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Z. Anal. Chem. 269, 257--259 (1974) by Springer-Verlag 1974 257 Bestimmung einer Phasenumwandlungstemperatur mit der Differentiahhermoanalyse. II* Gerd Willmann Institut fiir Nichtmetallische Werkstoffe der Teehnischen UniversitKt Berlin Eingegangen am 28. November 1973 Determination o/a Phase Transition Temperature by Di//erential Thermal Analysis. The temperature of a phase transition can be determined from the point where the DTA curve departs from the base line or from the "onset" point which can be found by an easy construction. Temperatures determined by the departure point are strongly influenced by individual interpretation, while temperatures determined by the "onset"-point procedure show a systematic deviation. This deviation becomes negligible if the heating rate is slow. Zusammen/assung. Die Temperatur einer Phasenumwandlung, verfolgt mit der Differcntialthermoanalyse, kann aus der Abweichung der DTA-Kurve yon der Basislinie oder aus dem einfaeh zu konstruierenden ,,onset"- Punkt bestimmt werden. Ein Vergleieh beider Verfahren zeig%, da$ das Verfahren, das auf dem ,,onset"- Punkt basiert, zwar mit einem systematischen Fehler behaftet ist, aber frei yon individuellen Interpretationen beim Auswerten ist. Der systematisehe Fehler I/iBt sich klein halten, indem man mSgliehst langsam aufheizt, bzw. abkfihlt. Best. der Temperatur einer Phasenumwandlung; Thermoanalyse, Differential; onset-Punkt. Die Differentialthermoanalyse (DTA) ist ein einfaehes und sehnelles Verfahren zum Studium yon Phasen- umwandlungcn und ehemischen Reaktionen. Man kann prinzipiell die verbrauchte oder frei werdende Energie (W/~rmetSnung) bestimmen und dem Effekt eine Temperatur zuordnen. Im folgenden sell ein Verfahren zur Temperaturzuordnung bei Phasen- umwandlungen diskutiert werden. Temperaturzuordnung aus dora Abkniekpunkt Registriert man das DTA-MeBsignal in Abh/~ngigkeit yon der Zeit, dann ist die Lage des Extremwertes der DTA-Kurve abh/ingig yon der Probenmasse und der Aufheizgesehwindigkeit. Also kann das leicht aus- wertbare Maximum nicht ohne weiteres zur Bestim- mung der Umwandlungstemperatur benutzt werden [4]. Das Abknieken der DTA.Kurve yon der Basislinie scheint aber fOx eine Temperaturzuordnung geeig- net zu sein, weil hier keine AbhKngigkeit yon Proben- masse nnd Aufheizgeschwindigkeit beobachtet wer- den kann. Im folgenden sell am Beispiel einer Phasenumwandlung mit endothermer (exothermer) * Teil I: diese Z. 266, 21 (1973). 17 Z. Anal. Chem., Bd. 269 W/~rmetSnung bei Aufheiz-(Abkiihl-)programm ana- lysiert werden, wie eine Umwandlung im einzelnen abl/~uft. W~hrend des Aufheizens (Abkfihlens) yon Probe und Inertsubstanz herrschen nach eincr kurzen Anlanfzeit quasistation~re Temperaturprofile (s. Abb. 1) [2]. Hierbei hat die Temperatur im Inneren yon Probe und Inertsubstanz eine Verteilung gem/iB T~('~,t) = TA + cot --~ cr i = Probe, Inert (1) (T Temperatur, TA Anfangstemperatur, t Zeit, cr Aufheizgeschwindigkeit, -~ Oft, a W/~rmediffusions- konstante, ~b~ eine Funktion, die nur yon der Gee- metric yon Probe bzw. Inertsubstanz abhgngt.) ~'iir die Temperatur im Inneren gilt, dab sie beim Aufheizen (Abkiihlen) kleiner (grSBer) als die Rand- temperatur ist. Hat die Temperatur des Probenrandes den Wert der Umwandlungstemperatur erreicht, dann setzt die Phasenumwandlung am Rand ein. Die Rand- temperatur steigt (f/~llt) gem/~B dem gew/~hlten Tem- peraturprogramm, die Phasengrenze wandert ins Probeninnere und trennt in der Probe das Gebiet des noch nicht umgewandelten Materials veto bereits umgewandelten. Hierbei umhfillt die Phasengrenze das Thermoelement und behindert den W/~rmefluB

Bestimmung einer Phasenumwandlungstemperatur mit der Differentialthermoanalyse. II

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Z. Anal. Chem. 269, 257--259 (1974) �9 by Springer-Verlag 1974

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Bestimmung einer Phasenumwandlungstemperatur mit der Differentiahhermoanalyse. II*

Gerd Willmann

Institut fiir Nichtmetallische Werkstoffe der Teehnischen UniversitKt Berlin

Eingegangen a m 28. November 1973

Determination o/a Phase Transition Temperature by Di//erential Thermal Analysis. The temperature of a phase transition can be determined from the point where the DTA curve departs from the base line or from the "onset" point which can be found by an easy construction. Temperatures determined by the departure point are strongly influenced by individual interpretation, while temperatures determined by the "onset"-point procedure show a systematic deviation. This deviation becomes negligible if the heating rate is slow.

Zusammen/assung. Die Temperatur einer Phasenumwandlung, verfolgt mit der Differcntialthermoanalyse, kann aus der Abweichung der DTA-Kurve yon der Basislinie oder aus dem einfaeh zu konstruierenden ,,onset"- Punkt bestimmt werden. Ein Vergleieh beider Verfahren zeig%, da$ das Verfahren, das auf dem ,,onset"- Punkt basiert, zwar mit einem systematischen Fehler behaftet ist, aber frei yon individuellen Interpretationen beim Auswerten ist. Der systematisehe Fehler I/iBt sich klein halten, indem man mSgliehst langsam aufheizt, bzw. abkfihlt.

Best. der Temperatur einer Phasenumwandlung; Thermoanalyse, Differential; onset-Punkt.

Die Differentialthermoanalyse (DTA) ist ein einfaehes und sehnelles Verfahren zum Studium yon Phasen- umwandlungcn und ehemischen Reaktionen. Man kann prinzipiell die verbrauchte oder frei werdende Energie (W/~rmetSnung) bestimmen und dem Effekt eine Temperatur zuordnen. Im folgenden sell ein Verfahren zur Temperaturzuordnung bei Phasen- umwandlungen diskutiert werden.

Temperaturzuordnung aus dora Abkniekpunkt

Registriert man das DTA-MeBsignal in Abh/~ngigkeit yon der Zeit, dann ist die Lage des Extremwertes der DTA-Kurve abh/ingig yon der Probenmasse und der Aufheizgesehwindigkeit. Also kann das leicht aus- wertbare Maximum nicht ohne weiteres zur Bestim- mung der Umwandlungstemperatur benutzt werden [4].

Das Abknieken der DTA.Kurve yon der Basislinie scheint aber fOx eine Temperaturzuordnung geeig- net zu sein, weil hier keine AbhKngigkeit yon Proben- masse nnd Aufheizgeschwindigkeit beobachtet wer- den kann. Im folgenden sell am Beispiel einer Phasenumwandlung mit endothermer (exothermer)

* Teil I: diese Z. 266, 21 (1973).

17 Z. Anal. Chem., Bd. 269

W/~rmetSnung bei Aufheiz-(Abkiihl-)programm ana- lysiert werden, wie eine Umwandlung im einzelnen abl/~uft.

W~hrend des Aufheizens (Abkfihlens) yon Probe und Inertsubstanz herrschen nach eincr kurzen Anlanfzeit quasistation~re Temperaturprofile (s. Abb. 1) [2]. Hierbei hat die Temperatur im Inneren yon Probe und Inertsubstanz eine Verteilung gem/iB

T~('~,t) = TA + cot --~ cr i = Probe, Inert (1)

(T Temperatur, TA Anfangstemperatur, t Zeit, cr Aufheizgeschwindigkeit, -~ Oft, a W/~rmediffusions- konstante, ~b~ eine Funktion, die nur yon der Gee- metric yon Probe bzw. Inertsubstanz abhgngt.) ~'iir die Temperatur im Inneren gilt, dab sie beim Aufheizen (Abkiihlen) kleiner (grSBer) als die Rand- temperatur ist.

Hat die Temperatur des Probenrandes den Wert der Umwandlungstemperatur erreicht, dann setzt die Phasenumwandlung am Rand ein. Die Rand- temperatur steigt (f/~llt) gem/~B dem gew/~hlten Tem- peraturprogramm, die Phasengrenze wandert ins Probeninnere und trennt in der Probe das Gebiet des noch nicht umgewandelten Materials veto bereits umgewandelten. Hierbei umhfillt die Phasengrenze das Thermoelement und behindert den W/~rmefluB

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258 Z. Anal. Chem., Band 269, Heft 4 (1974)

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Abb. 1 a und b. Sehematiseher Temperaturverlauf in einer Probe bei einer Phasenumwandlung: a endotherme Umwand- lung, lineares Aufheizen; b exotherme Umwandlung, line- ares Abklihlen (Bild um 180 ~ drehen), P.R. Probenrand; Th. E. Lage des Thermoelements, qu. Z. Bereieh des quasi- station~ren Zustandes; G. Bereich, in dem die DTA-Kurve in eine Gerade fibergegangen ist

Abb.2. Schematisehe DTA-Kurve: A erstes Abweichen yon der Basislinie (Abkniekpunkt), B konstruierter "onset"- Punkt

Abb.3. Die Differenz Ton--TAb in Abh~ngigkeit yon der AufheizgeschwindigkeR beim Schmelzen yon Zinn

~I0-- o

o I-- 2 I W•J i I i J I 1 i I

I 5 10

- - ct [ ~ ~---

in das (aus dem) Probeninnere(n). Auf der Phasen-

grenze ~ gilt n~mlich T (~, t) ~ T v

A~ grad T($, t)lt---- A1 grad T('~, t ) l$+ ~wd-~/gt (2)

(23 W~rmeleitfahigkeit des umgewandelten, '~1 des noeh nieht umgewandelten Materials, ~ Diehte, w Ws T v Umwandlungstemperatur).

Da auf der Phasengrenze fiir die Phasenumwand- lung die W~rmetSnung dw verbraueht (frei) wird, finder ins Probeninnere nur eine verminderte Ws zufuhr (-abfuhr) start ; d.h. innerhalb des Gebietes der noeh nieht umgewandelten Probe kann unabh~n. gig yore Heiz-(Kfihl-)programm ein Ausgleiehs- vorgang stattfinden. Das Temperaturprofil hinkt (flaeht sieh) mit der Zeit immer weniger naeh (ab). Dieser Ausgleiehsvorgang setzt sofort ein, wenn die Umwandlung am Rand beginnt; d.h. die Temperatur am Thermoelement der Probe gehoreht nieht mehr der G1. (1), sondern s sich weniger stark, w~h- rend in der Inertsubstanz welter das quasi-station~re Temperaturprofil herrseht. Also signalisiert das erste Abweichen des DTA-MeBsignals yon der Basislinie den Beg~nn der Phasenumwandlung.

Tabelle 1

Stoff 21 m Umwandlung watt em -1 o K_l rain bei ~

Ag 3,55 0,1 960,5 A1 2,11 0,5 660,1 Zn 1,00 0,5 419,5 Sn 0,66 1 231,9 Pb 0,31 2 327,3 Si02 0,04 2,5 573

(mist die Steigung einer interpolierten Geraden, wenn man Ton--TAb fiber 0r auftr~gt. 21 ist die W~rmeleitf~higkeit des Probenmaterials vor der Phasenumwandinng.)

Die DTA-Kurve weieht yon der (zeitlieh konstan- ten) Basislinie erst dann ab, wenn die Randtempera- fur der Probe den Weft der Umwandlungstempera- fur angenommen hat. Die Rand- und Ofentempera- fur sind meistens gleieh, so dab aus dem Abkniek- punkt und der registrierten Ofentemperatur auf die Umwandlungstemperatur geschlossen werden kann.

Das auf dem Abkniekpunkt aufgebaute Verfahren ist unabh~ngig yon der Probenmasse und der Auf- heizgeschwindigkeit. Leider l~Bt sieh der Abkniek-

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punkt bei vielen Phasenumwandlungen nur schwer bestimmen, so dab die Auswertung durch individuelle Einfliisse des Experimentators beeintri~chtigt wird.

Temperaturzuordnung aus dem ,,onset"-Punkt

Vom Abknickpunkt aus (Abb. 2, Punkt A) sehwenkt die DTA-Kurve in einem Bogen in eine Gerade. Beides, der Bogen und die Gerade, sind typiseh f f r DTA-MeBsignale bei Phasenumwandlungen, und beides wird dureh den Ausgleiehsvorgang im Gebiet des noch nicht umgewandelten Probenmaterials ver- ursacht. Kurze Zeit naeh dem Absinken der DTA- Kurve ist der Ausgleiehsvorgang so welt fortgesehrit- ten, dab im Rahmen der Empfindliehkeit des Ther- moelementes die Temperatur im noch nicht um- gewandelten Gebiet als konstant anzusehen ist. Da in der Inertsubstanz das quasistationi~re Profil herrscht, gilt f f r das DTA-MeBsignal v q

v q (t) ~ T u - - Tin ( r , t) ---- eonst, q- s t (3)

(-~' Lage des Thermoelementes in der Inertsubstanz, Tu Umwandlungstemperatur). Diesen Ubergang des iY[eBsignals in eine Gerade kann man bei vielen Phasenumwandlungen beobachten. Wie schnell das Signal in die Gerade iibergeht, h~ngt yon der W~rme- leitf/~higkeit der Probe ab.

Die ICTA [1] hat ein Verfahren vorgeschlagen, die Temperaturzuordnung dutch den , ,onset"-Punkt vorzunehmen. Extrapolier t man linear die Basislinie und den Tell der DTA-Kurve, der in die Gerade fibergegangen ist, dann ist der Schnit tpunkt beider Geraden als , ,onset"-Punkt definiert (in Abb.2 der Punkt B). Dieses Verfahren ist einfach, schnell und eindeutig durehzuffihren. (Wichtig beim Einsatz von Hilfskr/~ften.)

Vergleich beider Verfahren

Prinzipiell ist zu erwarten, dab die Zuordnung nach dem , ,onset"-Punkt stets zu gr6Beren Werten f fh r t als die nach dem Abknickpunkt, da die lineare Extrapolat ion den anf/inglichen Ausgleichsvorgang vernaehl/~ssigt.

Eine aus dem Abknickpunkt bestimmte Umwand- lungstemperatur soll im folgenden mit TAb und eine aus dem , ,onset"-Punkt abgeleitete sol1 mit Ton bezeichnet werden. Bei leicht auszuwertenden DTA- Kurven gilt TAb = T u , w/~hrend die aus dem ,,onset"- Punkt gewonnenen Temperaturen um den systema-

tischen Fehler Ton -- TAb zU groB sind. Dieser Fehler h/~ngt yon der Aufheizgesehwindigkeit ab, wie Abb. 3 zeigt, und zwar nimmt der Fehler mit zuneh- mender Aufheizgesehwindigkeit zu.

Wenn bei kleinen Aufheizgesehwindigkeiten der DTA-Effekt unter Umst/inden f f r die Auswertung nicht markant genug ist, kann man sieh beheffen, indem man eine neue Messung mit grSBerer Proben- masse maeht.

DTA-Kurven yon versehiedenen Stoffen haben weiterhin gezeigt, dab bei konstanter Aufheiz- geschwindigkeit der systematisehe Fehler klein ist, wenn die W~rmeleitfi~higkeit des noch nicht um- gewandelten Probenmaterials t l groB ist, da dann der Ausgleiehsvorgang bis zum Ubergang der DTA- Kurve in die Gerade sehnell ablaufen karm. Um die Abhitngigkeit yon der W/~rmeleitf~higkeit 41 in Ver- bindung mit der Aufheizgesehwindigkeit cr zu demon- strieren, sind in Tab. 1 die Steigungen m d e r Kurven T o n - TAb, aufgetragen fiber cr f f r versehiedene Stoffe aufgeffihrt. Aus der Tabelle folgt, dab der systematische Fehler umso kleiner ist, je gr6Ber die W/~rmeleitfiihigkeit der Probe ist. Also erh6ht sieh die Genauigkeit des yon der ICTA vorgesehlage- nen Verfahrens, wenn man

1. die Aufheiz-(Abkfihl-)geschwindigkeit m6g- lichst klein w/~hlt,

2. die Probenmasse genfigend groB bemiBt und 3. Proben mit guter W~rmeleitf~higkeit hat.

Beobaehtet man diese 3 Bedingungen, dann ist die Temperaturzuordnung bei Phasenumwandlungen nach dem Vorschlag der ICTA dem Verfahren, das auf dem Abknickpunkt basiert, wegen der eindeuti- gen, einfaehen und schnellen Auswertung weit fiber- legen.

Literatur 1. MeAdie, H. G. : Requirements and realization of thermal

an_~lysis standards, temperature standards for DTA, in [3], p. 591.

2. Mackenzie R. C.: Differential thermal analysis, vol. I, p. 34, London-New York: Aead. Press 1970.

3. Wiedemann, H. G. : Thermal analysis, Proc. 3rd Int. Conf. Therm. Anal., Vol. 1. Basel-Stuttgart: Birkh/~user 1972

4. Willmann, G.: diese Z. 266, 21 (1973)

Ass. Prof. Dr. rer. nat. Gerd Willmann Inst. f. Nichtmetallische Werkstoffe D-1000 Berlin 12 Englisehe StraBe 20

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