73
IV Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbru ¨ cken aus Beton Gero Marzahn, Gelsenkirchen Reinhard Maurer, Dortmund Konrad Zilch, Mu ¨ nchen Daniel Dunkelberg, Mu ¨ nchen Agnieszka Kolodziejczyk, Dortmund BetonKalender 2013 Beton-Kalender 2013: Lebensdauer und Instandsetzung – Brandschutz. Herausgegeben von Konrad Bergmeister, Frank Fingerloos und Johann-Dietrich Wo ¨ rner c 2013 Ernst & Sohn GmbH & Co. KG. Published 2013 by Ernst & Sohn GmbH & Co. KG.

Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

IV Die Nachrechnungvon bestehendenStraßenbrucken aus BetonGero Marzahn, Gelsenkirchen

Reinhard Maurer, Dortmund

Konrad Zilch, Munchen

Daniel Dunkelberg, Munchen

Agnieszka Kolodziejczyk, Dortmund

BetonKalender 2013

Beton-Kalender 2013: Lebensdauer und Instandsetzung – Brandschutz.Herausgegeben von Konrad Bergmeister, Frank Fingerloos und Johann-Dietrich Wornerc 2013 Ernst & Sohn GmbH & Co. KG. Published 2013 by Ernst & Sohn GmbH & Co. KG.

Page 2: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

1 Einleitung1.1 Grundlagen

Die anhaltende Nachfrage nach großeren undschwereren Lastkraftwagen fuhrte zu wissen-schaftlichen Untersuchungen [1], die aufzeigten,dass fur die Bruckenbauwerke nicht nur Tragfa-higkeitsprobleme infolge der neuen LKW-Typenzu erwarten waren, sondern dass bereits der heutevorhandene Guterverkehr entsprechende Pro-bleme bereitet. Das stetig gestiegene Schwerver-kehrsaufkommen verbunden mit gestiegenenAchs- und Gesamtgewichten der Fahrzeuge [2, 3]fuhrt zu Einwirkungen, die das Lastniveau der sei-nerzeit berucksichtigten Verkehrslastmodelle derNormenreihe DIN 1072 erreichen bzw. bereichs-weise ubersteigen. Man kann davon ausgehen,dass die Tragfahigkeitsreserven alterer Bruckenweitgehend aufgebraucht sind.Dem steigenden Verkehr auf der einen Seite stehteine alternde Bausubstanz auf der anderen Seitegegenuber. Zunehmende Verschleißerscheinun-gen und Schaden treten zu Tage, die die Tragfahig-keit nachhaltig verringern konnen.Beide Entwicklungen zeigen gegenlaufige Ten-denzen. Es wurde deutlich, dass mit geeignetenErtuchtigungsmaßnahmen gegenzusteuern ist,um das Straßennetz auch weiterhin leistungsfahigzu halten. Das Bundesministerium fur Verkehr,Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) sah drin-genden Handlungsbedarf. In Zusammenarbeit mitden Straßenbauverwaltungen der Lander erstelltedie Bundesanstalt fur Straßenwesen (BASt) einenKriterienkatalog bei dem neben Baujahr, Brucken-klasse und Zustandsnote auch die heute bekanntenDefizite bei der seinerzeitigen Bemessung, wiez. B. Defizite bei Koppelfugen etc., berucksichtigtwurden. Damit konnten in einem ersten Schritt dieprioritar nachzurechnenden Bruckenbauwerke derBundesfernstraßen erhoben werden [4], welchevon den Bundeslandern im Rahmen der Auftrags-verwaltung nachzurechnen sind. Obwohl alleBundeslander mehr oder weniger stark betroffensind, liegen die Schwerpunkte in den LandernNordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Wurttem-berg, Rheinland-Pfalz, Hessen und Niedersach-sen. Mit einem Aufgabenpaket von teilweise meh-reren hundert Brucken werden die Lander in dennachsten 10 bis 20 Jahren stark beansprucht sein.Instandsetzungsmaßnahmen sind daher zukunftigimmer mit der Notwendigkeit bzw. Moglichkeitvon Verstarkungsmaßnahmen zu sehen. Vielfach

werden aus wirtschaftlichen Erwagungen herausauch Ersatzneubauten in den Fokus rucken.

Erste Erfahrungen in der Nachrechnung von Bru-cken gewann man mit alteren Talbrucken imZuge der BAB A45. Mit den Vorgaben der DIN-Fachberichte 101 bis 104 [5–8] war eine ausrei-chende Tragfahigkeit oder Gebrauchstauglichkeitnur in den wenigsten Fallen nachweisbar. Ausheutiger Sicht war das auch nicht verwunderlich,weil die heute gultigen Regelwerke auf die Be-messung neuer Bauwerke ausgerichtet sind. Da-mit stehen sie fur Bauwerke, die ihren Lebenszyk-lus noch vor sich haben und nicht fur Bauwerke,die sich mit einem Alter von zum Teil mehr als50 Jahren bereits in der zweiten Halfte der einge-planten Nutzungszeit befinden. Folglich reiftedie Erkenntnis, dass fur Bauwerke, die nach fruhe-ren Regeln geplant und gebaut wurden und bereitsviele Jahre genutzt werden, spezifischere Regel-ungen erforderlich sind, die ein angepasstes unddifferenziertes Vorgehen ermoglichen.

Diese Erkenntnis war der Ausloser fur die Erarbei-tung einer Richtlinie zur Nachrechnung von Stra-ßenbrucken im Bestand. Die Erarbeitung erfolgtein einer interdisziplinaren Arbeitsgruppe mit Ver-tretern aus Verwaltung, Wissenschaft und Inge-nieurpraxis in einer verhaltnismaßig kurzen Zeit-spanne von nur 17 Monaten und konnte bereitsim Mai 2011 durch das BMVBS den Landernund der Fachwelt in einer ersten Ausgabe zur pro-beweisen Anwendung zur Verfugung gestellt wer-den. Die Nachrechnungsrichtlinie steht zum kos-tenlosen Download auf der Homepage der BAStbereit und ist auch im Kapitel XI dieses Beton-Ka-lenders abgedruckt.

Die Richtlinie befasst sich mit allen wesentlichenBauweisen des Bruckenbaus: Betonbrucken,Stahlbrucken, Stahlverbundbrucken und Gewol-bebrucken aus Mauerwerk. Durch verfeinerteNachweismethoden bietet sie Hilfestellung fureine moglichst wirklichkeitsnahe Beurteilung derBauwerke unter Berucksichtigung der Fortent-wicklung der Bautechnik, des technischen Regel-werks, aber auch der gestiegenen Anforderungenhinsichtlich der zu erwartenden Verkehrsentwick-lung, insbesondere des Schwerverkehrs. Gleich-zeitig werden Bauwerksalter und Bauwerkzustandsowie die weitere Nutzung ausreichend beruck-sichtigt. Sie eroffnet letztlich die Moglichkeit, Re-serven des Tragwerks und der Baustoffe starkerauszunutzen.

273Einleitung

IV

Beton-Kalender 2013: Lebensdauer und Instandsetzung – Brandschutz.Herausgegeben von Konrad Bergmeister, Frank Fingerloos und Johann-Dietrich Wornerc 2013 Ernst & Sohn GmbH & Co. KG. Published 2013 by Ernst & Sohn GmbH & Co. KG.

Page 3: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Der angestrebte Fokus der Richtlinie ist jedochbreiter angelegt, als es die erste Ausgabe erwartenlasst. So soll der Rahmen der Nachweismoglich-keiten zukunftig um weitere, allgemein aner-kannte und abgesicherte alternative Ingenieurmo-delle erweitert werden. Dadurch werden dem In-genieur weitreichende Moglichkeiten gegeben,den Bestand besser zu erfassen und die erforderli-chen Nachweise auf parallel geltendem Wegegleichrangig zu normativen Nachweisen fuhrenzu konnen.

Selbstverstandlich ist dafur entsprechende Ent-wicklungsarbeit notwendig, die im Rahmen vonForschungsvorhaben vorwiegend durch die BAStgefordert wird und deren Ergebnisse in die Richt-linie einfließen sollen. Gegenwartig wird mitHochdruck an der Aufbereitung der Forschungser-gebnisse gearbeitet, um die drangendsten Nach-weisprobleme zu losen. Dazu gehoren zweifels-ohne alle Ansatze zum Nachweis der Querkraft-tragfahigkeit mit und ohne �berlagerung mit Tor-sion.

Weil bei der Erarbeitung der Richtlinie viel Hinter-grundwissen aufbereitet und bereitgestellt wird,wurde beschlossen, einen separaten Hintergrund-bericht zu verfassen, der auf alle wesentlichen Re-gelungen der Richtlinie eingeht und daruber hinausnotwendige Erlauterungen bietet und die Basis furzukunftige Weiterentwicklungen der Richtliniedarstellt. Der Hintergrundbericht wird zusammenmit der zweiten Ausgabe der Richtlinie, jedoch alsseparates Werk, veroffentlicht werden, um dieRichtlinie selbst im Papierumfang zu begrenzen.

Die Nachrechnungsrichtlinie gilt nur fur die Be-wertung der Tragfahigkeit und Gebrauchstaug-lichkeit bestehender Brucken, die nicht nach ak-tuellem Normungsstand geplant und errichtet wur-den. Die Nachrechnungsrichtlinie gilt explizitnicht fur neu errichtete Bauwerke, die fehlerhaftgeplant oder ausgefuhrt wurden, oder fur Nach-rechnungen im Rahmen des Genehmigungsver-fahrens fur Schwertransporte.

Die Nachrechnungsrichtlinie eroffnet dem erfah-renen Planer durch spezielle Regelungen einen er-weiterten Handlungsrahmen mit der Moglichkeit,die Reserven des Tragwerks und der Werkstoffestarker auszunutzen, ohne jedoch das geforderteZuverlassigkeitsniveau zu verletzen. Dafur sinddie Ergebnisse einer Nachrechnung stets inge-nieurmaßig zu bewerten. Die Bewertung ist eineverantwortungsvolle Ingenieuraufgabe, die nurvon in der Aufstellung von schwierigen Tragwerk-werksplanungen erfahrenen Ingenieuren durch-gefuhrt werden kann. Obwohl die Nachrechnungdurchaus Parallelen zur statischen Berechnungeines Neubauwerks aufzeigt, ergibt sich die be-sondere Verantwortung vor allem auch aus der Be-rucksichtigung des tatsachlichen Bauwerkverhal-

tens, des aktuellen Bauwerkzustands sowie derdaraus abgeleiteten Berechnungsannahmen.

1.2 Allgemeiner Aufbau der Richtlinie

Die Nachrechnungsrichtlinie [9] umfasst in derersten Ausgabe 17 Kapitel und 4 Anlagen. Sielasst sich im Prinzip in funf Themenbereiche un-tergliedern. Die Kapitel 1 bis 9 befassen sich mitden Grundlagen der Nachrechnung, wie z. B. An-forderungen, Aufbau und Dokumentation derNachrechnung. Die Grundlagen der Tragwerksbe-rechnung, die Verkehrslastvorgaben (Ziellastni-veau) sowie Hinweise zu Werkstoffkennwertenbzw. Materialkennwerten aus Werkstoffuntersu-chungen werden in den Kapiteln 10, 11 und 17 zu-sammengefasst. Erlauterungen zu den Nachweis-fuhrungen fur die verschiedenen Bauweisen fin-den sich in Kapitel 12 (Betonbrucken), Kapitel13 (Stahl- und Verbundbrucken) und Kapitel 14(Brucken aus Mauerwerk). In den Kapiteln 15und 16 werden Regelungen zu Sonderfragen beiGrundungen, Bruckenlagern und Fahrbahnuber-gangen behandelt.

Die Anlagen 1 bis 4 umfassen Hinweise und Re-gelungen zu verkehrlichen Kompensationsmaß-nahmen, Muster fur eine kompakte Ergebnis-zusammenstellung, eine Auflistung der fur denBruckenbau wichtigsten Normen und Regelwerkesowie Erlauterungen zur Feststellung der fur dieErmittlung des Ziellastniveaus maßgebenden Ver-kehrszusammensetzung.

Es ist vorgesehen, die Nachrechnungsrichtliniezukunftig durch die Themen „Besondere Ver-kehrsfuhrung“, „Anpralllasten“ und „Ertuchti-gungsmaßnahmen“ zu erweitern. Auch der Ge-wolbebruckenteil wird in der zweiten Ausgabeausfuhrlichere Regelungen fur die Nachweisfuh-rung in den Grenzzustanden der Tragfahigkeit,aber auch der Gebrauchstauglichkeit enthalten.Damit wird eine entscheidende Lucke geschlos-sen, weil bisher zum Ingenieurmauerwerk keineadaquaten Regelungen existieren.

1.3 Konzept der Nachrechnungsrichtlinie

Bei der Nachrechnung von Straßenbrucken han-delt es sich um ein abgestuftes Verfahren, beidem im Laufe der Bearbeitung die Nachweisfuh-rung im Vergleich zum normativen Vorgehen mo-difiziert wird. Die Modifizierungen konnen so-wohl die Einwirkungsseite, die Widerstandseiteals auch die Nachweise selbst erfassen, ohne dasin den aktuellen Bemessungsnormen geforderteSicherheitsniveau einzuschranken. Das gestufteVerfahren gilt fur alle im Bruckenbau ublichenBauweisen gleichermaßen.

Nach der Festlegung eines anzustrebenden Ziel-lastniveaus LM Ziel in Abhangigkeit vom ortlich

274 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Page 4: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

vorhandenen Schwerverkehr und seiner Zusam-mensetzung sowie des Querschnitts der Straße istentsprechend dem Detaillierungsgrad der Berech-nung und den Nachweismodifikationen eine vier-fache Stufung in der Nachweisfuhrung vorgese-hen (Bild 1):

Stufe 1Die Stufe 1 umfasst eine ausschließliche Nach-weisfuhrung nach dem geltenden Regelwerk derDIN-Fachberichte 102 bis 104 bzw. DIN 1053-100(s. Abschn. 12 bis 14 der Nachrechnungsrichtlinie).

Stufe 2Die Stufe 2 berucksichtigt spezielle, die Stufe1 erganzende Regelungen der Nachrechnungs-richtlinie.

Stufe 3Die Stufe 3 bezieht am Bauwerk ermittelte Mes-sergebnisse (z. B. Tragwerksverformungen, Deh-nungen und Krummungen) ein. Im Regelfall fin-den diese Messungen unter einer Probebelastungim Gebrauchslastbereich statt.

Durch die Messung erfasst man das tatsachlicheTragverhalten unter Gebrauchslasten und erhaltHinweise fur eine realistischere Beschreibungdes Bauwerkverhaltens. Die Stufe 3 kann der Vali-dierung des gewahlten Tragmodells dienen, ist je-doch wegen des besonderen Aufwands nur im

Sonderfall und mit Zustimmung der OberstenStraßenbaubehorde anzuwenden.

Stufe 4Die Stufe 4 schließt wissenschaftliche Methodenzum Nachweis der vorhandenen Tragsicherheitein, wie z. B. spezielle geometrisch und physika-lisch nichtlineare Rechenverfahren. Der Nachweiseiner ausreichenden Tragsicherheit darf ggf. durchdirekte Ermittlung der rechnerischen Versagens-wahrscheinlichkeit mithilfe probabilistischer Me-thoden gefuhrt werden. Die Stufe 4 kann mit denStufen 2 und 3 kombiniert werden, ist jedoch nurim Sonderfall und mit Zustimmung der OberstenStraßenbaubehorde anzuwenden. Die Stufe 4 stelltdamit das zukunftige Entwicklungspotenzial derRichtlinie fur weitergehende Nachweisformendar.

Jede Nachrechnung schließt mit einer ingenieur-maßigen Bewertung der Rechenergebnisse undeiner Zuordnung des Bauwerks in die Nachweis-klasse A bis C ab. Die Nachweisklasse gibt an,wie und in welcher Stufe die Nachweisfuhrung er-folgte und ob sich daraus Nutzungsauflagen oderggf. auch Nutzungseinschrankungen fur das Bau-werk ergeben. Dabei ist von Bedeutung, in wel-cher Stufe der Nachrechnung die Nachweise er-bracht und welche Modifizierungen in den Nach-weisen selbst in Ansatz gebracht wurden:

275Einleitung

IV

1 | Nachrechnung von Brücken (Nachrechnungsrichtlinie) Gelsenkirchen, 11. Oktober 2011 Dr.-Ing. Gero Marzahn

Verkehrseinwirkung + Anforderungen analog Stufe 1/2

Verkehrseinwirkung + Anforderungen analog Stufe 1/2

Keine Nutzungsein-schränkung

GZT GZG

Ziellastniveau LM-Ziel

Ziellastniveau LM-ZielDIN Fachberichte + Nachrechnungsrichtlinie; ohne maßgebende Einschränkung der Nachweiserfüllung GZG

Ziellastniveau LM-Ziel oderAbgemindertes ZiellastniveauDIN Fachberichte + Nachrechnungsrichtlinie;mit Einschränkung der Nachweiserfüllung GZG

Kompensationsmaßnahmen erforderlich:• Verkehrsbeschränkende Maßnahmen oder• Vorläufig eingeschränkte Nutzungsdauer

Stufe 2

Stufe 3

Standard-berechnung

Stufe 1

C

MesswertgestützeBerechnung

Stufe 4Wiss. Methoden

RegelungenNachrechnungs-

richtlinie

GZT (GZG )

Nutzungsein-schränkung

B

A

Nachweis-Klasse

Bild 1. Schema der Nachrechnung von Straßenbrucken fur Strecken mit hohem Schwerverkehrsanteil

Page 5: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Nachweisklasse AEs mussen sowohl die Tragfahigkeit als auch dieGebrauchstauglichkeit in der Nachrechnung ge-maß Stufe 1 ohne Einschrankungen nachgewiesensein.

Nachweisklasse BEs ergeben sich aus der Anwendung der Regelun-gen gemaß Stufe 2, 3 und 4 keine Nutzungsein-schrankungen.

Nachweisklasse CEs ergeben sich aus der Anwendung der Regelun-gen gemaß Stufe 2, 3 und 4 einschrankende Nut-zungsauflagen.

Die zu vereinbarenden Nutzungsauflagen fur Bru-cken in Nachweisklasse C sollen im Einklang mitder Nachweisfuhrung eine weitere verkehrlicheNutzung des Bauwerks sicherstellen. Dabei wirdzwischen verkehrlichen und zeitlichen Nutzungs-auflagen sowie auch verkehrlichen Nutzungsein-schrankungen unterschieden. Im Allgemeinenspricht man von Kompensationsmaßnahmen.

Wahrend die verkehrlichen Nutzungsauflageneine weitere Nutzung der Brucke durch gewisseAuflagen zur Verkehrsfuhrung, z. B. �berholver-bote, im Wesentlichen kaum beeintrachtigen, wei-sen Brucken, die verkehrliche Einschrankungenerfahren, Defizite auf, die eine uneingeschrankteNutzung nicht zulassen. Zu den Verkehrsein-schrankungen zahlen insbesondere LKW-Ge-wichtsbeschrankungen, Achslastbeschrankungen,Ummarkierung von Fahrstreifen bis hin zur Sper-rung und Einengung von ganzen Fahrstreifen.

Zeitliche Nutzungsauflagen resultieren im We-sentlichen aus Defiziten in der Gebrauchstaug-lichkeit, z. B. unzulassig breite Risse bei Beton-brucken, welche sich nachteilig auf die Tragfahig-keit auswirken konnen. Sie fuhren zu vorlaufigeingeschrankten Nutzungsdauern von bis zu 20Jahren. Spatestens nach Ablauf der vorgegebenenZeitspanne hat eine erneute Bewertung des Bau-werks auf Grundlage der Nachrechnungsrichtliniezu erfolgen, sofern nicht zwischenzeitlich geeig-nete Gegenmaßnahmen zur Abhilfe bis hin zumAbbruch des Bauwerks ergriffen wurden.

2 Bestandserfassung2.1 Allgemeines

Grundlage fur die Nachrechnung ist eine vorher-gehende Bewertung des Bauwerkzustands. Dafurist es auch wichtig, dass sich der bewertende Inge-nieur nicht nur anhand der gepruften Bestandsun-terlagen und der letzten Zustandsberichte einen�berblick uber das Bauwerk und seinen Erhal-tungszustand verschafft, sondern dass er sich dasBauwerk auch in der �rtlichkeit besieht und auf

offensichtliche Schaden untersucht. Dies umfasstin erster Linie eine visuelle Prufung des Bauwerksund eine Plausibilitatskontrolle der Bestandsun-terlagen. Nur in Ausnahmefallen und/oder beiVerdacht auf verdeckte Schaden wird es erforder-lich sein, weitergehende Untersuchungen inForm einer objektbezogenen Schadensanalyse zuveranlassen.

2.2 Umfang

Der Umfang der Bestandserfassung richtet sichu. a. auch nach dem Detaillierungsgrad der ver-wendeten Rechenannahmen. Folgende Bestands-unterlagen sind mindestens zu sichten:– die Bauwerksdaten, die Bauwerksakte und das

Bauwerksbuch inklusive Prufberichte;– die gepruften Ausfuhrungs- und Bestands-

plane, die geprufte ursprungliche statischeBerechnung, die zugehorigen Prufberichtesowie bei Spannbetontragwerken die vorhan-denen Spannprotokolle;

– die Unterlagen von ggf. erfolgten Nachrech-nungen;

– die Gutachten und Unterlagen zu weiterenUntersuchungen, z. B. objektbezogene Scha-densanalyse (OSA);

– die Ausfuhrungsunterlagen von ggf. erfolgtenInstandsetzungen, Verstarkungen oder bauli-chen Veranderungen.

Sollten keine gepruften Bestandsunterlagen vor-liegen, ist fur die Nachrechnung ggf. eine kom-plette Bestandsaufnahme mit �berprufung desIst-Zustandes und Abgleich mit den zur Verfu-gung stehenden Planunterlagen erforderlich. So-fern die letzte Hauptprufung langer als drei Jahrezuruckliegt und kein neuerer Zustandsberichtvorliegt, ist ggf. eine erneute Hauptprufung bzw.Sonderprufung der Tragkonstruktion zu veranlas-sen.

In Abhangigkeit vom Erhaltungszustand des Bau-werks und dem bei der Nachrechnung zu erwar-tenden Detaillierungsgrad ist in Abstimmung zwi-schen der beauftragenden Straßenbauverwaltungund demmit der Nachrechnung beauftragten Inge-nieur festzulegen, ob zusatzlich eine objektbezo-gene Schadensanalyse (OSA) auf der Grundlageder „Richtlinie zur Erhaltung von Ingenieurbau-ten“ (RI-ERH-ING) erforderlich ist. Der Detaillie-rungsgrad dieser Untersuchungen richtet sichnach den zu verwendenden Berechnungsannah-men.

Das Tragverhalten einer bestehenden Brucke kannnur auf Grundlage einer korrekten Erfassung desBauwerkzustands realistisch beurteilt werden.

276 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Page 6: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

3 Durchfuhrung der Nachrechnungvon bestehenden Straßenbrucken

3.1 Ablauf der Nachrechnung

Der prinzipielle Ablauf der Nachrechnung ist inBild 2 dargestellt. Der eigentliche Rechengang,zumindest in Stufe 1, ist im Wesentlichen mit dereiner Tragwerksberechnung im Zuge einer Neu-bauplanung vergleichbar. Ab Stufe 2 konnen zu-satzliche und/oder modifizierte Nachweisschrittein Ansatz gebracht werden, die eine Nachrech-nung genauer, aber auch durchaus aufwendigerwerden lassen konnen.

Der Einstieg in die Nachrechnung mit der Stufe 1ist – auch wenn die meisten Brucken in dieserStufe nicht nachweisbar sind – insofern wichtig,als dass damit eine direkte Vergleichbarkeit mitdem aktuellen Standard eines Bruckenneubaus ge-geben ist und sich daher alle heute bekannten De-fizite in der Tragfahigkeit und Gebrauchstauglich-keit explizit aufschlusseln lassen.

Es hat sich als sinnvoll erwiesen, dass vor der ei-gentlichen Nachrechnung eine Reihe von Vorbe-trachtungen und ggf. Untersuchungen hinsichtlichdes Bauwerkzustands angestellt werden. Daherwird dringend empfohlen, diesen Schritt nicht zukurz zu fassen und sich vorher eingehend mitdem Bauwerk zu beschaftigen. Obwohl grund-satzlich davon ausgegangen werden kann, dassdie gepruften Bestandsunterlagen, Pruf- und Zu-standsberichte, etc. den Bauwerkszustand richtigwiedergeben, muss der bewertende Ingenieur

sich das Bauwerk vor Ort anschauen und erkenn-bare Defizite oder Schaden, die Einfluss auf dieNachrechnung haben konnen, bei der Nachrech-nung berucksichtigen. Gegebenenfalls ist im Ein-zelfall der Umfang der Voruntersuchungen odereine Erweiterung des ursprunglichen Untersu-chungsauftrags mit der beauftragenden Straßen-bauverwaltung abzustimmen. Die Ergebnisse derVoruntersuchungen sind zu dokumentieren undder Nachrechnung zuganglich zu machen.

Am Ende jeder Nachrechnung steht die Bewer-tung der Ergebnisse mit der Einstufung in eineder Nachweisklassen A bis C. Soweit das Bau-werk nicht in eine entsprechende Nachweisklasseeingestuft bzw. das erforderliche Ziellastniveaunicht nachgewiesen werden kann, ist durch die zu-standige Straßenbauverwaltung festzulegen, obMaßnahmen zur Ertuchtigung oder ggf. Nut-zungsauflagen bis hin zu verkehrlichen Nutzungs-einschrankungen erforderlich werden. Unter Um-standen sind auch Sofortmaßnahmen zur Sicher-stellung der Verkehrssicherheit zu veranlassen.Fur einen schnellen �berblick kann auch ein Aus-nutzungsfaktor einzelner Bauteile oder fur das Ge-samtbauwerk angegeben werden.

3.2 Auswertung der Ergebnisse undDokumentation

Die Ergebnisse sind hinsichtlich der Tragfahig-keit, Gebrauchstauglichkeit, Ermudung undDauerhaftigkeit ingenieurmaßig zu bewerten. Istdas eingangs festgelegte Ziellastniveau innerhalb

277Durchfuhrung der Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken

IV

LM-Ziel

Stufe 2 Nachweiserfüllung Nachweisklasse BNachweise +

Sonderregelungennach Richtlinie

Stufe 1 Nachweiserfüllung Nachweisklasse AStandard-

berechnungnach DIN FB / EC

Stufe 3 Stufe 4Nachweisklasse C

Baul. oder andere Maßnahmen

Kompensationsmaßnahmen

ja

ja

janein

nein

nein

Bild 2. Ablauf der Nachrechnung

Page 7: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

der in der Nachrechnungsrichtlinie moglichenStufen nicht nachzuweisen, sind unter Betrach-tung wirtschaftlicher und verkehrlicher Aspekteentweder Verstarkungsmaßnahmen, Ersatzneu-bauten oder weitergehende Nutzungsauflagen furdas Bestandsbauwerk zu prufen.

In einer Machbarkeitsstudie sind hierfur geeigneteVerstarkungsmaßnahmen vorzuschlagen und dar-zulegen, ob nach Durchfuhrung der Ertuchti-gungsmaßnahme alle Nachweise durchgangig er-fullbar sind, oder ob das Bauwerk in Teilbereichenweiterhin Defizite aufweisen wird. Etwaige Be-wehrungsdefizite oder Spannungsuberschreitun-gen sind zu benennen. Die vorgeschlagenen Er-tuchtigungsmaßnahmen sind skizzenhaft darzu-stellen und die Kosten zu schatzen.

Sind die Verstarkungsmaßnahmen technisch rea-lisierbar, so ist auf der Grundlage einer Wirt-schaftlichkeitsuntersuchung nach der „Richtliniezur Durchfuhrung von Wirtschaftlichkeitsunter-suchungen im Rahmen von Instandsetzungs-/Erneuerungsmaßnahmen bei Straßenbrucken“(RI-WI-BR�) anhand der vorgenannten Kosten-schatzung und ggf. weiterer, nicht monetarer As-pekte zu prufen, ob sich die Ertuchtigungsmaß-nahmen im Vergleich zu Ersatzneubauten oderanderen Maßnahmen wirtschaftlich darstellen las-sen. Bis zur Durchfuhrung der Verstarkungsmaß-nahmen oder eines Ersatzneubaus oder ggf. beiEntfall jeglicher Verstarkungsmaßnahmen konnenNutzungsauflagen, wie z. B. Kompensationsmaß-nahmen in Form von verkehrsbeschrankendenMaßnahmen, notwendig werden.

Die mit einer Ertuchtigung erreichte Nachweis-klasse A, B oder C ist objektbezogen festzulegen.

Um eine ubersichtliche und einheitliche Doku-mentation der Nachrechnung zu gewahrleisten,ist in der Nachrechnungsrichtlinie festgelegt,dass die fur die Tragwerkseinstufung maßgeben-den Ergebnisse in komprimierter Form tabella-risch zusammenzustellen sind. Die Vorlagen furdie Ergebnistabellen sind der Nachrechnungs-richtlinie als Anlage 2 beigegeben und konnenbei Bedarf abgeandert werden. Die Tabellen sindausgefullt im Bauwerksbuch und im Programm-system SIB-Bauwerke abzulegen. Insbesondereist die festgelegte Nachweisklasse (A, B oder C)anzugeben.

Sofern erforderlich sind spezielle Prufanweisun-gen fur die Bauwerksprufung einschließlich derAngabe von Detektionsbereichen fur erwarteteSchadigungen (z. B. Risse) fur das Bauwerk zu er-stellen.

Gemaß der Nachrechnungsrichtlinie sind die Er-gebnisse der Berechnung durch die beauftragendeStraßenbauverwaltung zu prufen. Sie kann sichhierbei einer unabhangigen Stelle, in der Regel

eines in der jeweiligen Fachrichtung zugelassenenbzw. anerkannten Prufingenieurs, bedienen. Artund Umfang dieser bauaufsichtlichen Prufung istdurch die Verwaltung selbst festzulegen und wirdin nicht unerheblichemMaße durch das Nachrech-nungsergebnis selbst und die weiteren Schritte be-stimmt. Werden aufgrund des Nachrechungser-gebnisses zeitnah Ertuchtigungsmaßnahmen vor-gesehen, kann die Prufung auch im Rahmen derAusfuhrungsplanung erfolgen.

4 Einwirkungen4.1 Allgemeines

Vor Beginn der statischen Berechnung ist das Ziel-lastniveau fur die Verkehrseinwirkung festzule-gen. Das Ziellastniveau kann dynamisch an dieortlich vorhandenen Verkehrsbedingungen ge-knupft oder als oberer Wert den Verkehrseinwir-kungen nach DIN-Fachbericht 101 [5] gleichge-setzt werden. In vielen Fallen, insbesondere aufweniger stark frequentierten Strecken oder gene-rell auf Strecken im untergeordneten Netz, ist esausreichend und zugleich lohnenswert, die Ver-kehrseinwirkung anhand des ortlich vorhandenenVerkehrs festzulegen. In jedem Fall ist das Ziel-lastniveau administrativ durch die beauftragendeStraßenbauverwaltung vorzugeben. Alle anderenEinwirkungen, z. B. Temperatureinwirkungen,richten sich nach den geltenden Normen, wiez. B. dem DIN-Fachbericht 101.

4.2 Ziellastniveaus fur vertikaleVerkehrseinwirkungen

Obwohl im Bedarfsfalle eingeschrankte Abmin-derungsmoglichkeiten bestehen, wird fur Bru-ckenbauwerke im Zuge von Bundesfernstraßenals Ziellastniveau generell das Lastmodell LM1nach DIN-Fachbericht 101 verbindlich vorgege-ben. Der Ansatz dieses Neubau-Lastmodells ent-spricht der Strategie des Bundes, die Zukunfts-fahigkeit der Bundesfernstraßen, insbesondereder Bundesautobahnen, fur die erwarteten hohenZuwachse an Guterverkehr sicherzustellen. InAusnahmefallen darf unter bestimmten Voraus-setzungen und mit Zustimmung der Obersten Stra-ßenbaubehorden ggf. davon nach unten abgewi-chen und ein alternatives Lastmodell analog derVorgehensweise im nachgeordneten Netz fest-gelegt werden. Mit Blick auf die europaischeNormung kann LM1 auch durch das kunftigemodifizierte Lastmodell LMM (entspricht LM1nach DIN EN 1991-2 in Verbindung mit DINEN 1991-2/NA) vereinbart werden.

Fur das nachgeordnete Netz der Landes-, Kreis-,Kommunal- und sonstigen Straßen und Wegekann es wegen der u. U. geringer belastbaren Bru-cken sinnvoll sein, die weitergehenden Regelun-gen der Nachrechnungsrichtlinie bei der Festle-

278 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Page 8: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

gung des Ziellastniveaus anzuwenden. So fließengenauere Erkenntnisse zum ortlich vorhandenenSchwerverkehr, insbesondere zur Haufigkeit undZusammensetzung, in die Beurteilung ein. Be-wusst wird hier von der Philosophie der DIN-Fachberichte abgewichen, die fur alle Bruckendasselbe Verkehrslastmodell vorsehen.

Ein wesentlicher Einflussparameter auf das Ziel-lastmodell ist die Straßenkategorie. Hierbei wirdzwischen Richtungsverkehr und Begegnungsver-kehr unterschieden, sodass zwischen Straßenquer-schnitten mit zwei oder mehr Fahrsteifen je Fahrt-richtung (i. d. R. Autobahnen) und Straßenquer-schnitten mit nicht mehr als einem Fahrstreifen jeFahrtrichtung (i. d. R. Bundes- und Landesstra-ßen) differenziert wird (Bild 3).

Daruber hinaus wird das Ziellastmodell durch denSchwerverkehrsanteil am Gesamtverkehr und da-mit durch das Nutzungsverhalten der Bruckedurch Schwerverkehr bestimmt. Es lasst sich ausder durchschnittlichen taglichen Verkehrsstarkeder Fahrzeugarten des Schwerverkehrs (DTV-SV)ableiten. Im DTV-SV werden alle Fahrzeuge miteinem Gesamtgewicht von mindestens 3,5 t furbeide Fahrtrichtungen zusammenfassend fur einenStreckenzug betrachtet. Der DTV-SV wird ausVerkehrszahlungen oder -abschatzungen gewon-nen und ist mit einer Verkehrsprognose zu uberla-gern. Dabei bedient man sich, sofern keine ge-naueren Werte verfugbar sind, der vom BMVBSfestgelegten Prognosehorizonte. Gegenwartig be-zieht man sich auf das Prognosejahr 2025. Jenach anvisierter Nutzungsdauer kann der zutref-fende Prognosewert interpoliert oder extrapoliertwerden. Ab 2014 gilt das Prognosejahr 2030.

Um den Einfluss der Zusammensetzung des ort-lich vorhandenen Schwerverkehrs zu erhalten, istder vorhandene Schwerverkehr nach Verkehrsar-ten gemaß Tabelle 10.3 der Nachrechnungsrichtli-nie (s. Kapitel XI) zu unterteilen, womit eine Dif-ferenzierung zwischen schwerem Transitverkehr,mittelschwerem Regional- und leichtem Ortslie-ferverkehr erreicht wird. Dabei wird davon ausge-gangen, dass der Verkehr mit hohem mehrachsi-gem LKW-Anteil uberwiegend im uberregionalen

Streckennetz mit großen Entfernungen (Verkehrs-art „Große Entfernung“ – Verkehrskategorie 1),der Verkehr mit relativ gleichmaßig verteiltemLKW-Anteil im regionalen Streckennetz mit Ent-fernungen bis zu 100 km (Verkehrsart „MittlereEntfernung“ – Verkehrskategorie 2) und der ortli-che Lieferverkehr mit einem hohen LKW-Anteilmit zwei und drei Achsen im Ortsverkehr (Ver-kehrsart „Ortsverkehr“ – Verkehrskategorie 3)stattfindet. Die in Tabelle 10.3 der Richtlinie ge-nannten Grenzen verstehen sich als Anhaltswerteund sind hinsichtlich einer moglichen Verkehrs-entwicklung nach derzeitigen Erkenntnissen zuprognostizieren.

Sowohl der prognostizierte DTV-SV als auch dieprognostizierte Verkehrsart fließen direkt in dieFestlegung des Ziellastniveaus ein. Fur den mehr-streifigen Richtungsverkehr (i. d. R. Autobahnen)gemaß Bild 3a ergibt sich das Ziellastniveau ausden Vorgaben nach Tabelle 10.1 der Richtlinie (s.Kapitel XI) und fur den Begegnungsverkehr imuntergeordneten Netz (i. d. R. Bundes- und Lan-desstraßen) gemaß Bild 3b aus den Vorgabennach Tabelle 10.2. Dabei handelt es sich um Min-destwerte. Auf eine Reduzierung des Ziellastnive-aus in Abhangigkeit von der Nutzungsdauerwurde bewusst verzichtet.

Den in den Tabellen 10.1 und 10.2 der Richtliniegenannten Ziellastniveaus liegen zahlreiche Ver-kehrssimulationen auf Basis realer Verkehre zu-grunde. Die Hintergrunde sind in [10] und [11]aufbereitet. Um die Anwendbarkeit der Richtliniezu erleichtern, wurden die Lastmodelle unterhalbvon LM1 bewusst in Analogie der Verkehrsregel-lasten der Normenreihe DIN 1072 ausgedruckt.

Teilweise lassen sich weitere Erleichterungen imLastansatz anbringen. Fur Brucken der Verkehrs-kategorie Ortsverkehr mit geringem LKW-Ver-kehr (DTV-SV I 2000) zeigt sich, dass trotz un-gunstiger Verhaltnisse, z. B. Staubildung, oftmalsdas Lastmodell BK30/30 ausreicht, um den ge-genwartigen Verkehr ausreichend sicher abzubil-den. Dies trifft in erster Linie fur Brucken mit ge-ringen Stutzweiten bis zu 25 m zu. Daher darf un-ter diesen Randbedingungen eine weitergehende

279Einwirkungen

IV

a) Zwei und mehr Fahrstreifen je Fahrtrichtung

b) Nicht mehr als ein Fahrstreifen je FahrtrichtungBild 3. Unterteilung nach Straßen-querschnitten gemaß [9]

Page 9: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Abminderung gemaß Fußnoten 2 und 3 der Ta-belle 10.1 vorgenommen werden.

Fur Nachrechnungen von Brucken mit dem Ziel-lastniveau BK60/30, BK60 und BK30/30 gemaßden Tabellen 10.1 und 10.2 der Nachrechnungs-richtlinie (s. Kapitel XI) sind die angegebenenVerkehrsregellasten nach DIN 1072 als charakte-ristische Einwirkungen mit den dort angegebenenFahrstreifenbreiten anzusetzen. Der Schwingbei-wert ist in diesen Fallen gemaß DIN 1072 zu be-rucksichtigen.

Es wird klar, dass sowohl mit abnehmendemDTV-SV als auch mit abfallender Verkehrsart dasZiellastniveau, ausgehend vom LM1 des gultigenDIN-Fachberichts 101, ebenfalls geringer wird.Dennoch decken die alteren Verkehrsregellastenden gegenwartigen Verkehr hinsichtlich Anzahlund Schwere der Fahrzeuge ab. Zur Erfassungeiner absehbaren Verkehrsentwicklung mussenPrognosewerte fur den angesetzten Nutzungszeit-raum eingerechnet werden.

Wie die Untersuchungen in [11] belegen, deckendie in DIN 1072 angegebenen Einzelachslastender Bruckenklasse 30/30 die tatsachlichen Achs-lasten nicht mehr ausreichend ab. Aus diesemGrund ist bei der Bruckenklasse BK30/30 furden lokalen Nachweise eine charakteristische Ein-zelachslast von– 170 kN bei klassifizierten Straßen und

Hauptwirtschaftswegen;– 130 kN bei klassifizierten Straßen und

Hauptwirtschaftswegen in Verbindung miteiner verkehrlichen Nutzungseinschrankung,z. B. Achslastbegrenzung;

– 130 kN bei nicht klassifizierten Straßen,z. B. Wirtschaftswege

zu berucksichtigen. Die Einzelachslasten sind je-weils mit einem Schwingbeiwert gemaß DIN1072 zu beaufschlagen.

Die verminderte Einzelachslast von 130 kN ist nurzulassig, wenn fur das konkrete Bauwerk sicher-gestellt ist, dass die gemaß StVZO zugelassenenAchslasten nicht uberschritten werden. In derFestlegung der verminderten Einzelachslastwurde auch berucksichtigt, dass aufgrund der ge-ringen Bruckenbreiten bei nicht klassifiziertenStraßen die Kragarme meist kurz sind und im Re-gelfall nicht direkt befahren werden.

Sofern das Bauwerk nur noch fur eine begrenzteNutzungsdauer untersucht werden soll, sind ggf.weitergehende Betrachtungen und Abstimmungenmit der Obersten Straßenbaubehorde bzw. demBMVBS erforderlich.

An dieser Stelle sei ausdrucklich darauf hinzuwei-sen, dass alle genannten Verkehrslasten als cha-rakteristische Einwirkungen im Rahmen des Teil-

sicherheitskonzeptes anzusetzen sind und dass essich dabei nicht um eine Vermischung von Nor-men handelt. Die Teilsicherheitsbeiwerte (Last-und Widerstandsseite) wurden seinerzeit so be-stimmt, dass sich in etwa das gleiche Sicherheits-niveau ergibt [12]. Tabelle 10.8 der Nachrech-nungsrichtlinie enthalt die im Rahmen der Nach-rechnung anzusetzenden Teilsicherheitsbeiwerteim Grenzzustand der Tragfahigkeit fur Verkehrs-lasten.

Fur die zweite Ausgabe ist vorgesehen, die Ver-kehrseinwirkung der Nachrechnungsrichtlinie andie europaische Normung heranzufuhren und dasZiellastniveau als Verhaltniswert zum neuen euro-paischen Lastmodell LMM anzugeben. Dafurwerden in einer Vergleichsrechnung nicht die Ver-kehrslastmodelle miteinander verglichen, sonderndie tatsachlichen Verkehre, die ihnen unterlegtsind. Erste Simulationsrechnungen sind dafur imRahmen eines Forschungsprojektes bereits in Vor-bereitung.

4.3 Horizontale Verkehrseinwirkungen

Horizontale Einwirkungen aus Verkehr sind inAbhangigkeit vom Ziellastniveau anzugeben. DieLasten aus Bremsen und Anfahren regeln sichfur die Ziellastniveaus LM1 nach DIN-Fachbe-richt 101 [5] bzw. LMM nach DIN EN 1991-2[13] mit DIN 1991-2/NA [14] und fur die Ziellast-niveaus BK60/30, BK60 sowie BK30/30 nachden Vorgaben von DIN 1072:1985 [15]. Sie sindals charakteristische Werte anzusetzen.

Aufgrund der seit der Herausgabe der DIN 1072veranderten Fahrzeugtechnik (verkurzte Brems-wege) wurde fur die klassifizierten Straßen alsMindestwert die charakteristische Bremskraft auf288 kN festgelegt. Dieser Wert entspricht demMindestwert nach DIN-Fachbericht 101 und gehtauf Untersuchungen von Merzenich und Sedlacekzuruck [16]. Fur nicht klassifizierte Straßen, z. B.Wirtschaftswege, wurde in der Nachrechnungs-richtlinie eine Mindestbremslast von 200 kN fest-gelegt. Hierbei wurde davon ausgegangen, dassdie in diesem Bereich zum Einsatz kommendenFahrzeugkombinationen u. a. auch wegen der ge-ringeren Fahrgeschwindigkeit geringere Brems-krafte aufbringen.

4.4 Verkehrseinwirkung zurNachweisfuhrung gegen Ermudung

Der Nachweis gegen Ermudung soll sicherstellen,dass ein Bauwerk wahrend seiner gesamten Nut-zungsdauer keine Schaden aus wiederholt auftre-tenden Beanspruchungen unterhalb des Lastnive-aus des Grenzzustands der Tragfahigkeit erfahrt.Fur die Bemessung von Neubauten definiert manaus diesem Grund Ermudungslastmodelle, dieden wahrend der geplanten Nutzungsdauer erwar-

280 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Page 10: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

teten, zukunftigen Verkehr auf der sicheren Seiteliegend abschatzen. Die Ermudungslastmodellewerden so kalibriert, dass bei einer rechnerischen„�berfahrt“ eines Bemessungsfahrzeugs odereiner Gruppe von verschiedenen Bemessungsfahr-zeugen ein Spannungsspektrum im Querschnittentsteht, das dem Spannungsspektrum infolgedes bei der Herleitung zugrunde gelegten, realenVerkehrsflusses entspricht. Im Gegensatz zur Si-tuation bei Stahl- oder Stahlbetonbrucken sinddie im Bauteil entstehenden Spannungen beiSpannbetonbauteilen nicht nur von den maxima-len und minimalen Lastausschlagen, sondernauch von der Mittellast abhangig. Eine realistischeAbschatzung des Grundbeanspruchungsniveausist eine wesentliche Voraussetzung fur einen aus-sagekraftigen Nachweis gegen Ermudung. Ausdiesem Grund kann es neben dem Ansatz der er-mudungswirksamen Verkehrslasten aus Einzel-fahrzeugen (Ermudungslastmodelle) auch erfor-derlich werden, einen quasi-standigen Anteilder gleichmaßig verteilten Verkehrsflachenlast(UDL) beim Nachweis zu berucksichtigen.

Wenn der Nachweis gegen Ermudung fur Beton-brucken gemaß DIN-Fachbericht 102 [6] mit scha-digungsaquivalenten Schwingbreiten gefuhrt wird(Stufe 1 gemaß Nachrechnungsrichtlinie), ist dasErmudungslastmodell 3 (ELM 3) gemaß DIN-Fachbericht 101 [5] zugrunde zu legen. In der Stufe2 sieht die Nachrechnungsrichtlinie einen soge-nannten expliziten Betriebsfestigkeitsnachweisvor, bei dem nicht eine vorhandene Spannungs-schwingbreite mit einem zulassigen Wert vergli-chen wird, sondern die aus den bisherigen und zu-kunftigen �berfahrten zu erwartende Schadigungs-summe direkt berechnet wird. Dieser Nachweiswird im Abschnitt 6.6 genauer erlautert. Um den er-mudungswirksamen Verkehr auf dem betrachtetenBauwerk fur den Betriebsfestigkeitsnachweis ge-nauer abzuschatzen als mit dem Einzelfahrzeugdes ELM 3, orientiert sich die Nachrechnungsricht-linie am Ermudungslastmodell 4 (ELM 4) gemaßEurocode 1, Teil 2 [13]. Das ELM 4 besteht auseiner Gruppe von funf Standardlastkraftwagen,die zusammen Einwirkungen erzeugen, wie sieaus typischem Verkehr auf europaischen Straßenentstehen. Durch die Vorgabe von Anteilen der ein-zelnen Lastkraftwagen am gesamten Schwerver-kehr kann eine realistische Abbildung der Schwer-verkehrszusammensetzung fur die jeweilige Stre-cke erreicht werden. Es werden drei typischeSchwerverkehrszusammensetzungen vorgegeben.Die Verkehrsart „Große Entfernung“ reprasentiertden LKW-Verkehr auf Autobahnen und Fernstre-cken, „Mittlere Entfernung“ steht fur regionalenLKW-Verkehr und „Ortsverkehr“ fur den typischenlokalen Lieferverkehr. Eine normgemaße Anwen-dung des fur die Bemessung von Neubauten vorge-sehenen ELM 4 ist jedoch im Rahmen der Ermu-

dungsbeurteilung bestehender Bauwerke nichtzielfuhrend, da die Anzahl Nobs der LKW pro Jahrund LKW-Spur sowie die vorgegebenen Verkehrs-zusammensetzungen eine Prognose eines hohen,zukunftigen Verkehrs darstellen. Die bisherige Ver-kehrsentwicklung, und damit die ermudungswirk-same Belastung, die eine altere Brucke vom Zeit-punkt ihrer Errichtung bis heute erfahren hat,kann durch das Standard-ELM 4 nicht erfasst wer-den. Aus diesem Grund enthalt die Nachrech-nungsrichtlinie ein modifiziertes ELM 4, bei demzwar dieselben Standardlastkraftwagen verwendetwerden, die Schwerverkehrszusammensetzungenund die Anzahl der LKW-�berfahrten aber nachDekaden aufgeschlusselt fur die Zeitraume von1950 bis heute angegeben sind. Die heutigen Ver-kehrszusammensetzungen entsprechen dabei wie-der den Prognosewerten des Standard-ELM 4. DieZahlenwerte fur die anzusetzenden �berfahrten jeJahr und LKW-Spur sowie die Anteile der einzel-nen Lastkraftwagen am gesamten Schwerverkehrwurden fur die Zeitraume von 1950 bis 2010 aufGrundlage der Ergebnisse von reprasentativen da-maligen Verkehrszahlungen ermittelt bzw. ge-schatzt. Tabelle 1 zeigt beispielhaft das modifi-zierte ELM 4 fur die Verkehrsart „Große Entfer-nung“. Man kann zum einen erkennen, dass derauf Autobahnen stark zunehmende Schwerverkehrdurch eine um den Faktor 10 steigende Anzahl der�berfahrten Nobs zwischen 1950 und heute erfasstist. Zum anderen wird ersichtlich, dass sich imLaufe der Zeit auch der Anteil der leichten LKWstetig zugunsten der schwereren LKW-Typen ver-andert hat.Sowohl das ELM 3 wie auch das ELM 4 beinhal-ten bereits dynamische Vergroßerungsfaktorenunter Annahme einer guten Belagsqualitat. Inden Bereichen der Fahrbahnubergange konnenaber zusatzliche lokale Unebenheiten vorliegen,deren Auswirkungen durch einen zusatzlichenSchwingbeiwert Dsfat berucksichtigt werden.Alle in einem Abstand von bis zu 6 m von derMitte des Fahrbahnubergangs angreifenden verti-kalen Verkehrslasten mussen in Abhangigkeit ih-res Angriffspunkts mit dem Schwingbeiwert nachGl. (1) multipliziert werden:

Dffat w 1S 0,30 1sD

6

� �j 1 (1)

mit

D Abstand (m) des Querschnitts von der Mittedes betrachteten Fahrbahnubergangs

Das Vorgehen bei der Anordnung des modifi-zierten ELM 4 auf einem �berbau fur den Nach-weis gegen Ermudung wird im Abschnitt 6.6 er-lautert.Die vorgegebenen Verkehrszusammensetzungenund Anzahlen der LKW-�berfahrten des modifi-

281Einwirkungen

IV

Page 11: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

zierten ELM 4 stellen eine reprasentative Abschat-zung der tatsachlichen fruheren und zukunftigenVerkehrsverhaltnisse fur den Betriebsfestigkeits-nachweis dar. Der Aufbau des modifiziertenELM 4 ermoglicht jedoch auch, zusatzliche Typenvon Lastkraftwagen samt ihrem Anteil am gesam-ten Schwerverkehr zu berucksichtigen. Dies kannz. B. bei Bruckenbauwerken in der Nahe großerIndustrieanlagen oder Tagebaugebiete notig wer-den, wenn haufig Spezialfahrzeuge eingesetztwerden oder im Wesentlichen nur ein LKW-Typdas Bauwerk befahrt. Außerdem kann die Anzahlder jahrlichen LKW-�berfahrten leicht an indivi-duell gemessene oder gezahlte Werte angepasstwerden. Die Nachrechnungsrichtlinie erlaubt sol-che Anpassungen in Abstimmung mit den Ober-sten Straßenbaubehorden der Lander. Wenn ge-nauere Informationen uber den fruheren oder zuerwartenden Verkehr vorliegen, sollten diese beider Nachweisfuhrung berucksichtigt werden,auch wenn sie sich in manchen Fallen ungunstigauf das Nachweisergebnis auswirken konnen.

5 Werkstoffkennwerte fur dieNachrechnung von Betonbrucken

5.1 Allgemeines

Um die Tragfahigkeit alterer Bauwerke aufGrundlage der heutigen Nachweiskonzepte be-stimmen zu konnen, werden charakteristische

Werte der Materialeigenschaften benotigt. In fru-heren Normen und Richtlinien sind diese Werte je-doch nicht enthalten. Die Definitionen der in derBerechnung verwendeten Materialfestigkeiten so-wie die entsprechenden Prufnormen und die Gute-uberwachung haben sich in der Vergangenheitmehrmals geandert. Im Laufe der Zeit fanden au-ßerdem mehrmals Einheitenumstellungen statt.Hinzu kommt, dass bei bestehenden Bauwerkenhaufig Baustoffe eingesetzt wurden, die heutenicht mehr gebrauchlich oder zulassig sind unduber die man aus diesem Grund in den aktuellenRegelwerken keine Angaben finden kann. DieMaterialkennwerte durfen daher meist nicht direktund ohne weitere �berlegungen aus alteren Nor-men, Richtlinien, Zulassungen oder von gepruftenPlanen bzw. aus der ursprunglichen statischen Be-rechnung ubernommen werden. Es liegt dahernahe, Materialuntersuchungen am Bauwerkdurchzufuhren, um die notigen Eingangswertefur eine Nachrechnung experimentell zu bestim-men. Es ist jedoch praktisch nicht moglich undauch nicht Ziel, an jedem einzelnen Bauwerk voreiner Nachrechnung so umfangreiche Material-untersuchungen durchzufuhren, dass fur alleverwendeten Baustoffe statistisch abgesicherteund in ihrer Großenordnung realistische Werteder charakteristischen Materialkennwerte erhaltenwerden. Ein solches Vorgehen wurde aufgrundder sehr hohen benotigten Probenanzahlen eineenorme Schadigung des Bauwerks bewirken.

282 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Tabelle 1. Modifiziertes Ermudungslastmodell 4 fur die Verkehrsart „Große Entfernung“(Tabelle 10.5 aus [9])

Zeitraum bis 1950 1950 bis 1970 1970 bis 1990 1990 bis 2010 ab 2010

Nobs

je Jahr fur Fahrstreifen 1 0,25 · 106 0,5 · 106 1,0 · 106 2,0 · 106 2,5 · 106

Verkehrszusammensetzung in %

45 30 20 20 10

45 20 10 5 5

– – 20 50 60

5 25 30 15 15

5 25 20 10 10

Page 12: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Im Rahmen der Erarbeitung der Richtlinie zurNachrechnung von Straßenbrucken im Bestand[9] hat man sich aus diesem Grund darauf verstan-digt, auf der sicheren Seite liegende Empfehlun-gen fur die rechnerisch anzusetzenden charakteris-tischen Materialkennwerte alterer Baustoffe anzu-geben. Auf Grundlage umfangreicher Literaturre-cherchen und teilweise durch die Auswertungvorhandener historischer Materialprufungsergeb-nisse konnten die seinerzeit angegebenen Werk-stoffkennwerte in die heute notwendigen, charak-teristischen Werte der Werkstoffeigenschaften„ubersetzt“ werden. Die Werte der Nachrech-nungsrichtlinie erlauben ohne vorherige zersto-rende Materialprufungen in den meisten Falleneine Abschatzung der Tragfahigkeit alterer Bru-

ckenbauwerke auf Grundlage des heutigen Nor-menkonzepts. Fur den Zeitraum vor Erscheinender ersten Spannbetonnorm DIN 4227 [17] imJahr 1953 konnen die angegeben Kennwerteohne weitergehende Materialuntersuchungen je-doch lediglich einer uberschlagigen Bemessungdienen.

Vor Beginn der Nachrechnung muss sichergestelltsein, dass die in einem Bauwerk tatsachlich ver-wendeten Werkstoffe eindeutig zugeordnet wer-den konnen. Hierzu konnen in der Regel die Anga-ben aus gepruften Bestandsunterlagen herangezo-gen werden. Wenn diese Informationen jedochnicht vorliegen oder Zweifel an der �bereinstim-mung der im Bauwerk verwendeten Werkstoffemit den Angaben der Bestandsunterlagen beste-hen, konnen Werkstoffuntersuchungen am Bau-werk notwendig werden, auf die in Abschnitt 5.3naher eingegangen wird. Durch Untersuchungenam Bauwerk kann in kritischen Fallen auch festge-stellt werden, ob eventuell vorhandene �berfes-tigkeiten zu einem gunstigen Nachweisergebnisfuhren. Da Werkstoffuntersuchungen am Bauwerkjedoch in der Regel zerstorender Natur sind, soll-ten sie nicht „vorbeugend“ im Rahmen einer Be-standserfassung erfolgen. Wenn in einzelnen Fal-len keine eindeutige Zuordnung der verwendetenMaterialien zu historischen Baustoffen moglichist, sollte vor einer zerstorenden Prufung am Bau-werk gepruft werden, ob eine Nachrechnung mitden Tabellenwerten der Nachrechnungsrichtlinieoder mit auf der sicheren Seite liegenden Annah-men bez. der tatsachlichen Werkstoffkennwertezielfuhrend ist. Wenn die Nachweise unter konser-vativen Annahmen der Werkstoffkennwerte nichtzu erbringen sind, kann vor einer umfassendenPrufung am Bauwerk auch durch grobe Parame-terstudien untersucht werden, ob der nicht er-brachte Nachweis uberhaupt sensitiv auf eine Zu-scharfung der Werkstoffkennwerte reagiert.

Bestehen jedoch Vorinformationen uber Abwei-chungen von den in den gepruften Unterlagen an-gegebenen Werkstoffeigenschaften, z. B. auseinem Bautagebuch oder aus fruher durchgefuhr-ten Untersuchungen, so mussen diese bei einerNachrechnung berucksichtigt werden. Die Kom-bination von Tabellenwerten fur Baustoffe uberdie keine Untersuchungsergebnisse vorliegen mitWerten aus Werkstoffuntersuchungen ist dabei zu-lassig. Bild 4 fasst den Ablauf bei der Ermittlungder Eingangswerte auf der Werkstoffseite fur eineNachrechnung schematisch zusammen.

Im Folgenden werden die Hintergrunde der in derNachrechnungsrichtlinie enthaltenen Angaben zuden Werkstoffkennwerten fur die Nachrechnungvon Brucken aus Stahl, Stahlbeton und Spannbe-ton dargestellt. Dabei wird auch auf die Ermittlungvon charakteristischen Werten aus den Ergebnis-

283Werkstoffkennwerte fur die Nachrechnung von Betonbrucken

IV

Bild 4. Bestimmung der Werkstoffkennwerte fur eineNachrechnung

Page 13: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

sen bereits durchgefuhrter oder evtl. vor der Nach-rechnung noch durchzufuhrender Werkstoffunter-suchungen eingegangen. Die Zusammenhangewurden von den Autoren bereits in [18] und [19]ausfuhrlich dargestellt.

5.2 Rechenwerte der Werkstoffkennwerte

5.2.1 Grundlagen

Die in diesem Abschnitt beschriebenen Zusam-menhange gelten unter der Annahme, dass diebei der Errichtung eines Bruckenbauwerks ver-wendeten Werkstoffe die Anforderungen der zumjeweiligen Bauzeitpunkt gultigen Normen erfull-ten.

Charakteristische Werkstoffkennwerte sind nachaktuellem Normenwerk i. d. R. anhand einerQuantile der Grundgesamtheit festgelegt (vgl.DIN EN 1990 [20]). Das bedeutet, sie besitzeneine bestimmte Auftretenswahrscheinlichkeit beieiner – nur theoretisch moglichen – Auswertungeiner unbegrenzten Probenanzahl. Somit ergibtsich der charakteristische Wert einer betrachtetenWerkstoffeigenschaft anhand ihrer ublichen statis-tischen Verteilung und dem Streuungsniveau, daszu ihrem Produktionszeitpunkt vorherrschte.

Bei der Umrechnung alterer Werkstoffkenngroßenin das heutige Format mit charakteristischen Wer-ten mussen neben den statistischen Eigenschaftenauch Abweichungen zwischen den aktuellen unddamaligen Prufbestimmungen beachtet werden.Diese Umstellungen außern sich in der Regel inder Form geanderter Probekorperabmessungenund -lagerungsbedingungen und konnen anhandvon Umrechnungsfaktoren berucksichtigt werden,die fur die jeweiligen Werkstoffe in den folgendenAbschnitten erlautert werden.

Die Nachrechnungsrichtlinie enthalt einen Hin-weis, wonach die Tabellenwerte der vor 1953 pro-duzierten Betone und Betonstahle ohne eine ein-deutige Zuordnung durch erganzende Material-prufungen nur zu Vorbemessungen dienen kon-nen. Das Jahr 1953 markiert die Bekanntgabe derersten Fassung der Spannbetonnorm DIN 4227[17] und wird als Ende einer �bergangsphase ein-geschatzt, wahrend derer sich die gesellschaftlicheLage nach dem Zweiten Weltkrieg soweit stabili-sierte, dass wieder von einer gewissen „Normali-tat“ bei der Errichtung von Ingenieurbauten aus-gegangen werden kann. Der gewahlte Zeitpunktkann daher nicht als absolute Entscheidungs-grenze betrachtet werden, ob die vorgegebenenTabellenwerte als sichere Annahmen verwendetwerden konnen. Fur die Kennwerte von Spann-stahlen und Spannverfahren ist die Festlegungeines solchen „Vertrauenszeitpunktes“ nicht erfor-derlich, da man sich auf die durch Versuche abge-sicherten Angaben aus den seit Beginn der Spann-

betonbauweise obligatorischen Zulassungen stut-zen kann. Eventuell noch im Betrieb befindlicheSpannbetonbauwerke aus dem Zeitraum vor Er-scheinen der ersten Spannbetonnorm im Jahr1953 sollten jedoch vor allem im Hinblick aufdie damals verwendeten Rechenannahmen undkonstruktiven Grundsatze mit besonderer Sorgfaltbewertet werden.

5.2.2 Rechenwerte fur historische Betone

Fur die Nachrechnung bestehender Bruckenbau-werke werden charakteristische Festigkeiten furBetone fruherer Normengenerationen benotigt,die der Definition der entsprechenden charakteris-tischen Werte im DIN-Fachbericht 102 [6] ent-sprechen. Dabei stehen vor allem die charakteristi-schen Werte der Betondruckfestigkeit fck im Vor-dergrund, da sich aus ihnen alle anderen bei einerBemessung benotigten Rechenwerte der Material-eigenschaften ableiten lassen. Die heutigen Fes-tigkeitsklassen des Betons basieren auf den cha-rakteristischen Mindestwerten (5%-Quantil) deran Wurfeln mit einer Kantenlange von 150 mmbzw. Zylindern mit einem Durchmesser von150 mm und einer Hohe von 300 mm im Altervon 28 Tagen ermittelten Druckfestigkeit [21].Die Lagerung der Prufkorper erfolgt dabei nachdem Ausschalen bis zur Prufung unter Wasseroder in einer Feuchtekammer mit einer relativenLuftfeuchtigkeit j 95% [22]. Die Prufbedingun-gen alterer Betone lassen sich zwar ab 1916 mitden heutigen vergleichen [23], verschiedene Um-stellungen bezuglich Prufkorpergeometrie undLagerungsbedingungen mussen dabei aber durchUmrechnungsfaktoren berucksichtigt werden. Le-diglich das Prufalter von 28 Tagen ist uber den be-trachteten Zeitraum konstant.

Im Rahmen der Erstellung der Nachrechnungs-richtlinie wurden folgende Umrechnungsfaktorenverwendet:– Umrechnungsfaktor k150/200 nach Gl. (2) fur

die Umrechnung zwischen Wurfelproben mit200 mm Kantenlange und Wurfelproben mit150 mm Kantenlange nach [24]:fc,cube150fc,cube200

w k150=200 w 1,05 (2)

– Umrechnungsfaktor kcyl/cube fur die Umrech-nung zwischen Wurfelproben mit Kanten-lange 150 mm und Zylinderproben mit150 mm Durchmesser und 300 mm Hohe. Erliegt nach [21] fur normalfeste Betone imMittel bei 0,81 und fur hoherfeste Betone bei0,84. Im Rahmen der Nachrechnungsrichtliniewurde er fur alle Druckfestigkeiten gemaßGl. (3) gewahlt mit:fc,cyl

fc,cube150w kcyl=cube w 0,82 (3)

284 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Page 14: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Dabei sind

fc,cube150 Betondruckfestigkeit eines Wurfels mit150 mm Kantenlange

fc,cube200 Betondruckfestigkeit eines Wurfels mit200 mm Kantenlange

fc,cyl Betondruckfestigkeit eines Zylinders(d/h w 150/300 mm)

– Umrechnungsfaktor kL zur Berucksichtigungder Trockenlagerung von Normalbeton biseinschließlich C50/60 (Wasserlagerung nur inden ersten 7 Tagen nach Betonieren) nach [25]gemaß Gl. (4).fc,cubefc,dry

w kL w 0,92 (4)

Dabei sind

fc,cube Betondruckfestigkeit eines Wurfels mit150 mm Kantenlange bei 28-tagigerLagerung unter Wasser

fc,dry Betondruckfestigkeit eines Wurfels mit150 mm Kantenlange bei Trockenlage-rung nach dem siebten Tag

Tabelle 2 enthalt eine �bersicht zu den seit 1916verwendeten Probekorpern, die alle einer Tro-ckenlagerung nach dem siebten Tag unterlagen.

Mithilfe der Umrechnungsfaktoren und derKenntnis der damals verwendeten Prufkorpergeo-metrien und -lagerungen konnen die in alterenNormen enthaltenen Betonfestigkeiten nun aufentsprechende Festigkeiten eines aktuellen Zylin-der- oder Wurfelprufkorpers mit heutigen Lage-rungsbedingungen umgerechnet werden. Die so

umgerechneten Werte konnen aber noch nicht di-rekt in den Ansatzen des heutigen Normenkon-zepts verwendet werden, da sie nicht zwangslaufigcharakteristische Werte (5%-Quantile) der Druck-festigkeiten darstellen.Bis 1972 fand die Einteilung des Betons in soge-nannte Guteklassen anhand der Mittelwerte derBetondruckfestigkeit statt. Erst mit der Einfuhrungder Neuausgabe der DIN 1045 im Jahr 1972 [26]bzw. der ab 1980 verbindlichen TGL 33411/01[27] wurde der Beton in sogenannte Festigkeits-klassen eingeteilt, die auf den als 5%-Quantil defi-nierten charakteristischen Werten der Betondruck-festigkeit beruhen. Aus diesem Grund mussen furdie Betone der alteren Gute- und -festigkeitsklas-sen Verteilungsfunktionen fur die Druckfestigkeitaufgestellt und aus den dazugehorigen Parameterndie benotigten Quantilwerte berechnet werden. Furdie Betrachtungen im Rahmen der Nachrech-nungsrichtlinie wurden die Druckfestigkeiten his-torischer Betone von 1916 bis 1980 als normal-verteilt angenommen. Die Erwartungswerte m derVerteilungen entsprechen den jeweils gefordertenmittleren Druckfestigkeiten fcm,cube200. Die bei derUmrechnung verwendete Standardabweichung sbasiert auf dem Ergebnis einer Regressionsrech-nung von Rusch et al. [28], welche das mittlereStreuungsniveau der Betondruckfestigkeit vonProbekorpern reprasentiert, die auf Baustellen der1950er-Jahre hergestellt wurden. Sie ergibt sichin Abhangigkeit von der mittleren Wurfeldruck-festigkeit nach Gl. (5) zu:

sw1

0,197S31,9

fcm,cube2002

N=mm2� �

(5)

285Werkstoffkennwerte fur die Nachrechnung von Betonbrucken

IV

Tabelle 2. �bersicht der bei der Bestimmung der Betondruckfestigkeit verwendeten Probekorper(aus [18])

Zeitraum Referenzform der Probekorper zurErmittlung der Betondruckfestigkeit

Normenreihe

1916–1925 Wurfelform,Kantenlange w 30 cm (Beton)Kantenlange w 20 cm (Eisenbeton)

Anhang zu den Bestimmungendes DAfEB (1916)

1925–1972 Wurfelform,Kantenlange w 20 cm

DIN 1048

1963–1980 DDR TGL 0-1048

1972–1988 DIN 1045

1980–1990 DDR Wurfelform,Kantenlange w 15 cm

TGL 33433/04

1988–2001 Wurfelform,Kantenlange w 20 cm

DIN 1045

ab 2001 Zylinderform,Durchmesser/Hohe w 15/30 cm

DIN 1045-1

Page 15: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Entsprechend den oben genannten Umrechnungs-faktoren und dem geschatzten Streuungsniveaunach Gl. (5) sind die 5%-Quantile der charakteris-tischen Betondruckfestigkeiten fur im Zeitraumzwischen 1916 bis 1943 produzierte Betone sowiefur die Betongute B 120 nach Gl. (6) bestimmt:

fck,cyl w fcm,cube200 s 1,645 � sð Þ� k150=200 � kcyl=cube � kL (6)

Eine besondere Situation ergibt sich fur zwischen1943 und 1972 produzierte, guteuberwachte Be-tone (ab Guteklasse B 160 bis B 600). Der beider Guteklasse angegebene Festigkeitswert (inkp/cm2) entspricht dem zu erbringenden Mittel-wert der Druckfestigkeit von drei Probekorpern.Zusatzlich wurde aber damals bei der Guteprufungeine Mindestdruckfestigkeit fc,min gemaß Gl. (7)fur jeden einzelnen Prufkorper gefordert.

fc,min w 0,85 � fcm,cube200 (7)

Durch numerische Simulationen [29] und durchdie Auswertung von am MPA der TechnischenUniversitat Munchen noch vorhandener Unterla-gen zu Betondruckfestigkeitsprufungen aus demZeitraum vor 1972 [30] konnte gezeigt werden,dass diese Mindestdruckfestigkeit des einzelnenPrufkorpers als sichere Abschatzung fur die cha-rakteristische Druckfestigkeit fck,cube200 angenom-men werden darf. Unter Berucksichtigung derUmrechnungsfaktoren ergeben sich fur die ent-sprechenden Betonguten die charakteristischenWerte der Druckfestigkeiten damit nach Gl. (8):

fck,cyl w 0,85 � fcm,cube200 � k150=200� kcyl=cube � kL (8)

Bild 5 verdeutlicht das Vorgehen bei der �ber-fuhrung der Mittelwerte der Betondruckfestigkeitvon Betonen aus dem Zeitraum von 1943 bis1972 in charakteristische Werte nach heutigerDefinition.

Da, wie bereits erwahnt, die NenndruckfestigkeitbWN (W fck,cube200) ab der Veroffentlichung vonDIN 1045, Ausgabe 1972 [26] sowie die Norm-wurfeldruckfestigkeit Rn (W fck,cube150) gemaß derTGL 33411/01 von 1979 [27] den 5%-Quantilender Grundgesamtheiten entsprachen, sind fur dieUmrechnung der Betonfestigkeitsklassen nur dieUmrechnungsfaktoren fur die jeweils unterschied-lichen Probeformen und unterschiedlichen Lage-rungen nach Gl. (2) bis (4) zu berucksichtigen.Die charakteristischen Betondruckfestigkeitenfur Betone dieser Zeitraume bestimmen sich alsogemaß Gl. (9) oder (10):

fck,cyl w fck,cube200 � k150=200 � kcyl=cube � kL (9)

fck,cyl w fck,cube150 � kcyl=cube � kL (10)

286 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Bild 5. Umrechnung der Druckfestigkeiten altererBetone in charakteristische Werte fur die Nachrech-nung auf Grundlage von DIN-Fachbericht 102 [6]

Page 16: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Die weiteren fur die Nachrechnung benotigtenWerkstoffkennwerte des Betons, wie die Zugfes-tigkeit und der E-Modul, konnen aus den so ge-wonnenen charakteristischen Druckfestigkeitenanhand der Festlegungen in [6] bestimmt werden.Es ist zu betonen, dass z. B. ein Beton B 45 ausdem Zeitraum ab 1978 aufgrund der unterschiedli-chen statistischen Definition der angegebenenFestigkeiten nicht durch eine einfache Einheiten-umrechnung mit dem Faktor 10,0 mit einem BetonB 450 aus dem Zeitraum bis 1972 gleichgesetztwerden kann.

5.2.3 Rechenwerte fur historische Betonstahle

Der fur die Bemessung von Stahlbetonbauteilenmaßgebende Werkstoffkennwert des Betonstahlsstellt die Streckgrenze fy dar, deren charakteristi-scher Wert fyk als 5%-Quantile der Grundgesamt-heit festgelegt ist. �ber das Verhaltnis der Zugfes-tigkeit zur Streckgrenze ft/fy und der Dehnung un-ter Hochstlast Agt (jeweils als 10%-Quantile) wer-den die Anforderungen an die Duktilitat geregelt.Des Weiteren wird der Elastizitatsmodul ES beno-tigt. Fur die Nachrechnung eines Bauwerks, dasunter Verwendung anderer als der heute gebrauch-lichen Betonstahle errichtet wurde, finden sich inder Nachrechnungsrichtlinie zu diesen Kennwer-ten Angaben in Tabellenform. Im Folgenden wer-den die Hintergrunde dieser Angaben erlautert.

Die Prufbedingungen fur Betonstabstahle sind ge-maß [23] seit 1936 mit den heutigen vergleichbar.Deshalb mussen im Gegensatz zur Situation beihistorischen Betonen keine Umrechnungsfaktorenzur Anpassung an aktuelle Referenzgroßen ver-wendet werden. Festlegungen zu den gefordertenMindestwerten der wesentlichen EigenschaftenStreckgrenze, Zugfestigkeit und Mindestbruch-dehnung werden fur im Stahlbetonbau gebrauchli-che Stahle erstmals in der DIN 1045 aus dem Jahr1943 [31] gesammelt angegeben. Daruber hinausfinden sich weitere Angaben zur Oberflachenbe-schaffenheit, Schweißbarkeit, etc. Wahrend sichdiese Angaben heute in den einzelnen Blatternder Normenreihe DIN 488 finden, enthielten fru-here Ausgaben der DIN 488 (vor 1972) lediglichInformationen uber die Geometrie der Betonstahl-erzeugnisse. Die generelle Aufteilung der Beton-stahle erfolgte ab 1943 anhand der gefordertenMindeststreckgrenzen in die vier Gruppen BSt Ibis BSt IV. Innerhalb der Gruppen II, III und IVwurde noch nach Stahl a oder b unterschieden.Stahl a war naturharter Stahl mit einer ausgeprag-ten Streckgrenze, Stahl b wurde zur Schaffung be-stimmter Oberflachen oder zum Erreichen der ge-forderten Festigkeiten zusatzlich kaltverformt.Stahl b besitzt aufgrund der Kaltverformung keineausgepragte Fließgrenze mehr. Aus diesem Grundwird fur solche Stahle die Spannung bei 0,2%bleibender Dehnung als Streckgrenze b0,2 defi-

niert. Wahrend Betonstahl der Gruppe I alleinaus glattem Rundstahl bestand, waren in derGruppe II glatte und sogenannte „Formstahle“enthalten. Als Formstahle gelten samtliche Be-tonstahle deren Oberflache zur Erzielung einesbesseren Verbunds verandert wurde. Betonstahlder Gruppe III war i. d. R. Formstahl, bis zu einemDurchmesser von 26 mm waren jedoch auchglatte Stahle zulassig. Betonstahl der Gruppe IVkam im Wesentlichen fur geschweißte Betonstahl-matten zum Einsatz. Betonstahle der Gruppen IIb,III und IV bedurften immer einer bauaufsichtli-chen Zulassung, die zum Teil in alteren Ausgabendes Beton-Kalenders abgedruckt sind. Diesen Zu-lassungen kann z. B. entnommen werden, ob dasbetreffende Erzeugnis bei nicht vorwiegend ru-henden Belastungen verwendet werden durfte,d. h. ob es uberhaupt im Bruckenbau angewendetwerden konnte. Die Zulassungen enthalten nurdann Angaben zu den Festigkeitseigenschaften,wenn das Erzeugnis nicht in eine der vier Beton-stahlgruppen I bis IV eingeordnet wurde. Sonstenthalt die Zulassung lediglich die Angabe der zu-gehorigen Betonstahlgruppe. Die Mindestwerteder Festigkeitseigenschaften konnen dann wie in[31] angegeben ubernommen werden.

Bisher wurde bewusst der Ausdruck „Mindest-werte“ der Betonstahleigenschaften verwendet.In den Normen vor 1972 finden sich keine Anga-ben daruber, ob diese Mindestwerte mit den heutegebrauchlichen charakteristischen Werten (i. d. R.5%-Quantile) der Baustoffeigenschaften uberein-stimmen.

Die Verwendung charakteristischer Werte (bzw.Nennwerte) im heutigen Sinne findet erst seit derNeuausgabe der DIN 1045 im Jahr 1972 [26] statt.Im Vorfeld der Normenumstellung fanden jedochvielfaltige Untersuchungen auf dem Gebiet derstatistischen Auswertung der Materialeigenschaf-ten statt. Beispielhaft seien hier die Untersuchun-gen von Rehm genannt [32–34]. In [34] aus demJahr 1969 finden sich fur den Zeitraum ab 1943folgende Angaben bezuglich des Zusammenhangsvon geforderten Mindestwerten und Quantilwer-ten: „[...] sind die in den Normen angegebenenMindestwerte als Garantiewerte anzusehen, diein keinem Fall bzw. [...] bei „statistischer“ Aus-wertung nur bei einem hochstzulassigen Anteil(zulassige Fraktile) einer Materialmenge unter-schritten werden durfen.“ Zusatzlich findet sichfolgende Aussage: „Bekanntlich betragt der Min-destwert fur Stabe mit Durchmessern J 18 mm42 kp/mm2 mit einer zulassigen Fraktile von5%.“ Damit konnen die in [31] aufgefuhrten Min-destwerte der Betonstahleigenschaften der Grup-pen BSt I bis BSt IV theoretisch fur den Zeitraumab 1943 als charakteristische Werte in die Bemes-sung nach heutigen Normen ubernommen werden.Aufgrund der unsicheren Verhaltnisse in den letz-

287Werkstoffkennwerte fur die Nachrechnung von Betonbrucken

IV

Page 17: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

ten Kriegsjahren und wahrend der Zeit kurz nachKriegsende wurde jedoch auch fur die Kennwerteder Betonstahle festgelegt, dass sie wie die Beton-kennwerte erst mit Einfuhrung von [17] im Jahr1953 als verbindlich angesehen werden konnen.Die Umrechnung der damals verwendeten Einheitkp/mm2 in N/mm2 erfolgte mit dem ingenieurma-ßigen Faktor 10,0. Ab 1972 sind die gefordertenEigenschaften des Betonstahls in DIN 488-1 [35]festgelegt. Die dort angegebenen Werte beruhenauf statistischen Auswertungen der Materialeigen-schaften und konnen direkt in die heutige Bemes-sung ubernommen werden. Dies gilt auch fur diein der Norm TGL 101-054 von 1965 [36] und inder Normenreihe TGL 12530 seit Ausgabe derTGL 12530-1 im Jahr 1972 [37] angegebenenmechanischen Werkstoffkennwerte. Die Nach-rechnungsrichtlinie enthalt auch Angaben zuKennwerten von Stahlen, die im Zeitraum vor1943 gebrauchlich waren. In diesem Zeitraumwurden nur Mindestanforderungen an die Zugfes-tigkeit des Werkstoffs gestellt. Die angegebenencharakteristischen Streckgrenzen entsprechen Er-fahrungswerten aus der Fachliteratur (vgl. z. B.[38]). Bei Verwendung dieser Werte im Rahmeneiner Vorbemessung wird die unsichere Informa-tionslage uber eine Erhohung des Teilsicherheits-

beiwerts gs um 10% berucksichtigt. Fur Bau-werke, die vor 1943 erstellt wurden, empfiehlt essich, eine „Zuordnung von Eigenschaften“ nach[9] anhand von Materialprufungen vorzunehmen(s. Abschn. 5.3.3). Wenn eine solche Zuordnungerfolgt ist, kann auf die Erhohung des Teilsicher-heitsbeiwerts gs verzichtet werden.

Tabelle 3 zeigt beispielhaft die fur den Zeitraumvon 1943 bis 1972 gultigen Mindestwerte derBetonstahleigenschaften. Entsprechend [31] dur-fen bei Stabdurchmessern J 18 mm die charakte-ristischen Streckgrenzen fur die Betonstahlgrup-pen II und III um 20 N/mm2 erhoht werden. DerElastizitatsmodul Es darf als konstante Große furBetonstahle aller Herstellungszeitpunkte ab 1943mit einemWert von 200.000 N/mm2 angenommenwerden.

Die Materialkennwerte fur den Ermudungsnach-weis werden ausfuhrlich im Abschnitt 5.4 erlau-tert. Weiterfuhrende Informationen zur Zuord-nung der historischen Betonstahle in die Duktili-tatsklassen nach [6] konnen [18] entnommen wer-den. Die Verbundeigenschaften historischerBetonstahle stimmen aufgrund abweichenderOberflachenbeschaffenheiten nicht zwangslaufigmit den Verbundeigenschaften heute ublicher

288 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Tabelle 3. Mindestwerte der Streckgrenze, Zugfestigkeit und Mindestbruchdehnung von Betonstahlenim Zeitraum 1943–1972 gemaß [31]

Gruppe Bezeichnung H fyk ftk Mindestbruch-dehnung

[mm] [N/mm2] [N/mm2] [%]

I Betonstahl I 220 340–500 18

IIa Betonstahl II(naturhart)

J 18 360 500–620 20

i 18 340 500–640 18

IIb Sonderbetonstahl II(kaltgereckt)

J 18 360 j 500 14

i 18 340

IIIa Betonstahl III(naturhart)

J 18 420 j 500 18

i 18 400

IIIb Sonderbetonstahl III(kaltgereckt)

nur Betonformstahl

J 18 420 j 500 8

i 18 400

IVa Betonstahl IV(naturhart)

500 550*) 16

IVb Sonderbetonstahl IV(kaltgereckt)

Bewehrungsmatten

500 550*) 8

*) Angaben aus DIN 1045 Entwurf 1968-03 [39]

Page 18: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Stahle uberein. Dies ist besonders dann zu beach-ten, wenn glatter Betonstahl verwendet wurde.Die Nachrechnungsrichtlinie enthalt Angabenuber die ansetzbaren Verbundspannungen fureinen solchen Fall.An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass einVergleich zwischen den Werkstoffkennwerten inder Nachrechnungsrichtlinie und den Annahmenfur charakteristische Streckgrenzen in der DB-Richtlinie 805 in der Fassung von 2002 [40] sowiedem DBV Merkblatt „Bauen im Bestand“ [41] ab-weichende Werte fur gleiche Stahlsorten liefert.Grund hierfur ist, dass sich [40] und [41] bei derHerleitung der charakteristischen Werte nicht aufdie tatsachlichen Materialkennwerte berufen. Zurindirekten Berucksichtigung ungunstiger Ein-flusse (z. B. Ermudung) werden vielmehr die sei-nerzeit zulassigen Spannungen (vgl. z. B. [42] furBruckenbauwerke und [31] fur den allgemeinenHochbau), jeweils erhoht um die damals gultigen,zugehorigen globalen Sicherheitsbeiwerte, in An-satz gebracht.

5.2.4 Rechenwerte fur historische Spannstahle

Die im Spannbetonbruckenbau seit Beginn derBauweise in den 1930er-Jahren eingesetztenSpannstahle waren und sind bis heute nicht ge-normt; benotigten aber, um eingesetzt zu werden,eine allgemeine bauaufsichtliche (fruher: baupoli-zeiliche) Zulassung. Ab ca. Mitte der 1950er-Jahrefinden sich in der Fachliteratur (z. B. [43, 44]) undin den Beton-Kalendern sowie als Anlage zu Allge-meinen Rundschreiben Straßenbau (ARS) oder alsMitteilungen der Deutschen Bundesbahn Listenmit allen zum jeweiligen Zeitpunkt bauaufsichtlichzugelassenen Spannstahlen und ihren wichtigstenEigenschaften. In der ehemaligen DDR waren dieeinzelnen Erzeugnisse zunachst in der Normen-reihe „TGL 101-036: Stahle fur den Stahlbeton-bau“ geregelt, die spater durch die Normenreihe„TGL 12530: Stahle fur den Stahlbetonbau“ ersetztwurde. Diese Bestimmungen ahneln den bauauf-sichtlichen Zulassungen und enthalten alle wesent-lichen Angaben zu Abmessungen und mechani-schen Eigenschaften der Spannstahle. Zum Teilsind die Informationen uber ein Erzeugnis jedochauf mehrere Normenblatter verteilt.Gemaß DIN-Fachbericht 102 [6] sind die fur dieBemessung von neuen Bauwerken maßgebendenWerkstoffkennwerte des Spannstahls die Streck-grenze fp0,1, die Zugfestigkeit fp, die Dehnung beiErreichen der Hochstlast eu und der E-Modul Ep.Fur die Festigkeiten und die Dehnung werden cha-rakteristischeWerte fp0,1k, fpk und euk als 5%-Quan-tile der Grundgesamtheit benotigt. Der Index„0,1“ bei der Streckgrenze fp0,1 sagt aus, das beiStahlen ohne naturliche Streckgrenze die Span-nung bei einer bleibenden Dehnung von 0,1%als rechnerische Streckgrenze angenommen wird.

Des Weiteren werden die Angabe einer Span-nungs-Dehnungs-Linie und Aussagen bezuglichder Relaxation gefordert. Alle diese Angaben kon-nen unter Berucksichtigung einiger geschichtli-cher Hintergrunde aus den zum jeweiligen Bau-zeitpunkt gultigen Spannstahlzulassungen ent-nommen werden.

In den „Vorlaufigen Richtlinien fur die Prufungenbei Zulassung und Abnahme fur Spannstahle undSpannverfahren fur Spannbeton nach DIN 4227“[45] aus dem Jahr 1954 finden sich erstmals detail-lierte Angaben uber die an Spannstahlen durchzu-fuhrenden Prufungen. Im Gegensatz zu Quantil-werten der Eigenschaften, die aus statistischenAuswertungen bestimmt werden, wurde wiebeim Betonstahl jedoch noch von „zu gewahrleis-tenden“ Mindesteigenschaften gesprochen. In derNeufassung der Richtlinien fur die Prufung ausdem Jahr 1965 [46] wird dann erstmals formuliert,dass die im Zugversuch geforderten Mindest-eigenschaften als gewahrleistet betrachtet werdenkonnen, wenn eine statistische Auswertung ergibt,dass hochstens 5% der gemessenen Werte die An-forderungen nicht erfullen (5%-Quantil). �hnlichwie beim Betonstahl ist seit Einfuhrung der aufNennwerten beruhenden Normengenerationen ab1972 in den Spannstahlzulassungen direkt ange-geben, um welche durch statistische Auswertunggewonnene Quantile der Grundgesamtheit es sichbei den angegebenen Werten handelt (meist 5%-Quantil).

Beim Spannstahl ergibt sich eine Besonderheit beider Umrechnung der Werte aus dem Zeitraum vorder im Jahr 1970 beschlossenen Umstellung derEinheiten auf das SI-System. Fur die Spannstahl-hersteller hatte eine Umrechnung der Festigkeitenmit dem sonst verwendeten, ingenieurmaßigenFaktor von 10,0 zur Folge gehabt, dass sie ca. 2%hohere Festigkeitswerte als zuvor hatten gewahr-leisten mussen. Da jedoch aufgrund der Einhei-tenumstellung keine Produktionsumstellung er-folgte, wurden die Produkte mit dem genauenFaktor von 9,81 „umgerechnet“, sodass z. B.die ursprungliche Stahlbezeichnung St 145/160[kp/mm2] nach der Einheitenumstellung inSt 1420/1570 [N/mm2] und nicht St 1450/1600[N/mm2] umbenannt wurde. Aus diesem Grundmuss auch fur die Spannstahlkennwerte altererStahle, die nicht in SI-Einheiten angegeben sind,mit dem genauen Faktor 1 kg/mm2 w 1 kp/mm2

w 9,81 N/mm2 umgerechnet werden, um die dama-ligen Spannstahlfestigkeiten nicht zu uberschatzen.Die Produktion der damaligen Betonstahle hinge-gen war anscheinend nicht so zielgenau wie beimSpannstahl, sodass sich die Hersteller auch ohneProduktionsumstellung zutrauten, 2% hohere Fes-tigkeiten zu garantieren und daher eine Umrech-nung dieser Festigkeiten mit dem Faktor von 10,0zulassig ist.

289Werkstoffkennwerte fur die Nachrechnung von Betonbrucken

IV

Page 19: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Im Folgenden wird erlautert, was bei der Ent-nahme von Materialkennwerten aus alterenSpannstahlzulassungen ab Einfuhrung der erstenSpannbetonnorm im Jahr 1953 [17] zu beachtenist. Die Spannstahlzugfestigkeit fpk (fruher bZ)kann unter Berucksichtigung der oben erlautertenEinheitenumrechnung direkt ubernommen wer-den. Die heute zur Benennung von Spannstahlenverwendete 0,2%-Dehngrenze (fruher bS oderb0,2) kann ebenfalls unter Berucksichtigung derEinheitenumrechnung direkt ubernommen wer-den. Dieser Wert ist in den Tabellen der Nachrech-nungsrichtlinie angegeben und wird bei der Er-mittlung der zulassigen Spannstahlspannungnach DIN 4227 benotigt. Die 0,2%-DehngrenzebS bzw. b0,2 entspricht jedoch nicht der heute beider Bemessung verwendeten Streckgrenze fp0,1k.Die Streckgrenze fp0,1k (0,1%-Dehngrenze) wurdefruher nicht ausdrucklich angegeben und mussgrafisch aus den in der Zulassung des Spannstahlsenthaltenen Spannungs-Dehnungs-Linien unterBerucksichtigung der Einheitenumrechnung er-mittelt werden. In Bild 6 ist die Ermittlung der0,1%-Dehngrenze aus einer Spannungs-Deh-nungs-Linie schematisch dargestellt. Fur die meis-ten ublichen Spannstahle weicht die 0,1%-Dehn-grenze nicht signifikant von der 0,2%-Dehngrenzeab. Da das Verhaltnis zwischen 0,1%-Dehngrenzeund 0,2%-Dehngrenze aber vom jeweiligen Stahlund seiner Herstellart abhangt (naturhart, kaltge-zogen, vergutet, etc.), kann kein konstanter Faktorfur die Umrechnung zwischen diesen Werten an-gegeben werden. Fur die nachste Ausgabe derNachrechnungsrichtlinie ist jedoch vorgesehen,fur typische Erzeugnisse auch Angaben zu den0,1%-Dehngrenzen alterer Spannstahle zu ma-

chen. Wenn keine Spannungs-Dehnungs-Liniendes verwendeten Spannstahls vorliegen, odereine Ablesung der Werte aufgrund der schlechtenDarstellungsqualitat nicht moglich ist, sollte die0,1%-Dehngrenze auf der sicheren Seite liegendabgeschatzt werden. Wenn bei einer Nachrech-nung anstelle der 0,1%-Dehngrenze die damalsangegebene 0,2%-Dehngrenze als charakteristi-scher Wert der Streckgrenze fp0,1k verwendetwird, ist diese Annahme kenntlich zu machenund zu zeigen, dass hieraus keine wesentlichen Er-gebnisunterschiede entstehen.

Der E-Modul Ep des Spannstahls kann unter Be-rucksichtigung der Einheitenumrechnung direktaus den Zulassungen ubernommen werden. DieDehnung bei Erreichen der Hochstlast euk mussbei Bedarf ebenfalls grafisch aus den in der Zulas-sung enthaltenen Spannungs-Dehnungs-Linien er-mittelt werden. euk entspricht nicht dem oft ange-gebenen Wert d10, der die auf einer Messlangevon 10 Probendurchmessern gemessene Dehnungbeim Bruch bezeichnet.

Um Spannstahle einer Relaxationsklasse zuord-nen zu konnen, wird heutzutage der auf eine Ini-tialspannung von 70% der Zugfestigkeit fp bezo-gene Spannungsverlust r1000 nach 1000 StundenBelastung unter konstanter Dehnung bei 20 hC be-notigt. Diese Werte sind in den Spannstahlzulas-sungen ab ca. 1972 angegeben. Die in alteren Zu-lassungen oft benannte technische Kriechgrenzesteht nicht in direktem Zusammenhang mit der Re-laxationsklasse. Sie stellt gemaß [45] die Span-nung dar, unter der zwischen der sechsten Minuteund der tausendsten Stunde einer Dauerbelastunghochstens 3% der unter zugiger Belastung erfolg-ten Dehnung als Zeitdehnung auftreten. Im Ge-gensatz zum heutigen Vorgehen wurden also da-mals Kriechversuche unter konstanter Spannungund keine Relaxationsversuche durchgefuhrt. Un-ter der Voraussetzung, dass die im Spannstahl vor-handene, zulassige anfangliche Vorspannung(i. d. R. zul. sp0w 0,55 · fp) geringer ist als die zu-gehorige technische Kriechgrenze, kann jedochgemaß Leonhardt [47] von einem Relaxationsver-lust J 2% fur angelassene Spannstahle und 2 bis5% fur nicht angelassene Stahle ausgegangenwerden. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen,dass die Spannstahlrelaxation bei der Ermittlungder zeitabhangigen Spannkraftverluste im Zeit-raum vor der Einfuhrung der DIN-Fachberichtevernachlassigt werden durfte, wenn die Vorspan-nung unterhalb der technischen Kriechgrenze lag(bis 1973) oder gemaß Spannstahlzulassung furdie gegebene Vorspannung nur mit einem be-stimmten Hochstwert der Relaxation (i. d. R.I 3%) gerechnet werden musste. Bei einer Er-mittlung der zeitabhangigen Spannkraftverlustenach heutigem Vorgehen konnen sich also vorhan-dene Spannkrafte ergeben, die systematisch nied-

290 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Bild 6. Grafische Ermittlung der fur die Bemessungbenotigten Streckgrenze fp0,1k aus der in Spannstahl-zulassungen enthaltenen Spannungs-Dehnungs-Linie

Page 20: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

riger sind als diejenigen, die in der ursprunglichenstatischen Berechnung zugrunde gelegt wurden.

Die in der Nachrechnungsrichtlinie enthaltenenTabellen mit Angaben zu historischen Spannstah-len dienen lediglich als �bersicht uber die in derBundesrepublik Deutschland und der ehemaligenDDR zu verschiedenen Zeitpunkten gebrauchli-chen Spannstahle. Die angegebenen Werkstoff-kennwerte sind verschiedenen �bersichtstabellenentnommen (u. a. [44, 47]) und in heutige Einhei-ten umgerechnet. Da bei der Erstellung der Tabel-len nicht alle entsprechenden Spannstahlzulassun-gen vorlagen, mussen die angegebenen Werte vorder Verwendung in einer Nachrechnung auf �ber-einstimmung mit den Angaben in der Original-Zu-lassung gepruft werden. Die Spannstahlzulassun-gen mussen dem nachrechnenden Ingenieur u. a.aus diesem Grund immer vorliegen. Zusatzlichmuss die Zulassung des damals verwendetenSpannverfahrens vorliegen, um Angaben zuSchlupf, ungewollten Umlenkwinkeln und Rei-bungsverlusten zu erhalten, die bei der rechne-rischen Ermittlung der vorhandenen Spannkrafteerforderlich sind.

Ausfuhrliche Angaben zu den Ermudungseigen-schaften alterer Spannstahle konnen dem Ab-schnitt 5.4 entnommen werden. Einige altereSpannstahle gelten als besonders empfindlich ge-genuber Spannungsrisskorrosion (SRK). Wennein Bauwerk unter Verwendung eines solchenSpannstahls errichtet wurde, muss sein Ankundi-gungsverhalten gemaß der „Handlungsanweisungzur �berprufung und Beurteilung von alteren Bru-ckenbauwerken, die mit vergutetem, spannungs-risskorrosionsgefahrdetem Spannstahl erstelltwurden“ (Handlungsanweisung SRK) [48] nach-gewiesen werden. Die Nachweise gemaß Hand-lungsanweisung SRK werden im Abschnitt 6.7genauer erlautert. Spannungsrisskorrosionsemp-findliche Spannstahle, die in den Tabellen derNachrechnungsrichtlinie enthalten sind, wurdenspeziell gekennzeichnet. Weiteren Angaben zuspannungsrisskorrosionsgefahrdeten Stahlen fin-den sich in [48] und [49].

5.3 Werkstoffuntersuchungen

5.3.1 Grundlagen

Wie bereits erlautert, sind charakteristische Werk-stoffkennwerte als Quantilwerte von Grundge-samtheiten festgelegt. Wenn keine eindeutige Zu-ordnung der verwendeten Werkstoffe anhand dergepruften Bestandsunterlagen moglich ist, keineaussagekraftigen Unterlagen vorliegen oder eineNachrechnung mit konservativen Annahmen nichtzielfuhrend ist, sind die Werkstoffkennwerte ex-perimentell zu ermitteln. Dies geschieht im All-gemeinen auf der Basis von zerstorenden Werk-stoffuntersuchungen, deren Stichprobenumfange

aus wirtschaftlichen Grunden und wegen derschwachenden Wirkung auf die Bauwerksstrukturauf ein Minimum zu beschranken sind. Bei derAuswertung muss zunachst eine Wahrscheinlich-keitsverteilung der betrachteten Werkstoffeigen-schaft angenommen werden, deren Parameter an-hand der Kennwerte der Stichprobe vom Umfangn zu schatzen sind.

Die Nachrechnungsrichtlinie empfiehlt das inDIN EN 1990 [20] beschriebene Vorgehen zur Be-stimmung der charakteristischen Kennwerte derGrundgesamtheit einer normalverteilten Werk-stoffeigenschaft aus einer Stichprobe vom Um-fang n. Die angegebenen Zusammenhange beru-hen auf dem nach einem englischen Mathematikerbenannten Verfahren nach Bayes. Im Gegensatzzum Verfahren der „klassischen Statistik“, wie esin DIN ISO 16269-6 [50] Anwendung findet, wer-den die unbekannten Parameter einer Verteilungnicht als Konstanten, sondern als Zufallsvariablenbehandelt. Dieses Verfahren erlaubt im Allgemei-nen die Nutzung von Vorinformationen, die an-hand von sogenannten Priorverteilungen beschrie-ben werden. In [20] wird jedoch von dem Sonder-fall ausgegangen, dass keine Vorinformationenvorliegen, was anhand von diffusen oder „unsi-cheren“ Vorverteilungen berucksichtigt wird. DieErgebnisse der beiden Verfahren liegen auf einemahnlichen Niveau, wenn bei der „klassischen“ Sta-tistik ein fur das Bauwesen ausreichendes Konfi-denzniveau von (1 – a) w 0,75 gewahlt wird. Eindirekter Vergleich zwischen den Ergebnissennach [20] und den Verfahren der „klassischen“Statistik kann jedoch aufgrund der unterschiedli-chen Grundannahmen nicht vorgenommen wer-den.

Bei der Bestimmung von charakteristischen Ma-terialkennwerten aus Werkstoffuntersuchungenmuss darauf geachtet werden, dass die zu bewer-tenden Daten nur aus einer Grundgesamtheit stam-men, um Mischverteilungen zu vermeiden. Dieslasst sich nur schwer umsetzen, wenn keinerleiVorkenntnisse uber einzelne Betonierabschnitteoder die Werkstoffguten der verschiedenen Bau-teile vorliegen. Eine visuelle Untersuchung derBohrkerne (Farbung des Betons, verwendeter Zu-schlag etc.) gibt oftmals Hinweise darauf, ob voneiner gemeinsamen Grundgesamtheit ausgegan-gen werden kann. Der Stichprobenumfang n solltein den Fallen, in denen keine Vorinformationenuber den Variationskoeffizienten der betrachtetenWerkstoffeigenschaft vorliegen, funf Einzelwertenicht unterschreiten, da der Prazisionsverlust derSchatzung sonst zu unsinnigen Ergebnissen (z. B.negative Festigkeiten) fuhren kann.

Die folgenden Abschnitte enthalten fur die Werk-stoffe Beton, Betonstahl und Spannstahl weitereErlauterungen und Hinweise zur Bestimmungvon charakteristischen Werkstoffkennwerten aus

291Werkstoffkennwerte fur die Nachrechnung von Betonbrucken

IV

Page 21: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Werkstoffuntersuchungen im Rahmen einer Nach-rechnung bestehender Bruckenbauwerke gemaßdem heutigen Normenkonzept.

5.3.2 Beton

Die Bestimmung der tatsachlich vorhandenen Be-tondruckfestigkeit in einem Bauwerk kann indi-rekt uber Ruckprallzahlen erfolgen, deren Bezie-hung zur Betondruckfestigkeit anhand von Bohr-kernfestigkeiten kalibriert wurde. Eine Bestim-mung der Betondruckfestigkeit allein anhand vonRuckprallhammerprufungen wird im Rahmen derNachrechnungsrichtlinie ausgeschlossen, da diebei Bestandsbrucken anzutreffenden Karbonati-sierungstiefen die im nationalen Anhang von DINEN 13791 [51] festgelegte Grenze von 5 mmmeist ubersteigen. Die an die Geometrie der Bohr-kerne gestellten Anforderungen (Durchmesserj 100 mm, Verhaltnis Hohe/Durchmesser w 2,0)ergibt Prufergebnisse, welche der Zylinderfestig-keit fc,cyl nach [6] entsprechen. Sind bei der Bohr-kernentnahme lediglich Bohrkerne mit einem Ver-haltnis von Lange zu Durchmesser von 1,0 mog-lich, so konnen die festgestellten Druckfestigkei-ten nach [51] mit den Wurfeldruckfestigkeitenfc,cube150 gleichgesetzt werden. Bei der Umrech-nung auf die benotigte Zylinderdruckfestigkeitfc,cyl kann der Faktor kcyl/cube nach Gl. (3) verwen-det werden. Stehen lediglich Festigkeiten fc,BK50von Bohrkernen mit Durchmessern von 50 mmund einem Verhaltnis von Lange zu Durchmesservon 1,0 zur Verfugung, so ergibt sich eine ver-gleichbare Wurfeldruckfestigkeit fc,cube150 in An-lehnung an [51] aus Gl. (11):

fc,cube150 w 0,90 � fc,BK50 (11)

Die Umrechnung auf eine benotigte Zylinder-druckfestigkeit fc,cyl entspricht den Erlauterungenin Abschnitt 5.2.2.

Die charakteristische Druckfestigkeit des Bru-ckenbauwerks fck,BW ist anhand von Druckfestig-keitswerten aus Bohrkernprufungen oder Ruck-prallwerten fur den Fall „Variationskoeffizient un-bekannt“ zu bestimmen. Die Auswertung nachden Verfahren A und B der DIN EN 13791 [51]ist gemaß Schnell, Loch und Stauder [52] ausge-schlossen, da ihre Anwendung vor allem bei star-ker Streuung der Betonfestigkeit zu einer erhebli-chen �berschatzung der tatsachlich vorhandenencharakteristischen Betonfestigkeiten fuhren kann.Steenbergen und Vervuurt kommen in [53] zueinem ahnlichen Ergebnis.

Der Vergleich der Festigkeitswerte eines Betons,die zum einen an Standard-Probekorpern undzum anderen an einem Bauwerk entnommenenBohrkernen gemessen wurden, zeigt, dass die cha-rakteristischen Festigkeiten der Bohrkerne(W Bauwerksbeton) im Mittel niedrigere Werte er-

reichen als die gesondert hergestellten Probekor-per. Diese Abweichung ist nach [54] im Teilsi-cherheitsbeiwert fur Beton gc w 1,50 uber denUmrechnungsfaktor gconv w 1,15 (O 0,85–1) aus-reichend abgedeckt. Daher darf im Rahmen vonNachrechnungen die am Bauwerk festgestelltecharakteristische Druckfestigkeit fck,BW bei derUmrechnung in die rechnerische charakteristischeFestigkeit fck eines Probekorpers um den Faktor0,85–1 erhoht werden. Dies bedeutet jedoch nichtdie Vernachlassigung des Faktors a zur Beruck-sichtigung von Langzeitwirkungen bei der Ermitt-lung des Bemessungswerts der Betondruckfestig-keit fcd.

5.3.3 Betonstahl

In der Nachrechnungsrichtlinie werden zwei Fallebei der Beurteilung von Festigkeitswerten von Be-tonstahlen anhand von Werkstoffuntersuchungenunterschieden:– Zuordnung von Eigenschaften,– Bewertung von Betonstahlen.

Bei der „Zuordnung von Eigenschaften“ soll uber-pruft werden, ob die Annahme einer Stahlsorte fureinen festgelegten Prufbereich gerechtfertigt ist.Hierzu dienen neben den aus Zugversuchen ermit-telten Arbeitslinien an mindestens drei reprasenta-tiven Proben auch Spektralanalysen, welche einenEinblick in die chemische Zusammensetzung derverwendeten Stahle ermoglichen. Es ist zu beruck-sichtigen, dass die Stahlfestigkeit innerhalb einerStahlsorte abhangig vom Stabdurchmesser ist.Aus Prufergebnissen an Staben eines bestimmtenDurchmessers kann nicht zwangslaufig auf dieEigenschaften von Stahlen mit anderen Durch-messern geschlossen werden. Kann die Beweh-rung eines Prufbereichs eindeutig einer Stahlsortezugeordnet werden, durfen die entsprechendenTabellenwerte der Nachrechnungsrichtlinie alscharakteristische Streckgrenze fyk verwendet wer-den.

Die „Bewertung von Betonstahlen“ soll die Mog-lichkeit eroffnen, die tatsachlichen Festigkeitenvon im Bauwerk vorhandenen Betonstahlen aus-nutzen zu konnen oder die Eigenschaften des Be-tonstahls eines Prufbereichs zu bestimmen, fallskeine oder nur unzureichende Informationen uberdie verwendete Bewehrung des Bruckenbauwerksvorliegen. Die Bestimmung der charakteristischenStreckgrenze muss anhand der Auswertung vonmindestens funf Zugversuchen erfolgen.

5.3.4 Spannstahl

Erfahrungsgemaß ist davon auszugehen, dass furvorgespannte Bruckenbauwerke in irgendeinerForm Angaben zu dem damals verwendetenSpannstahl und dem eingesetzten Spannverfahren

292 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Page 22: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

vorliegen. Diese Angaben konnen in der Regel alszuverlassig betrachtet werden, da z. B. eine kurz-fristige �nderung der verwendeten Werkstoffedurch die Baustelle hochst unwahrscheinlich ist.Aufgrund der geforderten strengen Kontrollenbei Produktion, Transport und Einbau sind auchkeine hohen Schwankungen der Werkstoffqualitatinnerhalb eines bestimmten Erzeugnisses zu er-warten. Die charakteristischen Werte konnen so-mit unter Berucksichtigung eventueller Umrech-nungen gemaß Abschnitt 5.2.4 aus den entspre-chenden Zulassungen ubernommen werden.

Wenn Zweifel hinsichtlich der Angaben zum ver-wendeten Spannstahl vorliegen, kann durch dasPrufen einzelner aus Spanngliedern entnommenerDrahte moglicherweise eine abgesicherte Zuord-nung erfolgen. Unter Umstanden reicht hierzu auf-grund spezieller Querschnitts- und Oberflachen-gestaltungen einiger Spannstahle auch eine vi-suelle Begutachtung am geoffneten Hullrohrohne nachfolgende Stahlentnahme.

Wenn bei einer Spannbetonbrucke wider Erwartenkeinerlei Vorinformation uber die verwendeteSpannstahlsorte oder das Spannverfahren vorliegt,muss das weitere Vorgehen im Einzelfall festge-legt werden. Die Entnahme einer sehr großen An-zahl an Spannstahlproben, nur um statistisch ab-gesicherte Werte der Stahlfestigkeit aus der Werk-stoffprufung ableiten zu konnen, steht wohl in kei-nem Verhaltnis zu den negativen Auswirkungenauf die Tragfahigkeit und Dauerhaftigkeit desBauwerks. Zerstorende Werkstoffuntersuchungenan Spannstahlen konnen jedoch in Sonderfragenzielfuhrend sein, z. B. bei Brucken die mit span-nungsrisskorrosionsgefahrdetem Stahl erstelltwurden. Wurden solche Untersuchungen am be-trachteten Bauwerk in der Vergangenheit bereitsdurchgefuhrt, so durfen die Ergebnisse bei derNachrechnung berucksichtigt werden.

5.4 Werkstoffkennwerte fur den Nachweisgegen Ermudung

5.4.1 Allgemeines

Wiederkehrende zyklische Belastungen bewirkenin den Baustoffen Betonstahl, Spannstahl und Be-ton zunehmende Schadigungen im Materialge-fuge, auch wenn die Spannungen deutlich unterden statischen Festigkeiten liegen. Bei entspre-chend großen Lastwechselzahlen fuhrt das letzt-lich zu einem Versagen durch Materialermudung.

Fur den Nachweis gegen Ermudung sind Wohler-linien erforderlich, die das Verhalten von Werk-stoffen und Bauteilen unter zyklischer Belastungbeschreiben. Die Ermudungsfestigkeit wird ubli-cherweise im Dauerschwingversuch als sogenann-ter Einstufenversuch mit konstanter Spannungs-schwingbreite ermittelt. Die Ermudungsfestigkeit

ist durch das Wertepaar aus aufgebrachter Span-nungsschwingbreite Ds und zugehoriger Bruch-lastspielzahl N gekennzeichnet. Die Wertepaareaus moglichst vielen Einstufenversuchen mit un-terschiedlicher Spannungsschwingbreite und denzugehorigen Bruchlastspielzahlen ergeben nachstatistischer Auswertung die Wohlerlinie. Diesegibt fur eine bestimmte SpannungsschwingbreiteDs die zugehorige Anzahl N der Lastwechsel biszum Ermudungsbruch an.

Im Zusammenhang mit der Bewertung bestehen-der alterer Betonbrucken stellt sich die Frage, obdie Wohlerlinien der aktuell gultigen Normenauch bei der Nachrechnung dieser Bauwerke gul-tig sind. Um ein solches Vorgehen zu verifizieren,wurde im Rahmen von [19] eine reprasentativeRecherche durchgefuhrt, bei der die verfugbarenund ausreichend gut dokumentierten Versuchser-gebnisse aus Dauerschwingversuchen alteren Da-tums den aktuell gultigen Wohlerlinien gegen-ubergestellt werden.

Nachfolgend werden die wesentlichen Ergebnisseaus dieser Untersuchung fur die Baustoffe Beton-stahl und Spannstahl zusammengestellt.

Die Wohlerlinie ist charakterisiert durch denKurzzeitfestigkeitsbereich, den Zeitfestigkeitsbe-reich und den Dauerfestigkeitsbereich. Die theore-tische Dauerfestigkeit beschreibt die Schwing-breite Ds, die unendlich oft aufgebracht werdenkann, ohne zum ermudungsbedingten Versagendes Werkstoffes zu fuhren. Haufig wurde beiWerkstoffprufungen die Schwingbreite, die uber2 · 106 Zyklen ohne Ermudungsbruch ertragenwerden konnte, als Dauerschwingfestigkeit be-zeichnet, ohne zu uberprufen, ob es sich tatsach-lich um die echte Dauerfestigkeit als Material-eigenschaft handelt. Der Grund fur diese Herange-hensweise lag lediglich in einer Begrenzung derVersuchsdauern, die zu einem Abbruch der Ein-stufenversuche nach 2 · 106 Lastwechseln fuhrte.

Unter einer realen Betriebsbelastung, die auch an-teilig Schwingbreiten Ds oberhalb der theoreti-schen Dauerfestigkeit enthalt, sowie im Fall vor-handener Vorschadigungen existiert nach heuti-gem Wissensstand keine echte Dauerfestigkeit.Daher weisen die Bemessungswohlerlinien im Be-reich der Dauerfestigkeit keinen horizontalen Ver-lauf, sondern eine Neigung auf, die gegenuberdem Zeitfestigkeitsbereich flacher ist (Hypothesevon Haibach).

5.4.2 Betonstahl

In den vergangen Jahrzehnten bis in die heutigeZeit wurden zahlreiche Dauerschwingversuchezur Ermudungsfestigkeit von freischwingendenund einbetonierten Betonstahlen durchgefuhrt.Wesentliche Studien sind in diesem Zeitraum

293Werkstoffkennwerte fur die Nachrechnung von Betonbrucken

IV

Page 23: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

u. a. von Wascheidt [55], Rußwurm/Martin [56],Tilly/Moss [57], Vogel/Fehlmann [58], Rehm [59],Thurlimann/Canteli/Esslinger [60] und Maurer/Dreier/Block [61] sowieMaurer/Dreier/Machoczek/Heeke [62] durchgefuhrt worden. In [63] wurdendaruber hinaus zahlreiche Ergebnisse von Dauer-schwingversuchen, die im Rahmen von Erst-, Zu-lassungs- und �berwachungsprufungen durchge-fuhrt wurden, ausgewertet.

Wascheidt (1965)

Wascheidt [55] fuhrte 1965 Versuche an glattenRundstahlen und Rippenstahlen durch (Bild 7).Untersucht wurden Betonstahle unterschiedlicherHerstellung mit einem Durchmesser von 16 mm,da dieser fur den damals in Deutschland bei Rip-penstahlen ublichen Abmessungsbereich (ds w 6bis 26 mm) als mittlerer Durchmesser anzusehenwar. Alle Proben wurden freischwingend sowieim einbetonierten Zustand untersucht. Im Allge-meinen wurde die Unterspannung in den Versu-chen konstant mit su w 60 N/mm2 angesetzt, wah-rend die Oberspannung verandert wurde. AlsDauerschwingfestigkeit wurde die Schwingbreite

zugrunde gelegt, die bei 2 · 106 Lastspielen nochohne Bruch ertragen wurde.

In den nachfolgenden Bildern sind die Versuchs-werte von Wascheidt aufgetragen. Da sich die Ver-suchsergebnisse im einbetonierten Zustand nichtstark von den freischwingend ermittelten unter-scheiden, wurden sie in den Diagrammen zusam-men aufgenommen. Dem Bild 8 sind die Ver-suchsergebnisse mit glattem Rundstahl aus Beton-stahl I und Betonstahl II zu entnehmen, im Bild 9sind die Versuchsergebnisse der gerippten Be-tonstahle (BSt III, BSt IV) aufgetragen.

Es zeigt sich in beiden Diagrammen, dass alle Ver-suchswerte von 1965 oberhalb der charakteristi-schen Werte der heutigen Wohlerlinie fur Beton-stahl nach DIN-Fachbericht 102:2009 [6] liegen.

Rußwurm/Martin (1968)

1968 wurden von Rußwurm/Martin [56] Dauer-schwingversuche an kaltgewalztem Betonrippen-stahl „KARIstahl“ durchgefuhrt. Die Durchmes-ser der Probe betrugen 4, 6, 8, 10 und 12 mm.Als Dauerschwingfestigkeit wurde die ertragbareSchwingbreite bei 2 · 106 Lastspielen definiert.Der Stahl erfullt die damaligen Anforderungenan den Betonstahl IVb.

Die Versuche wurden sowohl freischwingend alsauch im einbetonierten Zustand durchgefuhrt.Die dabei bestimmten Ermudungsfestigkeiten lie-gen ebenfalls ausnahmslos oberhalb der charak-teristischen Wohlerlinie nach DIN-Fachbericht102:2009 [6].

Tilly/Moss (1980)

Tilly und Moss [57, 64, 65] fuhrten Ende der 70er-und Anfang der 80er-Jahre Dauerschwingversu-che an Betonstahlen durch.

Bei den untersuchten Proben handelte es sich umtordierte, warmgewalzte und kaltverformte Be-tonstahle (Bild 10) mit einer garantierten charakte-ristischen Streckgrenze von 460 N/mm2.

Es zeigt sich, dass die seinerzeit experimentell be-stimmten Ermudungsfestigkeiten oberhalb dercharakteristischen Wohlerlinie nach DIN-Fachbe-richt 102 [6] liegen.

Thurlimann/Canteli/Esslinger (1980)

1984 wurden an der ETH-Zurich Versuche [60]zur Ermudungsfestigkeit von Bewehrungsstahlenfreischwingend durchgefuhrt, welche in der Zeitvon 1980 und 1981 in Schweizer Werken her-gestellt worden waren (Bild 11). Es handeltesich um Betonstahl IIIb (kaltverformt) undBetonstahl IIIa (naturhart). Im Rahmen des Ver-suchsprogramms wurden verschiedene Einflussewie Geometrie, Herstellungsverfahren, Werkstoff,

294 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Bild 7. Untersuchte Betonstahle [55]

Page 24: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

295Werkstoffkennwerte fur die Nachrechnung von Betonbrucken

IV

175

200

300

400

500

600

10010.000 100.000 1.000.000 10.000.000

Sch

win

gb

reit

e [N

/mm

²]

Schwingspiele [N]

ø 16mm,Probe gebrochen

ø 16mm,Probe nicht gebrochen

DIN-FB 102:2009"Betonstahl, gerade und gebogene Stähle"

glatter RundstahlBSt I, BSt II

Material:

Proben: einbetoniert sowie nicht einbetoniert

Legende:

k1=5

k2=9

Bild 8. Versuchsergebnisse von Wascheidt [55], glatter Betonstahl im einbetonierten undnicht einbetonierten Zustand

175

200

300

400

500

600

10010.000 100.000 1.000.000 10.000.000

Schw

ingb

reite

[N/m

m²]

Schwingspiele [N]

Bruch (Rippen-Torstahl, BSt IIIb)

Bruch (Torstahl, BSt IIIb)

Bruch (Rippen-Torstahl, BSt IVb)

Bruch (High-Bond-Stahl, BSt IIIa)

Bruch (Noreckstahl, BSt IIIb)

kein Bruch (Rippen-Torstahl, BSt IIIb)

kein Bruch (Torstahl, BSt IIIb)

kein Bruch (Rippen-Torstahl, BSt IVb)

kein Bruch (High-Bond-Stahl, BSt IIIa)

kein Bruch (Noreckstahl, BSt IIIb)

DIN-FB 102:2009"Betonstahl, gerade und gebogene Stähle"

Torstahl BSt IIIb,Rippen-Torstahl BSt IIIb, Rippen-Torstahl BSt IVb,High-Bond-Stahl, BSt IIIa,

Material:

Proben: einbetoniert sowie nicht einbetoniert

Legende:

k1=5

k2=9

Bild 9. Versuchsergebnisse von Wascheidt [55], gerippter Betonstahl im einbetonierten undnicht einbetonierten Zustand

Page 25: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Spannungsniveau und Durchmesser auf den Ver-lauf der Wohlerkurve untersucht.

Die Versuche wurden in hydraulischen Pulsatorenmit einer Pruffrequenz von 6 Hz als Einstufenver-suche durchgefuhrt.

Proben, welche eine Schwingspielzahl von 2 · 106

erreichten, galten als Durchlaufer. Bis auf eineVergleichsserie wurden alle Versuche mit einerkonstanten Oberspannung von 80% der 0,2%-Dehngrenze durchgefuhrt (so w 0,8 · 490 w392 N/mm2).

Die Betonstahle hatten uberwiegend einen Durch-messer von 20 mm. Auch bei diesen Untersuchun-gen konnte festgestellt werden, dass kleinereDurchmesser in der Tendenz eine hohere Ermu-dungsfestigkeit aufweisen als großere Durchmes-ser. Die Versuchsergebnisse lagen sowohl fur denBetonstahl IIIa als auch fur den Betonstahl IIIbuber der heutigen charakteristischen Wohlerlinienach DIN-Fachbericht 102 [6].

Vogel/Fehlmann (2008)

Fehlmann und Vogel [58] fuhrten 2008 an der ETHZurich dynamische Versuche an freischwingendenBetonstahlproben aus abgebrochenen Brucken der1950er-Jahre sowie zu Vergleichszwecken an neuproduzierten Betonstahlproben von Ring- undStabmaterial der Betonstahlsorte B 500 B durch(Bild 12). Ziel der Untersuchungen war die Frage-stellung, ob die Ermudungsfestigkeit von altenBetonstahlen von derjenigen der heute gebrauchli-chen wesentlich abweicht. Aus Grunden der Ver-suchsdauer wurden in den meisten Fallen der Ver-suchsreihe nicht mehr als 2 · 106 Spannungswech-sel pro Stab aufgebracht.

Bei den aus den abgebrochenen Brucken gewon-nenen Proben handelte es sich um Betonstahl der

296 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Bild 10. Untersuchte Stahle [65]

Bild 11. Untersuchte Betonstahle [60]

Bild 12. Verwendete Stahle von Vogel et al. [58]

Page 26: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Sorte BOX (Bruckenbaujahr 1952) mit denDurchmessern ds w 12 mm und ds w 16 mm so-wie um Torstahl 40 (Bruckenbaujahr 1955) mitdem Durchmesser ds w 10 mm.

Die Versuche zeigten, dass bei den alten Stahlsor-ten die Streuung großer ist als bei den neuen(Bild 13). Fehlmann/Vogel vermuten naheliegend,dass dieses hauptsachlich auf Korrosionsnarbenund sonstige Kerben (durch Ein- bzw. Ausbau) zu-ruckzufuhren ist. Es wird darauf hingewiesen,dass bei einigen Staben Ermudungsbruche auchnoch zwischen 2 · 106 und 3 · 106 Spannungswech-seln aufgetreten sind, d. h. oberhalb der haufig beiden alteren Untersuchungen als �bergang zurDauerfestigkeit zugrunde gelegten Lastwechsel-zahl von 2 · 106.

Im Bezug zur heutigen Bemessungswohlerlinienach DIN-Fachbericht 102:2009 [6] zeigt sich,dass sowohl die Versuchswerte der alten Beweh-rungsstahle von 1952 und 1955 sowie die derneuen aus dem Jahr 2008 oberhalb der charakte-ristischen Wohlerlinie nach DIN-Fachbericht 102liegen.

Maurer/Block/Dreier/Heeke/Machoczek (2008)

Maurer et al. [62] fuhrten 2008/2009 Ermudungs-versuche an freischwingenden sowie einbetonier-ten Bewehrungsstahlen durch. Hierbei handeltees sich um BSt 500 S mit einem Durchmesservon 20 mm. Die Proben stammten alle aus derProduktion einer Schmelze eines Herstellers. DieUnterspannung wurde konstant mit 125 N/mm2

angesetzt. Die Bestimmung der jeweiligen Ober-

spannung erfolgte nach dem sogenannten Interak-tiven Verfahren [66, 67].

Alle Versuchsergebnisse liegen oberhalb derWohlerlinie nach DIN-Fachbericht 102:2009. InBild 14 sind beispielhaft die Versuchsergebnissefur die freischwingend gepruften Proben darge-stellt. Fur die einbetonierten Betonstahle sind dieErgebnisse sogar noch etwas gunstiger.

Anlass fur die Untersuchungen war seinerzeit u. a.die Beobachtung, dass die ertragbaren Span-nungsschwingbreiten von Betonstahl bei Konfor-mitatsnachweisen haufig geringer waren als nachDIN-Fachbericht 102 im Jahr 2003 [68] vorausge-setzt. Deswegen wurde der KennwertDsRsk fur dieNeuausgabe des DIN-Fachberichts 102 im Jahr2009 von 195 auf 175 N/mm2 herabgesetzt.

Vergleich der Ermudungsfestigkeit zwischen altenund heutigen Betonstahlen

Aufgrund der Untersuchungen in [19] kann fest-gestellt werden, dass die Ermudungsfestigkeitender alteren Betonstahle mit denen der heutigenvergleichbar sind. Daher konnen die charakteristi-schen Wohlerlinien als Grundlage fur die Bemes-sung nach DIN-Fachbericht 102:2009 auch furdie Betonstahle in alteren Bestandsbauwerken zu-grunde gelegt werden. Es kann weiterhin ange-nommen werden, dass sich das Ermudungsverhal-ten alterer korrodierter Betonstahle nicht wesent-lich von dem heutiger korrodierter Stahle unter-scheidet. Damit kann die Abweichung zwischendem Verhalten korrodierter und nicht korrodierterStabe durch die Modifikation der Bemessungs-

297Werkstoffkennwerte fur die Nachrechnung von Betonbrucken

IV

Bild 13. Versuchsresultate von Vogel/Fehlmann [58] mit nachtraglich ein-gezeichneter Wohlerlinie nach DIN-Fachbericht 102

Page 27: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

wohlerlinie im Dauerfestigkeitsbereich fur Stabein korrosiven Umgebungsbedingungen gemaß[6] berucksichtigt werden.

Nach den vorliegenden Ergebnissen aus denDauerschwingversuchen lasst sich daruber hinausbei geraden Staben kein signifikanter Einflussaus der unterschiedlichen Art der Prufung hin-sichtlich freischwingend oder einbetoniert fest-stellen. Wenn hingegen gekrummte Stabe verwen-det wurden, muss fur die Bestimmung derErmudungseigenschaften im einbetonierten Zu-stand der Reduktionsfaktor j1 gemaß [6] zur An-passung der am geraden Stab ermittelten Wohler-linie verwendet werden.

5.4.3 Spannstahl

Aufgrund der Reibdauerbeanspruchung im Riss-bereich sind die Ermudungsfestigkeiten vonSpannstahlen im eingebauten Zustand deutlichkleiner gegenuber den freischwingend an derLuft ermittelten Werten. Daher konnen den Be-messungswohlerlinien nur die Ermudungsfestig-keiten im eingebauten Zustand zugrunde gelegtwerden.

In den vergangenen Jahrzehnten wurden zahlrei-che experimentelle Untersuchungen zur Bestim-mung der Ermudungsfestigkeit von Spannstahl

durchgefuhrt, von denen im Folgenden einige vor-gestellt werden.

Magnel [69] hat 1950 vermutlich als Erster Spann-betontrager unter einer dynamischen Belastunguntersucht (Bild 15). Das im nachtraglich ver-pressten Hullrohr liegende Spannglied bestandaus 24 profilierten Einzeldrahten mit 5 mmDurchmesser.

1956 fuhrten Birkenmaier und Jacobson [70] an derEMPA Zurich ebenfalls einen Versuch mit einem8 m langen Spannbetontrager als Plattenbalkendurch. Dieser stand im Zusammenhang mit demBau der Weidelandbrucke bei Zurich. Das im Ver-suchsbalken eingebaute Spannglied bestand aus42 profilierten Einzeldrahten mit jeweils 6 mmDurchmesser.

Wie auch bei Magnel wurde die Belastung stufen-weise gesteigert. Bei konstant gehaltener Unter-last wurden die Schwingspiele mit mehreren Mil-lionen Lastwechseln aufgebracht, bis der Tragerdurch eine Folge von Ermudungsbruchen einzel-ner Spanndrahte versagte.

Mit dem Einsetzen dynamischer Untersuchungenbegannen dann etwa 1951 in Luttich Abeles et al.[71] eine Reihe von teilweise vorgespanntenSpannbetttragern unter dynamischen Einwirkun-gen zu untersuchen. Abeles et al. berichten von

298 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

175

200

300

400

500

600

10010.000 100.000 1.000.000 10.000.000

Schw

ingb

reite

[N/m

m²]

Schwingspiele [N]

ø20mm - Probe gebrochen

ø20mm - Durchläufer

DIN-FB 102:2009"Betonstahl, gerade und gebogene Stähle"

BSt 500 SMaterial:

Proben: nicht einbetoniert,freier gerader Stab

Legende:

k1=5

k2=9

Bild 14. Versuchsergebnisse Maurer et al. [62], nicht einbetonierter Betonstabstahl ds w 20 mm

Page 28: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

etwa 40 Tragern mit Vorspannung im sofortigemVerbund.

Im Rahmen der in [19] durchgefuhrten Recher-chen stellte sich heraus, dass im Zeitraum von1950 bis etwa 1980 nur wenige Versuche anSpannbetontragern mit nachtraglichem Verbunddurchgefuhrt worden waren. Dagegen sind viel-fach dynamische Untersuchungen an frei schwin-gend gepruftem Spannstahl sowie Spannbetttra-gern zu finden. Versuche an Bauteilen mit Spann-stahl im sofortigen Verbund wurden vielfach abetwa 1955 vorwiegend in den USA durchgefuhrt.Einen �berblick bieten hier Overmann et al. [72].

Einschlagige dynamische Untersuchungen anSpannbetontragern mit nachtraglichem Verbundsind dagegen vor allem ab etwa Anfang der1980er-Jahre bis in die heutige Zeit von Cordes/Lapp-Emden (1984) [73], Muller (1985) [74],Rigon/Thurlimann (1985) [75], Oertle/Thurli-mann/Esslinger (1987) [76], Koch (1988) [77],Wollmann/Yates/Breen/Kreger (1988) [78], Bo-kamp (1991) [79], Voß (1993) [80], Abel (1996)[81] und Eskola (1996) [82] veroffentlicht worden.

Des Weiteren fuhrten 2008 Maurer/Heeke [83] imRahmen eines Forschungsvorhabens Ermudungs-versuche an Spannstahlen im eingebauten Zustandaus einer abgerissenen Autobahnbrucke aus demJahr 1957 durch [84].

Im Folgenden werden einige dieser Untersuchun-gen in kurzer Form vorgestellt. Detaillierte Zu-sammenfassungen dieser Arbeiten konnen Abel[81], Eskola [82] und Empelmann/Sender [85] so-wie den Originalberichten entnommen werden.

Rigon/Thurlimann (1985)

Rigon/Thurlimann [75] untersuchten 1985 insge-samt sieben Balken mit einbetonierten Spannglie-dern aus Spannlitzen und acht Balken mit Spann-gliedern aus Spanndrahten. Bei den Spannlitzenwurden je Versuchstrager vier Litzen mit einemDurchmesser von 0,6L verwendet. Die Spannglie-der mit Spanndrahten enthielten jeweils 16 Drahtemit einem Durchmesser von 7 mm. Ein Balken je-der Versuchsserie wurde mit einem Kunststoff-hullrohr ausgestattet. Alle ubrigen wurden mitStahlhullrohren ausgefuhrt. Die Bilder 16 und 17zeigen Details der gepruften Balken.

Die Versuche wurden mit einer konstanten Ober-und Unterspannung kraftgeregelt durchgefuhrt.Als Abbruchkriterium der Versuche wurde derZeitpunkt gewahlt, zudem die Halfte der Drahtegebrochen war.

Rigon/Thurlimann stellten in ihren Versuchen fest,dass die Ermudungsfestigkeit von eingebautenSpannstahlen in gekrummten Stahlhullrohrendeutlich niedriger liegt, als die von freischwin-gend getesteten Spannstahlen. Fur die Versuchser-gebnisse wird auf Bild 27 verwiesen.

Oertle/Thurlimann/Esslinger (1985)

Oertle et al. [76] fuhrten Anfang 1985 an vier vor-gespannten Balken (Bild 18) dynamische Unter-suchungen durch. Verwendet wurden in zwei Bal-ken 16 Paralleldrahte dpw7 mm und in den beidenanderen Litzen mit einem Durchmesser von 0,6L.Zudem wurden zwei Balken mit Stahlhullrohrenversehen und zwei weiteren Balken mit Kunst-

299Werkstoffkennwerte fur die Nachrechnung von Betonbrucken

IV

Bild 15. Spannbetontrager unterdynamischer Belastung vonMagnel [69]

Bild 16. Langsschnitt des Balkensvon Rigon et al. [75]

Page 29: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

stoffhullrohren. Die Balkenform und Abmessun-gen entsprachen denen von Rigon/Thurlimann[75]. Die Versuchsbalken wurden baugleich aus-gefuhrt. Die Belastungsfrequenz wurde mit 5 Hzfestgelegt. Die Versuchsergebnisse sind in der zu-sammenfassenden Darstellung in Bild 27 enthal-ten.

Muller (1985)

Muller [74] untersuchte verschiedene Spannstahleund fuhrte freischwingende Versuche sowie Bal-kenversuche mit einbetonierten Spanngliederndurch (Bild 19). In seinen Untersuchungen verwen-dete er Bundelspannglieder aus drei LitzenSt 1570/1770, dp w 15,3 mm, Bundelspanngliederaus drei glatten, verguteten Drahten St 1420/1570,dp w 12,2 mm und Einzelspannglieder aus geripp-ten Gewindestahl St 1080/1230, dp w 26,5 mm.

Die Spannglieder wurden jeweils mit dem klein-sten zulassigen Krummungsradius verlegt. DieVorspannung wurde so eingestellt, dass die Ober-

spannung bei etwa so w 0,55 · bz und die Unter-spannung oberhalb des Dekompressionsniveauslag. Auch der Einfluss von Stahl- und Kunststoff-hullrohren, die er mit und ohne Mortelfullungeinsetzte, wurde untersucht. Als Dauerschwing-festigkeit galt auch hier die Schwingbreite, welchebei 2 · 106 Lastwechseln noch ertragen wurde. DieVersuchsergebnisse sind in Bild 20 dargestellt.

Koch (1988)

1988 fuhrte Koch [77] einen Dauerschwingversuchan einem vorgespannten Balken mit zwei Einzel-lasten durch. Die Bewehrung im Balken bestandaus 14 Spanndrahten dp w7 mm (St 1470/1670),sowie aus 6 Betonstahlen dsw 14 mm in der Beton-zugzone des Tragers. Die Lange des Tragers betrug8 m (Bilder 21 und 22).

Der Versuchskorper ertrug die 5 · 106 Lastspieleohne außere Schadigungen. Da wahrend der Last-wechsel das Dekompressionsniveau durchfahrenwurde, ist aufgrund des nichtlinearen Zusammen-hangs eine zuverlassige und genaue Aussage zurtatsachlich vorhandenen Schwingbreite nichtmoglich. Diese lag rechnerisch bei 89 N/mm2.Ober- und Unterlast wurden als feste Große ange-setzt. Anschließend wurde der Versuchskorperstatisch zu Bruch gefahren. Die dynamische Be-lastung erfolgte mit einer Frequenz von ca.2,2 Hz. Nach Versuchsende wurden die Spannd-rahte naher untersucht. Es stellte sich heraus,dass drei Spanndrahte deutliche ermudungsbe-dingte Anrisse durch Reibdauerbeanspruchungzeigten.

Bokamp (1991)

Bokamp [79] fuhrte 1991 dynamische Versuchemit teilweise vorgespannten Plattenbalken mit ge-krummten Spanngliedern in Stahlhullrohren mitnachtraglichem Verbund durch (Bild 23). Die Vor-

300 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Bild 17. Querschnitt des Balkens von Rigon et al. [75]

Bild 18. Versuchstrager von Oertle et al. [76]

Page 30: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

301Werkstoffkennwerte fur die Nachrechnung von Betonbrucken

IV

Bild 19. Versuchstrager von Muller [74]

120

200

300

400

500

5010.000 100.000 1.000.000 10.000.000

Sp

ann

un

gss

chw

ing

bre

ite

[N/m

m²]

Schwingspiele [N]

St 1080/1230

St 1420/1570

St 1570/1770

St 1080/1230 (Durchläufer)

St 1420/1570 (Durchläufer)

St 1570/1770 (Durchläufer)

k1=3

k2=7

DIN FB 102:2009

Legende:

Bild 20. Versuchsergebnisse von Muller [74]

Page 31: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

spannung wurde durch drei Litzen dp w 0,6L auf-gebracht. Die Dauerschwingfestigkeit wurde beiErreichen von 2 · 106 Lastspielen festgesetzt. DerSpannstahl entsprach der Gute St 1570/1770.

Belastet wurde der Balken durch eine dynamischeEinzellast in Feldmitte. Die Plattenbalken wurdenin Wechselwirkung zwischen dynamischer Bean-spruchung und kunstlicher Bewitterung bean-sprucht. Die Versuchsdurchfuhrung erfolgte mit

gleichbleibender Ober- und Unterspannung ober-halb des Dekompressionsniveaus.

Abel (1993)

Abel [81, 86] fuhrte Versuche an insgesamt 11 teil-weise vorgespannten Plattenbalken unter dynami-scher Belastung durch. Die Versuchstrager ent-sprachen im Aufbau denen von Bokamp [79] undsollten weitergehende Ergebnisse liefern. DreiVersuchsbalken enthielten Spannglieder mit Hull-rohren aus Bandstahl, bei acht Versuchsbalken be-standen die Hullrohre aus Kunststoff. Die Spann-glieder mit Stahlhullrohren enthielten jeweils 9glatte Spanndrahte. Ein Versuchsbalken enthielt11 glatte Spanndrahte in einem Kunststoffhull-rohr. Die glatten, kaltgezogenen Drahte ausSt 1470/1670 hatten einen Durchmesser von7 mm. Die ubrigen Versuchsbalken enthieltenSpannglieder aus Kunststoffhullrohren mit jeweils3 Litzen mit 0,6L aus St 1570/1770.

Maurer/Heeke (2008)

Maurer und Heeke [83] fuhrten im Zeitraum von2008 bis 2010 Versuche an insgesamt 5 Spannbe-tontragern durch. Die Spannstahle wurden imRahmen des Abbruchs einer Autobahnbrucke ent-nommen, welche im Jahr 1957 errichtet worden

302 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Bild 21. Versuchsstand von Koch [77]

Bild 22. Versuchstrager (Querschnitt) Koch [77]

Bild 23. Versuchstrager von Bokamp[79], nachtraglicher Verbund

Page 32: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

war. Bei dem entnommenen Spannstahl handeltees sich um 7-drahtige 3/8L-Litzen. Es konnte beiden entnommenen Proben aufgrund des fehlendenEinpressmortels davon ausgegangen werden, dassdie Litzen im Bauwerk zuvor keine ermudungs-wirksamen Beanspruchungen erfahren hatten.Die Litzen wurden gesaubert und in Versuchstra-ger eingebaut. Jeder der funf Versuchstrager ent-hielt ein Spannglied aus gekrummten Stahlhull-rohr mit jeweils funf Litzen in nachtraglichemVerbund. In Bild 24 ist die Geometrie und Beweh-rung der Versuchstrager dargestellt und Bild 25zeigt den Versuchsaufbau. Wie man in Bild 26 er-kennen kann, liegen alle Versuchsergebnisse furdie im Rahmen von Einstufenversuchen unter-suchten alteren Spannstahle oberhalb der Bemes-sungswohlerlinie nach DIN-Fachbericht 102:2009[6].

Eine umfangreiche Zusammenstellung der bisherin der Literatur dokumentierten Forschungsergeb-nisse zur Ermudungsfestigkeit von Spannstahlen

ist in [85] enthalten. Darin vergleichen Empel-mann/Sender die Versuchsergebnisse auch mitWohlerlinien nach den derzeit aktuellen Normen.

Vergleich mit den heutigen Wohlerlinien

In Bild 27 sind Ergebnisse der zuvor beschriebe-nen Forschungsarbeiten der charakteristischenWohlerlinie fur Spannstahl in gekrummten Stahl-hullrohren nach DIN-Fachbericht 102:2009 [6]gegenubergestellt. Es zeigt sich, dass die Ver-suchswerte fast ausnahmslos oberhalb der Woh-lerlinie fur die Bemessung nach DIN-Fachbe-richt 102 liegen.

Bei einigen der unterhalb der Wohlerlinie liegen-den Versuchswerte (Rigon et al.) wurde wahrendder dynamischen Belastung das Dekompressions-niveau durchfahren. Daher ist in diesen Falleneine exakte Aussage uber die tatsachliche Großeder Schwingbreite nicht moglich.

303Werkstoffkennwerte fur die Nachrechnung von Betonbrucken

IV

Bild 24. Versuchstrager vonMaurer/Heeke [83]

Bild 25. Versuchstand vonMaurer/Heeke [83]

Page 33: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

304 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

120

50

100

200

300

400

500

10.000 100.000 1.000.000 10.000.000 100.000.000

Sp

ann

un

gss

chw

ing

bre

ite

[N

/mm

²]

Schwingspiele [N]1. Drahtbruch Beginn verstärkte Schädigung Versagen / Versuchsabbruch

k1=3

k2=7

DIN-FB 102:2009

(mehrere Drahtdurchbrüche) Versuchsabbruch / Durchläufer

Bild 26. Versuchsergebnisse von Maurer/Heeke [83]

120

200

300

400

500

5010.000 100.000 1.000.000 10.000.000

Sp

ann

un

gss

chw

ing

bre

ite

[N/m

m²]

Schwingspiele [N]

Abel

Bökamp

Kordina / Voß

Müller

Eskola

Rigon / Thürlimann

Hegger / Neuser

Oertle / Thürlimann / Esslinger

DIN-FB 102:2009"nachtr. VB, Stahlhüllrohr"

k1=3

k2=7

Spannstahl,nachträglicher Verbund

in Stahlhüllrohren

Legende:

Bild 27. Vergleich recherchierter Versuchsergebnisse (nachtraglicher Verbund – gekrummte Stahlhullrohre)mit der Bemessungswohlerlinie nach DIN-Fachbericht 102:2009 [6]

Page 34: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

5.4.4 Zusammenfassung

Der Vergleich der recherchierten Versuchsergeb-nisse mit den aktuell gultigen Wohlerlinien furdie Bemessung nach DIN-Fachbericht 102:2009zeigt, dass die Versuchswerte bis auf wenige Ein-zelfalle oberhalb der heutigen normgemaßenWohlerlinie liegen. Dabei ist festzustellen, dassdie Schwingbreiten bei den Versuchen uberwie-gend oberhalb des Knickpunktes der Wohlerlinieliegen. Versuche mit Schwingbreiten unterhalbdes Knickpunktes im Bereich der Dauerfestigkeitsind aufgrund der sehr hohen Lastwechselzahlenund der damit einhergehenden langen Versuchs-dauer eher selten.

Aufgrund der Untersuchungen in [19] konnen dieaktuellen Wohlerlinien nach DIN-Fachbericht102:2009 auch zum Nachweis von alteren Beton-und Spannstahlen herangezogen werden. Eineweitere experimentelle Absicherung des flachenAstes der Wohlerlinie unterhalb des Knickpunktesim Dauerfestigkeitsbereich ware allerdings wun-schenswert.

Fur die Betonstahle zeigt sich, dass die heutigenBemessungswohlerlinien auch fur den Nachweisalterer Stabstahle gegen Ermudung herangezogenwerden konnen.

�ltere Spannstahle im sofortigen Verbund oder inStahlhullrohren im nachtraglichen Verbund wer-den durch die heutigen Bemessungswohlerliniennach DIN-Fachbericht 102:2009 gut erfasst, so-dass diese nach heutigem Wissensstand auch fureine Nachrechnung alterer Bestandsbauwerke ver-wendet werden durfen.

6 Nachrechnung der �berbautenvon Betonbrucken

6.1 Schnittgroßenermittlung

6.1.1 Grundlagen

Die in den gepruften Bestandsunterlagen enthalte-nen Schnittgroßen durfen nur dann verwendetwerden, wenn sie den Regelungen der DIN-Fach-berichte und hinsichtlich der Modellierung desTragsystems dem heutigen Stand der Technik ent-sprechen. Dabei sind z. B. die folgenden Einflussezu prufen:– Modellierung des Langssystems als

gekrummter Stabzug bei einer im Grundrissgekrummten Brucke,

– Berucksichtigung der Zusatzmomente inQuerrichtung infolge Profilverformung,

– Einflusse aus der Herstellungsgeschichte(Bauzustande) auf die Schnittgroßen infolgeEigenlast und Vorspannung,

– Einflusse aus den Baugrundbewegungen beisetzungsempfindlichen Bauwerken.

Gegebenenfalls sind die Schnittgroßen teilweiseoder vollstandig neu zu ermitteln. Dabei ist der ak-tuelle Bauwerkszustand zu beachten.

Durch eine realitatsnahe Modellierung des Trag-werks fur die Schnittgroßenermittlung konnen ineinigen Fallen gegenuber der ursprunglichen stati-schen Berechnung Tragfahigkeitsreserven akti-viert werden. So handelt es sich z. B. bei einerHohlkastenbrucke in Ortbetonbauweise um einraumliches Faltwerk, das aufgrund seines monoli-thischen Charakters uber Umlagerungsmoglich-keiten in Langs- und Querrichtung verfugt. Da-durch ist es moglich, Systemreserven zu aktivie-ren, da ublicherweise in der ursprunglichen Be-rechnung eine linear-elastische Ermittlung derSchnittgroßen erfolgt ist, auf deren Grundlagedie Querschnitte bemessen wurden. Die lokale�berschreitung der Tragfahigkeit in einem Quer-schnitt ist nicht gleichzusetzen mit dem Versageneines redundanten Tragsystems.

Grundlage fur die Schnittgroßenermittlung in derStufe 1 ist zunachst der DIN-Fachbericht 102:2009[6]. Daruber hinaus enthalt die Nachrechnungs-richtlinie fur die Stufen 2, 3 und 4 erganzende Re-gelungen.

Die Schnittgroßen werden zweckmaßig nach derArt der Einwirkung unterteilt in Schnittgroßenaus Lasten und Kraften, aus Vorspannung sowieaus Zwangungen. Die Schnittgroßen aus Lastenund Kraften sind zur Aufrechterhaltung desGleichgewichts erforderlich. Ihre Verteilung instatisch unbestimmten Tragwerken ist abhangigvon den Steifigkeitsverhaltnissen. Bei einem Ab-fall der Steifigkeiten durch Rissbildung oder plas-tische Verformungen der Werkstoffe in hoch bean-spruchten Bereichen kommt es zur Umlagerungdieser Schnittgroßen in weniger beanspruchte Be-reiche, wobei die Gleichgewichtsbedingungeneingehalten werden mussen.

Die statisch unbestimmten Schnittgroßenanteileinfolge Vorspannung werden im Gegensatz zuden ublichen Zwangschnittgroßen bei einem Stei-figkeitsabfall nicht abgebaut, wie u. a. in [87] und[88] gezeigt wurde.

Im Unterschied dazu sind Zwangschnittgroßen –z. B. infolge von behinderten Verformungen ausTemperatureinwirkungen – nicht zur Aufrechter-haltung des Gleichgewichts, sondern lediglichzur Erfullung der Vertraglichkeitsbedingungen er-forderlich. Sie sind direkt proportional zur absolu-ten Systemsteifigkeit. Sie werden bei einem Stei-figkeitsabfall durch Rissbildung oder plastischeVerformungen sowie ggf. durch das Kriechen desBetons stark abgebaut. Steifigkeitsanderungen ha-ben daher einen maßgeblichen Einfluss auf dieGroße der Zwangschnittgroßen, fur die kein linea-rer Zusammenhang mit den Einwirkungen be-steht.

305Nachrechnung der Uberbauten von Betonbrucken

IV

Page 35: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

6.1.2 Schnittgroßenermittlung fur die Nachweiseim GZG

Fur Spannbetonbrucken, die aufgrund ihrer Vor-spannung unter den normalen Gebrauchslastenweitgehend im ungerissenen Zustand I verbleiben,erfolgt die Ermittlung der Schnittgroßen aus di-rekten und indirekten Einwirkungen auf derGrundlage einer linear-elastischen Berechnungmit den Steifigkeiten nach Zustand I.

Fur Stahlbetonbrucken darf daruber hinaus beiublichen Systemen der Abbau der Zwangschnitt-großen durch eine Rissbildung unter Anwendungnichtlinearer Berechnungsverfahren berucksich-tigt werden. Hierbei sollte die Betonzugfestigkeitfctm als Grundlage fur die Ermittlung der Riss-schnittgroßen konservativ abgeschatzt werden.

6.1.3 Schnittgroßenermittlung fur die Nachweiseim GZT

Lastschnittgroßen

Die Schnittgroßen sind i. d. R. mit linear-elasti-schen Verfahren zu ermitteln.

Im Grenzzustand der Tragfahigkeit darf daruberhinaus mit plastischen Verformungen der Bau-stoffe und der Ausbildung von Fließgelenken ge-rechnet werden. Umlagerungen der Lastschnitt-

großen durfen im Rahmen der nachgewiesenenRotationsfahigkeit vorgenommen werden, umSystemreserven zu aktivieren.

Bei den Querkraftschnittgroßen wird zuweilen dieFrage gestellt, inwieweit sie durch Einflusse ausder Profilverformung bzw. Faltwerkwirkung er-hoht werden. Dazu erfolgt nachfolgend eine bei-spielhafte Betrachtung an einem einzelligen Hohl-kasten mit Quertrager in Feldmitte. Es werdenVergleichsrechnungen am raumlichen Faltwerkgegenuber der klassischen Stabstatik durchge-fuhrt. Das raumliche Faltwerk wurde mit Schalen-elementen modelliert und mittels der FEM berech-net. Als Verkehrslast wurde das Lastmodell 1 nachDIN-Fachbericht 101 angesetzt.

Die am raumlichen Faltwerk ermittelten Schub-krafte infolge Verkehrslasten in den beiden Stegenbeinhalten die Einflusse aus Querkraft, Torsionund Profilverformung. Die so ermittelten Schub-

306 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Bild 28. Am raumlichen Faltwerk (FEM) unterAnsatz des LM1 gemaß DIN-Fachbericht 101 [5]ermittelte Schubkrafte Vz in den Stegen

Bild 29. Nach Stabstatik ohne Berucksichtigung derProfilverformung aus Querkraft Vz und Torsion MTermittelte Schubkrafte in den Stegen (Wandhohe hk)

Page 36: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

krafte fur die beiden Stege sind in Bild 28 darge-stellt.

Die entsprechenden Schubkrafte beider Stege, er-mittelt auf ubliche Weise aus Querkraft und Tor-sion nach klassischer Stabstatik, sind Bild 29 zuentnehmen. Hierin ist kein Einfluss aus Profilver-formung enthalten.

Der unmittelbare Vergleich und damit der Einflussder Profilverformung ist in Bild 30 enthalten. DerEinfluss der Profilverformung auf die Große derGesamtschubkraft im Steg infolge der Verkehrs-lasten ist danach in den einzelnen Querschnittenlangs des Balkens unterschiedlich und variiertzwischen 0 und 8,8%. Im Mittel betragt die Ver-großerung infolge Faltwerkwirkung bei dem un-tersuchten Beispiel etwa 5%.

Zwangschnittgroßen

Im Rahmen der in [88] und [89] durchgefuhrtenUntersuchungen wurde gezeigt, dass sowohl beiTragwerken aus Stahlbeton als auch Spannbetonim Grenzzustand der Tragfahigkeit ein erheblicherAbbau der Zwangschnittgroßen durch den Steifig-keitsabfall infolge Rissbildung und plastischenVerformungen stattfindet. Gegenuber Tragwerkenaus Stahlbeton setzt beim Spannbeton dieser Ab-bau aufgrund der Vorspannung lediglich erst beieiner hoheren Laststufe ein. So kann beim Stahl-beton der Steifigkeitsabfall bereits unter Ge-brauchslasten deutliche Auswirkungen haben.

Die Bilder 31 und 33 enthalten die Ergebnisse auswirklichkeitsnahen nichtlinearen Berechnungenan vorgespannten Brucken. Die Plattenbalken-brucke (Bild 31) wurde nach DIN-Fachbericht102 bemessen und ausgefuhrt. Die Schnittgroßen-ermittlung erfolgte linear-elastisch und nicht-linear, mit und ohne Temperatureinwirkungen

SDTM/sDTM. In Bild 31 ist deutlich zu erken-nen, wie sich bei nichtlinearer Berechnung dasStutzmoment mit Berucksichtigung von DTM un-ter zunehmender Laststeigerung (l w F/Fd) andas Stutzmoment aus der Berechnung ohne DTM

annahert. Aus der Differenz der Momente geht un-mittelbar der Abbau der Zwangschnittgroßen her-vor.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, obein derartiger Zwangabbau auch bei alterenSpannbetonbrucken moglich ist, die keine zusatz-liche Mindestbewehrung aus Betonstahl fur einekontrollierte und verteilte Rissbildung besitzen.Hierzu konnen die von Leonhardt untersuchtenSpannbetontrager herangezogen werden [90].Die Einfeldtrager wurden in Feldmitte mit einerEinzellast belastet, sodass bei einer Drehung um180h die Verhaltnisse in etwa denen an einer In-nenstutze eines Durchlauftragers entsprechen.Die Versuchstrager enthielten je 2 Spanngliederbestehend aus 12 H 12,2 mm Spannstahlen undals Langsbewehrung aus Betonstahl lediglich2 H 8 mm. Trotz dieser nur sehr geringen Beweh-rung aus Betonstahl stellte sich eine verteilte Riss-bildung ein (Bild 32). Daher kann auch bei alterenSpannbetonbrucken mit nur geringer Langsbe-wehrung aus Betonstahl von einer verteilten Riss-bildung mit entsprechendem Zwangabbau imGZT ausgegangen werden.

Dass unter diesen Voraussetzungen der Abbau derZwangschnittgroßen nicht nur bei den heutigenSpannbetonbrucken, die nach DIN-Fachbericht102 bemessen wurden, moglich ist, sondern auchbei alteren Spannbetonbrucken mit fehlender Min-destbewehrung, zeigen entsprechende Vergleichs-rechnungen [19]. Dabei konnte am Beispiel einerHohlkastenbrucke aus den 1960er-Jahren gezeigtwerden, dass sich die Zwangschnittgroßen glei-chermaßen stark abbauen (Bild 33). Die Untersu-chungen erfolgten unter Berucksichtigung derRissbildung und der versteifenden Mitwirkungdes Betons zwischen den Rissen durch Modifika-tion der Spannungs-Dehnungs-Beziehungen desBeton- und Spannstahls gemaß Heft 525 desDAfStb [91]. Trotz fehlender Mindestbewehrungkann von einer verteilten Rissbildung ausgegan-gen werden. Bei der nichtlinearen Berechnungkommt es zwar zu einem Ausfall von Betonstahl-bewehrung durch �berschreiten von esmu im plas-tischen Bereich der modifizierten Stahlkennliniein der Fahrbahnplatte, die Biegezugkraft kannsich jedoch auf den Spannstahl umlagern. Auf-grund des rechnerischen Ausfalls eines kleinenAnteils der Gesamtbewehrung kommt es nichtzum Versagen des Gesamttragwerks. Durch dasErreichen der Fließspannung im Spannstahl bildetsich uber der Innenstutze eine Fließzone bzw. einplastisches Gelenk aus, das im GZT zu einem na-hezu vollstandigen Zwangabbau beitragt.

307Nachrechnung der Uberbauten von Betonbrucken

IV

Bild 30. Vergleich der maximalen Schub-beanspruchung aus Verkehrslast in Abhangigkeitvon der Modellierung

( ) Abweichung der Schubkraft im Stegdes Faltwerks (FEM) gegenuber derBerechnung nach Stabstatik

Page 37: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

308 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

a)

b)

c)

Bild 31. Plattenbalkenbruckein Spannbetonbauweise be-messen und ausgefuhrt nachDIN-Fachbericht 102 (aus[88])a) Querschnittb) Entwicklung des Stutz-momentes MB aus Last, Vor-spannung und Zwang beiinkrementeller Steigerung derLast bis zum Erreichen derSystemtraglastc) Abbau des Zwangmomentsaus DTM bei Laststeigerungbis zum Erreichen der Sys-temtraglast

Page 38: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

309Nachrechnung der Uberbauten von Betonbrucken

IV

Bild 32. Drei Spannbetonversuchstrager, Rissbilder im Bruchzustand mit Spanngliedverlauf [90]

a)

b)

Bild 33. Hohlkastenbrucke inSpannbetonbauweise, Baujahr1967 (aus [19])a) Regelquerschnitt und Langs-ansichtb) Abbau des Zwangmoments inder Stutzenachse 10 aus DTM beiLaststeigerung bis zum Erreichender Systemtraglast mit tatsachlichvorhandener Betonstahlbeweh-rung und der nach DIN-Fach-bericht 102 erforderlichen Min-destbewehrung zur Rissbreiten-begrenzung

Page 39: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Bei Stahlbetontragwerken kann gegenuber Spann-betontragwerken bereits unter Gebrauchslastni-veau ein deutlicher Abfall der Zwangschnittgro-ßen stattfinden.

Auf Grundlage der Erkenntnisse aus theoretischenArbeiten und experimentellen Untersuchungensieht die Nachrechnungsrichtlinie vor, dass eineAbminderung der Zwangschnittgroßen (Biege-und Torsionsmomente, Querkrafte) in �berbau-ten, die nach linear-elastischer Berechnung im Zu-stand I ermittelt wurden, entsprechend den nach-folgenden Angaben vorgenommen werden darf.

a) Temperatureinwirkungen

Die linear-elastisch ermittelten Zwangschnittgro-ßen (Biege- und Torsionsmomente, Querkrafte)infolge der charakteristischen Temperatureinwir-kungen DTM und DTN nach DIN-Fachbericht 101[5] auf der Grundlage der Steifigkeiten nach Zu-stand I durfen bei Durchlauftragern und ublichenRahmenbrucken infolge der Rissbildung im Betonpauschal auf 40% abgemindert werden.

Eine daruber hinausgehende Abminderung der li-near-elastisch nach Zustand I ermittelten Zwang-schnittgroßen ist bei ausreichender Duktilitatdurch Ausnutzung der plastischen Verformungs-fahigkeit moglich. Dafur muss das Verhaltnis x/din dem Querschnitt bestimmt werden, in dem unterder Systemtraglast das Versagen durch Erreichender Grenzdehnung eintritt (i. d. R. Stutzquer-schnitt unter MRd). Der Abminderungsfaktor hu

(Bild 34) zur Berucksichtigung des Steifigkeitsab-falls infolge Rissbildung und plastischer Verfor-mungen darf vereinfachend wie in Gl. (12) ange-geben bestimmt werden:

hu w 0,4 � x=d0,56

J 0,4 (12)

Damit erfolgt dann der Nachweis im GZT furdie mit hu abgeminderten linear-elastisch nachZustand I ermittelten Zwangschnittgroßen.

Bei einfachen einfeldrigen Stahlbetonrahmen (in-tegrale Bauwerke) mit einer Gesamtlange bis20 m ist eine Berucksichtigung der Zwangschnitt-großen im Grenzzustand der Tragfahigkeit nichterforderlich.

b) Baugrundbewegungen

Der Abbau der Zwangschnittgroßen infolge unter-schiedlicher Stutzensenkungen durch Rissbildungdarf analog der Zwangabminderung bei Tempera-tur berucksichtigt werden. Ohne genaueren Nach-weis durfen die Zwangschnittgroßen infolge Riss-bildung pauschal auf 40% abgemindert werden.

Der Abbau der Zwangschnittgroßen infolge desKriechens des Betons darf zusatzlich berucksich-tigt werden.

c) Anheben des �berbaus zum Lagerwechsel

Die nach Zustand I ermittelten Zwangschnittgro-ßen infolge des Anhebens des �berbaus durfenzur Berucksichtigung eines Steifigkeitsabfallsdurch Rissbildung auf 60% abgemindert werden.

d) Schwinden

Bei der Ermittlung der Zwangschnittgroßen ist derMittelwert der Schwinddehnung nach DIN-Fach-bericht 102 um den Faktor 1,35 zu vergroßern.Der Zwangabbau durch Kriechen und Rissbildungdarf berucksichtigt werden. Fur die Einflusse ausRissbildung darf analog zu a) vorgegangen wer-den.

Alternativ zu den oben angefuhrten Naherungenkonnen die Schnittgroßen nach dem nichtlinea-ren Verfahren (gR-Verfahren) nach DIN-Fachbe-richt 102 [6] auf der Grundlage der rechnerischenMittelwerte der Baustoffeigenschaften und reali-tatsnaher Rechenmodelle ermittelt werden. Derar-tige Berechnungen sind jedoch der Stufe 4 vorbe-halten und erfolgen daher nur in Ausnahmefallen.

Vorspannung

Der statisch unbestimmte Anteil der Schnittgro-ßen infolge der Vorspannwirkung ist immer in vol-ler Große nach linear-elastischer Berechnung an-zusetzen (Stufe 1 und 2). Diese Schnittgroßenbleiben im Gegensatz zu den Zwangschnittgroßenauch bei einem Steifigkeitsabfall bis auf kleinereUmlagerungen unverandert erhalten.

310 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,70

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

1

x/d [-]η u[-

]lim x/d = 0,56

Bild 34. Abminderungsfaktor hu fur den Zwang beiDurchlauftragern und ublichen Rahmen bis zumErreichen der Systemtraglast aus [9] (x/d: bezogeneDruckzonenhohe in den Stutzquerschnitten unterMRd; bei mehreren Stutzquerschnitten großter Wert)

Page 40: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

6.2 Angepasste Teilsicherheitsbeiwerte

6.2.1 Allgemeines

Eine rechnerische Beurteilung bestehender Bau-werke wird durchgefuhrt um festzustellen, ob un-ter heutigem und wahrend der weiteren Nutzungdes Bauwerks noch zu erwartendem Beanspru-chungsniveau eine ausreichende Bauwerkszuver-lassigkeit gegeben ist. Eine ausreichende Zuver-lassigkeit gilt hierbei in der Regel als vorhanden,wenn alle Nachweise im Grenzzustand der Tragfa-higkeit unter Einhaltung einer vorgegebenen Ver-sagenswahrscheinlichkeit erfullt werden konnen.Eine nachgeschaltete rechnerische Beurteilungder Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeitist von untergeordneter Bedeutung, da bei beste-henden Bauwerken anders als beim Neubau an-hand von Bauwerksprufungen festgestellt werdenkann, ob sich das Bauwerk als gebrauchstauglicherwiesen hat oder unter den gegebenen Nutzungs-bedingungen Schadigungen aufgetreten sind. DieErgebnisse der Bauwerksprufungen sind jedochsowohl bei der Beurteilung der Gebrauchstaug-lichkeit als auch bei der Beurteilung der Tragfa-higkeit zu berucksichtigen.

Die Definition einer ausreichenden Bauwerkszu-verlassigkeit uber die Einhaltung zulassiger Ver-sagenswahrscheinlichkeiten in den jeweiligenGrenzzustanden fand in Deutschland in den1990er-Jahren im Rahmen der Erarbeitung der Eu-rocodes Eingang in die Bemessungspraxis undwurde fur den Bruckenbau erstmals im Jahr 2003durch die Einfuhrung der ersten Ausgabe desDIN-Fachbericht 102 [68] maßgebend. Im vorhe-rigen Zeitraum erfolgte die Bemessung ohne Vor-gabe expliziter Versagenswahrscheinlichkeitenauf der Grundlage eines globalen Sicherheitskon-zepts, dessen Anwendung eine allgemein akzep-tierte Bauwerkszuverlassigkeit widerspiegelte.Durch die Anwendung eines globalen Sicherheits-beiwertes auf der Lastseite sollte ein ausreichen-der Sicherheitsabstand zwischen Gebrauchslastund Bruchlast erreicht werden (vgl. z. B. [92]).Der Bauteilwiderstand wurde auf der Grundlageabgeminderter Nennwerte der Festigkeiten ermit-telt. Da die im Rahmen des aktuellen Normenkon-zepts benotigten, zulassigen Versagenswahr-scheinlichkeiten keine objektiv ermittelbarenKonstanten darstellen, orientierte man sich beider Festlegung dieser Werte an dem Zuverlassig-keitsniveau, das in Bemessungen auf Grundlagedes vorherigen, bewahrten Normenstands erreichtwurde. Im Rahmen der Nachrechnungsrichtlinieberuft man sich in Bezug auf das zu erreichendeZuverlassigkeitsniveau auf die Vorgaben in der je-weils gultigen Fassung der DINEN 1990: Grund-lagen der Tragwerksplanung. Dies ist zurzeit dieAusgabe Dezember 2010 [20] einschließlich desNationalen Anhangs vom Dezember 2010 [93].

Die Beurteilung der bestehenden alteren Bau-werke soll nach heutigem Erkenntnisstand undauf Grundlage der aktuellen Nachweisformatedurchgefuhrt werden. Daher hat man sich im Rah-men der Erarbeitung der Nachrechnungsrichtliniedarauf verstandigt, den Nachweisen das im DIN-Fachbericht 102 verwendete Sicherheitskonzeptmit Teilsicherheitsbeiwerten zugrunde zu legen.Diese Festlegung gilt zunachst fur die Nachweisein den Stufen 1 bis 3. In der Stufe 4 gelten zwarwie in Stufe 1 bis 3 die Zielwerte der Zuverlassig-keit nach DIN EN 1990, bez. ihrer Sicherstellungbei der Anwendung von wissenschaftlichen Me-thoden mussen aber besondere Festlegungen ge-troffen werden.

Die Nachrechungsrichtlinie beinhaltet im Ver-gleich zu den Festlegungen in DIN-Fachbe-richt 102 zahlreiche, auf die spezielle Situationvon bestehenden Bruckenbauwerken angepassteTeilsicherheitsbeiwerte fur die Einwirkungs- undWiderstandsseite. Im Abschnitt 6.2.2 werden zu-nachst kurz die Grundlagen des Sicherheitskon-zepts des DIN-Fachbericht 102 dargestellt, um da-rauf aufbauend im Abschnitt 6.2.3 zu erlautern, anwelchen Stellen und unter welchen Voraussetzun-gen bei bestehenden Bauwerken Anpassungen andiesem Konzept durchgefuhrt werden konnen. Inden Abschnitten 6.2.4 und 6.2.5 werden schließ-lich die im Rahmen der Nachrechnungsrichtlinieangepassten Teilsicherheitsbeiwerte im Detail be-nannt.

6.2.2 Hintergrunde zum Sicherheitskonzept desDIN-Fachberichts 102 fur Neubauten

Die Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbru-cken im Bestand basiert fur Betonbrucken auf demDIN-Fachbericht 102 [6]. Der DIN-Fachbericht102 wiederum folgt den Vorgaben in DINV ENV1992-1-1 [94] und DINV ENV 1992-2 [95] sowieDIN 1045-1 [96], die bezuglich der Festlegungenzur Bauwerkszuverlassigkeit und zum Sicher-heitskonzept auf die Normenreihen DINV ENV1991-1 bzw. DIN 1055-100 verweisen. DieDINV ENV 1991-1 [97] ist im Jahr 2002 durchdie Norm DIN EN 1990 [98] abgelost worden,die ihrerseits durch DINEN 1990, Ausgabe 2010[20] ersetzt wurde. Die im Jahr 1999 erstmals ver-offentlichte Norm DIN 1055-100 [99] wurdeebenfalls auf der Grundlage von DINV ENV1991-1 erarbeitet. Sie sollte die Lucke zwischenden sich auf der Grundlage europaischer Vornor-men in Bearbeitung befindlichen deutschen Ein-wirkungs- und Bemessungsnormen schließen.Die letzte Ausgabe der DIN 1055-100 [100]wurde im Dezember 2010 zuruckgezogen undauch durch DIN EN 1990 [20] ersetzt. Somit giltseit Dezember 2010 bezuglich der Grundlagender Tragwerksplanung allein die Norm DINEN 1990 (Eurocode 0). Alle weiteren Ausfuhrun-

311Nachrechnung der Uberbauten von Betonbrucken

IV

Page 41: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

gen zu den Grundlagen des Sicherheitskonzeptsmit Teilsicherheitsbeiwerten, vor allem auch zuzahlenmaßigen Festlegungen, beziehen sich aufdie aktuelle Ausgabe des Eurocode 0, auch wennsich der DIN-Fachbericht 102 aus dem Jahr 2009nicht direkt auf diese Norm beruft.

Die Hintergrunde des in DIN EN 1990 beschriebe-nen und in DIN-Fachbericht 102 verwendetenSicherheitskonzepts mit Teilsicherheitsbeiwertenwerden an dieser Stelle nur so weit aufbereitet,wie es fur das weitere Verstandnis dieses Beitragsnotig ist. Die Aussagen beziehen sich auf dieNachweisfuhrung im Grenzzustand der Tragfahig-keit. Ausfuhrliche Erlauterungen zur Sicherheits-theorie finden sich z. B. in [101–104]. An dieserStelle sei darauf hingewiesen, dass die durch denFaktor Mensch verursachten Unsicherheiten beiPlanung, Ausfuhrung und Nutzung zwar einengroßen Einfluss auf das tatsachlich vorhandeneZuverlassigkeitsniveau von Bauwerken haben, je-doch quantitativ nicht durch ein Sicherheitskon-zept zu erfassen sind. Bei einer zahlenmaßigenBeurteilung der Bauwerkszuverlassigkeit gehennur die gewissen stochastischen Gesetzmaßigkei-ten folgenden Streuungen der Beanspruchungenund der Widerstande ein. Aus diesem Grund kon-nen die im Rahmen der Sicherheitstheorie verwen-deten Versagenswahrscheinlichkeiten oder Si-cherheitsindizes nicht mit den in der Realitat fest-gestellten Einsturzwahrscheinlichkeiten gleichge-setzt werden.

Grundlage der Bemessung ist der Nachweis, dassdie Beanspruchungen E maximal gleich demWiderstand R sind. Dabei sind E und R streuendeGroßen, die von einer oder mehreren, wiederumstreuenden Basisvariablen abhangig sind. Bei be-kannten Verteilungen der Basisvariablen kann dieWahrscheinlichkeit bestimmt werden, mit der dieEinwirkungen den Widerstand uberschreiten. ImFolgenden wird aus Grunden der Anschaulichkeitdavon ausgegangen, dass E und R unabhangigvoneinander normalverteilt sind und je nur voneiner Variable abhangen. Auf Grundlage dieserAnnahme konnen daher die Begriffe Versagens-wahrscheinlichkeit pf und Sicherheitsindex b imSinne des Eurocode 0 [20] kurz erlautert werden.

Die Verteilungen von E und R sind durch die La-geparameter mE und mR (Mittelwerte der Grundge-samtheit) und ihre Streuungen um den MittelwertsE und sR (Standardabweichungen der Grundge-samtheit) festgelegt. Der Abstand der MittelwertemE und mR wird als zentrale Sicherheitszone undder Abstand der charakteristischen Werte Ek undRk wird als nominale bzw. dezentrale Sicherheits-zone bezeichnet. Die nominale Sicherheitszonekorrespondiert mit dem Sicherheitsfaktor des fru-her verwendeten globalen Sicherheitskonzepts.Der obere Teil von Bild 35 verdeutlicht diese Zu-

sammenhange. Fuhrt man nun die Zustandsfunk-tion G w R s E ein, so beschreibt der Bereichder wiederum normalverteilten Große G I 0 denVersagensbereich. Fur die den Mittelwert mG unddie Standardabweichung sG der Verteilung von Ggelten die Gln. (13) und (14):

mG wmR s mE (13)

sG w

ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffis2R S s2E

q(14)

Damit entspricht die zentrale Sicherheitszone ausBild 35 oben jetzt einem Vielfachen der Standard-abweichung sG. Dieser Faktor wird als Sicher-heitsindex b bezeichnet. Fur b gilt Gl. (15):

bwmGsG

wmR s mEffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffis2R Ss2E

p (15)

Die operative Versagenswahrscheinlichkeit pf ent-spricht der Flache unter der Dichtefunktion furG J 0 (Bild 35 unten) und ist uber die Standard-normalverteilung F nach Gl. (16) direkt mit demSicherheitsindex b verknupft.

pf wF smGsG

� �wFsbð Þ (16)

Mit steigender Versagenswahrscheinlichkeit sinktder Zuverlassigkeitsindex. Es ist jedoch anzumer-ken, dass aufgrund der teilweise zeitlich verander-lichen Eingangsgroßen auf der Einwirkungsseitedie operativen Versagenswahrscheinlichkeitenimmer nur in Verbindung mit einem Bezugszeit-raum gelten. Beispielsweise entspricht eine Ver-sagenswahrscheinlichkeit von pf w 10–6 je Jahr

312 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Bild 35. Zusammenhang zwischen E und R sowieZustandsfunktion G, Versagenswahrscheinlichkeit pfund Sicherheitsindex b nach [105]

Page 42: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

einem Sicherheitsindex von b w 4,75 und eineVersagenswahrscheinlichkeit von pf w 10–6 in 50Jahren einem Sicherheitsindex von b w 3,83. Dieoperative Versagenswahrscheinlichkeit entsprichtnicht direkt der Haufigkeit eines Versagensereig-nisses, da wie bereits erwahnt die Unsicherheitenaus Fehlern bei der Planung, Bauausfuhrung undNutzung rechnerisch nicht berucksichtigt sind.Der Eurocode 0 [20] eroffnet die Moglichkeit,bei der Bemessung fur verschiedene Arten vonBauwerken unterschiedliche Sicherheitsniveauszugrunde zu legen. Dazu werden die Bauwerke so-genannten Schadensfolgeklassen zugeordnet, diedie Folgen fur Menschenleben sowie die sozialenund (volks-)wirtschaftlichen Folgen im Falleeines moglichen Einsturzes berucksichtigen sol-len. Diese Schadensfolgeklassen (im deutschenNationalen Anhang zu Eurocode 0 auch als Versa-gensfolgeklassen bezeichnet) konnen mit soge-nannten Zuverlassigkeitsklassen (RC1 bis RC3)verknupft werden, fur die Zielwerte der Bau-werkszuverlassigkeit definiert sind. In Tabelle 4sind die Empfehlungen fur Mindestwerte der ein-zuhaltenden Zuverlassigkeitsindizes mit den zu-gehorigen operativen Versagenswahrscheinlich-keiten nach Anhang B von Eurocode 0 zusammen-gefasst. Die Differenzierung der Zuverlassigkeituber angepasste Sicherheitsniveaus je nach Bau-werksbedeutung wird in Deutschland bisher je-doch nicht angewendet. In der Regel werden derBemessung die der Zuverlassigkeitsklasse RC2zugeordneten Zielwerte der Zuverlassigkeitsindi-zes zugrunde gelegt und die Sicherheitselemente(Teilsicherheitsbeiwerte, Kombinationsbeiwerte,etc.) so angepasst, dass diese Werte erreicht wer-den. Die Bauwerksbedeutung wird in Deutschlanddurch unterschiedlich aufwendige �berwa-chungsmaßnahmen bei der Planung und Bauaus-fuhrung berucksichtigt. Der in Eurocode 0 vorge-sehene Ansatz unterschiedlicher Zuverlassigkeits-indizes je nach Bauwerksbedeutung macht jedochdeutlich, dass die geforderte Bauwerkszuverlas-sigkeit nicht als „Naturkonstante“ verstanden wer-den kann, sondern je nach Fragestellung einen inAbhangigkeit von sozialen und wirtschaftlichen

Kriterien gesellschaftlich akzeptierten Wert wi-derspiegeln sollte.

Das Einhalten eines vorgegebenen Wertes von bbei der Bemessung entspricht einem ausreichen-den Abstand der Punkte mG und g w 0 in der Ver-teilung der Zustandsfunktion G (s. Bild 35 unten).Dieser Abstand wird durch die Standardabwei-chung sG und damit durch die Streuungen von Eund R bestimmt. Fur den nichtlinearen Zusam-menhang zwischen den Streuungen von E und Rwird eine Linearisierung nach Gl. (17) eingefuhrt:

sG w

ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffis2R S s2E

qwaR � sR SaE � sE (17)

mit den Wichtungsfaktoren

aE wsEffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi

s2R S s2Ep

und

aR wsRffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi

s2R Ss2Ep

Gleichzeitig ist die zentrale SicherheitszonemR s mE gemaß Gl. (18)

mR smE w b �ffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffis2R Ss2E

qw b � aR � sR Sb � aE � sE (18)

mit dem Sicherheitsindex b verknupft (s. Bild 35oben). Durch Umordnen erhalt man Gl. (19):

Ed w mE Sb � aE � sEw mR s b � aR � sR wRd (19)

Gleichung (19) druckt aus, dass beim Erreichendes Grenzzustands G w 0 mit einer vorgegebenenWahrscheinlichkeit pf der Bemessungswert derBeanspruchungen Ed gerade gleich dem Bemes-sungswert des Widerstands Rd ist. Der Bemes-sungspunkt Ed w Rd spiegelt den Zustand mit derhochsten Versagenswahrscheinlichkeit unter denvorgegebenen Eigenschaften von E und R wider.

313Nachrechnung der Uberbauten von Betonbrucken

IV

Tabelle 4. Empfehlungen fur Mindestwerte des Zuverlassigkeitsindex b aus [20] und zugehorigeoperative Versagenswahrscheinlichkeiten

Zuverlassig-keitsklasse

Mindestwert fur b Zugehorige operative Versagens-wahrscheinlichkeit pf

Bezugszeitraum1 Jahr

Bezugszeitraum50 Jahre

Bezugszeitraum1 Jahr

Bezugszeitraum50 Jahre

RC 3 5,2 4,3 1,0 · 10–7 8,5 · 10–6

RC 2 4,7 3,8 1,3 · 10–6 7,2 · 10–5

RC 1 4,2 3,3 1,3 · 10–5 4,8 · 10–4

Page 43: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Bei der Bemessung wird die Streuung der Bean-spruchungen und Widerstande durch die Verwen-dung charakteristischer Werte berucksichtigt, diesich aus dem Mittelwert und der Standardabwei-chung der jeweiligen Verteilungen mit den zuge-horigen Quantilfaktoren Kp,E und Kp,R nach denGln. (20) und (21) bestimmen lassen:

Ek w mE SKp,E � sE (20)

Rk w mR SKp,R � sR (21)

Setzt man schließlich die zuvor bestimmten Be-messungswerte von Beanspruchung und Wider-stand in Verhaltnis zu den charakteristischen Wer-ten, so erhalt man gemaß den Gln. (22) und (23)die Teilsicherheitsbeiwerte gE und gR unter derenVerwendung das eingangs uber b definierte Zuver-lassigkeitsniveau genau erreicht wird.

gE wEd

Ekw

mE S b � aE � sEmE SKp,E � sE

w1Sb � aE � VE

1SKp,E � VE(22)

gR wRd

Rkw

mR SKp,R � sRmR sb � aR � sR

w1SKp,R � VR

1s b � aR � VR(23)

Es ist ersichtlich, dass die Teilsicherheitsbeiwerteauf Beanspruchungs- und Widerstandsseite durchdieWichtungsfaktoren aR und aE mit den Streuun-gen beider Seiten verknupft sind. Damit geltenTeilsicherheitsbeiwerte grundsatzlich immer nurfur eine bestimmte Kombination von E und R.Fur die Praxis werden aus diesem Grund konstanteWichtungsfaktoren vorgegeben, durch die eineEntkopplung der Beanspruchungs- und Wider-standsseite moglich ist. So darf man z. B. nach[20] in den Gln. (22) und (23) aR w 0,8 undaE w 0,7 setzen, wenn die Bedingung0,16 I sE/sR I 7,6 erfullt ist.

Im allgemeinen Fall ist die Versagenswahrschein-lichkeit jedoch von mehr als je einer streuendenVariable auf der Einwirkungs- und Widerstands-seite abhangig. Die Bestimmung der genauenLage des Bemessungspunktes und der Wichtungs-faktoren geschieht dann anhand von Berechnun-gen mithilfe von mehrdimensionalen Verteilungs-funktionen und deren Schnittflache mit Hyperfla-chen, die den Grenzzustand beschreiben. Bild 36zeigt eine zweidimensionale Projektion des Prob-lems. Die Verteilung der Grenzzustandsfunktionstellt sich dann als Ellipse und die Versagensflacheals Gerade dar. Der Sicherheitsindex b entsprichthier dem Abstand zwischen dem Mittelpunkt derVerteilung der Grenzzustandsfunktion und demBemessungspunkt.

Der Nachweis der Bauwerkszuverlassigkeit durchden Vergleich von vorhandenen und zulassigen Si-cherheitsindizes unter Berucksichtigung aller ver-fugbaren Informationen uber die Streuungen derEingangsparameter und ohne mathematische Ver-einfachungen der Grenzzustandsgleichung wirdals vollstandig probabilistische Methode oder Me-thode der Stufe III bezeichnet. Verfahren derStufe II (FORM: First Order Reliability Method,SORM: Second Order Reliability Method) ver-gleichen auch vorhandene und zulassige Sicher-heitsindizes, beruhen aber auf vereinfachten An-nahmen uber die Verteilungsfunktionen der Ein-gangswerte und einer Linearisierung von beliebi-gen Grenzzustandsfunktionen. Das haufig als„semi-probabilistisch“ bezeichnete Sicherheits-konzept aktueller Normen, wie z. B. dem DIN-Fachbericht 102, beruht ebenfalls auf Methodender Stufe II und III, jedoch mit wesentlichen Ver-einfachungen. Hierzu zahlt zum einen, dass nichtwie bei Verfahren der Stufe II und III vorhandeneund zulassige Sicherheitsindizes verglichen wer-den, sondern ein indirekter Nachweis uber denVergleich der Bemessungswerte von Beanspru-chung und Widerstand, die mithilfe von vorgege-benen Teilsicherheitsbeiwerten aus charakteristi-schen Werten errechnet wurden, gefuhrt wird.Die Teilsicherheitsbeiwerte werden mit konstan-tenWichtungsfaktoren auf Grundlage eines vorge-gebenen Zuverlassigkeitsniveaus b hergeleitet.Hieraus resultiert, dass nicht fur alle Tragwerkeund moglichen Kombinationen von Einwirkungund Widerstand ein identisches Zuverlassigkeits-niveau erzielt wird, in jedem Fall aber ein ausrei-chendes. Außerdem wurde aufgrund fehlenderstatistischer Daten einiger streuender Eingangs-großen bei der Ermittlung der erforderlichen Teil-

314 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Bild 36. Projektion der Zusammenhange bei dergenauen Bestimmung des vorhandenen Sicherheits-index b vom n-dimensionalen auf den zweidimen-sionalen Raum

Page 44: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

sicherheitsbeiwerte ein Abgleich mit dem Zu-verlassigkeitsniveau des bisher verwendeten, glo-balen Sicherheitskonzept vorgenommen. DieGroßenordnung des tatsachlich erzielten Sicher-heitsniveaus bei Anwendung der Festlegungennach den aktuellen Normen und die Abhangigkeitder Ergebnisse von den einzelnen Basisvariablenwurden z. B. in [106] eingehend untersucht.

Die Eingangsgroßen bei der Bemessung im Bau-wesen sind in der Regel die Einwirkungen F unddie Baustoffeigenschaften X, die als charakteristi-sche Werte Fk und Xk zur Verfugung stehen.Mithilfe von Rechenmodellen werden diese Ein-gangswerte in Vergleichsgroßen Ek und Rk umge-rechnet. Hieraus resultieren zusatzliche sogenannteModellunsicherheiten, die bei der Ermittlung derTeilsicherheitsbeiwerte auf der Einwirkungs- undBaustoffseite berucksichtigt werden mussen. DieTeilsicherheitsbeiwerte auf der Einwirkungsseitesetzen sich gemaß [20] nach Gl. (24) aus einem An-teil zur Abdeckung der Modellunsicherheit undeinem Anteil zur Abdeckung der moglichen Streu-ungen der Einwirkungen zusammen:

gF w gEd � gf (24)

mit

gEd Teilsicherheitsbeiwert zur Berucksichtigungvon Modellunsicherheiten (Einwirkungenund Beanspruchungen)

gf Teilsicherheitsbeiwert zur Berucksichtigungvon ungunstig wirkenden Streuungen derEinwirkungen

Auf der Widerstandsseite werden gemaß Gl. (25)ebenfalls Modellunsicherheiten sowie die Streu-ungen der Baustoffeigenschaften berucksichtigt:

gM w gRd � gm (25)

mit

gRd Teilsicherheitsbeiwert zur Berucksichtigungvon Modellunsicherheiten (Widerstands-modell einschließlich geometrischer Abwei-chungen)

gm Teilsicherheitsbeiwert zur Berucksichtigungvon ungunstig wirkenden Streuungen derBaustoffeigenschaften und Streuungen beider Umrechnung von Probeneigenschaftenauf Eigenschaften im Bauwerk

Mit den Teilsicherheitsbeiwerten gF und gM kon-nen die Bemessungswerte der Einwirkungen Fd

und Baustoffeigenschaften Xd nach den Gln. (26)und (27) ermittelt werden:

Fd w gF � Fk (26)

Xd wXk

gM(27)

Die Erfullung der geforderten Zuverlassigkeit er-folgt nach den Gln. (28) und (29) uber den Ver-gleich von Bemessungswerten der Beanspruchun-gen Ed (Auswirkungen der Einwirkungen Fd) undder Widerstande Rd, die in Abhangigkeit der je-weiligen charakteristischen Werte Fk oder Xk, derTeilsicherheitsbeiwerte g und Kombinationsbei-werte c sowie der Bemessungswerte der geomet-rischen Großen ad berechnet werden. Die Bemes-sungswerte der geometrischen Großen sind in derRegel Nennwerte. Mogliche Streuungen konnendurch Festlegungen von Toleranzen eDa beruck-sichtigt werden. Auf der Widerstandsseite werdenzusatzlich Umrechnungsbeiwerte h zur Erfassungvon Unterschieden zwischen Probeneigenschaftenund maßgebenden Baustoffeigenschaften im Bau-teil verwendet.

Ed wE gF,i � Fk,i � ci; ad� �

(28)

Rd wR hiXk,i

gM; ad

� (29)

Bild 37 verdeutlicht noch einmal die Zusammen-hange des Sicherheitskonzepts des DIN-Fachbe-richts 102.

Im Rahmen der Nachrechnungsrichtlinie gilt furBerechnungen in der Stufe 1 bis 3 das hier be-schriebene Sicherheitskonzept mit Teilsicher-heitsbeiwerten. In der Stufe 4 sind auch vollstan-dig probabilistische Methoden zulassig, die direktzu Aussagen uber die vorhandene Bauwerkszu-verlassigkeit fuhren. Vor der Anwendung solcherMethoden mussen aber im Einzelfall Vereinbarun-gen uber die anzusetzenden stochastischen Eigen-schaften der streuenden Basisvariablen und die zuerreichenden Sicherheitsindizes getroffen werden.Werden numerische Simulationen des Tragverhal-tens durchgefuhrt, bei denen das Superpositions-prinzip nicht mehr anwendbar ist, mussen vor derNachrechnung Festlegungen zu den zu untersuch-enden Lastfallkombinationen und dem zu errei-chenden globalen Sicherheitsbeiwert (Abstandzwischen Gebrauchslast und Bruchlast) getroffenwerden. Es finden sich u. a. im fib ModelCode 2010 [107] Empfehlungen dazu, wie bewer-tet werden kann, welchem Zuverlassigkeitsniveaudie Ergebnisse numerischer Simulationen entspre-chen.

6.2.3 Moglichkeiten zur Anpassung desSicherheitskonzepts fur die Nachrechnungbestehender Bruckenbauwerke

Eine �berprufung der Bauwerkszuverlassigkeitauf Grundlage eines semi-probabilistischen Si-cherheitskonzepts mit Teilsicherheitsbeiwerteneignet sich prinzipiell sowohl fur die Bemessungvon Neubauten als auch fur die Nachrechnung be-

315Nachrechnung der Uberbauten von Betonbrucken

IV

Page 45: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

stehender Bauwerke. Durch Anpassungen gegen-uber den vorhandenen Festlegungen fur Neubau-ten ist jedoch eine realistischere Beurteilung dervorhandenen Zuverlassigkeit und dem Erfordernisvon Verstarkungsmaßnahmen- bzw. Belastungs-

beschrankungen bei Bestandsbauwerken moglich.Ein großer Vorteil des Sicherheitskonzeptes mitTeilsicherheitsbeiwerten ist in diesem Zusammen-hang, dass die Teilsicherheitsbeiwerte unmittelbaran den Stellen modifiziert werden konnen, an de-nen zusatzliche Informationen vorliegen. Dadurchist eine sehr differenzierte Anpassung speziell furbestehende Straßenbrucken moglich.

Eine wesentliche Motivation fur die Anpassungder Teilsicherheitsbeiwerte an die spezielle Situa-tion von bestehenden Bauwerken ist, dass die Un-sicherheiten aus Planung und Bauausfuhrungnicht mehr in vollem Umfang in der Nachweisfuh-rung berucksichtigt werden mussen. Die Nach-rechnungsrichtlinie fordert jedoch, dass das inEurocode 0 [20] geforderte Zuverlassigkeitsni-veau auch fur bestehende Bauwerke eingehaltenwird. Da die bloße Anwendung reduzierter Teilsi-cherheitsbeiwerte rechnerisch zwangslaufig auchzu niedrigeren vorhandenen Zuverlassigkeitenfuhrt, durfen die modifizierten Teilsicherheitsbei-werte der Nachrechnungsrichtlinie nur verwendetwerden, wenn die zu den jeweiligen Großen ge-horigen Unsicherheiten gleichzeitig durch zusatz-liche, gesicherte Informationen aus Messungenoder durch andere Maßnahmen (z. B. additive Si-cherheitselemente) reduziert werden. Somit ergibtsich in der Gesamtbetrachtung auch bei angepass-ten Teilsicherheitsbeiwerten wieder das geforderteZuverlassigkeitsniveau. In Bezug auf die in Ab-schnitt 6.2.2 beschriebenen theoretischen Grund-lagen lasst sich das Vorgehen der Nachrechnungs-richtlinie als Anpassung der stochastischen Eigen-schaften der Basisvariablen verstehen.

Neben der Anpassung des Sicherheitskonzeptsaufgrund zusatzlicher vorhandener Informationenuber das Bauwerk gibt es international Ansatze,fur bestehende Bauwerke vom Neubau abwei-chende zu erreichende Zuverlassigkeitsniveaus bzu definieren. Damit konnten bei sonst gleichenRandbedingungen bezuglich der Eingangswerteauf der Einwirkungs- und Baustoffseite allein aufGrundlage der theoretischen Zusammenhange imAbschnitt 6.2.2 geanderte Teilsicherheitsbeiwertebestimmt werden. Die Motivation eines solchenVorgehens ist hauptsachlich, dass die Verstarkungeines bestehenden Bauwerks (das sich zudemschon im Betrieb bewahrt hat) auf ein vorgegebe-nes Sicherheitsniveau wesentlich aufwendigerund kostenintensiver ist, als die Planung einesNeubaus fur das gleiche Sicherheitsniveau. Beisolchen Ansatzen ist die verbleibende Nutzungs-dauer eines Bauwerks auch direkt mathematischin die �berlegungen integrierbar. Ein solches Vor-gehen wird zurzeit in Deutschland jedoch nochnicht angewendet. Eine Zusammenstellung ver-schiedener internationaler Ansatze zur Anpassungdes Sicherheitskonzepts fur bestehende Bauwerkefindet sich in [19].

316 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Bild 37. Nachweiskonzept fur den Grenzzustandder Tragfahigkeit gemaß aktueller Normen wie z. B.DIN-Fachbericht 102 bei linear-elastischer Schnitt-großenermittlung (nach [105])

Page 46: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

6.2.4 Angepasste Teilsicherheitsbeiwerte fur dieEinwirkungsseite

Es gelten zunachst grundsatzlich die Teilsicher-heitsbeiwerte nach den DIN-Fachberichten. Le-diglich der Teilsicherheitsbeiwert fur die standi-gen Einwirkungen gG aus den Eigengewichtslas-ten darf in Verbindung mit den nachfolgend dar-gestellten Kompensationsmaßnahmen reduziertwerden.

Die Eigenlasten lassen sich i. Allg. durch Messun-gen am Bauwerk (geometrische Abmessungen,Wichten) mit großer Zuverlassigkeit bestimmen.Wenn mit den so ermittelten Verteilungen der Ei-genlasten uber das Tragwerk die Schnittgroßenneu ermittelt werden, ist bei den Nachweisen dieVerwendung eines reduzierten Teilsicherheitsbei-wertes gG moglich. gG setzt sich gemaß Gl. (30) zu-sammen:

gG w gEd � gg (30)

gG Teilsicherheitsbeiwert fur die Eigenlast

gEd Modellunsicherheiten

gg mogliche Abweichungen vom charakteristi-schen Wert (statistisch begrundeter Anteil)

Bei Annahme einer Normalverteilung ergibt sichder Teilsicherheitsbeiwert gg als Quotient ausdem Bemessungswert und dem charakteristischenWert nach Gl. (31):

gg wGd

Gkw

mG S b � aE � sGmG S kp,E � sG

w1S b � aE � VG

1S kp,E � VG(31)

Bei den Eigenlasten wird wegen der i. Allg. gerin-gen Streuungen der Mittelwert als charakteristi-scher Wert definiert, d. h. der Quantilfaktor kp,Ewird zu null. Daraus folgt mit einem Variations-koeffizienten VG w 0,05 fur den Anteil gg der Ei-genlast:

gg w 1Sb � aE � VG

w 1S 3,8 � 0,7 � 0,05w 1,13

Entsprechend ergibt sich mit gG w 1,35 der Anteilfur die Modellunsicherheit zu:

gEd w1,35

1,13w 1,19

In den Erlauterungen zu DINEN 1990 wird derAnteil fur die Modellunsicherheit bei der Eigen-last mit gEd w 1,20 angegeben [108].

Ist die Eigenlast durch Messungen bekannt,braucht die Unsicherheit aus den Streuungen nichtmehr berucksichtigt zu werden. Mit ggw 1,0 folgt:

gG w gEd � ggw 1,20 � 1,0w 1,20

Damit enthalt gG nur noch den Anteil aus der Mo-dellunsicherheit.

Wird mit dem reduzierten TeilsicherheitsbeiwertgG w 1,20 gerechnet, so mussen die Eigenlastendurch Messung der Bauteildicken und Bestim-mung der Wichten des Stahlbetons unter Beruck-sichtigung des tatsachlichen Bewehrungsgehalts,z. B. auf der Grundlage der Bewehrungsplaneund Spanngliedplane, bestimmt werden. Mit derso bestimmten Verteilung der Eigenlasten uberdas Tragwerk sind die Schnittgroßen neu zu ermit-teln und durfen den Nachweisen mit dem reduzier-ten Teilsicherheitsbeiwert gG w 1,20 zugrunde ge-legt werden.

Die Abminderung des Teilsicherheitsbeiwerts gGdarf also nur in Ansatz gebracht werden, wenneine reprasentative Aussage zu den Eigenlastendurch eine ausreichende Anzahl von Messungender Bauteildicken und am Bauwerk entnommenenProben zur Bestimmung der Wichten unter Be-rucksichtigung der Bewehrungsgehalte uber dieBauwerkslange moglich ist. Die Werte mussen do-kumentiert werden.

Verkehrslasten

Der Teilsicherheitsbeiwert fur die Verkehrslastendarf auch bei einer zeitlichen Nutzungseinschran-kung nicht abgemindert werden. Die Wahrschein-lichkeit des Auftretens von Extremsituationen istzwar – statistisch gesehen – auch abhangig vonder Große des betrachteten Zeitintervalls, demsteht jedoch der standige Anstieg des Schwerver-kehrs gegenuber. Zudem konnen Extremsituatio-nen zu jedem Zeitpunkt auftreten.

Fur die Verkehrslasten sieht die Nachrechnungs-richtlinie die in Tabelle 10.8 (s. Kapitel XI) ange-gebenen Teilsicherheitsbeiwerte vor, wobei dasZiellastniveau fur die vertikalen Verkehrseinwir-kungen von der beauftragenden Straßenverwal-tung auf der Grundlage der Tabellen 10.1 und10.2 festgelegt wird, die das Ergebnis von um-fangreichen Simulationsberechnungen darstellen.

Zwangungen

Die Zwangschnittgroßen sind direkt proportionalzu den absoluten Steifigkeiten eines Tragwerks.Sie durfen bei einem Steifigkeitsabfall durch Riss-bildung und ggf. infolge Kriechens des Betons ab-gemindert werden.

Fur den Nachweis der Grenzzustande der Tragfa-higkeit gelten nach [9] die folgenden Teilsicher-heitsbeiwerte und Kombinationsbeiwerte:

317Nachrechnung der Uberbauten von Betonbrucken

IV

Page 47: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

– BaugrundbewegungengG,set w 1,0

– Anheben des �berbaus zum LagerwechselgG,Anh w 1,0

– Zwang infolge Schwindens des BetonsgG,cs w 1,35

– Temperatureinwirkungen(nach DIN-Fachbericht 101)gQ w 1,35 c0 w 0,8

6.2.5 Angepasste Teilsicherheitsbeiwerte fur dieWiderstandsseite

Teilsicherheitsbeiwerte fur die Tragwiderstande

Die Ermittlung des Tragwiderstands erfolgtgrundsatzlich auf der Grundlage der charakteristi-schen Werte der Baustofffestigkeiten. Aus dencharakteristischen Werten werden dann die Be-messungswerte gemaß Gl. (32) berechnet:

Xd whd �Xk

gM(32)

Dabei sindhd Umrechnungsfaktor (Gestalteinfluss,

Abminderung fur Dauerstandfestigkeit)

gM Teilsicherheitsbeiwert fur die Widerstands-seite

Xk charakteristischer Wert der Baustofffestigkeit

Der Teilsicherheitsbeiwert des Betons gc ist ent-sprechend DIN-Fachbericht 102 [6] mit gc w 1,5anzusetzen.

Fur den Betonstahl darf – jedoch nur fur den Quer-schnittswiderstand bei Biegung – der Anteil gRdfur die Unsicherheiten des Modells durch ein addi-tives Sicherheitselement ersetzt werden. Die Mo-dellunsicherheit besteht bei Biegung in erster Li-nie in einer Abweichung von der planmaßigen Ho-henlage der Bewehrung, die sich unmittelbar aufden inneren Hebelarm z und damit auf den Trag-widerstand MRd auswirkt.

Der Teilsicherheitsbeiwert fur den Betonstahl darfdaher fur die Ermittlung von MRd nach [9] alterna-tiv zu gsw gRd · gm w 1,15 wie folgt angesetzt wer-den:

gs w 1,05 in Verbindung mit Dds w e 2 cm Ab-weichung von der planmaßigen Hohenlage.

Analog gilt fur den Spannstahl:

gs w 1,10 in Verbindung mit Ddp w e 1 cm Ab-weichung von der planmaßigen Hohenlage.

Den unterschiedlichen Festlegungen fur die Ab-weichung von der Hohenlage liegt die Vorstellungzugrunde, dass das Verlegen der Spannglieder mithoherer Genauigkeit erfolgt als das Verlegen desBetonstahls.

Die Querschnittsflachen fur die Bewehrung As

und den Spannstahl Ap sind den Ausfuhrungspla-nen zu entnehmen. Im Allgemeinen sind die cha-rakteristischen Festigkeiten nach Norm bzw. all-gemeiner bauaufsichtlicher Zulassung anzuset-zen. Das einzurechnende Differenzmaß Dds bzw.Ddp ist in Bezug auf den statisch wirksamen He-belarm ungunstig wirkend anzunehmen.

Diese Regelungen wirken sich bei hohen Quer-schnitten gunstig auf den rechnerischen Tragwi-derstand MRd aus. Sie sind nicht beim Nachweisder Querkraftbewehrung anzuwenden, da Abwei-chungen in der Großenordnung Dds und Ddp von1 bis 2 cm von der planmaßigen Lage der Bugeldie vorhandene Modellunsicherheit nicht wesent-lich beeinflussen. Beim Tragwiderstand fur Quer-kraft deckt die Modellunsicherheit vor allem Un-sicherheiten aus dem Widerstandsmodell ab.

Bei den Nachweisen auf Querschnittsebene wirddavon ausgegangen, dass im gleichen Querschnittgleichzeitig sowohl der Stahl als auch der Betonjeweils nur den 5%-Quantilwert ihrer Festigkeitenerreichen. Diese charakteristischen Werte werdenzusatzlich durch Teilsicherheitsbeiwerte abgemin-dert. Da die Festigkeiten des Betons und Stahlsunabhangig voneinander sind, ist das gleichzeitigeAuftreten sehr kleiner Festigkeitswerte im selbenQuerschnitt nur mit einer sehr kleinen Wahr-scheinlichkeit zu erwarten. Daher fuhrt die quer-schnittsweise Bemessung auf der Grundlage dessemi-probabilistischen Sicherheitskonzepts ge-genuber einem voll-probabilistischem Nachweis-konzept zu konservativen Ergebnissen.

Der Nachweis ausreichender Tragsicherheit durchdirekte Ermittlung der rechnerischen Versagens-wahrscheinlichkeit mittels probabilistischer Me-thoden ist der Stufe 4 vorbehalten und darf nur inSonderfallen in Abstimmung mit den OberstenStraßenbaubehorden angewendet werden.

6.3 Rechnerische Nachweise derTragfahigkeit

6.3.1 Allgemeines

Der rechnerische Nachweis der Tragsicherheit be-stehender alterer Betonbrucken wird i. d. R. inmehreren Stufen erfolgen. Die Schnittgroßener-mittlung und rechnerischen Nachweise erfolgenzunachst in der Stufe 1 nach DIN-Fachbericht102:2009 [6]. Es folgt die Stufe 2, in der modifi-zierte Teilsicherheitsbeiwerte und Rechenmodellefur die Tragwiderstande sowie ggf. zunehmendZusatzinformationen aus Untersuchungen amBauwerk bei den Nachweisen einbezogen werdenkonnen.

Fur die Beurteilung der Tragsicherheit ist auchvon Bedeutung, ob das Versagen duktil mit Voran-kundigung durch vermehrte Rissbildung oder

318 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Page 48: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

sprode erfolgt. Ist die Versagensart duktil, kanndas Bauwerk u. U. in Verbindung mit einer ent-sprechenden �berwachung fur eine gewisse Zeitweiter genutzt werden. Bei sprodem Verhalten isteine �berwachung wirkungslos. Das Bauwerkmuss verstarkt oder ersetzt werden.

Nachfolgend werden erganzende Regelungen zumaktuellen DIN-Fachbericht 102:2009 fur dieNachweise bestehender Spannbetonbrucken imRahmen der Stufe 2 vorgestellt.

6.3.2 Biegung mit Langskraft

Die Nachweise erfolgen nach DIN-Fachbericht102:2009, II-4.3. 1. Dies beinhaltet auch die zu-lassigen Dehnungsverteilungen im GZT (Bild 38).

Dabei ist zu beachten, dass in vollstandig uber-druckten Platten als Teilquerschnitte von Platten-balken, Kastentragern oder ahnlich gegliedertenQuerschnitten die Dehnungen in der Plattenmitteauf ec2 w s2 ‰ zu begrenzen sind. Dem gegen-uber war es nach DIN 4227-1:1988 [109] zulassig,generell eine Randstauchung von ecu w s3,5 ‰zuzulassen.

Wie aus Bild 39 hervorgeht, ist der Einfluss ausdieser unterschiedlichen Regelung bei dem bei-spielhaft untersuchten Hohlkastenquerschnitt ge-ring. Die unterschiedlichen Regelungen zurGrenzdehnung des Betons wirken sich dabei aufden Tragwiderstand MRd nur geringfugig aus. DieAuswirkungen dieser Reglung betreffen vor allemdie Duktilitat des Querschnitts, wenn im Stutz-querschnitt die Dehnungsnulllinie in den Stegenfur eine ausreichend große Druckzone zunehmendnach oben wandert.

6.3.3 Querkraft

Zur Entwicklung der Querkraftbemessung,Mindestquerkraftbewehrung

�ltere Spannbetonbrucken weisen bei der Quer-kraftbewehrung haufig erhebliche Defizite gegen-uber den heutigen Nachweisverfahren nach DIN-

Fachbericht 102 [6] auf. Der Nachweis der auf-nehmbaren Querkraft war in der historischen Ent-wicklung der Spannbetonbauweise besondershaufig �nderungen ausgesetzt. Die einzelnen Ent-wicklungsstufen und die damit erzielten Ergeb-nisse bei der Bemessung sind nicht direkt mitdem heutigen Konzept vergleichbar.

Beim Nachweis der Schubtragfahigkeit wahrendder Gultigkeit von DIN 4227:1953 musste bis zueinem bestimmten Grenzwert der Hauptzugspan-nungen unter rechnerischen Bruchlasten keineSchubbewehrung berechnet werden (Bild 40). Eswar anfangs lediglich eine konstruktive Beweh-rung anzuordnen, deren Große dem Ermessendes Konstrukteurs uberlassen wurde. Da dieHauptzugspannungen fur den ungerissenen Quer-schnitt zu bestimmen waren, wurde vorausgesetzt,dass bis zum Erreichen des Grenzwertes keineSchubrisse auftreten. Dies stand im gewissen Wi-derspruch zum Biegebruchsicherheitsnachweis,der unter den rechnerischen Bruchlasten im geris-senen Zustand II zu fuhren war, allerdings untereiner Biegerissbildung.

Fur jene Brucken, deren Ausfuhrung auf derGrundlage von DIN 4227:1953 [17] erfolgte,kann daher ein deutliches rechnerisches Defizithinsichtlich der Querkrafttragfahigkeit bestehen.Diese beruht bei Einhalten des Grenzwertes imWesentlichen auf der Ausnutzung der Betonzug-festigkeit. Kommt es zur Bildung von Schubris-sen, so kann bei diesen Bauwerken fur diesen Zu-stand mit den heutigen Bemessungskonzepten furNeubauten keine ausreichende Querkraftfahigkeitnachgewiesen werden.

Im Allgemeinen weisen Spannbetonbrucken unterGebrauchslasten in den Stegen keine geneigtenSchubrisse auf. In ungunstig gelagerten Fallenkann die Entstehung von Schubrissen infolge sel-tener sehr großer Beanspruchungen (beispiels-weise Schwertransporte) oder durch Ermudungs-erscheinungen infolge haufiger Lastwechsel beieinem �berschreiten der Betonzugfestigkeit nicht

319Nachrechnung der Uberbauten von Betonbrucken

IV

Bild 38. Dehnungsdiagramm im Grenzzustand der Tragfahigkeit (GZT)

Page 49: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

320 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Bild 39. Einfluss unterschied-lich zulassiger Rand-dehnungen auf die Momen-tentragfahigkeit und das plas-tische Verformungsvermogeneines Hohlkastenquerschnitts

Bild 40. Schubtragfahigkeitnach DIN 4227:1953 [17]

Page 50: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Rechne-rische Nachweise uber die Betonzugfestigkeit be-inhalten die Schwierigkeit, dass sich in den Quer-schnitten Eigenspannungen in unbekannter Großeuberlagern konnen, welche die ausnutzbare Be-tonzugfestigkeit vermindern.

Die Gefahr eines Sicherheitsdefizits hinsichtlichder Schubtragfahigkeit bei Bauwerken, die nachDIN 4227:1953 bemessen und ausgefuhrt wurden,wurde seinerzeit erkannt und zumindest im Zu-standigkeitsbereich des Bundesverkehrsministe-riums durch die 1966 herausgegebenen „Zusatz-lichen Bestimmungen zu DIN 4227“ [110] beho-ben. Grundsatzlich war danach ein Nachweis derSchubbewehrung erforderlich, der jedoch nochauf den Hauptzugspannungen nach Zustand Iberuhte. Zusatzlich wurde eine Mindestschub-bewehrung vorgeschrieben, die bei Verwendungvon Betonstahl III die nachfolgenden geometri-schen Bewehrungsgrade aufweisen musste:

B 300 (entspricht etwa C20/25):r w 0,14% (0,12%)

B 450 (entspricht etwa C30/37):r w 0,18% (0,15%)

B 600 (entspricht etwa C40/50):r w 0,22% (0,18%)

Die Klammerwerte fur r ergeben sich durch Um-rechnung auf einen Betonstahl BSt 500S mitdem Faktor 420/500 w 0,84. Nach DIN-Fachbe-richt 102 ist bei gegliederten Querschnitten mitvorgespanntem Zuggurt und BSt 500S die fol-gende Mindestschubbewehrung anzuordnen:

C20/25: rw w 1,6 · 0,070 w 0,11%

C30/37: rw w 1,6 · 0,093 w 0,15%

C40/50: rw w 1,6 · 0,112 w 0,18%.

Die Mindestquerkraftbewehrung deckt die Schub-risslast mit einfacher Sicherheit (gs w 1,0) ab. Da-mit soll ein schlagartiges sprodes Versagen bei derUmlagerung der inneren Krafte vom ungerissenenSystem auf die Querkraftbewehrung vermiedenwerden [111].

Mithilfe der Mindestquerkraftbewehrungsgehalteder verschiedenen Regelwerke und der Umrech-nung der verschiedenen Betonfestigkeitsklassenist ein Vergleich der Regelwerke moglich. Ein Ver-gleich aller Mindestbewehrungsgehalte rw,min ab1966 in Abhangigkeit der charakteristischen Zylin-derdruckfestigkeit fck,cyl150 ist im Bild 41 darge-stellt. Es ist deutlich zu erkennen, dass bei Anwen-dung der Normen ab 1966 die geforderte Mindest-querkraftbewehrung fur gegliederte Querschnittemit vorgespanntem Zuggurt (Schragrissbildung imSteg) nach DIN-Fachbericht 102:2009 eingehaltenist1). Die Differenz ist fur allgemeine Querschnitte(Biegeschubrissbildung) sogar noch großer. Eskann also davon ausgegangen werden, dass beiBauwerken, welche nach 1966 erbaut und nachden damals gultigen Regelwerken bemessen wor-den sind, keine Probleme durch fehlende Mindest-querkraftbewehrung auftreten werden.

Aus der Statistik uber die Altersstruktur derSpannbetonbrucken an Bundesfernstraßen geht

321Nachrechnung der Uberbauten von Betonbrucken

IV

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60

Bew

ehru

ngsg

ehal

t ρw,

min

[%]

charakteristische Druckfestigkeit fck,cyl150 [MPa]

DIN 4227-1:1966-02DIN 4227-1:1973-06DIN 4227-1:1979-12DIN 4227-1:1995-12DIN-FB 102:2009-03 (rho=1,6)DIN-FB 102:2009-03 (rho=1,0)

Bild 41. Vergleich der Mindest-querkraftbewehrung der bisherigenRegelwerke mit der aktuellenNorm DIN-Fachbericht 102:2009[6]

1) Die Festlegungen der im Februar 1966 veroffent-lichten Erganzungen zur DIN 4227:1953 wurdenim April 1966 durch ein Allgemeines Rundschrei-ben Straßenbau fur die Ausfuhrung von Spannbe-tonbrucken verbindlich. Die Grundlagen zur Min-destquerkraftbewehrung wurden zuvor von Leon-hardt erarbeitet und sind schon im Januar 1965veroffentlicht worden [113]. Daher konnen evtl.weitere Bauwerke vor 1966 als ausreichend min-destquerkraftbewehrt eingestuft werden

Page 51: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

hervor, dass unter der Voraussetzung einer norm-gemaßen Ausfuhrung ein Großteil der Bauwerkean Bundesfernstraßen eine ausreichende Mindest-querkraftbewehrung aufweist.

Ab der Ausgabe DIN 4227:1973 [112] war eineunterschiedliche Bemessung der Schubbeweh-rung fur die Zone a und b vorgesehen. FurZone a wurden keine Biegerisse erwartet, inZone b entwickelten sich Schubrisse aus Biegeris-sen. Bei gleicher Querkraft ergab sich bei der Be-messung fur Zone a eine geringere Querkraftbe-wehrung als fur die Zone b. Mit Einfuhrung desDIN-Fachberichts 102 entfiel die Zone a.

Erganzende Regelungen derNachrechnungsrichtlinie zur Querkraftbemessung

Die Nachweise der Querkrafttragfahigkeit sindauf der Grundlage von DIN-Fachbericht 102,II-4.3.2 zu fuhren. Dem Rechenmodell liegt einFachwerk mit horizontalem Zug- und Druckgurtzugrunde. Fur Bauteile mit lotrechten Bugeln gel-ten fur die Bemessungswerte der maximal auf-nehmbaren Querkraft– bei Begrenzung durch die Druckstreben-

festigkeit Gl. (33):

VRd,max wbw � z � ac � fcdcot uS tanu

(33)

– bei Begrenzung durch die Tragfahigkeit derBugel Gl. (34):VRd,max w asw � fyd � z � cotu (34)

Die durch die Tragfahigkeit der Bugel begrenzteaufnehmbare Querkraft ist neben der Fließkraftasw · fyd der Bugel direkt proportional zur hori-zontalen Lange z · cot u am Fachwerkmodell(Bild 43). Die erganzenden Regelungen in derNachrechnungsrichtlinie beziehen sich daher zu-nachst auf den Druckstrebenwinkel u und den in-neren Hebelarm z.

Im Rahmen der Stufe 2 darf der Druckstrebenwin-kel in Anlehnung an DIN 4227:1988 [109] bis aufden in Gl. (35) angegebenen unteren Grenzwertvon min u w 22h abgemindert werden:

4

7J cot J

1,2s 1,4 � scd=fcd1sVRd,c=VEd

J 2,5 (35)

Dadurch nimmt die horizontale Lange z · cot ugroßere Werte an.

Bei Betonbrucken ohne Schubrisse oder mit vor-handenen Schubrissbreiten w J 0,2 mm (Spann-beton) bzw. w J 0,3 mm (Stahlbeton) und einervorlaufig eingeschrankten Nutzungsdauer vonbis zu 20 Jahren (Nachweisklasse C) darf der mi-nimale Druckstrebenwinkel zu min u w 18h nachGl. (36) angesetzt werden:

4

7J cotuJ

1,2s 1,4 � scd=fcd1sVRd,c=VEd

J 3,0 (36)

Die Regeln bzw. Empfehlungen fur den anzuset-zenden Hebelarm z bei Spannbeton haben sichim Laufe der Zeit mehrfach geandert [114]. NachDIN-Fachbericht 102:2009, II-4.3. 2.4.2 (2) istbeim Nachweis der Querkrafttragfahigkeit der in-nere Hebelarm z aus dem Nachweis im GZT in-folge Biegung zu verwenden. Dies entsprichtauch den Regelungen der spateren Ausgaben derDIN 4227.

Das Fachwerkmodell fur die Querkraftbemessungwurde ursprunglich fur Stahlbetontrager hergelei-tet und fur die Verhaltnisse beim Spannbeton et-was angepasst. Spannbetontrager mit nachtrag-lichem Verbund besitzen im Gegensatz zu Stahl-betontragern allerdings zwei Zuggurte in unter-schiedlicher Hohenlage (Spannstahllage undBetonstahllage). Zudem weist der Spannstahleine Vordehnung auf. In Bild 42 ist das Rissbildeines Versuchstragers zu sehen. Es ist deutlich zuerkennen, dass die geneigten Schubrisse, die sichaus Biegerissen entwickeln, in Hohe des Spann-gliedes abknicken, d. h. ihre Richtung wechseln.Dies ist eine Folge der horizontalen Abstutzungder Druckstreben auf das Spannglied, die erforder-lich ist, um das Spannglied an der Stelle des maxi-malen Momentes unter der Einzellast in Feldmittezum Fließen zu bringen. In den Bereichen, in de-nen sich die geneigten Schubrisse nicht aus Biege-rissen entwickeln, laufen die Schubrisse undDruckstreben ohne Richtungswechsel uber dieSpannglieder durch. Es stellt sich daher die Fragenach dem richtigen Ansatz fur die horizontaleLange z · cot u beim Nachweis der Querkraftbe-wehrung (Bild 43).

322 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Bild 42. Rissbild eines Spannbetontragers mit zwei Zuggurten in unterschiedlicher Hohenlage

Page 52: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Die Nachrechnungsrichtlinie enthalt auf derGrundlage dieser Modellvorstellung im Rahmender Stufe 2 die folgenden Regelungen zum Ansatzdes Hebelarms z:

Liegen die Spannglieder im uberdruckten Bereichder Dehnungsebene nach Zustand II infolge deszum Bemessungswert der Querkraft zugehorigenBiegemomentes, darf fur den inneren Hebelarm zbei der Querkraftbemessung der Wert aus der Bie-gebemessung fur das maximale Moment im zuge-horigen Querkraftbereich verwendet werden.

Liegen die Spannglieder im gezogenen Bereichder Dehnungsebene nach Zustand II (Bild 44),darf der innere Hebelarm z fur die Querkraftbe-messung vereinfachend entsprechend Variante 5

in Bild 43 nach Gl. (37) angesetzt werden, sofernkein genauerer Nachweis erfolgt:

zwFsd � zs SDFpd � zp

Fsd SDFpdW zgew (37)

Dabei sind

Fsd wAs � ssd JAs � fydDFpd wAp � (spd s spm,t)JAp � (fp0,1d sspm,t)

Der Ansatz berucksichtigt, dass im Spannstahlauch im ungerissenen Bereich bereits die An-fangsspannung spm,t vorhanden ist. Der Spann-stahl wirkt dadurch quasi wie ein Stahl mit der fik-tiven Streckgrenze (fp0,1d s spm,t), wodurch z furdie Querkraftbemessung großer wird.

323Nachrechnung der Uberbauten von Betonbrucken

IV

Bild 43. Zum Ansatz des Hebelarms z fur den Nach-weis der Querkraftbewehrung bei zwei Zuggurtenin unterschiedlicher Hohenlage im Spannbeton (aus[114])

VEd JVRd,sy w asw � fyd � z � cot u bzw. erf asw wVEd

fyd � z � cot u

Page 53: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Im uberdruckten Bereich, wo amQuerschnittsrandkeine Biegerisse entstehen, erfolgt keine �nde-rung der Zugkraft im Spannglied, die Druckstre-ben laufen ohne Richtungswechsel durch. Fur zgelten die Verhaltnisse entsprechend Variante 1in Bild 43.

Im gezogenen Bereich muss die Zugkraft imSpannglied dagegen anwachsen, um an der Stelleder maximalen Momentenbeanspruchung das er-forderliche MRd zu erreichen. Der Anstieg der

Zugkraft im Spannglied erfolgt durch die horizon-tale Abstutzung der Druckstreben, die dadurcheinen Neigungswechsel erfahren (Bild 44).

Zusatzlich ist nachzuweisen, dass unter Beruck-sichtigung des Versatzmaßes al ausreichendLangsbewehrung mit entsprechender Veranke-rung (Ap, As) zur Aufnahme der Langszugkrafteinfolge kombinierter Beanspruchung aus Biegungund Querkraft vorhanden ist (Bild 45).

324 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Bild 44. Ansatz des gewichteten inneren Hebelarms z bei Spanngliedern im gezogenen Querschnittsbereich(aus [9, 114])

Page 54: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Weitere erganzende Regelungen der Nachrech-nungsrichtlinie beziehen sich auf die Mindestbe-wehrung fur Querkraft und das Einschneiden derQuerkraftdeckungslinie.

Wird die Querkraftbewehrung fur die Querkraft-grenzlinie aus den ungunstigen Verkehrslaststel-lungen entsprechend der Einflusslinien nachge-wiesen, ist die Mindestbewehrung fur Querkraftnach DIN-Fachbericht 102:2009, II-5.4. 2.2 nichterforderlich.

Bei Betonbrucken darf die Deckung der erforder-lichen Querkraftbewehrung entlang der Bauteil-langsachse entsprechend Bild 46 einschneiden.

Das Einschneiden der Querkraftdeckungsliniegilt nur in Verbindung mit oben aufgebrachtenLasten. Evtl. erforderliche Aufhangebewehrungendurfen nicht vermindert werden.

6.3.4 Torsion

Fur den Torsionsnachweis in Stufe 2 ist es in An-lehnung an den Nachweis der Querkrafttragfahig-keit in Stufe 2 moglich, den Druckstrebenwinkelbis auf einen unteren Grenzwert von u w 30h ab-zumindern (entspricht: cot u w 1,73).

Die Interaktion ist mit den entsprechenden Glei-chungen fur Voll- oder Hohlkastenquerschnitteunter Berucksichtigung der gewahlten Druckstre-benneigung nachzuweisen. Dabei durfen die Nei-gungswinkel der Druckstreben aus dem Quer-kraftabtrag andere Werte annehmen als fur denAbtrag der Torsionsbeanspruchung.

Wie im Abschnitt 6.2.3 (Teilsicherheitsbeiwerte)bereits erwahnt, ist eine Abminderung von gs furdie Querkraft- und Torsionsbewehrung nicht er-laubt.

6.4 Rechnerische Nachweise derGebrauchstauglichkeit

Bei alteren Spannbetonbrucken werden im Allge-meinen die rechnerischen Nachweise in den GZG(Dekompression, Begrenzung der Rissbreiten)nach DIN-Fachbericht 102 [6] nicht zu erfullensein. Der Ansatz eines linearen Temperaturunter-schiedes uber das gesamte Bauwerk fur alle Nach-weise wurde erstmals im Jahr 1979 in der seiner-zeitigen Neuausgabe der DIN 4227-1 [115] vorge-schrieben. Die Bruckenklasse 60/30 wurde erst1983 eingefuhrt. Diese Einwirkungen wirkensich unmittelbar auf die Große der erforderlichenVorspannkraft aus. Daher sind fur die alteren Bau-werke bei der Stufe 2 einige Sonderregelungenvorgesehen.

Bei den Nachweisen der Spannungsbegrenzungund Dekompression durfen im Falle einer vorlau-fig eingeschrankten Nutzungsdauer der Bauwerkevon 20 Jahren die Beiwerte fur die Ermittlung dercharakteristischen Werte der Vorspannkraft wiefolgt angesetzt werden:

rinf w 0,95

rsup w 1,0

Der Nachweis der Rissbreite wird – ohne die For-derungen nach einer Mindestbewehrung fur dieRissschnittgroßen zur Begrenzung der Rissbreitezu erheben – mit der planmaßig vorhandenenBewehrung ggf. unter Ansatz der tatsachlichen,am Bauwerk festgestellten charakteristischen Be-tonfestigkeit fur die maßgebende Einwirkungs-

325Nachrechnung der Uberbauten von Betonbrucken

IV

Bild 45. Nachweis ausreichender Zugkraftdeckungunter Anwendung der Versatzmaßregel

MRd(x) jMEd(xS al)

Versatzmaß: al wz

2� cot u (Bugel 90h)

MRd(x) wFpd � zp SFsd � zs

Bild 46. Zulassiges Einschneiden der Querkraft-deckungslinie gemaß [9]

Page 55: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

kombination gemaß DIN-Fachbericht 102:2009,II-4.4. 2.4 gefuhrt.

Kann der Nachweis der Dekompression unter dermaßgebenden Einwirkungskombination nicht ge-fuhrt werden, so kann die Einhaltung der Beton-zugfestigkeit fctk,0,05 am Querschnittsrand als Kri-terium zugrunde gelegt werden.

Sofern der Betonstahl aus glattem Stabstahl be-steht, ist nach Abschnitt 6.5 zu verfahren.

6.5 Qualitative Bewertung derGebrauchstauglichkeit

Bei bestehenden Bauwerken sind Aussagen zurGebrauchstauglichkeit einfacher zu treffen alseine Beurteilung der Tragsicherheit. Entwederhat sich das Bauwerk als gebrauchstauglich erwie-sen, oder es weist unter den gegebenen Nutzungs-bedingungen Schadigungen auf, die aber aus denperiodischen Bruckenprufungen bekannt seinmussten. So sind Rissbildungen i. d. R. erkennbarund die Risse konnen in ihrer Breite gemessenwerden.

Fur die qualitative Bewertung der Gebrauchstaug-lichkeit stellt das tatsachliche Rissverhalten desBauteils das maßgebliche Kriterium dar. Rechne-rische Nachweise der Spannungsbegrenzung, De-kompression und Mindestbewehrung zur Begren-zung der Rissbreiten sind lediglich Hilfsmittel,die in der Planungsphase erwarten lassen, dassdas fertiggestellte Bauwerk unter den planmaßi-gen Nutzungsbedingungen die festgelegten An-forderungen zur Sicherstellung der Dauerhaftig-keit und Gebrauchstauglichkeit erfullen wird.

Bei vorlaufig eingeschrankter Nutzungsdauer(Nachweisklasse C) der Bauwerke konnen ver-minderte Anforderungen an die zulassigen Grenz-werte der Rissbreiten und an den Nachweis derDekompression gestellt werden. Solange ein Bau-teil aus Stahlbeton mit einer vorlaufig einge-schrankten Nutzungsdauer von bis zu 20 JahrenRissbreiten – am Bauwerk gemessen – von nichtmehr als etwa 0,3 mm aufweist, kann es als ausrei-chend dauerhaft eingestuft werden. Bei Spannbe-tonteilen gilt fur dauernd offene Risse, welchedie Spannglieder kreuzen, der Grenzwertw J 0,2 mm. �ber diese Risse darf jedoch keinAngriff durch Chloride erfolgen.

6.6 Nachweis gegen Ermudung

Angaben zu Nachweisen unter nicht vorwiegendruhender Belastung sind in DIN 1045 erstmals imJahr 1972 [26] und in DIN 4227 erstmals im Jahr1979 [115] enthalten. DIN 1045 behandelt denNachweis fur Betonstahl und DIN 4227 macht An-gaben zu den Nachweisen fur Spannstahle inKopplungen und Endverankerungen. In beidenNormen wird in bestimmten Fallen ein Dauerfes-

tigkeitsnachweis durch eine Begrenzung der unterermudungswirksamen Lasten im Stahl auftreten-den Schwingbreiten gefordert. Regelungen zuden bei Massivbrucken als ermudungswirksamanzusehenden Lasten sind ab 1973 zunachst inden Richtlinien fur die Bemessung und Ausfuh-rung massiver Brucken [116] aufgefuhrt. Ab1981 finden sich diese Angaben in der Neuaus-gabe der DIN 1075: Massivbrucken [117]. FurStraßenbrucken mit Stutzweiten von mehr als10 m wird das mit einem Faktor von ap w 0,5 ab-geminderte Lastbild aus DIN 1072 [118] ein-schließlich zugehorigem Schwingbeiwert als er-mudungswirksame Last definiert. Nachdem imJahr 1976 durch einen Schadensfall die besondereErmudungsgefahrdung im Bereich von Koppel-fugen aufgrund bei der Bemessung nicht ausrei-chend berucksichtigter Temperaturlasten und lo-kaler Spannkraftverluste bekannt wurde, wurdendie einschlagigen Richtlinien und Normen [115,119, 120] fur ab diesem Zeitpunkt neu errichteteBrucken angepasst. In [121] findet sich eine de-taillierte Beschreibung des Phanomens und einechronologische Darstellung der damals neu einge-fuhrten konstruktiven und rechnerischen Maßnah-men zur Behebung der Problemstellung. Es kanndavon ausgegangen werden, dass die sogenannteKoppelfugenproblematik nur bei Brucken auftritt,die bis 1981 errichtet wurden. Um die Gefahrdungdurch Ermudungsbruche in Bauwerken abzu-schatzen, die vor Abschluss der �nderungen anden Regelwerken errichtet wurden, gab die Bun-desanstalt fur Straßenwesen im Jahr 1998 eine„Handlungsanweisung zur Beurteilung der Dauer-haftigkeit vorgespannter Bewehrung von alterenSpannbetonuberbauten“ [122] heraus. DieseHandlungsanweisung beinhaltet fur altere Bau-werke besondere Regelungen zur nachtraglichenNachweisfuhrung gegen Ermudung. Gegenuberder zum damaligen Zeitpunkt gultigen Spannbe-tonnorm DIN 4227 [109] wurden modifizierteDauerfestigkeitsnachweise unter verschiedenenVorspannungs- und Temperaturbelastungsniveausdefiniert. Außerdem eroffnet die Handlungsan-weisung erfahrenen Ingenieuren die Moglichkeit,Messungen am Bauwerk in die Beurteilung miteinzubeziehen. Falls sich auf Grundlage derDauerfestigkeitsnachweise keine Ermudungssi-cherheit nachweisen lasst, muss die bisher erfolgteSchadigung und die zu erwartende Restlebens-dauer ermittelt werden. Hierzu wird in der Hand-lungsanweisung erstmals in deutschen Regelwer-ken das Vorgehen fur einen expliziten Betriebsfes-tigkeitsnachweis bei Betonbrucken beschrieben,wie er auch in den im Jahr 2003 fur die Bemessungvon Neubauten eingefuhrten DIN-Fachberich-ten 101 [123] und 102 [68] enthalten ist. Es beste-hen jedoch zwischen dem Vorgehen der BASt-Handlungsanweisung und dem heutigen Nach-weis nach den DIN-Fachberichten wesentliche

326 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Page 56: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Unterschiede bez. grundlegender Annahmen, vorallem im Hinblick auf die zu berucksichtigendenLasten. Die Handlungsanweisung der BASt giltprinzipiell fur die Ermudungsbeurteilung einesgesamten, vorgespannten alteren Bruckenuber-baus. Sie wurde jedoch fast ausschließlich beider Bewertung von Bauwerken eingesetzt, die bis1981 errichtet wurden und von ihrer Bauart herpotenziell die Koppelfugenproblematik aufwei-sen.

Die Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbru-cken im Bestand [9] greift die Festlegungen derDIN-Fachberichte 101 und 102 zu den Ermu-dungsnachweisen fur Betonbrucken auf und regeltihre Anwendung auf bestehende Bauwerke. DieAngaben in der Nachrechnungsrichtlinie stellenin Verbindung mit den DIN-Fachberichten ein insich geschlossenes Regelwerk dar, mit dem so-wohl regulare �berbauquerschnitte als auch Kop-pelfugen alterer Brucken hinsichtlich ihres Ermu-dungsverhaltens unter Ansatz der heutigen Ermu-dungslastmodelle bewertet werden konnen. DasVorgehen gemaß Nachrechnungsrichtlinie, Ab-schnitt 12.7, muss immer dann angewendet wer-den, wenn der Beurteilung das ZiellastniveauLM1 nach DIN-Fachbericht 101 [6] oder LM1 ge-maß nationalem Anhang zu Eurocode 1 Teil 2 [14](auch LMM genannt) zugrunde liegt. Wenn furdie Nachrechnung jedoch ein ZiellastniveauBK60/30 oder geringer nach DIN 1072 vereinbartist, dann kann der Nachweis gegen Ermudung inKoppelfugen alternativ nach der BASt-Hand-lungsanweisung zur Beurteilung der Dauerhaftig-keit vorgespannter Bewehrung von alteren Spann-betonuberbauten [122] erfolgen. Durch diese Fest-legung soll unnotiger Rechenaufwand im Fallefruher bereits durchgefuhrter Untersuchungenvermieden werden. Wenn an solchen Bauwerkenbisher aber noch keine nachtraglichen Ermu-dungsnachweise gefuhrt wurden, sollte aus Grun-den der besseren Vergleichbarkeit auch hier dasauf den DIN-Fachberichten basierende Vorgehender Nachrechnungsrichtlinie zur Anwendungkommen.

Der Nachweis gegen Ermudung ist fur altereBrucken in �bereinstimmung mit DIN-Fach-bericht 102 getrennt fur die Werkstoffe Stahl(schlaffe und vorgespannte Bewehrung) undBeton zu fuhren. Die im Rahmen der Nachrech-nungsrichtlinie angegebenen erganzenden Regel-ungen betreffen jedoch nur den Ermudungs-nachweis von Spannstahl und Betonstahl. Der Er-mudungsnachweis von Beton unter Druckbean-spruchung kann gemaß DIN-Fachbericht 102entfallen, wenn die Betondruckspannungen unterder nicht-haufigen Einwirkungskombination aufeinen Grenzwert von i. d. R. 0,6 · fck beschranktsind. Muss der Nachweis in Ausnahmefallendoch gefuhrt werden, so soll er fur Bestandsbau-

werke in allen Stufen der Nachrechnung wie imDIN-Fachbericht 102 erfolgen. Die charakteristi-schen Werte und die Bemessungswerte der Druck-festigkeiten alterer Betone konnen fur den Nach-weis wie im Abschnitt 5 beschrieben angenom-men werden. Es muss keine Zuordnung zu heuti-gen Betonfestigkeitsklassen erfolgen.

Um den Nachweis gegen Ermudung fur den Be-tonstahl und den Spannstahl in Hullrohren, Veran-kerungen sowie Kopplungen auf Grundlage desDIN-Fachberichts 102 fuhren zu konnen, werdenidealisierte Bemessungswohlerlinien gemaß derDarstellung in Bild 47 benotigt.

Die im DIN-Fachbericht 102 durch unterschiedli-che Werte fur die Spannungsexponenten k1 undk2 und die Spannungsschwingbreite DsRsk beiN*w 106 Lastzyklen definierten Wohlerlinien be-schreiben das Ermudungsverhalten von Beton-und Spannstahlen in verschiedenen Einbausitua-tionen auf der sicheren Seite liegend. Wenn der Er-mudungsnachweis fur einen Neubau auf Grund-lage der Bemessungswohlerlinien des DIN-Fach-berichts 102 erfolgt, muss sichergestellt sein,dass das spater im Bauwerk verwendete Produktauch mindestens diese Eigenschaften aufweist.Dies geschieht im Sinne einer Konformitatskon-trolle uber den Nachweis freischwingend ermittel-ter, mindestens ertragbarer Schwingbreiten imDauerschwingversuch. Die z. B. in Spannstahlzu-lassungen angegebenen Werte der ertragbarenSchwingbreite stellen damit keinen Punkt auf derBemessungswohlerlinie dar.

Fruhere Bemessungsnormen oder Zulassungenenthalten keine Angaben zu ganzen Wohlerlinienalterer Beton- und Spannstahle, da gemaß dieserNormen entweder gar keine Ermudungsnachweise

327Nachrechnung der Uberbauten von Betonbrucken

IV

Bild 47. Bemessungswohlerlinien von Betonstahlund Spannstahl fur den Nachweis gegen Ermudunggemaß [6]

Page 57: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

oder lediglich Dauerschwingfestigkeitsnachweisegefuhrt werden mussten. Fur einen Dauer-schwingfestigkeitsnachweis benotigt man als Ma-terialkennwert nur die vom Material bei einer fest-gelegten Anzahl von Lastwechseln gerade nochaufnehmbare Schwingbreite, also nur einen Punktauf der Wohlerlinie. Um diese Werte zu erhalten,wurden aber auch fruher schon Dauerschwingver-suche am Stahl im nicht eingebauten Zustanddurchgefuhrt. So wird fur Spannstahle z. B. schon1954 in den ersten „Richtlinien fur die Prufung beiZulassung und Abnahme“ [45] ein Dauerschwing-versuch im nicht eingebauten Zustand gefordert.Die in damaligen Zulassungen dokumentierten Er-gebnisse dieser Versuche erlauben einen Vergleichzwischen typischen heutigen und damaligen Wer-ten der ertragbaren Schwingbreiten. Grundsatz-lich weichen die Werte dieser „Konformitatskon-trollen“ fur vergleichbare altere zu aktuellen Ma-terialien nur wenig voneinander ab. Somit liegtdie Verwendung der Bemessungswohlerliniendes DIN-Fachberichts 102 auch fur altere Stahlenahe. Zusatzlich zu diesen �berlegungen konntein Abschnitt 5.4 anhand der Auswertung zahlrei-cher Berichte uber Ermudungsversuche an einbe-tonierten und nicht einbetonierten historischenBetonstahlen und Spannstahlen gezeigt werden,dass die im DIN-Fachbericht 102 angegebenenWerte der jeweiligen Spannungsexponenten k1und k2 und der Spannungsschwingbreite DsRsk

bei N* w 106 Lastzyklen auch fur altere Stahleeine auf der sicheren Seite liegende Abschatzungdes tatsachlichen Ermudungsverhaltens darstel-len. Die in der Nachrechnungsrichtlinie vorgese-hene �berprufung der bei Spannstahlen im frei-schwingenden Dauerschwingversuch mit 2·106

Lastwechseln bei einer Oberspannung von 65%der Zugfestigkeit fpk mindestens ertragenenSchwingbreite dient dazu, eine auf der unsicherenSeite liegende Anwendung der Bemessungswoh-lerlinien des DIN-Fachbericht 102 fur altereSpannstahle mit besonders ungunstigen Ermu-dungseigenschaften auszuschließen. Die Einhei-tenumrechnung der in den alten Zulassungen an-gegebenen Spannungen soll mit derselben Be-grundung wie in Abschnitt 5.2.3 mit dem Faktor1 kg/mm2 w 1 kp/mm2 w 9,81 N/mm2 erfolgen.Wenn bei Bauwerken, die nur mit glattemBetonstahl bewehrt sind, Ermudungsnachweisegefuhrt werden mussen, darf im Rahmen derNachrechnungsrichtlinie ebenfalls die Bemes-sungswohlerlinie fur Betonstahl aus dem DIN-Fachbericht 102 zugrunde gelegt werden. Hierbeiwird davon ausgegangen, dass die Ermudungs-eigenschaften glatter und gerippter Stahle im nichteinbetonierten Zustand nur unwesentlich vonei-nander abweichen. Das aufgrund der geringerenVerbundfestigkeit evtl. gunstigere Ermudungsver-halten einbetonierter glatter Stahle wird auf dersicheren Seite liegend vernachlassigt.

Eine Sonderfrage stellt das Ermudungsverhaltenvon Spannstahlen in verpressten und einbetonier-ten Verankerungen und Kopplungen dar. DerDIN-Fachbericht gibt fur diesen Fall eine Bemes-sungswohlerlinie mit einer sehr niedrigen ertrag-baren Schwingbreite an, die zum Teil weit unter-halb der als Konformitatskriterium geltenden,freischwingend ermittelten Werte aus Spannver-fahrenszulassungen liegt. Da jedoch nur wenigeVersuche zur Ermudungsfestigkeit von Spann-stahlen in einbetonierten Kopplungen oder Veran-kerungen bekannt sind (u. a. [124] und [125]),werden die Angaben des DIN-Fachberichts 102fur die Nachrechnung als auf der sicheren Seiteliegende Abschatzung ubernommen. Wenn in Ein-zelfallen fur bestimmte Systeme jedoch abgesi-cherte Erkenntnisse uber gesamte Wohlerlinienaus Versuchen im eingebauten Zustand vorliegen,sollten diese bei den Nachweisen gegen Ermu-dung berucksichtigt werden.

Gemaß dem Konzept der Nachrechnungsrichtlinieist auch der Nachweis gegen Ermudung stufen-weise aufgebaut. Die Nachweisfuhrung und diewesentlichen Hintergrunde wurden von den Auto-ren dieses Beitrags bereits in [126] detailliert er-lautert. Die hier folgenden Ausfuhrungen orientie-ren sich an dieser Veroffentlichung. Sowohl furdie Berechnungen in Stufe 1 bzw. Stufe 2 und 3sind die ertragbaren Schwingbreiten bzw. die Be-messungswohlerlinien mit dem Teilsicherheits-beiwert gs,fat w 1,15 zu reduzieren.

In Stufe 1 wird der Nachweis fur Beton- undSpannstahl gemaß dem vereinfachten Verfahrenmit schadigungsaquivalenten Schwingbreitennach DIN-Fachbericht 102 gefuhrt. Hierbei istdas bereits in Abschnitt 4.4 erwahnte Ermudungs-lastmodell 3 (ELM 3) nach DIN-Fachbericht 101[5] anzusetzen. Weitere Erlauterungen zum Nach-weis mit schadigungsaquivalenten Schwingbrei-ten und Berechnungsbeispiele finden sich z. B. in[127] und [128].

Wenn der Nachweis nach Stufe 1 nicht erbrachtwerden kann, darf in Stufe 2 wie im DIN-Fachbe-richt 102 ein expliziter Betriebsfestigkeitsnach-weis mit direkter Ermittlung der Schadigung D ge-fuhrt werden. Bei einer Neubaubemessung nachDIN-Fachbericht 102 steht der sichere Ausschlussvon Ermudungsschaden wahrend der gesamtengeplanten Nutzungsdauer im Vordergrund. Hierzuist es zweckmaßig, Einwirkungen und Wider-stande auf der sicheren Seite liegend abzuschat-zen, z. B. durch die Berucksichtigung hoher Tem-peraturunterschiede bei der Ermittlung des Grund-moments. Im Rahmen einer Beurteilung der Rest-lebensdauer eines bestehenden Bauwerks mussenaber moglichst genaue Annahmen bez. der Ein-gangswerte getroffen werden. Aus diesem Grundsieht die Nachrechnungsrichtlinie einige Anpas-

328 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Page 58: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

sungen an dem Vorgehen nach DIN-Fachbe-richt 102 vor.Zur besseren Erfassung des fruheren Verkehrs solldem expliziten Betriebsfestigkeitsnachweis inStufe 2 der Nachrechnungsrichtlinie das in Ab-schnitt 4.4 beschriebene modifizierte Ermudungs-lastmodell 4 zugrunde gelegt werden. Die Anord-nung des Lastmodells auf einem �berbau mit denzugehorigen Anteilen von Nobs in den einzelnenSpuren ist in Bild 48 beispielhaft dargestellt. DieSchnittgroßen infolge der rechnerischen �ber-fahrten der Standardlastkraftwagen 1 bis 5 sind je-weils getrennt fur ein Einzelfahrzeug in der be-trachteten Fahrspur auf der Brucke zu bestimmen.Weiterhin sind die �berfahrten in den einzelnenFahrstreifen unabhangig voneinander, d. h. esmussen keine Parallelfahrten abgebildet werden.Bei n w 2 LKW-Spuren ergaben sich so zum Bei-spiel zehn getrennt zu berucksichtigende umhul-lende Schnittgroßenverlaufe aus Verkehr (LKW 1bis 5 jeweils einzeln in Spur 1 und 2). Die im wei-teren Verlauf des Nachweises benotigten prozen-tualen Anteile pi der Standardfahrzeuge 1 bis 5am Schwerverkehr Nobs im betrachteten Jahr fin-den sich ebenfalls bei den Angaben zum modifi-zierten ELM 4 in der Nachrechnungsrichtlinie.Eine weitere Anpassung gegenuber dem Nach-weis nach DIN-Fachbericht 102 besteht bei der Er-mittlung des Grundmoments M0 als Eingangswertfur die Berechnung der Stahlspannungsschwing-breiten Ds. Im Spannbetonbau hat die Große desGrundmoments, oder genauer seine Lage bezug-lich des Dekompressionsmoments, einen großenEinfluss. Der Ermudungsnachweis ist aufgrundder nichtlinearen Momenten-Spannstahlspan-nungs-Beziehung mittellastabhangig. Wenn dasDekompressionsmoment durch die Kombinationvon Grundmoment und Lastwechselmoment uber-schritten wird, nehmen die Spannungen im Spann-stahl uberproportional zu. Berucksichtigt man nunbei der Ermittlung des Grundmoments allein die

haufigen Werte der linearen Temperaturunter-schiede, erhalt man hohe Grundmomente, die zueiner großen Spannungsschwingbreite fuhren. Ge-maß den Festlegungen in DIN-Fachbericht 101 [5]entsprechen die sogenannten haufigen Werte derlinearen Temperaturunterschiede tatsachlich denhaufigen Werten der Extremwerte der linearenTemperaturunterschiede mit einer theoretischenAuftretenswahrscheinlichkeit von einmal in zweiWochen [129]. In der Realitat wirken diese hohenTemperaturunterschiede nur sehr selten in Kombi-nation mit schweren LKWs auf der Brucke, sodassauch nur sehr selten die fur eine Bemessung aufder sicheren Seite liegend angenommenen, hohenSchwingbreiten im Spannstahl entstehen. In An-lehnung an das Vorgehen aus [128] wird deswegenin der Nachrechnungsrichtlinie in Stufe 2 nicht nurein Grundmoment unter Ansatz des ungunstigwirkenden, haufigen, linearen Temperaturunter-schieds berechnet, sondern eine Vielzahl vonGrundmomenten unter Berucksichtigung ver-schiedener Temperaturunterschiede DT, welchedie tatsachlich moglichen Grundbelastungszu-stande in einem �berbau abbilden sollen. Es istzu beachten, dass die in der Nachrechnungsrichtli-nie angegebenen Werte der linearen Temperatur-unterschiede fur eine Belagsdicke von 50 mm gel-ten. Fur andere Belagsdicken sind die Temperatur-unterschiede DT mit dem Faktor ksur gemaßTabelle 6.2 aus DIN-Fachbericht 101 [5] zu multi-plizieren.

Neben den Schnittgroßen infolge des jeweilswirksamen Temperaturgradienten hangt dasGrundmoment von den Schnittgroßen infolge derstandigen Einwirkungen (einschließlich wahr-scheinlicher Setzungen und statisch unbe-stimmtem Anteil der Vorspannung) ab. Abwei-chend vom DIN-Fachbericht 102 ist zusatzlichder quasi-standige Anteil der gleichmaßig verteil-ten Verkehrseinwirkung (UDL aus Lastmodell 1)in ungunstigster Anordnung zu berucksichtigen.

329Nachrechnung der Uberbauten von Betonbrucken

IV

Bild 48. Anordnung desmodifizierten Ermudungslast-modells 4 auf einem �berbau

Page 59: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Mit dieser Anpassung wird berucksichtigt, dassdurch die differenzierte Berucksichtigung derTemperaturbelastung keine zu geringen Grund-momente entstehen durfen, die aufgrund der star-ken Mittellastabhangigkeit des Ermudungsnach-weis bei Spannbetonbrucken zu geringen Stahl-schwingbreiten und damit zu unsicheren Ergeb-nissen fuhren konnen. Die Grundmomente furden differenzierten Betriebsfestigkeitsnachweisgemaß Stufe 2 der Nachrechnungsrichtlinie setzensich also in Abhangigkeit des jeweils wirksamenTemperaturunterschieds DTi gemaß Gl. (38) zu-sammen:

M0,i wMG SMDs S rsup �MPm,twT,indirekt

Sc2 �MUDL SDT �MDT,i (38)

Das generelle Vorgehen bei der Ermittlung derjahrlichen Schadigung Dyear kann [128] entnom-men werden. Die jahrliche Schadigung bestimmtsich nach Gl. (39):

Dyear wNobs �Xmax DT

DTwmin DT

X5iw 1

pi � lT,DT � DDT,i

" #

(39)

Dabei sind

Nobs Anzahl der Lastkraftwagen je Jahr und jeFahrstreifen

pi Anteil des Standardfahrzeugs Typ i gemaßdem modifizierten ErmudungslastmodellELM 4 nach Abschnitt 4.4 (i w 1 bis 5) amSchwerverkehr Nobs im betrachteten Jahr

lT,DT jahrliche Auftretenswahrscheinlichkeit desTemperaturunterschieds DT

DDT,i Schadigungsbeitrag bei der �berfahrt einesStandardfahrzeugs des Typ i bei gleich-zeitiger Einwirkung des zugehorigen DT

Zu Beginn mussen die im Beton- und Spannstahlentstehenden Schwingbreiten infolge einer �ber-fahrt eines LKW vom Typ 1 bis 5 in Kombinationmit jedem Grundmoment M0,i bestimmt werden.Bei der Ermittlung der Schwingbreiten gilt furden Ansatz der vorhandenen Vorspannung, dassder statisch bestimmte Anteil der Vorspannkraftim Allgemeinen mit dem 0,9-Fachen des Mittel-werts Pmt zu berucksichtigen ist. Aufgrund des er-hohten, lokalen Spannkraftverlusts an Spann-gliedkopplungen, ist beim Ermudungsnachweisan solchen Stellen nur das 0,75-Fache des Mittel-werts Pmt in Ansatz zu bringen. Fur durchlaufendeSpannglieder in Koppelfugen darf jedoch unver-andert 0,9·Pmt verwenden werden. Fur ein gegebe-nes Vorspannniveau ergibt sich die Schwingbreitebei der �berfahrt eines bestimmten LKW-Typsaus den Spannungen infolge des GrundmomentsM0,i sowie des maximalen und minimalen Biege-

moments aus der �berfahrt des LKWs. Bei derBerechnung ist das unterschiedliche Verbundver-halten von Betonstahl und Spannstahl gemaß [6]zu berucksichtigen. Der Schadigungsbeitrag DDT,i

bei der �berfahrt eines Standardfahrzeugs desTyp i bei gleichzeitiger Einwirkung des zugehori-gen DT bestimmt sich als Kehrwert der unter derzugehorigen Stahlschwingbreite gerade noch er-tragbaren Lastwechselzahl. Der Zusammenhangzwischen Schwingbreite und ertragbarer Last-wechselzahl ist durch die Wohlerlinien gegeben.Um beim Nachweis zu berucksichtigen, welcherlineare Temperaturunterschied wie haufig uberein Jahr gesehen auftritt, enthalt die Nachrech-nungsrichtlinie eine Tabelle mit jahrlichen Auftre-tenswahrscheinlichkeit lT,DT der Temperaturunter-schiedsDT. Die Tabellenwerte wurden fur drei Ty-pen von �berbauquerschnitten auf der Grundlageverschiedener bekannter Messungen an realenBauwerken und durch die Herstellung des Zusam-menhangs von bekannten Extremwertverteilun-gen der Temperaturunterschiede DT mit den zuge-horigen Grundgesamtheiten stochastisch hergelei-tet. Falls die Temperaturunterschiede DT im Laufeder Berechnung mit dem Faktor ksur angepasstwurden, sind die AuftretenswahrscheinlichkeitenlT,DT unverandert den modifizierten Temperatur-unterschieden zuzuordnen.

6.7 Ankundigungsverhalten

6.7.1 Allgemeines

Durch den Nachweis a) einer ausreichenden Mo-mententragfahigkeit bei Erstrissbildung unter An-satz einer reduzierten Anzahl von Spanngliedern,oder b) durch eine Mindestbewehrung aus Beton-stahl (Robustheitsbewehrung) zur Aufnahme desvollen Rissmoments ohne Wirkung der Vorspan-nung, kann sichergestellt werden, dass kein spro-des Versagen ohne Vorankundigung infolge Span-nungsrisskorrosion des Spannstahls in einemQuerschnitt auftritt. Beiden Ansatzen liegt der Ge-danke der Versagensvorankundigung durch Riss-bildung auch im Falle eines unbemerkten Ausfallsder Vorspannung zugrunde. Der DIN-Fachbe-richt 102 [6] erlaubt beide Vorgehensweisen. Einahnlicher Nachweis war in alteren Regelwerkennicht enthalten. Aus diesem Grund kann der heu-tige Nachweis der Robustheitsbewehrung bei alte-ren Bruckenbauwerken oft nicht erbracht werden.Ein sprodes Versagen ohne vorherige Ankundi-gung durch Rissbildung oder Verformungen kannjedoch ausgeschlossen werden, wenn die kon-struktiven Grundsatze der DIN 4227 aus demJahr 1953 [17] oder der Folgenormen eingehaltensind und gleichzeitig von einer intakten Vorspan-nung ausgegangen werden kann. Die Annahmeeiner intakten Vorspannung ist in der Regel ge-rechtfertigt, wenn aus den Bauwerksprufungenkeine die Vorspannung betreffenden Schaden be-

330 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Page 60: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

kannt sind und wenn außerdem kein spannungs-risskorrosionsgefahrdeter Spannstahl im Bauwerkverwendet wurde. Sind diese Bedingungen einge-halten, kann der Nachweis des Ankundigungsver-haltens fur bestehende Brucken entfallen. Gleich-zeitig muss aber eine Zuordnung des Bauwerksin die Nachweisklasse B erfolgen, um anzuzeigen,dass es sich nicht um ein Bauwerk nach aktuellemNormenstand handelt.

Wenn jedoch fur die Langs- oder Quervorspan-nung ein als spannungsrisskorrosionsgefahrdetgeltender Spannstahl verwendet wurde, mussnachgewiesen werden, dass sich ein fortschreiten-der Spannstahlausfall durch eine sichtbare Riss-bildung am Bauwerk ankundigt, bevor ein Versa-gen erfolgen kann. Dieser Nachweis ist auf Grund-lage der „Handlungsanweisung zur �berprufungund Beurteilung von alteren Bruckenbauwerken,die mit vergutetem, spannungsrisskorrosionsge-fahrdetem Spannstahl erstellt wurden“ (Hand-lungsanweisung Spannungsrisskorrosion) [48] zufuhren.

6.7.2 Ankundigungsverhalten von Bauwerkenmit spannungsrisskorrosionsgefahrdetemSpannstahl

Die Handlungsanweisung Spannungsrisskorro-sion [48] regelt das rechnerische Vorgehen beimNachweis des Ankundigungsverhaltens vonSpannbetonbrucken, die unter Verwendung vonals spannungsrisskorrosionsgefahrdet geltendemSpannstahl erstellt wurden. Neben Vorgaben zuden Einwirkungen, Widerstanden und dem Nach-weisformat wird auch ein Anwendungsbeispielgegeben. Daruber hinaus beschreibt die Hand-lungsanweisung das Phanomen Spannungsriss-korrosion aus materialwissenschaftlicher Sichtund macht Angaben dazu, welche Spannstahlenach derzeitigem Kenntnisstand als spannungs-risskorrosionsgefahrdet einzustufen sind. Sie ent-halt ebenfalls Angaben zum Vorgehen bei derBauwerksprufung gefahrdeter Bauwerke undEmpfehlungen fur weiterfuhrende Maßnahmenan Bauwerken, die kein ausreichendes Ankundi-gungsverhalten aufweisen. Die Handlungsanwei-sung Spannungsrisskorrosion wurde von einer ei-gens eingerichteten Arbeitsgruppe aus Wissen-schaftlern, praktisch tatigen Ingenieuren und Ver-tretern der Straßenbauverwaltungen erstellt. SeitBeginn der Arbeit an der Handlungsanweisungwurden verschiedene Entwurfsfassungen bekanntgegeben. Mit Veroffentlichung der aktuellen Aus-gabe Juni 2011 [48] sind diese Entwurfsfassungenuberholt und nicht mehr anzuwenden.

Die Handlungsanweisung Spannungsrisskorro-sion ersetzt die 1993 veroffentlichten „Empfeh-lungen zur �berprufung und Beurteilung von Bru-ckenbauwerken, die mit vergutetem Spannstahl

St 145/160 Neptun N40 bis 1965 erstellt wurden“[130]. Das Grundprinzip zum Nachweis eines aus-reichenden Ankundigungsverhaltens auf Grund-lage des sogenannten querschnittsweisen „Riss-vor-Bruch“-Kriteriums ist aber in beiden Regel-werken vergleichbar. Zunachst wird unter einerhaufigen Einwirkungskombination die Rest-spannstahlflache AZ,r bestimmt, bei deren Vor-handensein die Betonzugfestigkeit an einem ein-sehbaren Querschnittsrand gerade erreicht wird.Anschließend wird das im Querschnitt noch auf-nehmbare Moment unter Ansatz dieser Rest-spannstahlflache ermittelt und mit den Einwirkun-gen einer seltenen Einwirkungskombination ver-glichen. Wenn sich zeigt, dass das aufnehmbareMoment abzuglich der standigen Einwirkungenhoher als das 1,1-Fache der Verkehrseinwirkun-gen ist, d. h. die Restsicherheit in Bezug auf denVerkehrslastanteil gp j 1,1 ist, dann gilt der be-trachtete Querschnitt als Querschnitt mit ausrei-chendem Ankundigungsverhalten. Dabei ist demNachweis im Rahmen einer Nachrechnung gemaßNachrechnungsrichtlinie [9] abweichend von denFestlegungen in der Handlungsanweisung Span-nungsrisskorrosion konsequenterweise das ver-einbarte Ziellastniveau LM-Ziel und nicht dasin der ursprunglichen statischen Berechnung an-gesetzte vertikale Verkehrslastmodell zugrundezu legen. Da davon auszugehen ist, dass mog-liche Spannstahlbruche in Bruckenlangsrichtunggleichverteilt auftreten, sind die querschnittswei-sen Nachweise in den Zehntelspunkten der einzel-nen Felder des �berbaus zu fuhren. Bild 49 zeigteine beispielhafte Aufbereitung der Ergebnissedes querschnittsweisen Nachweises fur ein Drei-feldbauwerk. Die Untersuchungsschnitte an denEndauflagern sind aufgrund der dort nicht vorhan-denen Momentenbeanspruchung aus außeren Las-ten als Schnitte mit ausreichender Restsicherheiteinzustufen. In Bild 49 ist an diesen Stellen einefiktive Restsicherheit von gp w 1,1 angenommen.Negative Restsicherheiten gp treten dann auf,wenn der Querschnitt unter Ansatz der Rest-spannstahlflache noch nicht einmal die standigeLast aufnehmen kann. Neben einer tabellarischenZusammenfassung der Ergebnisse sollte jede Be-wertung des Ankundigungsverhaltens auch einemit Bild 49 vergleichbare grafische Darstellungumfassen.

Je nachdem, welche Stelle im �berbau betrachtetwird, stellen sich Betonzugnormalspannungenentweder im oberen oder unteren Querschnitts-bereich ein. Wenn eine Rissbildung im Sinneder Handlungsanweisung Spannungsrisskorro-sion stattfindet, d. h. die Betonzugfestigkeit unterhaufigen Lasten gerade erreicht wird, geschiehtdies zuerst am oberen oder unteren Querschnitts-rand. Die Handlungsanweisung fordert jedoch zu-satzlich, dass eine solche Rissbildung im Rahmen

331Nachrechnung der Uberbauten von Betonbrucken

IV

Page 61: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

von Bauwerksprufungen detektierbar ist. ImStutzbereich ist eine solche Detektierbarkeit amoberen Querschnittsrand aufgrund des Fahrbahn-belags visuell nicht gegeben. Fur den Fall, dasskeine Monitoringsysteme zur �berwachung derRissbildung unterhalb des Fahrbahnbelags ein-gesetzt werden sollen oder konnen, eroffnetdie Handlungsanweisung Spannungsrisskorrosiondie Moglichkeit nachzuweisen, dass im Bereichnegativer Momente eine Ankundigung durchsichtbare Rissbildung im Beton an der Fahrbahn-unterseite stattfindet. In Bild 49 sind die Unter-schiede bezuglich der Restsicherheit gp bei einemNachweis an Fahrbahnober- und -unterkante dar-gestellt. Von einer sichtbaren Rissbildung im Be-ton an der Fahrbahnunterseite kann gemaß Hand-lungsanweisung ausgegangen werden, wenn ander Unterkante der Fahrbahn gerade die Beton-zugfestigkeit erreicht wird. In [48] ist nur die In-formation enthalten, dass die zugehorige Rest-spannstahlflache durch eine Berechnung imZustand II unter Berucksichtigung der im gerisse-nen Bereich liegenden Stahleinlagen ermitteltwerden soll. An dieser Stelle werden daher weiter-fuhrende Angaben zum genauen rechnerischenVorgehen gemacht, die auf der Grundlage von Ver-gleichsrechnungen an einem Hohlkasten- undeinem Plattenbalkenquerschnitt abgeleitet wur-den.

Wenn die Ermittlung der Restspannstahlflache aufGrundlage einer Rissbildung am Querschnittsrandim Zustand I durchgefuhrt wird, kann fur den Be-ton eine linear elastische Materialbeziehung imDruck- und Zugbereich zugrunde gelegt werden.Fur den Nachweis an der Fahrbahnunterkante imZustand II sind das nichtlineare Materialverhaltendes Betons auf der Druckseite und das Nachbruch-verhalten auf der Zugseite zu berucksichtigen. Aufder Druckseite kann die Spannungs-Dehnungs-

Linie fur Verformungsberechnungen gemaß DIN-Fachbericht 102:2009 [6], II-4.2. 1.3.3 verwendetwerden. Der Mittelwert der Betondruckfestigkeitist gemaß [6] zu fck S 8 N/mm2 anzunehmen.Wenn keine Informationen zum Tangenten-E-Mo-dul Ec0 des verwendeten Betons vorliegen, konnennaherungsweise die Tabellenwerte aus [6] ver-wendet werden. Auf der Zugseite sollte das Nach-bruchverhalten mit dem in Bild 50 dargestellten,bilinearen Ansatz nach Stempniewski und Eibl[131] berucksichtigt werden. Eine Berechnungohne Berucksichtigung des Nachbruchverhaltensfuhrt zu unsinnigen Ergebnissen.

Betonstahl- und Spannstahl konnen mit einemelastisch-plastischen Materialgesetz und einemRechenwert der Streckgrenze, der dem 1,1-Fachender charakteristischen Streckgrenze entspricht,abgebildet werden. Bei der Ermittlung der Rest-spannstahlflache sind die mitwirkenden Breitengemaß [6] zu berucksichtigen. Dabei sollte so-wohl auf der Druck- wie auch auf der Zugseite

332 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

-2,0

-1,5

-1,0

-0,5

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70

Res

tsic

herh

eit γp

[-]

Koordinate x in Brückenlängsrichtung [m]

γp = 1,1

Ergebnis bei sichtbarer Rissbildung an der

Fahrbahnunterkante

theoretisches Ergebnis bei sichtbarer Rissbildung an der

Fahrbahnoberkante

Bild 49. Beispielhafte grafische Darstellung der bei der Beurteilung eines Dreifeldbauwerksermittelten Restsicherheiten gp

Bild 50. Materialgesetz fur Beton unter Zugbean-spruchung nach [131] fur den Nachweis der Rest-spannstahlflache im Zustand II

Page 62: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

des Querschnitts die volle mitwirkende Platten-breite beff angesetzt werden. Unter einer konstan-ten, haufigen Belastung in Kombination mit ver-schiedenen Restspannstahlflachen kann durcheine iterative Bestimmung der zugehorigen Deh-nungen und Spannungen der Zustand gefundenwerden, der der ersten sichtbaren Rissbildung ander Fahrbahnunterkante entspricht. Dieser Zu-stand ist entweder dann erreicht, wenn in der maß-gebenden Querschnittsfaser gerade die Zugfestig-keit erreicht wird, oder wenn der Querschnitt,ohne dass an der Fahrbahnunterkante die Zugfes-tigkeit erreicht wurde, in den ausgepragtenZustand II ubergeht. Mit der so ermittelten Rest-spannstahlflache kann anschließend die vorhan-dene Restsicherheit gemaß [48] bestimmt werden.Bei der Ermittlung des aufnehmbaren Momentskann im Bruchzustand die gesamte Langsbeweh-rung in der Fahrbahnplatte als mitwirkend angese-hen werden, wenn nachgewiesen werden kann,dass die damit aufnehmbaren Zugkrafte schubfestan den Steg angeschlossen sind. Wenn dieserNachweis nicht gelingt, ist nur die Bewehrung inder Platte links und rechts des Steges zu beruck-sichtigen, deren Zugkrafte mit der vorhandenenQuerbewehrung schubfest an den Steg ange-schlossen werden konnen.

Die Bilder 51 bis 54 zeigen beispielhafte Ergeb-nisse der Bestimmung der Restspannstahlflachebei Rissbildung an der Fahrbahnunterkante aufGrundlage der hier vorgestellten Vorgehensweiseund zu Vergleichszwecken unter Ansatz einer li-near-elastischen Arbeitslinie fur die Zugseite desBetons (Berechnung im Zustand I). In den Bil-dern 51 und 52 wurde ein zweistegiger Plattenbal-kenquerschnitt und in den Bildern 53 und 54 einHohlkastenquerschnitt betrachtet. Ein Vergleichder Ergebnisse zeigt, dass eine vereinfachte Be-rechnung im Zustand I zu ungunstigeren Wertenfur die Restspannstahlflache fuhrt. Wahrend derPlattenbalkenquerschnitt vor Erreichen der Zug-festigkeit an der Fahrbahnunterseite bei einermaßgebenden Restspannstahlflache von 22% inden ausgepragten Zustand II ubergeht (Bild 51),wird beim Hohlkasten unter Ansatz von 41% derRestspannstahlflache die Zugfestigkeit in dermaßgebenden Faser gerade erreicht (Bild 53).

Bei in Langsrichtung statisch unbestimmten Sys-temen eroffnet die neue Handlungsanweisungauch die Moglichkeit zu prufen, ob die geforderteRestsicherheit von gp j 1,1 in jedem Untersu-chungsschnitt unter Ansatz von Momentenumla-gerungen eingehalten werden kann. Dabei ist nur

333Nachrechnung der Uberbauten von Betonbrucken

IV

Bild 51. Spannungszustande bei der Ermittlung der Restspannstahlflache bei Rissbildung an der Platten-unterseite fur einen zweistegigen Plattenbalkenquerschnitt unter Berucksichtigung des Nachbruchverhaltensauf der Zugseite gemaß Bild 50 (Berechnung im Zustand II)

Page 63: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

334 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Bild 52. Spannungszustande bei der Ermittlung der Restspannstahlflache bei Rissbildung an der Platten-unterseite fur einen zweistegigen Plattenbalkenquerschnitt bei linear-elastischer Abbildung der Zugseite(Berechnung im Zustand I)

Bild 53. Spannungszustande bei der Ermittlung der Restspannstahlflache bei Rissbildung an der Platten-unterseite fur einen Hohlkastenquerschnitt unter Berucksichtigung des Nachbruchverhaltens auf der Zugseitegemaß Bild 50 (Berechnung im Zustand II)

Page 64: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

eine Schadigungskonzentration an der unguns-tigsten Stelle des Tragers anzunehmen. Alle ande-ren Querschnitte sind als ungeschadigt zu behan-deln. Das heißt, dass in allen anderen Querschnit-ten der Nachweis der Restsicherheit unter Ansatzeiner intakten Vorspannung erfolgen kann. Eswird jedoch bereits in Anlage 6 der neuen Hand-lungsanweisung Spannungsrisskorrosion daraufhingewiesen, dass sich diese Annahme nicht mitden Kenntnissen aus Schadensfallen deckt unddeshalb auf der sicheren Seite liegend von derSchnittgroßenumlagerung in Langsrichtung abge-sehen werden sollte. Zudem setzt eine Schnittgro-ßenumlagerung stets ein duktiles Bauteilverhaltennach einer Rissbildung im Beton voraus, welchesbei vollstandigem Ausfall des Spannstahls und un-zureichender Mindestbewehrung in vielen Fallennicht gegeben ist. Aus diesen Grunden und wegender allgemein hohen Fehleranfalligkeit einesNachweises unter Ansatz einer Schnittgroßenum-lagerung wird empfohlen hiervon abzusehen.

Fur den Fall, dass in einzelnen Schnitten des �ber-baus kein Ankundigungsverhalten nach dem„Riss-vor-Bruch“-Kriterium nachgewiesen wer-den kann, ermoglicht [48] eine stochastische Be-trachtung des Ankundigungsverhaltens am Ge-samtsystem. Hierbei wird ausgenutzt, dass sichSpanngliedbruche mit einer gewissen Wahr-scheinlichkeit in einem Bereich des Tragwerksdurch Rissbildung ankundigen, bevor in anderenBereichen eine Unterschreitung der Restsicherheit

gegen Versagen ohne Vorankundigung eintritt.Unter den Annahmen einer Gleichverteilung mog-licher Spannstahlbruche uber die Bauwerkslangeund einer ortlichen Korrelation der Spannstahl-bruche innerhalb eines Hullrohrs kann die Auftre-tenswahrscheinlichkeit der Unterschreitung derRestsicherheit gegen Versagen ohne Vorankundi-gung durch numerische Simulationen bestimmtwerden. Die Hintergrunde zu diesem Verfahrensind in [132] erlautert.

Da dieses Vorgehen numerisch sehr aufwendig ist,ist in [48] fur typische Szenarien unter Einhaltungeiniger Randbedingungen ein vereinfachtes, ana-lytisches Verfahren angegeben, um die Auftre-tenswahrscheinlichkeiten der Unterschreitung derRestsicherheit zu bestimmen. Als Eingangswertefur dieses Verfahren dienen die zuvor erarbeitetenErgebnisse der querschnittsweisen Nachweise inden Zehntelspunkten des �berbaus. Es werdendie jeweils auf ganze Spannglieder gerundetenSpanngliedanzahlen im ungeschadigten Zustand,die zum Zeitpunkt der Erstrissbildung im Quer-schnitt verbliebenen Spannglieder und die zur Er-fullung der Restsicherheit erforderlichen Spann-glieder benotigt. Zusatzlich mussen die nicht ge-rundeten, zugehorigen Spannstahlflachen tabella-risch angegeben werden. Bild 55 enthalt die zuden Ergebnissen aus Bild 49 korrespondierendemusterhafte grafische Aufbereitung der Eingangs-werte fur das vereinfachte Verfahren. Anhand derDarstellung in Bild 55 kann man direkt erkennen,

335Nachrechnung der Uberbauten von Betonbrucken

IV

Bild 54. Spannungszustande bei der Ermittlung der Restspannstahlflache bei Rissbildung an der Platten-unterseite fur einen Hohlkastenquerschnitt bei linear-elastischer Abbildung der Zugseite (Berechnung imZustand I)

Page 65: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

in welchen Bereichen die erforderliche Spannglie-danzahl zur Sicherstellung einer ausreichendenRestsicherheit uber der Spanngliedanzahl beiErstrissbildung liegt und damit kein ausreichendesAnkundigungsverhalten nachgewiesen werdenkann. Die genaue Beschreibung des vereinfachtenVerfahrens kann [48] und [132] entnommen wer-den.

Wenn fur den gesamten �berbau in jedem einzel-nen Bauabschnitt mit dem vereinfachten Verfah-ren oder einer genauen stochastischen Betrach-tung geringere Auftretenswahrscheinlichkeit derUnterschreitung der Restsicherheit gegen Versa-gen ohne Vorankundigung als 10–4 nachgewiesenwerden, kann davon ausgegangen werden, dassdas Bauwerk ein ausreichendes Ankundigungs-verhalten auf Systemebene besitzt.

Die Festlegungen und Vorgehensweisen in [48]gelten grundsatzlich auch fur die Beurteilung vonBauwerken, die in Querrichtung mit spannungs-risskorrosionsgefahrdetem Spannstahl vorge-spannt wurden. Aufgrund der haufig sehr geringenAnzahl von Querschnitten mit einem Ankundi-gungsverhalten nach dem „Riss-vor-Bruch“-Kri-terium kann jedoch meist fur die Querrichtungkein ausreichendes Ankundigungsverhalten nach-gewiesen werden. Zurzeit existiert kein allgemeinabgesicherter Ansatz fur das weitere Vorgehen insolchen Fallen. Fur die Fahrbahnplatte zwischenden Stegen sind z. B. Betrachtungen zur Resttrag-fahigkeit denkbar, die eine Membranwirkung nachder Bruchlinientheorie mit einbeziehen.

Wenn der Nachweis eines ausreichenden Ankun-digungsverhaltens gemaß einer der moglichenNachweisformate der Handlungsanweisung Span-nungsrisskorrosion [48] fur das der Nachrechnungzugrunde liegende Ziellastniveau LM-Ziel er-bracht ist, ist das betrachtete Bauwerk maximal

der Nachweisklasse B zuzuordnen. Der Doku-mentation der Nachrechnung sind in einem sol-chen Fall unbedingt auch auf die Nachweisergeb-nisse abgestimmte, objektbezogene Anweisungenfur die Bauwerksprufung beizufugen. Fur be-stimmte Bauwerkstypen (z. B. Plattenquerschnittmit Hohlkorpern) ist auch mit den erweitertenNachweismoglichkeiten der Handlungsanwei-sung Spannungsrisskorrosion haufig kein Ankun-digungsverhalten nachzuweisen. In solchen Fallenwerden Sonderbetrachtungen zur Resttragfahig-keit und Sicherheit des moglicherweise durchSpannstahlbruche geschadigten Bauwerks not-wendig.

7 Nachrechnung der Unterbauten7.1 Einwirkungen

Da das Eigengewicht bei Betonbrucken denHauptanteil der Vertikallasten darstellt, haben dieerhohten Vertikallasten aus dem gestiegenen Ver-kehr i. Allg. eher geringe Auswirkungen beimNachweis der Unterbauten zur Folge. Dagegenkonnen bei der Nachrechnung der Unterbauten al-terer Bauwerke die gegenuber den seinerzeitigenLastannahmen erhohten Horizontallasten, insbe-sondere infolge Bremsen und Anfahren, zu Prob-lemen fuhren.

Im Folgenden wird daher auf einige wesentliche�nderungen der horizontalen Einwirkungen aufBruckenunterbauten eingegangen.

Bremslasten

Das Verkehrsaufkommen ist seit den 1950er-Jah-ren bis heute stark angewachsen, die Verkehrslast-modelle in den DIN-Normen wurden immer wie-der angepasst und fortgeschrieben. Die Entwick-lung der Bremslasten ist in Bild 56 dargestellt.

336 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

0,0

2,0

4,0

6,0

8,0

10,0

12,0

14,0

16,0

18,0

20,0

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70

Span

nglie

danz

ahl [

-]

Koordinate x in Brückenlängsrichtung [m]

vorh. Spgl. Rest-Spgl. bei Rissbildung erf. Spgl. für Restsicherheit > 1,1

Ergebnis bei Rissen an der Oberkante

Bild 55. Beispielhafte Darstellung der Eingangswerte fur das vereinfachte Verfahren gemaß [48]

Page 66: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Der Vergleich zeigt, dass die fur die Bemessungmaßgebenden Bremslasten fur Bruckenbauwerkenach DIN 1072 von 1952 [133] bzw. 1967 [118]deutlich unter den heute gultigen nach DIN-Fach-bericht 101:2009 [5] liegen.

Seinerzeit wurden die Bruckenbauwerke der Bun-desfernstraßen allerdings haufig auch fur Militar-lasten nach STANAG 2021 ausgelegt. Wie ausBild 56 hervorgeht, waren fur diese Bauwerkehaufig die Bremslasten aus den Militarlasten maß-gebend. Mit der Anpassung der DIN 1072:1985[15] lagen die Bremslasten fur Zivil- und Militar-fahrzeuge etwa in der gleichen Großenordnung.Die Einfuhrung des DIN-Fachbericht 101:2003

[123] fuhrte bereichsweise zu einer weiteren Erho-hung der Horizontallasten aus Bremsen und An-fahren.

Durch die zusatzliche Auslegung der alteren Bru-ckenbauwerke fur Militarlasten wirkt sich bei die-sen Bauwerken die spatere Erhohung der Brems-lasten durch den DIN-Fachbericht 101 in einemdeutlich geringeren Maße aus gegenuber Unter-bauten, die ausschließlich fur die Bremslastender Bruckenklasse 60 bzw. Bruckenklasse 30 aus-gelegt wurden. Die Einleitung der erheblich hohe-ren Bremslasten kann bei diesen Bauwerken hau-fig rechnerisch nicht nachgewiesen werden. Invielen Fallen kann die Aufnahme der Horizontal-

337Nachrechnung der Unterbauten

IV

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 220 240

Qlk

[kN

]

Brückenlänge L [m]

MLC 50 nach STANAG 2021

SLW 30 nach DIN 1072 : 1952 und 1967

SLW 30/30 nach DIN 1072 : 1985

LM 1 nach DIN -FB 102 :2009

Fahrbahnbreite b=7,50 m

Fahrbahnbreite b= 12,75 m

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 220 240

Qlk

[kN

]

Brückenlänge L [m]

MLC 100 nach STANAG 2021

SLW 60 nach DIN 1072: 1952 und 1967

SLW 60/30 nach DIN 1072: 1985

LM 1 nach DIN-FB 102:2009

Fahrbahnbreite b=12,75 m

Fahrbahnbreite b=7,50 m

Bild 56. Entwicklung der Bremslasten zwischen 1952 und 2009; oben: Vergleich der Bremslasten infolge derLastmodelle LM1 nach DIN-Fachbericht 102, BKL60/30 sowie BKL60 nach DIN 1072 und MLC 100 nachSTANAG 2021; unten: Vergleich der Bremslasten infolge der Lastmodelle LM1 nach DIN-Fachbericht 102,BKL30/30 sowie BKL30 nach DIN 1072 und MLC 50 nach STANAG 2021

Page 67: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

lasten durch konstruktive Maßnahmen, wie z. B.der Anordnung von Anschlagpunkten oder dieVerlegung des Festpunktes von einem Pfeiler aufein Widerlager erfolgen. Gegebenenfalls mussdas Widerlager dann durch zusatzliche Veranke-rung gesichert werden. Alternativ kann ggf. einzweiter Festpunkt auf einem weiteren benachbar-ten Pfeiler angeordnet werden.

Erddruck

Bei einem Teil der alteren Bestandsbauwerkewurde die Standsicherheit der Widerlagerwandeunter Ansatz des aktiven Erddrucks nachgewie-sen. Derzeit wird fur diesen Nachweis ublicher-weise ein erhohter aktiver Erddruck nachDIN 4085:2011 [134] angesetzt. Die Bemessungim GZT erfolgte bei einem Teil der alteren Bau-werke ebenfalls nur mit dem aktiven Erddruck;aktuell sind diese Nachweise mit dem Erdruhe-druck zu fuhren. Diese �nderungen fuhren zueiner Erhohung der Horizontallasten fur die Wi-derlager, sodass in Kombination mit den hoherenBremslasten zusatzliche Betrachtungen erforder-lich werden konnen.

Windlasten

In den Ausgaben der DIN 1072 von 1952 und1967 waren die Windlasten auf den �berbau beiunbelasteten Straßenbrucken mit 2,5 kN/m2 undbei Brucken mit einem Verkehrsband mit1,25 kN/m2 anzusetzen. In der Folgeausgabe derDIN 1072 von 1985 wurde dieser Ansatz erwei-tert, indem die Windlasten in Abhangigkeit vonder Hohe der Windangriffsflache gestaffelt wur-den. Fur Bruckenuberbauten bis 50 m Hohe fuhrtediese Regelung zu geringeren Windlastannahmen.In Hohen zwischen 50 bis 100 m blieben dieLastannahmen unverandert. In dem derzeit furdie Nachrechnungen gultigen DIN-Fachbericht101:2009 werden die Windlasten differenzierterbetrachtet. Hierbei wird bei der Ermittlung derWindlasten der Standort des Bauwerks durch dieEinfuhrung von Windlastzonen berucksichtigt.Des Weiteren wird zwischen Binnenland und Kus-tennahe unterschieden. Als weiterer Parameterwird die �berbaugeometrie uber das Verhaltnisder Gesamtbreite des �berbaus zur Hohe des�berbaus fur belastete Brucken unter Berucksich-tigung der Hohe des Verkehrsbandes miterfasst.Diese Differenzierung kann bei alteren Brucken-bauwerken zu deutlich niedrigeren Horizontallas-ten infolge Wind gegenuber den Ansatzen fruhererRegelwerke fuhren.

7.2 Rechnerische Nachweise

Bei den rechnerischen Nachweisen ist der bauli-che Zustand angemessen zu berucksichtigen.

Neben Defiziten bei den Nachweisen aufgrund ge-stiegener Lastannahmen bestehen bei den Unter-bauten alterer Bruckenbauwerke haufig Beein-trachtigungen der Dauerhaftigkeit durch Korro-sionsschaden, Betonabplatzungen bei zu geringerBetondeckung und breiten Einzelrissen aufgrundnicht vorhandener Mindestbewehrung zur Be-grenzung der Rissbreiten.Bei schlanken, hohen Pfeilern mit Hohlkasten-querschnitt wurden die Nachweise seinerzeit nichtimmer unter Berucksichtigung der mittragendenGurtbreiten gefuhrt. Die so ermittelte Bewehrungwurde demgemaß gleichmaßig uber die Quer-schnittsbreite verteilt. Bei der Nachrechnung unterAnsatz mitwirkender Gurtbreiten nach heutigemStand der Technik konnen daraus Defizite entste-hen, die notwendige Verstarkungsmaßnahmennach sich ziehen konnen. Die beim Nachweis derTragfahigkeit berucksichtigte Langsbewehrungmuss durch eine ausreichende Querbewehrungschubfest an die Stege angeschlossen sein.

8 Zusammenfassung und AusblickUm die Leistungsfahigkeit des deutschen Straßen-netzes langfristig zu erhalten, ist die uneinge-schrankte Nutzbarkeit der bestehenden Brucken-bauwerke von zentraler Bedeutung. Gemaß derStrategie des Bundes ist ein Bauwerk uneinge-schrankt nutzbar, wenn es unter Berucksichtigungseines tatsachlichen Zustands dem aktuellen undzukunftigen Verkehr unter Einhaltung eines gefor-derten Zuverlassigkeitsniveaus noch gerecht wird.Viele zu bewertende Bauwerke wurden jedochnach einem fruheren Normenstand geplant undgebaut und erfullen nicht ohne Weiteres die heuti-gen Anforderungen sowohl an die Tragfahigkeitals auch an die Gebrauchstauglichkeit. Die Bau-werke unterliegen einerseits einer steigenden(Schwer-) Verkehrsbeanspruchung und anderer-seits zeitabhangigen Schadigungsmechanismen,die ihre Nutzungsfahigkeit einschranken konnen.Daher ist es wichtig, die Bauwerke realistisch zubewerten und rechtzeitig Verstarkungsmaßnah-men zu ergreifen. Hierzu werden eigene Regelun-gen fur die Bewertung des Bestands benotigt, dieeine differenziertere Betrachtung erlauben, als esNeubaunormen ermoglichen. Es ist nicht verwun-derlich, wenn Nachrechnungen auf Grundlage deraktuellen Neubaunormen nur in den wenigstenFallen dazu fuhren, dass eine ausreichende Trag-fahigkeit oder Gebrauchstauglichkeit nachgewie-sen werden kann, da im Rahmen von Neubaunor-men andere Zielstellungen verfolgt werden.Mit der von einer interdisziplinaren Arbeitsgruppemit Vertretern aus Verwaltung, Wissenschaft undIngenieurpraxis erarbeiteten Richtline zur Nach-rechnung von Straßenbrucken im Bestand (Nach-rechnungsrichtlinie) liegen Regelungen zur diffe-

338 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Page 68: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

renzierten Betrachtung des Bruckenbestands ineiner ersten Fassung seit Mai 2011 vor. Die Nach-rechnungsrichtlinie bietet eine Hilfestellung fureine moglichst wirklichkeitsnahe Beurteilung vonBrucken aus Stahlbeton und Spannbeton, Stahl-und Verbundbrucken sowie Gewolbebrucken ausMauerwerk. Im vorliegenden Beitrag wurden orga-nisatorische und theoretische Gesichtspunkte derNachrechnung von Stahlbeton- und Spannbetonb-rucken umfassend dargestellt. Alle wesentlichenInhalte der Nachrechnungsrichtlinie wurden aufge-griffen und erlautert. Aufgrund der großen Auswir-kungen auf die Aussagekraft der durchgefuhrtenUntersuchungen, wurden die Hintergrunde zur Be-stimmung der charakteristischen Werte der Eigen-schaften historischer Baustoffe sehr detailliert be-schrieben. Um aufzuzeigen, wie Zusatzinformatio-nen (z. B. Materialuntersuchungen) oder geanderteRandbedingungen (z. B. geringe Restnutzungs-dauern) bei der Ermittlung der Zuverlassigkeit be-stehender Bauwerke berucksichtigt werden kon-nen, wurden die Grundlagen des heutigen Sicher-heitskonzepts aufbereitet. Mit der Angabe von an-gepassten Teilsicherheitsbeiwerten, die durchKompensationsmaßnahmen zur Erzielung einerunverandert hohen Zuverlassigkeit gerechtfertigtwerden, greift die Nachrechnungsrichtlinie einigeder dargestellten �berlegungen zu Sicherheitskon-zepten bestehender Bauwerke bereits auf. Ein wei-terer Schwerpunkt lag auf den erganzenden Regel-ungen zu den Nachweisen im Grenzzustand derTragfahigkeit. Zweifelsohne besteht ein Bedarfnach besseren und genaueren Nachweisverfahrenfur die Nachrechnung von alteren Brucken. DieNachrechnungsrichtlinie enthalt hierzu vor allemfur den Nachweis der Querkrafttragfahigkeit undden Nachweis gegen Ermudung erste Ansatze. Da-ruber hinaus wird die aktuelle Fassung der Hand-lungsanweisung Spannungsrisskorrosion erlautert,die Angaben zur Beurteilung des Ankundigungs-verhaltens von Bauwerken, die mit spannungsriss-korrosionsgefahrdetem Spannstahl erstellt wurden,enthalt. Wesentliche Neuerung dieser Handlungs-anweisung ist die Moglichkeit, das Ankundigungs-verhalten durch stochastische Ansatze am gesam-ten Bauwerk nachzuweisen. Fur die rechnerischenNachweise in den Grenzzustanden der Gebrauchs-tauglichkeit enthalt die Nachrechnungsrichtlinieeinige erganzende Regelungen. Da der uberwie-gende Teil der bestehenden alteren Spannbeton-brucken die rechnerischen Anforderungen dennochnicht erfullen kann, besteht zusatzlich die Moglich-keit der qualitativen Bewertung der Gebrauchs-tauglichkeit.

Der angestrebte Fokus der Richtlinie ist jedochbreiter angelegt, als es die erste Ausgabe erwartenlasst. In Zukunft sollen weitere, allgemein aner-kannte und abgesicherte alternative Ingenieurmo-delle zur Bewertung der Tragfahigkeit bestehen-

der Brucken integriert werden. Es ist von großervolkswirtschaftlicher Bedeutung, ob die nach heu-tiger Einschatzung empfohlenen aufwendigenVerstarkungsmaßnahmen tatsachlich in demMaße erforderlich sind oder ob sich der Umfangnotwendiger Verstarkungen mit verbesserten undgenaueren Rechenmodellen bzw. Nachweisfor-men vermindern lasst. Im Fokus stehen dabei zur-zeit alle Ansatze zum Nachweis der Querkrafttrag-fahigkeit mit und ohne �berlagerung mit Torsion.An dieser Stelle konnen beispielhaft ein auch furnicht-ruhende Lasten abgesicherter Nachweis un-ter Berucksichtigung der Zugfestigkeit des Betons(Hauptspannungsnachweis) oder der Ansatz eineszusatzlichen Traganteils aus der Neigung der Be-tondruckkraft (Druckbogen) genannt werden. An-hand einer Auswertung bekannter Versuche istaußerdem zu uberprufen, ob die wesentlichenEinflussparameter in den verfugbaren Ansatzenausreichend genau erfasst werden oder ob Modell-anpassungen notwendig sind. Neben der punk-tuellen Verbesserung von Nachweisansatzen istaber auch weitere Forschung auf dem Gebiet derEntwicklung eines Sicherheitskonzepts fur be-stehende Bauwerke erforderlich. Erste Ansatzehierzu wurden im Bericht aufgezeigt.

Daruber hinaus ist es im Sinne einer Integrationder Nachrechnungsrichtlinie in die europaischeNormenfamilie wichtig, zukunftig die jeweiligenZiellastniveaus LM-Ziel an das neue Verkehrslast-modell LMM (entspricht LM1 nach DINEN 1991-2/NA) heranzufuhren und als Ver-gleichswerte anzugeben. Dies hat zweifelsfreiauch viele Vorteile hinsichtlich der Verwaltungder nachgerechneten Bauwerke. Durch den direk-ten Vergleich zur Tragfahigkeit eines Bruckenneu-baus ist die Tragfahigkeit des Bestandsbauwerks,unabhangig von der jeweiligen Bruckengenera-tion, der es entstammt, direkt einschatzbar.

Im Rahmen der Erarbeitung der Nachrechnungs-richtlinie wurden an vielen Stellen umfassendeHintergrundinformationen gesammelt und aufbe-reitet. Dieses Wissen soll in einem Hintergrund-bericht zusammengetragen werden, der fur allewesentlichen Regelungen der Richtlinie Erlaute-rungen bietet und die Basis fur zukunftige Weiter-entwicklungen der Richtlinie darstellt. Der Hinter-grundbericht wird zusammen mit der geplantenzweiten Ausgabe der Richtlinie, jedoch als separa-tes Werk, veroffentlicht werden.

Diesem Bericht liegen Teile der im Auftrag desBundesministeriums fur Verkehr, Bau und Stadt-entwicklung, vertreten durch die Bundesanstaltfur Straßenwesen, unter FE-Nr. SV.0006/2009,FE-Nr. 29.0244/2009/BASt sowie FE-Nr.15.0490/2010/FRB durchgefuhrten Forschungs-arbeit zugrunde. Die Verantwortung fur den Inhaltliegt allein beim Autor.

339Zusammenfassung und Ausblick

IV

Page 69: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

9 Literatur

[1] Kaschner, R. et al.: Auswirkungen des Schwer-lastverkehrs auf die Brucken der Bundesfernstra-ßen. Berichte der Bundesanstalt fur Straßenwesen,Brucken- und Ingenieurbau, Heft B 68, BergischGladbach, Juli 2009.

[2] Naumann, J.: Brucken und Schwerverkehr – wosind die Grenzen? Bauingenieur 82 (2007), HeftJuli/August, S. 326–332.

[3] Naumann, J.: Brucken und Schwerverkehr –eine Bestandsaufnahme. Bauingenieur 85 (2010),Heft Januar, S. 1–9.

[4] Naumann, J.: Brucken und Schwerverkehr –Strategie zur Ertuchtigung des Bruckenbestandsin Bundesfernstraßen. Bauingenieur 85 (2010),Heft 5, S. 210–216.

[5] DIN-Fachbericht 101:2009-03: Einwirkungenauf Brucken. Beuth Verlag, Berlin 2009.

[6] DIN-Fachbericht 102:2009-03: Betonbrucken.Beuth Verlag, Berlin 2009.

[7] DIN-Fachbericht 103:2009-03: Stahlbrucken.Beuth Verlag, Berlin 2009.

[8] DIN-Fachbericht 104:2009-03: Verbundbru-cken. Beuth Verlag, Berlin 2009.

[9] Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbru-cken im Bestand (Nachrechnungsrichtlinie), Aus-gabe 05-2011, BMVBS, Berlin/Bonn 2011.

[10] Freundt, U.; Boning, S.: Anpassung des DIN-Fachberichtes 101 „Einwirkungen auf Brucken“an endgultige Eurocodes und nationale Anhangeeinschließlich Vergleichsrechnung – Nachtrag(Schlussbericht FE 15.451/2007/FRB (Nachtrag))(Forschungsbericht). Bundesanstalt fur Straßen-wesen, Bergisch Gladbach 2010.

[11] Freundt, U.; Boning, S.: Anpassung des DIN-Fachberichtes 101 „Einwirkungen auf Brucken“an endgultige Eurocodes und nationale Anhangeeinschließlich Vergleichsrechnung – Bruckenbe-stand (Schlussbericht FE 84.107/2009) (For-schungsbericht). Bundesanstalt fur Straßenwesen,Bergisch Gladbach 2011.

[12] Konig, G.; Novak, B.: Untersuchungen uberden Einfluss von Anpassungsfaktoren (a-Werte)fur Straßenverkehrslasten gemaß Eurocode 1, Teil3 auf Brucken. Leipzig 1998.

[13] DIN EN 1991-2:2010:12: Eurocode 1: Einwir-kungen auf Tragwerke – Teil 2: Verkehrslasten aufBrucken; Deutsche Fassung EN 1991-2:2003 SAC:2010. Beuth Verlag, Berlin 2010.

[14] DIN EN 1991-2/NA:2011-07: Nationaler An-hang – National festgelegte Parameter – Eurocode1: Einwirkungen auf Tragwerke – Teil 2: Verkehrs-lasten auf Brucken. Beuth Verlag, Berlin 2011.

[15] DIN 1072:1985-12: Straßen- und Wegbru-cken; Lastannahmen. Beuth Verlag, Berlin 1985.

[16] Merzenich, G.; Sedlacek, G.: Hintergrundbe-richt zum Eurocode 1 – Teil 3.2: Verkehrslastenauf Straßenbrucken. Forschung Straßenbau undVerkehrstechnik, Heft 711, Bonn – Bad Godesberg1995.

[17] DIN 4227:1953-10: Spannbeton – Richtlinienfur Bemessung und Ausfuhrung. Beuth Verlag,Berlin 1953.

[18] Zilch, K.; Schnell, J.; Dunkelberg, D.; Loch,M.: Erlauterungen und Hintergrunde zu den Werk-stoffkennwerten der Nachrechnungsrichtlinie furbestehende Straßenbrucken aus Beton. Bauinge-nieur 87 (2012), Heft Januar 2012, S. 15–23.

[19] Maurer, R.; Zilch, K.; Dunkelberg, D. et al.:Nachrechnung von Betonbrucken zur Bewertungder Tragfahigkeit bestehender Bauwerke. Ab-schlussbericht zu BASt FE 15.0490/2010/FRB,Bergisch Gladbach, April 2011.

[20] DIN EN 1990:2010-12: Eurocode: Grundla-gen der Tragwerksplanung; Deutsche Fassung EN1990:2002 S A1:2005 S A1:2005/AC:2010.Beuth Verlag, Berlin 2010.

[21] DIN EN 206-1:2001-07: Beton – Teil 1: Fest-legung, Eigenschaften, Herstellung und Konformi-tat; Deutsche Fassung EN 206-1:2000. Beuth Ver-lag, Berlin 2001.

[22] DIN EN 12390-2:2009-08: Prufung von Fest-beton – Teil 2: Herstellung und Lagerung von Pro-bekorpern fur Festigkeitsprufungen; Deutsche Fas-sung EN 12390-2:2009. Beuth Verlag, Berlin2009.

[23] Schnell, J.; Fischer, A.; Loch, M.: Anwendungvon Teilsicherheitsbeiwerten auf Bestandsbautenim Hochbau. Fraunhofer-IRB-Verlag, Stuttgart2009.

[24] DIN 1045:1988-07: Beton und Stahlbeton –Bemessung und Ausfuhrung. Beuth Verlag, Berlin1988.

[25] DIN 1045-2:2008-08: Tragwerke aus Beton,Stahlbeton und Spannbeton – Teil 2: Beton – Fest-legung, Eigenschaften, Herstellung und Konformi-tat – Anwendungsregeln zu DIN EN 206-1. BeuthVerlag, Berlin 2008.

[26] DIN 1045:1972-01: Beton- und Stahlbetonbau– Bemessung und Ausfuhrung. Beuth Verlag, Ber-lin 1972.

[27] TGL 33411/01: Beton und Leichtbeton –Klassifizierung, Technische Forderungen, Pru-fung. Amt fur Standardisierung, Meßwesen undWarenprufung. Juni 1979.

[28] Rusch, H.; Sell, R.; Rackwitz, R.: StatistischeAnalyse der Betonfestigkeit. In: Deutscher Aus-schuss fur Stahlbeton (Hrsg.): Hefte des DeutschenAusschusses fur Stahlbeton, Heft 206. Ernst &Sohn, Berlin 1969.

[29] Schnell, J.; Loch, M.; Zhang, N.: Umrechnungder Druckfestigkeit von zwischen 1943 und 1972hergestellten Betonen auf charakteristische Werte.Bauingenieur 85 (2010), Heft Dezember 2010, S.513–518.

[30] Zilch, K.; Dunkelberg, D.; Alatiki, F.: Statisti-sche Auswertung von Betondruckfestigkeitspru-fungen aus dem Zeitraum vor 1972. Bauingenieur87 (2012), in Vorbereitung.

[31] DIN 1045:1943-03: Teil A – Bestimmungenfur Ausfuhrung von Bauwerken aus Stahlbeton.1943.

[32] Rehm, G.; Rehm, H.: Statistische Methodenbei der Qualitatskontrolle von Bewehrungsstahlen

340 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Page 70: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

– Teil 1. Betonstein-Zeitung (1968), Heft 6, S.309–318.

[33] Rehm, G.; Rehm, H.: Statistische Methodenbei der Qualitatskontrolle von Bewehrungsstahlen– Teil 2. Betonstein-Zeitung (1968), Heft 7, S.383–387.

[34] Rehm, G.; Rehm, H.: Zur Frage der Prufrege-lungen bei der Qualitatskontrolle von Beweh-rungsstahlen. Betonstein-Zeitung (1969), Heft 3,S. 161–167.

[35] DIN 488-1:1972-04: Betonstahl – Begriffe,Eigenschaften, Werkkennzeichen. Beuth Verlag,Berlin 1972.

[36] TGL 101-054: Betonstahle. Amt fur Standar-disierung, Meßwesen und Warenprufung, Juni1965.

[37] TGL 12530-1: Stahle fur den Stahlbetonbau –Betonstahl warmgewalzt, Technische Bedingun-gen. Amt fur Standardisierung, Meßwesen undWarenprufung, Dezember 1972.

[38] Bindseil, P.; Schmitt, M. O. A.: Betonstahle.Vom Beginn des Stahlbetonbaus bis zur Gegen-wart; Datensammlung mit Suchfunktion. VerlagBauwesen, Berlin 2002.

[39] DIN 1045:1968-03: Beton- und Stahlbetonbau– Bemessung und Ausfuhrung. Entwurf, aufge-stellt vom Deutschen Ausschuß fur Stahlbeton.Beuth Verlag, Berlin 1968.

[40] Deutsche Bahn: Richtlinie 805 – Tragsicher-heit bestehender Bruckenbauwerke. Fassung 2002.

[41] DBV-Merkblattsammlung: Bauen im Bestand.Baustoffe – Beton und Betonstahl. Deutscher Be-ton- und Bautechnik-Verein e. V., Berlin 2008.

[42] DIN 1075:1938-05: Berechnungsgrundlagenfur massive Brucken. 1938.

[43] Leonhardt, F.: Spannbeton fur die Praxis. Ernst& Sohn, Berlin 1955.

[44] Leonhardt, F.: Spannbeton fur die Praxis.Zweite, vollstandig neu bearbeitete Auflage. Ernst& Sohn, Berlin 1962.

[45] Spannstahle und Spannverfahren fur Spannbe-ton nach DIN 4227. Vorlaufige Richtlinien fur diePrufungen bei Zulassung und Abnahme. Fassung1954-10.

[46] Spannstahle fur Spannbeton nach DIN 4227.Vorlaufige Richtlinien fur die Prufung bei Zulas-sung, Herstellung und �berwachung. Fassung1965-12.

[47] Leonhardt, F.: Vorlesungen uber Massivbau.Funfter Teil – Spannbeton. Springer Verlag, Berlin1980.

[48] Handlungsanweisung zur �berprufung undBeurteilung von alteren Bruckenbauwerken, diemit vergutetem, spannungsrisskorrosionsgefahrde-tem Spannstahl erstellt wurden. Bundesministe-rium fur Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Ber-lin, Ausgabe Juni 2011.

[49] Ehmann, R.: 587-B: Spannungsrisskorrosionvon Spannstahlen. In: Bundesanstalt fur Wasser-bau (Hrsg.): BAW-Brief, 3/2006.

[50] DIN ISO 16269-6:2009-10: Statistische Aus-wertung von Daten – Teil 6: Ermittlung von statis-

tischen Anteilsbereichen (ISO 16269-6:2005);Text Deutsch und Englisch. Beuth Verlag, Berlin2009.

[51] DIN EN 13791:2008-05: Bewertung derDruckfestigkeit von Beton in Bauwerken oder inBauwerksteilen; Deutsche Fassung EN 13791:2007. Beuth Verlag, Berlin 2008.

[52] Loch, M.; Stauder, F.; Schnell, J.: Bestimmungder charakteristischen Betonfestigkeiten in Be-standstragwerken – Grenzen von DIN EN 13791.Beton- und Stahlbetonbau 106 (2011), S. 804–813.

[53] Steenbergen, R.; Vervuurt, A.: Determiningthe in situ concrete strength of existing structuresfor assessing their structural safety. StructuralConcrete 13 (2012), Heft 1, S. 27–31.

[54] Konig, G.; Soukhov, D.; Jungwirth, F.: SichereBetonproduktion – Betondruckfestigkeit nachprEN 206 und EC 1/EC 2. beton (1998), S. 680–688.

[55] Wascheidt, H.: Dauerschwingfestigkeit vonBetonstahlen im einbetonierten Zustand. DAfStb,Heft 200. Ernst & Sohn, Berlin 1968.

[56] Rußwurm, D.; Martin, H.: Versuche an Stabenund geschweißten Matten aus Staben mit neuarti-ger Profilierung. Januar 1968, Heft 1, Verlag derBau-Stahlgewebe GmbH, Dusseldorf-Oberkassel.

[57] Tilly, G. P.; Moss, D. S.: Long endurance fati-gue of steel reinforcement. IABSE Reports,Vol. 37, 1982.

[58] Vogel, T.; Fehlmann, P.: Versuche zur Ermu-dungsfestigkeit alter Betonstahle. Beton- undStahlbetonbau 104 (2009), Heft 7, S. 416–423.

[59] Rehm, G.: Beitrag zum Thema Dauerschwing-festigkeit von Betonstahl BSt 500 nach DIN 488und 1045 – Eine Bewertung von Versuchsergebnis-sen und Einflußgroßen. Prufstelle fur Betonstahl,Munchen.

[60] Thurlimann, B.; Canteli, A. F.; Esslinger, V.:Bericht – Ermudungsfestigkeit von Bewehrungs-und Spannstahlen. Institut fur Baustatik und Kon-struktion, ETH Zurich Nr. 8002 1. Birkhauser Ver-lag Basel.

[61] Maurer, R.; Block, K.; Dreier, F.: Ermudungs-festigkeit von Betonstahl – Bestimmung mit demInteraktiven Verfahren. Bauingenieur 85 (2010),Heft Januar 2010, S. 17–28.

[62] Maurer, R.; Block, K.; Dreier, F. et al.: Bestim-mung der Ermudungsfestigkeit von einbetoniertemBetonstahl mit dem Interaktiven Verfahren, Fraun-hofer IRB Verlag, T3227.

[63] Zilch, K.; Zehetmaier, G.; Rußwurm, D.: ZumErmudungsnachweis bei Stahlbeton- und Spann-betonbauteilen. In: Deutscher Ausschuss fur Stahl-beton (Hrsg.): Erlauterungen zu DIN 1045-1, Teil2. DAfStb Heft 525, Beuth Verlag, Berlin Septem-ber 2003.

[64] Tilly, G. P.: Fatigue testing and performance ofsteel reinforcement bars. Materials and Structures17 (1984), Heft 1, S. 43–49.

[65] Moss, D. S.: Axial fatigue of high-yield rein-forcing bars in air. Transport and Road ResearchLaboratory. Supplementary Report 622, 1980.

[66] Block, K.; Dreier, F.: Die Ermudungsfestigkeitzuverlassig und kostengunstig ermitteln – Das

341Literatur

IV

Page 71: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Interaktive Verfahren. Materialprufung 40 (1998),S. 73–77.

[67] Block, K.; Dreier, F.: Das Ermudungsverhaltenvon Dubelverbindungen. Deutscher Ausschuss furStahlbeton, Heft 541. Beuth Verlag, Berlin 2003.

[68] DIN-Fachbericht 102:2003-03: Betonbrucken.Beuth Verlag, Berlin 2003.

[69] Magnel, G.: Theorie und Praxis des Spannbe-tons. 3. Auflage, Bauverlag GmbH, 1956.

[70] Birkenmaier, M.; Jacobsen, W.: Das Verhaltenvon Spannbetonquerschnitten zwischen Risslastund Bruchlast. Schweizer Bauzeitung (1959) Heft15, S. 218-227.

[71] Abeles, P. W.; Brown, E. I.; Hu, C. H.: FatigueResistance of Under-Reinforced Prestressed Be-ams Subjected to Different Stress Ranges –Miner’s Hypothesis. ACI-Publication, SP41-11,1974, S. 237-277.

[72] Overman, T. R.; Breen, J. E.; Frank, K. H.: Fa-tigue Behavior of Pretensioned Concrete Girders.University of Texas, 1984. Research Report 300-2F, 354 pp.

[73] Cordes, H., Lapp-Emden, M.: Untersuchungenzur Dauerfestigkeit von Spanngliedern fur die be-sonderen Bedingungen der teilweisen Vorspannun-gen. Institut fur Massivbau, RWTH Aachen. Be-richt Nr. 18/88, Juni 1984.

[74] Muller, H. H.: Abschlussbericht: Prufverfah-ren fur die Dauerfestigkeit von Spannstahlen. Insti-tut fur Bauingenieurwesen III, TU Munchen, Nr.111, Mai 1985.

[75] Rigon, C.; Thurlimann, B.: Fatigue Tests onPost-Tensioned Concrete Beams. Institut fur Bau-statik und Konstruktion. ETH Zurich, Bericht Nr.8101-1, 1985.

[76] Oertle, J.; Thurlimann, B.; Esslinger, V.: Ver-suche zur Reibermudung einbetonierter Spannka-bel. Institut fur Baustatik und Konstruktion, ETHZurich, Bericht Nr. 8101-2, 1987.

[77] Koch, R.: Dauerschwingversuch an einem teil-weise vorgespannten Spannbetontrager. Otto-Graf-Institut, Forschungs- und Materialprufungs-anstalt Baden-Wurttemberg, Schriftenreihe Heft80, Stuttgart, 1988.

[78] Wollmann, G. P.; Yates, D. L.; Breen, J. E.;Kreger, M. E.: Fretting Fatigue in Post-TensionedConcrete. Research Report 465-2F. Center forTransportation Research, Bureau of engineeringResearch, University of Texas at Austin, Novem-ber 1988.

[79] Bokamp, H.: Ein Beitrag zur Spannstahlermu-dung unter Reibdauerbeanspruchung bei teilweiserVorspannung. RWTH Aachen, Institut fur Massiv-bau. Dissertation 1991.

[80] Voß, K.-U.: Zum Trag- und Verformungsver-halten von Spannbetontragern im Zustand II – Un-terschiedliches Verbundverhalten bei Schwellbe-anspruchung. Institut fur Baustoffe, Massivbauund Brandschutz, TU Braunschweig, Heft 111,1993.

[81] Abel, M.: Zur Dauerhaftigkeit von Spannglie-dern in teilweise vorgespannten Bauteilen unterBetriebsbedingungen. Lehrstuhl und Institut fur

Massivbau. RWTH Aachen. Dissertation 1996, Ei-genverlag, Heft 4.

[82] Eskola, L.: Zur Ermudung teilweise vorge-spannter Betontragwerke. Institut fur Baustatikund Konstruktion. ETH Zurich, 1996.

[83] Maurer, R.; Heeke, G.: Ermudungsfestigkeitvon Spannstahlen aus einer alteren Spannbeton-brucke. Abschlussbericht Forschungsvorhaben,2010.

[84] Maurer, R.; Heeke, G., Marzahn, G.: Ermu-dungsfestigkeit der Spannstahle einer Autobahn-brucke von 1957 im einbetonierten Zustand. Bau-ingenieur 87 (2012), Heft Mai 2012, S. 226–236.

[85] Empelmann, M.; Sender, Chr.: Dauerschwing-festigkeit von Spannstahlen unter dynamischer Be-anspruchung im eingebauten Zustand. FraunhoferIRB Verlag, T3245, 2010.

[86] Abel, M.; Cordes, H.; Hegger, J.: BewehrteBetonbauteile unter Betriebsbedingungen.Schlussbericht, DFG Az.: Co 191/2-1, August1996, RWTH Aachen.

[87] Konig, G.; Maurer, R.: Versuche zum Einflusseiner Rissbildung auf den statisch unbestimmtenMomentenanteil aus Vorspannung. Beton- undStahlbetonbau 88 (1993), Heft 12, S. 338–342.

[88] Maurer, R., Arnold, A.: Bemessung von Trag-werken aus Stahlbeton und Spannbeton fur einekombinierte Beanspruchung aus Last und Biege-zwang. Bauingenieur 84 (2009), Heft Oktober2010, S. 427–437.

[89] Arnold, A.: Zum Einfluss der Zwangschnitt-großen aus Temperatur bei Tragwerken aus Kon-struktionsbeton mit und ohne Vorspannung. Dis-sertation, TU Dortmund, 2008.

[90] Leonhardt, F. et. al.: Schubversuche an Spann-betontragern. DAfStb Heft 227, Berlin, 1973.

[91] Deutscher Ausschuss fur Stahlbeton (Hrsg.):Erlauterungen zu DIN 1045-1. DAfStb Heft 525,2. uberarbeitete Auflage. Beuth Verlag, Berlin2010.

[92] DIN 1045:1988-07: Beton und Stahlbeton –Bemessung und Ausfuhrung. Beuth Verlag, Berlin1988.

[93] DIN EN 1990/NA:2010-12: Nationaler An-hang – National festgelegte Parameter – Eurocode:Grundlagen der Tragwerksplanung. Beuth Verlag,Berlin 2010.

[94] DIN V ENV 1992-1-1: Eurocode 2: Planungvon Stahlbeton- und Spannbetontragwerken. Teil1: Grundlagen und Anwendungsregeln fur denHochbau; Deutsche Fassung ENV 1992-1-1:1991einschließlich der „Richtlinie zur Anwendung vonDIN V ENV 1992-1-1“.

[95] DIN V ENV 1992-2: Eurocode 2: Planung vonStahlbeton- und Spannbetontragwerken. Teil 2:Betonbrucken; Deutsche Fassung ENV 1992-2:1996 einschließlich der „Richtlinie zur Anwen-dung von DIN V ENV 1992-2“.

[96] DIN 1045-1:2008-08: Tragwerke aus Beton,Stahlbeton und Spannbeton – Teil 1: Bemessungund Konstruktion. Beuth Verlag, Berlin 2008.

[97] DIN V ENV 1991-1:1995-12: Eurocode 1 –Grundlagen der Tragwerksplanung und Einwir-kungen auf Tragwerke – Teil 1: Grundlagen der

342 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton

Page 72: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

Tragwerksplanung; Deutsche Fassung ENV 1991-1:1994. Beuth Verlag, Berlin 1995.

[98] DIN EN 1990:2002-10: Eurocode: Grundla-gen der Tragwerksplanung. Deutsche Fassung EN1990:2002. Beuth Verlag, Berlin 2002.

[99] DIN 1055-100:1999-07: Einwirkungen aufTragwerke – Teil 100: Grundlagen der Tragwerks-planung, Sicherheitskonzept und Bemessungsre-geln. Beuth Verlag, Berlin 1999.

[100] DIN 1055-100:2001-03: Einwirkungen aufTragwerke – Teil 100: Grundlagen der Tragwerks-planung, Sicherheitskonzept und Bemessungsre-geln. Beuth Verlag, Berlin 2001.

[101] Rackwitz, R.: Zuverlassigkeit und Lasten imkonstruktiven Ingenieurbau. Teil 1: Zuverlassig-keitstheoretische Grundlagen. Vorlesungsskript,Technische Universitat Munchen, 2006.

[102] Rackwitz, R.; Zilch, K.: Zuverlassigkeit vonTragwerken. In: Zilch, K., et. al. (Hrsg.): Hand-buch fur Bauingenieure: Technik, Organisationund Wirtschaftlichkeit. 2., aktualisierte Auflage,S. 337–378. Springer Verlag, Berlin 2012.

[103] Schneider, J.: Sicherheit und Zuverlassigkeitim Bauwesen – Grundwissen fur Ingenieure. Kor-rigierte und neu formatierte Fassung der 2. Auflagevon 1995, abgerufen am 21.06.2012 unterwww.risksafety.ch, Zollikon, 2007.

[104] Grunberg, J.: Grundlagen der Tragwerkspla-nung – Sicherheitskonzept und Bemessungsregelnfur den konstruktiven Ingenieurbau. Erlauterungenzu DIN 1055-100. DIN Deutsches Institut fur Nor-mung e. V. (Hrsg.), Beuth Verlag, Berlin 2004.

[105] Zilch, K.; Zehetmaier, G.: Bemessung imkonstruktiven Betonbau nach DIN 1045 1 (Fas-sung 2008) und EN 1992-1-1 (Eurocode 2). 2.,neu bearbeitete und erweiterte Auflage, SpringerVerlag, Berlin 2010.

[106] Vismann, U.: ZuverlassigkeitstheoretischeVerifikation von Bemessungskriterien im Stahlbe-tonbau. Dissertation, Technische Universitat Mun-chen, 1995.

[107] Model Code 2010: Final draft Volume 2. fibbulletin 66, International Federation for StructuralConcrete (fib), Lausanne, 2012.

[108] Gulvanessian, H.; Calgaro, J.-A.; Holicky,M.: Designers’ Guide to EN 1990 Eurocode: Basisof structural design. Thomas Telford 2002.

[109] DIN 4227-1:1988-07: Spannbeton – Bauteileaus Normalbeton mit beschrankter oder voller Vor-spannung. Beuth Verlag, Berlin 1988.

[110] Bundesministerium fur Verkehr und Haupt-verwaltung der Deutschen Bundesbahn (Hrsg.):Zusatzliche Bestimmungen zu DIN 4227 fur Bru-cken aus Spannbeton. Februar 1966.

[111] Hegger, J.; Gortz, S.: Querkraftbemessungnach DIN 1045-1. Beton- und Stahlbeton 97(2002), Heft 9, S. 460–470.

[112] Deutscher Ausschuss fur Stahlbeton: Richtli-nien fur Bemessung und Ausfuhrung von Spann-betonbauteilen. Unter Berucksichtigung von DIN1045 (Ausgabe Januar 1972), als vorlaufiger Er-satz fur DIN 4227 (Ausgabe Oktober 1953), Juni1973.

[113] Leonhardt, F.: Die verminderte Schubde-ckung bei Stahlbeton-Tragwerken – Begrundungdurch Versuchsergebnisse mit Hilfe einer erweiter-ten Fachwerkanalogie. Bauingenieur 40 (1965),Heft Januar, S. 1–15.

[114] Maurer, R.; Zilch, K.; Kiziltan, H. et al.: Un-tersuchungen zur Querkraftbemessung von Spann-betonbalken mit girlandenformiger Spannglied-fuhrung. Abschlussbericht BASt FE 29.0244/2009.

[115] DIN 4227-1:1979-12: Spannbeton – Bauteileaus Normalbeton mit beschrankter oder voller Vor-spannung. Beuth Verlag, Berlin 1979.

[116] Fachnormenausschuss Bauwesen im Deut-schen Normenausschuss. Richtlinien fur die Be-messung und Ausfuhrung massiver Brucken. Vor-laufiger Ersatz fur DIN 1075:1955-04, FassungAugust 1973.

[117] DIN 1075:1981-04: Betonbrucken – Bemes-sung und Ausfuhrung. Beuth Verlag, Berlin 1981.

[118] DIN 1072:1967-11: Straßen- und Wegbru-cken – Lastannahmen. Beuth Verlag, Berlin 1967.

[119] Institut fur Bautechnik: Geanderte Fassungder Zulassungsbescheide vom 8. 2. 1977 furSpannverfahren. Mitteilungen des Instituts furBautechnik, Nr. 2, 1977, S. 37–38.

[120] Der Bundesminister fur Verkehr: ZusatzlicheTechnische Vorschriften fur Kunstbauten, Ver-kehrsblatt Verlag, Dortmund, Ausgabe 1980.

[121] Zilch, K.; Weiher, H.; Maurer, R.; Baatjer, G.:Sicherheit von Spannbetonbrucken. Bericht zumFE 15.0408/2204/HR des BMVBS, Stand22.12.2005 einschließlich Korrekturen vom31.07.2006.

[122] Handlungsanweisung zur Beurteilung derDauerhaftigkeit vorgespannter Bewehrung von al-teren Spannbetonuberbauten. Bundesanstalt furStraßenwesen, Ausgabe 1998.

[123] DIN-Fachbericht 101:2003-03: Einwirkun-gen auf Brucken. Beuth Verlag, Berlin 2003.

[124] Konig, G.; Sturm, R.: Ermudungsfestigkeiteinbetonierter Spanngliedkopplungen und derenBeanspruchung unter Berucksichtigung der Span-nungsumlagerung bei gemischter Bewehrung. Be-ton- und Stahlbetonbau 88 (1993), Heft 7, S. 194–198.

[125] Kordina, K.; Gunther, J.: Dauerschwellversu-che an Koppelankern unter praxisahnlichen Bedin-gungen. Bauingenieur 57 (1982), S. 103–108.

[126] Maurer, R.; Zilch, K.; Hegger, J. et al.: Erlau-terungen und Hintergrunde zur Nachrechnungs-richtlinie – Betonbrucken. Bauingenieur 87(2012), Heft Januar 2012, S. 24–35.

[127] Konig, G.; Maurer, R.; Tue, N. V. et al.: Leit-faden zum DIN-Fachbericht 102 Betonbrucken,Ausgabe Marz 2003. Ernst & Sohn Verlag, Januar2004.

[128] Zilch, K.; Zehetmaier, G.; Glaser, C.: Ermu-dungsnachweis bei Massivbrucken. In: Bergmeis-ter, K.; Worner, J.-D. (Hrsg.): Beton-Kalender2004, Teil 1, S. 309-406. Ernst & Sohn, Berlin2004.

[129] Konig, G.; Mangerig, I.; Sedlacek, G. et al.:Bestimmung von Kombinationsbeiwerten und -re-

343Literatur

IV

Page 73: Beton-Kalender 2013 (Lebensdauer und Instandsetzung - Brandschutz) || Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrücken aus Beton

geln fur Einwirkungen auf Brucken. Bundesminis-terium fur Verkehr (Hrsg.): Forschung Straßenbauund Straßenverkehrstechnik, Heft 715, Juni 1996.

[130] Bundesminister fur Verkehr: Empfehlungenzur �berprufung und Beurteilung von Bruckenbau-werken, die mit vergutetem Spannstahl St 145/160Neptun N40 bis 1965 erstellt wurden. Bonn, 1993.

[131] Stempniewski, L.; Eibl, J.: Finite Elementeim Stahlbeton. In: Eibl, J. (Hrsg.): Beton-Kalender,Teil 2, S. 577–647. Ernst & Sohn, Berlin 1996.

[132] Lingemann, J.: Zum Ankundigungsverhaltenvon alteren Bruckenbauwerken bei Spannstahlaus-fallen infolge von Spannungsrisskorrosion. Disser-tation, Technische Universitat Munchen, 2010.

[133] DIN 1072:1952-06: Straßen- und Wegbru-cken – Lastannahmen. Beuth Verlag, Berlin 1952.

[134] DIN 4085:2011-05: Baugrund – Berechnungdes Erddrucks. Beuth Verlag, Berlin 2011.

344 Die Nachrechnung von bestehenden Straßenbrucken aus Beton