist bei Allem. Man-che Fragestellungen und dessen Formulierungen hängen von der Stimmigkeit des Papiers ab. Abgesehen davon hätte uns die Bearbeitung ein kleines Zeitproblem beschert und vielleicht hätte es mit der letzten Sitzung am 21.09.11 nicht mehr gereicht, dies auch noch bis heute fertig zu haben.

Wie bedanken uns, dass wir dafür Zeit eingeräumt bekommen haben. Sie haben heute tatsächlich die Möglichkeit, mit ihren Beiträgen auf die Gestalt des Papiers noch einmal Einfluss zu nehmen. Damit wir nichts vergessen, werden alle Beiträge aufgezeichnet. Wir haben freundliche Mikrophone, die dann im Anschluss in der Diskussion das Gesagte festhalten. Dies führt dann auch dazu, dass wir alles nachvollziehen können, was gesagt worden ist, falls in der Hektik, in der Diskussi-on einmal ein Punkt unter den Tisch gefallen sein sollte, könnten wir das im Nach-gang alles noch nachfassen. Also bitte keine Scheu, wenn Sie etwas zu sagen haben, dann machen Sie das auch. Auch wenn Herr Köhler mich dann umbringt, was die Zeitschiene angeht. Einen Hinweis möchte ich noch geben: In manchen Dingen war es einfacher, Lösungen zu finden, in anderen Dingen schwieriger, viel-leicht gibt es auch Punkte, wo wir keinen Konsens herstellen konnten oder die wir gar nicht abbilden in der Empfehlung. Es liegt in der Natur der Sache dieser Veranstaltung, dass wir über die Mehrheit der Dinge, wo wir einen Konsens gefun-den haben, und da wo die Diskussion intern gut abgeschlossen wurde, nicht viel reden. Wir reden tatsächlich über die Sachen, die irgendwie kritischer waren. Mir ist noch ganz wichtig, dass bei Ihnen kein falscher Eindruck entsteht, wir haben intensiv gearbeitet, wir haben gerungen, wir haben gerungen um Formulierungen, um die richtigen Worte, nicht mit uns oder gegen uns, sondern ich denke, wir haben sehr konstruktiv gearbeitet. Und wenn es heute in der Diskussion etwas intensiver zugeht, dann betrifft das nicht das große Ganze, sondern zum Teil aus-gewählte Stellen. Mir wäre wichtig, dass sie den guten Gesamteindruck, den wir in der Arbeitsgruppe hatten, dass ich Ihnen den zumindest verbal mitgeben darf.

Die Frage ist: Von welcher Bedeutung reden wir? Die BK-Statistik des letzten Jahres. Wir reden hier über 3.728 Anzeigen, eins ist klar, die Fallzahl ist langfristig

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rückläufig, es gibt demnach einen positiven Trend. Da muss man sagen, Präventi-onsbemühungen zahlen sich aus. Unsere Arbeitsbedingungen sind nicht hundert Prozent sicher, aber sie sind deutlich besser geworden. Alleine, was ich in den letzten 15 Jahren gesehen habe, ist sehr, sehr signifikant und das ist sehr positiv. Wir brauchen nicht darüber streiten, ob eine BG nicht zahlt oder sich seltsam ver-hält. Die Zahl der Anzeigen, das ist das, was Ärzte zusteuern, das sind die Fälle, wo der Verdacht aufkommt, dass eine Berufskrankheit besteht.

Ich möchte deshalb noch einmal darauf hinweisen, weil die Auswirkungen die-ser Berufskrankheiten natürlich beträchtlich sind. Sie können sowohl medizinisch lebensbedrohend sein als auch sozial. Wenn ich meine Tätigkeit nicht mehr aus-üben kann, können sie mit einem starken Abstieg verbunden sein. Von daher ist klar, es steht bei jedem Einzelnen die Tätigkeit im Raum und eine verantwortungs-volle Beurteilung ist gefragt. In jedem Einzelfall und nicht nur von jedem Gutachter. Denn ich denke, um jemanden beurteilen zu können, ob dieser seinen/ ihren Beruf weiter ausüben kann oder nicht, gehören drei Sachen dazu:

Das eine ist, Sie müssen die Krankheit kennen, da sind die Ärzte die Experten, die wissen hoffentlich genau, was der Betroffene hat und wo sein Problem ist. Das zweite ist: Die Bedingungen am Arbeitsplatz, wer kennt die? Der Versicherte sagt, ich arbeite da mit Irgendetwas, ich weiß nicht genau wie, aber er weiß das. Der Unternehmer weiß das hoffentlich auch, oder zumindest sein Sicherheitsbeauf-tragter. Wir können Leute vor Ort hinschicken, dies sind die Präventionsdienste und das sind auch die, die zusammen mit den Arbeitgebern Veränderungsmög-lichkeiten beurteilen können. Wenn ich an dieser Stelle von einer weiteren Zu-kunft der Arbeitnehmer spreche, kann dieser im Beruf bleiben oder nicht, dann sollte diese Entscheidung auch gemeinsam mit dem Zusammenfügen all dieser Informationen getroffen werden. Die Erfahrung zeigt: Niedergelassene Praxen von Pneumologen, wissen heute gar nicht, was für Möglichkeiten es in der Prävention gibt.. Es ist sehr unterschiedlich, Wissen ist heterogen verteilt, bei den Ärzten, bei den Unfallversicherungsträgern, aber gemeinsam gibt es die besten Chancen, dies zu regeln. Von daher wünsche ich Ihnen heute einen interessanten Vormittag und dann hinterher hoffentlich eine angenehme und gute Diskussion.

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Reichenhaller Empfeh-

lung -

Was ist neu? Allgemeiner

Überblick

PD Dr. med. Astrid Heutelbeck Universitätsmedizin, Abteilung Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Göttingen

Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich sehr, dass sie so zahlreich er-schienen sind.

Vielen Dank Herr Köhler für die außerordentlich freundlichen Einleitungsworte. Ich stehe hier in erster Linie als Vertreterin der DGAOM und habe die große Freude ihnen die Aspekte, die aus medizinischer Sicht neu sind, an dieser Reichenhaller Empfehlung, in einem kurzen Überblick vorstellen zu dürfen. Dies mache ich in der Teilung mit der Frau Kollegin Preisser.

Meine Fokussierung liegt auf den diagnostischen Maßnahmen: also welche As-pekte sind erwähnenswert und könnten zur Diskussion stehen; Frau Preisser macht dann weiter mit der MdE Tabelle. Ich möchte einige Worte verlieren zum Aufbau und der Gliederung, dann komme ich zu den eigentlichen diagnostischen Maßnahmen und deren Wertigkeit im Rahmen der Kausalitätsbeurteilung. Dann werde ich darauf eingehen, was an Prognose und Maßnahmen nach Paragraph 3 für diesen Kontext des Reichenhaller Merkblattes erwähnenswert ist.

Ich möchte mit einigen Aspekten zum Aufbau und Gliederung beginnen, einige Aspekte möchte ich vertiefen. Zum einen die Vereinheitlichung; wir haben jetzt einen gleichen Aufbau, analog zu der Bochumer und Falkensteiner Empfehlung.

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Allen Kolleginnen und Kolleginnen, aber auch den Vertretern in den Unfallversiche-rungsträgern, Betroffenen und allen, die sich dafür interessieren, ist es sicherlich sehr erleichternd, sich in diesen Empfehlungen zurecht zu finden.

Die Handhabung, und das ist ein Aspekt der aus medizinischer Sicht zu ergänzen ist, ergibt sich zwangsläufig aus dem Aspekt des diagnostischen Fahrplans he-raus. Wie geht man also bei der Diagnostik von Patienten, die diese Beschwerden beklagen vor? Wie ist das allgemeine diagnostische Vorgehen? Wir gehen vom Allgemeinen zum Speziellen vor, dies werden sie im Aufbau der Reichenhaller Empfehlungen wiederfinden. Aktualisierung, wie bei jeder Überarbeitung, stand natürlich auch im Vordergrund. Es wurden auch die Änderungen, Multifikationen und neuen Erkenntnisse der relevanten zugrunde liegenden Leitlinien/ Positions-papiere oder Empfehlungen berücksichtigt. Wir haben an einer oder anderer Stel-le auch Reduktionen vorgenommen, also auf Dinge verzichtet, ich möchte ihnen auch später erläutern, warum. Wir haben auch versucht, zu integrieren, dass man immer wieder im wirklichen Leben zwischen verschiedenen Dingen abwägen muss. Deshalb haben wir entschieden eine Art diagnostisches Stufenverfahren in dieses Bad Reichenhaller Merkblatt zu integrieren.

Auf dieses Stufenverfahren möchte ich als ersten Punkt etwas näher eingehen: Wir haben zunächst die diagnostischen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung ste-hen vor Augen geführt und haben uns überlegt: Brauchen wir die wirklich immer alle? Wenn, nein, welche Dinge sind unbedingt unverzichtbar, um die Krankheits-erscheinungen eines Patienten, der mit bestimmten Beschwerden zu uns kommt, seriös einschätzen zu können. Deshalb haben wir diese Basisuntersuchungen aufgelistet und auch in diesem Reichenhaller Merkblatt so benannt. Wir haben natürlich eine Vielzahl darüber hinaus gehender Untersuchungen in der modernen Medizin zur Verfügung. Diese haben auch ihre Berechtigung, aber vielleicht nicht in jedem Fall. Um diese aber in ihrer Chance würdigen zu können, gibt es Dinge, die man im Sinne einer großzügigen Indikation, nicht gerade bei jeder 20-jährigen Friseurin, aber durchaus bei einem Großteil der Fälle, die wir hier sehen, wie bei-spielsweise die Diffusionskapazitätsmessung.

Wir haben auch diagnostische Möglichkeiten, wo man im Einzelfall entscheiden muss, da ist vielleicht die Basisdiagnostik nicht aussagekräftig genug, so dass ich dann andere Dinge anschließen muss; ergänzende Informationen zu haben, um Informationen abzusichern. Wir haben von Frau Palfner gehört, dass die Erkran-kungen mit der Aufgabe der Tätigkeit bei Anerkennung verbunden sind. Da sollte man sich schon die Zeit und auch die Gelegenheit nehmen, diese Erkrankung wirklich abzusichern und möglicherweise einen Bestätigungstest dem Patienten

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zu gönnen.

Wir haben aber auch diagnostische Maßnahmen, die man besonders ausführlich begründen muss und nicht bei jedem Patienten machen sollte. Das sind beispiels-weise die Computertomographie der Lunge bzw. neuere diagnostische Maßnah-men, die ihre Wertigkeit haben, aber nicht in jedem Fall notwendig sind. Dazu gehören sicherlich die Eosinophilenzahl im Sputum bzw. Messung des exhalativen Stickoxids. Dann gibt es die Gruppe der diagnostischen Maßnahmen die natürlich ganz spezifisch und die nur im begründeten Einzelfall zur Anwendung kommen sollten. Wie beispielsweise Immunboblot-Untersuchungen, oder Inhibitionstest oder andere Maßnahmen des Biomonitorings.

Ich möchte mit einem Punkt im diagnostischen Procedere beginnen, den wir auf den ersten Blick reduziert haben, nämlich die Anamnese. Sie ist nicht reduziert worden aus minderer Wertschätzung, sondern auch um ihn zu stärken, um den Gutachter mit seiner spezifischen Expertise, die Möglichkeit zu geben nicht im Zwang eines Fragebogens, sondern in seiner freien Expertise, seine anamne-stische Erfassung dieses Krankheitsbildes bei dem Patienten durchführen zu kön-nen. Das ist nicht nur ein Tunnelblick auf den Arbeitsplatz, sondern er sollte unter Berücksichtigung aller Aspekte des Patienten betreffend, durchgeführt werden. Also unter Berücksichtigung der anamnestischen Erfassung aller Erkrankungen, der sozialen, familiären Umstände und auch der Medikamente, die der Patient einnehmen muss. Es geht uns darum, und deshalb haben wir dies auch noch einmal separat erwähnt, die Art und Entwicklung der Erkrankungen zu erfassen, jenes zu erfassen, was auch an tatsächlich ausgeübter Tätigkeit in seinem beruf-lichen Leben zur aktuellen oder früheren Expositionen geführt hat. Sie wissen alle aus ihrer langjährigen Erfahrung, dass das bisweilen diskrepant sein kann zu den Dingen die dann geschrieben in der Akte stehen. Deshalb ist es eine ganz wich-tige ärztliche Aufgabe des Gutachters, sich das Alles noch einmal vom Patienten selbst erzählen zu lassen, um dies miteinander abzugleichen.

Ein ganz besonderer wichtiger Punkt der Anamnese, möchte ich hier an dieser Stelle auch noch einmal betonen, ist die sog. Expositionskongruenz der Be-schwerden. D. h., wie bringe ich im Einzelfall, die Expostionkongruenz aus, so dass die Übereinstimmung der Beschwerden am Arbeitsplatz in Expostion zu den angeschuldigten Substanzen aussieht. Wie kann ich die abbilden und für meine gutachterliche Entscheidung in die Überlegungen miteinbeziehen? Dazu gehören auch Dinge wie die Karenz- und Reexpostionsbeziehungen. Also gab es Pausen und war es in diesen Pausen besser, und wurde es bei Wiederaufnahme wieder

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verschlechtert, was die Glaubhaftigkeit des Patienten unterstützen dürfte. Es geht dabei nicht nur um einen Tunnelblick des Arbeitsplatzes selbst.

Es gibt viele Branchen, dazu gehört nicht nur die Landwirtschaft, sondern denken sie an die Bäcker oder andere, wo auch das häusliche Umfeld, also jenes, was der Patient möglicherweise an verschleppten Dingen in seinem häuslichen Umfeld hat, durchaus eine Rolle spielen kann für das Erkrankungsbild und deshalb sollte dies auch in der Anamnese entsprechend gewürdigt und abgebildet werden.

Ich möchte auch auf einige diagnostische Punkte eingehen, zum einen auf die bronchiale Hyperreagiblität. Das sind Nachweisverfahren, die die Asthmatypische Entzündung der Atemwege abbilden. An dieser Stelle haben wir die in den Rei-chenhaller Empfehlungen abgebildeten Dinge an den Stand der Wissenschaft angepasst. Dies betraf sowohl die anzuwendende Methode, die dann explizit genannt wurde, als auch die empfohlene Substanz: das Methacholin, nicht aus fehlender Akzeptanz, die langjährig von Kollegen verwandt wurden, wie Hista-mine, Carbachol oder Acetylcholin, sondern weil derzeit in Deutschland nur Kits/Substanzen mit Methacholin zugelassen sind. Deshalb wollten wir unseren Gut-achterpatienten nur diese als empfohlene Substanz zukommen lassen. Ein ganz wichtiger Aspekt, deshalb ist dieser auch noch einmal explizit erwähnt, ist die ärztliche Pflicht, über Dinge, die man mit de Patienten veranstaltet, über diagnos-tische Maßnahmen aufzuklären. Ihn auch bei Methacholintest darauf hinzuweisen, dass Luftnot auftreten kann und sich dafür auch die schriftliche Einverständniser-klärung einzuholen. Ansonsten haben wir die sog. Positivkriterien, also wann der Methacholintest auch als positiver Test gelten kann, angeglichen an die bereits vorliegenden Veröffentlichungen der Fachgesellschaften. Neu und erwähnt in den Reichenhaller Empfehlungen ist , dass der Methacholintest in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung zum Monitoring als Effektparameter eines bronchialen Provokationstestes gewonnen hat, dies sei nur am Rande erwähnt.

Ein zweites diagnostisches Instrument, ist die Eosinophilenzahl im indozierten Sputum, dies ist eine Methode, die nicht invasiv ist. Der Patient bekommt eine Reizlösung. Danach kann er Sputum abgeben, den man dann analysieren kann. Er muss sonst weiter keine chemischen Substanzen inhalieren. Man kann aus der Analyse dieses induzierten Sputums mit dem Auszählen der Eosinophilen, Rückschlüsse auf die Entzündung schließen. Diese ist umgekehrt proportional zu einem bekannten Effektparameter, dem FFH1 des Einsekundenwertes. Wir sehen derzeit auch die wissenschaftliche Grundlage in diesem Kontext. Die Messung der Eosinophilenzahlen sehen wir im Begutachtungskontext als soweit abgesi-

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chert an. Dies zeigt eine Arbeit, die die Eosinophilenzahl nach einer Provokation mit Isozyanaten bei den Respondern, denjenigen, die auch eine klinische Reak-tion auf Isozyanate haben, sehr schön. Viele kennen auch die Spätreaktion bei dem die Isozyanate weiterhin ansteigen. Dies bildet sich sehr schön ab zu den Patienten, die keinerlei Reaktion auf Isozyanate haben. Also ein nicht invasiver Parameter, Dinge für den Patienten zu sichern.

Ein weiteres diagnostisches Instrument, was in den letzten Jahren zunehmend in den ärztlichen Fokus gelangt ist, ist das Stickstoffmonoxid (eNO) in der Aus-atemluft. Auch dies ist für den Patienten eine nicht invasive Methode und daher relativ simpel. Er atmet über ein Gerät und dann wird ein Wert angezeigt, der in der Regel zwischen 10 und 20 liegt. Nach internationalen Empfehlungen ist der derzeitige Kenntnisstand soweit gesichert, dass man sagen kann, auch dieser Atemparameter bildet diese asthmatypische eosinophile Entzündung ab und ist daher geeignet beim Einsatz von Asthma Bronchiale. Diese Methode zeigt: Wie ist der Verlauf der Erkrankung? Gibt es eine prognostisch Verschlechterung oder gibt es Hinweise, dass eine Reaktion derzeit abläuft? Wie sind die Verlaufskontrollen

Diagnostische Methoden - Eosinophilenzahl im induzierten Sputum -

Sputum Eosinophile [%] vor und nach Provokation mit Isozyanaten

p=0.02

p=0.01

p=0.8

p=0.001

0,1

1,0

10,0

100,0

% E

osi

no

ph

ils

Responder (n=12) Non-responder (n=51) Controls (n=10)

before 30 min after 19 h after challenge test with diisocyanates

p<0.0001 p<0.0001

Professor Rolf Merget, IPA Bochum, persönliche Mitteilung

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von Experimenten von Funktionen? Daher ist diese nicht invasive Methode vom derzeitigen Kenntnisstand bestens geeignet und deshalb in den Reichenhaller Empfehlungen zu finden. Eine weitere Abbildung aus dem Arbeitsmedizinischen Kontext zeigt, am Beispiel der Isozyanate, dass auch an dieser Stelle die positve Antwort, sich sehr gut über den Parameter eNO abbilden lassen. Das ist für die Fälle die nicht durch die klassischen Methoden zu sichern ist, ein gutes Hilfsmittel. Dies zeigt sich an einem Beisipiel von dem Kollegen Mergit:

Eine symptomatische Bäckereifachverkäuferin, die immer wieder reproduzierbar von Beschwerden berichtet hat, auch im Hinblick auf die Besserung in der arbeits-freien Zeit und dem Wiedereinsetzen der Beschwerden nach Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit. Der 1-Sekundenwert der Lungenfunktion war nicht richtig auffällig. Dennoch sieht man sehr schön, wenn man ergänzend dagegen setzt, die Ergeb-nisse der eNO-Messung. Sie sehen, die Arbeitswoche – mit blau unterlegt – mit den Wochenenden dazwischen. Sie sehen einen eNO Anstieg mit zunehmender asthmatischer Entzündung über den Wochenverlauf, einen deutlichen Abfall in der arbeitsfreien Zeit, mit Karenz der auslösenden Stoffe, und mit einem reproduzier-baren Anstieg in der Arbeitszeit

Diagnostische Methoden

- Stickstoffmonoxid in der Ausatemluft (eNO) - -eNO vor und nach Provokation mit Isozyanaten

Barbinova et al., Int Arch Occup Environ Health 2006; 79: 387-395

Persönliche Mitteilung Professor Rolf Merget, IPA Bochum

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Dieses Beispiel zeigt, dass die FFH1 nicht ausreicht und die genannte Methode zusätzlich zur Anamnese plausible Ergebnisse liefert. Die diagnostische Lücke kann also durch die eNO geschlossen werden.

Wir kommen nun zum Bereich der Sicherung der Sensibilisierung beim aller-gischen Asthma. Klassischerweise wird dies in erster Linie mit kommerziell zur Verfügungen stehen Verfahren wie Hauttest oder mit serologischen Verfahren un-tersucht. Dabei gibt es aber immer wieder Fälle in der Landwirtschaft, insbeson-dere den dort stattfindenden Tierhaarsensibilisierungen, wo wir im-plausibel zur Anamnese, negative Ergebnisse im Hauttest sehen, obwohl der Patient berichtet: „Immer wenn ich das mache, bekomme ich Quaddeln Luftnot etc..“ Mittlerweile gibt es Verfahren, die das Blut des Patienten nicht nur mit kommerziellen Ver-fahren untersuchen können, sondern mit Verfahren, die die eigenen Substanzen, Tierhaare oder andere angeschuldigte Stoffe, untersuchen, ob doch Hinweise ei-ner möglichen Sensibilisierung vorhanden sind.

Die Konstellation zum seltenen und begründeten Einsatz eines solchen Verfahrens wäre, wenn der begründete Verdacht vorläge, dass der Hauttest oder das serolo-

Diagnostische Methoden - Messung des Stickstoffmonooxid in der Ausatemluft (FeNO) –

eNO-Verlauf bei symptomatischer Bäckereifachverkäuferin

Woche 04

.08

.11

04

.07

.11

2te 3te 4te 1te

= Arbeit

= „mit Mehl“

eN

O [

pp

b]

110

20

100

90

70

60

50

40

30

80

Persönliche Mitteilung Professor Rolf Merget, IPA Bochum

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gischen Verfahren, also die kommerziellen Kits, im Einzelfall nicht aussagekräftig sind, d.h. divergent zur Anamnese sind und eine vermutete berufsbedingte Sensi-bilisierung aufdecken würden. Dann können die genannten alternativen Verfahren heran gezogen werden. Beispielsweise ein Bluttest auf Allergien. Hierbei wird das Blut des Patienten untersucht. Es wird ein Arbeitsstoff aufgearbeitet, durch wel-chen man dann Hinweise bekommt, ob nicht doch spezifische Antikörper gegen die verdächtigen Stoffe vorliegen.

Ein weiterer Test ist der sog. Inhibitionstest. Auch bei diesem gibt es vereinzelt Fragestellungen im gutachterlichen Verfahren, die vorstellbar sind und auch re-präsentativ sind, so dass wir uns entschlossen haben, den Test mit in die Rei-chenhaller Empfehlungen aufzunehmen. Bei Fragenstellungen nach möglichen Kreuzreagibilitäten wäre diese hilfreich. Wir kennen diese Kreuzregibilitäten im Kontext Milben- und Mehlstaubsensibilisierung, aber auch bei Hausstaub- und Vorratsmilbensensibilisierungen Das Procedere wäre dann, einen Inhibitionstest durchzuführen, um zu schauen, ob es Kreuzreagibilitäten gibt. Was nichts an-deres heißt, als dass gegen Einweißstoffe des Allergens, wie z.B. sowohl bei der Hausstaub- als auch bei der Vorratsmilbe, Reaktionen des Patienten vorliegen können. Noch einmal Abbildungen vom Kollegen Mergitt:

Solid phase: wheat flour

Inhibitor [µg] 0.1 1 10 100

kU/l

0

1

2

3

4

grass pollen rye flour wheat flour

Solid phase: rye flour

Inhibitor [µg] 0.1 1 10 100

kU/l

0.0

0.5

1.0

1.5

2.0

2.5

kU/l

Solid phase: grass pollen

Inhibitor [µg] 0.1 1 10 100

0.0

0.5

1.0

1.5

2.0

Diagnostische Methoden - Sonstige immunologische Tests: Inhibitionstests –

Inhibition bei einem Bäcker (Beispiel 1)

Persönliche Mitteilung Professor Rolf Merget, IPA Bochum

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Ihr Augenmerk sollte auf den„Rot bepfeilerten“ Bilder liegen. Die Bilder zeigen, wenn sie ein Inhibitionstest durchführen, ob es gemeinsame Eiweißstoffe zwi-schen Mehlstaub und Gräsern gibt. Im folgenden dann einen Bäcker, der keine gemeinsamen Eiweißstoffe hat und dessen Reaktion dann ausbleibt. Hingegen in dieser Grafik ein Kanditat, der übereinstimmend mit den Pollen selber, Reaktionen durch die Mehle zeigt.

Gutachterlicherseits hat dies durchaus einen Charme, weil letztendlich, der Blick über den eigentlichen Arbeitsplatz hinaus geht, dass auch allergene Substanzen aus der allgemeinen Umwelt, wie z.B. die Pollen eine Reaktion bei dem Bäcker hervorrufen können. Letztendlich bietet dieses Verfahren die Chance, anzuglei-chen, ob möglicherweise aus präventionsmedizinischer Sicht, Maßnahmen aus-geweitet werden müssen. Für den klinischen Benefit des Bäckers, geht es über die Mehstauballergie hinaus, da er auch durch die Graspollen in seinem Asthma mit geträgert würde. Das sind Dinge, die wir für die mögliche Ableitung aus Pa-ragraph 3, Maßnahmen für Patienten, abgesichert ins Kalkül gezogen werden können.

kU/l

Inhibitor [µg] 0.1 1 10 100

0

1

2

3

4

5

6

7 grass pollen rye flour

Solid phase: rye flour

Inhibitor [µg] 0.1 1 10 100

kU/l

0

1

2

3

4 Solid phase: wheat flour

grass pollen wheat flour

kU/l

Inhibitor [µg] 0.1 1 10 100

0

1

2

3

4

5 Solid phase: grass pollen

grass pollen rye flour wheat flour

Diagnostische Methoden - Sonstige immunologische Tests: Inhibitionstests –

Inhibition bei einem Bäcker (Beispiel 2)

Persönliche Mitteilung Professor Rolf Merget, IPA Bochum

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Es ist sicherlich nicht möglich die komplexen Diskussionen, die wir geführt haben abzubilden. Dennoch möchte ich einige Dinge herausstellen: Beginnend mit den Kausalitätsbeurteilungen mit belastenden Allergenen, die von verschiedenen BK-Nummern und dem Hintergrund der Kausalitätsbeurteilung zu sehen sind.

Bei den Allergenen, und das ist auch Konsens in der Allergologie/ wissenschaft-lichen Allergologie, ist eine Verknüpfung der allergischen Reaktionen mit arbeits-platzbezogenen Reaktionen obligat einzubeziehen, um die Kausalität im Sinne des BK Rechtes zu sichern. Dies ist zum einen durch die Relevanz der Anamnese in diesem Zusammenhang zu sichern. Zum anderen aber auch durch die immuno-logischen, allergologischen Untersuchungen. Wir haben einen hohen prädiktiven Wert einer eindeutigen Sensilbilisierung. Dies sieht man an Untersuchungen, die von Bochumer Kollegen durchgeführt wurden. Höher sensibilisierte Patienten, wie z.B. Bäcker wurden durch einen klinischen Provokationstest auf ihre aktuelle Sen-sibilität validiert. Wir können davon ausgehen, dass in diesem Begutachtungsfall kein zusätzlicher Provokationstest Sinne des BK Rechtes durchzuführen ist, um Kausalität nachzuweisen. Dagegen stehen die Erfahrungen, die der eine oder an-dere Gutachter mit der BG in Einzelfällen gemacht hat. Wenn z.b. ein Gutachten durchdekliniert zum Unfallträger geht, als Beispiel:

Eine Friseurin mit symptomatischer Atemwegserkrankung. Unter Berufsaufgabe beschwerdefrei mit deutlicher Sensibilisierung. Trotzdem wird gefordert, sowohl vom beratenden Arzt als auch von der BG, dass eine Provokation trotz alledem durchzuführen sei. So halten wir vor dem aktuellen und aktualisierten wissen-schaftlichen Kenntnisstand, den hohen prädiktiven Wert für höhere Sensibilisie-rung nicht für notwendig und nicht begründbar.

Daher ist in die Reichenhaller Empfehlung eingeflossen, dass wir uns immer wie-der als Ärzte und Unfallgebende Versicherungsträger vor Augen führen müssen, dass jede inhalative Testung eine nicht duldungspflichtige Maßnahme ist, der ausdrücklichen der Zustimmung des Versicherten bedarf. Und wir müssen uns fragen, ob die diagnostische Aussage, nicht auch ohne Provokation wirklich zu sichern ist.

Das beschriebene probate Mittel ist, am originären Arbeitsplatz des Patienten selber zu untersuchen und nicht im Labor nachzustellen. So haben wir in den Reichenhaller Empfehlungen eine Dreiteilung an Möglichkeiten zu dieser Kausa-litätsbeurteilung generiert. Zu einen das Monitoring am Arbeitsplatz selbst, über serielle Peak-Flow Messungen oder Minispirometer.

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Dann die klassischen Provokationstests mit wässrigen Substanzen von verdäch-tigten Arbeitsstoffen, die wir identifiziert haben, beispielsweise im Hauttest bis hin zu den Simulationen der Arbeitsbedingungen im Labor. Ein Sonderfall stellt dort AIT dar, die Ganzkörperexposition. Da haben wir uns geeinigt, einige Präzisie-rungen der Vokationsbedingungen, und Bewertungsbedingunegn in die Reichen-haller Empfehlungen zu integrieren, z. B. bei der Effektmessung, wo wir Body- und Spiromessung erwähnt haben. Beim nasalen Widerstand, spielt nicht nur der rhinomanometrische Widerstand sondern auch die Klinik eine Rolle, sie ist für die Beurteilung der Positivität eines nasalen Provokationstests zu beachten. Sie wissen dies ist von Bedeutung von der BK 4301.

Es gibt abweichende Beurteilungen bei Belastung mit chemisch-irritativen oder toxisch wirkenden Substanzen, die Bewertung erfolgt auf den dargelegten Kennt-nisse der Präventionsdienste. Der konkreten Messwerte, den räumlichen Bedin-gungen, bis hin zu den Mischformen, also den Belastungen mit komplexen Mi-schungen. Auch heute klagen Patienten über Arbeitsplatzbedingungen, bei denen der Präventionsdienst auch nicht klären konnte, welche Mischungen vorlagen. Auch hier ist die Untersuchung am Arbeitsplatz selbst , mit dem Monitoring, die wenig invasivste und aussagekräftigste Methode im Sinne des Patienten, als auch

Ferrazoni et al. 2009

Kausalitätsbeurteilung

Beispiel: Zeitwirkungskurve von eNO bei Isocyanatprovokationen

PD Dr. Heutelbeck Bad Reichenhall 15.10.2011

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hinsichtlich der Aussage, die zu erwarten ist. Damit können gute Ergebnisse im gutachterlichen Verfahren erlangt werden.

Was kann uns unter §3 begegnen und sollte uns begegnen? Einige Dinge wurden überarbeitet. Aus ärztlicher Sicht gibt es Vieles was bekannt ist. Es soll geprüft werden, ob es Ersatzstoffe u. ä. gibt; Stellungnahme des Präventionsdienstes; als aber auch das Votum des ärztlichen Gutachters sind sinnhaft. In jedem Fall sollte eine Expostion der Reduktion am Arbeitsplatz ein Benefit für die Lunge sein, dies ist der Paramater der uns interessieren sollte, nicht nur das technisch machbare ist mit dem Benefit des Versicherten verbunden. Jegliches Insistieren oder jegliche Verbesserung, welches die Krankheitsfolgen betrifft, ist aus medi-zinischer Sicht zu betonen. Beispielsweise der Arbeitsschutz, ganz gleich was nach aktuellem Kenntnisstand durchgeführt wird, ist in seiner Effektivität durch klinische Parameter, z.b. im Rahmen von Nachbegutachtungen oder anderen Un-tersuchungen zu überprüfen. Man untersucht, ob die getroffenen Maßnahmen im Hinblick auf die Atemwege effektiv sind oder ob über andere Maßnahmen nach-gedacht werden muss.

Es gibt in der wissenschaftlichen Literatur nämlich letztendlich Untersuchungen, die für alles sprechen, Krankheitsverläufe mit günstiger Prognose, wenn man die technischen Maßnahmen ausnutzt, bis hin zur persistierender Symptomatik unter Expositionskarenz. Das gleiche gilt für Minderung der Exposition. Sie sehen gute Verläufe und Verläufe die überhaupt keine Besserung zeigen. Also gilt aus med-zinischer Sicht das Credo zu sagen, wir brauchen unbedingt das Monitoring der Lungenfunktion in der Überprüfung dieser Maßnahmen, dies gilt sowohl im Hin-blick auf Ersatzstoffe, z.B. Austausch von Handschuhen, beispielsweise Latex, als auch für den Atemschutz, wo wir deutlich Verläufe eine Besserung im Peak-Flow erkennen können: Minderung der Amplitude als auch überhaupt Besserung der Werte. Wir sehen aber auch beim Atemschutz, Verläufe die keine Besserung zei-gen. Die unverändert im Peak-Flow-Protokoll deutliche Schwankungen in der Ta-geszeit oder auch Abfälle zeigen und andere Kandidaten, die besser werden. Folie

Wir haben die gesamt Spanne maßgeblich durch das Individuum, des dahinter stehenden Patienten abgebildet und möchten diese Dinge in der gutachterlichen Bewertung berücksichtigt sehen.

Ebenso gilt es wie der Patient beim Unfallversicherungsträger gemeldet wird. Wir haben hier in einigen Branchen Patienten die sehr hoch von Obstruktion betrof-fen sind, in anderen haben wir Erkrankungen, die sich auf die oberen Atemwege

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beschränken. Wir haben bei einem wichtigen Aspekt der Rehabilitation gesagt, im Grunde sind wir schon lange auf der richtigen Spur, haben Leitlinien und Stan-dards, die wir umsetzen, sehen aber, dass unsere medizinische Rehabilitation bei den Atemwegen eigentlich bei Patienten in einem fortgeschrittenen Erwachse-nenalter zum Rentenalter hin an gedeiht.

Wenn man aber die Altersverteilung von Erkrankten am Beispiel meiner Rinder sieht, die haben bereits einen Erkrankungsgipfel im jungen Erwachsenenalter. Wenn diese älter werden, haben sie auch MdE- relevante Einschränkungen. Eine sehr schöne Grafik von dem Kollegen Raab zeigt dies: Man sieht, dass auch hier in der Klinik für Berufskrankheiten, wo also wirklich nur Patienten mit Berufskrank-heiten sind, das Alter der Patienten sowohl bei BK 4301 als auch 4302, deutlich höher ist als das, was wir beispielsweise in der Landwirtschaft haben und das ist sicherlich kein Einzelfall, Patienten stehen am Beginn ihrer Berufskrankheitenkar-riere.

Therapie- und Rehabilitationsmaßnahmen (Kapitel 6)

Beispiel für Altersverteilung anerkannter BK Fälle (4301 durch Rinderallergen)

MdE < 20 % MdE >= 20%

PD Dr. Heutelbeck Bad Reichenhall 15.10.2011

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Unser Anliegen ist es, das Instrument der Rehabilitation, sowohl im Sinne der Versicherten als auch unter wirtschaftlichen Erwägungen für die BG, sinnhaft an-zuwenden, wenn zu einem früheren Zeitpunkt der Erkrankung in einem interdis-ziplinären Setting, sowohl unter Berücksichtigung arbeitstechnischer aber auch medizinischer Möglichkeiten bis hin zu einer früheren Erkennung diese Dinge zur Anwendung kommen würden.

Wir haben versucht dies im Reichenhaller Merkblatt abzubilden. Ich wünsche mir heute und auch in den kommenden Jahren eine rege Diskussion in diesen Punk-ten. Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.

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Reichenhaller Empfeh-

lung -

Was ist neu? MdE-Tabelle

Dr. med. Alexandra PreisserZentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin Hamburg

Vielen Dank für die wirklich sehr freundliche Einführung, vielen Dank an Herr Raab für die nette Einladung. Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte Ihnen nun, unsere Konzepte zur MdE-Tabelle und zur MdE Bewertung insgesamt vorstellen, die wir im Konsens gefunden haben. Die MdE Bewertung erfolgt anhand eines MdE Vorschlages durch ärztlichen Gutachter, so steht es auch im Papier, durch eine Schätzung, aber auch nach allgemeinen Erfahrungs-sätzen und die Reichenhaller Empfehlungen stellen einen solchen Erfahrungssatz dar.

Die Bewertung ist immer eine Bewertung, auf die Berufskrankheit zurückzufüh-renden Funktionseinschränkungen, dies haben wir versucht in der MdE-Tabelle darzustellen. Indem man dort einsortieren kann, wie stark die Funktionseinschrän-kungen sind, wie stark wirken die sich aus auf die MdE aus. Aber auch durch die hier verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gebiet des Erwerbslebens, und das sind besondere Konstellationen, wie nur eine z.B. Rhinitis, die inzwischen keine Einschränkung mehr ist, auf solche Dinge möchte im Laufe des Vortrages eingehen.

Zunächst gab es eine rege Diskussion auch bei uns, dass wir hier bei den Berufs-krankheiten, eigentlich zwei Krankheitsbilder haben: zum einen das allergische

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Asthma bronchiale und dann die COPD der BK 4302, aber wir haben nur eine Bewertungstabelle. Dazu haben wir uns bewusst entschlossen. Diese Tabelle ist nicht zufällig entstanden, wie eigentlich gar nichts in diesem Papier. Wir haben be-gründet, indem wir die beiden Krankheitsbilder noch einmal beschrieben haben, wie sich Asthma Bronchiale und COPD auszeichnen. Beim Asthma Bronchiale, sind es die Zeichen der Hyperreaktivität, wiederholte Episoden, allergisches und intrinsisches Asthma. Es gibt aber auch Mischformen. Es gibt die Frage: „Wie lässt sich das genau differenzieren?“

Dagegen liegt eine progrediente Erkrankung vor. Ist das beim Asthma nicht so, oder kann das nicht auch so sein? Eine Obstruktion weniger reversibel, aber auch nicht irreversibel, dies bedeutet auch hier gibt es Phasen der stärkeren Erkran-kung oder weniger starken Erkrankung. Die Hauptursachen mögen meist etwas anders liegen als beim allergischen Asthma bronchiale, aber sind nicht immer so eindeutig zum intrinsischen Asthma bronchiale abgrenzbar. Dies spiegelt sich auch wider in der Beschreibung der Berufskrankheiten der BK4301 und BK4302, denn beide sprechen global von obstruktiven Atmwegserkrankungen.

Uns ist allen klar, dass wir bei der 4301 eher an ein Asthma denken und bei der 4303 eher an eine COPD. Aber ist es tatsächlich so, dass jeweils nur diese eine Erkrankung zu finden ist? Oder gibt es Mischformen und Übergänge? Besonders deutlich zeigt sich dies in der BK1315. Sie zeigt deshalb auch nur eine Erkrankung durch Isozyanate an, ohne genauer darauf einzugehen, ob es sich um Asthma oder COPD handelt, weil es sich häufig auch gar nicht trennen lässt. Daher mein-ten wir, dass es eine eindeutige Abgrenzungsproblematik gibt. Darum haben wir uns zu einer MdE-Tabelle mit allen darin enthaltenen Problemen entschieden.

Kommen wir nun zu den Bewertungskriterien in der MdE-Tabelle mit den Katego-rien: Anamnese, die Klinik, die Lungenfunktion mit Spirometrie und Bodyplethys-mographie und in der Regel auch DL,CO

Die Belastungsuntersuchungen mit der Blutgasbestimmung oder die Spiroergo-metrie und dann die Therapie, indiziert nach aktuellen Leitlinien, dies war uns wichtig, dass das mit dazu kommt. Ich gehe auch noch einmal darauf ein, aber es gibt jetzt Punkte, die sich hier nicht so eindeutig einordnen lassen: Zum ei-nen, was ist bei einer Rhinitis und einem hohen Sensibilisierungsgrad, wo man vielleicht sonst funktionell nichts Weiteres findet? Wie bewerten wir dies? Oder wie bewerten wir, wenn eine Lungenfunktion nur eine bronchiale Hyperreaktivi-tät finden? Wie bewerten wir die Belastungsuntersuchungen? Wann nehmen wir welche Untersuchungen? Welche Aussagekraft haben die Blutgase überhaupt?

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Wie bewerten wir die Therapie, die aktuelle Medikation und die Reversibilität der Obstruktionen?

MdE-TabelleWas ist neu an der Tabelle? Neu ist zunächst, dass es eine Spalte gibt von 10 Pro-zent, das ist jetzt angeglichen an die Bochumer und Falkensteiner Empfehlungen. Es gibt in dieser Kategorie MdE von 10 Prozent, was nur als Stütz-MdE relevant werden würde, aber dies kommt durchaus vor. Hier zeigen sich schwierige Kon-stellationen wie: geringe Beschwerden, Grenzbereich der Lungenfunktion, gele-gentlich Bronchodilatoren. Deswegen möchte ich auf Einzelnes eingehen.

Zunächst findet sich darin die allergische, arbeitsplatzbedingte, obstruktive Atem-wegserkrankung, Erkrankung ohne funktionelle Einschränkung. D.h. man hat zwar eine Obstruktion der Atemwege, z. B. die der oberen Atemwege, der Nasen-schleimhäute, es finden sich sonst keine weiteren funktionellen Einschränkungen der Lungenfunktion. Wir finden gar nichts, also auch keine Obstruktion der tief-eren Atemwege. Wenn aber nun ein ausgeprägtes Allergenspektrum vorliegt und ein hoher Sensibilisierungsgrad, meinten wir, dass durchaus eine MdE von 10 Prozent gegeben sein kann. Mit einer zweiten Begründung, dass hierdurch auch Teile des Arbeitsmarktes verschlossen sind. Es geht nicht nur um die reine Funk-tionseinschränkung, sondern auch um diese Erweiterung. Auch eine ausgeprägte allergische Rhinitis sollte in der Regel eine MdE von 10 Prozent bedeuten.

Wie ist die unspezifische bronchiale Hyperreaktivität zu bewerten? Die unspezi-fische bronchiale Hyperreaktivität dazu der Methacholintest, dient der Diagnose einer obstruktiven Atemwegserkrankung, bei ansonsten fehlendem Obstruktions-nachweis. Wenn wir jetzt also eine Nachuntersuchung haben, bei der keine Expo-sition besteht und wir nur die Anamnese haben, die deutlich darauf hinweist, dass eine Obstruktion am Arbeitsplatz stattgefunden hat, also Husten, Engegefühl, Pfeifen der Atmung, aber es ist keine Lungenfunktion durchgeführt worden. Müs-sen wir, um überhaupt eine BK anerkennen zu können, eine obstruktive Atemwe-gserkrankung darstellen. Sie ist eben auch einen Teil der medizinischen Definition des Asthma Bronchiale. Deswegen sollte dieser Test auch in diesen Konstellati-onen durchgeführt werden.

Wir haben nun gesagt, die asymptomatische bronchiale Hyperreaktivität sollte deswegen auch eine MdE von 10 Prozent verursachen und sollte so eingeschätzt werden. Wenn jetzt aber eine bronchiale Hperreaktivität nicht einfach nur im Test dargestellt werden kann, sondern durchaus auch anamnestisch zu Beschwerden

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führt bei Exposition gegen kalte Luft, bei Exposition bei Dämpfen oder auch ein Anstrengungsasthma, dann wäre das zu werten wie ein intermittierendes Asthma und durchaus eine MdE von 20 Prozent. Dies ist in der MdE-Tabelle nicht einfach so nachzulesen und daher in den entsprechenden Kapiteln dargestellt.

In der Tabelle gibt es 5 Spalten, eine Spalte davon ist die Belastungsuntersu-chung, dies ist ein kleiner Rückschritt zu der Falkensteiner und Bochumer Emp-fehlung, da haben wir 2 Spalten. Einmal die Belastung mit Blutgasbestimmung und die Spiroergometrie. Wir haben uns auf eine Spalte geeinigt, weil die Spiro-ergometrie auch eine andere Wertung erfährt. In der Vergrößerung sehen wir uns zunächst die Belastung mit Blutgasbestimmung an: Da ist zu bewerten, wie der Sauerstoffpartialdruck, der unter Belastung gleich bleibt oder fällt. Es stellt sich eine kleine Verschiebung zu den vorherigen Tabellen dar aufgrund der Tatsache, dass wir es in dieser mit anderen Krankheitsbilder zu tun haben. Darauf werde ich später noch einmal eingehen.

Die Blutgase in Ruhe und unter Belastung sind deswegen auch noch einmal be-schrieben. Zunächst in dem Kapitel der Methoden überhaupt - Kapitel 3- und dann auch noch einmal im Kapitel 4 in der Bewertung. Blutgase in Ruhe sind für die MdE Bemessung eher von geringer Bedeutung, da wir bei den Krankheitsbil-dern der obstruktiven Atemwegserkrankungen häufig Verschiebungen sehen, die sich dann unter Belastung auflösen. Die obstrukiven Atemwegserkrankungen ha-ben typischerweise eine Ventilations-Perfusion-Verteilungsstörung. Dies bedeutet, es werden Bereiche der Lunge in Ruhe zwar durchblutet, aber nicht ausreichend ventiliert und daher zeigen sich die Blutgase nicht in optimaler Form, es finden sich Verminderungen. Insbesondere bei der Einschätzung des Sauerstoffpartial-drucks muss auch berücksichtigt werden, wie viel überhaupt ein- und ausgeatmet werden muss, also die alveoläre Ventilation, die erfasst man am besten durch den Kohlendioxidpartialdruck.

Die Veränderungen der Blutgase in Ruhe normalisieren sich häufig unter leichter Belastung, deswegen haben wir ausdrücklich reingeschrieben, dass eine Bela-stung anzustreben ist. Wenn ein Abfall des Sauerstoffpartialdrucks vorliegt, dann ist dies ein Ausdruck einer Diffusionsstörung und ist in den Entitäten – Asthma und COPD – insbesondere in Folge eines Lungenemphysems zu sehen. Das Lun-genemphysem ist ein höheres Stadium der chronisch obstruktiven Lungenerkran-kung und bedeutet daher auch eine höhere MdE Bewertung. Darin begründet sich die leichte Verschiebung in der Tabelle in der Beurteilung von Asbestose und Silikose. Bei der ist die Diffusionsstörung möglicherweise bereits im frühen Krank-

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heitsstadium zu erkennen, hier gehört es zum höheren Krankheitsstadium.

SpiroergometrieDie Spiroergometrie haben wir nicht als obligate Untersuchung mit aufgenommen. Wir haben sie dennoch bewertet, dass sie erforderlich sein kann oder erforderlich ist. Dies steht auch so in der Differentialdiagnostik, insbesondere wenn nicht zwi-schen einer kardialen oder pulmonalen Funktionseinschränkung unterschieden werden kann. Man kann mit der Spiroergometrie zusammen mit der Messung der Atemgase, während der Ein- und Ausatmung – jeder Atemzug wird einzeln gemessen – atemmechanische Irritationen in der Flussvolumenkurve feststellen und somit diesen typischen Befund einer obstruktiven Atemwegserkrankung dar-stellen. Dann kann man die Irritation durch die typische Befundkonstellation de-dektieren. Man kann dadurch auch eine mangelnde Mitarbeit darstellen, wenn man keine Einschränkung finden sollte, die sich pulmonal oder kardial begründen lässt, sondern einen frühzeitigen Abbruch. Die Insuffizienzkriterien, die genannt werden, werden durch eine Fußnote hinreichend dargestellt. Es handelt sich um Abweichung von Normenwerten, insbesondere von der Sauerstoffaufnahme, die bei der Spiroergometrie gemessen wird, die analog zu sehen ist zu der Wattlei-stung und Verschiebung der anaeroben Schwelle, in der AADO2 – wiederum ein Maß für eine Diffusionsstörung und der Atemmechanik der Fluss-Volumen-Kurve.

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TherapieDie Therapie sollte nach den aktuellen Leitlinien indiziert sein, ansonsten kann man eine Therapie nicht bewerten. Sie sollte zur Anamnese, Klinik und auch zu den Funktionseinschränkungen passen. FOLIE Betrachtet man die Spalten Ana-mnese und Therapie, stellt man fest, dass es immer einen direkten Bezug gibt. Z.B. die Beschwerdehäufigkeit bei der Anamnese und damit auch zur Einordnung des Stadiums/ Grads der obstruktiven Atemwegserkrankungen, sei es Asthma, sei es COPD und die dazugehörige Therapie. Wir haben modifiziert und viel darum gerungen, wie man eine Vereinheitlichung schafft, ohne dass es zu kleinteilig wird.

Es lassen sich kaum Pauschalaussagen treffen, da Patienten doch meist sehr unterschiedlich zu behandeln sind. Deshalb haben wir uns gegen die 10 Prozent-spalten entschieden, auch wenn es zum Ablesen einfacher gewesen wäre. Es ist zu bedenken, dass zwei Krankheitsentitäten in einer Tabelle dargestellt sind: Asth-ma und COPD. Während kortikoide Inhalative eher für das Asthma gelten, gelten sie nicht bei der COPD. Kortikoide sind je nach Krankheitsbild zu bewerten. Ein Konsens wurde dennoch gefunden.

Die Rolle der MedikationExplizit erwähnt ist, dass man die Erstbegutachtung nach Möglichkeit ohne Medi-kation machen sollte, zumindest am Morgen des Untersuchungstages, um einmal das Krankheitsbild ohne Therapie zu erfassen. Sonst hat man keinen Vergleich zwischen den Angaben des Versicherten und dem, was wir dann lungenfunktio-nell sehen. Im weiteren Verlauf können die Medikamente der Therapie angewen-det werden, um zu beurteilen, wie die Therapie wirkt. Bei einer Nachbegutachtung soll beurteilt werden, wie der Gesundheitszustand unter der verordneten Medika-tion ist. Wenn der Versicherte gut auf die verordnete Medikation anspricht, also niedrigere Funktionseinschränkungen zeigt, dann ist die MdE geringer anzuset-zen als bei einem, der nicht auf die Therapie anspricht. Dies ist dann analog zur Einschränkung im Arbeitsmarkt. Die Medikation sollte Leitlinien gerecht erfolgen: z.B. bei einer regelmäßigen oralen Steroideinnahme mit leichten Schweregrad. Eine Hinterfragung ist hier von Nöten. Ansonsten würde dieser Fall bei der MdE Tabelle bei 50 Prozent eingeordnet werden. Die Einschätzung sollte immer zum Krankheitsstadium passen.

Die Reversibilität der ObstruktionDer Reversibilitätstest durchgeführt mit Salbutamol und Ipratropiumbromid in an-steigender Dosierung (Durchführung Kapitel 3). Wie wirkt sich dies auf die MdE aus? Wenn man Irreversibilität der Obstruktion hat, also die Obstruktion schlech-

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ter zu behandeln ist, dann bedeutet dies eher eine höhere MdE als bei einer guten Reversibilität, bzw. einer guten Behandelbarkeit. Die gute Behandelbarkeit lässt sich nur bei einer dauerhaften Medikation beurteilen. Im Moment, wo der Patient bei uns ist, können wir den Test durchführen und innerhalb dieser Spannbreiten, z.B. bei der Lungenfunktion, einen höheren oder einen niedrigeren Prozentsatz wählen.

Insgesamt sollten alle Spalten der Tabelle nebeneinander betrachtet werden und nicht aufgerechnet werden. Die Prozentwerte sind integrativ zu betrachten und man muss schauen, wo wird man allen Punkten gerecht. Welche sind wichtiger, welche sind nicht so wichtig? Am Ende sollte dann unter Berücksichtigung aller Kriterien neben- und miteinander, einschließlich der Einschränkung auf dem Ar-beitsmarkt, die MdE von dem Gutachter bewertet werden. Vielen Dank!

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Stellungnahmen

Prof. Dr. iur. Hermann PlagemannAnwaltschaft, Frankfurt/ Main

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

das Bundesverfassungsgericht hat am 06.12.2005 einen Beschluss gefällt, der vielen Leuten nicht gefällt und gefiel. Dieser sog. Nikolausbeschluss besagt mit kurzen Worten: Wenn der Staat Bürger in ein Pflichtversicherungssystem hinein-zwingt, dann muss er sich auch kümmern und die Leistungen so ausgestalten, dass sie in jeder Weise gut und effektiv sind. Dies sind meine Worte, ich hoffe, dass ich das hohe Gericht einigermaßen verstanden habe.

Das System der gesetzlichen Unfallversicherung ist ebenfalls ein solches System der Pflichtversicherung, unabhängig davon, dass in der Unfallversicherung nur die Arbeitgeber die Beiträge zahlen. Daraus folgt: Wer eine obstruktive Atemwegser-krankung hat, hat nach dem Grundgesetz - ich weise daraufhin, auch nach dem EU-Recht – einen Anspruch auf Behandlung nach dem besten Standard. Wir dür-fen uns nicht der Illusion hingeben, dass Standard als Durchschnitt oder als das Übliche misszuverstehen ist. Das Schutzgut Leben hat, und das lesen wir in dem Sozialgesetzbuch 7 täglich, in den § 1 und 20, Vorrang vor einer Entschädigung. Dies gilt auch für die Begutachtungssituation, und wir haben sehr eindrucksvoll heute Morgen gehört, z. B. bei der Frage, ob bestimmte Untersuchungen über-haupt zumutbar sind, unabhängig von der Einwilligung, ob sie überhaupt zumut-bar sind, ein Problem ist, was durchaus im Einzelfall eine Rolle spielt.

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Damit komme ich zu meiner ersten These: Das im Vorwort der Empfehlung genannte Ziel einer grundgesetzlichen garan-tierten Gleichbehandlung bedarf im Falle der Begutachtung, einer Ergänzung, nämlich um das Ziel der Heilung – als vorrangiges Ziel.

Zweite These: Wie diskutieren heute über Empfehlungen, die Vorgängerschrift nannte sich Merkblatt und hat auch sehr selbstbewusst im Vorwort ausgeführt, dass dieses Merkblatt ein qualifizierter Erfahrungssatz sei. Die Berufsgenossen-schaften haben von Gesetzes wegen einen Auftrag, nämlich im § 9, 8: Bei der Ge-winnung medizinisch wissenschaftlicher Erkenntnisse, insbesondere zur Fortent-wicklung des Berufskrankheitenrechtes mitzuwirken. Das ist ein Mandat, das ist aber kein Mandat, selbst zu definieren. Das, was wir heute diskutieren, die Emp-fehlungen sind also keine Beweise. Eine Richterin nannte sie einmal Arbeitsmittel, und ich bitte das nicht als Affront zu sehen. Was z.B. die MdE-Tabelle anlangt. Sie haben völlig Recht, dass die MdE-Tabelle Erfahrungssätze sind, die die größte Rolle in der Bearbeitung von juristischen Fällen hat. Dennoch die Qualifizierung als Erfahrungssätze oder Gutachten antizipiert Sachverständigengutachten ist nicht nur eine akademische Frage.

Sie stellt uns vor fast unlösbare Probleme, z. B. in Haftpflichtfällen. Und manche Ärztin oder mancher Arzt hat es vielleicht schon erleben müssen, neigen die Ge-richte zur Pragmatik, mal wird der Verstoß gegen die Leitlinie als Sünde angezeigt, mal geht das Gericht darüber hinaus und mal tritt man dahinter zurück.

Also in Haftpflichtfällen scheint es so, als ob die Leitlinien, die möglicherweise noch eine höhere Autorität haben, mal so, mal so heran gezogen werden. Wenn ich die medizinische Praxis richtig verstehe, dann gibt es hier ganz unterschied-liche Aspekte. Mediziner, die dankbar die Leitlinie aufgreifen, weil sie dann Dis-kussionen, üble Diskussionen, langweilige Diskussionen mit den Patienten aus dem Wege gehen können: „Da steht es doch.“ Und manch ein Patient, der hört, es steht in einer Leitlinie, wird schon allein deswegen gesund. Dennoch lesen wir im Deutschen Ärzteblatt, dass die sklavische Befolgung von Leitlinien keineswegs bessere Ergebnisse zur Folge haben muss. Sondern, dass es durchaus breite Bereiche gibt, in denen die Anwendung der Leitlinie nichts besser macht. Wozu dann? Daraus folgt, die Empfehlung enthält wichtige Informationen, sie darf aber beim Sachverständigen nicht die trügerische Illusion nähren, er könne sich wegen des anzuwendenden Stands der medizinischen Wissenschaft auf die Lektüre und Anwendung der Empfehlung beschränken. Sein Augenmerk muss am Tage der Verabschiedung der Empfehlung auch auf das Geschehen jenseits gerichtet sein. Und, ich nehme das sehr ernst, das Geschehen jenseits der Empfehlungen ist

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nicht nur das, was irgendwo in Amerika, Asien oder wo auch immer erdacht wird, das ist auch das, was Sie in Ihrer medizinischen klinischen Praxis erleben: Den Umgang mit dem Patienten, den Sie vielleicht nicht begutachten sollen, sondern wo Sie sich manchmal vergeblich um die Therapie bemühen.

Dritte These: Das Verwaltungsgericht Gießen hat vor Jahr und Tag eine Entscheidung getroffen, wonach ein Nicht-Pneumologe, Nicht-Internist, sondern Neurologe, eine relativ hohe Buße dafür zahlen muss, dass er bei der Erstellung seines Gutachtens ge-gen Berufspflichten verstoßen hat. Diese Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Gießen ist rechtskräftig geworden. Es ist kein Rechtsmittel dagegen eingelegt worden. Diese Entscheidung besagt in der Begründung, die sehr lang ist, dass dieser Sachverständige bei bestimmten Untersuchungen und Bewertungen und bestimmte Leitlinien und ICD10 nicht angewandt habe. Sie werden sich fragen, warum erzählt er uns das, das ist die größte Sünde, die es gibt. Halt! Ich emp-fehle Ihnen, diese Entscheidung zu lesen, die Gutachten stehen mittlerweile auch schon fast in der Zeitung um die es geht, es sind Gutachten, die wir tausendfach auf den Tisch bekommen haben. Mit Wörtern aus der Neurologie, die uns über zig Jahre begegnet sind. Dieser Mann, der das Gutachten gemacht hat, hat seiner-seits tausende von Gutachten gemacht und hat gesagt: „Kann man gut verwer-ten, also wieder verwerten.“ Sie haben es gehört, kann man gut verwerten. Fertig! Ist plausibel und zig Leute haben darauf geguckt.

Dies bedeutet, wir haben bei der Auseinandersetzung mit dem „Richter in Weiß“, dem Gutachter, eine andere Situation. Es wird heute strenger geschaut, und es könnte sein, dass Leitlinien eine Messlatte sind, über die der Gutachter unbedingt rüber muss, denn sonst kann er sein Gutachten nicht abgeben.

Was bedeutet dies für die Empfehlungen? Wer die Empfehlungen nicht anwen-det ist der Sünder, muss mit einer Buße rechnen? Nein. Er wird im Zweifel wohl sagen, dann haben die Leitlinien wohl mehr Autorität. Ich weiß es nicht. Weil mir diese Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Gießen – also wer die Gutachten liest, der kann daran Kritik üben, weil der Mann innerhalb von vier Wochen, bei vier verschiedenen Personen, den gleichen Wortlaut angewandt hat. Aber wie die Verfahren gelaufen sind und dass keiner der Vier dagegen Rechtsmittel eingelegt hat, sondern erst Jahre später über die Presse hochgekommen ist, das gibt auch zu denken.

Meine Schlussfolgerung daraus ist, der Sachverständige ist in der Tat der Wissen-schaft verpflichtet und nicht nur einer Empfehlung. Es gibt nicht den Standard,

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der immer da ist, sondern er ist der Wissenschaft verpflichtet und dem Einzel-fall. Ich habe deshalb, und das ist sicherlich meine unkundige Situation, ein biss-chen Probleme, z. B. mit einzelnen Abschnitten. Ich habe versucht den Abschnitt Spirometrie mit Leitlinien zu vergleichen, ich habe nicht kapiert, warum in den Empfehlungen manche Dinge ausgelassen werden und manche Dinge anders formuliert werden, als in der Leitlinie. Hat dies zur Folge, dass die Empfehlung die Leitlinie fortentwickelt, was sein kann. Oder hat das vielleicht zur Folge, dass die Empfehlung sagt: Wir sind ja gar nicht die Leitlinie – wir arbeiten mit diesem Untersuchungsmittel aus anderen Zwecken. Das ist nicht ganz unproblematisch.

Ich komme zum Abschluss zu zwei Wünschen. Das erste ist, an versteckter Stelle findet sich in den Empfehlungen ein Hinweis auf Alpha1 Proteasenmangel, dies gibt es bei der COPD und sei ein genetischer Faktor. Das sehe ich ein, was macht man aber nun mit dem genetischen Risikofaktor? Jetzt hat jemand COPD, und zwar von Heute auf Morgen, und ist richtig schwer krank, was völlig unstreitig ist, wie verknüpfe ich es mit der Exposition? Wenn es in der Fabrikhalle ordentlich ge-stunken hat, er den Anfall bekommen hat, ist es BK? Zwei Tage später oder eine Nacht daheim, weil es dort nicht stinkt, keine BK? Dies kommt mir komisch vor.

Zweiter Wunsch: Das Unterlassen aller gefährdenden Tätigkeiten wird als typi-siertes Kausalitätszeichen für die Schwere der Erkrankung bezeichnet. So haben wir es gelernt und so formulieren wir es immer wie eine Hostie vor uns hin. Die Empfehlungen befassen sich mit dem Unterlassungszwang in der Nr. 2.5. Gerade die dort aufgelisteten Konstellationen zeigen, dass es sich gerade nicht um ein typisches Kausalitätszeichen handelt, sondern um eine Sanktion, in denen der Arbeitnehmer keinen anderen Arbeitsplatz erhält. Auch die in den Empfehlungen zitierte Entscheidung aus dem Jahre 2003 hilft nicht recht weiter. Es rechtfertigt wohl kaum, dem Arbeitnehmer dafür die Schuld in die Schuhe zu schieben, dass der Arbeitgeber, unter Verstoß der Arbeitschutzvorschriften, ihn weiterhin auf dem Arbeitsplatz belässt.

Oder haben Sie schon einmal die MdE gekürzt bei einem Fußballspieler, der eine Knieverletzung hat und ein paar Tage später wieder auf den Platz rennt? Wohl nein. Die Empfehlung äußert im Abschnitt 4.73, Verständnis für Personen, die trotz Erkrankung „aus schwerwiegenden sozialen Gründen, die gefährdende Tä-tigkeit nicht aufgeben“, und verlangt eine engmaschige Kontrolle. Ich möchte das ausdrücklich unterstreichen und zugleich dem Bundessozialgericht widerspre-chen. Denn diese Ausführungen scheinen mit dem Zweck der gesetzlichen Un-fallversicherung wesentlich näher zu kommen. In einer BSG Entscheidung vom 22.03.2011 ging es um, das wurde schon angesprochen, eine Landwirtsfrau.

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Eine Landwirtsfrau, bei der eigentlich nur eines hilft, nämlich Zwangsscheidung. Sie hat eine Allergie und ein Asthma, alles unstrittig. Sie sagt: „Ich kann von dem Schweinehof nicht weg.“ Einerlei, warum die mitarbeitende Ehefrau eines Land-wirtes trotz obstruktiver Atemwegserkrankung weiterhin in der Schweinezucht und im Getreideanbau arbeitet. „Die BG ist für jegliche Verantwortung für diese BK frei“, so das Bundessozialgericht. Weil es an der Unterlassung fehlt. Das verstoße weder gegen das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit noch der Gleichbe-handlung. Sicherlich, hohe bedeutsame Werte.

Ich meine, dass der Grundrechtschutz, was die Gesundheit anbelangt, wichtiger ist. Also: Bezahlt die paar Flöhe für die Behandlung, gebt der Frau noch ein biss-chen Geld, dass sie in Urlaub fahren kann und nicht ewig in der Schweinezucht sitzen bleiben muss. Dankeschön!

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Michael WeberinkArbeitgeber, Gesamtverband Steinkohle e.V., Herne

Erst einmal vielen Dank, dass ich die Gelegenheit habe, als Arbeitnehmervertreter zur neuen Reichenhaller Empfehlung Stellung nehmen zu dürfen.

Der Erkenntnisgewinn bei den Atemwegserkrankungen geht natürlich so wie überall in der medizinischen Forschung stetig voran. Ich erinnere mich noch gut, als wir gerade bei der BGRCI in der Branche Bergbau uns intensiv mit den Gut-achten zur Entschädigungsempfehlung für niedrig gestreute Silikosen beschäftigt haben. Den Erfolg der Bochumer Empfehlung der Diagnostik und Begutachtung der BK4101 war ein substanzieller Fortschritt gegenüber der bis dahin gültigen Mörser Konvention. Das vor allem auch darauf, weil mit der Bochumer Empfeh-lung 2009/ 2010 neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung getragen wurde und zugleich die Entschädigungspraxis der Unfallversicherungsträger, ge-rade bei uns im Bergbau in der BGRCI, auf eine gesicherte Grundlage gestellt wurde. Solch einen großen Unterschied können wir nun in der Fortentwicklung des Reichenhaller Merkblatts zur Reichenhaller Empfehlung nicht mehr beobach-ten. Das liegt nicht nur daran, dass das Merkblatt aus dem Jahre 2006 qualitativ gut und nicht nur merklich jünger ist als seinerzeit die Mörser Konvention. Viel-mehr erfolgt die Änderung des Merkblattes auf Anregung von Fachgesellschaften aufgrund medizinisch wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns, vor allem in der Dia-gnostik. Die Frage, ab wann eine entschädigungspflichtige BK vorliegt, war nicht zentraler Gegenstand dieser Beratung.

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Ich bin als Jurist überhaupt nicht berufen, die Empfehlung zu Diagnostik, Therapie und Rehabilitation zu kommentieren oder gar zu bewerten, nichts läge mir ferner. Aber auch dem medizinischen Laien ist erkennbar, dass die Kapitel zur Diagnostik und Begutachtung systematisch deutlich und klar gelungen sind. Ich denke Frau Dr. Heutelbeck hat dies heute Morgen klar zusammengefasst. Ein Beispiel hierfür ist die Entwicklung der MdE-Tabelle, die uns sehr schön erklärt wurde, auch wenn ich Probleme habe, eine 10 Prozent MdE anzunehmen, wenn ich keine Funkti-onsausfälle habe, tut das der Qualität dieser Empfehlung keinen Abbruch. Und ich denke, dass das eine präzisere Bewertung in der Praxis spürbar vereinfachen wird und die Gleichbehandlung der Versicherten in der Entschädigungspraxis zu sichern hilft.

Als Arbeitgebervertreter, und dies müssten Sie mir an dieser Stelle nachsehen, habe ich natürlich bei der Lektüre der neuen Empfehlung besonders darauf ge-guckt, ob und wie Einflüsse aus dem unversicherten Bereich Berücksichtigung finden. Es ist sachgerecht, dass hier der Einfluss des Tabakrauchens wirklich auch als eigener Punkt in den Empfehlungen eingegangen ist. Es ist unumstritten, dass dem Rauchen eine besondere Bedeutung in der Beurteilung einer obstruktiven Atemwegserkrankung zukommt. Und dass diese konkurrierende Ursache nun nicht mehr leicht versteckt in der Bewertung von Vor- und Nachschäden unter-geht, ist natürlich folgerichtig. Zur umfassenden Begutachtung trägt hier auch bei, dass dem Gutachter bei Vorliegen von konkurrierenden Ursachen, ausdrücklich hier aufgeben wird zu begründen, welche Ursache wirklich als wesentlich anzu-sehen ist. In der Deutlichkeit habe ich das vorher noch nicht so wahrgenommen.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle noch eine Anmerkung mit Augenzwinkern, mir ist aufgefallen, dass das Kapitel „häufige Fehler“ in den Gutachten so nicht mehr auftaucht, ich denke, dies wird auch eine größere Akzeptanz bei den me-dizinischen Gutachtern finden. Insgesamt scheint der Weg, Herr Dr. Kranig, der DGUV aktuelle medizinisch wissenschaftlich Erkenntnisse zu ermitteln, im Rah-men eines offenen Verfahrens, die beteiligten Kreise und die Fachgesellschaften in der Erarbeitung von Begutachtungsempfehlungen einzubeziehen, hilfreich und richtungweisend.

Mir als Juristen ist aufgefallen, dass zu Beginn der Begutachtungsempfehlung, besonders zum Stichwort „Unterlassungszwang“, die rechtlichen Grundlagen dargestellt und erläutert werden. Hier ist der Stand der Literatur und der Recht-sprechung aktuell und systematisch gut dargestellt und das ist mit Blick auf den Zweck dieser Begutachtungsempfehlung, nämlich Orientierung zu geben, sinnvoll und im Verwaltungsverfahren/ Gerichtsverfahren hilfreich. Auffällig ist die umfang-

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reiche Auseinandersetzung mit dem Begriff „Unterlassungszwang“, und hier wird auch die Entscheidung von Bundessozialgericht vom 09.12. 2003 ausführlich ge-würdigt.

Man kann inhaltlich zu Entscheidungen verschiedener Auffassung sein, aber die Begutachtungsempfehlung hat nicht nur aktuell medizinischen Kenntnisstand widerzuspiegeln, das gilt auch für die rechtlichen Aspekte. Und hier ist die Dar-stellung greifbar gemacht in den verschiedenen Fallkonstellationen, meine ich, in Übereinstimmung mit der Fachliteratur gut gelungen.

Die Auseinandersetzung mit dem Begriff „Unterlassungszwang“ macht aber euch eines deutlich, die Begutachtungsempfehlungen können und sollen nicht die Funktion des Gesetz – und Verordnungsgebers übernehmen. Rechtlicher Aus-gangspunkt eines jeden Berufskrankheitenverfahrens ist die Berufskrankheiten-verordnung. Gerade beim Begriff des „Unterlassungszwangs“ wird es besonders deutlich. Es ist ein sehr offener Begriff, der schwierig zu handhaben ist, und solche offenen Tatbestände gibt es bei vielen anderen Berufskrankheiten auch. Insofern ist die seit langen insbesondere von unserer Seite, den Arbeitgeberverbänden, geforderte stärke Konkretisierung und präzisere Fassung der Berufskrankheiten-tatbestände weiterhin nur allzu berechtigt.

Im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierungsparteien ist u.a. vereinbart, den Lei-stungskatalog der gesetzlichen Unfallversicherung mit Blick auf ein zielgenaues Leistungsrecht zu überprüfen. Dies wird voraussichtlich in der laufenden Legis-laturperiode nicht mehr erreicht werden. Aber als einen ersten Schritt könnte insbesondere in diesem Zusammenhang, der BMAS beratende ärztliche Sach-verständigenbeirat sowohl formal als auch durch eine adäquate Ausstattung ge-stärkt werden. Als Blaupause könnte der Ausschuss für Arbeitsmedizin aus dem § 9 der arbeitsmedizinischen Vorsorgeverordnung dienen. Dazu gehört dann ein transparentes Ausschussverfahren, dass auch die Möglichkeit externer fachlicher Stellungnahmen bereits vor einer abschließenden Empfehlung ermöglicht. Nebe-neffekt eines solchen formal eingerichteten Gremiums, mit formalisierten transpa-renten Beratungsergebnissen böte auch die Möglichkeit, Stichtagsregelungen an dessen Beratungen zu koppeln. Man hätte die Möglichkeit, das leidige Thema in den Griff zu bekommen. Dies ist aber alles Zukunftsmusik.

Zunächst müssen wir natürlich mit der derzeitigen Rechtslage zurecht kommen und da gilt, Begutachtungsempfehlungen wie die Reichenhaller Empfehlung, die einen entsprechend hohen Qualitätsstandard aufweisen, sind sachlich orientierte praxisnahe Hilfen für die Versicherungsträger, die Gutachter, für die Vertreter der

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Verfahrensbeteiligten – Richter, Anwälte, Gewerkschaften und können dazu bei-tragen, das Reizthema Berufskrankheiten in der öffentlichen Darstellung weiter zu versachlichen. Und ich hoffe, dass diese positive Bewertung der Reichenhaller Empfehlungen in der Diskussion nicht allzu sehr erschüttert wird, ich sehe dieser eigentlich optimistisch entgegen und wünsche dazu eine gute Diskussion.

Danke!

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Volpert BeyerArbeitnehmer, DBG-Rechtsschutz, Schwäbisch-Hall

Ich bedanke mich für die Einladung und begrüße die anwesenden Damen und Herren. Zunächst ist zu registrieren, dass die notwenig gewordenen Änderungen aufgrund des sich weiter entwickelten medizinischen Sachstandes zur Diagnostik „atemwegsbedingter Erkrankungen allergischer und toxischer Art“, relativ schnell umgesetzt wurden, und dies mag man sich auch für andere Berufskrankheiten wünschen, dass so etwas mal schnell geht.

Das Reichenhaller Merkblatt hatte in der Rechtssprechung und der Ärzteschaft eine breitere Akzeptanz gefunden als die Konsensempfehlung zur Begutachtung von Wirbelsäulenerkrankungen. Es ist richtig, dass für die Frage der Gleichbe-handlung für die Betroffenen eine Grundlage erforderlich ist, anhand derer der Versicherte und die Rechtsbeistände prüfen können, ob alle Erkenntnismög-lichkeiten des zurzeit aktuellen medizinischen Sachstandes bei der Bewertung des Vorliegens dieser Berufskrankheiten berücksichtigt wurden. Der zweite Se-nat des BSG vom 27.12.2006 legt zur Gleichbehandlung der Fälle obstruktiver Atemwegserkrankungen in seiner Rechtsprechung das Reichenhaller Merkblatt zugrunde. Dennoch wird man weiterhin nicht davon ausgehen können, das hat der Kollege Plagemann vorgetragen, dass mit den Reichenhaller Empfehlungen ein antizipiertes Sachverständigengutachten vorliegt. Im Gegensatz zu den Fal-kensteiner Empfehlungen, die in meinen Augen noch etwas altbackene juristische Ausführungen enthalten hat, wird in den vorliegenden Empfehlungen der neueste

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juristische Kenntnisstand dargelegt. Frau Palfner hat schon auf die persönlichen Probleme bei Aufgabenzwang (§ 4) hingewiesen. Und auch darauf hingewiesen, dass das Instrument §9, 4 an und für sich Anwendung finden könnte, aber ich habe noch keines gesehen. Mir ist so ein Bescheid noch nicht untergekommen. Aber das soll es geben. Hinsichtlich der Ausführung des Zusammenwirkens von Unfallversicherungsträgern und Gutachter, dass ist der Punkt 2.6 in den Empfeh-lungen, fehlt meines Erachtens der Hinweis für den Gutachter der Zusammen-hangsbeurteilung, insbesondere auf die Gefahr hinzuweisen, der sich aus § 200ff SdGB 7 ergeben, wenn ohne Zustimmung des Betroffenen Zusatzgutachten der Fachrichtung HNO oder der Internisten, einer Herzuntersuchung, eingeholt wer-den müssen. Diese Einholung dieser Gutachten ohne die Zustimmung der Betrof-fenen wäre rechtswidrig.

Die in den Reichenhaller Empfehlungen dargestellten „diagnostischen Methoden“ und auch die Darstellung der Krankheitsbilder werden von unserer Seite nicht in Frage gestellt. Die neuesten medizinischen Erkenntnisse sind in dem Entwurf der Reichenhaller Empfehlungen niedergelegt worden.

Ich habe nun eine Anmerkung zu machen zu dem Punkt 3.28. Da werden obligate Basisuntersuchungen verlangt. Das sind Anamnese, körperliche Untersuchung, Blutuntersuchung, EKG, Lungenfunktion, Allergiediagnostik und Bildgebung. Aber unter 3.28 in diesen Empfehlungen wird ausgeführt, dass die Blutgasanalyse unter Belastung auch obligater Bestandteil ist. Dies wäre vielleicht gut, wenn man es ergänzt, dass das obligater Bestandteil ist.

Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, das Kritik laut wird aus der Ärzteschaft, dass bei den erforderlichen Nachuntersuchungen manchmal nur kleine Funktions-tests abverlangt werden, statt die Funktionstests im vollen Umfang zu machen.

Richtig ist auch in den Reichenhaller Empfehlungen, dass die Verursachungen der obstruktiven Atemwegserkrankungen durch entsprechende berufliche Stoffe wahrscheinlich sein muss bzw. mindestens eine wesentliche Teilursache vorliegen muss. Aber den Empfehlungen kann ich nicht entnehmen, dass konkurrierende Ursachen ebenfalls als Vollbeweis nachzuweisen sind. Wenn sie berücksichtigt werden sollen bei der Frage, welche Ursache als wesentlich bei der Entstehung der obstruktiven Atemwegserkrankung anzusehen ist. Da möchte ich wenig auf die Tendenz des BSG zum Unterlaufen des § 3, SGB 7 hindeuten.

§ 3 regelt, dass bei Fällen mit konkurrierenden Ursachen vermutet, dass die Be-rufskrankheit in Folge der Einwirkungen - dass die betroffenen Menschen - er-

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krankt sind. Das BSG hebelt, meiner Meinung nach § 9, 3 im Falle des Vorliegens von Volkskrankheiten oder bei komplexen Krankheitsgeschehen, die mehrere Ursachen haben können, die auch vorliegen bei der obstruktiven Atemwegser-krankung, aus. Dies geht zu Lasten der betroffenen Versicherten, die sich von Vornherein in vielerlei Hinsicht in Beweisnot befinden.

Einen weiteren Hinweis habe ich zur Frage der Arbeitsplatzermittlung. Da ich mir nicht konkret vorstellen kann, dass der Gutachter Lücken in dieser Arbeitsplatzer-mittlung, die üblicherweise der Präventionsdienst oder der TRD ermittelt, prüfen bzw. feststellen soll. Im Allgemeinen wird das, was der TRD ermittelt, als richtig unterstellt. Ich wüsste nicht, warum ein Gutachter das noch machen soll, vielleicht nur wenn sich aus der Anamnese Widersprüche ergeben und dann vielleicht in Auftrag geben.

Wichtig ist für den Versicherten, dass die räumlichen lüftungs- und verfahrens-technischen Bedingungen korrekt dargestellt sind, denn auch heute noch sind hier und da die Dinge in katastrophalen Zuständen bzw. gar nicht anzutreffen.

Zu der MdE: Die MdE ist vergleichbar mit der von Schönberger/ Mertens und der Falkensteiner Empfehlung bei Asbestose und Erkrankung der Pleura der BK Nr. 4103. Sie ist ähnlich aufgebaut und wird weiterhin durch die vielen Faktoren, die einfließen bei der Bewertung der MdE, juristisch ein Problem darstellen.

Die Reichenhaller Empfehlung führt aus, dass die Allergene auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur gering verbreitet seien, ohne diese Ausführungen zu belegen. Das Landessozialgericht Bayern erklärt in einem Urteil von 28.10.2010, dass kei-ne epidemologischen Daten vorliegen bei Verbreitung von Allergenen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Anderseits hat das Sozialgericht Gießen in einer Ent-scheidung von 08.02.2007 erklärt, dass Schimmelpilze weit verbreitet seien und sensibilisierend und in Anlehnung an das Bamberger Merkblatt bei der Bewertung einer MdE einer BK 4301 zu berücksichtigen sei. Bei den Erstellern der Reichen-haller Empfehlungen und der MdE hätte ich gewünscht, etwas mutiger zu sein und diesen Aspekt mit einfließen zu lassen.

Zuletzt möchte ich auf die Ausführung der Empfehlung der Maßnahme nach §3 der BKV eingehen und betonen, dass ein Punkt fehlt, die Leistungen gewäh-ren könnten. Unter bestimmten Voraussetzungen könnten nämlich Übergangs-leistungen in Betracht gezogen werden, diese sind nicht erwähnt. Es sind nur Präventionsmaßnahmen in Betracht gezogen worden. Das BSG hat bei dieser Gefahrenfeststellung ausgeführt, dass eine Würdigung aller Umstände des Einzel-

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falls unter Berücksichtigung des arbeitsmedizinischen Erkenntnisstandes erfolgen muss. Es ist die Aufgabe des Gutachters, auch festzustellen, ob das erforderlich ist und ob Übergangsleistungen entstehen, was auch für den Versicherten als kleine Rente nicht unbedeutend ist. Diese höchst richterliche Erwägung der Ri-sikoprognose fehlt in der ansonsten fortschrittlichen Reichenhaller Empfehlung.

Dankeschön!

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Hans-Peter JungSozialgerichtsbarkeit, Vors. Richter am LSG Nordrhein-Westfalen, Essen

Meine Damen und Herren, wie bereits zuvor bei der Präsentation des Bamberger Merkblatts, der Falkensteiner und der Königsteiner Empfehlung, nehme ich also aus der Sicht des Fachverbandes der im Deutschen Richterbund organisierten Richterinnen und Richter der Sozialgerichtsbarkeit zur Aktualisierung der Reichen-haller Empfehlung Stellung.

Ich tue das gerne, denn diese Begutachtungsempfehlungen haben für die Tat-sachengerichte erhebliche Bedeutung. Ich werde gleich ausführen, warum und weshalb. Ebenso wie die nachfolgenden Ausführungen zu Krankheitsbildern, dia-gnostischen Methoden und Hinweise zur Begutachtung, die bereits heute Morgen im einzelnen erläutert wurden, sind auch die Ausführungen über die rechtlichen Grundlagen, insbesondere Kausalitätsgrundsätze und Beweismaßstäbe dort auf-geführt. Insoweit gibt die Empfehlung nicht nur eine Hilfestellung und Anleitung für die im Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren tätig werdenden medizi-nischen Gutachter, sie kann darüber hinaus, auch den im gerichtlichen Verfahren tätig werdenden Sachverständigen Hilfestellung und Anleitung für ihre Arbeit ge-ben. Ferner kann eine solche Empfehlung dazu dienen, Begutachtungen zu stan-dardisieren, Gutachten vergleichbar zu machen und damit die Gleichbehandlung der Versicherten in der Begutachtung schon im Verwaltungs- und Widerspruchs-verfahren zu gewährleisten. Das ist in einem nachfolgenden Gerichtprozess äu-ßerst bedeutsam.

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Aber darüber hinaus steht die Verwertbarkeit der Empfehlung im gerichtlichen Verfahren natürlich bei uns im Fokus. Damit sie im Rahmen der Beweiswürdigung heran gezogen werden kann, muss sie allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Ich habe dies schon bei der Falkensteiner Empfehlung im Einzelnen aus-geführt, deswegen beschränke ich mich hier auf die Essentialia. Sie ist daran zu messen, wie weit sie auf der Sachkunde wissenschaftlicher, medizinischer Gremien und der sie repräsentierenden Wissenschaftler beruht. Die vorliegende Empfehlung ist unter maßgeblicher Beteiligung der medizinischen Fachgesell-schaften entwickelt worden und erfüllt also diese Anforderung. Die vermittelten Erkenntnisse müssen ferner aufgrund von transparenten und von Neutralität ge-prägten Verfahren entwickelt werden und die Begutachtungsempfehlung muss hinreichend konkret sein.

Ferner muss gewährleistet sein, dass die jeweilige Empfehlung aktuell ist. Das setzt voraus, dass sie in regelmäßigen zeitlichen Abständen aktualisiert wird und neue wissenschaftliche Erkenntnisse eingearbeitet werden. Auch dem wird die vorliegende Empfehlung gerecht. Sie muss schließlich im wissenschaftlichen Bereich als auch bei den Rechtsanwendern Akzeptanz finden. Einzelne abwei-chende Auffassungen sind dabei unschädlich, so das Bundessozialgericht aus einer Entscheidung aus dem Jahre 2006.

Die heutige Veranstaltung und die damit angestoßene Diskussion wird erweisen, wie weit auch diese Anforderung erfüllt ist. Verschiedentlich sind an der Neutrali-tät des Verfahrens Zweifel geäußert worden, aufgrund der Rolle des Spitzenver-bandes der Unfallversicherungsträger als Moderator und Ressourcengeber, auch dazu hatte ich mich schon in früheren Stellungnahmen geäußert und will deswegen auf § 9,8 SGB VII abheben, wo der Gesetzgeber den Unfallversicherungsträgern den Auftrag erteilt hat, bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse, insbesondere bei der Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mitzuwirken. Sie sollen durch eigene Forschung, durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeit in einer bestimmten Personengruppe und gesundheits-schädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, auf-zuklären.

Es gehört also zu den gesetzlichen Aufgaben des Unfallversicherungsträger und des Spitzenverbandes, hierfür Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Das wird deswegen umso bedeutsamer, weil alternative Erkenntnisquellen zum aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft, den Tatsachengerichten nicht zur Verfü-gung stehen. Das amtliche Merkblatt zur jeweiligen Berufskrankheit ist häufig nicht

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auf aktuellem Stand bei den Berufskrankheiten nach 4301 und 4302, da stammt das jeweilige Merkblatt aus dem Jahre 1979. Bei der Bl 1315 immerhin aus dem Jahre 2004, auch da sind schon etliche Jahre ins Land gegangen. Sozialgerichte und Landessozialgerichte, die Tatsachengerichte in der Sozialgerichtsbarkeit sind aber verpflichtet, in jedem einzelnen Rechtsstreit zu prüfen und im Rahmen der Beweiswürdigung im Urteil zu dokumentieren, ob die jeweils eingeholten Gutach-ten den aktuellen Erkenntnisstand in der medizinischen Wissenschaft wiederge-ben, damit es nicht einfach heißt: Hört sich gut an und fertig.

Also ist zu klären, ob dieses Gutachten den aktuellen Kenntnisstand der medizi-nischen Wissenschaft berücksichtigt. Die rechtlichen Grundlagen zur Beurteilung von Kausalität und Wesentlichkeit einer Teilursache werden anhand der höchst richterlichen Rechtssprechung der letzten Jahre umfassend dargelegt. Allerdings, und deswegen erwähne ich hier als Exkurs die sog. Krasney´sche Formel, wir Richter hätten es natürlich gerne mathematisch genau, wenn es darum geht he-rauszufinden, ob nun eine berufliche Noxe oder aber eine nicht versicherte Kon-kurrenzursache rechtlich wesentlich dazu beigetragen hat, die Berufskrankheit hervorzurufen und dies möglichst prozentual zu wissen.

Waren 37 Prozent durch den Beruf verursacht? Dann wäre es rechtlich wesentlich oder waren es nur 17 Prozent, dann vielleicht weniger. Die Rechtsprechung ist dieser Formel nicht im Einzelnen nachgegangen, sondern das Bundessozialge-richt hat, wie auch in der Empfehlung im Einzelnen dargestellt und innerhalb der letzten 10 Jahre deutlich gemacht, dass zunächst auf der Basis der Äquivalenz-theorie, also der Sine-qua-non-Klausel, eine Kausalität gegeben sein muss.

Wenn dies der Fall ist, muss wertend betrachtet werden, was rechtlich wesent-lich war - die berufliche Noxe oder aber die nicht versicherte Konkurrenzursache. Dabei bin ich auch schon bei der Problematik, die regelmäßig bei den Tatsa-chengerichten die größten Schwierigkeiten bereitet. Nämlich die Situation, dass die obstruktive Atemswegserkrankung im Vollbeweis erwiesen ist und dass eine berufliche Einwirkung stattgefunden hat. Nun ist die Frage, war diese rechtlich wesentlich oder aber das inhalative Rauchen? Diese Frage spielt häufig eine Rolle. Das inhalative Rauchen als konkurrierende Ursache ist zu nennen und die Proble-matik dabei die Quantifizierung versicherter und unversicherter Noxen zu erken-nen.

In dem Vortag von Frau Dr. Heutelbeck wurde dazu heute Morgen bereits ei-niges gesagt. Wenn man aus richterlicher Sicht Wünsche äußern darf, dann ist es Folgendes: Wenn es um die Anerkennung einer Atemwegsberufskrankheit geht,

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sollte in der Empfehlung noch etwas deutlicher darauf hingewiesen werden und auf welche Art und Weise man sich dieser Frage nähern kann. Wie kann man ver-sicherte, unversicherte Noxen noch besser quantifizieren. Dazu ist einmal notwen-dig, dass möglichst früh das Rauchverhalten, nicht nur in der Anamnese, erfragt wird, sondern auch deutlich dargestellt wird. Wir haben häufig die Situation, dass mal die Rede davon ist, dass der Betreffende zwei Zigaretten am Tag geraucht hat, ein anderes Mal, einige Jahre später oder auch früher lesen wir, dass es 20 waren. Waren es nun zwei oder waren es 20? Das ist ganz erheblich bei der Be-urteilung dieser zweiten Kausalitätsstufe.

Was war rechtlich wesentlich, die versicherte oder die unversicherte Noxe. Mir ist natürlich klar, ich hatte es schon plakativ angeführt, dass man in einer Begut-achtungsempfehlung nicht genau ausführen kann, wenn es 40 Päckchen, die geraucht wurden, dann war das Rauchen rechtlich wesentlich und wenn es nur 37 waren, dann war es die berufliche Noxe.

Meine Bitte ist, für den Sachverständigen, der im Einzelfall tätig wird, schon im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren, Anhaltspunkte an die Hand aus der Anamnese mitzugeben, die seine Beurteilung noch weiter validieren können. Das Problem, das ich hier darstelle, wird sich in Zukunft weiter verschärfen, deswegen weise ich auf eine Diskussion hin, die in der Literatur eröffnet worden ist. In der Zeitschrift „medizinische Sachverständige“ haben Sie vielleicht Aufsätze über das Passivrauchen als Ursache der Anerkennung einer BK 4302 gelesen.

Natürlich auch um Anerkennung anderer Berufskrankheiten. Prof. Triebig weist auf eine vergleichsweise Anerkennung einer richtungsgebenden Verschlimmerung einer Atemwegserkrankung durch Passivrauchen im Falle einer Gastwirtin hin, so-wie auf gemeldete Verdachtsfälle aus den Tätigkeitsbereichen Gastwirtin, Spiel-hallenaufsicht, Kellnerin, Restaurantfachfrau und Eisverkäufer. Wir werden es also in Zukunft nicht nur mit dem Rauchen als unversicherte Konkurrenzursache zu tun bekommen, sondern auch als versicherte Kausa. Dann muss quantifiziert werden.

Prof. Triebig weist auf die Probleme dabei hin, und wir werden uns schließlich in Sozialgerichtsprozessen damit auseinander zu setzen haben. Hier zeigt sich, dass Erkenntnisse über Dosis-Wirkung-Beziehungen zwischen inhalativem Rauchen und einer Erkrankung im Sinne einer BK 4302 in Zukunft von großer Bedeutung sein können. Dies sind Wünsche, die mit Blick in die Zukunft geäußert werden an dieser Empfehlung. Kritik in der Weise, dass man jetzt das Eine oder Andere als unrichtig ansehen würde, habe ich derzeit nicht. Natürlich beobachten wir aus

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Sicht der Gerichtsbarkeit auch fortlaufend, inwieweit aus der Literatur und der medizinischen Wissenschaft Kritik geäußert wird und berücksichtigen dies in der Rechtsprechung.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

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Prof. Dr. med. Heinrich WorthSelbsthilfe, Deutsche Atemwegslige e.V., Fürth

Herzlichen Dank für die freundliche Einführung. Meine Damen und Herren, zwei Seelen wohnen in meiner Brust, wenn ich hier berichten soll.

Einerseits als Fürsprecher der Patienten und Patientenorganisationen, die es so-wohl bei Asthma und COPD gibt und mit denen wir in der Deutschen Atemwegs-liga einen regelmäßigen Austausch pflegen und natürlich auch als Lungendoktor, der sich um die Probleme Asthmatikern und COPD-Patienten zu kümmern hat, auch wenn es berufsbedingte Probleme sind. Sehr erfreut war ich, dass diese Empfehlungen unter sehr intensiver Beteiligung von Fachgesellschaften zustande kamen. Zustande kamen auch dadurch, dass die zuständigen Fachgesellschaften der Arbeitsmedizin bis zur Pneumologie und Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde vertre-ten waren und ihre Vertreter aussuchen konnte. Erfreut bin ich auch darüber, dass aktuelle Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften berücksichtigt werden. Hier versuchen wir heute, das, was an Daten da ist, die Evidenz, die unseren Handlungsweisen zugrunde liegen soll, zu ermitteln und in den Leitlinien heraus-zustellen.

Aber es wurde auch gesagt, dass diese Leitlinien ihre Grenzen haben. Ihre Gren-zen schon allein daran, dass die Daten und Studien, die unter sehr kontrollierten

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Bedingungen gemacht wurden. Viele der Patienten, die wir begutachten, passen gar nicht dort hinein. Wir brauchen dann doch die Erfahrung des Gutachters, um zu einem Ergebnis zu kommen. Wenn Sie einen Patientenvertreter fragen: Wie stehst Du zu der Empfehlung? Dann fällt ihm auf, dass er gar nicht daran beteili-gt war. Wenn wir heute in medizinischen Fachgesellschaften Leitlinien verfassen, dann ist in der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachge-sellschaften mindestens ein Patientenvertreter beteiligt. Der Patientenvertreter ist kein Fachmann, aber er ist an der Konsentierung der Erstellung der Leitlinien be-teiligt. Dies gilt auch für die nationalen Versorgungsleitlinien Asthma und COPD und an dieser Stelle wäre vielleicht zu überlegen, ob man mehr den Patienten/ den Betroffenen einbringt in diese Empfehlungen und auch vielleicht gut informiert.

Einige Anmerkungen des Lungendoktors: Asthma und COPD sind sehr gut und präzise beschrieben, sicherlich besser als in früheren Werken. Aufgefallen ist mir, dass der Asthmatiker keinen Auswurf haben darf, das kenne ich in meiner täg-lichen Praxis anders. Die Diagnostik ist sehr ordentlich standardisiert worden. Sie ist vor allem sehr differenziert, auch das, was die jungen Ärzte immer weniger lernen gut zu machen, ist die Anamnese/ Befragung des Betroffenen zu den Um-ständen, gerade auch am Arbeitsplatz. Was auch für den betroffenen Patienten sehr wichtig ist, ist hier wirklich gut beschrieben. Die Lungenfunktion ist stan-dardisierter, besser dargestellt. Auch Kontraindikationen für bestimmte Untersu-chungen oder auch die Berücksichtigung des Alters, das ist in dieser Empfehlung gut gelungen.

Ein besonderer Punkt, der für den Juristen vielleicht nicht so interessant ist, für den Patienten aber schon, weil er viele Inhalationen auf sich nehmen muss, ist der sog. Bronchospasmolysetest. Hiermit prüfen wir, ob eine Einengung der Atem-wege durch Medikamente rückbildungsfähig wird. Wir haben in früheren Jahren gedacht, wenn das der Fall ist, dann ist es ein Asthmatiker und wenn das nicht der Fall ist, dann ist das ein COPD Patient. Und wir haben gedacht, derjenige, der auf ein Medikament im Akutversuch anspricht, sei ein Patient, der auf das Medikament auch langzeitig anspricht. Beides ist nicht der Fall. Insofern muss man sich wirklich fragen, ob man so intensive Bronchospasmolysetests, die in einer sehr gut geplanten Studie durchgeführt wurden und gezeigt hat, dass di-ese Rückbildungsfähigkeit, wenn man nur genug Bronchodelatatoren in ausrei-chender Dosierung einsetzt, auch die COPD Patienten erreichen kann und ob man diesen Test in der Intensität braucht. Zumal die neuen COPD Leitlinien, die Ende November erscheinen werden, diesen Test nicht mehr zur Diagnostik nut-zen. Das ist eine Frage, die man vielleicht noch einmal überprüfen kann, ob so ein Test zur maximalen Reversibilität, der auch ein gewisser Aufwand ist, eine leichte

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Belästigung des Patienten darstellt, wirklich erforderlich ist. Es werden auch noch Angaben gemacht, die Reversibilität zu prüfen, mit inhalativen und systemischen Steroiden. Hier ist die Reversibilitätstestung mit beiden dargestellt

Das entspricht nicht ganz der Empfehlung der nationalen Versorgungsleitlinie. Im Prinzip ein Test, der Sinn machen kann, weil vollständige Reversibilität noch immer für Asthma spricht, aber aus meiner Sicht zu intensiv in der Empfehlung erscheint und vorgeschlagen wird.

Gut ist die kritische Überprüfung der arbeitsplatzbezogenen Inhalationstests und Angaben über überflüssige Untersuchungen, zu denen sicherlich Ärzte ab und zu neigen, denn dies kann eben auch eine Belästigung für den Patienten darstellen. Gut finde ich, dass die Erstbegutachtung, wenn der Zustand des Patienten dies erlaubt, ohne Einnahme der Atemwegstherapeutika, die das Ergebnis beeinflus-sen können, erfolgen soll und dass dies auch niedergeschrieben ist, dass die Funktionseinschränkung im Verlauf unter Beibehaltung der verordneten Medikati-on beurteilt wird. Und dass man auch die Möglichkeit hat, eine Therapie einzulei-

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ten und darunter noch einmal zu überprüfen, wie die Beeinträchtigung des Pati-enten ist, aber in der Praxis nicht so leicht ist. Hier sollte ein Hinweis erfolgen, wie die behandelnden Ärzte weiter damit umzugehen haben. Denn die müssen dafür sorgen, dass der Gutachter, der das empfiehlt, die Therapie dann auch umsetzt. Dies sollte vielleicht auch in den Empfehlungen auftauchen.

Fast eine Quadratur des Kreises kommt es gleich, eine MdE-Tabelle für Asthma und COPD zu entwerfen. Man hat sich große Mühe gemacht und die Mühe ist respektvoll zur Kenntnis zu nehmen. Störend an der Tabelle ist die Spalte der Medikation. Das Problem dabei ist, dass die Medikamente und insbesondere das Kortison, das SCS steht für systemische – also meist in Tablettenform gegebene und das ICS für inhalatives Kortison, Medikamente sind, die die Basistherapie bei Asthma sind, aber nur bei einem kleinem Teil der COPD helfen. Deswegen kann man meiner Ansicht nach, dies nicht einen Topf schmeißen.

Hier steht zum Beispiel der Schwere nach geordnet u. a. die Medikation, sie ist zwar nicht der einzige Parameter, an dem die MdE festgemacht wird, aber einer. Die MdE ist eher gering, wenn er keine inhalativen Steroide nimmt. Dies ist für die mittelgradigen und leichten COPD etwas, was wir empfehlen. Sie sollen es nicht nehmen und die Asthmatiker sollen es nehmen. Das ist eine Unterscheidung, die man aus dieser Tabelle nicht ziehen kann.

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Illustrativ das Beispiel der Leitlinie für Erwachsene Asthmatiker dort ist auf jeder Therapiestufe das inhalative Kortison angesiedelt. Überall werden Kortikoide an-gesetzt, wenn Sie dagegen unsere gültige Leitlinie für COPD nehmen, dann sehen Sie, dass das inhalative Steroid erst bei schwerer und sehr schwerer COPD ein-gesetzt werden sollte, bei den leicht und mittelgradig Eingeschränkten aber nicht. Dies ist in der Spalte der MdE-Tabelle nicht hinreichend separiert.

Gut sind die Angaben zur Prävention und Rehabilitation. Ich freue mich, dass hier mehr als in den bisherigen Empfehlungen zu finden ist. Als Fürsprecher für Pa-tienten auch bezüglich der Entwicklung der Erkrankung, dies klang auch bereits an, möchte ich empfehlen, gerade bei den Patienten mit obstruktiven Atemweg-serkrankungen, die Vulnerabilität ihrer Erkrankung und ihrer funktionellen Beein-trächtigung, die viel Comorbiditäten aufweisen, dass man die Nachbegutachtung auch durch eine persönliche gutachterliche Untersuchung praktisch durchführt und nicht nur anhand von Röntgenbild und Spirometrie, die trügerisch sein kön-nen, die Untersuchung zu ersetzen.

Ich fasse zusammen: Ich halte dies neue Reichenhaller Empfehlungen für eine wichtige Grundlage für eine standardisierte und differenzierte Begutachtung, die die Erfahrung des Gutachters natürlich nicht ersetzt, aber eine Hilfe ist. Ich finde es sehr gut, dass für die Krankheitsbilder relevanten Fachgesellschaften gut be-teiligt wurden. Wenn ich aus Sicht eines Patientenvertreters spreche, dann fehlt mir hier die Beteiligung des Betroffenen an der Konsentierung der Inhalte. Und ich würde zu bedenken geben, ob man nicht vielleicht diese MdE-Tabelle und den Bronchospasmolysetest noch einmal überarbeitet. Wünschenswert ist auch, die Gültigkeit der Empfehlung anzugeben, was einen natürlich verpflichtet, rechtzeitig die nächste Fassung herzustellen.

Herzlichen Dank!

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PodiumDr. med. Andreas DeimlingBundesverband der Pneumologen Schleswig

Prof. Dr. Dennis NowakDirektor des Instituts und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin München

Dr. med. Alexandra PreisserZentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin Hamburg

Stefanie Palfner Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) Berlin

Dr. med. Michael HegerVereinigung Deutscher Staatlicher Gewerbeärzte e.V Saarbrücken

Prof. Dr. med. Harald EnzmannDeutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirugie e.V Berlin

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Diskussion

Thomas Köhler: Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Diskussion, sozusagen der Konzentration dessen, was wir heute Morgen besprochen haben.

Jetzt ein Wort zum Procedere, wie wollen wir gemeinsam die nächsten 90 Mi-nuten verbringen , meine Damen und Herren? Folgendes habe ich geplant, wir gehen gemeinsam vor nach der Gliederung dieser Reichenhaller Empfehlung, das hat folgenden Vorteil: Wir stellen sicher, dass alle relevanten Blöcke aufgerufen werden, dass nichts vergessen wird, und ich bitte natürlich auch hier die Partner am Podium die kritischen und wertvollen Hinweise von heute Morgen, entspre-chend in ihre Antworten einzubeziehen und zu schauen, ob und wo wir diese im Nachgang noch einbauen können. Das wäre zum Procedere. Alle Diskutanten, die sich in der Folge aus dem Auditorium zu Wort melden, bitte ich sehr herzlich, die Mikrophone zu benutzen. Nennen Sie Ihren Namen, nennen Sie Ihre Instituti-on, wo Sie herkommen, wir wollen das dokumentieren und der Nachwelt erhalten, was das für ein bemerkenswerter Tag heute war.

Einige Themenschwerpunkte will ich vorab schon einmal nennen, auf die wir si-cherlich im Folgenden eingehen werden, einfach so ein bisschen als Appetizer. Für die Diskussion das Stichwort - Testungen, die haben hier eine gewisse Rolle gespielt, Stichwort - Funktionsuntersuchung, darauf sollten wir eingehen, Stich-wort – Medikation, ist angesprochen worden und sicherlich auch noch einmal die MdE-Tabelle. Das schließt nicht aus, dass noch weitere Stichworte ebenfalls eine Rolle spielen. Wie gesagt, wir machen das schön, sauber, systematisch, damit alle Beteiligten zu ihrem Recht kommen, das ist mir wichtig.

Und damit beginne ich in der Systematik der Empfehlungen ganz sauber und korrekt mit dem Kapitel 2, dies ist überschrieben mit „rechtliche Grundlagen“. Hier habe ich die große Freude, Frau Palfner gleich neben mir zu haben und ich möch-te Frau Palfner fragen, wie sie die Erstellung der rechtlichen Grundlagen erlebt hat. Ist hier eine Kontinuität erkennbar zu den anderen rechtlichen Anmerkungen, wie wir sie in den letzten Empfehlungen haben? Ich denke an die Bamberger Empfeh-lung, ich denke an die Falkensteiner Empfehlung, wie sehen Sie die Dinge? Gab es Schwierigkeiten bei der Erstellung der rechtlichen Anmerkungen? Wie würden Sie die heutige Diskussion mit Blick auf die rechtlichen Anmerkungen erlebt ha-ben? Bitte sehr:

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Stefanie Palfner: Gut. Zusammenfassend kann man sagen, dass hier sehr gut verbunden worden ist, was an Kompetenz zur Verfügung war. Wir haben sicher-lich aus den Begutachtungsempfehlungen, die in den vergangenen zwei Jahren entstanden sind, eine ganze Reihe von Passagen und Gedanken, die in der Über-arbeitung schon eingeflossen sind, nutzen können. Wir haben auch den Vorteil gehabt, dass es eine Arbeitsgruppe der UV-Träger gab, die sich grundsätzlich einmal mit rechtlichen Erläuterungen für Begutachtungsempfehlungen auseinan-dergesetzt hat, so dass hier schon ein gutes Fundament gelegt war. Was hier als Besonderheit dazu kam, was neu war gegenüber der Vorauflage, sind die Fall-konstellationen zum Thema Aufgabezwang. Hier konnten wir dankenswerterwei-se fruchtbare Anleihen aus der Bamberger Empfehlung machen, bei Hautkrank-heiten ist der Aufgabezwang ja ebenfalls versicherungsrechtliche Voraussetzung. Von daher war das hier, ich will nicht sagen schnell gemacht, aber mit Bedacht gemacht. Wir haben uns bemüht, das was schon vorhanden war, sprachlich zu vereinfachen. Wir sind uns bewusst, dass juristische Texte/ Kost für Mediziner nicht unbedingt leicht verdaulich sind. Wir sagen, wir haben uns bemüht, und wir hoffen dann am Ergebnis der Begutachtung der Nachwelt zu sehen, ob es uns gelungen ist oder ob im Zeugnis stehen bleiben wird: „Sie haben sich stets bemüht“. Ein Thema, was heute Morgen angesprochen worden ist, von Herrn Beyer, die konkurrierenden Ursachen, ist im Beweismaßstab durchaus erwähnt. Wir werden aber selbstverständlich den Hinweis aufnehmen, dass wir das vielleicht akzen-tuierter darstellen können. An dieser Stelle kann ich nur sagen, im Punkt 2.4, Seite 10 in den Zeilen 40/ 41 sind die Ausführungen, dass die konkurrierenden Ursachen eben bewiesen sein müssen. Damit ist an der Stelle auch klar, dass dies der Vollbeweis sein soll. Für uns war es klar, aber vielleicht schaffen wir es, das noch günstiger oder eindeutiger auszudrücken, ich denke, Zweifel gibt es an der Stelle nicht. Herr Plagemann hat einen Punkt, von dem ich schon gar nicht mehr weiß, ob ich den rechtlich nennen soll, aufgeführt. Auch wenn es ein rechtlich orientierter Vortag war, aber unser Prinzip Reha vor Rente und Heilbehandlung ist elementarer Bestandteil des Leistungskataloges der gesetzlichen Unfallversiche-rung. Dies ist für uns wahrscheinlich so selbstverständlich, dass er nur an einigen Punkten noch einmal durchschimmert. Von daher habe ich jetzt beim schnel-len Durchblättern in dem Abschnitt 2 auch gar nicht gefunden, weil wir uns ja ausgehend von der Begutachtungssituation unterhalten, wo wir hoffen, dass die Heilbehandlungsversuche auch schon stattgefunden haben. Ansonsten würde ich verweisen, dass wir hinten in dem Punkt der MdE- Feststellung noch einmal deutlich zum Ausdruck gebracht haben, in 4.6.1, dass die Wiederherstellung der Gesundheit vorrangig vor einer Entschädigung ist und dementsprechend auch zuerst durchzuführen ist, bevor ich zu irgendwelchen weiteren Dingen komme.

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Aber auch an der Stelle lässt sich natürlich überlegen, ob wir dies ein bisschen deutlicher prononcieren können.

Thomas Köhler: Vielen Dank Frau Palfner. Jetzt ist an dieser Stelle der Blick ins Auditorium gerechtfertigt und da hat sich schon Herr Sonnenschein gemeldet. Bitte.

Günter Sonnenschein: Sonnenschein, pensionierter Mitarbeiter einer Berufsge-nossenschaft, heute noch viel als technischer Gutachter in der Sozialgerichtsbar-keit tätig. Unter Punkt 2.2 wird so Einiges ausgeführt, was nicht immer vor Ort hilfreich ist. Eine EG-Richtlinie zur Kennzeichnung mit dem R43 ist vielfach drauf, aber nicht immer zu erwarten. Es sind Stoffe im Einsatz, die unter die Sensibilisie-rungsstoffe fallen, aber keine Kennzeichnung haben. Dies finden Sie vielfach im Betrieb: „Der hat ja keine Kennzeichnung, kann ja keiner sein.“ Was mich auch berührt ist etwas, die TRGS 907 ist natürlich eine technische Richtlinie für die Prä-vention und nicht unbedingt ein Papier, was man benutzen sollte, wenn man der Frage nachgeht, sind es sensibilisierende Stoffe in der Vergangenheit gewesen oder auch heute noch. Ich wünsche mir zusätzlich die Aufnahme des Anhang 4 der Senatsliste, diese ist viel präziser und führt mehr in das Thema ein, für je-manden, der etwas ermitteln muss, als die TRGS 900.

Thomas Köhler: Vielen Dank Herr Sonnenschein, ich denke, ohne jetzt den Au-toren vorweg greifen zu wollen, aber jeder, der Sie kennt weiß, dass da aus Ihren Worten eine große Expertise spricht, der wir sicherlich in geeigneter Form Rech-nung tragen sollten, und wir haben ja nun auch das große Glück bei der DGUV, auch diese technische Kompetenz vertreten zu haben. Ich bin sicher, Frau Palfner, Herr Dr. Kranig werden es auch noch einmal rückspiegeln bei den Partnern von der technischen Seite, um zu schauen, ob man das präziser machen kann im Sinne Ihres Anliegens. Herzlichen Dank für diesen wichtigen Hinweis, den man nicht hoch genug einschätzen kann. Jede saubere Expostionsrecherche gibt na-türlich auch die Basis für die anschließende Begutachtung, diese Zusammenhän-ge sind uns evident.

Prof. Dr. Elisabeth Borsch-Galetke: Ich wollte ganz herzlich gratulieren zu die-sen Empfehlungen. Ich bin neidvoll, dass es so gut gelungen ist. Mir liegt immer die Arbeitsanamnese am Herzen und ich habe zum Teil 2 Fragen. Dort heißt es unter Zeile 10: „ Die Beurteilung von Berufskrankheiten erfordert eine spezifische Anamnese.“ Dann kommt leider eine Klammer „(auch Arbeitsanamnese)“, die hät-te ich eigentlich gerne weg. Nämlich die expostionsverursachten Befunde liegen uns am Herzen, auch die Arbeitsanamnese. Ich glaube, es ist nicht glücklich,

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gerade ganz vorne eine Klammer zu setzen bei der Arbeitsanamnese.

Dr. Michael Heger: Also ich glaube, dass kann man nur unterschreiben. Auch mein Einfluss bei der Bearbeitung. Ich habe immer gesagt, auch jetzt im Hinblick von Herrn Plagemann, wenn wir differenziert betrachten wollen, was ist beruflich bedingt und was ist nicht beruflich bedingt, kommt gerade bei der Berufsana-mnese die Frage, wann war denn was, bei welchen Einwirkungen sind denn wel-che Beschwerden aufgetreten, eine ganz entscheidende Bedeutung zu. Das ist manchmal, weil wir keine technischen Möglichkeiten haben, das anders heraus zu kriegen, nämlich nur über die Anamnese bekommt die Anamnese eine entschei-dende Bedeutung. Und ich muss leider sagen, aus meiner gewerbeärztlichen Sicht, diese Arbeitsanamnese führt in vielen, vielen Gutachten ein sehr, sehr stief-mütterliches Dasein. Häufig sind sie nicht da, und das hat vielleicht auch ein wenig damit zu tun, dass man sich natürlich ein wenig mit der Technologie beschäftigen muss, um Fragen zu stellen. Aber ich kann nur sagen, wir haben kein anderes Mittel, das herauszukriegen, deswegen möchte ich das auch noch einmal ganz entscheidend unterstützen und wollte daher das noch einmal etwas pointierter darstellen, wie außerordentlich wichtig diese Arbeitsanamnese ist.

Dr. Alexandra Preisser: Dem kann ich nur zustimmen, ich glaube auch, das wir in der Arbeitsgruppe einen ganz klaren Konsens hatten. Wir hatten die Arbeitsa-namnese schon mit rein genommen, die Klammern wegzulassen ist das Minde-ste, man könnte es vielleicht sogar noch ausbauen mit den Worten „detaillierter Arbeitsanamnese“.

Thomas Köhler: Herzlichen Dank für diese Punkte, ich denke wir können immer wieder gemeinsam festhalten. Noch eine Wortmeldung von Herrn Beyer zu die-sem Themenblock.

Dr. Alexandra Preisser: Seite 7. Zeile12.

Thomas Köhler: Ich denke wir können es bei diesem Block dann belassen. Wir können später sicherlich noch darauf eingehen und ich bin sehr dankbar für diese Anregung, als nachdrückliche Botschaft für die Verwaltungskollegen, wir wissen, wie entscheidend eines sauberen, soliden, justiziablen Bescheides auch die Re-cherche der Expositionsbedingung ist und wie diese mit größter Sorgfalt anzuge-hen ist und dabei auch in den interdisziplinären Bereich zu gehen. Ich glaube, wir wissen um diese Verantwortung. Lassen Sie uns zum Kapitel 3 kommen, meine Damen und Herren.

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Der Deskriptionen, des einen zum medizinischen Erkenntnisstandes, aber auch der Beschreibung der Untersuchungsmethoden. Und das ist ja nun sehr verblüf-fend, schauen Sie sich einfach mal das Inhaltsverzeichnis an, da finden wir ei-nen ganzen Instrumentenkasten, den die Gutachter hier präsentieren. Wir sollten jetzt an dieser Stelle diskutieren, welchen Stellenwert haben bestimmte Unter-suchungen, wie werden sie „lege artis“ durchgeführt. Reichen die Hinweise auf die Referenzwerte aus, auch das ist eine Frage, die uns beschäftigen sollte. Und darauf aufbauend werden wir auch besprechen, wie läuft nun eigentlich die Dia-gnostik bei der Begutachtung ab. Bevor wir zu den unteren Atemwegen in diesem Zusammenhang kommen, möchte ich sicherstellen, dass der Themenblock obe-re Atemwege, der ja auch relevant ist, nicht vergessen wird. Deswegen gebe ich Herrn Prof. Enzmann das Mikrophon, da er die HNO-Heilkunde vertritt. Ich würde Sie fragen wollen, lieber Herr Enzmann, sind Sie zufrieden, wie hier die oberen Atemwege artikuliert werden. Wie ist die Diagnostik bei der Rhinopathie, muss man hier noch etwas zu den Testungen sagen? Wie würden Sie sich bitte äußern.

Prof. Dr. Harald Enzmann: In diesen Empfehlungen ist die Rhinopathie oder auch Rhinitis, wie sie heute heißt, der Pneumologie bewusst untergeordnet worden. Ich wollte kein zweites Lehrbuch für die Rhinologie/ HNO-Heilkunde konstruieren. Viele Untersuchungen, wie die Hauttests, sind in anderen Kapiteln abgehandelt worden. Ich habe nur Sonderheiten der allergischen Rhinopathie hervorgestellt. Z.B. bei der Differentialdiagnose, da habe ich viel ausgeweidet. Zu den Untersu-chungen der ersten Fassungen ist logischerweise einiges dazu gekommen. Meine pneumologischen Kollegen haben immer wieder Wünsche an mich gehabt, dass ich etwas abändern möchte. War auch meistens, ohne dass ich Schwierigkeiten hatte, durchführbar. Die MdE 10 Prozent stammt sicherlich von meinem ehema-ligen Lehrern Böhninhaus oder Feldmann, von denen habe ich das übernommen oder meinem damaligen Mitarbeiter Prusis, das war schon altbekannt, diese 10 Prozent, die wir hatten. Erweitert habe ich dann noch einmal, zur Erinnerung für die Pneumologen, dass Sie daran denken, wenn die Ohren, was bei einer aller-gischen Rhinopathie passieren kann, beteiligt sind, mit beurteilt werden. Das war alles Wesentliche. Danke Ihnen!

Thomas Köhler: Herzlichen Dank Herr Professor Enzmann.

Prof. Dr. Dennis Nowak: Ich hätte einen Vorschlag zu unterbreiten auf Seite 29 Mitte, wo bei einer nasalen Provokationen mit Allergenen richtigerweise darauf hingewiesen wird, dass ab und zu eine bronchiale Reaktion gemessen wird. Es steht: „Der Gutachter soll erreichbar sein, um Therapie einzuleiten.“ Vor die The-rapie sollte er die Diagnose stellen, d. h. es ist ja ziemlich wertvoll, wenn man

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nasale Provokationstests mit einem Allergen lokal oder eine inhalative nasal und bronchial, arbeitsplatzsimulierend in einer kleinen Expositionskabine macht, auch gleich die bronchiale Reaktion mit gemessen wird. Denn dann hat man die Be-teiligung der unteren Atemwege der BK4302 gegebenenfalls im MdE-relevanten Sinne gleich mit erledigt. Wenn ich es salopp sagen darf, wenn der HNO-Arzt nur einen Hub Sultanol gibt, weil der Patient hustet, dann sitzt man als Pneumologe und Arbeitsmediziner mit nicht so gutem Erkenntnismaterial da, wie wenn gleich eine gescheite Spirometrie vor und nach Rhinomanemetrie gemacht wird.

Prof. Dr. Harald Enzmann: Das ist schwierig. Sie haben dann eine höhere All-ergenmenge durch die bronchiale Provokation, da müssten Sie beide Fachärzte zusammen bekommen, das ist, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, z.B. der All-ergentolerantika schwierig, wenn man provoziert. Ich halte es für technisch fast unmöglich, weil die Untersuchung beim HNO-Arzt unterbleibt. Rhinomanometrie ist auch aufwendig, ich halte es für nicht durchführbar. Außer aus wissenschaft-lichen Gründen, da kann man alles machen, aber so für die Routine? Das stelle ich zur Diskussion, wenn jemand anderer Meinung ist.

Prof. Dr. Dennis Nowak: Ich würde das gar nicht als technisch schwierig sehen, wenn der Allgemeinarzt eine Spirometrie machen kann, dies wird ja von den Pneu-mologen sehr promotet, dass die Spirometrie Einzug hält in die allgemeinärztliche Praxis, dann finde ich, ist der HNO-Arzt sehr viel dichter dran. Es hieße im Grunde nur, dass vor der nasalen Provokationstestung einen FFH1 gemessen wird und danach noch einmal. Das ist doch nicht so schwierig.

Prof. Dr. Harald Enzmann: Das ist nicht schwierig, stimmt. Aber der HNO-Arzt muss auch Erfahrung sammeln, er kann Spirometrie bei Kassenpatienten nicht abrechnen.

Prof. Dr. Dennis Nowak: Es geht ja um Begutachtungen und nicht Kassenpati-enten.

Prof. Dr. Harald Enzmann: Aber er braucht ja Erfahrung. Wenn er alle zwei Jahre mal ein Gutachten hat, dann ist seine Spirometrie nicht richtig verwertbar, würde ich sagen. Auch aus meiner klinischen Erfahrung. Prof. Dr. Dennis Nowak: Gut, wer alle zwei Jahre ein HNO-Gutachten macht, hat natürlich auch nicht viel Erfahrung auf dem HNO Gebiet.

Prof. Dr. Harald Enzmann: So häufig ist die allergische Rhinopathie in der Be-gutachtung beim HNO-Arzt nicht. Dass er jeden Tag eine Begutachtung macht

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für allergische Rhinitis ist nicht drin. Meistens kommen die Pneumologen selbst zurecht, muss ich sagen. Es ist selten, dass wir eigentlich gefragt werden. Ich würde sagen, da macht der HNO-Arzt ganz saubere Untersuchungen, wie er es gewohnt ist und gelernt hat, wie die HNO Gesellschaft das vorschreibt und Aller-gologische Gesellschaft dies vorschreibt. Und wir machen es- schlechten Gewis-sens, muss ich auch sagen, ich würde es besser finden, wenn man es gemein-sam macht - getrennt, und haben eine saubere Beurteilung und der Patient ist auch weniger gefährdet. Denn man kann ihm in das rechte Nasenloch ein Allergen geben, ins linke Nasenloch, man kann es oral provozieren, man kann es inhalativ provozieren, dies muss nicht alles auf einmal passieren.

Dr. Alexandra Preisser: Ich hätte auch eine Anmerkung. Es ist vielleicht auch zu hoffnungsvoll gedacht, dass man dadurch die pneumologische Begutachtung spart oder eine MdE Einwertung machen kann, wenn die Spirometrie einmal beim HNO-Arzt gemacht wurde. Natürlich wäre es schöner, wenn wir eine gute Spiro-metrie haben, aber es ist die Frage, ob wir die dann in der Qualität bekommen und die dann auch wirklich gut weiter verwenden kann.

Prof. Dr. Harald Enzmann: Ich würde einen Kompromissvorschlag machen. Kommt es zu einer Reaktion der tiefen Atemwege, sollte diese dokumentiert wer-den, wie der HNO-Arzt dies dann macht, ob er eine Spirometrie ansetzt, ob er seinen Pneumologen, der in der Nähe ist, holt, ob er selbst die Lunge abhört, das lassen wir mal offen.

Thomas Köhler: Vielen Dank für den vermittelnden Vorschlag. Ich habe den Ein-druck, dass er am Tisch mitgetragen wird. Wir gehen jetzt von den oberen Atem-wegen zu den unteren Atemwegen. Bleiben aber bei dem Kapitel 3. Wir bleiben noch einmal bei den Untersuchungsmethoden. Gibt es hier in der Priorisierung dieser Toolbox noch Anmerkungen. Es ist ja nicht alles obligat. Wo würden Sie aus fachärztlicher Sicht aber doch sagen, das ist unabdingbar und jenes ist ver-zichtbar? Gehen wir noch einmal auf diese Aspekte etwas ein. Herr Dr. Deimling, darf ich Sie fragen, aus der gutachterlichen Sicht heraus, wo würden Sie anset-zen, was ist wirklich obligat?

Dr. Andreas Deimling: Ich denke, das obligate Verfahren, so wie es letztend-lich hier aufgelistet ist, sind die Anamnese und körperliche Untersuchung. Das ist keine Frage. Besonders herauszugreifen, das Röntgenbild, sicherlich aber dann das Repertoire der Funktionsdiagnostik der Atemwege. Spirometrie, Ganzkörper-plethysmographie. Hier finde ich eigentlich sehr gelungen und wichtig, dass man versucht , das babylonische - leicht, mittel, schwer, - ein bisschen zu akzentuieren

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und hier die Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga mit aufgegriffen hat, zu sagen, wie ist ein Befund zu bewerten. Je weiter man in die höheren Ränge kommt, sieht man dann eine Vorgehensweise, die eben sehr selektiv anzuwenden ist, ich nenne mal als Beispiel die endoskopischen Untersuchungen, die werden sicherlich kein Standard sein, kommen in dem einen oder anderen Fall aber mal vor. Sehr gut und gelungen auch das Stichwort „Bakteriologische Diagnostik“, aber in aller Regel nicht notwendig. Das dort eine Leitmöglichkeit / Schiene gefun-den wurde, wo man einfach sagen kann, in den Anfangsbereichen sind die wich-tigen Untersuchungen. Je weiter man nach hinten kommt, also in den höheren Nummern wird es dann umso selektiver.

Thomas Köhler: Diese Wertigkeit und diese Rangfolge ist Konsens am Tisch?

Prof. Dr. Dennis Nowak: Die Reihenfolge ist aus DGAUM-Sicht konsens. Ich könnte mir vorstellen, dass es Sinn macht, dass man ziemlich am Ende, aber durchaus noch vor der Bakteriologie, vielleicht die Messung der Atemmuskelkraft P0,1 oder P Max angibt, weil das bei der COPD eine gewisse Aussagekraft haben kann.

Thomas Köhler: Das nehmen wir mal auf, Frau Palfner in unserem gedanklichen Ergänzungskatalog.

Prof. Dr. Dennis Nowak: Fakultativ und nur bei COPD würde ich sagen, damit es auch nicht missbräuchlich verwendet wird oder ohne richtige Indikation ver-wendet wird.

Thomas Köhler: Herr Prof. Worth nickt auch.

Prof. Dr. Heinrich Worth: Ich bin einverstanden. Denn es kann differentialdia-gnostisch klären helfen, wenn der Brustkorb betroffen ist und vielleicht nicht nur die COPD. Insofern macht es fakultativ Sinn, aber kein Muss für alles.

Prof. Dr. Dennis Nowak: Und wenn ich vielleicht noch einen Vorschlag, jetzt nicht zur Priorisierung, die ich gut finde, sondern zu zwei Details machen darf. Bei Lungenfunktionsdiagnostik, der Spirometrie, wenn vorhanden auch ganzkörper-plethysmografischen Dokumentation, ist es ja oft sehr hilfreich, wenn man sich die Mühe macht, die Lungenfunktionswerte longitudinal aufzutragen. Und nicht nur narrativ im Text - auf Seite soundsoviel, dies und das, hingegen später fand sich irgendetwas – sondern wenn es wirklich systematisch, sauber FFV1 über die Jahre FFVC über die Jahre, Atemwegswiderstand über die Jahre und begleitend

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dazu, sofern vorhanden, und oft ist es ja vorhanden, wenn man sich Mühe gibt, die Exposition und die Medikation. Da wird ziemlich oft aus dicken Aktenbergen nach Extraktion auf eine Tabelle ein einigermaßen klares Bild deutlich. Ich würde gerne sehen, wenn man sagt, die longitudinale Auftragung der Lungenfunktion tabellarisch ist vielfach hilfreich.

Dr. Alexandra Preisser: Das steht drin, aber ich weiß jetzt gerade nicht genau wo. Ich glaube im Kapitel 4. Es gibt einen Satz dazu, dass wir die longitudinale Be-trachtung wünschen und dass sie gemacht werden soll. Es ist natürlich durchaus nicht schlecht, wenn es im Kapitel 3 auch schon drin steht, dass es tabellarisch auch aufstellt.

Thomas Köhler: Ich denke auch, man muss Kapitel 3 auch immer im Lichte des Kapitels 4.3 interpretieren und dann wird manches ein bisschen klarer. Aber wenn es noch der Klarstellung dient, dann kann man auch vorne noch einmal einfügen, weil wir nicht davon ausgehen können, dass jeder immer als Gutachter alle Teile parat hat. Es tröstet mich, dass Sie selbst als Mitautorin etwas suchen müssen. Das zeigt uns natürlich, dass wir noch für etwas Klarheit sorgen müssen.

Prof. Dr. Dennis Nowak: Noch ein, zwei kleinere Geschichten. Man sollte sich überlegen oder fragen oder einheitlich beantworten, an welchen Stellen diese Begutachtungsempfehlungen über die der Begutachtung zugrunde liegenden Leitlinien hinausgehen sollen. Das ist ja auch vorhin von Herrn Prof. Plagemann bereits angesprochen worden, der sagte: „Manchmal geht es über die Leitlinie hinaus, manchmal bleibt es ein bisschen hinter der Leitlinie zurück, wo ist da die Systematik drin?“ So habe Sie verstanden. Man hätte es so machen können, dass man immer auf die aktuellste Form der Leitlinie verweist. Der Vorteil an dieser Vorgehensweise, an der ich unschuldig bin, ist dass man nicht hin- und herschla-gen muss. Das Problem tritt nur dann auf, wenn wir Inkongruenzen haben und die sollten vermieden werden oder sollten sehr gut begründet werden. Die Auto-ren müssen sich vielleicht einfach noch mal fragen, wo Inkongruenzen bestehen und wo es Sinn macht, gegebenenfalls nachzubessern. Ein praktischer Aspekt, der hier am Rande dazu passt. Muss wirklich auch im gutachterlichen Setting so etwas Triviales und weniger komplikationgeneigtes wie eine Methacholinprovoka-tion ein schriftliches Einverständnis eingeholt werden? Wenn es hier drin steht und man tut es nicht, verstößt man sehenden Auges gegen eine Gutachtenempfeh-lung? Ich will mal etwas pointiert sagen, mit der Prick- oder Interkutantestung ha-ben Sie ein größeres Komplikationsrisiko, weil Sie ein Anaphylaxierisiko haben, als mit der Methacholinprovokation. Also wenn ich jetzt irgendetwas unterschreiben lassen wollte, dann würde ich mir die Allergietestung unterschreiben lassen, aber

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nicht die Methacholinprovokation. Ich kann mir gut vorstellen, dass man das der Realität und dem gelebten Leben anpasst, indem man sagt, es ist eine sorgfältige Aufklärung vorzunehmen und diese ist zu dokumentieren.

Thomas Köhler: Unter Einschluss Methacholin, aber nicht gesondert.

Prof. Dr. Dennis Nowak: Würde ich mal sagen, ja.

Thomas Köhler: Frau Dr. Preisser, ist das Konsens, Herrn Deimling, wenn ich in die Gutachterszene reinschaue?

Dr. Alexandra Preisser: Ich darf das noch mal kurz begründen. Wir hatten an die-ser Stelle auch durchaus eine Diskussion und es geht aus der Praxis der einzelnen Mitglieder hervor, dass es dann reingekommen ist, unter der Überlegung, dass es hier nicht um eine Therapiesteuerung geht, wie jetzt in einer pneumologischen Praxis oder Klinik, sondern um eine ganz selektive Untersuchung, eine Begutach-tung und dort eine höhere Rechtssicherheit haben wollten. Da es Konsens ist. Es war auch schon so eine ganz knappe Entscheidung. Also dass man das auch anders dokumentiert in dem Papier. Das können wir so machen.

Thomas Köhler: Dann folgende Frage noch, an einigen Stellen wird der Bezug genommen auf die Referenzwerte, ist dies soweit einhelliger Konsens. Zum einen, dass sie eine Rolle spielen, aber sind die konkreten Referenzwerte tatsächlich der aktuellste Stand der Erkenntnis?

Dr. Andreas Deimling: Also meines Wissens sind sie das, und ich halte es für sehr sinnvoll, denn sie sind sehr weit verbreitet und ich denke, dass man damit den größten Konsens unter den Gutachtern insgesamt erfassen kann und es tatsäch-lich einfach möglicher wird, mit einer Sprache zu sprechen: Wenn eine mäßige oder mittelschwere Obstruktion als solche bezeichnet wird, hat man Rüstzeug, dies sehr schnell einzugruppieren, um dann damit zu hantieren. Also wirklich das Tool zu benutzen. Dann kann man das, was Herr Prof. Nowak gerade sagte, sehr viel plausibler darstellen, wie beispielsweise tatsächlich der Verlauf einer Lungen-funktion über Jahre und Jahrzehnte sich entwickelt und gestaltet, das macht Sinn, aktuellere Sollwerte wären mir jedenfalls nicht bekannt.

Dr. Michael Heger: Ich denke, wir haben an exponierter Stelle zu Beginn des Kapitels einen gleitenden Verweis auf die jeweils aktuellen, gültigen Richtlinien in der Diagnostik, so dass da auch klar wird, wenn sich dort etwas ändert, muss ich die aktuellen gültigen Werte nehmen und deshalb brauche ich nicht zwingend

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unser Papier zu ändern.

Thomas Köhler: Frau Borsch-Galetke, ich nehme an, das Sie dies ganz ähnlich sehen.

Prof Dr. Elisabeth Borsch-Galetke: Ja, auf jeden Fall. Man kann ja über Refe-renzwerte streiten, aber Herr Kollege Bauer ist nicht im Raum oder? Ich habe noch ein Problem mit der Bestimmung der bronchialen Hyperreagibilität. Wir haben ja in der Arbeitsmedizin den Grenzwert für die PT20 FFH1 0,3 mg, sie haben in der Pneumologie einen höheren von 0,47. Ich plädiere auch für diesen 0,3-Wert und wollte es eigentlich nur unterstreichen. Ich hatte es damals vor zwei Jahren schon gesagt, dass das eigentlich der Wert ist, der auch beibehalten werden sollte. Es könnte natürlich ein Streit entstehen zwischen Pneumologen und Arbeitsmedi-zinern, die diesen höheren Wert nehmen. Es ist ja eigentlich ein Präventivwert, den wir hier drin haben. Und das zweite zu dieser UWH? Herr Bauer hat eine schöne Graduierung schon im Jahre 2000 veröffentlicht, wo er die Gerade der Hyperreagibiltät nach Konzentrationsstufen einstuft. Es wäre, glaube ich, sinnvoll, wenn man diese noch herein nehmen würde, gerade im Verlauf der Begutachtung könnte man dann eventuell ein Besserung nachweisen oder eine Verschlechte-rung. Das ist auf Seite 23, vorletztes Kapitel, mit dem 0,3 mg -Wert.

Thomas Köhler: Jetzt weiß ich nicht genau, ob ich Frau Preisser als „alter ego“ von Herrn Dr. Bauer bezeichnen darf, aber sie wird mit Sicherheit etwas dazu sagen.

Dr. Alexandra Preisser: Ich rede jetzt für jemand anderen, Herrn Merkt. Er hat dieses Kapitel ganz wesentlich mitgeprägt und wir hatten dann auch diese Dis-kussion der 0,3 mg. Und es steht ja deswegen eigentlich auch schon drin, dass dieses anzuwenden ist bei der Reservoirmethode mit dem Grenzwert 0,3 mg, wie er in der Leitlinie der arbeitsmediznischen Lungenfunktionsprüfung drinsteht. Es gibt eben andere Kollegen, die verwenden andere Tests mit auch anderem Equipment, Sie wissen das, was ist in dem Body selber drin und damit ergeben sich andere Dosierungen, die zu einer Hyperreaktivität führen. Ich denke, das ist darin berücksichtigt.

Prof. Dr. Elisabeth Borsch-Galetke: Ich denke, wir können damit Probleme be-kommen, wenn ein anderer Gutachter als Grenzwert diesen 0,47-Wert nimmt als Effektmaß. Der wird ja auch genommen, es ist ein Unterschied, ob ich jetzt bei der Höhe der MdE 10 Prozent oder 20 Prozent nehme, das ist immer wieder ein Streitproblem.

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Dr. Alexandra Preisser: Das ist aber ein Streitpunkt überhaupt. Ich denke, das ist ein Streitpunkt, den wir jetzt nicht in diesem Papier ausfechten können. Deswe-gen können wir nur darstellen, was im Moment aktuell ist.

Prof. Dr. Elisabeth Borsch-Galetke: Können wir denn die Graduierung reinneh-men?

Dr. Alexandra Preisser: Wir haben ja ansonsten Graduierungen nur reingenom-men, die wirklich großen Konsens haben. Also, aktuelle Referenzwerte, Leitlinien, die auch weit über Deutschland hinaus gehen. So eine einzelne Graduierung, es gibt keine andere, sie ist ja auch sicherlich gut, wir verwenden sie auch aber...

Prof. Dr. Elisabeth Borsch-Galetke: Aber wir haben ja keine Möglichkeit sonst festzulegen, hat sich das gebessert oder hat sich das nicht gebessert. Ich geh jetzt in die Praxis rein.

Dr. Alexandra Preisser: Dies kann man ja anhand der objektiven Dosis feststel-len.

Prof. Dr. Elisabeth Borsch-Galetke: Bei welchem Wert?

Prof. Dr. Harald Enzmann: Darf ich vielleicht als Außenstehender sagen, es gilt doch hier das webertechnische Gesetz, wenn Sie die Dosis verdoppeln oder ver-zehnfachen die Dosis, dann ist die Dosis nur doppelt so stark.

Prof. Dr. Elisabeth Borsch-Galetke: Darum geht es ja auch nicht. Bei der 0,3 bin ich froh, dass sie drin ist, aber es geht mir um die Graduierung nach unten. Wann habe ich eine Besserung? Das sind ja unter Umständen 10 Prozent MdE.

Thomas Köhler: Ich hatte den Eindruck, dass Herr Dr. Schaubschläger noch etwas dazu beitragen möchte.

Dr. Wolfgang Schaubschläger: Nee, das wäre jetzt ein anderes Thema.

Thomas Köhler: Dann bleiben wir erst hierbei. Und versuchen diesen Punkt ab-zuschließen. Herr Deimling, Sie finden den Stein der Weisen?

Dr. Andreas Deimling: Den Stein der Weisen nicht, aber ich glaube ein prak-tikables Vorgehen ist ja dann doch, dass man die Werte benennt und die Ver-änderung einfach beschreibt, ohne sich eines bürokratischen Instruments einer

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willkürlichen Einteilung zu bedienen. Ich halte Einteilungen und Graduierung da für sinnvoll, wo sie standardmäßig mindestens dreimal am Tag vorkommen. Bei Nachweis einer Besserung, einer doch etwas spezielleren Untersuchung, würde ich versuchen diese einfach durch den Verlauf zu belegen, indem man sagt: Es hat sich von 10 auf 5 oder wie auch immer gebessert, benenne das Ganze und damit sollte es eigentlich möglich sein, dies auch plausibel darzulegen.

Thomas Köhler: Dann kommen wir zur nächsten Frage, Herr Dr. Schaubschlä-ger, bitteschön.

Dr. Wolfgang Schaubschläger: Schaubschläger, Pneumologe und Arbeitsme-diziner, niedergelassen in Erlangen und Sachverständiger. Eine Anmerkung zur Belastungsuntersuchung mit Blutgasen. Ich mache die Blutgasuntersuchungen eigentlich immer unter Belastung, unter laufender EKG-Kontrolle, und ich sehe auch bei älteren Patienten häufig mal Rhythmusstörungen, irgendwelche kar-dialen Probleme, die dann zum Abbruch zwingen. Nach meinem Dafürhalten müsste die Belastungsuntersuchung immer mit EKG gemacht werden. Was jetzt hier aber nicht vermerkt ist.

Dr. Alexandra Preisser: Das soll in der Regel ja auch so sein, aber es gibt eben auch Patienten, die können nicht Fahrrad fahren und vielleicht haben wir auch kein Laufband und könnten das stationär nur am Fahrrad machen, da bleibt dann aber auch noch die Möglichkeit des 6-Minuten Geh-Test oder Geh-Test über-haupt mit Blutgasen. Da war unser Plädoyer, wenn man einen Geh-Test macht, dann zumindest mit Blutgasen. Aber da kann man dann kein EKG ableiten. Das ist dann das ärztliche Gewissen, dass man dann auch eine EKG Ableitung nach Möglichkeit macht.

Dr. Nicola Kotschy-Lang: Herr Schaubschläger, ich habe Sie so verstanden, dass Sie einfach in das Kapitel rein haben wollen, bei Blutgasen und unter Bela-stung, dass man da das EKG mitlaufen lassen soll. Denn wir haben unten in dem Kapitel die Belastung auch mit drin, den Satz kann man ja noch reinschreiben.

Thomas Köhler: Vielen Dank, das dient der Klarstellung. Vielen Dank Herr Schaubschläger für den Hinweis. Herr Münch, bitte.

Klaus Münch: Klaus Münch, BGRCI Heidelberg. Ich wollte noch einmal auf die Provokationstests zurückkommen. Es ist ja zum Ausdruck gekommen, auch heute in dem Referat, dass man da eine sehr zurückhaltende Indikation verfolgt wegen der damit verbundenen Gesundheitsverfahren. Es ist sogar redundant,

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auf Seite 28/29, was ethisch nicht zu rechtfertigen und medizinisch nicht zu be-gründen ist. Ich denke über Aufklärung finden sich da genügend Hinweise. Herr Beyer hat von antiquierten juristischen Formulierungen gesprochen, die hat er im Kapitel 1 wohl nicht entdeckt, aber hier, ich nehme an, das Kapitel wurde von Medizinern geschrieben, da wird dann von Duldungspflicht gesprochen, ich glaube auch dieser Begriff ist überholt. Da könnte man natürlich schreiben: „Nicht zumutbar“, da kommt man allerdings in Schwierigkeiten, die Indikation doch zu stellen. Also wäre der Kompromiss: „Können abgelehnt werde“, wie es im SGB steht oder sind „nicht wirkungspflichtig“. Der ganze gleiche Hinweis kommt noch einmal, „nicht duldungspflichtig“ bei der Bronchoskopie, natürlich müsste auch dann an der Stelle gelten, dass die entsprechende Aufklärung bzw. Dokumentati-on der Aufklärung eben so erforderlich ist, weil es eine invasive Untersuchung ist.

Thomas Köhler: Vielen Dank Herr Mönch, für diese Hinweise. SGB I ist hier an-gesprochen, ich denke, ohne den Verfassern da jetzt vorweg greifen zu wollen, dass ist sicherlich machbar. Dieser Ausdruck „duldungspflichtig“ hat natürlich eine hohe Verbreitungsdichte. Aber in der Tat geht die Terminologie weiter. Man kann das verbal auch, glaube ich, gut erläutern und zum Ausdruck bringen, was Sie hier angemerkt haben. Frau Palfner wir würden das entsprechend ja auch noch einmal in diesem Bereich umsetzen können. Das ist auf jeden Fall eine Klarstellung und eine Anpassung an die heutige Sprachweise. Vielen Dank. Ja meine Damen und Herren, wir sind ganz reibungslos übergegangen. Und das wäre mein nächster Aufruf hier, in das nächste Kapitel, das Kapitel 4, in das Kern-kapitel, Abschnitt „Begutachtung“. Da möchte zunächst eine Stelle aufrufen, die auch schon heute Morgen kurz erwähnt wurde, aber wir müssen sie noch einmal aufgreifen, weil sie eben so auffällig ist, auch für Nichtmediziner. Zur Medikation den Ansatz: die Diagnostik und die Kausalitätsbeurteilung, mög-lichst ohne die Medikamente. Aber bei der Funktionsbewertung anschließend mit Medikation – das ist die Kernbotschaft, die wir hier heraus ziehen können. Ist das allgemeiner Konsens? Dann schließe ich gleich die Frage an die Damen und Herren die gutachterlich tätig sind, es ist heute Morgen „colorandi causa“ mal angeklungen, aber ich glaube, wir müssen den praktischen Zweck noch ein biss-chen näher herausarbeiten. Wie geschieht es dann ganz praktisch in der Begut-achtungssituation, ist das eine zweizeitige Begutachtung, werden die Versicher-ten hier zweimal am selben Tag untersucht? Wie kann man das organisatorisch gerade unter den Gegebenheiten einer Klinik oder einer Praxis sicherstellen? Also diese beiden Aspekte, zum einem noch mal den theoretischen Ansatz - einmal ohne, einmal mit Medikation, und zum zweiten: Wie machen Sie das dann ganz praktisch? Wer kann uns hier helfen?

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Prof. Dr. Dennis Nowak: Ich halte es für außerordentlich problematisch, Seite 32 in der Mitte, zu schreiben: „Mit dem Einbestellschreiben sollte der Versicherte auf das Aussetzen der verordneten Medikamente am Untersuchungstag hingewiesen werden (...)“, da frage ich mich, erst einmal juristisch, ist das denn überhaupt wasserdicht, jemanden, den ich noch nie im Leben gesehen habe, kann ich dem denn einen Brief schreiben: Lassen Sie mal die Medikamente weg, setzen Sie sich morgens um fünf in den Zug und kommen Sie her und dann können wir mal schauen?“ Ich denke mal, juristisch ist das sicherlich problematisch, aber es ist auch medizinisch problematisch. Ich kann doch nicht einem Patienten...

Thomas Köhler: Herr Nowak, darf ich Sie auf den nächsten Absatz hinweisen, der da noch steht?

Prof. Dr. Dennis Nowak: Ja, den kenne ich. Aber dann kommt der Satz, den ich jetzt reklamiere „Rücksprache mit einem behandelnden Arzt“. Sie schreiben jetzt einem Patienten: „Aussetzen der verordneten Medikamente“, gemeint sind Atemwegsmedikamente, der Patient lässt aber sein Diabetesmedikament weg, sein Blutdruckmedikament weg. Der lässt alles mögliche weg, kommt an, mit einem hochroten Kopf und aus dem letzten Loch pfeifend. Ich finde, man kann einem Patienten nicht schreiben: „Lassen Sie mal alles weg und kommen Sie her.“ Ich würde sagen, es muss so gehen: Der Patient kommt wie er ist, und im Einladungsschreiben steht kein Hinweis auf die Medikation, außer dass sie wissen sollen, was sie nehmen und alle Schächtelchen mitbringen sollen. Ich denke, es kann nur ärztlich, medizinisch, menschlich anständig sein, dass man sich erst den Patienten anguckt, wie ihn Haus- und Fachärzte überhaupt erst einmal behandelt haben. Wenn es keinen Grund für die Medikation gibt, bzw. keinen ersichtlichen Grund, oder ich nicht weiß, ist jemals eine Obstruktion festgestellt worden, das ist ja gar nicht so selten, die Hausärzte geben Medikamente, die antiobstruktiv sind, aber haben nie eine Obstruktion gesichert. Dann kann ich mit dem Patienten und behandelnden Pneumologen und Hausarzt sprechen;: „Wir lassen das mal weg und gucken was passiert. Wenn es Ihnen schlechter geht, nehmen Sie einen Hub Sultanol, blasen Sie in Ihr Peak-Flow-Meter, zeigen das Ihrem Hausarzt und zei-gen es uns.“ Aber ich denke, es muss erst das ärztliche Gespräch stehen und die Untersuchung des Patienten, so wie er ist und nicht die schriftliche Aufforderung: „Lassen Sie alles weg und kommen Sie her.“ Ich finde, das geht nicht.

Dr. Michael Heger: Grundsätzlich Herr Nowak, der Patient ist uns nicht unbe-kannt. Sondern wir haben eine (zeigt 10 cm an) solch dicke Akte gehabt. Wir haben Lungenfunktionsbefunde, alles Mögliche ist da bereits schon bei vielen Pa-tienten ermittelt. Und auf einer solchen Basis, kann ich entscheiden, was ich in

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die Einladung rein schreibe. Also das war auch bei den Diskussionen durchaus gängig. Und es ist uns ja völlig klar, dass bei den Erstbegutachtungen, zu erst einmal, und das sind nicht schwerste Fälle, sondern wo sich überhaupt die Fra-ge nach der Kausalität stellt. Ist das überhaupt ein Asthma? Gerade bei diesen Erstbegutachtungsfällen kann man meines Erachtens durchaus so verfahren, viel-leicht muss man noch etwas deutlicher machen: Natürlich nur nach Rücksprache mit dem behandelnden Hausarzt/ Arzt. Vielleicht ist das im Wording nicht ganz gelungen, da sollte man vielleicht noch einmal umstellen:“...wenn eben möglich und wenn auch befürwortet, sollte er ( der Patient) ohne Medikation kommen.“ Ich meine, dass müsste möglich sein.

Prof Dr. Dennis Nowak: Also ist halte es nicht für praktikabel und auch nicht für wünschenswert, dass man vor der Begutachtung noch einmal zum Hausarzt läuft, denn der müsste dann ja mit der BG abrechnen, wenn wir es mal ganz korrekt betrachten. Diesen Konsiliartermin, das wird ja gar nicht praktikabel sein. Außerdem haben viele Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen, wenn es ein Asthma ist, inhalative Sterokortikoide, die eine Wirkung von zwei/ drei Wo-chen haben, nach Absetzung des Medikaments, d.h. das nur morgendliche Weg-lassen des Medikaments hat bei diesen gar keine Aussage. Deshalb passiert in der Regel nichts. Aber ich finde, da bliebe ich auch dabei, Sie können nicht einen Patienten, den Sie nur nach Aktenlage kennen, schreiben, er soll seine Medika-mente weglassen. Ich würde das als unärztlich bezeichnen. Ich denke mal, wenn die Ärztekammern das unter die Lupe nehmen, kriegen wir Ärger.

Thomas Köhler: Also wir versuchen das jetzt mal unter zwei Aspekten zu klären. Zum einen hat Frau Palfner sich zunächst gemeldet und da kann man sicherlich nach meinem Dafürhalten aus rein sprachlicher Sicht auf Seite 32 noch etwas korrigierend eingreifen. Würde dann aber den praktischen Aspekt von Dr. Schaub-schläger, der sicherlich einen guten Hinweis nach seiner langjährigen Praxis hat, gerne einfügen. Ich beginne mal mit Frau Palfner.

Stefanie Palfner: Herr Nowak hat natürlich mit seiner spitzen Zunge einen der Punkte erwischt, über die wir auch länger als nur fünf Minuten diskutiert haben. Von daher geben Sie mir hoffentlich zwei Minuten nachzuzeichnen, was alles für Gedanken in unserem Kopf dabei waren. Ansonsten wird es aber schwierig, die Diskussion hier vollkommen nachzuvollziehen. Wir haben eine idealtypische Vor-stellung, die lautet, wir bekommen frühe Anzeigen von Pneumologen und Arbeits-medizinern, die Hinweise haben auf Leute mit Atemwegsproblemen am Arbeits-platz. Diese sollen untersucht werden und kommen dann, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass es beruflich verursacht ist, in die Begutachtung. Häufig noch

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bevor eine Medikation stattgefunden hat, dann ist dieser Satz relativ harmlos. Das ist die idealtypische Wunschvorstellung, wenn alle Fälle sozusagen ganz früh kämen – Variante 1.

Abschließend, je länger der Verlauf, wird es natürlich umso problematischer. Wir kommen dann auch in die Frage, wie einfach und wie problematisch ist die Kau-salitätsbeurteilung. Wenn ich schon länger erkrankt bin und verschiede Faktoren noch eine Rolle spielen, der Arbeitsbezug offensichtlich nicht so eindeutig war, dass man gleich auf die Berufskrankheit und den Arbeitsbezug getippt hat, ist eine Begutachtung unter Medikation zur Beurteilung des Argens, zur Herstellung des Kausalzusammenhangs, natürlich extrem schwierig. Das sind die Fälle, wo hier auch ganz klar zwischen den Zeilen und an einer Stelle auch ausdrücklich steht, dass dann die stationäre Begutachtung an der Stelle auch das Mittel der Wahl sein sollte. Und in dem Spektrum dazwischen, haben wir eigentlich wirklich die Situation, dass man den Einzelfall entscheiden muss und dass wir sicherlich hohe Ansprüche als UV-Träger an die Gutachter stellen, wenn wir erwarten, dass man eine Akte, die einem übermittelt wird mit dem Gutachtenauftrag liest, bevor man das Einbestellungsschreiben einfach rausschickt. Das war eine lange Dis-kussion und wir sind am Ende dabei rausgekommen, wo wie wirklich schrittweise in den verschiedenen Absätzen versucht haben, dies darzustellen. Es geht nicht darum, jemanden in eine Gefährdung zu bringen oder in eine Situation zu bringen, die irgendwie negativ für ihn sein soll und an der er sich mit Schrecken erinnert: „Damals als ich zum Arzt musste und schon vorher auf dem Weg dahin, blau an-lief.“ Das ist sicherlich nicht der Fall und da bin ich mir sicher, dass der Gutachter, der sich diese Akte vorher anguckt, diesem Mann schreibt, „bitte nimm nichts“. Das ist zusammengefasst das, was die Arbeitsgruppe hier intensiv diskutiert hat, Herr Raab und Frau Kotchy-Lang können da hoffentlich zustimmen, dass ich das jetzt so richtig wieder gegeben habe. Da ist eine Bandbreite drin, das muss man einfach ganz klar so sehen. Und wir reden über sehr viele Fälle mit unterschied-licher Ausprägung, die hier abzubilden sind.

Thomas Köhler: Jetzt noch aus der praktischen Sicht heraus, hatte sich zu-nächst Herr Dr. Schaubschläger gemeldet. Wie machen Sie das ganz praktisch?

Dr. Wolfgang Schaubschläger: Aus der Sicht des ambulanten Gutachters stim-me ich voll mit Prof. Nowak überein. Ich werden niemals einen Patienten - den ich nie gesehen habe, wo ich nur die Akte gesehen habe, vielleicht sogar mit einer normalen Lungenfunktion - schriftlich empfehlen, die Medikamente abzusetzen. Die Verantwortung, die trage ganz allein ich als Arzt, die kann ich weder den Richtlinien noch der Berufsgenossenschaft aufbürden. Es geht sicherlich zehnmal

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gut, dass der Patient die Medikamente absetzt und zu mir kommt, aber der elfte Patient, der hat ein Problem, und dann bin ich letztendlich der Verantwortliche. Dies kann ich ärztlich nicht akzeptieren.

Thomas Köhler: Wir sehen bei 4.2 am Ende, auch die Formulierung: Bei einem „(...) schweres Krankheitsbild“, wird explizit sagt, „(...) keine Empfehlung zur Aus-setzung der Medikation“ zu geben. Man hat sicherlich versucht von Seiten der Autoren auf diese differenzierte Ausgangssituation einzugehen. Und natürlich will man auch und kann man dem Gutachter nicht alle Entscheidungen vorweg neh-men, sondern sollte auch die Einzelfallbeurteilung ausreichen lassen.

Dr. Nicola Kotchy-Lang: Darauf wollte ich gerade zurückkommen. Ich denke auch, dass in der Praxis Patienten, egal was in dem Einbestellungsschreiben steht, mit Medikation kommen und man sollte doch dem Gutachter die Freiheit lassen, zu sagen: ich brauche den jetzt in 14 Tagen oder drei Wochen noch ein-mal und traue mich das inhalative Kortikoid abzusetzen. Nachdem ich ihn auch erst einmal untersucht habe, gesehen habe und mache jetzt noch einmal den BHR Test, nachdem ich dass 14 Tage oder drei Wochen abgesetzt habe. Unter der Prämisse, ob ich dann ein intermittierendes Asthma oder Asthma bronchiale habe, diesen Spielraum sollt man doch dem Gutachter geben.

Prof. Dr. Heinrich Worth: Ich finde das ganz gut. Ich würde zusätzlich anregen, dass man in dem Schreiben, wenn es ums Absetzen geht, den Rettungsanker mit reinschreibt, dass man im Bedarfsfall das und das inhalieren kann, das hilft Probleme zu lösen. Da kommen Patienten über einige Tage bis Wochen ganz gut zurecht. Und das man klar macht, dass es um die Atemwegstherapeutika geht. Denn ich sehe auch, dass alles abgesetzt wird. Das kann durchaus problematisch sein.

Thomas Köhler: Ich höre gerade, es steht wohl hier drin, im vorletzten Absatz von 4.2, dort ist etwas doch dargestellt. Also ich würde Folgendes vorschlagen, speziell zu diesem Diskussionsblock, der enorm wichtig ist, weil es hier bis zur ärztlichen Ethik geht, wir haben dies ja nun auch gespürt. Dass man nochmals anhand der Niederschrift, durchaus noch einmal Gedanken macht, ob alle Facet-ten, die zu recht genannt worden sind, eins zu eins durch den Wortlaut abgebildet sind. Vielleicht muss man noch ein bisschen nacharbeiten, noch ein bisschen herausarbeiten, aber wenn man die Absätze insgesamt liest, bekommt man doch ein sehr schönes differenziertes Bild. Ich denke, das kann man feststellen.

Prof. Dr. Heinrich Worth: Ich hätte vielleicht noch einen Vorschlag, im zweiten

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Satz einfach dazuzufügen: Die Entscheidung zu dieser Maßnahme ist eine in-dividuelle ärztliche Maßnahme. Dann ist das eigentlich entschärft. Nur weil ich am Anfang der Sitzungen nicht gleich dabei war, dass diese Missstimmigkeit nur zwischen uns entsteht, weil man den ersten Satz liest und dies geht einem dann gleich wieder „gegen den Strich“. Wie bei Herrn Nowak auch, geht mir das auch so. Wenn man weiter liest, merkt man eigentlich, dass es sich wieder aufhebt. Aber man ist erst einmal im Stress drin, wenn man den ersten Satz gelesen hat.

Thomas Köhler: Wir haben jetzt noch eine Diskussion zur Kausalität. Auch die Kausalität möchte ich hier aufrufen. Das sind die Kapitel 4.4 und 4.5: Beurteilung der Kausalität. Ein Kernstück auch für die Verwaltung, ein Kernstück für den Gut-achter. Jetzt möchte ich mal gerne an Herrn Dr. Heger die Frage richten: Kau-salitäten können Sie als Gewerbearzt selbst beurteilen oder Sie prüfen es nach. Halten Sie die Empfehlung an dieser Stelle für klar und transparent genug? Es ist ein Kernelement, wir sollten wirklich gemeinsame Meinungen erzielen.

Dr. Michael Heger: Gerade dieses Kapitel hat mir auch sehr am Herzen gele-gen, weil wir nun auch mal die Möglichkeit haben, die vielen Gutachtern ver-wehrt ist, wir können natürlich gleichzeitig auch an den Ort der Tat gehen und können uns, bevor wir zum medizinischen Teil Stellung nehmen, auch gleich die entsprechenden Arbeitsplätze ansehen und können auch genau die Verhältnisse dort beurteilen. Aus der gewerbeärztlichen Erfahrung habe ich häufig, gerade bei den chemisch irritativen Noxen gesehen, dass leider Gottes in vielen Bereichen die Frage der Dosis-Wirkungsbeziehung zweifellos da ist, in der Beurteilung aber untergeordnet beurteilt wird. Da reicht ein geringer Hinweis auf einen, z.B. Sta-säureanhydrid, Taucht er irgendwo in einem Sicherheitsdatenblatt auf, um eine Kausalität zu bejahen. Geht man dann wirklich etwas näher in s Detail, stellt man fest, Stasäureanhydrit war zu 1, 5 Prozent in einer Paste, vielleicht am Tage nur 10 Minuten angewendet wurde, und da frage ich mich dann auch, hat man sich eigentlich mal Gedanken gemacht, ob dieser Stoff überhaupt in die Atemwege gelangen konnte? Hat da überhaupt eine Exposition im engeren toxikologischen Sinne bestanden? Dass ich dem ausgesetzt gewesen bin, ist eine Frage. Aber die Frage: Hat das tatsächlich meine Atemwege erreicht, ist eine andere. Wenn man sich gerade der Frage bezüglich Mehlallergien ansieht und draußen immer wieder gegenkoppelt – was ist denn da draußen eigentlich los – stellt man auf der einen Seite teilweise fest, mein Gott, das sind ja abenteuerliche Verhältnisse, das ist kein Wunder, dass der was bekommt. Auf der anderen Seite stellt man fest, das sind ja fast sehr gute arbeitshygienische und befriedigende Verhältnisse. Aber leider Gottes, und dies sollte hier Anwendung finden, findet man es nicht dokumen-tiert im Gutachten, weil der Patient häufig relativ wenig danach gefragt worden

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ist. Meine Erfahrung zeigt und viele der arbeitsmedizinischen Kollegen, dass man sich wirklich mal die Zeit nimmt, eine Stunde, eine arbeitsmedizinische Anamnese zu machen, da braucht man sich viele andere Fragen gar nicht mehr zu stellen. Vieles wird sofort klar. Wenn man aber das unterlässt, kann man aber durch alle weiteren Untersuchungen nicht diese Klarheit bekommen, wie eigentlich durch die Anamnese, auch für die Kausalitätsbeurteilung. Wenn man eine Kausalitäts-beurteilung zutreffend machen muss, muss man sich auch der Mühe und der Last unterziehen, sich mit den Arbeitsplatzverhältnissen zu beschäftigen.

Thomas Köhler: Das ist natürlich auch der Appell an die Verwaltungen, deren Präventionsdienste auch dazu aufgefordert sind, die Arbeitsplätze plastisch „ad occulus“ vorzustellen. Denn ich glaube, das ist die Aufgabe. Nicht jeder Arzt kann dann auch vor Ort das machen, Herr Heger, Sie können das und tun das als Gewerbearzt, aber ich denke, der ansonsten niedergelassen Gutachter, wird das in der Weise nicht tun können. Aber, wie gesagt, dafür haben wir ja andere Instru-mentarien bei den Bogen, um genau dieses Element der Sicherung, der Expositi-onsverhältnisse tatsächlich zu gewährleisten. Vielen Dank dafür. Darf ich noch einmal fragen im Auditorium, Stichwort ist die Kausalität, gibt es dazu noch Anmerkungen? Lieber Herr Raab, bitteschön.

Dr. Wolfgang Raab: Also die Anmerkung von Herrn Dr. Heger, die Anamnese ist das A und O kann man nur immer wieder unterstreichen. Aber natürlich wird der Versicherte, wenn das Verfahren vielleicht auch schon länger geht, einem Gut-achten sehr wortreich und sehr plastisch schildern wie schlecht die Arbeitsver-hältnisse waren, wie alles belastend war und das kann der Gutachter u.U. schon nicht einmal differenzieren können und wird es dem Patienten auch glauben. Das ist jetzt meine Botschaft an die BG zurück, wenn er das jetzt offensichtlich an Bedeutung überschätzt, dann hat ja die BG auch noch einmal die Aufgabe oder Möglichkeit zu sagen, mit dem technischen Aufsichtsbeamten und dann muss man da noch einmal nachfragen.

Thomas Köhler: Meine Damen und Herren, ich würde jetzt gerne die Seite 40 aufrufen. Herr Nowak, Entschuldigung.

Prof. Dr. Dennis Nowak: Es ist mir noch ein Bedürfnis zum dem Einwand von Herrn Richter Jung, der auf Seite 38 steht, wenn Sie einverstanden sind, ange-sprochen werden könnte, da gäbe es noch ein, zwei, Wörtchen zu sagen. Das Kapitel heißt „Kausalitätsbeurteilung unter Belastung bei chemisch irritativen oder toxischen Stoffen oder Stoffgemischen“ und Herr Richter Jung hatte ja das The-ma Passivrauchen als Sonderproblem. Und da würde ich, ohne dass wir jetzt

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auf ein Nebengleis geraten und weltanschaulich werden, ganz und gar nicht, würde ich nur gerne sagen: Passivrauch ist nicht ein Sonderproblem, was die Noxe betrifft. Es ist ein Sonderproblem, was den speziellen UV-Träger betrifft. Aber Passivrauchen ist ein chemisch irritativ oder toxisch wirkender Stoff, wie er im Buche steht. Chemisch irritativ und toxisch es gibt viele Belege - experimen-tell, tierexperimentell, beim Menschen irritativ und toxisch – es ist ein Stoff, der wenn Expositionsverhältnisse und Krankheitsbild konform sind, locker unter der BK 4302 medizinisch subsumierbar ist. Es ist gerade vor zwei, drei Wochen eine Metaanalyse erschienen, die ein nahezu Verdopplungsrisiko für COPD bei lang-jähriger Passivrauchbelastung gezeigt hat. Also, ich würde meinen, Passivrauch ist kein Sonderproblem. Stofflich.

Hans-Peter Jung: Ja, hatte ich auch so nicht gesehen. Ich wollte darauf hin-weisen, dass eben dann das inhalative Rauchen nicht als unversicherte Konkur-renzursache, sondern als versicherte Noxe in Betracht kommt. Woran mir gele-gen war, deswegen habe ich das auch positiv empfunden, was Herr Dr. Heger noch ausgeführt hat, ist, dass zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, d.h. also schon im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren, einmal dokumentiert wird: Die Arbeitsplatzanalyse; Frage, belastungskonformer Verlauf der Erkrankung und dann natürlich auf der anderen Seite auch, dokumentiert wird, ob und inwieweit Konkurrenzursachen bei jemandem, der nicht Gastwirt ist usw., Rauchen noch eine Rolle spielt. Denn vier, fünf, sechs Jahre später in erster oder zweiter In-stanz des gerichtlichen Verfahrens, wird es schwierig, auch für Sachverständige, das noch nachzuvollziehen, was vor etlichen Jahren gewesen ist. Deswegen war der Wunsch, den ich äußerte, dass dies auch in der Begutachtungsempfehlung zum Ausdruck gebracht wird, soweit der Gutachter im Verwaltungs- und Wider-spruchsverfahren angesprochen ist.

Thomas Köhler: Vielen Dank. Also beide Aspekte sind, wenn natürlich auch ganz unterschiedlich, zu würdigen. Zum einen das Passivrauchen und das Aktivrau-chen, das sind völlig, auch rechtlich, unterschiedliche Wirkungen, an dieser Stelle. Beides muss differenziert betrachtet werden.

Dr. Joachim Sültz: Sültz aus Neuseß. Weil wir über das Rauchen und das Pas-sivrauchen reden. In dem Programm, was Sie hier technisch darstellen, wird eine einfache Methode nicht erwähnt. Sie reden zwar von CO-Hb, was Sie messen können, dass ist aber eine relativ teure, zusätzliche Einrichtung und setzt ein Blut-gasgerät voraus, das praktisch niemand hat. Die niedergelassenen Ärzte haben praktisch nie die Möglichkeit, CO-Hb separat in den Blutgasen zu messen. Aber es gibt natürlich die Möglichkeit den CO-Gehalt in der Atemluft zu messen, und

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das ist mit 350 für so ein Gerät, gut handhabbar. Und wir alle wissen, die wir mit Gutachten zu tun haben, dass die Menge des Tabakrauchs, die Menschen inha-liert haben, mit der Zeit anamnestisch immer geringer wird. Es waren ursprünglich mal 40 Päkjes und irgendwann geht das immer weiter runter, wenn die Dinge strittig sind, oft ist es nicht einmal ganz klar, haben die Leute wirklich aufgehört zu rauchen. Und obwohl ich eine sehr empfindliche Nase habe und solche Dinge ganz gut rieche, geht mir doch der eine oder andere flöten. Das Messen des CO-Gehalts mit einem einfachen Gerät, ist wunderbar ist praktikabel und taucht aber in dieser Empfehlung nicht auf. Denn damit können Sie sehr gut gucken, ob jemand in den letzten 12 Stunden vor der Untersuchung geraucht hat.

Dr. Alexandra Preisser: Ich kenne mich jetzt nicht genügend aus mit dem CO in der exhalierten Luft, aber zu den CO-Hb gibt es eine Untersuchung aus dem Ibe-rer aus Bochum, dass die Korrelation nicht so richtig eindeutig ist zum Rauchkon-sum, dass es zwar schon steigt, aber man kann das nicht direkt mit dem Faktor entsprechend belegen. Deswegen weiß ich jetzt nicht, ob es entsprechend klare Studien gibt für das exhalierte CO.

Prof. Dr. Dennis Nowak: Mein Vorschlag wäre, das man relativ einfach im Ab-schnitt 3 „Diagnostik“ mit reinsetzt, „gegebenenfalls kann es hilfreich / sinnvoll/ nützlich sein, das Rauchen (gegebenenfalls, Ausmaß der Passivrauchens) zu ob-jektivieren mit dem CO in der Ausatemluft oder CO-Hb oder Kodein im Harn“. Dann haben wir es mit drin und man kann das machen, was man für passend hält. Wenn unklar ist, ob jemand aktuell raucht, das sollte man dazu sagen. Es kann hilfreich sein, den aktuellen Raucherstatus zu objektivieren, bzw. Status der Passivrauchenexpostion zu objektivieren, indem CO in der Ausatemluft, CO-Hb, bzw. Kodein im Harn bestimmt wird.

Günter Sonnenschein: Kurze Bemerkung. Seite 38 in der Zeile 29 stehen die MAK-Wert Begründungen. MAK-Wert Begründung ist die Senatskommission, rechtlich verbindlich sind die Gefahrenstoffverordnung an ihren AGWs. Ist wirklich die MAK-Wert Begrünung hier gemeint?Weil der Arbeitsplatzwert ja ein anderer ist als der MAK-Wert.

Dr. Michael Heger: Lieber Herr Sonnenschein, hier ist gemeint die große Ar-beit, die die DFG Kommission sich macht, und man findet nur in den MAK-Wert Begründungen auch Hinweise, dass man drei- , vier-, fünf- und achtfachen des MAK-Wertes erst bestimmt, wenn toxikologische Effekte losgehen. Das finden Sie leider Gottes nie, in dem Bereich der stattlichen Begründungen und deswegen sind die Hinweise darauf. D. h. die Frage der atemwegsreizenden Konzentration

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ist nicht identisch mit dem Grenzwert. Ob nun der offizielle Grenzwert oder den von der MAK-Wert Kommission vorgeschlagene, aber in diesen Begründungen finden Sie Hinweise darauf, bei diesem und jenem Stoff geht die Atemwegsrei-zung/ Schleimhautreizung, bei den und den Konzentrationen los. Das war der Sinn dieses Satzes.

Günter Sonnenschein: Also abweichend von der Gefahrenstoffverordnung?

Dr Michael Heger: Ja, das war genauso gemeint. Aber wir können es vielleicht irgendwie ein bisschen verdeutlichen.

Thomas Köhler: Gut, wir kommen zum Kapitel 5. Es ist überschrieben mit der MdE. Bevor wir uns mit der Tabelle beschäftigen. Moment, die MdE ist 4.6. Bevor wir uns hier mit der MdE in den unteren Atemwegen beschäftigen, meine Damen und Herren, auch, damit wir das nicht vergessen. Frage an Herrn Prof. Enzmann, er hat es vorhin schon einmal anklingen lassen, aber ich möchte es wirklich gerne klar wissen. Sind die oberen Atemwege ausreichend wiedergegeben aus Ihrer Sicht, können Sie, können Ihre Fachkollegen damit leben?

Prof. Dr. Harald Enzmann: Meine Fachkollegen können damit sehr gut leben, die wissen, 10 Prozent ist nur die allergische Rhinitis, wenn wirklich die Krankheit im Bereich der oberen Atemwegen, was extrem selten ist, z.B. die Nasenneben-höhlen betrifft oder Spätschäden der Nase auftreten, eine Anosmie auftritt, sollten Sie es eigentlich wissen, dass Sie es extrem mit berücksichtigen müssen, in den entsprechenden Tabellen, die wir z.B. im Feldmann finden.

Thomas Köhler: Das dürfen wir festhalten für diesen Teil. Dann rutschen wir ein-fach mal in der Physiognomie etwas nach unten, gehen zu den unteren Atem-wegen. Denken Sie bitte nun auch noch einmal an die Ausführung von Frau Dr. Preisser heute Morgen und an das Chart, was wir auch hier haben. Zunächst mal, sowohl das Chart an sich, aber wir haben ja dann auch Erläuterungen im Chart und zwar auf der Seite 43 und auf der Seite 45, beide Seiten muss man mitlesen. Wenn man die nicht ganz einfache Tabelle sehen möchte. Manch un-fallchirurgischer Gutachter hat es da wesentlich einfacher, Sie müssen in der Tat auch eine sehr klar Wertung der verschiedenen Parameter vornehmen, das wurde heute Morgen auch zum Ausdruck gebracht. Jetzt meine Frage an die gutachter-lich Tätigen, zunächst mal am Podium. Es ist ja diskutiert worden, heute Morgen auch angesprochen worden, nochmals die Einstiegs MdE von 10 Prozent - auch ohne funktionelle Einschränkung, wohl aber mit ausgeprägtem Allergenspektrum, hohen Sensibilisierungsgrad - das war die Berechtigung, so habe ich es verstan-

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den in Prozent. Wie ist die Diskussion in der Gruppe verlaufen, ich denke, es war etwas kontrovers, könnte ich mir vorstellen und es ist relativ neu in der UV zu sagen: Wir haben hier keine funktionellen Einschränkungen gehen dennoch in einen entschädigungsfähigen Ansatz, wenn aus einem anderen Versicherungsfall noch eine weitere zehnprozentige MdE dazu kommt. Dafür sagen, dass ist jetzt auch für die verschiedenen Fachgesellschaften, die hier am Tisch vertreten sind, einhellige Meinung, dann müssen wir dies auch mal explizit ausdrücken.

Prof Dr. Harald Enzmann: Meines Wissens ist 10 Prozent noch nicht entschädi-gungspflichtig, erst ab 15 Prozent ist eine Stützrente vorhanden?

Thomas Köhler: Ich hatte es ja gerade gesagt, 10 Prozent sind relevant, wenn aus einem anderen Versicherungsfall noch einmal mindestens 10 Prozent dazu kommen.

Prof. Dr. Harald Enzmann: Immer noch nicht. Es muss 15 Prozent sein.

Thomas Köhler: In der Unfallversicherung schon. Es gibt einfach unterschiedliche Sätze in den unterschiedlichen Sozialversicherungszweigen, dies muss man ein-fach ein bisschen differenziert sehen. Bleiben wir noch einmal bei dieser Frage der 10 Prozent. Sie wirken ja erst einmal so ein bisschen provokativ, wie sie dastehen. Wer möchte sich mal von der Fachgesellschaft äußern?

Stefanie Palfner: Ich würde an dieser Stelle vorweg die Diskussion zusammen fassen, weil die natürlich in der Arbeitsgruppe auch ein bisschen intensiver war. Hier muss man, glaube ich, Sätze gebetsmühlenartig wiederholen, nicht nur für diese Begutachtungsempfehlung sondern auch für viele andere. Die MdE - Er-mittlung ist eine integrative und Sie müssen alles gemeinsam betrachten und Sie können nicht in der einen Spalte sagen: Normalbefund, in der nächsten Grenzbe-reich, in der nächsten normaler Druck und dann noch keine Medikation und keine Beschwerden und kommen dann bei 10 an. Also so wird das Ganze nichts. Es ist so, dass man vor der 20er Stufe sagen muss, da gibt es schon Einschränkungen. Es gibt die Diskussion: Ich habe geringe Beschwerden, unter Therapie keine. Das ist ein Faktor, wo man schon sagen kann, das ist eine Beeinträchtigung und da muss man nicht so tun, als wäre das noch gar nichts wofür man MdE bekommt. Der nächste Punkt BK 5101. Was verbindet die beiden? Einen Aufgabezwang. Wenn wir eine MdE feststellen, reden wir bei dieser Erkrankung über jemanden, der aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkung seine Tätigkeit aufgegeben musste (Aufgabezwang) und zumindest diese und alle anderen Tätigkeiten mit den Stoffen, die diese Aufgabe hervorgerufen haben, entfallen für ihn. Von daher

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ist es sicherlich keine Frage, dass wir hier über eine Diskussion Null reden. Wenn jemand aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigung seine Tätigkeit aufgeben musste. Dies sind alle erst einmal Rahmenbedingungen in diesem Setting. Wir haben dann intensiv diskutiert.

Thomas Köhler: Also jetzt war ja schon die Rede vom letzten Wort. Aber ich darf zunächst, bevor es Herr Nowak hat, zu diesem Thema zumindest, habe ich den Eindruck, dass mein Kollege Herr Piasecki sich zu Wort drängt.

Hans-Jörg Piasecki: Piasecki, BRCI. Die Frage, die aufgeworfen ist, ist zunächst einmal eine rechtliche Frage. Deswegen, ich muss es aus der Erinnerung nehmen, steht doch vorne drin, dass MdE im Kern immer voraussetzt – „pathologischen Grades funktionsanalytische Einschränkung“. Wir hatten das Problem, bei der Si-likose, z. B. in der Bochumer Empfehlung zu lösen. Wir lösten es, indem wir Aus-gangsbefunde, hier wird das noch so allgemein in der Übersicht dargestellt mit Grenzwert u. ä, schon an einzelnen Parameter einen beginnenden pathologischen Befund festmachen konnten, (zugegebenermaßen, beeinflussbar von der Mitar-beit des Versicherten), aber diese können mir erste feststehende / überzeugende Anhaltspunkte geben. Und das fehlt mir hier so ein bisschen. Wenn ich sage, das brauche ich hier nicht. Und ich bekomme eine weitere Darstellung vor der Tabelle zu dem Bereich der unteren und oberen Atemwege, dann Sachverhalte geliefert, dann muss, wenn ich im Gesamtpapier darstelle, in irgendeiner Form plausibel machen, warum dieser Kategorie als rechtlich beachtlich, als 10 Prozent MdE zu bewerten / betrachten sind. Das fehlt mir hier so ein bisschen. Da habe ich diesen Nachspann nicht hinter der Tabelle, wo ich anhand von drei oder vier Beispielbe-funden etwas festlegen kann.

Thomas Köhler: Prof. Brandenburg, würden Sie dies so bestätigen?

Prof. Dr. iur. Stephan Brandenburg: Ja, ich möchte das bestätigen. Die Darstel-lung bei den 10 Prozent ergibt auch für mich noch insgesamt kein schlüssiges Bild. Selbstverständlich ist es so wie Frau Palfner gesagt hat, wenn wir es nicht mit einem Versicherten zu tun haben, der nicht mal unter Belastung Beschwerden hatte, bei beruflicher Exposition, dann kann ja kein Fall daraus werden. Das ist klar, also hat er irgendwo anamnestisch mal Beschwerden gehabt. Jetzt hat er offenbar klinisch einen Normalbefund und dann fragt man sich, wo sind ihm jetzt 10 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland verschlossen? Das würde da ja raus kommen, das kann natürlich über ein Sonderkriterium sein, das muss aber hier nicht der Fall sein. Richtig ist aber die Verbindung zum Thema Sensibilisierung. Die greift aber nur bei der BK4301. Lassen Sie mich dazu auch noch einen Wunsch

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äußern: Wenn wir diesen Aspekt der Sensibilisierung mit aufnehmen, wofür ich mich ja selber über den Bfk Berufskrankheitenausschuss ausgesprochen hatte und die haben das dann ja auch getan, dann fällt mir allerdings auf, dass dort die wissenschaftliche belastbare Aussage über die Verbreitung der Allergene auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vielleicht noch nicht so ganz befriedigend ausgefallen ist. Sie haben im Konsens festgestellt, dass ein Sensibilisierungsspektrum von mehr als 10 von 100 nicht erreicht wird. Das ist sicherlich erst einmal eine gute Aussage, ich möchte aber daran erinnern, die Dermatologen, die arbeiten seit langer Zeit an diesem Thema und die machen das so, dass sie dann wirklich die Allergene durcharbeiten und in wissenschaftlichen Publikationen darlegen: Was wissen wir über die Verbreitung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, das dann auch aktualisieren, daraus dann eine Aussage ableiten und dann kann man guten Gewissens in der Begutachtungsempfehlung Bezug nehmen. Das kann man jetzt nicht „ad hoc“ nachholen, und es ist deshalb an dieser Stelle ein Wunsch an alle Vertreter, die hier sind, vielleicht in Analogie zu dem wie es die ABD tut bei den dermatologisch relevanten Sensibilisierungen auch mal Veröffentlichungen nach-zuschieben, aus denen sich die Richtigkeit dieser Aussage dann ergibt.

Dr. Alexandra Preisser: Ja, ich möchte noch einmal darauf eingehen, was in dem Papier auch steht und was ich auch vorhin dargestellt habe. Zum einen, dass sich die MdE nicht nur auf Funktionseinschränkungen bezieht, im Kapitel 4.62 steht das auch, sondern auch durch die Berufskrankheit verschlossenen Arbeitsmög-lichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Ich denke, das hat Herr Brandenburg auch schon mit einbezogen und dann da die Allergene genannt, als mögliche Weiterverbreitung von Allergenen, das hatten wir dann auch so be-schrieben im Kapitel 4.64, dass dieses ein ausgeprägtes Allergenspektrum und hohen Sensibilisierungsgrad und MdE von 10 Prozent gegeben sein kann. Es heißt nicht, dass die immer automatisch ist, sondern gegeben sein kann, d.h. man muss sie dann auch begründen, diese Einschätzung. Auch die BK4302 kann zu einer Einschränkung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt führen, weil man da-mit Tätigkeiten mit Staubexpositionen mit chemisch irritativen Stoffen nicht mehr durchführen kann. Das muss eben berücksichtigt werden. Vielleicht gibt es dazu aber noch weitere Beispiele.

Norbert Erlinghagen: Erlinghagen, BGRCI, Köln. Ganz konkret dazu: Dieses Thema geistert in allen Lungen-Bken durch, solange ich schon in dem Geschäft zuhause bin und das sind mindestens zwei Jahrzehnte. „Ohne Funktionsein-schränkung“ nur wegen der Tatsache, dass Allergiesierungen da sind oder in anderen BKen beispielsweise einen Grundbefund im Sinne einer Asbestose da sind, ist bisher eine Entschädigung nicht erfolgt. Auch wenn es immer wieder

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postuliert wird und gefragt wird. Es gehört immer die Funktionseinschränkung dazu. Und bei der Bemessung der Entschädigung wird dann auch die Einschrän-kung auf dem Arbeitsmarkt zugefügt und bei der Bemessung festgestellt, welche Anteile des Arbeitsmarktes verschlossen sind. Dies ist genau der Punkt, den der Kollege Piasecki gerade meinte, die Tabelle, so wie sie jetzt ist, wenn sie als Ta-belle benutzt würde, was sie ja nicht werden soll, aber die Gefahr besteht, dass dies passiert, würde bedeuten: Ich äußere Beschwerden, ich finde kein klinisches Substrat dafür, ich habe keine Messwerte und am Ende kommt möglicherweise doch raus, dass eine MdE gewährt wird. Ob nun zurecht oder nicht, sei dahinge-stellt. Möglicherweise ist dann die Tabelle auch falsch verstanden worden. Letzte Bemerkung, das ist bereits gesagt worden, wir haben hier zwei BK-Tatbestände mit Aufgabezwang. Ich frage mich, welche objektiven Kriterien einen Gutachter veranlassen können, einen Aufgabezwang zu bejahen, wenn er ansonsten nach der Tabelle, bezogen auf die MdE, im Grunde keine tatsächlichen Grundlagen dafür findet? Das kann dann eigentlich nicht so gut zusammen passen, da bitte ich auch um Erläuterung, das habe ich so nicht verstanden.

Dr Michael Heger: Ganz einfach, nehmen wir ein simples, einfaches Beispiel: Jemand hat eine Mehlallergie und beim Betreten der Backstube fängt die Nase an zu laufen, die Augen werden rot und und und. Dann droht auf jeden Fall der Etagenwechsel, und alleine dieses Faktum ist ausreichend, um zu sagen, da be-steht der objektive Aufgabezwang, wenn ich an den Arbeitsplatzverhältnissen, das setzte ich jetzt mal voraus, nichts ändern kann. Dann habe ich keinen Befund, in der Begutachtung hat dieser überhaupt gar nichts. Nur beim Provokationstest reagiert er. Sonst ist er klinisch gesund. Der hat nicht einen einzigen dauernden Funktionsausfall.

Dr. Andreas Kranig: Ich denke, einmal gibt es doch einen erheblichen Unter-schied wegen des Unterlassungszwangs zwischen den Bochumer und Falken-steiner Empfehlungen einerseits und der Reichenhaller Empfehlung anderseits. Vielleicht ein Vorschlag, wie man das, was gerade angesprochen worden ist, in die Tabelle einarbeiten kann. Hier könnte man sagen, „unter Therapie und unter Expo-sitionskarenz, keine Beschwerden“, „bei Exposition natürlich Beschwerden“. Dies ist doch der entscheidende Punkt. Also, dass man das an der Stelle etwas an-reichert, damit es auch wirklich in unsere Gesamtsystematik passt. Wenn ich nur lese „praktisch nichts“ dafür 10 Prozent MdE, so ist es doch auch nicht gemeint. Sondern es muss eine ernstzunehmende Erkrankung vorliegen, die aber eben nur unter Exposition zu Beschwerden führt und die zum Unterlassungszwang führt. Dies wird sicherlich die Ausnahme sein, weil ja der Unterlassungszwang erst ein-mal in Stufen als „ultima ratio“ zu erarbeiten ist und vorher viele andere Stufen, der

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Individualprävention zu durchlaufen haben. Hoffentlich bekommt man es anders in den Griff, aber wenn es denn wirklich, und das ist die Grundvoraussetzung, nicht anders in den Griff zu bekommen ist, als mit Unterlassungszwang, dann sind 10 Prozent MdE nun nicht die Welt, nichts was für den Versicherten nun wirklich eine Hilfe ist. Das muss man sich ja auch mal sagen.

Thomas Köhler: Das wäre, so wie ich es hier verstehe, eine systemkonforme Beschreibung. Ich habe durchaus auch den Eindruck, Frau Preisser, dass das durchaus in Ihre Überlegungen reinpassen könnte, ist das so?

Dr. Alexandra Preisser: Das passt sehr gut rein. Bis auf vielleicht eine kleine Anmerkung „unter Exposition Rhinitis“, Beschwerden heißt ja jetzt nicht, dass der unter Exposition einen schweren Asthmaanfall bekommt. Weil dann wäre er ja schon in der MdE. Wenn man sagen würde „unter Therapie keine Beschwerden bei Exposition“ nicht Rhinitis, sondern mehr, dann wäre es auch mehr MdE. Wir müssen das schon eingrenzen auf die Rhinitis und nicht pauschal Beschwerden.

Prof Dr. Dennis Nowak: Ich würde gerne noch Seite 42 oben, das Thema „Vor-schaden“ behandeln. Da steht natürlich richtig: „Arbeitsmöglichkeiten, die dem Versicherten wegen seines Gesundheitszustand des bereits vor Eintritt der BK verschlossen waren, sind dabei nicht zu berücksichtigen.“ Aber jetzt der nächste Satz ist meines Erachtens noch missverständlich, da steht: „Bei einem Versicher-ten mit Atopie oder hyperreaktivem Bronchialsystem kann ein größerer Teil des Arbeitsmarktes verschlossen sein.“ Wenn wir eben gesehen haben, dass eine ausgeprägte Überempfindlichkeit der Atemwege, wenn sie asymptomatisch ist und unter anderen Bedingungen maximal zu einer MdE von 10 Prozent führen kann, dann ist das ja kein größerer Teil des Arbeitsmarktes. Dann kann der natür-lich in puncto „Vorschaden“ auch nicht anders betrachtet werden. Und durch eine vorher bestehende Atopie – definitionsgemäß positiver Pricktest oder erhöhtes IGE, ohne klinische Erscheinungen – ist überhaupt kein Teil vom Arbeitsmarkt ver-schlossen. Nichts ist verschlossen durch eine Atopie. Da müssen wir aufpassen, dass dieser Satz nicht missverstanden wird. Indem ein Teil des Krankheitsbildes sozusagen abgezogen wird, aus der MdE rausgelassen wird. Es ist sicher nicht so gemeint, es ist aber wenn man böse will, missverstehbar. Das bekommt man aber semantisch weg.

Thomas Köhler: Jetzt gucken wir noch einmal, wie es Herr Prof. Nowak schon zu-recht gesagt hat auf die Tabelle. Und wir haben ja heute Morgen in dem wichtigen Vortrag von Frau Dr. Preisser gehört, es geht darum, dass man hier Wertungen trifft. Es ist nicht eine mathematische Genauigkeit gefragt, man muss Wertungen

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treffen, als Gutachterin, als Gutachter. Sind dafür die Aussagen hier aus Sicht der handelnden Personen klar genug, gibt es noch Anmerkungen zur Tabelle?

Prof Dr. Heinrich Worth: Ich hatte das ja schon ausgeführt, mich stört die Spalte „Therapie nach indizierten Leitlinien“. Ich meine, es gibt mehrere Schwierigkeiten in der Tabelle, Sie versuchen zwei Krankheitsbilder mit einheitlichen Kriterien ab-zubilden in einer Tabelle, nämlich Asthma und COPD. Sie müssen den thera-pienaiven Patienten und den Patienten unter Therapie betrachten. Es ist ja so, dass ein Patient, der Medikamente, die ihre Wirkung entfalten, besser belastbar ist bei gleichem Krankheitsbild und Schweregrad, als einer, der keine Medika-mente nimmt, das ist einsehbar. Aber was hier das Problem ist, dass die Medi-kation bei Asthma und COPD nun einmal unterschiedlich ist und Sie haben die Asthmamedikation in Schweregraden gleich gesetzt, was für COPD nicht gilt. Das muss man irgendwie ändern. Durch Zusätze der zwei parallel laufende Spalten, wie auch immer.

Thomas Köhler: Frau Preisser, bitte.

Dr. Alexandra Preisser: Haben wir schon diskutiert, alle nicken, die dabei waren. Es ist nicht richtig so wie es jetzt steht, wir müssen das ergänzen, da sind wir uns schon einig. Wir würden es am liebsten ergänzen, dass man in der Spalte noch einen Zusatz macht und im Rahmen von Fußnotenergänzungen macht. Eine zu-sätzliche Spalte, das führt zu keiner Zustimmung, dann auch wieder bei der DGUV und allen, das hatten wir bei schon den Belastungsuntersuchungen, das halte ich jetzt für einen schlecht gangbaren Weg. Aber wir müssen das auf alle Fälle erwei-tern und genauer darstellen, was für COPD und was für Asthma gilt. Ich möchte aber noch einschränken, dass natürlich, auch wenn die Patienten, auch wenn der behandelnde Arzt nach Leitlinie klar klassifiziert hat: Asthma oder COPD, das ist ja schon das erste schwierige, das dann auch so verordnet und ob es dann auch wieder so genommen wird. In der Therapie gibt es auch noch die Atierens als weiteres Problem, zu den von Ihnen schon genannten und deswegen werden wir nicht alles darstellen können. Wir werden uns aber bemühen.

Thomas Köhler: Vielen Dank dafür. So, meine Damen und Herren, noch eine Anmerkung aus der Runde oder aus dem Podium zum Stichwort MdE und zur Tabelle insbesondere.

Anton Bauhuber: Bauhuber, Holz und Metall und Gruppenleiter. Also, ich habe da ein kleines Verständnisproblem. Als gedanklichen Aufhänger für mich, MdE 10 Prozent bei starker Sensibilisierung hat man aus der Dermatologie entnommen.

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Also ich bin kein Mediziner, was ich so mitgekriegt habe, allen Arten obstruktiven Atemwegserkrankungen sind gemeinsam, das Hyperreagibilialsystem, Sie kön-nen mich gerne korrigieren, am Ende vom Gutachten heißt es dann immer: Die Versicherten müssen zukünftig sämtliche Tätigkeiten meiden, die mit Rauchen, Stäuben oder Dämpfen einhergehen, jetzt frage ich mich, inwieweit wird denn dieser Tatsache bei der MdE Bewertung Rechnung getragen? Weil, wenn ich den Vergleich jetzt herstelle MdE über die Allergisierung, wir haben das Problem früher mal gehabt bei der BK5101, wo man gesagt hat, die allergischen Erkrankungen werden besser behandelt wie die nicht allergischen Erkrankungen. Dann hat man neue MdE-Werte gefunden, wo die alle gleich behandelt werden. Es stellt sich letztendlich die Frage, wie wird man denn der Tatsache der MdE gerecht, dass die Leute keine Tätigkeit mehr ausüben dürfen, wo die entsprechenden Rauche, Gase oder Dämpfe vorkommen. Müsste dann nicht schon früher für die Versicher-ten die 10 Prozent erreicht werden?

Thomas Köhler: Okay, Dankeschön. Herr Heger aus Ihrer Sicht, dazu kurze Stel-lungnahme?

Dr. Michael Heger: Ich kann nur insofern dazu was sagen, als dass man beden-ken muss, dass gerade die bronchiale Hyperreagibilität, wenn ich richtig informiert bin, ich bin kein Pulmologe, starken Schwankungen unterworfen ist. Aber aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass das manchmal maximal war und dann kamen genau diese Empfehlungen auch von den behandelnden Kollegen und dann ist der zur Begutachtung gekommen, hatte bereits seinen lukrativen Job aufgegeben, und dann fand man gar nichts mehr. Also insofern sehe ich das zu-nächst einmal mit einer schematisierten Empfehlung als sehr, sehr problematisch an. Ich denke, da ist der Gutachter gefragt, in einer Gesamtschau. Mit dem ak-tuellen Befund, mit dem Vorbefund, mit den Beschwerden zu einer Entscheidung zu kommen. Aber hier mathematisch vorzugehen, d.h. der Patient hat Hyperre-agibilität zum Zeitpunkt der Gutachter und das gibt dann: „mittelschwer und den und den MdE-Grad“, ich glaube, das wird dem Patienten in keiner Weise gerecht.

Prof. Dr. iur. Stephan Brandenburg: Zwei Fragen oder Anmerkungen. Die bron-chiale Hyperreagibilität oder jetzt bezeichnen Sie das etwas anders also BHR, ist ja auf unseren Wunsch vom Ausschuss noch einmal dargestellt worden mit der erforderlichen Flexibilität, wie Sie es eben noch einmal gesagt haben, Herr Heger, das ist aber glaube ich jetzt Konsens, dass je nach Ausprägungsgrad, wir ent-weder auf eine MdE 10 von 100 kommen, was eben bedeuten würde, es muss schon ein nicht unerheblicher Teil auf dem Arbeitsmarkt verschlossen sein, was man aber glaube ich ganz gut so beschreiben kann. Und bei „ganz besonderer

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Ausprägung“ mag es dann auch mehr sein, so steht es da. Das war für mich schlüssig, aber wo ich jetzt nach wie vor das Problem habe, das möchte ich jetzt noch einmal zum Schluss feststellen. Solange in der MdE-Tabelle bei 10 von 100 Normalbefund steht, verstehe ich es nicht. Die unspezifische Hyperreagibilität kann das ausfüllen, dann müsste man das erklären und sagen: „In Verbindung mit einer Hyperreagibilität“, dann würde es an der Stelle schlüssig sein. Und den zwei-ten Hinweis vielleicht in Verbindung mit einer Sensibilisierung, aber solange da nichts weiter steht als „Normalbefund“ ist da, glaube ich, ein gewisser Bruch drin.

Thomas Köhler: Ja, das sollten wir noch einmal beantworten, dass ist ein wich-tiger Aspekt zum Schluss. Wer möchte dazu Stellung nehmen?

Dr. Andreas Deimling: Ich denke Sie haben da schon den korrekten Sachverhalt angesprochen, häufig sind diese 10-Prozent-Leute - an dieser Stelle aus klinischer Sicht, bin ich sehr dankbar, dass es eine 10 Prozent-Marke gibt - die letztend-lich für solche Befunde der Hyperreagibilität stehen. Als BK-Folge bleiben diese eben nicht beschwerdefrei, wie er als reiner Laborbefund existiert, sondern eine gewisse Bedeutung hat. Ich denke, man kann das dadurch auflösen, das man diesen Fall beispielsweise hinzu nimmt, indem man reinschreibt, dass die Hyper-reagibilität in Verbindung mit „selten auftretenden“ und „einer nicht kontinuierlich Behandlung bedürfenden Beschwerden“, diesen Tatbestand erfüllt. Ich denke, dann hat man wieder so etwas, was ja auch Sinn der ganzen MdE- Tabelle ist, wo man sagt, man hat ein Koordinatensystem, in dem man sich einordnen kann und die Befundkonstellation eines individuellen Patienten wird ja niemals in dieser Tabellenbreite so abgedeckt, wie sie tatsächlich ist. Ich denke, man kann dem nur nahe kommen, und hier würde ich ein Beispiel auch ergänzend hinzu fügen.

Dr. Michael Heger: Könnte es vielleicht sein, dass der „Normalbefund“ einfach ersetzt werden müsste, ist das der Grund, warum wir uns streiten, dann müsste man „pathologischer Befund bei Exposition“, wenn wir da nichts feststellen kön-nen, na gut, wenn er zu uns kommt, dann ist es halt unser Problem. Ich glaube das ist der Grund des Streites.

Thomas Köhler: Frau Bortsch-Galetke können Sie eine vermittelnde Lösung her-bei führen? Nein, ist jemand in der Lage? Wer beantwortet dies nun abschlie-ßend? Wir müssen zum Ende kommen, meine Damen und Herren.

Dr. Joachim Sültz: Herr Brandenburg, Sie haben ein Problem damit, dass Sie nicht die Überschrift lesen. Da steht „Klinik“. Der Asthmatiker hat einen unauffäl-ligen klinischen Befund, das hat aber gar nichts damit zu tun, was für Verände-

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rungen er hat. Hier geht es allein um die klinische Untersuchung. Und wenn da steht „Normalbefund unter Klinik“, dann heißt das, dass er bei Auskultation einen unauffälligen Auskultationsbefund hat. Sonst steht da gar nichts, das sagt nichts über die Funktionsdiagnostik, über die bronchiale Hyperreagibilität oder vielleicht sogar nicht unbedeutende Veränderungen der Lungenfunktion aus. Klinik-Nor-malbefund heißt: die Auskultation ist unauffällig, er hat allseits visokuläres Atem-geräusch, d. h. aber nicht, dass der Mann gesund ist.

Thomas Köhler: Ich denke und hoffe sehr, dass wir damit die Diskussion ab-schließen können, ich möchte mit Blick auf die Uhr gerne ein paar Schlussworte sagen, meine Damen und Herren.

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Wolfgang ArntzAnnette Axt-Hammermeister

Birgit BaartzAnton BauhuberThomas BerzDr. Fritz BessellUrsula BessellVolpert BeyerDr. Josef BirkleKlaus BlumEckhard BodeProf. Dr. E. Borsch-GaletkeProf. Dr. iur. Stephan Brandenburg

Dr. Andreas DeimlingDr. Wilhelm DiekerSarah DreßGerhard DrexelMelanie DuellAlbert Duschner

Dr. Rainer EbbinghausDr. Dörte EbbinghausJohannes EigenthalerBernd EisenbachDr. H. J. ElliehausenProf. Dr, Harald EnzmannNorbert Erlinghagen

Hans-Jürgen FierkeDr. Manfred FrankerH. P. FrancksThomas FritschEckehard Froese

Hilmar Gabrecht

Jürgen GarnschröderDr. Ulrich Grolik

Norbert HammermeisterDr. Michael HegerPD Dr. Astrid HeutelbeckDr. Claus HölzelDagmar Husert

Nicole JankePeter JanzHans-Peter JungSören Jungjohann

Edith KamradGisela KaniberPaul KlementzThomas KöhlerDr. Nicola Kotschy-LangSabine KönigsederrDr. Kozma-NagyDr. Andreas KranigStephan Kühler

Olaf LangStephan LindemeierManfred LeichtfußManfred LindenthalF.-W. LöfflerArne LückingDr. Cordula Lukas

Dr. Barbara MachanMelanie MayerWinfried MeyerDr. Wilfried Mohrmann

Teilnehmer

Franz-Xaver MüllerK. Münch

Günter NeugebauerVolker Neumann Thomas NoldeProf. Dr. Dennis Nowak

Dr. Uta OchmannDr. Andreas Ostertag

Stefanie PalfnerBernd PalsbrökerDr. Jens Petersen Ulrich PfeiferHans-Jörg PiaseckiHermann PlagemannPetra PoppDr. H. M. PragerDr. Alexandra PreisserLothar R. Preuß

Dr. Wolfgang Raab Gerhard ReitzPeter RiedelDr. Wolfgang Römer

Diana SalewskiDr. Markus SanderThomas SchäferDr. Wolfgang SchaubschlägerGerd SchloßarekDr. Michael SchönfeldDr. Maximilian SkalitzkyDr. Andreas Sommerfeld Günter SonnenscheinW. SpechtDr. B. Sperl

Thomas Spitzl

Dr. Michael StegbauerDr. Joachim Sültz

Hans-Werner ThürkDr. Helmut Tietze

Jürgen WaßmannMichael WeberrinkDetlef WeidenthalJürgen WeinkaufFrank WeisgerberProf. Dr. Heinrich WorthSimone Wouterse

Matthias ZschockeltAndreas Zuber