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36 VERFAHRENSTECHNIK 12/2015 BETRIEBSTECHNIK Wirksam gegen Metal Dusting Neue Nickelbasislegierung auf dem Markt Hedieh Barkemeyer, Reinhart Baden Die Effizienz und damit auch die Wirtschaftlichkeit von Anlagen sind unter anderem von der Langzeit- stabilität und Leistung der Materia- lien abhängig, die in dem Herstel- lungssystem verwendet werden. Eine neue Nickellegierung widersteht Metal Dusting. M etal Dusting ist ein ernstzunehmen- der Korrosionsangriff, der bei ho- hen Kohlenstoffaktivitäten in der Pro- zessatmosphäre stattfindet. Der Kohlen- stoff führt über die Bildung innerer Metallkarbide im Werkstoff in der Regel zur Aufkohlung, wodurch eine Versprö- dung des Bauteils erfolgt. Als Ergebnis dieser Prozesse zerfällt das metallische Bauteil zu „Staub“ aus Grafit und Metall- bzw. Metallkarbidpartikeln. Metal Dust- ing ist also ein sehr ernstzunehmender Korrosionsangriff. Die unausweichliche Zersetzung der metallischen Legierungen tritt vorwie- gend bei hohen Drücken und Umgebungs- temperaturen zwischen 550 bis 850 °C, in kohlenstoffhaltigen Atmosphären aus H 2 , CO, CO 2 und Wasserdampf-Gasge- mischen ein. Dieser Prozess ist eine Folge einer stark reduzierenden und aufkohlen- den Atmosphäre mit einer sehr hohen Kohlenstoffaktivität. Zu den Industrieprozessen und -anlagen, die anfällig für Metal Dusting sind, zählen beispielsweise der Methan-Reformierungs- prozess zur Herstellung und Verarbeitung von Synthesegas (CO + H 2 ), Industrieöfen so- wie Anlagen zur Erzeugung von Ammoniak, Methanol, Dimethylether, Wasserstoffsyn- these sowie GTL-(Gas-to-Liquid)-Anlagen. Umso wichtiger ist die Entwicklung von Werkstoffen, die eine hohe Beständigkeit gegen das Phänomen der Korrosion – hier genauer gegenüber Metal Dusting – auf- weisen. Zu den geeigneten Werkstoffen gehören Nickelbasislegierungen, die eine höhere Beständigkeit gegen Metal Dusting aufweisen als rostfreie Stähle und sich deshalb besonders gut für die oben be- schriebenen Anlagen eignen. Die meisten Nickelbasislegierungen, die gegen das Phä- nomen des Metal Dusting eingesetzt wer- den, enthalten zudem min. 20 Gew. % Chrom, einige auch Aluminium und/oder Silizium. Diese Legierungselemente kön- nen eine wirksame äußere Chromoxid-, Aluminiumoxid- und Siliziumdioxid- Schutzschicht bilden. Autoren: Hedieh Barkemeyer, Reinhart Baden, beide Technical Customer Service Speciality Materials, Zapp Materials Engineering GmbH, Ratingen

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36 VERFAHRENSTECHNIK 12/2015

BETRIEBSTECHNIK

Wirksam gegen Metal DustingNeue Nickelbasislegierung auf dem Markt

Hedieh Barkemeyer, Reinhart Baden

Die Effizienz und damit auch die

Wirtschaftlichkeit von Anlagen sind

unter anderem von der Langzeit-

stabilität und Leistung der Materia-

lien abhängig, die in dem Herstel-

lungssystem verwendet werden.

Eine neue Nickellegierung

widersteht Metal Dusting.

Metal Dusting ist ein ernstzunehmen-der Korrosionsangriff, der bei ho-

hen Kohlenstoffaktivitäten in der Pro-zessatmosphäre stattfindet. Der Kohlen-stoff führt über die Bildung innerer Metallkar bide im Werkstoff in der Regel zur Aufkohlung, wodurch eine Versprö-dung des Bauteils erfolgt. Als Ergebnis dieser Prozesse zerfällt das metallische Bauteil zu „Staub“ aus Grafit und Metall- bzw. Metallkarbidpartikeln. Metal Dust-ing ist also ein sehr ernstzunehmender Korrosionsangriff.

Die unausweichliche Zersetzung der metallischen Legierungen tritt vorwie-gend bei hohen Drücken und Umgebungs-

temperaturen zwischen 550 bis 850 °C, in kohlenstoffhaltigen Atmosphären aus H

2, CO, CO

2 und Wasserdampf-Gasge-

mischen ein. Dieser Prozess ist eine Folge einer stark reduzierenden und aufkohlen-den Atmosphäre mit einer sehr hohen Kohlenstoffaktivität.

Zu den Industrieprozessen und -anlagen, die anfällig für Metal Dusting sind, zählen beispielsweise der Methan-Reformierungs-prozess zur Herstellung und Verarbeitung von Synthesegas (CO + H

2), Industrieöfen so-

wie Anlagen zur Erzeugung von Ammoniak, Methanol, Dimethylether, Wasserstoffsyn-these sowie GTL-(Gas-to-Liquid)-Anlagen.

Umso wichtiger ist die Entwicklung von Werkstoffen, die eine hohe Beständigkeit gegen das Phänomen der Korrosion – hier genauer gegenüber Metal Dusting – auf-weisen. Zu den geeigneten Werkstoffen gehören Nickelbasislegierungen, die eine höhere Beständigkeit gegen Metal Dusting aufweisen als rostfreie Stähle und sich deshalb besonders gut für die oben be-schriebenen Anlagen eignen. Die meisten Nickelbasislegierungen, die gegen das Phä-nomen des Metal Dusting eingesetzt wer-den, enthalten zudem min. 20 Gew.  % Chrom, einige auch Aluminium und/oder Silizium. Diese Legierungselemente kön-nen eine wirksame äußere Chromoxid-, Aluminiumoxid- und Siliziumdioxid-Schutzschicht bilden.

Autoren: Hedieh Barkemeyer, Reinhart Baden, beide Technical Customer Service Speciality Materials, Zapp Materials Engineering GmbH, Ratingen

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VERFAHRENSTECHNIK 12/2015 37

BETRIEBSTECHNIK

Ideale Legierung folgt dem Prinzip „drei in einem“

Es kommt allerdings nicht nur auf die Kor-rosionsbeständigkeit an. Neben der Bestän-digkeit gegen das Metal Dusting spielt auch die Verarbeitbarkeit der jeweiligen Legierung eine entscheidende Rolle. In der Regel kommen Fertigungsverfahren wie Kaltverformung und Schweißvorgänge zur Herstellung von Komponenten für die be-schriebenen Anlagen zum Einsatz. Und hier zeigt sich die Kehrseite der oben ange-führten Legierungselemente wie Silizium, Aluminium etc. Die Anwesenheit von ho-hen Mengen an Aluminium in der Legie-rung kann zur spannungsin duzierten Riss-bildung bei der Wärme behandlung nach dem Schweißen oder Umformen führen. Silizium wiederum macht die Werkstoffe anfällig für Erstarrungsrisse beim Schweiß-vorgang.

Neben der Verarbeitbarkeit ist die thermi-sche Stabilität ein bedeutsamer Aspekt für viele Hochtemperatur-Nickellegierungen – die erwünschten Eigenschaften dürfen sich auch beim Einsatz unter hohen Umgebungs-temperaturen nicht nennenswert verändern. Die ideale Legierung muss also dem Prinzip „drei in einem“ folgen und neben der Bestän-digkeit gegen das Metal Dusting über Eigen-schaften wie eine ausgezeichnete Verarbeit-barkeit und thermische Stabilität verfügen. Und einen solchen Werkstoff gibt es: eine neue Nickelbasis legierung mit der Bezeich-nung Haynes HR-235 alloy. Die Legierung enthält unter anderem nominell 31 Gew. % Chrom, 5,6  Gew.  % Molybdän, 3,8  Gew.  % Kupfer und wird von der Zapp Materials En-gineering GmbH aus Ratingen vertrieben.

Tests unter besonders harten BedingungenDie Metal-Dusting-Reaktion ist im Grunde ein katalytischer Vorgang, der zu Anfang relativ langsam voranschreitet; das macht sich dennoch nach einigen Tausend Stun-den Einwirkung in vielen Nickelbasislegie-rungen bemerkbar. Um schnell belastbare Testergebnisse zu erhalten, ist ein solch langsamer Prozess kontraproduktiv. Daher wurde die angewandte Testmethodik im Vergleich zu realen industriellen Umgebun-gen bewusst extrem aggressiv gewählt: Starke thermische Zyklen können Oxidabplatzun-gen verursachen, sodass die Metal-Dusting-Reaktion durchaus bereits in einem frühen Stadium einsetzen kann. Durch die so er-reichte Minimierung der Inkubationszeit wurde die Testdauer erheblich verkürzt.

Die beschriebenen anspruchsvollen Prüf-verfahren lieferten Haynes den Beweis für die Eigenschaften der neuen Legierung. Zu-rückzuführen sind sie auf den hohen Chrom-gehalt, den Kupfer-Anteil und kleinere ele-mentare Zusätze in der Legierung, wie Man-gan und Silizium. Sollte die Chromoxid-

schicht einmal durchbrechen, verlangsamt das Kupfer darunter den kataly tischen Zer-setzungsprozess. Ein weiterer Vorteil der Le-gierung ist der mit weniger als 1,5 % relativ niedrige Eisengehalt, da Eisen die Metal-Dusting-Reaktion noch verstärkt.

Bei den Tests der neuen Legierung wurde die Beständigkeit gegenüber Metal Dusting in einer definierten Umgebung zusammen mit einem Vergleichswerkstoff geprüft. Da-zu wurde eine Mikrokanal-Testvorrichtung hergestellt, deren eine Hälfte aus HR-235, die andere aus Alloy 617 bestand. So ergab sich ein gemeinsamer Strömungskanal für die Dampf-Methan-Reformierungsreak-tion, wodurch beide Legierungen vergleich-baren Metal-Dusting-Bedingungen ausge-setzt waren. Die Vorrichtung wurde sodann bei hohem Druck in Synthesegas-Umge-bung für eine Gesamtdauer von ca. 1200 h in Betrieb genommen.

Nach Ablauf der Testdauer war ersicht-lich, dass die Legierungsoberfläche der Vergleichslegierung 617 stark geschädigt worden war, während HR-235 bei gleicher Synthesegasumgebung keinerlei Anzei-chen von Grübchenbildung zeigte. Eine REM-Analyse machte diesen Effekt sowohl auf der Oberfläche als auch im Querschnitt von 617 Alloy eindeutig sichtbar.

Effektiver Kampf gegen GewichtszunahmeUnter Metal-Dusting-Bedingungen lässt sich eine Gewichtsveränderung bei den betroffe-nen Komponenten beobachten; dies geht in der Regel auf Oxidation, Abplatzungen der

Darstellung von Oberfläche (obere Reihe) und Querschnitt (untere Reihe) von 617 und HR-235 in der Mikrokanal-Testvorrichtung nach 1200 h Kontakt mit Synthesegas

Zunderschicht, interne Aufkohlung und – am wichtigsten – auf Kohleablagerungen durch katalytische Oberflächenreaktionen zurück. Daher spielten bei der Untersu-chung hinsichtlich der Beständigkeit von HR-235 in Metal-Dusting-Umgebungen die Effekte Kohle-Ablagerung, Grübchen-bildung und interne Angriffe in den Legie-rungen eine wichtige Rolle. Da die Betrieb-stemperaturen, bei denen die Metal-Dust-ing-Reaktionen in der Regel stattfinden, re-lativ gering sind, ist davon auszugehen, dass die Effekte durch die internen Angrif-fe eher nicht so stark sind. Folglich ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der Metall-Zer-fall auf der Oberfläche die Grundursache für den katastrophalen Ausfall durch Metal Dusting.

Auch die Tests in Bezug auf die gefürch-tete Aufkohlung sprechen eine deutliche Sprache: Testreihen zeigten eine dicke Koksschicht auf der Oberfläche der bereits vorhandenen Vergleichsprobe Haynes 230, während bei HR-235 nur vereinzelte Kohle-ablagerungen zu sehen sind. Das bestätigt auch die XRD-Analyse: In der Probe aus der 230-Legierung ist die Anwesenheit von Kohlenstoff (Grafit) deutlich nachweisbar, aber im Falle der HR-235 lag dieser unter-halb der Nachweisgrenze.

Insgesamt war klar festzustellen, dass die Metal-Dusting-Reaktion auf HR-235 nur sehr langsam voranschreitet und im Gegen-satz zu 230 Alloy zu keinem Zeitpunkt ein signifikanter und daher folgenschwerer Zerfall stattfindet.

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